23.04.2013 Aufrufe

Klassenobergrenzen herabsetzen - GEW Niedersachsen

Klassenobergrenzen herabsetzen - GEW Niedersachsen

Klassenobergrenzen herabsetzen - GEW Niedersachsen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die Klassenfrequenzen in den Niedersächsischen<br />

Schulen sind auf einem anhaltend<br />

hohen Sftand. Die im Oktober<br />

veröffentliche Schulstatistik des Kultusministerium<br />

zeigt: An Gymnasien und Gesamtschulen<br />

war das Jahr 2008 das schlechteste Jahr<br />

seit Jahrzehnten.<br />

28,4 Prozent der Gymnasialklassen haben<br />

über 30 Schülerinnen und Schüler, 83,2 Prozent<br />

über 25. In den 90er-Jahren waren Klassen<br />

über 30 eine seltene Ausnahme (unter<br />

3 Prozent) und weniger als die Hälfte der<br />

Klassen hatte mehr als 25. Der seit 2003 und<br />

insbesondere seit 2004 zu verzeichnende Anstieg<br />

an großen und sehr großen Klassen an<br />

Gesamtschulen und Gymnasien ist immer<br />

noch nicht gestoppt. Auch an den Realschulen<br />

gibt es keine Besserung: Die Werte blieben<br />

nahezu auf dem Höchststand der letzten<br />

Jahre. An den Grundschulen sind zwar keine<br />

Verschlechterungen mehr zu verzeichnen,<br />

doch haben immer noch 64,4 Prozent der<br />

Klassen 20 und mehr Schülerinnen und<br />

Schüler. Nur an den Hauptschulen bildet sich<br />

der Trend sinkender Schülerzahlen auch in<br />

abnehmenden Klassenfrequenzen ab. Damit<br />

sich jede/r ein Bild von dieser schlechten<br />

Entwicklung machen kann, haben wir die<br />

statistischen Daten seit 1992 für die Schulformen<br />

zusammengestellt. (Tabelle Gymnasien<br />

siehe Seite 2 – übrige Schulformen<br />

www.gew-nds.de).<br />

Raubbau an Arbeitskraft<br />

und Gesundheit<br />

Die Daten der offiziellen Schulstatistik belegen,<br />

was wir tagtäglich spüren. Die chronische<br />

personelle Unterbesetzung der Schulen verursacht<br />

Raubbau an der Arbeitskraft und Gesundheit<br />

der Lehrerinnen und Lehrer und des<br />

nicht lehrenden Schulpersonals.<br />

Zu große Klassen steigern die Arbeitsbelastung<br />

erheblich: Unterrichten wird schwieriger.<br />

Für den einzelnen Schüler, die einzelne Schülerin<br />

steht weniger Zeit zur Verfügung. Die Anzahl<br />

der Korrekturen und Prüfungen steigt. Dabei<br />

wachsen die Erwartungen der Eltern an die<br />

Leistungen der Schulen – insbesondere an<br />

den Grundschulen. Effektive und qualitativ<br />

hochwertige Bildungsbedingungen sind unter<br />

diesen Bedingungen nicht oder nur durch<br />

Überlastung und übermäßigen Verschleiß zu<br />

realisieren. Die Lehrkräfte erwarten, dass diese<br />

Überlastung nun endlich beseitigt wird.<br />

Die <strong>GEW</strong> setzt sich deshalb massiv für die<br />

Reduzierung der <strong>Klassenobergrenzen</strong> ein. Die<br />

Landesdelegiertenkonferenz hat folgende Zielwerte<br />

als Forderung bekräftigt:<br />

– Grundschule 20<br />

– Sekundarstufe I in allen Schulformen 25<br />

– Sekundarstufe II Kurse 18<br />

Bei integrativem/inklusivem Unterricht müssen<br />

die Gruppengrößen zusätzlich reduziert<br />

werden und müssen zusätzliche Lehrerstunden<br />

zugewiesen werden, wie es dem derzeit<br />

gültigen Erlass entspricht.<br />

Ein Stufenplan muss jetzt starten<br />

Wann und wie soll die Reduzierung der<br />

<strong>Klassenobergrenzen</strong> beginnen? Niemand<br />

kann erwarten, dass die Zielwerte in einem<br />

Schritt zu erreichen sind. Ein Stufenplan von<br />

der 1. Klasse bis zum Abitur muss aber im<br />

kommenden Schuljahr beginnen. Ein erster<br />

deutlicher Schritt könnte in den Grundschulen<br />

vorgenommen werden. In dieser Schulform<br />

sinken die Schülerzahlen erkennbar und es<br />

sind genügend Lehrkräfte auf dem Arbeitsmarkt,<br />

um das nötige Personal für diesen<br />

Schritt zu gewinnen. Für alle Schulen muss<br />

Jahr für Jahr ein Schritt in Richtung der Zielwerte<br />

geplant, verbindlich festgelegt und realisiert<br />

werden.<br />

www.gew-nds.de<br />

HERAUSGEBER: <strong>GEW</strong>ERKSCHAFT ERZIEHUNG UND WISSENSCHAFT K 1527 E, NR. 11 16. NOVEMBER 2009<br />

Entlastung jetzt einleiten<br />

<strong>Klassenobergrenzen</strong> <strong>herabsetzen</strong><br />

Bessere Personalversorgung in Kitas, Schulen und Hochschulen<br />

Größer sollte eine Klasse im Sekundarbereich I nicht sein. Tatsächlich aber haben gut 80<br />

Prozent mehr als 25 Schülerinnen und Schüler.<br />

Wie verhält sich die Niedersächsische Landesregierung<br />

gegenüber diesen Vorstellungen?<br />

Die Kultusministerin hat im Frühjahr 2009 erklärt,<br />

sie plane, die <strong>Klassenobergrenzen</strong> herabzusetzen.<br />

Gespräche mit der <strong>GEW</strong>, den<br />

Lehrerverbänden des Beamtenbundes sowie<br />

dem Landeselternrat und dem Landesschülerrat<br />

zu diesem Thema sind inzwischen terminiert.<br />

Die Ministerin ist der Auffassung, ab<br />

2011 solle mit der Reduzierung der <strong>Klassenobergrenzen</strong><br />

begonnen werden. Ab 2011 werde<br />

nämlich – so die Ministerin – die Unterrichtsversorgung<br />

entspannter, weil dann durch den<br />

doppelten Abiturjahrgang an den Gymnasien<br />

der Personalbedarf verringert würde und weil<br />

sich an den anderen Schulformen der Rückgang<br />

der Schülerzahlen erkennbar auswirke.<br />

Zu Zielwerten für die einzelnen Schulformen ist<br />

aus dem MK bisher nichts bekannt geworden.<br />

Die <strong>GEW</strong> begrüßt, dass die Landesregierung<br />

sich dieser wichtigen Aufgabe stellt und<br />

nimmt die Gesprächsangebote selbstverständlich<br />

an. Im Nachbarland Nordrhein-Westfalen<br />

sind Gespräche über einen Stufenplan<br />

auf einem guten Weg. Es kann also funktionieren,<br />

gemeinsam Lösungen zu finden, wenn<br />

man will – auch zwischen einer CDU-FDP-Landesregierung<br />

und der <strong>GEW</strong>.<br />

Foto: Rainer Unkel / imago<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


2<br />

Eine Einigung auf den Einstieg in den Stufenplan<br />

ist vordringlich. Das Argument der Ministerin,<br />

wegen des doppelten Abiturjahrgangs an<br />

den Gymnasien wäre 2011 das richtige Jahr,<br />

um mit der Reduzierung der <strong>Klassenobergrenzen</strong><br />

anzufangen, sticht nur bedingt. Immerhin<br />

wird an den Gymnasien ab 2011 das Lehrerarbeitszeitkonto<br />

zurückgegeben – jetzt wird es<br />

noch weiter aufgebaut. Dies wirkt der Entlastung<br />

entgegen. Zu große Erwartungen sind<br />

deshalb an die Entlastungseffekte nicht zu richten.<br />

Und vor allem ist der doppelte Abiturjahrgang<br />

kein Argument für die Verweigerung des<br />

Einstiegs in einen Stufenplan an den Grundschulen.<br />

Ohne eine Verbesserung des Personalschlüssels,<br />

ohne den Erhalt aller Stellen und<br />

die Einrichtung zusätzlicher Stellen, wird es keine<br />

Lösung geben können.<br />

Regierung muss<br />

Verlässlichkeit beweisen<br />

Der Regierung muss klar sein: Die Lehrerinnen<br />

und Lehrer, die sozialpädagogischen Fachkräfte,<br />

das nicht lehrenden Schulpersonal und<br />

die Schulleiterinnen und Schulleiter bringen<br />

dieser Regierung nicht gerade großes Vertrauen<br />

entgegen. Wenn die Regierung Vertrauen erwerben<br />

will, handelt sie klug, wenn sie im<br />

Schuljahr 2010 mit einem Stufenplan beginnt<br />

und wenn sie diesen dann Jahr für Jahr auch<br />

einhält – ohne jede Vorbehalte.<br />

Die Landesregierung muss bedenken, dass<br />

ihr die Beschäftigen im niedersächsischen Bildungswesen<br />

unter den Auspizien der Steuerpolitik<br />

der schwarz-gelben Bundesregierung weniger<br />

denn ja trauen. Schließlich planen Merkel<br />

und Westerwelle Steuersenkungen just zu dem<br />

Zeitpunkt, in dem die Steuereinnahmen insbe-<br />

VON EBERHARD BRANDT<br />

Höchste Regierungskunst<br />

ist es, vernünftigeEntscheidungen<br />

zu treffen, die sich<br />

des Beifalls breiter Kreise<br />

der Gesellschaft erfreuen,<br />

die den Erwartungen<br />

der eigenen Basis<br />

entsprechen, die politischen<br />

Gegner verblüffen und die vor allem<br />

Lösungen für Aufgaben bedeuten, die in der<br />

Zukunft bestehen. Es wird einer Regierung keineswegs<br />

als Schwäche, sondern als Stärke<br />

ausgelegt, wenn sie sich bei solchen Entscheidungen<br />

von überkommenen Vorstellungen<br />

trennt.<br />

Die an Gesamtschule interessierten Eltern<br />

und Schülerinnen und Schüler, der Landeselternrat,<br />

die Vertretungen der Schulträger und<br />

die <strong>GEW</strong> erwarten von der schwarz-gelben Koalition<br />

in Hannover endlich Bewegung: Die Zulassung<br />

von Gesamtschulen „ohne Wenn und<br />

Aber“. Das bedeutet: Einrichtung von Gesamtschulen,<br />

so wie sie die Eltern vor Ort wünschen,<br />

so wie sie die Bürgermeister und oftmals auch<br />

Landräte unabhängig von ihrer parteipoliti-<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

Gesamtschulen „ohne Wenn und Aber“<br />

Bewegung statt Sturheit<br />

schen Ausrichtung befürworten. Und zwar nicht<br />

aus ideologischen Gesichtspunkten, sondern<br />

einfach, weil es vernünftig ist, angesichts des<br />

demografischen Wandels eine Schule vor Ort<br />

zu haben, die alle Bildungsgänge – auch den<br />

gymnasialen – integriert und zum Abitur führt.<br />

Eine Schule im Heimatort oder nahe bei, die<br />

möglichst viele Kinder ohne weite Wege besuchen<br />

können. Oder eine Schule, die in großen<br />

Städten den Eltern und ihren Kindern eine Alternative<br />

zum gegliederten Schulsystem bietet –<br />

vor allem einen anderen Weg zum Abitur als am<br />

Turbo-Gymnasium.<br />

Der Zeitpunkt für neue Entscheidungen ist<br />

günstig. Die Verordnung zur Schulentwicklung<br />

muss bis Ende des Jahres neu gefasst werden.<br />

Ein guter Anlass zurückzukehren zu den „alten“<br />

Zulassungsbedingungen für Gesamtschulen:<br />

Vierzügig, im Ausnahmefall dreizügig.<br />

Außerdem muss die Verpflichtung zum Turbo-Abi<br />

an Gesamtschulen zurückgenommen<br />

werden. Bei Vorlage der entsprechenden Verordnungen<br />

wird sich zeigen, dass eine integrierte<br />

Sekundarstufe I mit dem derzeit gültigen Gesetzes<br />

nicht zusammenpasst.<br />

Was Ministerpräsident Roland Koch in Hessen<br />

kann, muss auch in <strong>Niedersachsen</strong> möglich<br />

sein: Gesamtschulen zulassen – auch vier- und<br />

LANDESPOLITIK<br />

Weitere Tabellen zur Entwicklung der Klassenfrequenzen sind auf der <strong>GEW</strong>-Homepage www.gew-nds.de<br />

zu finden. Quelle: Jährliche Schulstatistik des MK „Die niedersächsischen allgemein bildenden Schulen in Zahlen“.<br />

sondere der Länder und Kommunen exorbitant<br />

fallen und in dem die so genannte „Schuldenbremse“<br />

ihre Schatten voraus wirft. Die Ausgaben<br />

für Bildung sind systemrelevant. Sie dürfen<br />

in der Krise nicht abgebaut, sondern sie müssen<br />

erweitert werden. Es ist Sache der Landesregierung,<br />

Verlässlichkeit gegenüber den Beschäftigten<br />

in Schulen, Kitas und Hochschulen<br />

gerade in Krisenzeiten zu beweisen. Darum<br />

muss der Start eines Stufenplans im kommenden<br />

Schuljahr beginnen. Jeder Verzögerung<br />

wird der Geruch anhängen, dass die Entlastung<br />

auf den St. Nimmerleinstag verschoben wird.<br />

Der Niedersächsische Schulleitungsverband<br />

hat aus eben diesem Grund darauf bestanden,<br />

dass die Entlastung der Schulleiterinnen und<br />

Schulleiter sofort und nicht erst 2011 beginnt.<br />

Verbesserung der Personalausstattung<br />

der Schulen<br />

Die Schulen benötigen dringend mehr Lehrkräfte,<br />

um die Vertretungs- und Förderkonzepte<br />

realisieren zu können, die nicht zu einer zusätzlichen<br />

Belastung des vorhandenen Personals<br />

führen. Die Reduzierung der Zuweisung von<br />

Lehrerstunden, die unter Kultusminister Buse-<br />

mann vorgenommen wurde, muss zurückgenommen<br />

werden. Außerdem muss der Ganztagsbetrieb<br />

mit dem erforderlichen Personal<br />

ausgestattet werden, damit ein vernünftiger gebundener<br />

Ganztag an allen Ganztagsschulen<br />

realisiert werden kann. Dies erwarten heutzutage<br />

die Eltern. Dies fordern die Schulträger, so<br />

der Präsident des Niedersächsischen Städtetages,<br />

der Lüneburger Oberbürgermeister Mädge<br />

bei der Städteversammlung im Oktober.<br />

Dazu braucht es den Erhalt aller Stellen sowie<br />

die Einrichtung zusätzlicher Stellen. Ohne<br />

eine deutliche Entlastung der Lehrkräfte wird es<br />

überdies nicht gelingen, den erforderlichen<br />

pädagogischen Nachwuchs für die Schulen zu<br />

gewinnen.<br />

Die Forderungen der <strong>GEW</strong> nach kleineren<br />

Lerngruppen und einer besseren Betreuungsquote<br />

gelten selbstverständlich nicht nur für die<br />

allgemein bildenden Schulen, sondern auch für<br />

die berufsbildenden, die Kindertagesstätten<br />

und die Hochschulen. An allen Bildungseinrichtungen<br />

leiden Pädagoginnen und Pädagogen<br />

und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

unter einer chronischen Überlastung.<br />

EBERHARD BRANDT<br />

dreizügige, so wie es dem örtlichen Bedarf entspricht.<br />

Kein Turboabitur an der IGS, kein<br />

Zwang dazu an der KGS!<br />

Ich sage klar und deutlich: Die <strong>GEW</strong> fordert<br />

nicht, durch Gesetzesänderung, Haupt- und<br />

Realschulen oder Gymnasien abzuschaffen.<br />

Schon gar nicht die Einrichtung eines Zwei-<br />

Säulen-Modells nach dem Muster anderer Bundesländer,<br />

wie es auch in <strong>Niedersachsen</strong> immer<br />

mal wieder in der bildungspolitischen Debatte<br />

auftaucht. Es ist unverkennbar, dass die gesellschaftlichen<br />

Mehrheiten für pragmatische Lösungen<br />

durch die Betroffenen stehen, nicht für<br />

generelle Lösungen über ihre Köpfe hinweg.<br />

Erinnert sich Ministerpräsident Wulff eigentlich<br />

noch daran, welchen enormen Beifall er in<br />

den Medien für seine Wahlkampfankündigung<br />

bekam, er wolle das Gesamtschulgründungsverbot<br />

aufheben? Das wurde als staatsmännisches<br />

Handeln eines Landesvaters bezeichnet.<br />

Was hindert ihn, diese Linie wieder aufzunehmen?<br />

Die <strong>GEW</strong> ist bereit, sich für zukunftsfähige<br />

Lösungen einzusetzen und zu kooperieren –<br />

auf Landesebene und vor Ort.<br />

Es muss wieder Bewegung in die Entwicklung<br />

kommen. Die Bewegung von unten, aus<br />

den Schulen, aus den Gemeinden muss wieder<br />

sichtbar werden.


KOALITIONSVERTRAG 3<br />

VON DIERK HIRSCHEL<br />

Die Tinte unter dem Koalitionsvertrag ist<br />

trocken. Die Ämter sind vergeben. Jetzt<br />

kann die Tigerente richtig loslegen. Mut<br />

zur Zukunft lautet das schwarz-gelbe Motto.<br />

Das Positive vorweg: Geschichte wiederholt<br />

sich diesmal nicht. Schäuble spielt nicht den<br />

Brüning. Der neue Finanzminister will nicht in<br />

der Krise sparen. Noch nicht. Die Jünger Ludwig<br />

Erhards haben offensichtlich dazugelernt.<br />

Das ist gut so.<br />

Schlecht ist, dass Merkel und Westerwelle<br />

die öffentlichen Kassen plündern. Das hat<br />

große Tradition. Bereits Ronald Reagan behauptete<br />

Steuerpolitik sei Wachstumspolitik.<br />

Das größte steuerpolitische Großexperiment<br />

der Moderne hinterließ aber nur verbrannte<br />

Erde. Der US-Schuldenberg verdreifachte<br />

sich in acht Jahren auf gigantische 2,6 Billionen<br />

US $. Auch hierzulande mussten wir bittere<br />

Erfahrungen machen. Hans Eichel schuf<br />

mit milliardenschweren Steuersenkungen riesige<br />

Haushaltslöcher. Das Geld fehlt uns heute<br />

noch. Die Gleichung - weniger Steuern -<br />

mehr Wachstum - weniger Schulden – ist<br />

noch nie aufgegangen. Nun will uns die<br />

schwarz-gelbe Steuerpolitik um jährlich rund<br />

30 Milliarden Euro entlasten. Ein Prozent<br />

Wachstum spült aber nur 5,5 Milliarden Euro<br />

in die Staatskassen zurück. Nach Adam Riese<br />

benötigen wir chinesische Wachstumsraten<br />

um die Lücke zu schließen. Willkommen im<br />

Märchenland.<br />

Doch damit nicht genug. Unrealistische<br />

Wachstumserwartungen sind nicht das einzi-<br />

NIEDERSACHSEN<br />

Herausgeber:<br />

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />

<strong>Niedersachsen</strong>, Berliner Allee 16,<br />

30175 Hannover, Telefon 0511 33804-0,<br />

Fax 0511 33804-46, eMail@<strong>GEW</strong>-Nds.de<br />

Vorsitzender: Eberhard Brandt, Hannover<br />

Verantwortl. Redakteur: Joachim Tiemer<br />

Redaktion: Sabine Kiel, Andreas Klepp,<br />

Richard Lauenstein, Hans Lehnert,<br />

Cordula Mielke, Brunhild Ostermann, Horst Vogel<br />

Postanschrift der Redaktion:<br />

Berliner Allee 16, 30175 Hannover,<br />

Fax 0511 33804-21<br />

E-Mail: J.Tiemer@<strong>GEW</strong>-Nds.de<br />

Erziehung und Wissenschaft <strong>Niedersachsen</strong> (EuW)<br />

erscheint 10x jährlich (Doppelausgabe im Juni und<br />

September). Für Mitglieder ist der Bezugspreis im<br />

Mitgliedsbeitrag enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt<br />

der Bezugspreis jährlich 7,20 € zzgl. 11,30 €<br />

Zustellgebühr (einschl. MwSt.).<br />

Redaktionsschluss ist der 20. des Vormonats. Später<br />

eingehende Manuskripte können nur ausnahmsweise<br />

berücksichtigt werden. Grundsätzlich behält sich<br />

die Redaktion bei allen Beiträgen Kürzungen vor. Für<br />

unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wird<br />

keine Verantwortung übernommen. Die mit dem Namen<br />

oder den Initialen des Verfassers gekennzeichneten<br />

Beiträge stellen nicht unbedingt die Meinung<br />

des Herausgebers oder der Redaktion dar.<br />

Verlag mit Anzeigenabteilung:<br />

STAMM Verlag GmbH, Goldammerweg 16<br />

45134 Essen, Tel. 0201 84300-0<br />

Fax 0201 472590<br />

E-Mail: anzeigen@stamm.de<br />

Internet: www.erziehungundwissenschaft.de<br />

Verantw. für Anzeigen: Mathias Müller<br />

Gültige Preisliste Nr. 30 vom 1. Januar 2009<br />

Anzeigenschluss siehe Terminplan<br />

Herstellung: Kornelia Schick, Adlerstraße 8<br />

31228 Peine, Tel. 05171 929295<br />

Fax 05171 929397<br />

Druck: Druckhaus A. Schlaeger GmbH<br />

Woltorfer Straße 116, 31224 Peine<br />

Tel. 05171 400-20<br />

Fax 05171 16424<br />

ISSN<br />

0170-0723<br />

Zum schwarz-gelben Koalitionsvertrag<br />

Keine Lehren aus<br />

der Krise gezogen<br />

Der Koalitionsvertrag stößt auf breite Kritik: Die zentralen Probleme des Landes bleiben ungelöst.<br />

Ein noch ärmerer Staat kann die Zukunft nicht gestalten.<br />

ge Problem. Fraglich ist auch, ob die konservativ-liberalen<br />

Steuerpläne überhaupt<br />

Wachstum erzeugen. Von den neuen Steuergeschenken<br />

profitieren mehrheitlich Besserverdienende.<br />

Dies gilt für die Absetzbarkeit<br />

der Sozialversicherungsbeiträge, den Kinderfreibetrag,<br />

die Unternehmens- und Erbschaftssteuergeschenke<br />

ebenso wie für die<br />

Einkommenssteuerreform 2011.<br />

Wer wenig verdient, kann wenig Steuern<br />

sparen. Jeder dritte Beschäftigte zahlt heute<br />

gar keine Steuern mehr. Dank niedriger Bruttolöhne.<br />

Deutlich mehr Netto vom Brutto gibt<br />

es unter der bürgerlichen Regierung nur für<br />

Gut- und Spitzenverdiener. Letztere legen<br />

aber mehr als ein Fünftel ihres Einkommens<br />

auf die hohe Kante. Folglich füttern die Steuergeschenke<br />

die Sparkonten und nicht die<br />

Kassen des Einzelhandels oder Handwerks.<br />

Und natürlich investiert kein Unternehmer nur<br />

weil der Fiskus künftig weniger abkassiert.<br />

Niedrigere Unternehmenssteuern füllen keine<br />

Auftragsbücher. Somit wird klar: Die schwarzgelbe<br />

Steuerpolitik ist keine Wachstumssondern<br />

Klientelpolitik und Reichtumspflege.<br />

Mit fatalen Folgen: Am Ende des Tages<br />

sind die öffentlichen Kassen endgültig leer.<br />

Die staatliche Finanzierungsbasis erodiert,<br />

der Schuldenberg wächst. Anschließend<br />

heißt es: Sparen, Sparen, Sparen. Die Weichen<br />

sind bereits gestellt. Viele Städte und<br />

Gemeinden stehen schon jetzt kurz vor dem<br />

Ruin. Über die Hälfte der Steuersenkung geht<br />

aber zu Lasten der Länder und Kommunen.<br />

Dann zwingt die gesetzlich verankerte Schul-<br />

denbremse die Kassenwarte den Rotstift anzulegen.<br />

Gekürzt wird in der Regel bei öffentlichen<br />

Investitionen. Gleichzeitig beabsichtigt<br />

die neue Regierung die Wettbewerbsposition<br />

öffentlicher Unternehmen zu schwächen.<br />

Zwangsläufig rollt dann, vor dem Hintergrund<br />

leerer Kassen, die nächste Privatisierungswelle.<br />

Damit lautet die schwarz-gelbe Antwort auf<br />

die schwerste Wirtschaftskrise seit 80 Jahren:<br />

Weiter so! Es werden keine Lehren aus der<br />

Krise gezogen. Die zentralen Probleme des<br />

Landes bleiben ungelöst. Ein noch ärmerer<br />

Staat kann die Zukunft nicht gestalten. Die Vision<br />

einer Bildungsrepublik bleibt eine inhaltsleere<br />

Phrase. Die Modernisierung des<br />

Gesundheitswesens und der ökologische<br />

Umbau kommen nicht voran. Die gesellschaftliche<br />

Spaltung setzt sich fort. So leistet<br />

staatliches Handeln keinen Beitrag zu mehr<br />

wirtschaftlicher Dynamik. Schwache Masseneinkommen<br />

tun ein Übriges. Der Binnenmarkt<br />

bleibt am Boden liegen. Nur das Ausland<br />

kann uns noch helfen. Doch die Weltwirtschaft<br />

ist heute eine Andere als vor der Krise.<br />

Die Kreditblase ist geplatzt. US-Amerikaner,<br />

Briten, Iren und Spanier werden in den nächsten<br />

Jahren sparen müssen. Folglich werden<br />

sie weniger Autos, Maschinen und Anlagen<br />

kaufen. Der deutschen Exportindustrie stehen<br />

schwere Jahre bevor. Deswegen ist es<br />

notwendiger denn je, die Binnenmarktkräfte<br />

zu stärken. Ein handlungsfähiger Staat spielt<br />

dabei eine zentrale Rolle. DIERK HIRSCHEL<br />

DGB-Chefökonom<br />

Foto: dpa<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


4<br />

Das Schaumburger Land wird Gesamtschulland<br />

Große Nachfrage nach<br />

Gesamtschulplätzen<br />

Die Diskussion um weitere Gesamtschulen<br />

ist in <strong>Niedersachsen</strong> in vollem<br />

Gange. Zum 1. August 2009 wurden in<br />

<strong>Niedersachsen</strong> 14 (!!!) neue Gesamtschulen<br />

genehmigt und eingerichtet (zwei KGS’n und<br />

zwölf IGS’n). Von den zwölf neuen Integrierten<br />

Gesamtschulen sind allein im Landkreis<br />

Schaumburg drei eingerichtet worden: in<br />

Obernkirchen, in Helpsen und in Rodenberg.<br />

Mit der schon seit 1991 bestehenden IGS in<br />

Stadthagen gibt es zurzeit im Landkreis<br />

Schaumburg vier Integrierte Gesamtschulen.<br />

Diskussion um neue<br />

Gesamtschule in<br />

<strong>Niedersachsen</strong> in vollem Gang<br />

Doch schon zum Schuljahresbeginn hat sich<br />

herausgestellt, dass nicht alle Schüler/innen<br />

einen Gesamtschulplatz erhalten konnten. Im<br />

Losverfahren mussten immer noch viele Schüler/innen<br />

abgelehnt werden. Außerdem hatten<br />

die Stadt Rinteln und die Samtgemeinde Lindhorst<br />

beim Landkreis Schaumburg die Einrichtung<br />

jeweils einer IGS zum 01.08.2010 beantragt.<br />

Ausgelöst durch die hohen Anmeldezahlen<br />

zu diesem Schuljahr (von 730 Anmeldungen<br />

kreisweit konnten nur 550 berücksichtigt werden!)<br />

hat der Landkreis am 23. Juni 2009 beschlossen,<br />

zur Ermittlung des Bedürfnisses an<br />

der Errichtung weiterer Gesamtschulen eine<br />

Elternbefragung in der Stadt Rinteln und in den<br />

Samtgemeinden Lindhorst und Sachsenhagen<br />

durchzuführen.<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

Nach den Sommerferien wurde die Elternbefragung<br />

durchgeführt und das Ergebnis war<br />

klar: In Rinteln entschieden sich 389 (39,2 Prozent)<br />

von 992 befragten Eltern aus den Klassen<br />

1-4 für eine IGS. 782 Fragebögen wurden<br />

zurückgegeben (78,8 Prozent), davon haben<br />

sich 389 für eine IGS ausgesprochen, das waren<br />

also schon 49,7 Prozent. In Lindhorst haben<br />

sich 406 (36,5 Prozent) von 1112 befragten<br />

Eltern in den Klassen 1-4 für eine IGS ausgesprochen.<br />

Hier wurden allerdings nur 661<br />

von 1112 ausgeteilten Fragebögen zurückgegeben,<br />

das entspricht einer Beteiligungsquote<br />

von 54,9 Prozent. Von den 611 zurückgegebenen<br />

Fragebögen haben sich allerdings 406 für<br />

eine IGS ausgesprochen, das entspricht einer<br />

Zustimmungsquote von 66 Prozent.<br />

Größte Gesamtschuldichte<br />

in <strong>Niedersachsen</strong><br />

Auffällig gering war bei beiden Befragungen<br />

der Wunsch nach dem Besuch einer Hauptschule<br />

(Rinteln 1,4 Prozent der Befragten, in<br />

Lindhorst 0,5 Prozent!). Auch die Realschule<br />

wurde gering nachgefragt (14,3 Prozent der<br />

Befragten in Rinteln, nur noch 2,9 Prozent in<br />

Lindhorst). Das Gymnasium rangiert in der<br />

Gunst der Eltern erst nach der IGS an zweiter<br />

Stelle (19,3 Prozent der Befragten in Rinteln,<br />

nur 10,7 Prozent in Lindhorst).<br />

Damit ist festzustellen, dass es an den<br />

Standorten Rinteln und Lindhorst einen großen<br />

Bedarf an der Errichtung von Integrierten Gesamtschulen<br />

gibt.<br />

GESAMTSCHULEN IN NIEDERSACHSEN<br />

Folgerichtig hat der Schulausschuss am<br />

26.10.2009 einstimmig (bei drei Enthaltungen<br />

der CDU) beschlossen, dem Kreistag die Errichtung<br />

von neuen IGS’n in Lindhorst und in<br />

Rinteln zu empfehlen. Dieser Empfehlung ist<br />

der Kreisausschuss am 3. November 2009 gefolgt.<br />

Er hat mit 8:3 Stimmen beschlossen,<br />

beim Land <strong>Niedersachsen</strong> einen Antrag auf die<br />

Genehmigung von zwei neuen IGS’n in Lindhorst<br />

und in Rinteln zu stellen.<br />

Das ist inzwischen auch geschehen, vorbehaltlich<br />

der Entscheidung des Kreistages, der<br />

am 15. Dezember 2009 mehrheitlich den Beschluss<br />

fassen wird.<br />

Die CDU hat im Kreisausschuss mehrheitlich<br />

gegen den Beschlussvorschlag gestimmt,<br />

weil sie den Fortbestand der Haupt- und Realschulen<br />

im Landkreis Schaumburg sehr kritisch<br />

bewertet.<br />

Es ist davon auszugehen, dass es im Landkreis<br />

Schaumburg zum Schuljahr 2010/2011<br />

sechs Integrierte Gesamtschulen geben wird,<br />

daneben fünf Gymnasien, eine kombinierte<br />

Haupt- und Realschule in Stadthagen und jeweils<br />

eine Haupt- und Realschule in Bückeburg.<br />

Aber auch in der Residenzstadt Bückeburg<br />

tut sich was. Hier hat die Gruppe Bündnis<br />

90/Die Grünen nun im dortigen Schulausschuss<br />

beantragt zu ermitteln, wie viele Eltern<br />

ihre Kinder auf eine IGS schicken würden,<br />

wenn es diese Schulform auch in Bückeburg<br />

geben würde. Begründet wurde dieser Vorstoß<br />

damit, dass viele Eltern das IGS-Konzept gut<br />

fänden, ihre Kinder aber nicht unbedingt zu einer<br />

entfernteren IGS schicken würden. Befürwortet<br />

wurde der Vorstoß auch vom Vorsitzenden<br />

des Stadtelternrats. Auch der Bückeburger<br />

Bürgermeister erklärte, man solle sich für<br />

eine IGS in Bückeburg einsetzen. Bei einer<br />

Enthaltung votierte der Schulausschuss dafür,<br />

eine Bedarfsermittlung in der Bückeburger Elternschaft<br />

durchzuführen.<br />

Damit dürfte das Schaumburger Land bald<br />

die größte Gesamtschuldichte in <strong>Niedersachsen</strong><br />

haben. Dies ist das Ergebnis einer sehr<br />

großen Nachfrage seitens der Elternschaft,<br />

das Ergebnis einer sehr guten Arbeit der bisherigen<br />

Gesamtschulen und das Ergebnis eines<br />

engagierten Eintretens der Kreispolitik für<br />

ein zukunftsorientiertes Schulsystem.<br />

Der Landkreis Rotenburg<br />

blockiert<br />

Gesamtschulgründungen<br />

Anders sieht es momentan im Landkreis Rotenburg<br />

(Wümme) aus. Auch im Landkreis Rotenburg<br />

(Wümme) gibt es seit Monaten eine<br />

sehr intensive Diskussion um die Errichtung<br />

von Gesamtschulen. In nahezu allen Samtgemeinden<br />

gab es Informationsabende für interessierte<br />

Eltern und am 11. März 2009 sogar eine<br />

groß angelegte Anhörung zum Thema „Weiterentwicklung<br />

der Schulstruktur im Landkreis<br />

Rotenburg (Wümme)“.<br />

Bei dieser Anhörung, zu der von der Kreisverwaltung<br />

eingeladen worden war, überwogen<br />

deutlich die Stimmen pro Gesamtschule.<br />

Namhafte Experten sprachen sich sehr deutlich<br />

für die Einrichtung von Gesamtschulen<br />

aus. Der Schulausschuss empfahl unmittelbar<br />

nach der Anhörung dann, ein kreisweites<br />

Schulkonzept zu erstellen, in dem auch Gesamtschulen<br />

berücksichtigt werden sollen.


GESAMTSCHULEN IN NIEDERSACHSEN 5<br />

In der Rotenburger/Wümme Rundschau<br />

vom 15.03.2009 hieß es nach der Anhörung<br />

und nach der Sitzung des Schulausschusses<br />

in einem Kommentar von Ines van Rahden:<br />

„Der Weg für Gesamtschulen im Landkreis Rotenburg<br />

scheint frei. Mittlerweile ist auch den<br />

letzten Verfechtern des dreigliedrigen Schulsystems<br />

klar geworden, dass ein starres Festhalten<br />

an alten Strukturen langfristig keinen<br />

Sinn ergibt. Der Schulausschuss legte mit seiner<br />

Empfehlung den Grundstein zur Einrichtung<br />

von KGS und IGS. Dieser Schritt war<br />

mehr als überfällig.“<br />

In der Tat war die Nachfrage nach Gesamtschulen<br />

im Landkreis Rotenburg sehr groß.<br />

Insgesamt sieben (!!!) Samtgemeinden haben<br />

bei ihrem Schulträger (Landkreis Rotenburg)<br />

die Errichtung einer Gesamtschule (vier Mal<br />

KGS, drei Mal IGS) beantragt. Doch schon<br />

bald erklärte die Kreisverwaltung, dass das<br />

dreigliedrige Schulsystem im Landkreis Rotenburg<br />

aufrecht erhalten werden soll. „Es wird in<br />

keinem Fall sieben Gesamtschulen im Kreis<br />

geben“, betonte der Schuldezernent. „Maximal<br />

drei Standorte kommen in Frage.“<br />

Die Nachfrage nach<br />

Gesamtschulen ist sehr groß<br />

Der Kreistag hat in seiner Sitzung am<br />

28.05 2009 dann die gewünschten Elternbefragungen<br />

auf den Weg gebracht. Diese<br />

kreisweite Befragung wurde zu Beginn des<br />

Schuljahres 2009/10 unter den Erziehungsberechtigten<br />

der Grundschüler/innen der Jahrgangsstufen<br />

1-4 durchgeführt. Ausgegeben<br />

wurden 7336 Fragebögen, 5445 wurden<br />

zurückgegeben, das entspricht einer Beteiligungsquote<br />

von 74,2 Prozent. Dabei haben<br />

sich 3189 grundsätzlich für eine Gesamtschule<br />

(IGS/KGS) ausgesprochen, das entspricht<br />

einer Zustimmungsquote von 43,5<br />

Prozent. Im Schnitt haben sich pro Jahrgang<br />

also ca 800 Eltern für eine Gesamtschule<br />

ausgesprochen. Das heißt: Rotenburg<br />

braucht mindestens fünf (!!!) Gesamtschulen.<br />

Was aber macht die Kreisverwaltung? Sie<br />

schlägt nur eine (!!!) KGS (Sittensen) vor und<br />

begründet dies damit, dass die geforderte<br />

langfristige Fünfzügigkeit an keinem Standort<br />

erreicht wird. Der Kreistag hat dann auch am<br />

22. Oktober 2009 dem Vorschlag der Verwaltung<br />

zugestimmt.<br />

Erst nach diesem Kreistagsbeschluss<br />

kommt erneut Bewegung in die Sache. Die<br />

Kreisverwaltung hat den Kreistag vorgeführt,<br />

indem sie darauf verzichtet hat, entsprechend<br />

der Ergebnisse der Elternbefragung Einzugsbereiche<br />

für neue Gesamtschulstandorte zusammenzufassen,<br />

damit auch fünfzügige Gesamtschulen<br />

entstehen können. Dabei ist<br />

doch klar, dass bei der Zustimmungsquote der<br />

Eltern die Standortauswahl entscheidend ist.<br />

Hier hätte sich die Kreisverwaltung schon die<br />

Mühe machen müssen, in Abstimmung mit<br />

den Samtgemeinden dem Elternwillen Rechnung<br />

zu tragen. Mit dem jetzt gefassten Beschluss,<br />

nur eine KGS zuzulassen, wird der Elternwille<br />

in Rotenburg mit Füßen getreten. Hier<br />

muss schnell eine Korrektur erfolgen.<br />

RICHARD WILMERS<br />

Vor 30 Jahren: Arbeitsniederlegung<br />

Genau 30 Jahre ist es her, dass die<br />

<strong>GEW</strong> <strong>Niedersachsen</strong> ein neues Instrument<br />

zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen<br />

ihrer Mitglieder erprobt<br />

hat. Am 13. November 1979 legten mehr als<br />

4000 Lehrerinnen und Lehrer demonstrativ<br />

für zwei Unterrichtsstunden ihre Arbeit nieder.<br />

Mit diesem „Demonstrationsstreik“ sollte<br />

den in Celle tagenden Ministerpräsidenten<br />

der Länder vor Augen geführt werden.<br />

dass ihre jahrelange Hinhaltetaktik in der<br />

Frage der Lehrerarbeitszeit von der Lehrerschaft<br />

nicht mehr hingenommen wurde.<br />

Zwei Tage später bekräftigten in Celle mehr<br />

als 10.000 Lehrerinnen und Lehrer ihre Entschlossenheit,<br />

das „Stillhalteabkommen“ der<br />

Tarifvertrag – Länder (TV-L) /<br />

Über Lehrkräfte wird am 8. Dezember verhandelt<br />

Kein entscheidender<br />

Durchbruch<br />

In den Tarifverhandlungen zur Eingruppierungsordnung<br />

(L-EGO) des TV-L zwischen<br />

den Gewerkschaften und der Tarifgemeinschaft<br />

deutscher Länder (TdL) ist auch nach<br />

der 5. Verhandlungsrunde vom 10. bis 12.<br />

November in Düsseldorf noch kein entscheidender<br />

Durchbruch erzielt worden. In Arbeitsgruppen<br />

werden die Eingruppierungsmerkmale<br />

und die Zuordnung der Tätigkeiten und<br />

Merkmale zu den Entgeltgruppen bearbeitet.<br />

Bisher sind vorwiegend die unteren Entgeltgruppen<br />

EG 2 bis 8 bearbeitet worden. Die für<br />

die <strong>GEW</strong> wegen der Lehrkräfte besonders<br />

wichtigen Entgeltgruppen 9 bis 15 werden in<br />

den nächsten Verhandlungsrunden erörtert<br />

werden.<br />

Im Organisationsbereich der <strong>GEW</strong> sind folgende<br />

Berufsgruppen von den Verhandlungen<br />

erfasst<br />

1. Lehrkräfte an Schulen<br />

2. Lehrkräfte an Hochschulen<br />

3. Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst<br />

(Sozialpädagogische Fachkräfte)<br />

Während es für letztere um die Sicherung<br />

und Weiterentwicklung der bisherigen Eingruppierung<br />

geht, soll für die Lehrenden erstmals<br />

eine tarifvertragliche Regelung der Eingruppierung<br />

erreicht werden. Über 200.000<br />

angestellte Lehrkräfte werden bisher durch<br />

einseitige Arbeitgeberrichtlinien den Entgelt-<br />

Regierungschefs in Sachen Lehrerarbeitszeit<br />

nicht länger zu akzeptieren.<br />

Den Demonstrationsstreik konnte auch eine<br />

massive Einschüchterungskampagne der<br />

Schulbehörden nicht verhindern. Am Vortage<br />

der Arbeitsniederlegung wurde bekannt, dass<br />

gegen sieben Mitglieder des Geschäftsführenden<br />

Landesvorstandes der <strong>GEW</strong> <strong>Niedersachsen</strong><br />

ein Verbot der Amtsführung ausgesprochen<br />

und disziplinarische Vorermittlungen<br />

wegen Verdachts eines „schwerwiegenden“<br />

Dienstvergehens eingeleitet wurden.<br />

Disziplinarverfahren gab es auch gegen die<br />

beamteten Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

an der Arbeitsniederlegung, die von den<br />

Schulleitungen erfasst und den damaligen<br />

gruppen des TV-L zugeordnet. Die <strong>GEW</strong> hatte<br />

es erreicht, dass die TdL im Rahmen der im<br />

September aufgenommenen Tarifverhandlungen<br />

auch die Eingruppierung der Lehrkräfte<br />

verhandelt. Bisher ist nur der 8. Dezember als<br />

den Lehrkräften vorbehaltener Verhandlungstermin<br />

anberaumt worden. Ein Ziel dieses Tages<br />

muss es sein, einen verbindlichen, klar<br />

abgesteckten Zeit- und Verhandlungsplan zu<br />

vereinbaren und in Arbeitsgruppen bis zu der<br />

Sitzung der zuständigen Bundestarifkommission<br />

der <strong>GEW</strong> am 17./18. Dezember Verhandlungsergebnisse<br />

zu erzielen, über die dann<br />

beraten und befunden werden kann.<br />

Die <strong>GEW</strong> <strong>Niedersachsen</strong> wird in den<br />

nächsten Wochen ihre Informationen zu den<br />

laufenden Tarifverhandlungen weiter intensivieren<br />

und in möglichst vielen Veranstaltungen<br />

dieses Thema aufgreifen. Dabei muss<br />

auch die Frage eine zentrale Rolle spielen,<br />

wie seitens der Beschäftigten Unterstützung<br />

für die <strong>GEW</strong>-Forderungen (siehe EuW<br />

10/2009, Seite 15) zum Ausdruck gebracht<br />

werden kann. Die Aktionen während der Tarifrunde<br />

im Bereich des TV-L Anfang 2009 sind<br />

dabei ein gutes Beispiel.<br />

Aktuelle Informationen zu den laufenden<br />

Tarifverhandlungen können über die Homepage<br />

www.gew-nds.de/Tarifrunde abgerufen<br />

werden. RÜDIGER HEITEFAUT<br />

Bezirksregierungen „gemeldet“ werden<br />

mussten. Vorwurf: Schuldhafter Verstoß gegen<br />

die Dienstpflichten, „indem Sie sich am<br />

13.11.1979 während Ihrer Unterrichtszeit an<br />

einer streikähnlichen Arbeitsverweigerung<br />

beteiligt haben“. Die „einfachen“ Beteiligten<br />

wurden mit einer Geldbuße in Höhe von 100<br />

DM belegt, an der Arbeitsniederlegung teilnehmende<br />

Schulleiterinnen und Schulleiter<br />

wurden mit 500 DM zur Kasse gebeten. Die<br />

Disziplinarverfügungen wurden damals<br />

durchweg mit großer Gelassenheit im Bewusstsein<br />

zur Kenntnis genommen und akzeptiert,<br />

dass die Geld-„Buße“ der Preis dafür<br />

sei, sich vom Dienstherrn einmal nicht alles<br />

gefallen zu lassen. D.G.<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


6<br />

Das MK gibt Erläuterungen. Durchlaufende Mittel sind ab sofort über das Girokonto der Schule<br />

oder über Konten des Schulträgers abzurechnen.<br />

Girokonten und kein Ende ...<br />

MK beantwortet Fragen des SHPR zur<br />

Einführung der Schulkonten<br />

In ihren Stellungnahmen zum Erlass „Führung<br />

von Girokonten durch die Schulen“, der seit<br />

dem 01.09.2009 in Kraft ist, hatten der Schulhauptpersonalrat<br />

und die <strong>GEW</strong> insbesondere<br />

auf die Mehrbelastung der Schulleitungen und<br />

der Lehrkräfte sowie deren fehlende Erfahrungen<br />

in Fragen des Haushaltsrechts hingewiesen.<br />

Außerdem wurde kritisiert, dass nicht<br />

deutlich genug werde, was unter „durchlaufenden<br />

Mitteln“ zu verstehen ist.<br />

Budget der Schulen<br />

In einer ausführlichen Antwort weist das Kultusministerium<br />

(MK) in einem Schreiben an den<br />

Schulhauptpersonalrat (SHPR) vom 28.10.2009<br />

eingangs darauf hin, dass sich der neue Erlass<br />

nur auf Zahlungen beziehe, die auch bisher<br />

schon von den Schulen und den Lehrkräften<br />

geleistet worden seien. Auf die praktischen Unterschiede,<br />

die die konsequente Umsetzung<br />

der neuen Regelung für die Schulen haben<br />

dürfte, geht das MK jedoch nur am Rande ein.<br />

Zahlungen zugunsten bzw. zulasten des<br />

Budgets der Schulen (Mittel für Schulfahrten<br />

und SchiLF, Budget der Ganztagsschulen sowie<br />

die Mittel für Modellversuche) werden bisher<br />

von der Schule angestoßen und technisch<br />

über die Landesschulbehörde abgewickelt, al-<br />

50 Jahre<br />

in der <strong>GEW</strong><br />

Zum 50-jährigen <strong>GEW</strong>-Jubiläum gratulieren wir<br />

im November folgenden Kolleginnen und Kollegen<br />

und danken für ihre langjährige Mitgliedschaft:<br />

Ekkehard Scharenberg (Aurich).<br />

Unser Dank gilt außerdem allen Kolleginnen<br />

und Kollegen, deren Mitgliedschaft sich in diesem<br />

Monat zu einem weiteren Jahr rundet.<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

so über deren Konto. Die Budgetplanungen der<br />

Schulen sind also stets mit den Ist-Zahlungen<br />

durch die LSchB abzustimmen. Der neue Erlass<br />

macht es möglich, so das MK, dass die Schulen<br />

nach Einrichtung eines Girokontos ihr Jahresbudget<br />

in einer Komplett-Zahlung, z. B. zu Beginn<br />

des Haushaltsjahres, zur Verfügung gestellt<br />

bekommen und somit die Abgleiche für<br />

die Einzelzahlungen mit der LSchB entfallen.<br />

Darin sieht das MK eine Erleichterung, da der<br />

Arbeitsschritt der Abrechnung der Einzelzahlungen<br />

entfällt. Diese Umstellung müssen die<br />

Schulen gemäß Erlass bis spätestens 1.1.2014<br />

durchführen. Detaillierte Ausführungen zur Umstellung,<br />

die das Budget betrifft, findet man im<br />

Erlass unter Punkt 3. Hier kann es in der Tat Erleichterungen<br />

geben, insbesondere weil auch<br />

die Umstellungsfrist hinreichend lang ist.<br />

Zahlungen von<br />

„durchlaufenden Mitteln“<br />

Zahlungen für „durchlaufende Mittel“ (Erlass<br />

Punkt 1.1.2) sind hingegen ab sofort über das<br />

eine Girokonto der Schule oder über Konten<br />

des Schulträgers abzurechnen. Das MK erläutert<br />

im o. g. Schreiben, wie durch den SHPR erbeten,<br />

was darunter zu verstehen ist. Bei den<br />

durchlaufenden Mitteln handele es sich um<br />

Norbert Böhmer (Osnabrück), Armin Bottenberg<br />

(Braunschweig), Maria Cordes (Bremen), Wolfgang<br />

Cziep (Niedernjesa), Antje Felguth (Nienburg),<br />

Dagmar Friedl (Weener), Konrad Homeister<br />

(Harsum), Robert Just (Lotte), Renate Karos<br />

(Burgdorf), Dagmar Krüger-Orth (Hannover), Andrea<br />

Kunkel (Barsinghausen), Christine Linke (Alfeld),<br />

Cornelia Lochner (Kutenholz), Alfred Mengler<br />

(Delmenhorst), Silke Meyer-Gerhardy (Hannover),<br />

Werner Mohr (Bremen), Heike Neef (Göttingen),<br />

Gerd Otten (Langen), Brigitte Packheiser<br />

Foto: Seeliger / imago<br />

SCHULFINANZEN<br />

Zahlungen, die im schulischen Bereich anfallen.<br />

Diese Zahlungen müssen aus verfassungsrechtlichen<br />

Gründen und unter dem Aspekt der<br />

Fürsorgepflicht über öffentliche Kassen abgewickelt<br />

werden. „Die bekannte Praxis, Zahlungen<br />

für schulische Aufgaben über private Girokonten<br />

der Lehrkräfte oder Bankverbindungen<br />

von Schulvereinen (sog. schwarze Kassen) abzuwickeln,<br />

widerspricht den verfassungsrechtlichen<br />

Vorgaben. Als schulische Aufgaben hat<br />

der LRH (Landesrechnungshof) u. a. Zahlungen<br />

für Klassenfahrten, das Einsammeln von Mitteln<br />

für Kopien, die Abwicklung von Zahlungen bei<br />

‚Übungsfirmen’ oder die Verwaltung von Mitteln<br />

der EU in seinem Prüfbericht aufgeführt.“<br />

(Schreiben des MK) Das MK weist in diesem<br />

Zusammenhang darauf hin, dass der LRH das<br />

Einsammeln von Mitteln für Kopien als schulische<br />

Aufgabe bezeichnet habe, die über öffentliche<br />

Kassen der Schulträger abzuwickeln sind.<br />

Zu diesen Aufgaben zählt das MK auch Zahlungen<br />

für Klassenfahrten einschließlich Wandertage<br />

und Theaterbesuche sowie Materialbestellungen.<br />

Neue Aufgaben für<br />

die Sekretariate<br />

„Für Zahlungen der Schulträger können<br />

Schulsekretärinnen tätig werden. Für den Einsatz<br />

von Schulsekretärinnen sind die Schulträger<br />

zuständig“, heißt es weiter. Die Frage ist, ob<br />

die Schulträger das auch so sehen! Die Umsetzung<br />

der Erlassregelungen nach dieser Interpretation<br />

würde auf alle Fälle eine erhebliche<br />

Mehrbelastung der Sekretariate mit sich bringen,<br />

da jetzt z. B. alle Klassenfahrten usw. dort<br />

verbucht, kontrolliert und abzurechnen wären.<br />

Da würden in den meisten Schulen die zurzeit<br />

zur Verfügung stehenden Stunden für Sekretariatsarbeit<br />

auf keinen Fall ausreichen.<br />

Das MK sagt zu, bei Bedarf Fortbildungsveranstaltungen<br />

zum Thema „Girokonten“ durchzuführen.<br />

Die LSchB sei aufgefordert worden,<br />

die Schulen zu informieren und im Rahmen ihrer<br />

Aufgaben bei der Führung der Schulgirokonten<br />

zu unterstützen. Im Rahmen der Einführung des<br />

Budgets der eigenverantwortlichen Schulen habe<br />

es zudem bereits Fortbildungsveranstaltungen<br />

gegeben.<br />

Für das MK scheinen sich durch die Zuständigkeit<br />

der Schulträger die Fragen der Praktikabilität<br />

und Belastungen für die Schulen gelöst<br />

zu haben. Da den Schulträger diese neue Aufgabenzuweisung<br />

in der Regel noch nicht bekannt<br />

sein dürfte, steht somit voraussichtlich<br />

nicht nur eine Protestwelle aus den Schulen,<br />

sondern auch eine aus den Kommunen ins<br />

Haus. HENNER SAUERLAND<br />

25 Jahre in der <strong>GEW</strong><br />

Zum „Silbernen“ <strong>GEW</strong>-Jubiläum gratulieren wir im November folgenden Kolleginnen und Kollegen<br />

und danken für ihre langjährige Mitgliedschaft:<br />

(Bremen), Karl-Heinz Pieper (Helmstedt), Helga<br />

Poepken (Oldenburg), Klaus-Peter Reiblein (Oldenburg),<br />

Karin Reiss (Stade), Heike Schlimme-<br />

Graab (Langenhagen), Burkhard Seebaum (Vahlbruch),<br />

Christina Seidel-Detert (Wallenhorst), Beate<br />

Sommer (Oldenburg), Thomas Strunck (Hamburg),<br />

Kerstin Teuber-Engelking (Verden), Gisela<br />

Theising (Hannover), Elke van Deest (Oldenburg),<br />

Isabel Weber (Küsten), Wolfgang Weh (Fredenbeck),<br />

Martina Wieland (Holzminden), Christine<br />

Will (Wilhelmshaven).


DGB-STUDIE ZUR ARBEITSLOSIGKEIT 7<br />

Auf dem Weg zur Jobagentur. Die Arbeitslosigkeit<br />

ist besonders bei Menschen mit Abitur<br />

oder höheren Abschlüssen gestiegen.<br />

In Göttingen kursiert seit einiger Zeit ein<br />

Witz: wenn man in ein Taxi steige, solle man<br />

den Fahrer oder die Fahrerin auf jeden Fall<br />

mit Herr oder Frau „Doktor“ begrüßen. Grund:<br />

die massenhafte Akademikerarbeitslosigkeit<br />

in dieser Universitätsstadt.<br />

Nun, die Nachdenklicheren wussten es seit<br />

langem schon: durch mehr Bildung gibt es<br />

keinen einzigen Erwerbslosen weniger. Bildung<br />

erhöht die Qualifikation der Arbeitsplatzbewerber,<br />

sie schafft aber keine einzige neue<br />

Stelle für sie. Und die Logik dieses Zusammenhangs<br />

ist ja auch von denkbar schlichter<br />

Natur: wenn mit einem Schlag sämtliche Einhundert-Meter-Läufer<br />

eine Sekunde schneller<br />

rennen, gibt es keinen Sieger mehr als vor dieser<br />

Qualifikationssteigerung aller. Heißt für die<br />

Arbeitswelt: „Generation Praktikum“ lässt<br />

grüßen! Die könnte Endlos-Geschichten erzählen<br />

über ihre Weiterqualifikationen. „Fortbildung“<br />

im Sinne von „Wegbildung“ wäre zutreffender<br />

ausgedrückt.<br />

Die Generation Praktikum<br />

lässt grüßen<br />

Was die DGB-Studie zur Arbeitslosigkeit<br />

auf erschreckende Weise belegt hat, das ist<br />

aber nicht nur diese banale Erkenntnis. Diese<br />

Studie zeigt zusätzlich auf: es gibt einen<br />

Strukturwandel innerhalb der Arbeitslosigkeit.<br />

Und dieser Strukturwandel ist gekennzeichnet<br />

dadurch, dass der bundesdeutsche Arbeitsmarkt<br />

anteilig immer weniger qualifizierte Arbeitskräfte<br />

benötigt und stattdessen anteilig<br />

immer mehr Arbeitsplätze für Geringqualifizierte<br />

schafft.<br />

Das bedeutet: Die Wirtschaft organisiert<br />

sich in der Weise um, dass sie im wachsenden<br />

Maße nur noch Mindestlöhner braucht. Die<br />

Rettungsfantasie „Bildung“, wieder und wieder<br />

vorgetragen von den Hartz-IV-Parteien<br />

(mit deutlichem Vorwurf oft an die Adresse der<br />

arbeitswilligen Zwangsuntätigen, zu wenig für<br />

die eigene „Wiedereingliederung ins Arbeitsleben“<br />

zu tun), dieses „Bildungs“-Gequatsche<br />

ist nichts anderes als ungebildeter Blödsinn,<br />

eine ideologisch-motivierte Diffamierung der<br />

ALG-II-BezieherInnen.<br />

Zynischer<br />

Selbstentlastungsversuch<br />

Und: dieses „Bildungs“-Gerede ist nichts<br />

anderes als der zynische Selbstentlastungsversuch<br />

des nach wie vor praktizierten Markt-<br />

DGB-Studie zum Arbeitsmarkt<br />

Vor allem Hochqualifizierte<br />

werden arbeitslos<br />

Einer DGB-Studie zufolge, die Mitte Oktober veröffentlicht wurde, ist die Arbeitslosigkeit besonders<br />

stark bei Menschen mit Abitur oder höherem Abschluss gestiegen. „Die Zahl der Jobsuchenden<br />

mit Fach- oder Hochschulreife lag im August um 24 Prozent höher als ein Jahr zuvor“,<br />

so der Online-Dienst von tagesschau.de. Und weiter: Die Arbeitslosenzahlen der Menschen mit<br />

Mittlerer Reife stiegen im gleichen Zeitraum nur um 5,4 Prozent, die der Arbeitssuchenden mit<br />

Hauptschulabschluss um 10,8 Prozent. Bei Jobsuchern ohne jeden Schulabschluss war lediglich<br />

eine Anstiegsziffer von 5,5 Prozent zu verzeichnen. Heißt: das Risiko, arbeitslos zu werden<br />

oder zu bleiben, übertraf bei den Hoch- und Höchstqualifizierten das Risiko Erwerbslosigkeit für<br />

Schulabgänger ohne Abschluss um mehr als das Vierfache.<br />

„Auch eine gute schulische Ausbildung schützt längst nicht mehr vor Arbeitslosigkeit“, so Wilhelm<br />

Adamy, Leiter der Abteilung Arbeitsmarktpolitik beim DGB-Vorstand. Bereits 15,8 Prozent<br />

der Arbeitslosen in den alten Bundesländern verfügten über eine Fachhochschul- oder Hochschulreife,<br />

in den neuen Ländern seien es 13,8 Prozent. Ergänzend dazu tagesschau.de.: „Bei<br />

Menschen mit Fach- oder Hochschulreife macht der DGB zudem ein wachsendes Risiko der Verarmung<br />

aus. Nach den Berechnungen der Gewerkschaft sei die Zahl der Hartz-IV-Empfänger bei<br />

Hochqualifizierten im August binnen Jahresfrist um fast 14 Prozent emporgeschnellt. Bei Hauptschulabsolventen<br />

stieg dieser Wert im selben Zeitraum nur um 1,4 Prozent, bei Schulabbrechern<br />

um 1,6 Prozent.“ Das bedeutet mit anderen Worten: innerhalb der letzten zwölf Monate ist die<br />

Gefahr, in Hartz-IV zu landen, für Hochqualifizierte nahezu zehnmal größer geworden als für<br />

Hauptschüler mit oder ohne Abschluss.<br />

Nach der DGB-Studie zur Arbeitslosigkeit<br />

„Bildung“ – eine ideologische<br />

Rettungsfantasie<br />

radikalismus’, der verantwortlich zeichnet für<br />

die Massenarbeitslosigkeit. Schließlich: im<br />

Suggestionsbereich dieser Talkshow-These,<br />

Mangel an „Bildung“ sei schuld am Fortbestehen<br />

der Arbeitslosigkeit, geistert zusätzlich<br />

noch der diffamierende Umkehrschluss herum,<br />

es sei auch Mangel an „Bildung“ gewesen,<br />

der überhaupt erst zu dieser immensen<br />

Erwerbslosigkeit geführt habe – eine weitere<br />

Beschuldigung also der Zwangsarbeitslosen.<br />

Das Wirtschaftssystem ist schuld<br />

Fest steht, viele Politiker plappern damit nur<br />

die Propaganda des Neoliberalismus’ in unserem<br />

Arbeitsparadies nach. Vom Ablehnungsgrund<br />

„überqualifiziert“, den schon so mancher<br />

Arbeitsplatzsuchende zu hören bekam,<br />

scheinen diese Mitmenschen auf den Talkshow-Sesseln<br />

noch nie etwas vernommen zu<br />

haben. Sie quatschen mit ihrem Medien-Gebrabbel<br />

einen inhumanen Massenskandal aus<br />

dem allgemeinen Bewusstsein weg und versehen<br />

ihn mit einer Pseudolegitimation: die<br />

„ungebildeten“ Arbeitssuchenden seien<br />

schuld an ihrem Schicksal, nicht das Wirtschaftssystem.<br />

Kurz: diese Politiker stellen<br />

sich auf die Seite einer Ökonomie, die schon<br />

seit langem eines der wichtigsten Menschenrechte<br />

nicht mehr realisiert, das Recht der arbeitswilligen<br />

und arbeitsfähigen Menschen<br />

auf Arbeit – nebenbei: auf menschenwürdige<br />

Arbeit! – und auf ein menschenwürdiges<br />

Leben.<br />

Wenn hier jemand „Bildung“ benötigt, dann<br />

sind es diese Beschwörer der „Bildung“. Vielleicht<br />

würde ihnen ja helfen, wenn sie einmal<br />

für ein ganzes Jahr lang Taxi fahren müssten,<br />

zum Beispiel in Göttingen, dieser netten alten<br />

Universitätsstadt. HOLDGER PLATTA<br />

Holdger Platta, 65, ist Wissenschaftsjournalist<br />

( Rundfunk, Bücher, Zeitschriften- und Online-<br />

Beiträge, Vorträge). Seine Arbeitsschwerpunkte<br />

sind Zeitgeschichte, Sozialpsychologie<br />

und Arbeit und Soziales. Kollege Platta ist<br />

ver.di-Mitglied.<br />

Foto: dpa<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


8<br />

Die Schattenseiten der Eigenverantwortlichen Schule<br />

Wenn Schulleiter ihre<br />

Macht missbrauchen<br />

Seitdem die Schulen in <strong>Niedersachsen</strong> eigenverantwortlich<br />

geworden sind, erleben<br />

viele Kollegien die Folgen der Umwandlung<br />

einer demokratischen Schulstruktur<br />

in eine an den Prinzipien von Kapitalgesellschaften<br />

orientierten Bertelsmann-Schule. Die<br />

zahlreichen und fundierten, insbesondere die<br />

neue Position des Schulleiters betreffenden<br />

Warnungen vor dieser Umwandlung im Vorfeld<br />

des neuen Schulgesetzes wurden von der Landesregierung<br />

in den Wind geschlagen. Es<br />

könnte sein, dass sie jetzt Sturm erntet.<br />

Uneingeschränkte Entscheidungsgewalt<br />

des Schulleiters<br />

Die unklaren Konfliktregelungen im Schulgesetz<br />

haben im Landtag zu einer Kleinen Anfrage<br />

der Abgeordneten Ursula Helmhold (GRÜ-<br />

NE) und Ina Korter (GRÜNE) zur Haushaltsführung<br />

der Schulleiter sowie zu den Rechten<br />

des Schulvorstandes geführt. Gerade dieser<br />

Bereich scheint besonders geeignet, in offener<br />

Missachtung des Schulgesetzes die Rechte<br />

des Schulvorstandes, der ein schwacher Ersatz<br />

für die ehemals starke Gesamtkonferenz<br />

ist, auszuhebeln, ohne Rechtsfolgen befürchten<br />

zu müssen.<br />

So lautete die Antwort der Landesregierung<br />

auf die Anfrage auch lapidar: „Das Schulgesetz<br />

knüpft zwar keine direkte Rechtsfolge an eine<br />

Nichtentlastung, gleichwohl stellt die nicht ordnungsgemäße<br />

Vorlage eines Haushaltsplanentwurfes<br />

eine Pflichtverletzung dar.“ Offensichtlich<br />

sieht sich die Landesregierung weder<br />

schockiert über eine solche Pflichtverletzung<br />

noch dazu veranlasst, den betroffenen Kollegien<br />

bzw. dem gewählten Schulvorstand zu<br />

ihrem Recht zu verhelfen. Ein verheerendes Ergebnis<br />

für alle, die gerade Schulen in der<br />

Pflicht sehen, ein zentraler gesellschaftlicher<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

Ort für die Schaffung und Stärkung demokratischen<br />

Bewusstseins zu sein.<br />

Dass die Bertelsmann-Schule genau das<br />

Gegenteil ermöglicht und bewirkt, erlebt derzeit<br />

auch ein Gymnasium im Umland von Hannover.<br />

Der vor drei Jahren eingesetzte Schulleiter<br />

interpretierte von Anfang an „eigenverantwortliche<br />

Schule“ als gleichbedeutend mit alleiniger<br />

und uneingeschränkter Entscheidungsgewalt<br />

des Schulleiters. Er überging häufig<br />

sämtliche Gremien, die das Schulgesetz<br />

und das Niedersächsische Personalvertretungsgesetz<br />

als Möglichkeit für Kollegien, Eltern<br />

und Schüler vorsehen, Schule mitzugestalten.<br />

Wer die gefassten Entscheidungen nicht widerspruchslos<br />

abnickte, wurde mit vielerlei<br />

Schikanen konfrontiert. In der Schule entstand<br />

schon im ersten Jahr der Amtsführung ein Klima<br />

der Einschüchterung und Angst, vergleichbar<br />

den Betrieben in der BRD, die immer wieder<br />

wegen gravierender Verstöße gegen Persönlichkeitsrechte<br />

durch die Presse gehen. Offene<br />

Gespräche im Lehrerzimmer unterblieben<br />

zunehmend. Ebenso wurden kritische Äußerungen<br />

in den Gremien seltener.<br />

Klima der Einschüchterung<br />

und Angst<br />

Sowohl die Personalvertretung des Kollegiums<br />

als auch die Vertreter der Elternschaft<br />

bemühten sich in immer neuen Anläufen, zu einer<br />

Veränderung der Zustände zu gelangen –<br />

ohne Erfolg, da der Schulleiter ihnen das Recht<br />

absprach, seine Amtsführung zu kritisieren. Die<br />

Missachtung der Schulgremien und auch offensichtliche<br />

Rechtsverstöße wurden der Landesschulbehörde<br />

bekannt gemacht – ebenfalls<br />

ohne Erfolg, der Schulleiter blieb unter<br />

dem Schutz der Behörde.<br />

SCHULLEITUNG<br />

Keinen Erfolg brachte auch die Schulinspektion,<br />

die der Schulleitung erkennbare Defizite in<br />

der Koordinierung des Schulbetriebs bescheinigte.<br />

Folgenlos war auch eine Initiative des<br />

Kollegiums mit dem Ziel die Eskalationsspirale<br />

zu unterbrechen.<br />

Da die Situation immer unerträglicher wurde,<br />

immer mehr Kolleginnen und Kollegen Versetzungsanträge<br />

stellten oder eine Versetzung beabsichtigten<br />

und immer mehr Eltern nach Alternativen<br />

zu diesem Gymnasium für ihre Kinder<br />

suchten, entschlossen sich ein erheblicher<br />

Teil des Kollegiums, der Personalrat und unabhängig<br />

hiervon auch die Schulelternvertretung<br />

im März 2009 schließlich zu Beschwerdebriefen<br />

an den Staatssekretär im Kultusministerium,<br />

Bernd Althuismann.<br />

Das Ergebnis dieser Beschwerde kann man<br />

nur ernüchternd nennen: Das Kollegium des<br />

Gymnasiums erhielt überhaupt keine Antwort.<br />

Der Personalrat musste zur Kenntnis nehmen,<br />

dass er als legitimer Vertreter der Interessen<br />

des Kollegiums keine Resonanz erfuhr, sondern<br />

seinerseits auf Vorwürfe der Behörde<br />

stieß. Die Elternvertreter erhielten durch Vertreter<br />

des Kultusministeriums die Auskunft, als<br />

Gesprächspartner nicht relevant zu sein. Allerdings<br />

wurde diese Position insofern revidiert,<br />

als den Eltern jetzt doch eine direkte Überprüfung<br />

der Zustände an dieser Schule in Aussicht<br />

gestellt wurde.<br />

Keine Unterstützung<br />

durch das MK<br />

Das Verhalten von Kultusministerium und<br />

Landesschulbehörde hat im Sommer 2009<br />

nicht nur die Abwanderungsbewegung hin zu<br />

anderen Schulen erheblich verstärkt, sondern<br />

auch zu einer tiefen Irritation in der gesamten<br />

Schulöffentlichkeit geführt. Dabei bleibt die<br />

häufig gestellt Frage unbeantwortet, wie es<br />

sein kann, dass offenkundige Missstände und<br />

unbestreitbares Fehlverhalten zu keiner Reaktion<br />

seitens der Verantwortlichen in Hannover<br />

führen. Auch dieser Vergleich wird häufig gezogen:<br />

in einem Betrieb hätten solche Zustände<br />

entweder zur Pleite oder zu personellen Konsequenzen<br />

geführt.<br />

Die Region der Schule musste die Folgen<br />

der Bildungspolitik der Landesregierung schon<br />

in mehrfacher Hinsicht sehr schmerzvoll erfahren:<br />

Die Behinderung von IGS-Gründungen<br />

und Ganztagsschulen und eben auch eigenmächtige<br />

statt verantwortlicher Schulleiter. Die<br />

weitere Entwicklung bleibt offen. Ganz sicher<br />

aber kann in einem solchen Klima keine für<br />

neue Wege offene Schule entstehen, denn<br />

dafür ist die unabdingbare Voraussetzung,<br />

dass zwischen allen Beteiligten ein ungehinderter<br />

Austausch stattfinden kann.<br />

Die Landesregierung sollte sich schnell damit<br />

auseinandersetzen, ob sie sich auch weiterhin<br />

darauf beschränken will, von ihr erkannte<br />

Pflichtverletzungen lediglich zur Kenntnis zu<br />

nehmen. Sie ist es Lehrern, Eltern und<br />

Schülern, die sich jeden Tag in niedersächsischen<br />

Schulen um die Weiterentwicklung der<br />

Schule bemühen, schuldig , sie darin zu stärken,<br />

anstatt deutliche Hinweise auf gravierende<br />

Missstände und pflichtverletzende Vorgänge<br />

zu übergehen. Der Hinweis auf Paragraphen<br />

des Schulgesetzes ist jedenfalls keine<br />

Antwort auf eine Anfrage, wenn es gerade um<br />

die Verletzung dieses Schulgesetzes geht. -hh


VERTRETUNGSPERSONAL IN SCHULEN 9<br />

Honorarverträge im Unterricht<br />

Problematischer Wildwuchs<br />

Personen, die in<br />

Schulen mit sogenanntenHonorarverträgen<br />

beschäftigt<br />

werden, dürfen nicht im<br />

Unterricht eingesetzt<br />

werden. Dabei ist unerheblich,<br />

ob es sich um<br />

ausgebildete Lehrkräfte<br />

oder Personen mit anderen<br />

Qualifikationen<br />

handelt.<br />

Aber eine schlechte<br />

Unterrichtsversorgung,<br />

Personalmangel,<br />

schmale Budgets und<br />

das Abladen von Verantwortung<br />

auf die Schulen<br />

befördern rechtlich<br />

prekäre Scheinlösungen<br />

über prekäre Beschäftigung.<br />

Zunehmend werden<br />

Honorarverträge<br />

durch Schulleitungen<br />

geschlossen, um weiteres<br />

Personal für die<br />

Schulen zu gewinnen<br />

und so und scheinbar<br />

die Unterrichtsversorgung<br />

zu sichern (oder zu<br />

verbessern). Überliefert<br />

ist der Kommentar eines<br />

Schulleiters, der diese Art der Verträge als<br />

„kreativen Umgang mit den Möglichkeiten“<br />

bezeichnet.<br />

Leistungsbewertung<br />

durch Honorarkräfte?<br />

Was einerseits als „kreativer Umgang“ bezeichnet<br />

wird, gestaltet sich andererseits als<br />

massives rechtliches und pädagogisches<br />

Problem in den Schulen. Honorarverträge<br />

sind keine Arbeitsverträge und durch sie werden<br />

somit auch keine Beschäftigungsverhältnisse<br />

begründet. Durch einen Honorarvertrag<br />

Unseren Toten<br />

zum Gedächtnis<br />

Wir werden ihr Andenken stets<br />

in Ehren halten.<br />

Gewerkschaft<br />

Erziehung und Wissenschaft<br />

Landesverband <strong>Niedersachsen</strong><br />

Friedrich Harre<br />

Bad Iburg<br />

geb. am 13.10.1921<br />

gest. am 16.09.2009<br />

Renate Wittholt<br />

Aurich<br />

geb. am 27.04.1952<br />

gest. am 07.10.2009<br />

Gotthard Schroeter<br />

Ahlerstedt<br />

geb. am 04.11.1925<br />

gest. am 09.10.2009<br />

Wolfhard Daniel<br />

Braunschweig<br />

geb. am 23.11.1940<br />

gest. am 12.10.2009<br />

Franz Traxler<br />

Aurich<br />

geb. am 08.03.1948<br />

gest. am 16.10.2009<br />

Hans-Heinrich Gerken<br />

Scheeßel<br />

geb. am 21.07.1944<br />

gest. am 04.11.2009<br />

wird kein Schuldverhältnis begründet, dass<br />

eine weisungsgebundene (Unterrichts-)Tätigkeit<br />

gegen ein entsprechendes Entgelt festlegt.<br />

Honorarbeschäftigte unterliegen damit<br />

keiner Weisungsgebundenheit durch die<br />

Schulleitung und sind freiberufliche oder<br />

selbstständig Tätige. Eine unterrichtende Tätigkeit<br />

in öffentlichen Schulen kann grundsätzlich<br />

jedoch nur in einer weisungsgebundenen<br />

Vertragsform durchgeführt werden –<br />

damit schließt sich der Einsatz von Honorarkräften<br />

im Unterricht absolut aus.<br />

Schulrechtlich eröffnen sich für den Einsatz<br />

von Honorarkräften weitere Ausschlussgründe.<br />

Schulnoten, die durch Honorarkräfte festgelegt<br />

oder beeinflusst wurden, sind rechtlich<br />

angreifbar, da diese Personen überhaupt<br />

nicht unterrichten und somit zwangsläufig<br />

auch nicht benoten dürfen. In der Praxis jedoch<br />

scheint das Problem an vielen Schulen<br />

nicht bekannt zu sein. Da wirken Honorarkräfte<br />

durch Schulnoten kräftig mit an Nichtversetzungen<br />

oder Schullaufbahnempfehlungen.<br />

Dies ist rechtlich absolut unhaltbar.<br />

Keine sozialversicherungspflichtige<br />

Tätigkeit – keine Tarifbindung<br />

Auch die Qualifikation der beschäftigten<br />

Honorarkräfte spielt nicht immer eine tragende<br />

Rolle bei der Auswahl. Es sind inzwischen<br />

u.a. Bankkauffrauen, Physiotherapeuten,<br />

Tischler, Sozialpädagogen, Musiker, Rhythmikerinnen<br />

und Künstler auf Honorarbasis an<br />

Schulen beschäftigt und voll mit ihren Wochenstunden<br />

im Unterricht eingesetzt. Damit<br />

ist auch eine Entwertung des Lehrerberufs<br />

und des jahrelangen<br />

Studiums verbunden.<br />

Häufig handelt es<br />

sich bei diesen Honorarverträgenobendrein<br />

nicht um geringfügige<br />

Beschäftigungen<br />

mit wenigen Wochenstunden,<br />

sondern um<br />

Verträge, die bis an eine<br />

Vollbeschäftigung heranreichen<br />

und zu Monatseinkommen<br />

von<br />

1300 bis 1500 Euro<br />

führen. Allerdings stellen<br />

diese Honorarverträge<br />

auch für die Betroffenen<br />

keine wirkliche<br />

Alternative dar und begründen<br />

prekäre Beschäftigungen.Honorarkräfte<br />

sind über<br />

die Verträge nicht sozialversichert.<br />

Es besteht<br />

keine Rentenversicherung,<br />

keine Krankenversicherung<br />

und keine Arbeitslosenversicherung.<br />

Für diese Absicherungen<br />

müssen die Honorarkräfte<br />

aus ihren<br />

Einkommen freiwillig<br />

und eigenständig selber sorgen. Tarifverträge<br />

haben für diese Personen ebenso keine Gültigkeit.<br />

Klare rechtliche Vorgaben und<br />

Handreichungen sind notwendig<br />

Die entsprechenden Erlasse und Handreichungen<br />

von Kultusministerium und Landesschulbehörde<br />

zu den Vertragsformen in<br />

Schulen sind bei der Bewertung von Honorarverträgen<br />

wenig hilfreich. Vieles deutet darauf<br />

hin, dass sowohl das Kultusministerium als<br />

auch die Landesschulbehörde das heiße Eisen<br />

des Einsatzes von Honorarkräften nicht<br />

anfassen wollen. Bisher gibt es keine Anzeichen,<br />

dass die grassierenden Vertragsprobleme<br />

grundsätzlich eingedämmt werden sollen.<br />

Vielleicht ist die Befürchtung zu groß, dass<br />

dann der tatsächliche Umfang der Probleme<br />

der Unterrichtsversorgung in den Schulen<br />

nach außen deutlich wird. Bisher ist kein entsprechender<br />

Handlungsansatz erkennbar.<br />

Dabei besteht hier dringender und umfassender<br />

Regelungs-bedarf.<br />

Es reicht nicht aus, wenn die Landesschulbehörde<br />

nur punktuell auf besonders eklatante<br />

Auswüchse bei den Honorarverträgen reagiert,<br />

sondern diese Vertragsform muss<br />

grundsätzlich durch klare Vorgaben sofort aus<br />

dem unterrichtsrelevanten Bereich verbannt<br />

werden. Sofern Vertretungspersonal in Schulen<br />

eingesetzt wird, muss es sich um fachlich<br />

ausgebildetes Lehrpersonal mit ordentlichen<br />

TV-L Verträgen handeln. Der Wildwuchs mit<br />

den Honorarverträgen muss sofort gestoppt<br />

werden. ENNO EMKEN<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


10<br />

Lehrerinnen und Lehrer sind wichtige Moderatoren und Unterstützer bei Projekten in Schulen.<br />

Sie kennen sich in allen Projektphasen aus.<br />

<strong>GEW</strong>-Workshop der Fachgruppe Gymnasien<br />

Projektmanagement<br />

leicht gemacht<br />

VON TANJA FÖHR<br />

Die Durchführung von<br />

Projekten gewinnt<br />

an Bedeutung für<br />

Schülerinnen und Schüler<br />

und bereitet sie auf die Arbeit<br />

im Beruf vor. Projektarbeit<br />

bietet jungen Menschen im Rahmen des<br />

Schullalltages die Möglichkeit, verstärkt Eigeninitiative,<br />

Engagement, Teamarbeit und Kreativität<br />

für konkrete Aufgabenstellung zu nutzen.<br />

20 Lehrerinnen und Lehrer aus Berufsschulen<br />

und Gymnasien kamen im Rahmen einer<br />

Veranstaltung der Fachgruppe Gymnasien<br />

nach Hannover und hatten folgende Fragen:<br />

Welche Methoden des Projektmanagements<br />

gibt es? Welche sind für Schüler geeignet?<br />

Wie machen wir Projekte an unserer Schule?<br />

In dem Seminar wurden die Grundlagen erarbeitet,<br />

vermittelt und diskutiert. Ein Schwerpunkt<br />

lag dabei auf den Methoden, die geeignet<br />

sind, um mit SchülerInnen zu arbeiten, Regeln<br />

auf zustellen, Ideen zu entwickeln und<br />

Konflikte zu lösen.<br />

Was zeichnet ein Projekt aus?<br />

1. eine zeitliche Begrenzung (Start- und Endtermin)<br />

2. eine klare Zielvorgabe, welche in den Dimensionen<br />

Zeit, Kosten und Qualität messbar<br />

ist<br />

3. klare Kostenvorgaben und begrenzte Ressourcen<br />

4. projektspezifische Organisation<br />

Welche Phasen gibt<br />

es in einem Projekt?<br />

1. Phase: Definition<br />

Diese Phase umfasst die Ideenfindung zu einem<br />

Thema bis zur Formulierung eines konkreten<br />

Projektauftrages und die Ernennung<br />

des Projektleiters.<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

Als Methoden zur Ideenfindung<br />

wurden die Walt-Disney-Methode,<br />

ABC-Liste und viele andere<br />

vorgestellt.<br />

Wichtig ist dabei die<br />

konkrete Zielformulierung,<br />

der eine Auswahl<br />

vorausgegangen ist.<br />

Das Ziel sollte realistisch sein und<br />

klar und eindeutig für alle SchülerInnen<br />

sein. Die Kosten sollten schon in die<br />

Zielfindung mit einbezogen werden und natürlich<br />

auch der Termin, zu dem das Projekt fertig<br />

sein soll.<br />

2. Phase: Planung<br />

Die Projektplanung ist für das Projekt unabdingbar.<br />

Hier wird der Projektablauf schon einmal<br />

gedanklich vorweggenommen. Sie gibt<br />

die Sicherheit, später das Richtige zum richti-<br />

Fotos: Tanja Föhr<br />

TAGUNGEN<br />

gen Zeitpunkt zu tun. Ein Projektstrukturplan in<br />

Form eines Mind Maps oder eines Baumdiagramms<br />

verschafft allen einen guten<br />

Überblick. Kosten werden geplant, die Zeit<br />

eingeteilt, Verantwortungen abgegeben. Wer<br />

führt das Protokoll? Wer informiert wen, wann<br />

und wie? Wann werden Teambesprechungen<br />

gemacht? Wo werden die Protokolle und Zwischenergebnisse<br />

abgelegt? Welche Teilziele<br />

(Meilensteine) definieren wir? Wie gehen wir<br />

mit Konflikten um?<br />

3. Phase: Durchführung<br />

Während der Durchführung des Projektes<br />

koordiniert der Projektleiter alle Elemente des<br />

Projektes: Er ist der zentrale Ansprechpartner<br />

und hat den Überblick über den Projektstatus<br />

und trägt die Verantwortung für das Ergebnis.<br />

Er muss die ursprünglich geplante Durchführung<br />

und den aktuellen Projektverlauf abgleichen<br />

und bei Abweichungen eingreifen. Er<br />

muss sicherstellen, dass alle Beteiligten am<br />

Projekt ein Feedback bekommen und Problemen<br />

gelöst werden.<br />

4. Phase: Abschluss<br />

Jedes Projekt ist zeitlich begrenzt und hat<br />

daher ein klar definiertes Ende. Der Projektabschluss<br />

soll Gelegenheit geben in strukturierter<br />

Form eine Rückschau vorzunehmen. Durch<br />

ein erfolgreiches Projekt erfahren SchülerInnen<br />

Anerkennung und Motivation. Wertvolle Lernerfolge<br />

werden aber auch häufig gerade<br />

durch problematische Projekte erreicht.<br />

Ein Projektabschlussbericht gibt Rechenschaft<br />

über den Verlauf und den Erfolg des<br />

Projektes, eine Präsentation kann eine gelungene<br />

Abschlussveranstaltung sein, bei der<br />

man auch Erfolge feiern kann. Eine Evaluation<br />

kann wertvolle Hinweise geben, die in einem<br />

nächsten Projekt eingebaut werden könnten.<br />

Tanja Föhr, 43, arbeitet seit fünf Jahren im Innovationszentrum<br />

<strong>Niedersachsen</strong> GmbH als Kommunikations-<br />

und Bildungsexpertin und zusätzlich seit<br />

einem Jahr im Zukunfts- und Innovationsfonds<br />

<strong>Niedersachsen</strong> als Bildungsreferentin. Sie ist seit<br />

ca. zehn Jahren Projektleiterin für unterschiedliche<br />

Projekte, zudem Multiplikatorin für Bildung für<br />

Nachhaltige Entwicklung, Business Coach und<br />

promoviert derzeit zum Thema „Effizienz des Wissenstransfers<br />

auf Fachtagungen“.<br />

„Was soll am Ende als Ergebnis herauskommen? Können wir das in der Zeit schaffen?“ Mit<br />

solchen Fragen sollte die Zieldefinition überprüft werden. Die Hinterfragung des Ziels ist ein wichtiger<br />

Schritt vor der Planung der Maßnahmen.


SCHWIMMUNTERRICHT 11<br />

Schwimmen lernte Marie M.* erst mit 10<br />

Jahren. Sie war nicht sehr mutig und fürchtete<br />

sich vor Gewässern jeglicher Art. Im<br />

Schwimmunterricht der 4. Klasse kümmerte sich<br />

die Sportlehrerin um die übrigen 24 SchülerInnen,<br />

die alle schwimmen konnten. Marie übte allein<br />

im Nichtschwimmerbecken „Qualle – Gleiten“<br />

oder einfach nur, den Kopf für ein paar Sekunden<br />

unter Wasser zu halten.<br />

In den Jahren zuvor wurde sie von ihrer Mutter,<br />

selbst begeisterte Schwimmerin, in diverse<br />

Schwimmkurse geschickt. Vergebens – die dort<br />

angewandten Methoden, z.B. die am Beckenrand<br />

sitzenden Kinder überraschend ins Wasser<br />

zu schubsen, lehrten Marie noch mehr das<br />

Fürchten.<br />

Als sie aber im ersten Schulhalbjahr die Note 4<br />

im Zeugnis bekam (dagegen war die Sportzensur<br />

immer sehr gut), packte sie der sportliche Ehrgeiz,<br />

sie überwand ihre Angst und lernte<br />

Schwimmen. Jedoch blieben der Respekt vor<br />

dem Element Wasser und die Angst vorm Tauchen,<br />

denn niemand hatte der Schülerin gezeigt,<br />

wie sie diese Angst abbauen konnte.<br />

Da Marie schon immer eine begeisterte Sportlerin<br />

war und sie sich in fast allen bekannten<br />

Sportarten – bis auf Schwimmen – zu Hause fühlte,<br />

beschloss sie, Sport zu studieren, um Lehrerin<br />

zu werden.<br />

Diese fundierte pädagogische Ausbildung<br />

führte schließlich dazu, dass sie bis heute das<br />

Fach Schwimmen sehr gern unterrichtet. Aufgrund<br />

ihrer eigenen Erfahrungen, aber auch der<br />

im Studium erworbenen Methoden zum Angstabbau<br />

und Mutmachen legt sie stets besonderen<br />

Wert auf ein angstfreies Unterrichtsklima.<br />

Doch trotz aller methodischen Erfahrung und<br />

ihres großen Einfühlungsvermögens ist Marie M.<br />

nicht zufrieden. Denn sowohl durch den langen<br />

Anfahrtsweg von der Schule zum Schwimmbad<br />

und den anschließenden Rückweg als auch<br />

durch die Zeiten für das Umziehen und Duschen<br />

bleibt ihren SchülerInnen von jeder Doppelstunde<br />

nur maximal eine halbe Stunde effektive<br />

Schwimmzeit. Viel zu wenig für eine vernünftige<br />

Schwimmausbildung!<br />

Wie ist das obige Fallbeispiel nun einzuordnen<br />

oder anders gefragt: Wie können die aktuellen<br />

Bedingungen für den Schwimmunterricht beschrieben<br />

werden? Dazu ein Auszug aus dem<br />

niedersächsischen Schwimmerlass (SVBL<br />

1/2005 S.14) z.B. zur Anzahl der Aufsichtspersonen:<br />

„(...)In diesem Erfahrungs- und Lernfeld wird<br />

der Unterricht grundsätzlich von einer Lehrkraft<br />

erteilt. Umfasst die Lerngruppe in der Grundschule<br />

und in den Schuljahrgängen 5 und 6 mehr<br />

als 15 Schülerinnen und Schüler, muss eine weitere<br />

geeignete Aufsicht führende Person gemäß<br />

§62 Abs.2 NSchG eingesetzt werden (...)“.<br />

Was bedeutet das in der Realität? Wenn in einer<br />

weiterführenden Schule in Klasse 7 Schwimmen<br />

auf dem Stundenplan steht, muss eine<br />

Sportlehrkraft bis zu 33 SchülerInnen unterrichten,<br />

beaufsichtigen und im Auge behalten. Zusätzliche<br />

Stunden für eine weitere Aufsicht<br />

führende Person sieht die Stundentafel nicht vor.<br />

Stattdessen schreibt der Erlass für die Durchführung<br />

des Unterrichts den Lehrkräften folgen-<br />

Jeder fünfte Schüler hat keinen Zugang zu einem Schwimmbad. Immer mehr Bäder werden<br />

von den Kommunen geschlossen.<br />

Rahmenbedingungen an den Schulen unzumutbar<br />

Immer mehr Schüler können nicht schwimmen<br />

des Verhalten vor: „(...) Die Lehrkraft hat ihren<br />

Platz während des Unterrichts so zu wählen,<br />

dass sie alle im Wasser befindlichen Schülerinnen<br />

und Schüler sehen kann. Sie wird sich daher<br />

in der Regel außerhalb des Wassers aufhalten<br />

(...).“<br />

Wie soll das bei einer Gruppengröße von mehr<br />

als 30 Schülerinnen möglich sein?<br />

Für die NichtschwimmerInnen wird vorgeschlagen,<br />

dass sie möglichst „(...) in einer geschlossenen<br />

Lerngruppe zusammengefasst werden.<br />

Dies kann zur Herstellung einer vertretbaren<br />

Lerngruppenstärke auch klassen- oder schulformübergreifend<br />

erfolgen (...).“<br />

Zusätzliche Lehrerstunden gibt es dafür nicht.<br />

Zudem ist Letzteres in einem Schwimmbad, das<br />

auch für den öffentlichen Badebetrieb geöffnet<br />

hat, organisatorisch kaum leistbar.<br />

Unter diesen Bedingungen lehnen es zunehmend<br />

mehr Schulen und Lehrkräfte im Primarund<br />

Sekundarbereich ab, Schwimmen zu unterrichten.<br />

So auch die Schule von Marie M., denn<br />

die Vorgaben des Erlasses und die daraus resultierenden<br />

Risiken sind im Unterrichtsalltag so<br />

hoch, dass sie von einzelnen Sportlehrkräften<br />

trotz großen Engagements nicht erreicht bzw. getragen<br />

werden können.<br />

Muss es erst wieder zum Äußersten kommen<br />

und ein Kind während des Schwimmunterrichts<br />

ertrinken, damit der Erlass und seine unhaltbaren<br />

Bedingungen zurückgenommen werden? Die<br />

<strong>GEW</strong> fordert, dass das Kultusministerium sich<br />

seiner Verantwortung stellen und die Voraussetzungen<br />

schaffen muss, um einen verantwortungsvollen,<br />

den Kindern und Jugendlichen gerecht<br />

werdenden Schwimmunterricht zu ermöglichen.<br />

Ein erster Schritt in diese Richtung wäre eine<br />

Rückbesinnung auf die in der alten Fassung<br />

des Schwimmerlasses geltende Gruppenstärke<br />

von maximal 15 SchülerInnen pro Aufsichtsperson<br />

auch in den höheren Klassen der Sekundarstufe.<br />

Darüber hinaus führt die immer schlechter<br />

werdende Infrastruktur der niedersächsischen<br />

Kommunen dazu, dass viele Schulen keine<br />

Schwimmausbildung mehr anbieten können. So<br />

weist Kurt-Peter Christophersen in einem Artikel<br />

der Nordsee-Zeitung vom 10.07.2009 auf die<br />

Aussagen des Sprechers der Deutschen Lebens-<br />

Rettungsgesellschaft (DLRG) Martin Jannssen<br />

hin und kritisiert, dass in Deutschland 20 Prozent<br />

der SchülerInnen keinen Zugang zu Schwimm-<br />

bädern hätten und immer mehr Schwimmbäder<br />

von den Kommunen geschlossen würden.<br />

Während Marie M. das Glück hatte, dass<br />

während ihres Grundstudiums die Sportart<br />

Schwimmen für alle Studierenden verpflichtend<br />

war, kann heutzutage das Schwimmen abgewählt<br />

werden. Laut Aussage einer Mitarbeiterin<br />

des niedersächsischen Kultusministeriums wird<br />

eine spezifische Schwimmfachausbildung nicht<br />

für zwingend notwendig erachtet. In der Nordsee-Zeitung<br />

wird sie mit den Worten zitiert: „Jeder<br />

Sportlehrer kann auch Schwimmunterricht<br />

erteilen.“<br />

Wen wundert es da noch, wenn die Zahl der<br />

NichtschwimmerInnen bei den unter 18-Jährigen<br />

steigt? Christophersen beruft sich auf eine Studie,<br />

wonach bereits im Jahre 2004 fast 34 Prozent<br />

der Kinder und Jugendlichen nicht schwimmen<br />

konnten.<br />

Die <strong>GEW</strong> setzt sich seit Jahren dafür ein, dass<br />

umfassend ausgebildete Sportlehrkräfte den<br />

SchülerInnen in für alle Schulen erreichbaren<br />

Schwimmbädern das Schwimmen in kleinen<br />

Gruppen beibringen sollen.<br />

Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ist<br />

die Gefahr einer Verletzung der Aufsichtspflicht<br />

und der z.T. dadurch bedingten Unfälle extrem<br />

groß. Die Sportlehrkräfte befinden sich in der<br />

Zwickmühle: Den SchülerInnen das Schwimmen<br />

beizubringen, ist enorm wichtig und kann in Einzelfällen<br />

lebensrettend sein. Wenn die Lehrkraft<br />

jedoch aufgrund der oben dargestellten strukturellen<br />

Defizite fast zwangsläufig ihre Aufsichtspflicht<br />

verletzt und womöglich einen schweren<br />

Unfall übersieht, kann sie das nicht nur den Job<br />

kosten. Sie wird in einem solchen Fall auch juristisch<br />

zur Verantwortung gezogen und kann dann<br />

aller Erfahrung nach nicht auf die Unterstützung<br />

ihres Dienstherrn hoffen.<br />

Dies sind unzumutbare Arbeits- und Lernbedingungen<br />

für alle Betroffenen!<br />

Die <strong>GEW</strong> fordert daher die Landesregierung<br />

auf, die lebensbedrohliche Situation für die<br />

wachsende Anzahl an nichtschwimmenden<br />

SchülerInnen endlich ernst zu nehmen und Abhilfe<br />

zu schaffen, indem sie den bestehenden Erlass<br />

überarbeitet und die Schulen mit den entsprechenden<br />

Rahmenbedingungen, gut ausgebildeten<br />

Fachlehrkräften und schulortnahen<br />

Schwimmbädern für einen erfolgsversprechenden<br />

Schwimmunterricht ausstattet. *(Name geändert,<br />

d. Red.) BIRTE CLASEN<br />

Foto: Joachim Tiemer<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


12<br />

VON HASSO ROSENTHAL<br />

Mit Vergleichstest überziehen die Kultusministerien<br />

unsere Schulen. Das<br />

ist fragwürdig, denn einem großen<br />

Aufwand von Seiten der Schulbehörde, der<br />

Kollegien und der Schüler steht ein mehr als<br />

fragwürdiger Nutzen gegenüber. Mit Hilfe<br />

der Evaluation wird allgemein bei einem<br />

pädagogischen Vorhaben das Verhältnis von<br />

angestrebten Zielen und den wirklich erreichten<br />

Erfolgen festgestellt. Dann wird entschieden,<br />

wie weiter verfahren werden soll.<br />

Ich stelle in Frage, ob die Zentraltests der<br />

Bundesländer und die bundesweit durchge-<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

Eine kritische Auseinandersetzung mit den Vergleichstests<br />

Zentraltests messen alles Mögliche,<br />

aber keinen Leistungszuwachs<br />

Eine Schulklasse wird getestet. Dem großen Aufwand steht ein nur fragwürdiger Nutzen gegenüber.<br />

70 Jahre<br />

Siegbert Thomas (Grethem)<br />

03.11.1939<br />

Helmut Fullriede (Stolzenau)<br />

04.11.1939<br />

Klaus Tanski (Meerbeck)<br />

08.11.1939<br />

Isolde Gamperl (Visselhövede)<br />

12.11.1939<br />

Harald Pleitner (Oldenburg)<br />

13.11.1939<br />

Fritz Hesemann (Hambergen)<br />

15.11.1939<br />

Hartmut Ratzke (Veltheim)<br />

16.11.1939<br />

Unsere Jubilare im November<br />

Die <strong>GEW</strong> gratuliert<br />

Ursula Wais (Nottensdorf)<br />

18.11.1939<br />

Margarete Bunk<br />

(Braunschweig), 21.11.1939<br />

Dorothee Pfennig (Hannover)<br />

21.11.1939<br />

Heinz Meyer (Winsen)<br />

23.11.1939<br />

Dietmar Seeck (Emden)<br />

25.11.1939<br />

Fritz Hüser (Springe)<br />

26.11.1939<br />

Johannes Kolb (Hildesheim)<br />

29.11.1939<br />

führten VERA-Tests diesen Kriterien genügen.<br />

1. Heuristische Sichtweise<br />

Nach den Ergebnissen der PISA-Untersuchung<br />

ging man fraglos von einer minderen<br />

Leistungsqualität des deutschen Schulsystems<br />

aus. Dabei passte man sich den im Bolognaprozess<br />

genannten Standards an, ohne<br />

zu hinterfragen, warum zum Beispiel die Leistungen<br />

der hiesigen Facharbeiter und Ingenieure<br />

in ihren Unternehmen dazu beigetragen<br />

haben, dass die Bundesrepublik Exportweltmeister<br />

hat werden können. Leistungen, die<br />

auf der Grundlage des Schul- und Berufsbildungssystems<br />

sich entwickeln konnten.<br />

75 Jahre<br />

Wolfgang Ittmann (Hannover)<br />

04.11.1934<br />

Rosemarie Rohde (Wolfsburg)<br />

09.11.1934<br />

Sigrid Henjes (Barsinghausen)<br />

18.11.1934<br />

Klaus Johanns (Oldenburg)<br />

18.11.1934<br />

Hannelore Selker<br />

(Bad Bentheim)<br />

20.11.1934<br />

Dieter Boenkemeyer<br />

(Bramsche), 21.11.1934<br />

Foto: Peter Mielke<br />

TESTS<br />

Die Deutung der PISA-Ergebnisse wurden<br />

also ohne die Hinterfragung der besonderen<br />

Leistungen der bisherigen Allgemeinbildung<br />

verwendet, um das Bildungssystem mit von<br />

der KMK vorgegebenen Kernkompetenzen<br />

und einem Netz von Überprüfungsrastern und<br />

Kontrollmechanismen umzubauen. Dabei<br />

wurde wenig Rücksicht auf die bisherigen<br />

durchaus erfolgreichen Traditionen dezentral<br />

funktionierender Leistungsentwicklung und<br />

Leistungskontrolle - fußend auf den alten<br />

Rahmenrichtlinien - genommen.<br />

Die niedersächsische Schulentwicklung ist<br />

z.B. durch folgende Probleme gekennzeichnet:<br />

– Rückbau der gemeinsamen Schulbesuchszeit<br />

– Ausbau der Kontrollsysteme<br />

– Ausweitung autoritärer Strukturen<br />

– Abbau der Mitgestaltungsmöglichkeiten der<br />

Lehrer<br />

– Zentralisierung der schulübergreifenden<br />

Schulaufsicht (Landesschulbehörde)<br />

– schärfere Selektion der Schülerschaft<br />

– Verschlechterung des Berufsbildungswesens<br />

– Abschaffung der Landeszentrale für politische<br />

Bildung<br />

– Ausbau eines zentralen Schulinspektorensystems<br />

und Abbau der dezentralen schulinternen<br />

und regionalen Evaluation<br />

– Rückbau der Fördermöglichkeiten durch<br />

prekäre Arbeitsverhältnisse in den „Verlässlichen<br />

Grundschulen“<br />

– Outputorientierung durch die Standards im<br />

Gegensatz zur Prozessorientierung der alten<br />

Richtlinien.<br />

Fraglich ist auch, inwieweit bei den Tests<br />

der Sinnhorizont hinterfragt wird, den die Entwickler<br />

den Testbatterien zugrunde legen. Die<br />

kulturelle Bandbreite einer in Jahrzehnten<br />

Otto Poguntke (Gifhorn)<br />

21.11.1934<br />

Horst Nespethal (Oldenburg)<br />

22.11.1934<br />

Renate Gall (Uplengen)<br />

23.11.1934<br />

Joachim Hensel<br />

(Bad Rothenfelde), 23.11.1934<br />

Hartmut Braun<br />

(Hohenhameln), 24.11.1934<br />

Peter Winschewski<br />

(Süpplingen), 30.11.1934<br />

80 Jahre<br />

Ursula Braul (Lehrte)<br />

01.11.1929<br />

85 Jahre<br />

Hans Benedix (Celle)<br />

01.11.1924<br />

Gerda Hauptmann<br />

(Wilhelmshaven), 16.11.1924<br />

Heinz Metasch (Rastede)<br />

16.11.1924<br />

86 Jahre<br />

Werner Böhnke (Buxtehude)<br />

09.11.1923<br />

Wilhelm Thies (Hannover)<br />

24.11.1923<br />

87 Jahre<br />

Martin Kunze (Northeim)<br />

10.11.1922<br />

88 Jahre<br />

Sophie Haarmann (Bramsche)<br />

15.11.1921<br />

Rudolf Bruenig<br />

(Braunschweig), 23.11.1921<br />

89 Jahre<br />

Emil Springer (Hannover)<br />

09.11.1920<br />

Joachim Kempe (Hemmingen)<br />

27.11.1920<br />

90 Jahre<br />

Heinz Kerl (Einbeck)<br />

28.11.1919


TESTS 13<br />

entwickelten Lehr- und Lernkultur wird ohne<br />

Not gebrochen und mit der vorliegenden<br />

Form der Tests auf ein vermindertes Spektrum<br />

heruntergesetzt. Die Bewertungsschemata<br />

scheinen von vorbestimmten Fragestellungen<br />

des Untersuchungsgegenstands auszugehen<br />

und können nur Ergebnisse innerhalb<br />

bestehender Deutungsmuster liefern.<br />

2. Sichtweise vergleichender Verfahren<br />

Vergleichende Verfahren beschäftigen sich<br />

mit regionalen, nationalen und internationalen<br />

Vergleichen. Gegenstand der Untersuchungen<br />

sind jahrgangsbezogen verschiedene<br />

Schularten, Lehrpläne, Standards und Methoden.<br />

Doch die Methodenvielfalt der Schulen,<br />

die je zeitlich verschieden schrittigen realen<br />

Umsetzungen der Curricula machen Vergleichstests<br />

zumindest vor den Abschlusstests<br />

besonders fragwürdig.<br />

Bei der Bewertung<br />

der Tests darf man sich<br />

normalerweise nicht auf<br />

die Differenz messbarer<br />

Größen beschränken,<br />

sondern muss andere<br />

Variablen bei allen Testformen<br />

wie die soziale<br />

Struktur der jeweiligen<br />

Klasse, der Schule, des<br />

Ortes, kulturelle Besonderheiten<br />

der Schüler<br />

und vieles Andere mehr<br />

in Betracht ziehen. Das<br />

findet bei allen Zentraltests<br />

nicht statt. Diese<br />

sind vom Vorgehen her,<br />

mit dem alle über einen<br />

Kamm geschoren werden<br />

sollen, auch nicht<br />

vorgesehen.<br />

Alternativ wären deregulierte<br />

und dezentrale<br />

schulspezifische Tests<br />

denkbar, die den Vorteil<br />

hätten, dass den Fachlehrern<br />

für den Förderund<br />

Forderaspekt schülerspezifische Handreichungen<br />

gegeben werden könnten, um<br />

festgestellte Defizite aufzuarbeiten. Das Problem<br />

unseres Schulsystems ist, dass es eine<br />

administrativ, personell und materiell entwickelte<br />

Förderkultur kaum gibt. Damit sind<br />

nicht die schulintern durchaus vorhandenen,<br />

mit viel Arbeit entwickelten Förderkonzepte<br />

und Materialien gemeint, sondern die fehlende<br />

Unterstützung durch die Landespolitik.<br />

3. Sichtweise quantitativer Verfahren<br />

Mit Längsschnittstudien werden mehrere<br />

aufeinander folgende Erhebungsphasen derselben<br />

Untersuchungsgruppen angesetzt.<br />

Dies ist bei den PISA-Erhebungen unmöglich,<br />

da jeweils unterschiedliche Versuchsgruppen<br />

evaluiert werden. Das Verfahren der an Standards<br />

orientierten, zentral gesteuerten Tests<br />

setzt als Parameter voraus, dass vergleichbare<br />

Kernkompetenzen über Jahre hinaus in unterschiedlichen<br />

gleichaltrigen Testgruppen an<br />

sich vergleichbar sind. Bei der Auswertung<br />

dies vorausgesetzt, werden zentrale Tendenzen<br />

und Extremwerte festgestellt, die bundes-<br />

(VERA) und landesspezifisch (Abschlusstests)<br />

ausgewertet werden. Dabei<br />

wird mit den Korrelationsanalysen untersucht,<br />

ob auffällige Ergebnisse signifikant vom stati-<br />

stischen Mittelwert abweichen. Mit der Faktorenanalyse<br />

wird versucht, von der Korrelation<br />

unterschiedlicher Werte auf gemeinsam zugrunde<br />

liegende Faktoren zu schließen. Erst<br />

wird also eine Vergleichbarkeit (falsch) vorausgesetzt,<br />

dann werden die Ergebnisse für<br />

die Normsetzung interpretiert.<br />

Problem ist dabei, dass die KMK und die einzelnen<br />

Ministerialbürokratien die Ergebnisse<br />

nutzen, um das Schulsystem mit ganzen Batterien<br />

von Maßnahmen zu überziehen, ohne<br />

– eine Ergebnisrelevanzanalyse vollzogen zu<br />

haben,<br />

– die gewachsenen Strukturen auf Bildungsbedeutsamkeit<br />

untersucht zu haben,<br />

– die relative Unzuverlässigkeit der Ergebnisse<br />

(siehe 4.) zu hinterfragen.<br />

Damit verbunden ist ein kontraproduktiver<br />

Druck auf alle Teile der Schulsysteme, der ei-<br />

ne wirkliche, immer notwendige Verbesserung<br />

behindert.<br />

4. Sichtweise qualitativer Verfahren<br />

In der empirischen Forschung gehört zur<br />

Interpretation der Daten ein umfassendes<br />

Kontextwissen. Dazu gehört die Regel der<br />

Einbeziehung der Lebenswelten der untersuchten<br />

Gruppe. Ist das geschehen, erfolgt<br />

normalerweise eine Reduktion der Untersuchung<br />

auf Grundaussagen und eine Einordnung<br />

der Ergebnisse auf einer Werteskala.<br />

Bei der Auswertung der Ergebnisse in der<br />

qualitativen Forschung geht es darum, die<br />

normativen Setzungen der Untersuchten zu<br />

erfassen bei Bewahrung ihrer Individualität.<br />

Ergebnisse sollten Kernkompetenzen und<br />

Schlüsselqualifikationen sein, die die<br />

Grundlage der Theorie eines normativen<br />

Handelns in Richtung auf eine anzuzielende<br />

Verbesserung festgestellter Defizite bilden<br />

sollen.<br />

Das ist weder bei VERA noch bei Abschlusstests<br />

vorgesehen. Es würde voraussetzen,<br />

dass schulintern dezentral und individuell<br />

verifizierbar Ergebnisse in konkrete Förderprogramme<br />

umgesetzt werden können.<br />

Stattdessen werden unterschiedlichste<br />

pädagogische Konzepte ausgegrenzt für<br />

fragwürdige von der KMK und den Ministerialbürokratien<br />

vorgegebene einheitliche Regelsysteme.<br />

5. Konsequenzen<br />

Bei der Durchführung der Forderungen des<br />

Bolognaprozesses und der Umsetzung der<br />

Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der<br />

PISA-Studie sind die Landesregierungen einem<br />

rein politischen und ökonomischen<br />

Nützlichkeitskonzept gefolgt, ohne in allen<br />

Bereichen die institutionelle soziale Geschichte<br />

der Bildungsbereiche zu berücksichtigen.<br />

„Wo es eigentlich um die Vermittlung<br />

und Erarbeitung von Bildungsinhalten gehen<br />

sollte, verschwenden Schüler und Lehrer ihre<br />

Energien mit überbordender Verwaltungsarbeit.“<br />

Auf der Strecke bleibt die Vielfalt einer unangepassten<br />

Bildung, die ein Erfolgsmodell<br />

für individuell starke<br />

Facharbeiter und Ingenieure<br />

war. Fragt<br />

man IHK - und Gewerkschaftsvertreter,<br />

wie man am Besten<br />

die erfolgreiche Industriekultur<br />

- getragen<br />

von den in ihr Arbeitenden<br />

- behindern<br />

kann, dann<br />

kann man durchaus<br />

hören: „Bolognaprozess!“<br />

Ursache ist der Irrglaube,<br />

dass man<br />

die Qualität von Bildung<br />

verbessern<br />

könne, indem man<br />

administrativ an der<br />

Schulwirklichkeit<br />

vorbei Bildungsabschlüsse<br />

neu kategorisieren<br />

könne.<br />

Dazu gehört die seltsame<br />

Anhäufung von<br />

Reglementierungen<br />

und Modularisierungen, die den Begriff der<br />

Allgemeinbildung ad absurdum führen. Begriffe<br />

wie Weltwissen, Solidarität, Kontroverse,<br />

Vielfalt und gesellschaftliche Verantwortung<br />

spielen da keine Rolle.<br />

Sinn macht eigentlich nur eine vollständige<br />

Abschaffung der Zentraltest. Stattdessen<br />

könnten zentral entwickelte, jahrgangs-,<br />

schulform- und fachbezogene Jahrestests<br />

schulintern durchgeführt und ohne zentralistische<br />

Ermittlungssysteme ausgewertet hilfreich<br />

sein. Dazu müssten umfangreiche jahrgangs-,<br />

schulform- und fachbezogene Fördermaterialien<br />

an allen Schulen zur Verfügung<br />

gestellt werden.<br />

Fragt man, ob mit Hilfe der Evaluation<br />

durch Zentraltests pädagogischer Vorhaben<br />

das Verhältnis von angestrebten Zielen und<br />

wirklich erreichten Erfolgen festgestellt<br />

wird, so kann man diese Frage nur verneinen.<br />

Zentraltests fügen pädagogischen Prozessen<br />

Schaden zu, behindern die Leistungsentwicklung<br />

der Schülerinnen und Schüler,<br />

sind kontraproduktiv bei differenzierten Vorhaben.<br />

Sie messen alles Mögliche, aber keine<br />

Leistungszuwächse. Sie gehören abgeschafft.<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


14<br />

Eine Studie aus dem Jahr 2009 der Gemeinnützigen<br />

Gesellschaft Gesamtschulen<br />

(GGG) und des Schulleitungsverbandes<br />

Gesamtschulen (SLVGE) in Nordrhein-Westfalen<br />

erbrachte hoch interessante<br />

Ergebnisse. 70,5 Prozent der Abiturienten/innen<br />

an den Gesamtschulen in NRW hatten,<br />

als sie die Grundschule verließen, keine Empfehlung<br />

für den Besuch des Gymnasiums. Sie<br />

haben dennoch das Abitur erfolgreich bestanden.<br />

Diese Jugendlichen machten also<br />

entgegen der Prognose das Abitur.<br />

Im Durchschnitt haben an den NRW-Schulen<br />

25,9 Prozent der Schüler/innen einen Migrationshintergrund,<br />

an den Gymnasien beträgt<br />

der Anteil 14,0 Prozent. In der o.g. Untersuchung<br />

wurde festgestellt, dass der Anteil<br />

der Schüler/innen mit Migrationshintergrund,<br />

die 2009 an den Gesamtschulen den 13.<br />

Jahrgang besuchten, bei 34,7 Prozent lag.<br />

32,4 Prozent der 2009 befragten Schüler/innen<br />

sind im Jahrgang 11 von der Haupt-<br />

oder Realschule in die gymnasiale Oberstufe<br />

der Gesamtschulen gewechselt. Für diese<br />

Schüler/innen bietet die Gesamtschule die<br />

Möglichkeit, in der gymnasialen Oberstufe einer<br />

allgemein bildenden Schulform ein nach<br />

landesweiten Standards vergleichbares<br />

Abitur zu erwerben. Wohlgemerkt: Die Abiturienten/innen<br />

der Gesamtschulen haben<br />

dasselbe zentrale Abitur absolviert wie die<br />

Abiturienten/innen an den Gymnasien.<br />

Aus den vorgelegten Daten lässt sich die<br />

überdurchschnittliche Leistung der Oberstufen<br />

an Gesamtschulen in NRW zur Förderung<br />

von weitergehenden Bildungskarrieren<br />

erneut und detailliert belegen, kommentieren<br />

Keine Empfehlung für den Besuch des Gymnasiums und dennoch das Abitur gemacht. Das<br />

ist das Ergebnis einer aktuellen Studie in NRW.<br />

Verzerrte Grundschulempfehlungen oder erfolgreiche Gesamtschule oder beides?<br />

Untersuchung aus NRW bestätigt<br />

Leistungen der Gesamtschulen<br />

die Verfasser der Studie. „Dabei ist die Heterogenität<br />

der Schülerpopulation an Gesamtschulen<br />

die Grundlage, nicht der Hinderungsgrund<br />

für den Erfolg.“ Weiterhin sei<br />

die Fragwürdigkeit von Schulformprognosen<br />

am Ende der vierten Grundschulklasse<br />

durch die Arbeit der Gesamtschulen aktuell<br />

bestätigt worden.<br />

GGG und SLVGE NRW leiten aus der Studie<br />

u. a. folgende Forderungen ab:<br />

• Das Konzept G 9 (13 Jahre bis zum<br />

Abitur) ist unabdingbar, um alle Ressourcen<br />

bei Schülern/innen zu höherwertigen<br />

Schulabschlüssen zu aktivieren und zu fördern.<br />

65. Pädagogische Woche in Cuxhaven<br />

Großes Engagement der Lehrkräfte<br />

bei Fortbildung zu Heterogenität<br />

Annegret Sloot, Bezirksvorsitzende der<br />

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />

Lüneburg, konnte bei der Eröffnung<br />

der traditionsreichsten Lehrerfortbildung<br />

in <strong>Niedersachsen</strong> eine steigende Anzahl<br />

von Lehrkräften begrüßen. In Cuxhaven-Duhnen<br />

sprachen Vertreter aller Landtagsfraktionen<br />

der <strong>GEW</strong> ihre Anerkennung für ihr Engagement<br />

in der Fortbildung aus, das 1930 begründet,<br />

von den Nazis verboten und seit<br />

1948 weitergeführt wurde. Alle Kultusminister<br />

haben seitdem die Duhner Woche unterstützt.<br />

Der bildungspolitische Sprecher der CDU-<br />

Landtagsfraktion Dr. Karl-Ludwig von Danwitz<br />

fand herzliche Worte, um das profunde<br />

Fortbildungsprogramm und das herausragende<br />

Engagement der Lehrerinnen und Lehrer<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

zu würdigen. Die großen Anmeldungszahlen<br />

zu den vielfältigen Angeboten zeigten, wie<br />

groß der Bedarf an Fortbildung ist. Es sei erforderlich,<br />

das staatliche Angebot zu erweitern.<br />

Von Danwitz versprach, das Land arbeite<br />

daran, ja, diese Aufgabe habe Priorität.<br />

Der <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende Eberhard<br />

Brandt nahm diese Ankündigung in Cuxhaven<br />

erfreut auf. „Ich bin allerdings verwundert,<br />

dass der CDU-Abgeordnete Biallas den alten<br />

Konfrontationskurs gegen die <strong>GEW</strong> fortsetzt.<br />

Nichts anderes bedeutet doch seine polemische<br />

Presseerklärung, in der er das Engagement<br />

der <strong>GEW</strong> für eine bessere Personalversorgung<br />

der Schulen gegen ihr Engagement<br />

in der Cuxhavener Woche ausspielt. Ich denke,<br />

die Zeit der Konfrontation sollte endlich<br />

vorbei sein.“<br />

GESAMTSCHULE<br />

• Verbindlicher Ganztag ist für erfolgreiches<br />

Lernen auch in der Sek II unabdingbar.<br />

• Neugründungen von Gesamtschulen<br />

müssen Ganztagsschulen mit fachlicher Förderung<br />

in Sek I und Sek II sein.<br />

• Der Elternwille ist ernst zu nehmen. Bei<br />

der zukünftigen Schulentwicklungsplanung<br />

sind die Forderungen nach durchlässigen, integrierten<br />

Schulformen, Ganztag und individueller<br />

Förderung als Leitlinie umzusetzen.<br />

Die Untersuchung aus NRW nahmen sieben<br />

SPD-Abgeordnete des Niedersächsischen<br />

Landtags Anfang September zum Anlass,<br />

in einer Kleinen Anfrage nachzufragen,<br />

wie viele Schüler/innen in <strong>Niedersachsen</strong><br />

das Abitur trotz fehlender gymnasialer Empfehlung<br />

geschafft hätten (Drucksache<br />

16/1705).<br />

Unmittelbar vergleichende Aussagen könnten<br />

nicht gemacht werden, heißt es in der<br />

Antwort der Landesregierung vom 23. September,<br />

da die niedersächsische Schulstatistik<br />

keine Aussagen möglich mache, die auf<br />

den einzelnen Schüler bezogen werden könnten.<br />

„Die Schulstatistik des Niedersächsischen<br />

Kultusministeriums hat nicht das Ziel<br />

der Schaffung des ‚gläsernen Schülers’, sondern<br />

dient allein der Sicherstellung der gleichmäßigen<br />

Verteilung der zur Verfügung stehenden<br />

Ressourcen und deren angemessener<br />

Verwendung.“<br />

Es bleibt das Geheimnis der Landesregierung,<br />

was eine anonyme Untersuchung des<br />

Schulerfolgs von Schülern/innen zu tun haben<br />

soll mit der Schaffung des „gläsernen<br />

Schülers“. Vielleicht gibt es andere Gründe<br />

dafür, solche Untersuchungen nicht durchzuführen.<br />

Einzelheiten und Daten zur Untersuchung<br />

aus NRW finden Interessierte unter:<br />

http://www.ggg-nrw.de/PM-PDF/SLVGE-<br />

GGG-NRW+090813+PM_GE-Abitur.pdf<br />

HENNER SAUERLAND<br />

Foto: Sven Simon / imago


AUS ANDEREN <strong>GEW</strong>-LANDESVERBÄNDEN 15<br />

Die <strong>GEW</strong> Hamburg hat am 24. September<br />

2009 mit 2.500 PädagogInnen, die älter<br />

als 50 sind – davon über 80 Prozent<br />

Beamtinnen und Beamte –, den größten<br />

Streiktag an Hamburgs Schulen seit über 20<br />

Jahren durchgeführt. Dieser Streik war der<br />

vorläufige Höhepunkt einer zweijährigen Kampagne,<br />

in deren Verlauf bereits im November<br />

2008 und im April 2009 jeweils mehrere Tausend<br />

KollegInnen vormittags während der<br />

Schulzeit zu Demonstrationen und Kundgebungen<br />

zusammen gekommen waren.<br />

Die Geduld unserer Kolleginnen und Kollegen<br />

ist am Ende. Die Argumente für Alterentlastung<br />

und Altersteilzeit haben wir wieder und<br />

wieder in die Stadt getragen:<br />

55 Prozent der Kolleginnen und Kollegen<br />

sind älter als 50 und sie arbeiten heute länger<br />

als je zuvor. Die Hälfte aller Lehrkräfte ist inzwischen<br />

in Teilzeit, weil eine volle Stelle für<br />

viele nicht auszuhalten ist, wenn sie gesund in<br />

den Ruhestand kommen wollen. Hamburg ist<br />

das einzige Bundesland, das weder Alterteilzeit<br />

noch Alterentlastung für seine Lehrkräfte<br />

hat. Hamburg hat die längsten Arbeitzeiten<br />

der gesamten Bundesrepublik. Damit alle gesund<br />

in den Ruhestand kommen können, ist<br />

eine Altersentlastung dringend und sofort<br />

nötig. Wir haben zu wenig junge Lehrer<br />

Und wir haben zu wenig junge Menschen in<br />

Ausbildung für den Lehrerberuf.<br />

Im „Hamburger Abendblatt“ haben 68 Prozent<br />

der Leserinnen und Leser den Aufruf der<br />

<strong>GEW</strong> zum Streik für Altersentlastung älterer<br />

Lehrkräfte für richtig gehalten. Die Elternkammer,<br />

die Bildungspolitiker aus CDU, Linker,<br />

SPD und GAL, halten unsere Forderungen für<br />

gerechtfertigt. Die Bürgerschaftsfraktion der<br />

LINKEN hat einen Antrag in die Bürgerschaft<br />

eingebracht, in der sie die Wiedereinführung<br />

der 2004 abgeschafften Altersteilzeit und der<br />

2001 abgeschafften Altersentlastung für Lehrer<br />

und Lehrerinnen fordert. Lehrkräfte über 55<br />

Jahre sollen danach eine Unterrichtsstunde<br />

weniger, die über 60-Jährigen zwei Unterrichtsstunden<br />

weniger arbeiten müssen. Die<br />

Debatte im Parlament hat gezeigt, dass alle<br />

Fraktionen verstanden haben, dass es nicht<br />

so weitergehen kann wie bisher.<br />

Zustimmung aus<br />

der Bevölkerung<br />

Unsere Urabstimmung in den Schulen zur<br />

Arbeitsniederlegung für unsere Forderungen<br />

hat ein großartiges Ergebnis von fast 90 Prozent<br />

Ja-Stimmen gebracht. Dies war der erste<br />

große Streik der <strong>GEW</strong> Hamburg seit 1988.<br />

Viele waren schon damals dabei – wir alle<br />

wissen, was es heißt, wenn Beamte und Angestellte<br />

in Hamburgs Schuldienst streiken.<br />

Wir wissen, dass viel Mut zu einem solchen<br />

Schritt gehört und wir haben es uns nicht<br />

leicht gemacht. Dass so zahlreich gestreikt<br />

wurde, liegt daran, dass die Wut und<br />

Empörung über die arrogante Machtpolitik der<br />

Regierung und deren Ignoranz gegenüber unseren<br />

Belangen viel größer sind als die Angst<br />

vor Repressalien.<br />

Wir setzen damit auch ein Zeichen dafür,<br />

dass sich auch Beamte und Staatsdiener<br />

nicht einschüchtern lassen. Es entspricht<br />

nicht mehr einer modernen, offenen Gesellschaft<br />

des 21. Jahrhunderts, sondern dem<br />

obrigkeitsstaatlichen Verständnis preußischer<br />

Höhepunkt einer zweijährigen Kampagne der <strong>GEW</strong> Hamburg. 2500 Kolleginnen und Kollegen<br />

über 50 legten die Arbeit nieder und traten Ende September in den Streik.<br />

2.500 Hamburger Kolleginnen und Kollegen beteiligt<br />

Streik für Altersentlastung<br />

Beamtenkultur aus dem 19. Jahrhundert,<br />

wenn in dieser Stadt ernsthaft über die Legalität<br />

und Legitimität von Streiks von Beamten<br />

geredet wird. Auch Beamte sind heute keine<br />

Bittsteller mehr, deren Arbeitsbedingungen<br />

ohne Mitsprache und Beteiligung vom<br />

Dienstherrn geregelt werden, sondern selbstbewusste<br />

Verhandlungspartner – und zu Verhandlungen<br />

gehören Druckmittel, für uns Beschäftigte<br />

der Streik.<br />

90 Prozent votieren bei<br />

der Urabstimmung mit ja<br />

Das ist übrigens im europäischen Recht<br />

weitgehend anerkannt. Beamtenstreik passe<br />

nicht in die Landschaft, wird von interessierter<br />

Stelle behauptet, schließlich sollten wir froh<br />

sein, einen krisensicheren Arbeitsplatz zu haben.<br />

Aber was nutzt uns ein unkündbarer Arbeitsplatz,<br />

wenn ihn immer weniger von uns in<br />

Vollzeit ausfüllen können, wenn immer mehr<br />

von uns dabei krank werden und den Ruhestand<br />

nicht gesund erreichen? Sollen wir das<br />

widerstandslos hinnehmen im Vertrauen auf<br />

die Fürsorgepflicht des Dienstherrn?<br />

Diese Fürsorgepflicht hat der Dienstherr<br />

permanent verletzt – deshalb ist diese Arbeitsniederlegung<br />

als Notwehrmaßnahme gerechtfertigt.<br />

Im Übrigen haben wir nicht nur für unsere<br />

eigenen Interessen gestreikt, sondern dafür,<br />

dass mehr junge Lehrkräfte eine Chance auf<br />

einen Job erhalten, und vor allem auch, damit<br />

ausreichend viele Lehrer an die Schulen kommen,<br />

die Zeit für die individuelle Förderung ihrer<br />

Schülerinnen und Schüler haben, statt abgehetzt,<br />

gestresst und krank immer mehr Unterrichtsstunden<br />

zu erteilen.<br />

Wir begannen um 9:00 Uhr mit einem<br />

Streikfrühstück und einer Streikversammlung<br />

im Hauptgebäude der Uni Hamburg. Schon<br />

da hörten mehr als 1.000 TeilnehmerInnen<br />

mitreißende Reden von Klaus Bullan, Ilse<br />

Schaad und Heinz-Josef Bontrup. Besondere<br />

Empörung kam auf der Versammlung immer<br />

dann auf, wenn aus dem Bildungsbericht der<br />

Behörde zitiert wurde: So steht dort z.B., dass<br />

die Lehrkräfte in Hamburg seit Einführung des<br />

Arbeitszeitmodells immer weniger Unterrichtsstunden<br />

geben. Zynischer und ignoranter<br />

kann man den gestiegenen Belastungen<br />

der Beschäftigten kaum entgegentreten.<br />

Nach der Versammlung stießen weitere<br />

Streikende auf der Moorweide dazu, so dass<br />

wir mit insgesamt 2.500 KollegInnen zu einer<br />

machtvollen Demonstration zur Finanzbehörde<br />

am Gänsemarkt aufbrachen.<br />

Alte entlasten, Junge einstellen, das ist das<br />

Motto der <strong>GEW</strong> Hamburg und mit dieser Forderung<br />

treten wir der Regierung mit all unserer<br />

Kraft entgegen.<br />

Beamte und Staatsdiener lassen<br />

sich nicht mehr einschüchtern<br />

Die Regierung spielt auf Zeit: Wenn die alten<br />

Kollegen und Kolleginnen die Schulen verlassen<br />

haben, wird – so ihre Hoffnung – der<br />

Ruf nach Altersentlastung leiser oder zumindest<br />

billiger zu verwirklichen – und wenn der<br />

selbstverursachte Mangel an jungen ausgebildeten<br />

Lehrkräften da ist, dann kann man ja<br />

nicht mehr so viele einstellen. Das Zeitfenster,<br />

um unsere Forderungen durchzusetzen, ist<br />

nur noch wenige Jahre geöffnet, wir brauchen<br />

die Entlastungen alter Lehrkräfte und die Einstellung<br />

junger jetzt – und zwar sofort. Wir<br />

werden deshalb weiter machen.<br />

Zu der Urabstimmung waren alle KollegInnen<br />

an den Schulen aufgerufen. 90 Prozent<br />

haben zugestimmt, Kampfmaßnahmen für unsere<br />

Forderrungen zu ergreifen. Sollte der Senat<br />

nicht einlenken, werden wir beim nächsten<br />

Mal alle KollegInnen – auch die unter 50 – zu<br />

einem flächendeckenden Streik in Hamburg<br />

aufrufen.<br />

Die Kampfbereitschaft unserer Mitglieder,<br />

aber auch ihre Erwartung gegenüber der Regierung,<br />

ist hoch. -kb<br />

Foto: Jochen Geffers<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


18<br />

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen hat Auswirkungen auf das niedersächsische<br />

Schulsystem. Als Referenten hatte der <strong>GEW</strong>-Bezirksverband Lüneburg Ministerialrat Peter<br />

Wachtel eingeladen.<br />

Treffen der Schulleiter im <strong>GEW</strong>-Bezirksverband Lüneburg<br />

Inklusion als<br />

zentrales Thema<br />

„Welche Auswirkungen kann die UN-Konvention<br />

über die Rechte von Menschen mit Behinderungen<br />

auf das Schulsystem in <strong>Niedersachsen</strong><br />

haben?“ Zu diesem Thema referierte<br />

Dr. Peter Wachtel, Ministerialrat im Kultusministerium,<br />

vor 50 <strong>GEW</strong>-SchulleiterInnen aus<br />

dem <strong>GEW</strong>-Bezirksverband Lüneburg in Jeddingen.<br />

Auf Einladung der Bezirksvorsitzenden<br />

Annegret Sloot finden seit vielen Jahren regelmäßig<br />

Treffen für <strong>GEW</strong>-Schulleitungen aller<br />

Schulformen statt, bei denen es zumeist um<br />

aktuelle bildungs- und schulpolitische Fragen<br />

geht.<br />

UN-Konvention über die Rechte<br />

von Menschen mit Behinderungen<br />

Diesmal ging es um die Inklusion, um die<br />

Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an<br />

der Gesellschaft und z.B. am Besuch einer allgemein<br />

bildenden Schule. Da dieses Thema<br />

auch Auswirkungen auf die Lehrerbildung haben<br />

wird, waren zum ersten Mal die LeiterInnen<br />

der Studienseminare zu der Veranstaltung mit<br />

eingeladen.<br />

Dr. Wachtel war bei der Vorstellungsrunde<br />

besonders erfreut darüber, dass nicht nur<br />

SchulleiterInnen aus den Grund- und Förderschulen,<br />

sondern auch aus der Sekundarstufe<br />

anwesend waren, denn die Umsetzung der<br />

UN-Konvention über die Rechte von Menschen<br />

mit Behinderungen (BRK) wird auch für ihre<br />

Schulformen konkrete Auswirkungen haben.<br />

Die UN-Konvention ist sowohl vom Bundestag<br />

und als auch vom Bundesrat einstimmig ratifiziert<br />

worden und inzwischen seit März 2009<br />

in Kraft. Der Artikel 24 der BRK („Inclusive education“)<br />

lautet: „Die Vertragsstaaten anerkennen<br />

das Recht von Menschen mit Behinderung<br />

auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskrimi-<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

nierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit<br />

zu verwirklichen, gewährleisten die<br />

Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem<br />

auf allen Ebenen und lebenslanges<br />

Lernen ...“ Inklusion ist zentrales Thema in der<br />

Diskussion um die Weiterführung der sonderpädagogischen<br />

Förderung in allen Ländern der<br />

Bundesrepublik Deutschland.<br />

Die UN-Konvention ist nach dem Inkrafttreten<br />

nunmehr in die schulgesetzlichen Regelungen<br />

der Bundesländer umzusetzen. Bemerkenswert<br />

ist, dass das Wort „inclusive“ mit „integrativ“<br />

übersetzt wurde. Will man hier schon<br />

der Inklusionsdebatte einen Riegel vorschieben?<br />

Eine Arbeitsgruppe der Kultusministerkonferenz<br />

ist mit der Überarbeitung der Empfehlungen<br />

zur sonderpädagogischen Förderung<br />

von 1994 beauftragt. Als Leiter dieser Arbeitsgruppe<br />

berichtete Dr. Wachtel über die<br />

vorläufigen Ergebnisse sowie den Stand der<br />

bundesweiten Diskussion.<br />

Ministerialrat Dr. Wachtel<br />

als Referent<br />

Da sich die UN-Konvention auf die sonderpädagogische<br />

Förderung auch in <strong>Niedersachsen</strong><br />

auswirken wird, diskutierten die Anwesenden<br />

mit Interesse zu der Fragestellung „Gibt es<br />

einen landesweiten Entwicklungsplan zur Fortführung<br />

der Regionalen Integrationskonzepte<br />

und wie sieht dieser aus?“ Deutlich wurde das<br />

gemeinsame Ziel betont, dass zukünftig weniger<br />

Schüler und Schülerinnen die Förderschule<br />

besuchen, sondern dass diese in der Grundschule<br />

im gemeinsamen Unterricht sonderpädagogisch<br />

unterstützt werden.<br />

Die sonderpädagogische Förderung ist damit<br />

nicht abgeschafft, sondern wird durch<br />

das zuständige Förderzentrum anders organi-<br />

<strong>GEW</strong>-BEZIRKSVERBAND LÜNEBURG<br />

siert. Für die präventive und sonderpädagogische<br />

Förderung in den Regelschulen werden<br />

diesen FörderlehrerInnenstunden zugewiesen,<br />

die eine Binnendifferenzierung in heterogenen<br />

Gruppen unter Berücksichtigung der<br />

Schulform und der Sozialstruktur der Region<br />

ermöglichen. Anders ausgedrückt: Die Kinder<br />

kommen nicht mehr zu den Lehrkräften in die<br />

Förderschulen, sondern die Kollegen und Kolleginnen<br />

aus den Förderschulen kommen zu<br />

den Kindern in die Regelschulen, die damit in<br />

ihrer vertrauten Umgebung bleiben können<br />

und dort am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.<br />

Ein solches regionales Konzept verringert<br />

nicht die Sollstunden an Förderlehrerstunden<br />

(Sollstunden in der Förderschule und Soll-<br />

Stunden im RIK), sondern nur die Zahl der<br />

Schülerinnen und Schüler in der Förderschule<br />

selbst. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem<br />

Weg zu einem inklusiven Bildungssystem. Bei<br />

diesem Prozess werden die Förderschulen sich<br />

verkleinern bzw. sogar auflösen. Doch muss<br />

die sonderpädagogische Ressource für die<br />

Grundversorgung erhalten bleiben.<br />

Sonderpädagogische Förderung<br />

wird nicht abgeschafft,<br />

sondern anders organisiert<br />

In Niedersachen haben sich von 1800<br />

Grundschulen bereits 600 Grundschulen für<br />

die sonderpädagogische Grundversorgung<br />

entschieden. Anregungen für die Landesregierung,<br />

das Prinzip der Freiwilligkeit bei der Einführung<br />

der sonderpädagogischen Grundversorgung<br />

zu verlassen, wurden heftig diskutiert.<br />

Zurzeit gilt noch: Die schulformspezifische<br />

Anrechnungszeit für Lehrkräfte richtet sich<br />

nach der Zahl der Klassen in der Förderschule<br />

(0,5 Std. pro Klasse). Das gilt ebenso für die<br />

Anrechnungsstunden für Schulleiter und<br />

Schulleiterinnen eines Förderzentrums. Auch<br />

richtet sich die Besoldung eines Schulleiters/Schulleiterin<br />

nach der Zahl der Schüler in<br />

der Förderschule.<br />

Die Zahl der Schülerinnen und Schüler im<br />

Förderzentrum wird sich verringern. Die<br />

pädagogische und koordinierende Arbeit im<br />

Förderzentrum wird größer. Es ist unumstritten,<br />

dass eine veränderte Entlastung für Schulleitungen<br />

von Förderzentren geschaffen werden<br />

muss. Als eine Möglichkeit wird die Berechnung<br />

einer Richtgröße von fiktiven Klassen gesehen,<br />

um Leitungen von Förderzentren mit<br />

ausreichend Zeit zu versorgen.<br />

Einen großen Stellenwert hatte in Jeddingen<br />

die Frage, wie der bildungspolitische Auftrag<br />

des Niedersächsischen Schulgesetzes (§ 4) im<br />

Sek.I-Bereich, außer durch Integrationsklassen,<br />

organisiert werden kann. Also planmäßig<br />

und nicht als Lösung für einzelne Kinder. Die<br />

UN-Konvention „für ein integratives Bildungssystem<br />

auf allen Ebenen“ stimmt mit unserer<br />

gewerkschaftlichen Position „eine Schule für<br />

alle“ überein. Dafür wird sich die <strong>GEW</strong> weiterhin<br />

einsetzen, indem sie von der Landesregierung<br />

fordert<br />

– Fortbildungen für die Vorbereitung von Lehrkräften<br />

auf den gemeinsamen Unterricht<br />

– einen Schwerpunkt Gemeinsamer Unterricht<br />

in der Ausbildung von PädagogInnen<br />

– die Bereitstellung von ausreichenden Ressourcen.<br />

GUNDI MÜLLER / ANNEGRET SLOOT


BÜCHER 19<br />

Vera F. Birkenbihl: Jungen und Mädchen –<br />

wie sie lernen (München 2005).<br />

„Hunde werden durch Tierschutzgesetze<br />

geschützt – wann werden kleine Jungen eine<br />

Lobby bekommen?“ Birkenbihl provoziert<br />

nicht nur, sondern veröffentlicht ein in der<br />

Form und in der Abfolge ungewohntes Buch:<br />

„Pflichtkapitel“ werden durch „Wissens-Quiz-<br />

Spiele“ unterbrochen und es folgen „Module“<br />

zur Vertiefung, auf welche im Text verwiesen<br />

wird und die in beliebiger Reihenfolge gelesen<br />

werden können. Auf die Praxis-Module<br />

„Techniken für besseres Schreiben und Lesen“<br />

sei hier besonders hingewiesen. Insgesamt<br />

verstärken grafische Darstellungen und<br />

Zeichnungen die Einprägsamkeit. Die Darstellungsformen<br />

sollen sicher einer hirngerechten<br />

Aufbereitung für die Leser/innen entsprechen,<br />

denn die Grundlage der Ausführungen<br />

bilden die Erkenntnisse der modernen<br />

Hirnforschung. Hinzu kommen Erkenntnisse<br />

neuerer entwicklungspsychologischer und<br />

entwicklungsphysiologischer Studien und Ergebnisse<br />

genetischer Forschungen. Diese<br />

werden schließlich verbunden mit den Erfahrungen<br />

und Erkenntnissen der langen Tradition<br />

der Reformpädagogik.<br />

Das Pflichtkapitel „Lernfenster“<br />

Das Pflichtkapitel „Lernfenster“ verweist in<br />

der Unterüberschrift auf die Frage „Sollen wir<br />

Kinder nach dem Alter sortieren?“, also altersspezifische<br />

Klassen bilden, die auf altersspezifischen<br />

Lehrstoff ausgerichtet sind?<br />

Natürlich nicht, denn wissenschaftlich bewiesen<br />

sei, dass Fertigkeiten und Handlungskompetenzen<br />

von gleich begabten Kindern<br />

im Schnitt um zwei Jahre differieren können.<br />

„Wenn wir sagen, ein Kind im Alter von sieben<br />

Jahren sollte etwas beherrschen, dann erwerben<br />

manche Kinder diese Fähigkeit tatsächlich<br />

mit sieben, manche aber schon mit sechs<br />

oder fünf, andere mit acht oder neun Jahren;<br />

also umfasst die Formel „plus/minus 2“ eine<br />

Spanne von ca. fünf Jahren.“<br />

40 Jahre<br />

in der <strong>GEW</strong><br />

Zum 40-jährigen <strong>GEW</strong>-Jubiläum gratulieren<br />

wir im November folgenden Kolleginnen und<br />

Kollegen und danken für ihre langjährige Mitgliedschaft:<br />

Herbert Blazejewicz (Hude), Ahmed Chaker<br />

(Großefehn), Hans Deckert (Damnatz), Gabriele<br />

Drubel (Garbsen), Hartmut Herzog (Wilhelmshaven),<br />

Guenter Kellmer (Uetze), Hans-<br />

Joachim Köcher (Rinteln), Kurt Lütjens (Braunschweig),<br />

Annegret Messerschmidt (Neustadt),<br />

Bodo Messerschmidt (Neustadt), Hermann<br />

Ocken (Apen), Wolfgang Quintern (Göttingen),<br />

Wolfgang Rajewski (Braunschweig), Hartmut<br />

Ratzke (Veltheim), Irmtraut Richey (Söhlde),<br />

Uta Tröster-Ghorab (Gehrden), Heinz-Georg<br />

Weil (Jelmstorf), Manfred Zimmermann (Norden).<br />

Unser Dank gilt außerdem allen Kolleginnen<br />

und Kollegen, deren Mitgliedschaft sich in diesem<br />

Monat zu einem weiteren Jahr rundet.<br />

Zu einem Buch von Vera Birkenbihl<br />

Wann bekommen kleine<br />

Jungen eine Lobby?<br />

Cover der CD „Jungen und Mädchen – wie sie lernen.“<br />

Kinder könnten sich aber nur dann weiter<br />

entwickeln und ihre Lernlust aufrechterhalten,<br />

wenn das Gehirn für eine bestimmte Art von<br />

Tätigkeit (sog. Lernfenster) bereit sei. Jedes<br />

Kind entwickelt also individuelle Sensibilitäten<br />

unabhängig vom chronologischen Alter<br />

für die „Öffnung“ von Lernfenstern. Im Folgenden<br />

belegt Birkenbihl dann, dass „sich die<br />

Entwicklungswege von Jungen und Mädchen<br />

überkreuzen, das heißt: „Jungen entwickeln<br />

vor der Pubertät die sogenannte Grobmotorik,<br />

während die Mädchen feinmotorisch zugange<br />

sind (…). Nach der Pubertät ist es umgekehrt.“<br />

Alle Versuche also, kleine Jungen zu<br />

feinmotorischen Fähigkeiten zu zwingen, laufen<br />

der Entwicklung zuwider.<br />

In einem weiteren Pflichtkapitel lautet die<br />

Überschrift „Sind Jungen lernbehindert?“<br />

Natürlich ist auch dies wieder eine rein rhetorische<br />

Frage, denn wenngleich der Anteil von<br />

Jungen an den Kindern in Förderschulen erheblich<br />

höher liegt als der von Mädchen,<br />

wenngleich ADHS-Diagnosen bei Jungen wesentlich<br />

häufiger gestellt werden als bei<br />

Mädchen, wenngleich 80 Prozent der sog.<br />

Lernbehinderten männlich sind, beschreibt<br />

Birkenbihl die Wirkung vieler Faktoren, die die<br />

Pathologisierung von Jungen geradezu provozieren,<br />

da die Entwicklung natürlichen<br />

männlichen Lernverhaltens in den Schulen<br />

nicht berücksichtigt wird. Zu diesen Faktoren<br />

gehören unter anderem bestimmte Stufen<br />

von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsstilen,<br />

Selbstwertzuschreibungen und Gruppendynamiken,<br />

in denen sich Jungen bewegen.<br />

Auch wird wieder auf Überkreuzentwicklungen<br />

von Jungen und Mädchen verwiesen.<br />

Aufgrund neuerer Vorgaben des Niedersächsischen<br />

Kultusministeriums werden<br />

künftig unsere eingeschulten Kinder in Jahrgang<br />

5 am Gymnasium noch jünger sein als<br />

bisher. Angesichts der aufgezeigten individuellen<br />

Entwicklung von Kindern müssten<br />

sich Inhalte, Formen der Vermittlung und<br />

Umgehensweisen hierauf einstellen. Allerdings<br />

wird an Jahrgangsklassen und zugeschriebenem<br />

„Stoff“ (jeder weiß es: Die<br />

Kerncurricula sind total überfrachtet!) festgehalten.<br />

Quadratur des Kreises<br />

Wir Lehrerinnen und Lehrer am Gymnasium<br />

müssen also gewissermaßen die Quadratur<br />

des Kreises vollbringen, wir müssen den<br />

„Stoff“ abarbeiten und dabei individuelle Entwicklungspotenziale<br />

von Kindern einbeziehen,<br />

das spezifische Lernverhalten von<br />

Mädchen berücksichtigen und zugleich aber<br />

versuchen, den Bewegungsdrang der Jungen<br />

und ihre besondere Form des Arbeitsverhaltens<br />

und der Wissensaneignung nicht auszublenden.<br />

Denn: „Wir haben lange genug daran<br />

gearbeitet, die Frauen zu emanzipieren,<br />

und wir müssen dafür sorgen, dass diese Entwicklung<br />

anhält, aber wir müssen uns auch<br />

fragen, ob wir dabei einen Teil der Männerwelt<br />

(unbeabsichtigt?) geopfert haben, und zwar<br />

den, der sich am wenigsten wehren kann, den<br />

der kleinen Jungen.“<br />

Unsere Empfehlung: Sehr lesenswert!<br />

WERNER FINK<br />

Hinweis: Einen guten Einblick verschafft V. F.<br />

Birkenbihl, „Jungen und Mädchen – wie sie<br />

lernen“. Vortrag in Odelzhausen, DVD 2004.<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


20<br />

Sich mit Gewalt Anerkennung verschaffen. Dies ist eines der Motive für Jugendgewalt bis hin zu Amokläufen.<br />

VON UWE FINDEISEN<br />

Anmerkungen zur aktuellen Diskussion über Amok und die Konsequenzen<br />

Jugendgewalt – unerklärlich,<br />

anomal oder was?<br />

Alltägliche Schlägereien auf dem Schulhof,<br />

Abgrenzungen zwischen Peergroups,<br />

Ausgrenzungen Einzelner,<br />

Sachbeschädigungen usw. sind ständige Begleiterscheinung<br />

des Schulalltags – und seit<br />

1997 vermehrt Amokläufe. Hier eine kritische<br />

Auseinandersetzung mit aktuellen Erklärungen<br />

(Langmans „Amok im Kopf“) sowie Thesen<br />

zum Kult des Selbstbewusstseins.<br />

Ein erschreckender Vergleich ...<br />

Der Psychiater Langman schreibt: „Was<br />

wird aus potenziellen Schulamokläufern, die<br />

vor der Ausführung ihrer Pläne gestoppt werden?<br />

... Hätten sie als Erwachsene noch<br />

größere Gräuel angerichtet? Das Letztere<br />

wurde im Fall von Eric Harris behauptet... Er<br />

wollte zu den Marines gehen und Explosionswaffen<br />

studieren. Stellen wir uns Eric Harris<br />

als Erwachsenen vor – Exmarine, Militärexperte<br />

für Sprengstoff. In Columbine ging keine<br />

von Erics großen Bomben hoch. Als Sprengstoffexperte<br />

hätte er funktionierende Bomben<br />

gebaut. Die Vorstellung ist beängstigend.<br />

Das ist aber nicht das einzig mögliche<br />

Szenario. Nehmen wir an, er wäre zu den Marines<br />

gegangen. Er sehnte sich nach Status<br />

und Anerkennung, und ein Marine genießt beides<br />

in hohem Maße. Neben dem Status hätte<br />

er einen Ort gehabt, zu dem er gehörte, wo er<br />

akzeptiert worden wäre. Er war ein intelligenter,<br />

lernbegieriger Junge, der beim Militär vielleicht<br />

brilliert hätte... Wie er in seinem Tage-<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

buch schrieb: ‚Ich wäre ein verdammt guter<br />

Marine geworden – da hätte ich einen Grund<br />

gehabt, Gutes zu tun.’“ (L 281f) An anderer<br />

Stelle heißt es: „Es hatte also nichts (zu tun)<br />

mit dem Töten von Feinden im Krieg ... Hier<br />

ermordeten Kinder viel mehr Kinder ohne ersichtlichen<br />

Grund. Und was sich jeder fragt,<br />

ist: Warum?" (L 30) Langman macht unter der<br />

Hand einen Vergleich. Aber was trägt der Vergleich<br />

‚institutioneller’ und ‚privater’ Gewalt<br />

zur Erklärung bei?<br />

1. Er geht vom gleichen Inhalt der Tätigkeiten<br />

aus: Zerstörung.<br />

2. Auch wenn der Inhalt gleich ist, macht er einen<br />

Unterschied: Bei der Institution gilt die<br />

Tätigkeit als begründet („Feinde“), man erwirbt<br />

Anerkennung und einen Status.<br />

3. Die private Gewalt erhält nicht diese Attribute,<br />

sie ist grundlos, es werden „viel<br />

mehr“ getötet (nicht an Kollateralschäden<br />

denken!).<br />

4. Also besteht der Unterschied nicht zwischen<br />

Gewalt und Gewaltfreiheit, sondern<br />

zwischen legitimierter und nicht legitimierter,<br />

zwischen erlaubter und verbotener Gewalt.<br />

... und eine Wahrheit: Gewalt ist<br />

ein Mittel der Durchsetzung<br />

Langman geht in seinem Vergleich von einem<br />

Faktum aus: Gewalt ist in der Gesellschaft<br />

präsent, z.B. beim Militär konzentriert<br />

und als Äußerung des staatlichen Gewaltmonopols<br />

selbstverständlich. Sie ist legitimes<br />

Mittel zur Durchsetzung von Interessen („Fein-<br />

JUGEND<strong>GEW</strong>ALT<br />

de töten“), wobei ihr Einsatz den staatlichen<br />

Instanzen vorbehalten und Privatpersonen<br />

versagt ist. Für Langman stellen nach Anerkennung<br />

strebende Jugendliche kein Problem<br />

dar, wenn ihre Gewalt in erlaubten Formen abläuft.<br />

(Übrigens: eine sehr „amerikanisch“funktionelle<br />

Betrachtung des Militärs als Ort<br />

für Statuserwerb!)<br />

Die Kategorie anomal leugnet<br />

die gesellschaftliche Realität<br />

Allseitige Präsenz von Gewalt ist auch<br />

durch die Medien gegeben, die diese ja nur<br />

abbilden: von der Kriegsberichterstattung bis<br />

zum Unterhaltungsangebot in Filmen etc.<br />

Aber „die Gewalt in den Medien kann Schulmassaker<br />

nicht hinreichend erklären, weil die<br />

große Mehrheit der Menschen, die Gewalt in<br />

den Medien sehen, keine Mörder werden ...<br />

Welchen Einfluss hat die Mediengewalt auf<br />

Schul-Amokläufer? (Und nicht nur auf diese,<br />

U.F.) Sie legitimiert Gewalt und liefert Rollenmodelle."<br />

(L 36) Wenn Jugendliche in den Medien<br />

etwas über Gewalt lernen, dann nicht,<br />

diese abzulehnen, sondern sie zu bewerten.<br />

Bei der eigenen Durchsetzung ist also ständig<br />

die Frage präsent, ob dafür Gewalt als Mittel<br />

gerechtfertigt ist.<br />

Jugendliche lernen hierzulande nicht den<br />

Unterschied von gewaltfrei und gewaltsam,<br />

sondern von gerechter und ungerechter Gewalt,<br />

wobei der berechtigte Einsatz meist als<br />

Gewaltfreiheit idealisiert wird. Mit der Attribuierung<br />

der verbotenen Gewalt als anomal und<br />

der erlaubten als normal leugnet Langman,<br />

Foto: Steffen Schellhorn / imago


JUGEND<strong>GEW</strong>ALT 21<br />

dass Gewalt Mittel der Durchsetzung ist. Seine<br />

Analyse ist ein Vergleich, der von einem logischen<br />

Fehler lebt: Die Tat, die unerlaubt Gewalt<br />

anwendet, wird zur Untat, zur Tat, die<br />

nicht das tut, was man normaler Weise macht.<br />

Damit wird nichts mehr über die Tat ausgesagt,<br />

sondern eine Grenze festgelegt, an der<br />

sie zu messen und, wenn sie die Grenze überschreitet,<br />

als anomal, unlegitimiert, grundlos<br />

zu verwerfen ist. Schematisch dargestellt:<br />

Stehlen = das tut man nicht<br />

= das ist verboten<br />

(fehlendes<br />

Rechtsbewusstsein)<br />

Schimpfen = das tut man nicht<br />

= das ist unhöflich<br />

(fehlende Moral)<br />

Hilfe verweigern = das tut man nicht<br />

= das ist unsittlich<br />

(fehlende Sittlichkeit)<br />

Prügeln = das tut man nicht<br />

= das ist intolerant<br />

(fehlende Anerkennung<br />

der Person)<br />

Töten = das tut man nicht<br />

= das ist unmenschlich<br />

(fehlende Empathie)<br />

Jede Tat wird in einer Form gedacht, die sie<br />

negativ, als Fehlen von etwas Wünschenswertem,<br />

ausdrückt. Aber es wäre gerade zu<br />

klären, was der Täter selber sich vorgestellt<br />

hat. Durch die Entgegensetzung entsteht ein<br />

Zirkel: Warum stiehlt er? Weil er das Verbot<br />

des Stehlens nicht beachtet. Und warum beachtet<br />

er es nicht? Weil er stiehlt. Die Gründe,<br />

die der Täter hat, übergeht der logische ‚Totschläger’<br />

normal/anomal. Man beschreibt das<br />

anomale Verhalten in seiner ganzen Vielfältigkeit<br />

und kommt am Ende doch nur zu der<br />

Theorie, dass es eine Abweichung ist.<br />

Langman: „Schul-Amokläufer sind gestörte<br />

Individuen. Es sind keine normalen Jugendlichen.“<br />

(L 47) Demnach gibt es eigentlich keinen<br />

Übergang zur Gewalt, und falls sie stattfindet,<br />

liegt es in der Besonderheit, ja Krankheit<br />

des Individuums. So sind die möglichen<br />

gesellschaftlichen Gründe aus dem Blick.<br />

Langman fasst zusammen: Es sind „fragile<br />

Persönlichkeiten, die auf kleine Kränkungen<br />

und normale Frustrationen überreagieren, sowie<br />

masochistische Neigungen, die vergangene<br />

Wunden offen halten und erlittenes Unrecht<br />

aufbauschen. In allen Fällen zeigte sich<br />

ein Mangel an Empathie.“ (L 249) Man merkt<br />

an den Wörtern „fragil“, „überreagieren“, „offen<br />

halten“, „aufbauschen“, „Mangel an“,<br />

dass hier nicht Gründe der Handlungen erklärt<br />

werden, sondern ein Vergleich mit dem normalen<br />

Zustand stattfindet, in dem Frustrationen<br />

ausgehalten werden.<br />

Das Schema normal/anomal<br />

macht aus dem<br />

Selbstbewusstsein Anpassung<br />

Aus den ganzen Un-Wörtern folgt kein Beurteilung,<br />

sondern eine Verurteilung. Langman<br />

geht vom Amoklauf aus, will ihn aber nicht in<br />

Verbindung mit dem (Schul-)Alltag, mit Willen<br />

und Selbstbewusstsein der Akteure bringen.<br />

Er interpretiert die Taten Jugendlicher als Fehlen<br />

von Selbstbewusstsein. Dieses sei<br />

schwach ausgeprägt, die Betreffenden dächten<br />

sich als „kleine Würmer“ und suchten<br />

nach Kompensation. „Die meisten Schul-<br />

Amokläufer ... hatten eine so schwache Ich-<br />

Identität, dass sie auf jedes Vorkommnis, das<br />

ihre Stabilität bedrohte, extrem reagierten ...<br />

Außerdem sind sie extrem empfänglich für<br />

Hänselei und Abweisung. Eine selbstsichere<br />

Person kann mit einem Affront besser umgehen<br />

als jemand, der weiß (oder argwöhnt),<br />

dass der Affront berechtigt ist. Wenn man sich<br />

bereits für einen Ausgestoßenen und Versager<br />

hält, nimmt jede Erfahrung, die diese Gefühle<br />

bestätigt, eine übergroße Dimension im Bewusstsein<br />

des Betroffenen an. Das Problem<br />

ist also nicht, dass die Täter manchmal<br />

gehänselt oder abgewiesen wurden, sondern<br />

dass sie hochempfindlich waren und dadurch<br />

zu extremen Reaktionen neigten.“ (L 238)<br />

Aber gerade dieses Ich haben die Amokläufer<br />

rücksichtslos durchgesetzt.<br />

Der Grund, Gewalt als legitim anzusehen,<br />

auch für sich als Mittel einzusetzen, liegt in der<br />

Anerkennung des Ich als Ehrfrage der Person,<br />

und ihrem Recht darauf, sich das Verweigerte<br />

zu holen. Die Ehrfrage ist in der Konsequenz<br />

eine Gewaltfrage; aus dem Anspruch, sich gegen<br />

die ungerechte Welt durchzusetzen, folgt<br />

für den Einzelnen der Übergang, auf Gewalt<br />

als sein Mittel zu reflektieren. Wie die Ehrfrage<br />

Jung und Alt umtreibt, ist also schon das Erschreckenden<br />

– lange bevor sich Einzelne<br />

dann ihr legitimes Recht zum Zuschlagen und<br />

Vernichten des „Feindes“ herausnehmen.<br />

Wie muss die Frage gestellt werden, um<br />

nicht in die Falle des Vergleichs zu tappen?<br />

Dass aus dem Ziel der Anerkennung der<br />

Übergang zur privaten Gewaltanwendung folgen<br />

kann und dass dies mit dem gesellschaftlich<br />

gültigen Anspruch auf Selbstbehauptung<br />

zusammenhängt, wird mit dem Wortpaar normal/anomal<br />

verdeckt. Die Frage nach dem<br />

Zusammenhang gestellt zu haben, ist das Verdienst<br />

von Engel/Hurrelmann. Gerade die<br />

Identifikation mit den Zielvorgaben und Werten<br />

der herrschenden Leistungs- und Erfolgskultur<br />

„kann abweichendes Verhalten in dem<br />

Maße erzeugen, in dem der wertgeschätzte<br />

Erfolg nicht auf konforme Weise, also mit legitimen,<br />

gesellschaftlich akzeptierten Mitteln,<br />

erreicht werden kann“ (E/H 1993). Das aber ist<br />

erklärungsbedürftig. Wenn es um den Erfolg<br />

geht, warum wählen Jugendliche dann Gewalt<br />

als Mittel, also einen Weg, der den Erfolg im<br />

Leistungsvergleich gerade ausschließt?<br />

Eine Sphäre mit eigenen<br />

Maßstäben: Die Anerkennung<br />

des Ich und Gedanken zur Gewalt<br />

Kinder und Jugendliche machen eine doppelte<br />

Buchführung, bei der die Bewährung im<br />

Leistungsvergleich mit der Bewährung im privaten<br />

Vergleich der Personen und ihrer Anerkennung<br />

verdoppelt wird. Hier herrscht nicht<br />

die Autorität der Lehrperson, Jugendliche machen<br />

sich vielmehr selber zur Autorität der zu<br />

vergebenden und zu erhaltenden Anerkennung<br />

und wählen dafür alle Mittel aus dem<br />

Freizeit- und Privatbereich: von der Kleidung<br />

übers Handy bis zum Styling des eigenen Körpers,<br />

und dass Sex dazu gehört, ist heutzutage<br />

klar. Alles läuft als ständiger Kampf um die<br />

Anerkennung der Person, getrieben vom Ideal<br />

der gesicherten Anerkennung. Das aber ist eine<br />

Unmöglichkeit, denn auch hier findet ein<br />

Ranking statt, in dem es Ausgegrenzte geben<br />

muss, weil das den Status der Eingegrenzten<br />

herstellt.<br />

Wer in dem Anerkennungskampf um den<br />

Wert der Person, bei dem man vom Urteil<br />

der Umwelt abhängt, den Umweg über die<br />

anderen als Behinderung der Durchsetzung<br />

erfährt, überzeugt nicht mehr mit Selbstdarstellung,<br />

sondern mit Gewalt. Wo man beim<br />

Versuch der persönlichen Anerkennung ständig<br />

scheitert, da holt man sie sich direkt:<br />

Respekt wird eingefordert, mit Gewalt. Der<br />

andere muss den Blick senken, sich unterwürfig<br />

zeigen, dann ist Anerkennung hergestellt.<br />

Dafür trainiert man seinen Körper,<br />

macht sich zum Muskelprotz, der mit seiner<br />

Stärke die persönliche Hierarchie in Schulklasse<br />

und Freizeit bestimmen will. Wenn die<br />

Anerkennung physischer Stärke unterbleibt,<br />

helfen weitere Instrumente der Gewalt –<br />

Waffen –, den Mitmenschen die Ernsthaftigkeit<br />

des eigenen Anerkennungswillens zu<br />

demonstrieren. Damit macht man sich aber<br />

wieder von der Reaktion anderer abhängig:<br />

Sie können den Waffenbesitz als konsequenzlose<br />

Angeberei belächeln.<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


22<br />

So ergibt sich der Moment für den Übergang,<br />

dass der Wille bedingungslos gelten<br />

soll. Der Amokläufer erklärt sich zum Gesetzgeber<br />

und Richter in einem. „Wenn ich etwas<br />

sage, dann passiert es – das ist mein Glaube.<br />

Ich bin das Gesetz, und wer etwas dagegen<br />

hat, geht drauf.“ (L 231) Wenn die Gewalt als<br />

Mittel der Durchsetzung in den Blick kommt,<br />

wird der Übergang zur Tat zwingend; aber es<br />

bleibt eine Frage des Willens, wann die Tat<br />

wirklich vollzogen wird. Der Jugendliche hat<br />

sich zu einer Entscheidungsfrage vorgearbeitet:<br />

„Ich wünschte nur, ich könnte es tatsächlich<br />

TUN, anstatt nur davon zu TRÄUMEN.“<br />

(L 71). Auf den Gedanken, dass auch ihm Gewalt<br />

zustehen könnte, um die Anerkennung<br />

seines Ichs durchzusetzen, folgt das Dilemma<br />

der Glaubwürdigkeit vor sich selbst: Die Gewalt<br />

muss auch gelten. Also beherrscht dies<br />

nun das Bewusstsein des Jugendlichen und<br />

es ist seine Sache, ob er sich als Lügner vor<br />

sich selbst entlarvt – du traust dich nicht –<br />

oder sich als konsequenter Mensch zur Tat<br />

entscheidet und sie plant.<br />

Von der gültigen Gewalt „lernen“<br />

und sie für sich legitimieren<br />

Bei Langman fehlt völlig, dass der Übergang<br />

zur Gewalt von den realen Gewaltverhältnissen<br />

und deren Legitimation abgeguckt<br />

ist. Gewalt darf benutzt werden, wenn sie legitimiert<br />

ist, das lernen die Jugendlichen praktisch<br />

in der Gesellschaft. Amokläufer glauben<br />

sich im Recht und wissen zugleich, dass ihre<br />

Gewalt beschränkt ist, dass sie von der stärkeren<br />

Instanz Staat wieder zunichte gemacht<br />

wird, weshalb so gut wie alle ihren eigenen<br />

Tod nach oder bei der Tat einplanen, denn<br />

sonst wäre ja die ganze Legitimation widerlegt.<br />

Amokläufe sind Hinrichtungen ohne Erlaubnis,<br />

sie werden sozusagen als Raubkopie des<br />

Rechts auf die eigene Anerkennung mit einem<br />

höheren Wert, einer über dem wirklichen<br />

Recht stehenden Instanz, legitimiert: Gott,<br />

Hitler, Jesus, Mos ... Es ist das Gedankenmuster<br />

höchster legitimierter Gewalt, vor der<br />

die normalen Instanzen des Gewaltmonopols<br />

verblassen sollen. Die Täter durchschauen sozusagen<br />

die Heuchelei der Gewaltfreiheit und<br />

kopieren für sich die Methoden der Legitimation<br />

(Gewalt wegen ...) durch eine noch höhere<br />

Heuchelei.<br />

Für sie ist die Moral etwas, das sich von<br />

dem Subjekt aus bestimmt, das die Macht<br />

hat. Und wenn sie sich entschieden haben,<br />

Macht auszuüben, dann lehnen sie auch die<br />

offizielle Legitimation der Gewalt ab und<br />

schaffen sich ihre eigene: „Ich wäre Gott,<br />

dann wäre jeder OFFIZIELL unter mir.“ (L 81)<br />

Man kann das als Wahn bezeichnen, aber es<br />

ist die Konsequenz aus dem herrschenden<br />

Ideal „Deine Person ist etwas wert“ und aus<br />

dem Ranking der Konkurrenz, das Sieger nur<br />

ermöglicht, wenn es zugleich Verlierer schafft.<br />

Zwei gewaltsame<br />

Durchsetzungsvarianten: der<br />

Bestimmer und der Siegertyp<br />

Der Bestimmer der persönlichen Hierarchie<br />

richtet sich gegen die Mitkonkurrenten. Hänseln,<br />

Beschimpfen, Isolieren, Bedrohen<br />

usw. schaffen neben der Notenhierarchie eine<br />

Hierarchie persönlicher Geltung. Es geht da-<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

mit also – wie bei den Noten, aber mit anderen<br />

Mitteln – strukturell um Platzierungsfragen in<br />

einer persönlichen Rangordnung. Bei Spiegel-<br />

Online (17.9.09) steht über den Amokläufer<br />

Georg R.: „Der wollte immer alles bestimmen,<br />

immer der Anführer sein – aber Freunde hatte<br />

der keine.“ Durch Ausgrenzung bestraft man<br />

andere, verschafft sich selbst im Ausgucken<br />

eines Opfers eine Peergroup-Identität.<br />

Der Siegertyp verschafft sich „Selbstwerteffekte<br />

auch durch körperliche Attacken“ (N).<br />

Wenn ein Jugendlicher den Widerspruch, von<br />

den Anerkennungstouren der Mitkonkurrenten<br />

abhängig zu sein, nicht aushält, wenn das<br />

schauspielerische Gehabe nicht wirkt, dann<br />

muss er sich in sich zurückziehen, was sich<br />

aber mit dem Anerkennungszweck beißt, oder<br />

die Anerkennung erzwingen. Dann greift er zur<br />

direkten Gewalt und wird so zum Siegertyp.<br />

Mit Gewalt sorgt der Betreffende dafür, dass<br />

der Unterlegene Anerkennung zollen muss, indem<br />

er zum geschlagenen Verlierer gemacht<br />

wird. Hier regiert der Zweck, als Siegertyp zu<br />

erscheinen, wo immer es sich machen lässt.<br />

Die Ehrfrage – Mord und Selbstmord<br />

als letzter Identitätsbeweis<br />

Wer seinen Misserfolg als Ehrfrage sieht,<br />

d.h. als Beleidigung seiner Persönlichkeit, seines<br />

Selbstbildes, der will nichts über die wirklichen<br />

Gründe seines Scheiterns wissen, sondern<br />

sein Selbstbild anerkannt haben. Es geht<br />

ihm um die Glaubwürdigkeit vor sich selbst. Er<br />

sieht sich als beleidigte Persönlichkeit, die,<br />

JUGEND<strong>GEW</strong>ALT<br />

wenn sie sich nicht wehrt, der Beleidigung<br />

auch noch Recht geben würde. Das Selbstbild<br />

wird zur Ehrfrage. Die Ehre muss wieder hergestellt<br />

werden.<br />

Dabei verkehrt sich im Denken des Täters<br />

der wirkliche Zusammenhang, indem er das<br />

Verhalten der Mitschüler und Lehrer als eine<br />

einzige Ansammlung von Tätigkeiten registriert,<br />

die dazu da sind, ihn zu verletzen. Er<br />

unterstellt allen den bösen Willen, ihn nicht zu<br />

seinem Recht kommen zu lassen. In seinem<br />

Denken kommt nicht vor, dass die andern<br />

ebenfalls in den Zwängen der Leistungskonkurrenz<br />

stecken und selbst versuchen, die Anerkennung<br />

ihrer Persönlichkeit durchzusetzen.<br />

Abstrakt und völlig desinteressiert an den<br />

Gründen für den „Kult des Selbstbewusstseins“<br />

(H) in der Schülerschaft, besteht er auf<br />

der Durchsetzung seines eingebildeten Siegeranspruchs.<br />

Mit einer den realen Verhältnissen<br />

abgeschauten Legitimationsform glaubt er<br />

sich im Recht, mit dem Mittel Gewalt die Welt<br />

für die Missachtung zu bestrafen.<br />

Gewaltprävention<br />

bei Jugendlichen?<br />

Wenn die Diagnose „anomale Jugendgewalt“<br />

heißt, dann ergibt sich folgende Therapie:<br />

Die Jugendlichen „müssen gesunde Bewältigungsstrategien<br />

entwickeln, die es ihnen<br />

erlauben, mit Belastungen umzugehen, ohne<br />

gefährlich zu werden.“ (L 280) Es wird also individuelle<br />

Anpassung gefordert. (zur Kritik<br />

vgl. K) Bei Mord und Totschlag um der Ehre<br />

willen handelt es sich aber nicht um ein Jugendphänomen,<br />

die Einordnung in die Rubrik<br />

„Jugendgewalt“ ist irreführend. Denn das gibt<br />

es bei Erwachsenen ebenso: Amokläufer bringen<br />

Amtspersonen, Arbeitskollegen, Familienmitglieder<br />

... um. Unter dem Ehrentitel „Familiendrama“<br />

ist Letzteres in die alltägliche Berichterstattung<br />

„aus aller Welt“ eingegangen.<br />

Die hierbei anfallenden Übergänge und Widersprüche<br />

zu thematisieren, wäre das Erste,<br />

was man Jugendlichen und Erwachsenen zu<br />

erklären hätte, wenn man Gewalt aus Ehre<br />

verhindern will. Doch die Grenze der Prävention<br />

liegt in der Normalität der Anerkennungs-<br />

Konkurrenz, in der man Verlierer schaffen<br />

muss, um Sieger sein zu können in der Sphäre<br />

der Schule und der Sphäre der privaten Anerkennung.<br />

Weitere Aufsätze des Autors finden Sie unter:<br />

www.magazin-auswege.de<br />

Uwe Findeisen ist M.A., Erziehungswissenschaftler<br />

und Jugendtherapeut. Er lebt in<br />

Dortmund.<br />

Literatur<br />

U. Engel/K. Hurrelmann: Was Jugendliche wagen,<br />

Weinheim und München 1993, (zitiert als E/H)<br />

F. Huisken, z. B. Erfurt – Was das bürgerliche Bildungs-<br />

und Einbildungswesen so alles anrichtet,<br />

Hamburg 2002 (zitiert als H)<br />

A. Krölls, Kritik der Psychologie, Hamburg 2006<br />

(zitiert als K)<br />

P. Langman, Amok im Kopf, Weinheim und Basel<br />

2009, (zitiert als L)<br />

G. Nüberlin, Selbstkonzepte Jugendlicher und<br />

schulische Notenkonkurrenz – Zur Entstehung von<br />

Selbstbildern Jugendlicher als kreative Anpassungsreaktionen<br />

auf schulische Anomien, Herbolzheim<br />

2002. (zitiert als N)


JUGENDLITERATUR UND MEDIEN 23<br />

Diskussion bei der Leipziger Buchmesse. Die Autorinnen Beatrix Gurian, Manuela Martini, Susanne Mischke und Krystyna Kuhn diskutieren mit der<br />

Moderatorin des Arena Verlags über ihre Bücher. Bis März 2009 existierten 2056 Seiten Arena Thriller.<br />

Das Böse hat seine guten Seiten – jedenfalls bei Arena<br />

Mädchen-Thriller-Reihe entwickelt<br />

Den 1949 von Georg Popp gegründeten<br />

Arena Verlag kennt man aufgrund seines<br />

bereits 1981 entwickelten Erstleseprogramms,<br />

das heute als „Edition Bücherbär“<br />

weit verbreitet ist. Im Jugendbuchbereich<br />

dominierten Autoren wie Rainer M.<br />

Schöder, Willi Fährmann und Federica de Cesco.<br />

Mit Andreas Eschbach, Jürgen Banscherus<br />

oder Isabel Abedi prägen neben internationalen<br />

Autoren wie Graham P. Taylor und<br />

Mary Hoffman auch deutsche Autorinnen das<br />

Programm mit. Neben seinen bekannten<br />

Schwerpunkten im Bereich Fantasy-Literatur<br />

und historische Romane entwickelt der Arena<br />

Verlag seit 2007 die Mädchen-Thriller-Reihe<br />

„Arena Thriller“ unter dem Motto „Das Böse<br />

hat seine guten Seiten.“<br />

Bis heute sind zwölf Taschenbücher von<br />

insgesamt sieben deutschsprachigen Autorinnen<br />

erschienen. Ergänzt wird die Reihe von<br />

drei Hörbüchern und drei 2009 aufgelegten<br />

Minibüchern für die Hosentasche oder unterwegs.<br />

Der Verlag bietet unter www.forum.arenaverlag.de<br />

ein Forum an, auf dem die Leserinnen<br />

die Reihe und ihre einzelnen Bände diskutieren<br />

können. Schaut man sich die Einträge<br />

der Leserinnen an, sieht man auf den ersten<br />

Blick, dass viele der Reihe treu bleiben<br />

und mehrere Bände lesen.<br />

Besonders positiv erwähnen die Leserinnen<br />

den Roman „Sommerfrost“ von Manuela<br />

Martini, der 2009 erschienen ist. Lyra lebt mit<br />

ihrer Mutter in Marbella und möchte gemeinsam<br />

mit ihren Klassenkameraden den Tod ihrer<br />

Mitschülerin Pia aufklären. Parallel dazu<br />

lernt sie einen jungen Mann kennen, der sie<br />

fasziniert. Nicht nur, weil sie sich in ihn verliebt,<br />

sondern auch, weil er scheinbar etwas<br />

über Lyras tote Schwester weiß.<br />

Anders als Lyra ahnen die Leserinnen recht<br />

schnell, dass mit ihm etwas nicht stimmt.<br />

Gleichzeitig wird deutlich, dass es auch beim<br />

Tod der Schwester Ungereimtheiten gab, und<br />

schließlich ist da noch der aktuelle Todesfall.<br />

Insgesamt viel Raum für spannende Verwicklungen,<br />

Verfolgungsjagden, Action und jede<br />

Menge Spannungskribbeln in der Magengrube.<br />

Ähnliches gilt für Krystyna Kuhns „Dornröschengift“,<br />

bei dem ebenfalls nicht klar ist,<br />

wer wann die Wahrheit spricht, wer Freund<br />

und wer Feind ist. Zugleich ist dieser Thriller<br />

einer der subtileren. Er spielt scheinbar ganz<br />

in der Nähe, jede kann die beschriebenen Typen<br />

in der eigenen Umgebung wiederfinden.<br />

Das macht diesen Plot zu einem, der besonders<br />

unter die Haut geht, denn der Mord an<br />

Sophies Klassenkameradin könnte eben auch<br />

nebenan im Wald passieren.<br />

Susanne Mischkes „Waldesruh“ dagegen<br />

erzählt einen stringenten Handlungsablauf.<br />

Als Maries Großmutter stirbt, befürchtet sie,<br />

von ihrem kleineren Bruder getrennt zu werden<br />

und in ein Heim zu müssen. Deshalb vergräbt<br />

sie den Leichnam gemeinsam mit ihrer<br />

Freundin Emily. Die Mädchen wollen so tun,<br />

als wäre nichts passiert. Doch das erweist<br />

sich als ziemlich schwierig, als zwielichtige<br />

Typen auftauchen. Die Mädchen können sich<br />

keinen Reim auf die Sache machen, befürchten<br />

aber auch die Entdeckung des Todes der<br />

Großmutter und manövrieren sich so in eine<br />

gefährliche Situation.<br />

Die Leserinnen schwanken bei diesem Roman<br />

zwischen vollständiger Ablehnung, er ist<br />

ihnen zu eklig, makaber oder unglaubwürdig,<br />

und großer Begeisterung, da die Mädchen ihr<br />

Schicksal selbst in die Hand nehmen und sich<br />

(rabiat) zur Wehr setzen.<br />

Doch auch die Minibücher (alle 2009) sind<br />

durchaus eine Empfehlung wert. Besonders<br />

„Bittersüßes oder Saures“ von Krystyna Kuhn<br />

überzeugt durch einen spannenden Plot, dem<br />

es tatsächlich gelingt, am Ende auch erfahrene<br />

Leserinnen zu überraschen.<br />

Nachdem ihre Mutter gestorben ist, zieht<br />

Lena zur Familie ihres Vaters. Alles ist so anders<br />

als in ihrem alten Leben: die große,<br />

schicke Villa direkt am See, die neuen Geschwister,<br />

von denen Lena befürchtet, dass<br />

sie denken, dass sie ihnen etwas wegnehmen<br />

will.<br />

Als Lena am Halloweenabend alleine zu<br />

Hause ist, geschehen plötzlich merkwürdige<br />

Dinge, und Lena beginnt an ihrem Verstand<br />

zu zweifeln. Doch als sie dann noch die Stimme<br />

ihrer Mutter hört, gerät die Situation außer<br />

Kontrolle. Sie verliert sogar den Glauben an<br />

ihren Freund.<br />

Als Hörbuch ist beispielsweise Krystyna<br />

Kuhns „Schneewittchenfalle“ erschienen. Der<br />

Text wird von Katja Amberger einfühlsam vorgelesen.<br />

In diesem Psychothriller sind Stella<br />

und ihr Vater auf eine Nordseeinsel gezogen.<br />

Ihr Vater, um zu vergessen. Stella, um sich zu<br />

erinnern. Denn Stella hat bei dem Autounfall,<br />

bei dem ihre Mutter ums Leben gekommen<br />

ist, ihr Gedächtnis verloren. Doch dann geschehen<br />

Dinge auf der einsamen Insel, die<br />

Stellas schlimmste Alpträume wahr werden<br />

lassen. Und bald ahnt sie, dass ihre Erinnerungen<br />

der Schlüssel zu einem ungeheuerlichen<br />

Geheimnis sind. Dass der Showdown<br />

an einer windumtosten Ecke der Insel stattfindet,<br />

ist ein deutliches Sinnbild für die Gefühlsstürme,<br />

denen Stella auf dem Weg zur Wahrheit<br />

bzw. Erkenntnis ausgesetzt ist.<br />

Allen Büchern gemeinsam ist, dass sie sich<br />

nicht für Jugendliche unter 14 Jahren eignen<br />

und sich wohl vorzugsweise an Mädchen<br />

richten. Schülerbüchereien dürfte die Anschaffung<br />

der Bände (auch der Minibücher)<br />

eine ständige Nachfrage bescheren. Sie bieten<br />

sich durchaus auch für Mädchen-Krimi-<br />

Projekte an, da man Aufbau und Struktur eines<br />

Thrillers hervorragend ableiten und eventuell<br />

in eigene (gemeinsame?) Texte umwandeln<br />

kann. SABINE HARTMANN<br />

Foto (3): Sabine Hartmann<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


24<br />

Fugger erzählt und beeindruckt<br />

Harald Parigger, Fugger und der Duft des<br />

Goldes. Arena, Würzburg, 2009, 150 S., 8,95<br />

Euro.<br />

Dieses Buch erzählt die Geschichte des jungen<br />

Bauernsohnes Johann. Er befreit den<br />

reichen Kaufmann Jakob Fugger, der von Räubern<br />

überfallen wurde. Aus Dankbarkeit nimmt<br />

der Handelsherr seinen Retter mit nach Augsburg<br />

und macht ihn zu seinem Bewacher. Johann<br />

lernt eine neue, für ihn fremde Welt kennen.<br />

Das Unternehmen der Fugger unterhält<br />

Handelsbeziehungen mit vielen Städten in Europa.<br />

Der junge Mann lernt Überfluss, Terminhetze,<br />

Intrigen und Betrügereien kennen. Das<br />

Buch arbeitet geschickt heraus, dass es sich<br />

um eine Zeit im Umbruch handelt. Städte werden<br />

einflussreich. Neue Industriezweige (Bergbau,<br />

Textilherstellung ...), neue Berufe (Brillenmacher,<br />

Metallgießer, Buchdrucker ...) entwickeln<br />

sich und bringen Menschen anderer<br />

Stände Wohlstand. Viele Angehörige des Ritteradels<br />

verarmen. Die Wirtschaftsform des Ka-<br />

Blöd sind sie nicht, die Idioten<br />

Karlijn Stoffels, 1:0 für die Idioten. 165 S., Beltz, 12,95 Euro (ab 13)<br />

Luisa ist in der Villa Strandlust gelandet, einer<br />

psychotherapeutischen Klinik. Man hatte<br />

die knapp 15-Jährige aus dem Meer gezogen,<br />

abgemagert, verwahrlost, schwarz gekleidet.<br />

Ein Jahr dauert es, bis sie in eine betreute<br />

Wohngruppe entlassen werden kann.<br />

Von diesem Jahr lässt Karlijn Luisa selbst<br />

berichten. Luisa ist intelligent, erfasst Situationen<br />

schnell, hat Witz und Einfühlungsvermögen.<br />

Sie sieht, was den anderen in ihrer<br />

Gruppe fehlt, wie ihnen zu helfen ist. Sie<br />

bringt den stummen Daniel zum Reden, hilft<br />

Jezebel sich nicht mehr zu kratzen und<br />

lockt Hassan unter seiner Wolldecke hervor.<br />

Sie kann es besser, als die dösigen<br />

Therapeuten und Sozios(Sozialpädagogen),<br />

glaubt sie. Aber sie leidet eben unter<br />

sehr gestörter Wahrnehmung. Es dauert<br />

lange, ehe sie überhaupt die Therapie<br />

wirklich beginnen kann, zunächst rennt<br />

sie nur ruhelos umher. Aber allmählich<br />

nimmt sie die Hilfsangebote an, wird<br />

ruhiger und bereit, über sich nachzudenken.<br />

Es ist eine traurige und bittere Geschichte,<br />

die Karlijn dem Leser erzählt.<br />

Man lernt viele schwer gestörte<br />

Kinder kennen und es gibt für keines<br />

ein schnelles Happyend. Aber man<br />

darf beobachten, wie verantwortungsvolle<br />

Menschen zu helfen versuchen,<br />

souverän und sicher. Und<br />

der Autorin gelingt es, in dem traurigen Geschehen<br />

Situationswitz zu zeigen. Die Kinder<br />

sind ja nicht blöd, sie kennen ihre Lage<br />

und müssen damit leben und sie haben<br />

eben Spaß daran, beim Fußballspiel die Soziogruppe<br />

zu besiegen. Dann ist der Ruf<br />

„1:0 für die Idioten“ für sie einfach komisch,<br />

Galgenhumor eben.<br />

Jugendliche Leser lernen, dass es neben<br />

dem „normalen“ Leben, das sie selbst hoffentlich<br />

leben, ganz andere Wege gibt, auf die<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

Bücher-Ecke<br />

pitalismus entsteht. - Die einfache Erzählung<br />

über den Bauernsohn wird unterbrochen von<br />

zehn Sachkapiteln, die die Lebensumstände<br />

am Anfang des 16. Jahrhunderts genauer erklären<br />

(Augsburg am Ende des Mittelalters,<br />

Das Privatleben zur Zeit Jakob Fuggers, Was<br />

zu Fuggers Zeiten auf den Tisch kam, Der<br />

Mensch lernt den Wert der Bildung schätzen,<br />

Der Mensch erweitert seinen Horizont: Kopernikus,<br />

Kolumbus, Augsburg und die Reformation.<br />

Zahlreiche Illustrationen unterstützen den<br />

Text. Wichtige Szenen der Geschichtserzählung<br />

werden begleitet von schwungvollen, witzigen<br />

Zeichnungen. Die Sachtexte enthalten<br />

etliche, geschickt ausgewählte Holzschnitte<br />

aus dem 16. Jahrhundert, die Nähe zu der Zeit<br />

vermitteln. Die beigefügten kleinen schwarz-<br />

man geraten kann. Es gibt eben Situationen,<br />

die Menschen in eine andere Welt gleiten<br />

lassen, aus der sie nur mit<br />

professio-<br />

neller Hilfe herauskommen.<br />

Luisas Geschichte lässt mitfühlen und hilft<br />

Lesern sicher auch, Verständnis für Menschen<br />

zuzulassen, die anders sind. Die Jugendlichen<br />

in dem Dorf, an dessen Rand die<br />

Villa Strandlust steht, die haben jedenfalls<br />

überhaupt kein Verständnis, für die wohnen<br />

da ganz einfach Idioten, nach denen man<br />

Steine werfen darf. DOROTHEE PFENNIG<br />

JUGENDLITERATUR UND MEDIEN<br />

weiß-Bilder von Gemälden sind in der Qualität<br />

nicht befriedigend. Ein Glossar am Ende des<br />

Buches erläutert wichtige Begriffe aus dem<br />

Text. Insgesamt gesehen gelingt es dem Autor<br />

lebendige Einblicke in das Alltagsleben der<br />

Zeit zu geben. Das Buch ist sicher eine hervorragende<br />

Ergänzung zu Schulgeschichtsbüchern.<br />

WILFRIED FISCHER<br />

◆<br />

Märchenhaft gut<br />

Karla Schneider, Wenn ich das 7. Geißlein<br />

wär’, Boje 2009, 40 S., ISBN 978-3-414-<br />

82183-6, 14,95 Euro<br />

Zwei Kinder fantasieren zu den Grimmschen<br />

Märchen „Der Wolf und die sieben<br />

Geißlein” und „Rotkäppchen”. Sie erleben<br />

sich in Rollenspielen: Jäger, Rotkäppchen,<br />

Geißlein, Geißenmutter, Hunde und Wölfe. Es<br />

gibt eine Kraft der Verzauberung, eine Kraft der<br />

Angstbewältigung. Diese Kräfte werden in<br />

Märchen dargestellt. Schon vor 30 Jahren hat<br />

Bruno Bettelheim beschrieben: „Kinder brauchen<br />

Märchen”. Das ist – neben Harry Potter –<br />

immer noch aktuell.<br />

Zwei Künstlerinnen haben sich an dieses<br />

außergewöhnliche (Buch-)Werk gemacht. Karla<br />

Schneider hat den Text geschrieben, in dem<br />

Junge und Mädchen (Ottinka Taube) rasant um<br />

die Märchen von den sieben Geißlein und Rotkäppchen<br />

herumfantasieren und tief in die Rollenspiele<br />

eintauchen.<br />

Stefanie Harjes verlegt mit ihren Bildern die<br />

Handlung in ein Krankenhaus mit entsprechenden<br />

Betten, dem Tropf, Wasserflasche<br />

auf dem Nachttisch, Urinflasche unterm<br />

Bett. Der Junge verwandelt sich<br />

in den Jäger, das Grimmsche Märchenbuch<br />

liegt aufgeschlagen auf seinem<br />

Bett, und Ottinka Taube wird zum Wolf;<br />

sie irritiert den Jäger, springt von einem<br />

zum anderen Märchen und geht vom<br />

„blöden Großmutterhaus zum Sieben-<br />

Geißlein-Haus, ätsch-bätsch!”.<br />

Da wird der Junge zum 7. Geißlein. Rollenspiele,<br />

Rollenwechsel, fantastische Erlebnisse!<br />

Und fast immer ist da dieser<br />

große, grimmige, gewaltige, gefährliche<br />

Wolf, der über Betten springt, der bei den<br />

Blumen, aber auch mal nett zu Rotkäppchen<br />

ist oder dem, bei einer OP außer Gefecht gesetzt,<br />

narkotisiert, der Bauch aufgeschnitten<br />

wird; die Geißlein sind befreit!.<br />

Illustrationen und Handlung wirken fast surreal.<br />

Bäume, Häuser, Masken, Kinder wirken<br />

grafisch, wie mit Kohlestrich gezeichnet, dazu<br />

sind Gesichter, Fliegenpilze, Schmetterling,<br />

Fliege, Hirsch, Vogel, Flügel, Akkordeon, Organe<br />

in das Geschehen hineinmontiert. Zum<br />

Thema stimmig etwas Farbe zum Schwarz:<br />

dunkelviolett, rot, grün. Welche Botschaft hat<br />

der große schwarze Vogel? Und der weiße mit<br />

der Krone?<br />

Das Buch ist spannend und attraktiv in seinen<br />

unterschiedlichen Ebenen – Alltagswirklichkeit,<br />

Märchen und Fantasie! „Wenn ich ...<br />

wäre” – angstauslösende und angstbezwingende<br />

Momente sind so herstellbar. Die kleinen<br />

Leser und Leserinnen sollten die beiden<br />

Märchen kennen, dann gehen mit Sicherheit<br />

noch weitere Fantasiereisen los.<br />

Ab 6 Jahren und für alle, die Freude an<br />

kunstvollen, außergewöhnlichen Bilderbüchern<br />

haben! CHRISTIANE SCHRÖDER-HINZ


JUGENDLITERATUR UND MEDIEN 25<br />

Die Mondblume<br />

angehimmelt wird. Cameron (genannt „Underdog”)<br />

verliert fast jeden Kampf, steht aber zäh<br />

immer wieder auf und erlangt so die Achtung<br />

der anderen Boxer.<br />

Die Brüder geraten in große seelische Konflikte,<br />

als sie gegeneinander kämpfen müssen.<br />

„Das ist der größte Kampf meines Lebens. Ich<br />

kämpfe gegen meinen Bruder. Ich kämpfe für<br />

meinen Bruder. (S. 148)” Dieses Füreinanderdasein<br />

zeichnet ihr Verhältnis aus, ist typisch<br />

für die Beziehung der Familienmitglieder, gibt<br />

der Familie Halt.<br />

Der zweite Band „Cameron Wolfe” spielt ca.<br />

ein Jahr später. Ruben hat eine Lehre als Maurer<br />

begonnen; der Familie geht es besser. Cameron<br />

berichtet nun vor allem von sich selbst.<br />

Die anderen halten ihn für einen Versager. Er<br />

selbst wartet auf den Zeitpunkt, wo er erwachsen<br />

werden würde, sucht nach Momenten, in<br />

denen er mit sich „im Reinen” ist. Sehr offen<br />

gewährt er Einblick in sein Inneres, schreibt<br />

Einar Turkowski: Die Mondblume. 32 Seiten,<br />

Atlantis-Orell Füssli Verlag, Zürich 2009, 16,90<br />

Euro ( ab 12)<br />

Zufrieden lebt ein Mann in seinem Garten,<br />

einem kleinen Paradies, einem verwunschenen<br />

Ort verborgen vor der Außenwelt. Zusammen<br />

mit dem Mann geht der Betrachter<br />

auf Entdeckungsreise. An den verschlungenen<br />

Pfaden wachsen wundersame Pflanzen, in denen<br />

sich geheimnisvolle Tiere verbergen. Ganz<br />

hinten im Garten steht eine ganz besondere<br />

Pflanze, die eine Blütenknospe entwickelt, die<br />

sich nicht öffnet. Der Mann lockt die Pflanze<br />

und lässt sich dabei einiges einfallen. Zunächst<br />

bleiben alle seine Versuche vergeblich,<br />

aber in einer Vollmondnacht öffnet sich die<br />

wundersame Blüte und nun wird jede Vollmondnacht<br />

zum Fest.<br />

Die Bilder sind wahre Hingucker. Sie zeigen<br />

die Liebe zum Detail, eine enorme<br />

Vielfalt, Ideenreichtum und<br />

einen Hauch von Surrealismus.<br />

Wirklichkeitsnahe Details bilden<br />

die Bausteine für die traumhafte<br />

Konfiguration.<br />

Einar Turkorwski ist Autor<br />

und Illustrator. Er zeichnet mit<br />

Bleistift und Radiergummi. Dadurch<br />

entstehen Schattierungen<br />

von vollschwarz bis feinste<br />

helle Nuancen. Die Bleistifttechnik<br />

zeigt hohe Akribie und<br />

Perfektion. Es ist unglaublich,<br />

was mit Bleistift und Radiergummi<br />

entstehen kann. Das<br />

Druckpapier dieses Buches ist<br />

beige, um diese Schattierungen<br />

deutlich zu machen. Im Anhang<br />

des Buches werden Maltechnik<br />

und Druckverfahren erläutert.<br />

Einar Turkorwskis erstes Jungs und Sachbücher passen gut zueinander.<br />

Buch, seine Diplomarbeit, bekam<br />

viele Preise, darunter den „Lesepeter“.<br />

◆<br />

Sieger oder Verlierer?<br />

Markus Zusak, Wilde Hunde. cbj, 2008, 366<br />

S., 978-3-570-13612-6, 14,95 Euro<br />

Zwei Romane in einem Band über die Brüder<br />

Wolfe. Die beiden leben in ärmlichen Verhältnissen.<br />

Sie geben aber die Hoffnung nicht<br />

auf und kämpfen mit allen Mitteln, erlaubten<br />

und unerlaubten, für eine bessere Zukunft. Das<br />

Jugendbuch „Wilde Hunde” zeigt einen Ausschnitt<br />

aus dem Leben der Brüder Wolfe, Ruben<br />

und Cameron.<br />

Die beiden Jugendlichen von vielleicht 15<br />

und 16 Jahren leben am Rande einer großen<br />

Stadt in einem Armenviertel. Die Familie<br />

kämpft gegen den sozialen Abstieg, seit der<br />

Vater arbeitslos geworden ist. „Wir sind Wölfe,<br />

wilde Hunde (Titel!), und das ist unser Platz in<br />

der Stadt” (S. 27). Im ersten Buch steht der ältere<br />

der Brüder, Ruben, im Mittelpunkt. Der<br />

nachdenklichere Cameron erzählt die Geschichte.<br />

Um Geld zu verdienen, die häusliche Misere<br />

zu überwinden, aber vor allem um Selbstachtung<br />

wiederzugewinnen, kämpfen die Brüder<br />

bei illegalen Boxkämpfen mit. Ruben (Fighting<br />

Ruben Wolfe) ist ein Siegertyp, der anderen<br />

seinen Stempel aufdrückt und von Mädchen<br />

von seiner Sehnsucht nach Mädchen und der<br />

aufkeimenden Liebe zu Octavia.<br />

Der Klappentext ist falsch, verleitet den Leser<br />

zu einer oberflächlichen Lesart. Die Brüder<br />

sind keine Konkurrenten um das Mädchen. Es<br />

geht in diesem Buch vor allem um Camerons<br />

Kampf um einen würdigen Standpunkt in dieser<br />

Welt. „Ich bin hungrig danach etwas – jemand<br />

– zu sein.” (S. 278) Bei der Suche nach<br />

der eigenen Identität entdeckt er, dass er mit<br />

Worten umgehen kann, dass Geschichten in<br />

ihm ruhen. Dadurch empfindet er eine Art<br />

„Okaysein”. Am Ende kommt er zu dem<br />

Schluss: „Ich habe die wirkliche Welt durchwandert<br />

und mich durch die Dunkelheit der<br />

Straßen in mir geschrieben.” S. 365<br />

Im Anschluss an jedes Kapitel finden sich<br />

Camerons poetische Schreibversuche in Kursivdruck.<br />

Sie nehmen Gedanken des zuvor<br />

Geschilderten auf, weisen auf zukünftige Ereignisse<br />

hin, bilden aber durchaus eine Geschichte<br />

für sich. Sie schildern seine nächtlichen<br />

Wege mit einem fiktiven Hund, den man<br />

als sein alter ego begreifen kann, der ihm die<br />

Richtung weist zu einem sinnerfüllten Leben<br />

als Mensch und Dichter.<br />

Auch wenn man Bücher über das Boxen,<br />

über jugendliche Underdogs, die sich auf dubiose<br />

Weise aus den Slums heraus kämpfen,<br />

nicht mag – dieses Buch wird man nach den<br />

ersten Seiten nicht mehr aus der Hand legen.<br />

Das sprachliche Vermögen des Autors ist<br />

überwältigend. Die Story ist vielleicht nicht<br />

ganz neu, aber durch die Art, wie sie erzählt<br />

wird, wirkt sie ganz neu, ist poetisch, genau<br />

und differenziert, lyrisch und dramatisch. Sie<br />

zieht den Leser in einen Sog; lässt ihn mitfühlen<br />

und leiden mit Cameron und Ruben<br />

Wolfe.<br />

Der Jugendroman ist sehr empfehlenswert<br />

für Jungen und Mädchen und auch für Erwachsene.<br />

Selten wurden Gefühle eines Jungen<br />

so sensibel und subtil beschrieben.<br />

PETRA FISCHER<br />

◆<br />

Mit Fremden gehe ich nicht mit<br />

Edith Schreiber-Wicke, Immer diese Monster,<br />

Thienemann, 2009, 25. S., 978-3-522-<br />

43633-5, 12,90 Euro<br />

Big Monster, Der Greifer, Der Schleicher<br />

und Der Beißer wollen Svenja in<br />

Angst und Schrecken versetzen.<br />

Es gelingt ihnen nicht. Nur<br />

Langohr, Svenjas Kuschelhase,<br />

bibbert. Svenja erklärt ihm die<br />

monstermäßigen „Erscheinungen”<br />

(Palme, Kleiderständer ...).<br />

Die aufgeblasenen, beleidigten<br />

Monster ziehen sich zurück in<br />

Videospiel, Horrorfilm und Gruselbuch,<br />

bis Svenja eines Tages<br />

vor dem Schulhaus wirkliche<br />

Angst spürt und sich durch<br />

monstermäßiges Schreien zu<br />

helfen weiß.<br />

Schon der Titel „Immer diese<br />

Monster” auf dem Hardcover, in<br />

leuchtend gelben bizarr-zittrigen<br />

Großdruckbuchstaben geschrieben,<br />

und dazu die vom<br />

Coverrand grüßenden Porträts<br />

der vier „aufgeblasenen” Monster,<br />

lässt große und kleine Betrachter<br />

ahnen: So sieht richtige Angst auf<br />

keinen Fall aus! Aber der dunkle Schatten des<br />

Mannes vor dem Schulhaus lässt Svenja Kälte<br />

im Magen und etwas Raues im Hals<br />

spüren. Und als der Mann noch wagt zu sagen:<br />

„Ich könnte dich nach Hause bringen”,<br />

setzt dieses deutliche Gefühl in Svenja<br />

Selbstbewusstsein, Mut, Kraft und Energie zu<br />

monstermäßigem Schreien frei.<br />

Langohr fragt: „Waf war denn daf”? Svenja<br />

antwortet: „Das war mein allerbester lautester<br />

Monsterschrei!” Hausmeister, Lehrerin und<br />

Kinder sind alarmiert und schauen besorgt,<br />

beschützend aus Schultür und Fenster. Der<br />

Mann verschwindet. Und dann kommt auch<br />

Mutter, die sich verspätet hat, und Svenja<br />

kann ihr alles erzählen.<br />

Mut tut gut – ist eine wirkungsvolle, wichtige<br />

Affirmation; aber Angst am richtigen Ort<br />

zur richtigen Zeit zuzulassen, zu spüren und<br />

darauf angemessen zu reagieren, ist lebenswichtig!<br />

Das vermittelt das Buch den Kleinen<br />

in Text und Bild eindrücklich. Keine Angst zu<br />

haben – „Das kann äußerst gefährlich sein”,<br />

meint auch Big Monster und bläst nachdenklich<br />

etwas Feuer aus den Nüstern.<br />

Thematisiert ist das alles in klarer, kindgerechter<br />

Sprache, in wunderbar klaren, den<br />

Text detailliert wiedergebenden Bildern – ohne<br />

aufgeblasen zu wirken. So etwas gibt es<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


26<br />

Alle lesen und haben dabei die Wahl zwischen verschiedenen erzählenden und Sachbüchern.<br />

(leider) eben. Die Monster erscheinen in<br />

Leuchtfarben immer auf Schwarz, Svenja lebt<br />

in einem hübschen, in hellen Farben gehaltenen<br />

Zimmer; das Schulhaus leuchtet eigentlich<br />

gelb, aber nicht im Schatten des bedrohlichen<br />

Mannes.<br />

Für Kindergärten und erste Klassen – aber<br />

auch für (Groß-) Elternhäuser!<br />

CHRISTIANE SCHRÖDER-HINZ<br />

◆<br />

Andi hat ein Problem<br />

Jaromir Konecny, Doktorspiele, cbt, 2009,<br />

179 S., 978-3570-16022-0, 12,95 Euro.<br />

Kann er seine Cousine erobern und ihr zeigen,<br />

dass sein Glied nicht zu klein ist. „Endlich<br />

konnte ich mein Lieblingsthema zum Roman<br />

machen”, heißt es in der Danksagung im<br />

Vorspann des Buches. Man kann sich des<br />

Eindrucks nicht erwehren, als hätte der Autor<br />

mit diesem Buch tatsächlich seine eigenen<br />

pubertären Bedrängnisse abgearbeitet. - Ein<br />

vorangestellter Sachtext erklärt, warum Männer<br />

einen dreimal stärkeren Sexualtrieb haben<br />

als Frauen. Im Folgenden wird dann durch<br />

den Ich-Erzähler – Andi – der Beweis geführt,<br />

dass halbwüchsige Jungen sich ausschließlich<br />

mit sexuellen Phantasien, den Körperteilen<br />

der Mädchen oder dem Bedürfnis zu masturbieren<br />

beschäftigen.<br />

Andi hat ein besonderes Problem. Bei<br />

„Doktorspielen” im Alter von sieben Jahren<br />

findet seine gleichaltrige Cousine sein Glied<br />

recht klein. Nach neun Jahren sollen die beiden<br />

sich wiedersehen und Andi fürchtet Lillis<br />

Urteil. Bis Lilli dann auf Seite 74 endlich auftaucht,<br />

erfährt der Leser in vielen Sprachvarianten<br />

alles über das zu begutachtende Körperteil.<br />

Dank des Internets ist der Protagonist<br />

bestens informiert über das weibliche Pendant<br />

und teilt dies in poetischer Form mit („Ich<br />

hab im Web ja schon Hunderttausende Mösen<br />

gesehen, in all ihren Arten und Abarten...”<br />

(S. 44). Wichtig erscheint ihm auch die Anzahl<br />

der zu tätigen Masturbationen und die richtige<br />

„Wichstechnik” (vgl. S. 16).<br />

Andis Freund Dirty Harry versucht<br />

Mädchen (und den Leser?) mit schmutzigen<br />

Witzen zu erheitern. Auf die Begegnung mit<br />

Lilli nach neun Jahren, bei der Andy und Harry<br />

gerade eine Gießkanne und eine Kosmetiktasche<br />

an das erigierte Glied hängen und dabei<br />

singen: „Hey, hey, gib’s mir Baby!” reagiert<br />

Lilli gelassen. Als Tochter eines Arztes ist ihr<br />

die Anatomie des menschlichen Körpers ver-<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

traut, und sie hat ein unverkrampftes Verhältnis<br />

zur Sexualität. Sie findet ihren Cousin lustig<br />

und beobachtet amüsiert, mit wieviel Elan<br />

und Fantasie (Gedichte, Lieder, Zauberei ...)<br />

er sie umwirbt. So endet das Buch mit einem<br />

Happyend. Lilly und Andi werden ein Paar.<br />

Man mag dem Autor zugestehen, dass es<br />

ihm letztlich um einen spielerischen Umgang<br />

mit der Sexualität geht. Es gelingt ihm, lustige<br />

Szenen mit den pubertierenden Helden zu<br />

gestalten, zuweilen blitzt Ironie auf, wird augenzwinkernd<br />

deutlich gemacht, dass man<br />

diese durch Testosteron gesteuerte Phase<br />

nicht zu ernst nehmen sollte. Aber auch so<br />

gute Ideen, wie z. B. den eigenen Vater als<br />

unbekannten Chat-Partner entscheidende<br />

Ratschläge geben zu lassen, werden überlagert<br />

von dem unaufhörlichen „Pimmel-Gerede”.<br />

Für welche Zielgruppe ist das Buch geschrieben?<br />

Hierzu lässt der Autor Harry sagen:<br />

„Was kannst du schon mit sechzehn lesen?<br />

Vor lauter Wichserei kommst du doch zu<br />

gar nichts.” Ältere Jugendliche, die diese angebliche<br />

Phase überwunden haben, interessieren<br />

sich für andere Lektüre; jüngeren ist<br />

das Buch überhaupt nicht zu empfehlen.<br />

PETRA FISCHER<br />

◆<br />

Politik und ihre Problemfelder<br />

Marietta Slomka, Kanzler lieben Gummistiefel,<br />

cbj, 2009, 978-3-570-13555-6, 19,95<br />

Euro.<br />

Die bekannte Nachrichten-Moderatorin<br />

Marietta Slomka legt hier ein bemerkenswertes<br />

Buch vor. Es bietet auf angenehme Weise<br />

eine Einführung in demokratischen Spielregeln<br />

und Abläufe. Die Arbeit im Parlament<br />

kann von außen betrachtet ziemlich langweilig<br />

aussehen. „Doch wer sich auskennt und<br />

die Feinheiten versteht, kann besser mitreden<br />

und über manchen ,Skandal´ auch herzhaft<br />

lachen.” Unterhaltsam werden wichtige Fragen<br />

verständlich beantwortet, so dass man<br />

über Politik Bescheid weiß und die Vorgänge<br />

einordnen kann. Es werden u. a. so wichtige<br />

Problemfelder angesprochen wie: Warum soll<br />

ich wählen gehen? – Wozu brauchen wir eine<br />

Regierung? – Warum kassiert der Staat Steuern?<br />

– Wie wird man Politiker? – Wie werden<br />

Wahlkampagnen gemacht?<br />

Zwischendurch gibt es Interviews mit kompetenten<br />

Persönlichkeiten: Guido Westerwelle<br />

(Wahlkampf), Richard von Weizsäcker (die<br />

JUGENDLITERATUR UND MEDIEN<br />

Macht des Wortes), Ursula von der Leyen<br />

(Frauen in der Politik), Amadeus Hasl-Kleiber<br />

vom Bundesverfassungsgericht (Jeder kann<br />

sein Recht bekommen) ...<br />

Nach dem großen Kapitel „Politik in<br />

Deutschland” folgen die Kapitel „Europapolitik”<br />

und „Weltpolitik”. Gerade die Erläuterungen<br />

zur Europapolitik sind besonders wertvoll,<br />

sind doch die Ansichten über die EU in<br />

der Bevölkerung sehr widerspruchsvoll. Hier<br />

bekommt der Leser, geistreich und unterhaltsam<br />

formuliert, fundiertes Hintergrundwissen<br />

präsentiert. Ein Abschnitt beschäftigt sich besonders<br />

mit der Frage: „Was bringt die EU<br />

speziell Jugendlichen?” Auch das Großkapitel<br />

„Weltpolitik” bleibt dicht an aktuellen Ereignissen<br />

und analysiert auf verständliche<br />

Weise bedeutende Problemfelder.<br />

Zum Schluss werden die fünf wichtigsten<br />

Probleme der Welt herausgestellt: Klimawandel<br />

und nationale Einzelkämpfer – Energiekrise<br />

– Bevölkerungswachstum und fehlende<br />

Gleichberechtigung – Terrorismus – Weltweite<br />

Finanzkrise. Weitere Interviews mit Cem Özdemir,<br />

Frank-Walter Steinmeier und Heidemarie<br />

Wiezcorek-Zeul liefern politische Einblicke<br />

aus erster Hand. Statt eines Nachwortes<br />

enthält das Buch witzige Definitionen ausgewählter<br />

Begriffe und macht noch einmal<br />

deutlich: Politik hat auch unterhaltsame,<br />

manchmal sogar komische Seiten.<br />

Das Sachbuch ist üppig ausgestattet mit<br />

sorgfältig ausgewählten Farbfotos, die den<br />

Text sinnvoll begleiten und erläutern. Anzumerken<br />

bleibt, dass die Herausgeberin Marietta<br />

Slomka vom Verlag auf dem Umschlag<br />

deutlich auch mit Foto herausgestellt wird.<br />

Der Mitautor (Daniel Westland), der sicher<br />

wohl für die meisten Texte verantwortlich ist,<br />

bleibt im Hintergrund.<br />

„Was die Politik entscheidet, geht wirklich<br />

jeden einzelnen von uns an. Ob wir wollen<br />

oder nicht, man kann sich dem gar nicht entziehen.<br />

Besser also, man kann mitreden”<br />

(Slomka im Vorwort). Dazu liefert dieses hervorragend<br />

konzipierte Buch die besten Voraussetzungen.<br />

Dieses Buch ist nicht nur für<br />

Jugendliche eine Fundgrube über Politik,<br />

auch Erwachsene bekommen hier umfangreiche<br />

Informationen. Dieses Buch gehört in jede<br />

Familie. WILFRIED FISCHER


BÜCHER 27<br />

Teamarbeit<br />

als<br />

Schlüssel<br />

zum Erfolg<br />

Günter Binsteiner, Wilfried Kretschmer u. a.,<br />

Teamarbeit macht Schule. Bausteine der Entwicklung.<br />

Robert-Bosch-Gesamtschule, Hildesheim,<br />

Seelze-Velber: Kallmeyer, ISBN:<br />

978-3-7800-1023-0, 120 Seiten, 21,95 Euro<br />

„Hier wäre ich gern zur Schule gegangen“<br />

gestand der Niedersächsische Ministerpräsident<br />

Christian Wulf am 21. Mai 2008 nach einem<br />

Besuch der Robert-Bosch-Gesamtschule<br />

(RBG) in Hildesheim dem Redakteur der<br />

„Hildesheimer Allgemeinen Zeitung“. Wer die<br />

neueste Veröffentlichung der Trägerin des<br />

Hauptpreises des Deutschen Schulpreises<br />

2007, das Buch „Teamarbeit macht Schule,<br />

Bausteine der Entwicklung, Robert-Bosch-<br />

Gesamtschule Hildesheim“, gelesen hat, wird<br />

dem Ministerpräsidenten zustimmen.<br />

Das Wort „Team“ begleitet die Leserin, den<br />

Leser durch das ganze Buch. Es beschreibt<br />

das Zusammenwirken von Lehrenden und<br />

Leitenden, von Lernenden und ihren Eltern in<br />

den jeweiligen Gruppen oder gruppenübergreifend.<br />

„Teamarbeit“ ist tatsächlich der<br />

Schlüssel zum Erfolg der RBG, deshalb<br />

nimmt der Buchtitel zu Recht dieses Wort auf.<br />

Es wird nirgends im Text definiert und auch<br />

nie in einen theoretischen Zusammenhang<br />

gebracht. Alles, was im Buch steht, zeigt,<br />

dass die Schule den Begriff „Teamarbeit“<br />

lebt, alles, was es enthält, ist original Robert-<br />

Bosch-Gesamtschule.<br />

Konsensbildung im Inneren<br />

Getreu seinem Grundsatz, dass es kein Copyright<br />

auf gute Ideen gibt, erzählt das Autorenteam<br />

freimütig, wie die Schule nach der<br />

Gründungseuphorie Anfang der 1970er-Jahre<br />

durch externe Faktoren und innere Probleme<br />

in eine Phase der Resignation geriet, und wie<br />

sie sich aus ihr zunächst durch Reaktion,<br />

dann aber durch selbstbewusste und kompetente<br />

Aktion befreite. Auf diesem Weg spielten<br />

die Schulleitungen eine wichtige Rolle,<br />

wichtiger aber waren die ideenreichen und<br />

umsetzungsstarken Teams, die die Schule<br />

von unten her veränderten, mit offenem Unterricht,<br />

fächerübergreifendem Arbeiten,<br />

Fachpraktika und Facharbeiten und mit sehr<br />

bewusst geplanter Arbeit an außerschulischen<br />

Lernorten in Hildesheim oder weit<br />

außerhalb an der Ostsee entstanden beispielhaft<br />

Mitte der 1980er-Jahre als pädagogische<br />

Reaktion auf eine existenzgefährdende Entwicklung.<br />

„Die Schule blühte aus sich heraus auf“.<br />

Die beiden letzten Schulleiter, Friedemann<br />

Hoppmann und Wilfried Kretschmer, sorgten<br />

für Konsensbildung im Inneren und für deren<br />

Der Buchtitel.<br />

Absicherung durch verbindlicheRegeln und<br />

transparente Strukturen sowie für anerkennende<br />

Aufmerksamkeit von außen. Überträgt<br />

man die Teamentwicklungsuhr von Wilfried<br />

Schley auf die ganze fast vierzigjährige Entwicklung<br />

der RBG, dann lassen sich tatsächlich<br />

ziemlich gleichmäßig verteilt die Phasen<br />

„Forming“, „Storming“, „Norming“ und „Performing“<br />

identifizieren.<br />

Die Schule lebt von der<br />

Identifikation der an<br />

ihr Beteiligten<br />

Organisatorischer wie pädagogischer<br />

Kern der Schule sind die Jahrgangsteams.<br />

Bei ihnen liegt die Zuständigkeit für die vernetzte<br />

Projektarbeit, Praxistage und das Methoden-Curriculum.<br />

Sie begannen auch mit<br />

den kollegialen Unterrichtshospitationen, die<br />

längst fester Bestandteil einer Feed-Back-<br />

Kultur geworden sind, die auch die Schülerund<br />

Elternschaft sowie Instrumente der<br />

Fremdevaluation regelmäßig einbezieht. Die<br />

Jahrgangsleiterinnen und -leiter der Eingangs-,<br />

Mittel- und Oberstufe bilden Stufenleiterteams,<br />

die Stufenleiter sind Mitglieder<br />

der kollegialen Schulleitung. Fachbereichsund<br />

Jahrgangsleiter sowie die Kollegiale<br />

Schulleitung bilden zusammen das Didaktisch-Pädagogische-Gremium,<br />

dem auch<br />

Schüler- und Elternvertreter angehören. Likert<br />

wäre mit der überlappenden Teamorganisation<br />

zufrieden.<br />

Von diesem Didaktisch-Pädagogischem<br />

Gremium – der zentralen Steuerungsgruppe<br />

der Schule – ging dann im Dezember 2002<br />

mit der Sichtung, Bewertung und Neuausrichtung<br />

der Aktivitäten der entscheidende<br />

Impuls für den heute erreichten Entwicklungsstand<br />

aus. Mit diesem Datum trat die<br />

Schule ein in die entscheidende Phase einer<br />

explizierten Schulentwicklung. Der dann von<br />

der Gesamtkonferenz angenommene Masterplan<br />

legte auf einem Zeitstrahl die abzuarbeiten<br />

Projekte fest: Leitbild, Transparenz/Gremienstruktur,<br />

Moderner Lehrplan, Pädagogi-<br />

scher Konsens, Verbesserung der Unterrichtsqualität.<br />

Allein die Entwicklung und Revision<br />

des Modernen Lehrplans, der auf Din-<br />

A-0-Plakate geklebt wurde und als begehbarer<br />

Lehrplan die Aula füllte, zeigt, mit wie viel<br />

Kreativität und Enthusiasmus die Schule ihre<br />

Aufgaben anpackt.<br />

Wer sich anstecken lassen möchte, findet<br />

die Ergebnisse der Robert-Bosch-Gesamtschule<br />

und Tipps für die Praxis dokumentiert,<br />

darunter auch Informationen für die<br />

Betreuer in den Gruppenstunden – zur Zeit<br />

wöchentlich 150 Eltern sowie weitere „Paddys“,<br />

also ältere Schülerpaten für die Jüngeren.<br />

Der zweite und dritte Teil des Buchs handelt<br />

vom Lernen und Leben in der Robert-<br />

Bosch-Gesamtschule und – exemplarisch<br />

für fächerübergreifendes, ganzheitliches Lernen<br />

– von der jährlich stattfindenden Sommerschule<br />

auf der dänischen Insel Aarö. Die<br />

UNESCO-Schule beteiligt sich dort am<br />

UNESCO-Ostsee-Projekt. Die Fotos, die zitierten<br />

Schüler- und Elternäußerungen und<br />

der Text des Autorenteams offenbaren einen<br />

entspannten, kooperativen Umgang miteinander,<br />

der sicher dadurch begünstigt wird,<br />

dass es an der RBG kein Sitzenbleiben gibt.<br />

Das allein reicht als Erklärung für die Erfolge<br />

der Schule allerdings nicht aus. Entscheidend<br />

ist, dass alle das sichere Gefühl haben<br />

können, beteiligt zu sein, anerkannt zu werden<br />

und Unterstützung für ihre persönliche<br />

Entwicklung zu finden. Dazu kommen das<br />

Zulassen von Ideen, das Einlassen auf ihre<br />

Umsetzung und die Offenheit für Kritik.<br />

Starker Viertaktmotor<br />

Was die Hildesheimer Robert-Bosch-Gesamtschule<br />

antreibt, ist ein starker Viertaktmotor<br />

mit den Phasen Planen, Probieren,<br />

Prüfen, Praktizieren. Das vorliegende Buch<br />

lässt erwarten, dass der Treibstoff für den<br />

Motor, die Ideen und Visionen für eine immer<br />

bessere Schule, unerschöpflich fließt.<br />

HARTMUT HÄGER<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


28<br />

EuW 09/2009<br />

Zweigliedrigkeit verbaut<br />

Reformperspektiven<br />

Förderschulen werden ignoriert<br />

In der EuW-Septemberausgabe schreibt<br />

Autorin Brigitte Schumann wieder einmal von<br />

einem dreigliedrigen Schulsystem, dessen eines<br />

Glied abgeschnitten werden soll. Leider<br />

fühle ich mich mitsamt meinem Kollegium<br />

krass übergangen, da wir das vierte Glied dieses<br />

Schulsystems sind – die Förderschulen.<br />

Zukunftschancen unserer Schüler entstehen<br />

so nicht mehr, wenn selbst unsere Gewerkschaft<br />

unsere Arbeit ignoriert. Sind denn zu<br />

wenige Förderlehrer gewerkschaftlich organisiert,<br />

dass wir nicht wahrgenommen werden?<br />

Da die <strong>GEW</strong> nicht zum ersten Mal die Förderschulen<br />

als viertes Glied des Schulsystems<br />

ignoriert, wollte ich meinem Ärger so mal Luft<br />

gemacht haben. H. Schnock<br />

Förderschullehrer FöS Kielhornschule<br />

Braunschweig<br />

●<br />

EuW 10/2009, Seite 20/21<br />

Magnus Klaue, „Privatisierte Pädagogik“<br />

Persönliches Siegertreppchen<br />

Seit mehr als 25 Jahren lese ich regelmäßig<br />

die EuW und musste in dieser Zeit schon das<br />

eine oder andere Mal den Kopf schütteln,<br />

wenn gewerkschaftliches Dogma einen differenzierten<br />

Blick erschwerte oder konservierte<br />

Feindbilder gebotene Sachlichkeit erschwerten.<br />

Mein persönliches Siegertreppchen in<br />

dieser Galerie hat der Artikel von Magnus<br />

Klaue in EuW 10/2009 unter der Überschrift<br />

„Privatisierte Pädagogik“ mühelos erstiegen.<br />

Mit den darin geäußerten Verallgemeinerungen,<br />

verbunden mit Widersprüchlichkeiten<br />

und Unkenntnis der Sachlage, ließ er alle Mitbewerber<br />

mühelos hinter sich.<br />

Die Zahl der Privatschulgründungen hat in<br />

der Tat in den letzten Jahren stark zugenommen<br />

und hält weiter an. Die Nachfrage ist<br />

groß, denn das gegliederte (es ist übrigens<br />

nicht nur „dreigliedrig“!) Schulsystem ist ungerecht,<br />

schafft eine gesellschaftlich/gesell-<br />

60 Jahre<br />

in der <strong>GEW</strong><br />

Zum 60-jährigen <strong>GEW</strong>-Jubiläum gratulieren<br />

wir im November folgenden Kolleginnen<br />

und Kollegen und danken für ihre langjährige<br />

Mitgliedschaft:<br />

Wolfgang Rähmer (Wolfsburg).<br />

Unser Dank gilt außerdem allen Kolleginnen<br />

und Kollegen, deren Mitgliedschaft sich in<br />

diesem Monat zu einem weiteren Jahr rundet.<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

Briefe an die Redaktion<br />

Leserbriefe stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion<br />

dar. Je kürzer eine Zuschrift ist, desto größer ist die Chance, veröffentlicht<br />

zu werden. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.<br />

schaftspolitisch und für die kindliche Psyche<br />

schädliche Konkurrenzsituation und ist nicht<br />

sonderlich erfolgreich. Es ist keine „dumpfe<br />

Überzeugung“, dass das staatliche Bildungssystem<br />

der nachwachsenden Generation nur<br />

wenig Perspektiven bietet (siehe die Situation<br />

der Haupt- und eines großen Teils der Realschüler),<br />

wie auch der Autor später selbst fürs<br />

Gymnasium feststellt („Entwertung des Abiturs“,<br />

„Universitätsstudium keine Absicherung<br />

gegen ein Leben in Arbeitslosigkeit“).<br />

Spätestens seit PISA wissen wir auch, dass<br />

das „Ideal der Chancengleichheit eine Leerformel“<br />

ist. Leider läuft der Unterricht in den<br />

allermeisten öffentlichen Schulen immer noch<br />

frontal, fragend-entwickelnd, gleichschrittig<br />

und vom Niveau her an der vermeintlichen<br />

Mitte ausgerichtet ab.<br />

Von daher nimmt es nicht Wunder, dass<br />

sich Eltern nach Alternativen umsehen. Diese<br />

Alternativen finden sich überdurchschnittlich<br />

häufig in den meist reformpädagogisch ausgerichteten<br />

privaten Schulen, auch wenn Magnus<br />

Klaue dies mithilfe von drei Einzelbeispielen<br />

(von 5.000! privaten Schulen) in Abrede<br />

zu stellen versucht.<br />

Die vergleichsweise autonome „Ausgestaltung<br />

der Lehrpläne sowie die [Möglichkeit<br />

der] Auswahl der Lehrkräfte“ an privaten<br />

Schulen trägt sicherlich mit zur Attraktivität in<br />

den Augen von Eltern und übrigens auch von<br />

Kolleginnen und Kollegen bei.<br />

Da hilft es auch nicht, wenn Magnus<br />

Klaue die Bemühungen der Schulen in privater<br />

Trägerschaft um Gemeinsinn, Gemeinschaft<br />

und Solidarität auf die „Stärkung einer<br />

corporate identity“ zu reduzieren versucht,<br />

wo doch inzwischen hinreichend<br />

nachgewiesen wurde, welch’ qualitätssteigernde<br />

Wirkung das gemeinsame Ethos einer<br />

Schule hat.<br />

Auch die in der Tat vorhandene „ständige<br />

Kooperation zwischen Eltern und Lehrern“ (ist<br />

übrigens Erlasslage) wird von Herrn Klaue mit<br />

„Konfrontationsvermeidung“ nur unzureichend<br />

beschrieben. Ebenso ist er nicht ganz<br />

auf dem Laufenden, was die Berufsorientierung<br />

an Schulen betrifft. Auch er verwechselt<br />

sie offensichtlich mit Berufsfindung, da er sie<br />

ans Ende der Schullaufbahn setzt. Neueren<br />

Definitionen nach ist Berufsorientierung jedoch<br />

mehr als Berufsfindung und integraler<br />

Bestandteil von Bildung.<br />

Das Argument der „Schule für Reiche“ ödet<br />

langsam an, wenn man bedenkt, dass es an<br />

vielen privaten Schulen mittlerweile Stipendien,<br />

Freiplätze, Schulgeldstaffelungen etc.<br />

gibt und man heute beispielsweise an öffentlichen<br />

Gymnasien Notebooks, Buchmiete,<br />

Skifreizeiten, Mittagessensgeld, Fördervereinsbeiträge<br />

usw. zahlen muss.<br />

Ich bringe im Gegensatz zu Magnus<br />

Klaue Verständnis für alle Schulen auf, die<br />

sich um kontrolliertes Sponsoring oder sinnvolle<br />

Kooperationen mit der freien Wirtschaft<br />

bemühen, wenn Land und Kommunen nicht<br />

für die nötige Ausstattung sorgen (können<br />

oder wollen). T-Shirts mit Logos o.ä. machen<br />

allerdings nur dort Sinn, wo eine Schule<br />

durch gemeinsame Diskussion und Verschriftlichung<br />

von Grundlagen des Umgangs<br />

miteinander und der zu vermittelnden Inhalte<br />

sowie der Nutzung eines umfangreichen<br />

Methodenrepertoires, ein Schulprogramm,<br />

ein Profil und damit ein Schulethos entwickelt<br />

hat (s.o.).<br />

Völlig richtig liegt Magnus Klaue indes mit<br />

seiner Schlussfolgerung; nämlich dass es<br />

dringend nötig ist, „an öffentlichen Schulen<br />

eine Diskussion darüber [zu] beginnen, welche<br />

Form von Bildung den Schülern sinnvollerweise<br />

zu vermitteln wäre [besser: welche<br />

Bildung man ermöglichen sollte] und warum<br />

ein solcher Bildungsbegriff sich nicht mit einer<br />

Schule als Wissensunternehmen verträgt“<br />

und schon gar nicht mit einer Stopf-<br />

Batterie für unzusammenhängende, willkürlich<br />

aneinandergereihte und für die Menschenbildung<br />

überflüssige Informationen.<br />

Gerd Meiborg<br />

Schulleiter der<br />

Heinrich-Albertz-Schule, Salzgitter<br />

Lesepeter der<br />

AJuM der <strong>GEW</strong><br />

Der Lesepeter<br />

ist die<br />

Auszeichnung<br />

der ArbeitsgemeinschaftJugendliteratur<br />

und Medien<br />

(AJuM) der<br />

<strong>GEW</strong> für ein<br />

herausragendes,<br />

aktuelles<br />

Buch der Kinder-<br />

und Jugendliteratur.<br />

Die ausführliche Rezension (mit pädagogischen<br />

Hinweisen) ist im Internet unter<br />

www.ajum.de abrufbar.<br />

Im November 2009 erhält den LesePeter<br />

das Sachbuch: Demay, Éric – Delfine und<br />

Wale, Fotografien von Perrine Douq u.v.a.<br />

Esslinger, Esslingen 2009. Aus dem Französischen<br />

von Anne Brauner, ISBN 978-3-<br />

480-22584-2, 93 Seiten, 19,90 Euro, ab 10<br />

Jahre<br />

Delfine und Wale gehören zu den interessantesten<br />

Lebewesen unserer Meere und<br />

besonders die Delfine galten schon seit Urzeiten<br />

als Freunde der Menschen. Das<br />

Buch macht mit seinen ausgezeichneten<br />

Fotografien und aussagekräftigen Texten<br />

mit ihrer Welt, ihrem Leben und ihrer Geschichte<br />

vertraut.<br />

So erfährt<br />

der Leser<br />

nicht nur interessante<br />

Einzelheiten<br />

über die<br />

Tiere selbst,<br />

sondern<br />

auch über<br />

ihre Beziehungen<br />

zu<br />

Menschen<br />

und anderen<br />

Tieren.


Die Mitgliederversammlung<br />

des Landesausschusses<br />

Junge <strong>GEW</strong> hat ein neues<br />

SprecherInnen-Team gewählt<br />

Sönke Volkmann (Stellvertreter), Stefanie Kramer<br />

(Sprecherin), Bernard Göbel (Stellvertreter;<br />

von links). Als Arbeitsschwerpunkte wurden<br />

Veranstaltungen zur Schnittstelle Studium<br />

und Berufseinstieg vereinbart sowie eine erhöhte<br />

Präsenz der Jungen <strong>GEW</strong> innerhalb<br />

und außerhalb der Gewerkschaft. Auf einem<br />

Klausurtag im Februar 2010 möchte der Landesausschuss,<br />

der sich aus Mitgliedern fast<br />

aller Organisationsbereiche der <strong>GEW</strong> zusammensetzt,<br />

das politische Profil der Jungen<br />

<strong>GEW</strong> schärfen.<br />

Kommission „Courage gegen Rechts“<br />

Einladung zur Mitarbeit<br />

„Wer die Jugend hat, hat die Zukunft“; diese<br />

politische Weisheit haben sich auch die NPD<br />

und die sie flankierenden NS-Kameradschaften<br />

zur strategischen Leitlinie gemacht. Mit Schulhof-CDs,<br />

rechten Schülerzeitungen, Rechtsrock-<br />

Konzerten, politischer Erlebnispädagogik<br />

und radikaler Protestattitüde gelingt es ihnen in<br />

zunehmendem Maße, junge Menschen für ihre<br />

Politik zu interessieren und zu mobilisieren.<br />

Zwar ist die Jugendorganisation der NPD, die<br />

„Jungen Nationaldemokraten“, zahlenmäßig<br />

schwach und in vielen Regionen als organisierte<br />

Kraft kaum wahrnehmbar, jedoch zeigen<br />

Wahlanalysen aus den letzten Jahren, dass ihre<br />

Parolen und die ihrer Mutterpartei NPD bei jungen<br />

Menschen auf erhebliche Resonanz<br />

stoßen.<br />

So wählten z.B. bei der Landtagswahl in<br />

Sachsen 15 Prozent der ErstwählerInnen die<br />

NPD (gegenüber 5,6 Prozent insgesamt). In<br />

Thüringen waren es 14 Prozent, im Saarland<br />

5 Prozent. Probeabstimmungen vor der Bundestagswahl<br />

unter noch nicht wahlberechtigten<br />

Jugendlichen zeigten ähnliche Tendenzen.<br />

Der stetig wachsende aktivistische Kern der<br />

neonazistischen Szene (z.B. bei den Aufmärschen<br />

in Bad Nenndorf und Hannover) besteht<br />

aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen.<br />

In unserer beruflichen Tätigkeit in Schule<br />

und Jugendarbeit haben wir es also genau mit<br />

der Altersgruppe zu tun, die ein bevorzugtes<br />

Rekrutierungsfeld neonazistischer Organisationen<br />

darstellt. Wir sind also gefordert, darauf<br />

präventiv, gegebenenfalls auch konfrontativ<br />

zu reagieren. Um hierbei erfolgreich zu sein,<br />

ist ein möglichst fundiertes Wissen über den<br />

rechten jugendlichen Lifestyle (Musik, Kleidung,<br />

Symbolik), über Strategien und Wandlungsprozesse<br />

der rechten Szene (z.B. „Autonome<br />

Nationalisten“) sowie über erfolgreiche<br />

Gegenstrategien („Schule ohne Rassismus“,<br />

Antifa-AGs, AufMUCKEn gegen Rechts etc.)<br />

erforderlich.<br />

Aufgaben der Kommission<br />

Vor diesem Hintergrund hat die Landesdelegiertenkonferenz<br />

beschlossen, auf Landesebene<br />

eine Kommission mit dem Titel „Courage gegen<br />

Rechts“ einzurichten.<br />

Zentrale Aufgaben der zu schaffenden Kommission<br />

sollen es sein,<br />

– aktuelle Informationen über Erscheinungsformen<br />

und Strategien der rechten (Jugend)-Szene<br />

in die Organisation hinein zu vermitteln,<br />

– praxisnahe Beispiele über erfolgreiche Projekte<br />

gegen Rechts zu sammeln und bereitzustellen,<br />

– Hilfe bei Kontakten zu Fachreferentinnen und<br />

Fachreferenten zu leisten<br />

– eine Vernetzung von bereits in diesem Themenbereich<br />

aktiver und erfahrener Kolleginnen<br />

und Kollegen zu fördern<br />

– einen Informations- und Erfahrungsaustausch<br />

zu Arbeitskreisen und Kommissionen anderen<br />

<strong>GEW</strong>-Landesverbänden sowie anderen<br />

DGB- Gewerkschaften aufzubauen.<br />

Für die Mitarbeit in dieser neu aufzubauenden<br />

Kommission werden interessierte Kolleginnen<br />

und Kollegen gesucht! Erfahrungen in der<br />

Thematik Antirassismus/Antifaschismus im<br />

schulischen und/oder außerschulischen Bereich<br />

sind wünschenswert, aber nicht zwingend<br />

Voraussetzung. Es ist geplant, im Januar 2010<br />

ein erstes Kommissionstreffen in Hannover<br />

durchzuführen.<br />

Interessierte Kolleginnen und Kollegen<br />

melden sich bitte per E-Mail unter:<br />

ralfbeduhn@gmx.de oder per Post:<br />

Ralf Beduhn/KGS Leeste,<br />

Schulstraße 40, 28844 Weyhe.<br />

RALF BEDUHN<br />

Schülerwettbewerb zur Geschichte des<br />

2. Mai 1933 gestartet<br />

„Geschichte und Politik<br />

für junge Köpfe“<br />

Der vom Deutschen Gewerkschaftsbund<br />

(DGB) im vergangenen Jahr ins Leben<br />

gerufene Schülerwettbewerb zur Geschichte<br />

des 2. Mai 1933 findet auch im Schuljahr<br />

2009/2010 statt. Klassen, Teams oder Einzelne<br />

aus den Jahrgängen 8 bis 11 aller<br />

Schularten können teilnehmen. Am Beispiel eines<br />

Gewerkschaftshauses ihrer Stadt oder Region<br />

sollen sie die Geschehnisse des 2. Mai<br />

1933, des Tages des nationalsozialistischen<br />

Überfalls auf die Gewerkschaftshäuser, recherchieren<br />

und darstellen. Für die Prämierung<br />

der Arbeiten stellt die gewerkschaftliche Immobiliengesellschaft<br />

GIRO insgesamt 25.000<br />

Euro zur Verfügung. Schirmherr des Wettbewerbs<br />

unter dem Motto „Geschichte und Politik<br />

für junge Köpfe“ ist der ver.di-Vorsitzende<br />

Frank Bsirske.<br />

Letzter Abgabetermin ist der erste Ferientag<br />

der Sommerferien 2010, in <strong>Niedersachsen</strong> also<br />

der 24. Juni 2010. Die Preisverleihung findet<br />

Ende des Jahres 2010 in Berlin statt, inklusive<br />

Reise in die Bundeshauptstadt und zwei<br />

Übernachtungen für die drei Hauptpreisträger.<br />

Im Schuljahr 2008/09 waren rund 30 Beiträge<br />

ausgezeichnet worden. Eine Realschulklasse<br />

aus <strong>Niedersachsen</strong> hatte den ersten Hauptpreis<br />

gewonnen.<br />

„Die geschichtliche Erinnerung wach zu<br />

halten und das kritische Bewusstsein gegen<br />

Neonazis zu stärken, ist das Ziel des<br />

Schülerwettbewerbs“, sagte DGB-Landesvorsitzender<br />

Hartmut Tölle. Jugendliche im Alter<br />

von 14 bis etwa 17 Jahren sollten motiviert<br />

werden, sich mit der lokalen Geschichte der<br />

Arbeiterbewegung einerseits und des Nationalsozialismus<br />

andererseits auseinander zu<br />

setzen.<br />

GIRO-Geschäftsführer Nikolaus Hüwe betont:<br />

„Die große Herausforderung des Wettbewerbs<br />

liegt darin, ein historisches Datum als<br />

konkretes Einzelereignis anschaulich zu machen<br />

und gleichzeitig die politischen Zusammenhänge<br />

zu verstehen.“ Die Geschichte vieler<br />

Gewerkschaftshäuser in Deutschland sei<br />

gut aufgearbeitet, die Schülerinnen und<br />

Schüler könnten bei ihren Recherchen auf umfangreiches<br />

Quellenmaterial zurückgreifen.<br />

Alle Informationen zum Wettbewerb gibt es<br />

im Internet unter www.zweiter-mai-1933.de.<br />

29<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


30<br />

Termine<br />

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft <strong>Niedersachsen</strong><br />

Fachgruppe Sonderpädagogik<br />

www.gew-nds.de/sos<br />

Fortbildungstagung<br />

1. Dezember 2009 in Jeddingen<br />

Jeddinger Hof, Heidmark 1, 27374 Visselhövede<br />

10.00 Uhr: Frau Prof. Dr. Birgit Lütje-Klose (Universität Bielefeld) – Kooperation<br />

von Regelschullehrkräften und SonderpädagogInnen – eine<br />

zentrale Bedingung für eine inklusive Unterrichtung von Kindern mit<br />

besonderem Förderbedarf<br />

Die gemeinsame Erziehung und Bildung von Schülerinnen und Schülern<br />

mit und ohne Behinderungen wird in Deutschland viel diskutiert, aber im<br />

internationalen Vergleich noch immer viel zu selten umgesetzt. Um eine<br />

inklusive Erziehung und Bildung umsetzen zu können, ist die Kooperation<br />

von Regelschullehrkräften und SonderpädagogInnen eine unabdingbare<br />

Voraussetzung. Für beide Berufsgruppen, besonders aber für die<br />

SonderpädagogInnen sind damit Veränderungen in den Rollen und Aufgaben<br />

verbunden, viele Absprachen und Einigungsprozesse werden<br />

notwendig.<br />

14.00 Uhr: Arbeitsgruppen zu Projekten aus dem Gemeinsamen Unterricht<br />

AG 1 Integrierte Gesamtschule Hannover Linden / Jakob-Muth-Preis<br />

2009 – KollegInnen berichten über ihren Weg zur Inklusiven Schule<br />

AG 2 „Integrative (Inklusive?) Arbeit an der Grundschule am Ottermeer –<br />

„Eine Schule für alle“ – Zwei Kolleginnen stellen das Integrationskonzept<br />

vor.<br />

AG 3 Zentrum für Beratung und Erziehung im Landkreis Hameln – KollegInnen<br />

der Albert-Schweitzer-Schule stellen die Arbeit des<br />

Beratungszentrums im Rahmen des Mobilen Dienstes Erziehungshilfe<br />

vor.<br />

Tagungsbeitrag incl. Mittagessen: Mitglieder 10 Euro, Nichtmitglieder<br />

30 Euro, AnwärterInnen 5 Euro<br />

Anmeldung nicht erforderlich<br />

Programm<br />

18.30 Uhr Begrüßung – Petra<br />

Wilke, Leiterin des Landesbüros<br />

der Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

Impulsvortrag – Abdul Samad<br />

Mrowat, Konsul der Islamischen<br />

Republik Afghanistan<br />

anschließend Diskussion mit<br />

Franz H. U. Borkenhagen,<br />

ehem. Leiter des Planungsstabes<br />

im Bundesministerium der<br />

Verteidigung, Manija Gardizi,<br />

Politologin, Berlin, Hans-Ulrich<br />

Klose, MdB, Abdul Samad<br />

Mrowat, Konsul der Islamischen<br />

Republik, Afghanistan<br />

Moderation: Christian Holzgreve,<br />

Hannoversche Allgemeine<br />

Zeitung<br />

21.00 Uhr Ende der Veranstaltung<br />

Verantwortlich: Susanne Stollreiter, Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro<br />

<strong>Niedersachsen</strong><br />

Organisation: Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro <strong>Niedersachsen</strong><br />

Theaterstraße 3, 30159 Hannover, Tel.: 0511 357708-30, Fax: 0511<br />

357708-40, niedersachsen@fes.de<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

3. März 2010<br />

6. Wirtschaft-Live-Messe<br />

in diesem Jahr an den BBS Bremervörde<br />

SCHÜLER UNTERNEHMEN ZUKUNFT<br />

Am 3. März 2010 findet die 6. Wirtschaft-Live-Messe der berufsbildenden<br />

Schulen statt, ausrichtende Schule ist in diesem Jahr<br />

die BBS Bremervörde. Angeregt während einer Lehrerfortbildung<br />

zu Wirtschaft-Live-Projekten an den BBS Bremervörde im<br />

Jahre 2003, wurde diese Art der Veranstaltung schnell zu einer<br />

Institution mit stets wandelnden Schwerpunkten. In den Jahren<br />

2004, 2005 und 2006 an den BBS Verden sowie 2008 an den<br />

BBS II Stade und 2009 an den BBS Zeven bildete der Messecharakter<br />

mit Fachvorträgen sowie Experten-informationen<br />

den Schwerpunkt, während im Jahr 2007 an den BBS Bremervörde<br />

eine reine Fortbildungs- und Informationsveranstaltung<br />

für Lehrerinnen und Lehrer geplant wurde.<br />

Ausrichter ist wieder das bewährte Team der BBSen Bremervörde,<br />

Stade II, Verden und Zeven mit Unterstützung aus den BB-<br />

Sen Buxtehude sowie Osterholz-Scharmbeck unter der Schirmherrschaft<br />

der Landesschulbehörde Lüneburg. Dieses Team<br />

hatte auch die bisherigen überregional sehr gut angenommenen<br />

Veranstaltungen ausgerichtet.<br />

In diesem Jahr wird wieder eine Messe im bewährten Rahmen<br />

konzipiert, auf der sich verschiedenste Wirtschaft-Live-Projekte<br />

den Besuchern vorstellen. Neben dem inzwischen sich etablierten<br />

"Lehrer-Stammtisch" mit Informationsblöcken von Praktikern<br />

für Praktiker wird auch ein Erfahrungsaustausch zu Wirtschaft-Live-Projekten<br />

vor dem Hintergrund der inzwischen vollzogenen<br />

Neuordnung der beruflichen Grundbildung angeboten.<br />

Anmeldungen bitte mit dem unter http://www.wirtschaft-livemesse.de<br />

abrufbaren Bogen an die BBS Stade II, Herrn Reduhn,<br />

Fax: 04141 492-205, zu senden. Weitere Infos mit vorgesehenem<br />

Tagesprogramm sind abrufbar unter www.wirtschaft-livemesse.de<br />

oder Thorsten Eilers, Johann-Heinrich-von-Thünen-<br />

Schule, BBS Bremervörde, für das ORGA-Team, Tel. 04761 983-<br />

5656.<br />

Programm<br />

Freitag, 04.12.2009, 16.00<br />

Uhr Begrüßung und Einführung<br />

16.15 Uhr Vortrag mit Diskussion<br />

– Der organisierte<br />

Rechtsextremismus in <strong>Niedersachsen</strong><br />

Rechte Strukturen,<br />

rechte Ideologie,<br />

rechte Aktionen Andreas<br />

Speit, Journalist und Autor<br />

18.00 Uhr Abendessen<br />

19.00 Uhr Vortrag mit DiskussionRechtsextremismus<br />

an der Schule – Lifestyle,<br />

Symbole, Musik, Fabian<br />

Kaufmann, Sozialpädagoge<br />

Samstag, 05.12.2009, 9.00<br />

Uhr Film „Machtspiele“,<br />

Auswertung und Diskussion<br />

11.00 Uhr Vortrag mit Diskussion<br />

Stammtischparolen<br />

und rechte Sprüche, Jürgen<br />

Schlicher, Diversity Works<br />

e.V.<br />

12.30 Uhr Mittagspause<br />

13.30 Uhr Gruppenarbeit – Umgang mit rechten Sprüchen und Stammtischparolen<br />

– Reaktionsmöglichkeiten – Rollenspiele und Gegenargumente,<br />

Jürgen Schlicher, Diversity Works e.V.<br />

17.00 Uhr Seminarende<br />

Anmeldung bis 20. November 2009. Anfragen und Anmeldungen an:<br />

Friedrich- Ebert- Stiftung, Landesbüro <strong>Niedersachsen</strong>, Verantwortlich:<br />

Susanne Stollreiter, E- Mail: niedersachsen@ fes. de, Tel. 0511 357708-<br />

30, Fax 0511 357708- 40


Die<br />

Klassenfahrtseite<br />

jede Woche neue Angebote<br />

www.schulfahrt.de<br />

Tel. 0 35 04/64 33-0<br />

Der Spezialist für Klassenfahrten<br />

ANZEIGEN<br />

s-e-t.de<br />

Tel: 0421–308820<br />

Bildung<br />

Lernen von den Alten<br />

Von den Lehrern in der Sekundarstufe I sind<br />

Statistisches Bundesamt, September 2009 Quelle: Böckler impuls<br />

<br />

<br />

€<br />

<br />

Tel 00 39 / 05 47 / 67 27 27<br />

Fax 00 39 / 05 47 / 67 27 67<br />

Via Bartolini, 12<br />

47042 Cesenatico/Italia<br />

www.real-tours.de<br />

24 h online buchen<br />

E-Mail: Info@real-tours.de<br />

SCHULFAHRTEN 2009 / 2010<br />

6 1/2 Tage Busfahrt nach Cesenatico mit Ausflügen € 218,- VP. Leistungen: Busfahrt hin und zurück,<br />

4 Tage VP, Ausflüge: Venedig, San Marino, Ravenna.<br />

8 1/2 Tage Busfahrt nach Cesenatico mit Ausflügen € 244,- VP. Leistungen: Busfahrt hin und zurück,<br />

6 Tage VP, Ausflüge: Urbino & San Marino, Venedig, Ravenna.<br />

Freiplätze CESENATICO 2009/2010: 16 - 20 Schüler 1 Freiplatz, 21 - 35 Schüler 2 Freiplätze, 36 -<br />

45 Schüler 3 Freiplätze, 46 - 60 Schüler 4 Freiplätze.<br />

6 1/2 Tage Busfahrt zur Toskana-Küste mit Ausflügen € 237,- HP, € 264,- VP. Leistungen: Busfahrt<br />

hin und zurück, 4 Tage HP o. VP, Ausflüge: Florenz, Pisa & Lucca.<br />

8 1/2 Tage Busfahrt zur Toskana-Küste mit Ausflügen € 261,- HP, € 293,- VP. Leistungen: Busfahrt<br />

hin und zurück, 6 Tage HP o. VP, Ausflüge: Florenz, Pisa & Lucca, Siena & San Gimignano.<br />

6 Tage Busfahrt nach Südtirol mit Ausflügen € 238,- VP. Leistungen: Busfahrt hin und zurück<br />

(keine Nachtfahrt), 5 Tage VP, Ausflüge: Venedig o. Verona, Sterzing, Brixen & Bruneck.<br />

9 1/2 Tage Busfahrt nach Rom mit Ausflügen € 313,- HP. Leistungen: Busfahrt hin und zurück, 7<br />

Tage HP im Mittelklassehotel ca. 50 km bis Rom, 4 Tagesfahrten i. d. Stadt mit Programmvorschlägen.<br />

6 1/2 Tage Busfahrt zum Gardasee mit Ausflügen € 256,- HP. Leistungen: Busfahrt hin und zurück,<br />

4 Tage HP, Ausflüge: Verona, Venedig, Sirmione.<br />

8 1/2 Tage Busfahrt zum Gardaseee mit Ausflügen € 298,- HP. Leistungen: Busfahrt hin und zurück,<br />

6 Tage HP, Ausflüge: Verona, Venedig, Sirmione, Riva.<br />

9 1/2 Tage Busfahrt nach Sorrent mit Ausflügen € 313,- HP. Leistungen: Busfahrt hin und zurück<br />

mit Zwischenübernachtung, 7 Tage HP, Ausflüge: Pompeji, Vesuv, Amalfiküste, Neapel/Capri.<br />

9 1/2 Tage Busfahrt nach Griechenland mit Ausflügen € 355,- HP. Leistungen: Busfahrt hin und<br />

zurück, Fähre Ancona - Patras, Ausflüge: Athen, Olympia, Mykene & Epidauros.<br />

8 Tage Busfahrt nach Spanien mit Ausflügen € 264,- HP, € 284,- VP. Leistungen: Busfahrt hin und<br />

zurück, 5 Tage HP o. VP, Ausflüge: Barcelona, Montserrat, Figeres & Gerona.<br />

10 Tage Busfahrt nach Spanien mit Ausflügen € 311,- HP, € 325,- VP. Leistungen: Busfahrt hin und<br />

zurück, 7 Tage HP o. VP, Ausflüge: Barcelona, Montserrat, Figeres & Gerona, Fahrt entlang der Küste.<br />

4-Tage-Fahrt nach Berlin ab € 170,- ÜF, 4-Tage-Fahrt nach München ab € 178,- ÜF, 7 1/2 Tage<br />

London mit Ausflügen € 385,- HP, 6 Tage Paris mit Ausflügen € 359,- HP, 6 Tage Prag mit Ausflügen<br />

€ 249,- HP.<br />

NEU +++ Pakete für Fahrten bei eigener Anreise, z. B. per Flug +++ NEU<br />

4-Tage-Fahrt nach Barcelona ab € 188,- ÜF, 4-Tage-Fahrt nach Madrid ab € 196,- ÜF, 4-Tage-Fahrt<br />

nach Sevilla ab € 182,- ÜF, 6-Tage-Fahrt nach Spanien / Katalonien € 233,- HP, 6-Tage-Fahrt nach<br />

Cesenatico € 189,- VP.<br />

INDIVIDUELL FÜR LEHRER UND BEGLEITER:<br />

Ostern nach Cesenatico € 229,- VP, Herbst nach Cesenatico € 198,- VP.<br />

Bitte fragen Sie nach unserem Katalog 2009/2010.<br />

Weitere Informationen auch bei R. Peverada, Im Steinach 30, 87561 Oberstdorf,<br />

Telefon 0 83 22 / 800 222, Telefax 0 83 22 / 800 223.<br />

31<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009


32<br />

Ein Cartoon von Peter Baldus<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

LETZTE SEITE


16 17<br />

Eingangsamt für Lehrkräfte mit dem Lehramt<br />

an Realschulen wird auf A 12 gesenkt<br />

Mit der Änderung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes<br />

hat der Landtag im Oktober beschlossen, dass ab dem Einstellungsverfahren<br />

zum 01.02.2010 Lehrkräfte mit dem Lehramt an<br />

Realschulen unabhängig von der Schulform ausschließlich in das<br />

Eingangsamt mit der Besoldungsgruppe A 12 NBesO in den niedersächsischen<br />

Schuldienst eingestellt werden. Eine Übertragung<br />

des Eingangsamtes nach A 13 BBesO kommt nicht mehr in Betracht.<br />

Aktualisierte Informationen zur Neuen Influenza<br />

Mit Stand vom 05.11.2009 sind die Informationen zur Neuen Influenza<br />

für Eltern und Schüler/innen aktualisiert worden. Das Merkblatt<br />

ist zu finden unter:<br />

http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C59591651_L20.pdf<br />

Besondere Regelungen für teilzeitbeschäftigte<br />

und begrenzt dienstfähige Lehrkräfte<br />

Dem Schulhauptpersonalrat ist es gelungen, dass nun auch die<br />

begrenzt dienstfähigen Lehrkräfte in die Erleichterungen der Arbeitsbedingungen<br />

für teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte einbezogen sind. Die<br />

Erleichterungen in Kurzform:<br />

– Soweit wie möglich sollten teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte für<br />

dienstliche Aufgaben nur im Umfang ihrer reduzierten Unterrichtsverpflichtung<br />

eingesetzt werden.<br />

– Dasselbe gilt für Springstunden, soweit sie nicht vermieden werden<br />

können.<br />

– Ein unterrichtsfreier Tag ist zu ermöglichen, wenn die Unterrichtsverpflichtung<br />

um mindestens ein Drittel ermäßigt ist.<br />

– Auf familiäre Verpflichtungen sollte Rücksicht genommen werden.<br />

Dies gilt insbesondere für die Festlegung von Unterrichtsbeginn<br />

und Unterrichtsende.<br />

Diese Regelungen gelten auch für Altersteilzeitbeschäftigte. Zusätzlich<br />

ist für diejenigen, die aus familiären Gründen (§ 62 NBG) reduziert<br />

haben, ausgeschlossen, dass sie am Vormittag und Nachmittag<br />

desselben Tages und mit weniger als zwei Stunden am Tag eingesetzt<br />

werden.<br />

Für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst findet dieser Erlass keine<br />

Anwendung. In besonders begründeten Einzelfällen kann das MK<br />

dennoch zustimmen. Der vollständige Erlass ist auf der Homepage<br />

des SHPR abrufbar.<br />

Fachberaterinnen und Fachberater für schulformbezogene<br />

Fachberatung werden geschult<br />

Zu einer zentralen Auftaktveranstaltung trafen sich im September<br />

2009 262 Fachberaterinnen und Fachberater, die für die<br />

schulformbezogene Fachberatung an Grund-, Haupt-, Real- und<br />

Förderschulen zuständig sein werden. Aufgaben der Fachberatung<br />

sind u. a. die unterrichtsbezogene Beratung und Vermittlung neuer<br />

fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Erkenntnisse, die<br />

Mitwirkung bei der Qualitätsentwicklung und –sicherung der<br />

Schulen unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Vergleichsarbeiten,<br />

Abschlussprüfungen und Inspektionsberichte, die Unterstützung<br />

bei der Schulprogrammentwicklung, die Mitwirkung bei<br />

Unterrichtsbesichtigungen sowie die Mitgestaltung von Fortbildungsmaßnahmen<br />

der Schulen. Die neu ernannten Fachberaterinnen<br />

und Fachberater werden nun zunächst mit einem von der<br />

Landesschulbehörde und dem NiLS konzipierten Konzept qualifiziert,<br />

das sieben Module umfasst. Fachliche Unterstützung erfährt<br />

das Projekt durch Prof. Dr. Jürgen Oelkers von der Universität<br />

Zürich. Dieser betonte in seinem Vortrag im Rahmen der Veranstaltung<br />

die Notwendigkeit, das Know-how im Umgang mit den<br />

neuen Anforderungen in den Schulen aufzubauen. Ansonsten<br />

würde die nächste Bildungsreform versanden und – wie der<br />

Schweizer sagt – einer „Schubladisierung“ Vorschub geleistet<br />

werden. Der Vortrag sowie weitere Informationen lassen sich auf<br />

der Homepage der Landesschulbehörde finden.<br />

Am Rande: Bisher konnte erst die Hälfte der geplanten Zahl an<br />

Fachberaterinnen und Fachberatern verpflichtet werden - ein Zeichen<br />

dafür, dass die Bedingungen für die Aufgabenwahrnehmungen nicht<br />

attraktiv genug sind.<br />

Weitere 120 Ganztagsschulen in 2010<br />

Im Schuljahr 2010/2011 sollen weitere 120 Ganztagsschulen<br />

genehmigt werden. Um diese Schulen mit einer sogenannten<br />

Grundausstattung an Lehrerstunden (2,5 Stunden pro Klasse für<br />

die Jahrgänge 3 bis 6) versorgen zu können, sind im Landeshaushalt<br />

zwei Mio. Euro veranschlagt. Sollten mehr Anträge eingehen,<br />

als mit dieser Summe ausgestattet werden können, sollen<br />

geeignete Kriterien zur Prioritätensetzung entwickelt werden<br />

(Protokoll der 47. Plenarsitzung, Seite 6016). Zusätzliche Haushaltsmittel,<br />

um schon bestehende Ganztagsschulen mit weiteren<br />

Lehrerstunden versorgen zu können, sind bisher nicht eingeplant.<br />

11/2009 NIEDERSACHSEN<br />

Arbeitsgruppe des MK erarbeitet<br />

Konzept für Umsetzung des<br />

G8 an Gesamtschulen<br />

Das MK hat eine Arbeitsgruppe gebildet,<br />

deren Auftrag es ist, noch vor dem gesetzlich<br />

vorgeschriebenen Anhörungsverfahren die<br />

Konzepte für die untergesetzlichen Regelungen<br />

zur Einführung des Abiturs nach 8 Jahren<br />

an Gesamtschulen vor dem Hintergrund der<br />

bisherigen Gesamtschulpraxis und Gesamtschulerfahrungen<br />

zu erörtern und zu reflektieren.<br />

Die AG setzt sich aus 3 Schulleiter/innen<br />

der IGS, je zwei Stufenleiter/innen des Sekundarbereichs<br />

I und II der IGS, zwei Schulleiter/innen der KGS, zwei<br />

Vertreter/innen der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule sowie<br />

zwei für Gesamtschulen zuständigen Dezernent/innen der LSchB<br />

zusammen und wird von dem zuständigen Referatsleiter im MK geleitet.<br />

Das Anhörungsverfahren soll zum Jahreswechsel eingeleitet werden,<br />

mit der Veröffentlichung der Erlasse und Verordnungen ist im<br />

Frühjahr zu rechnen. Ebenfalls in die Anhörung gehen werden die<br />

Neufassungen der Grundsatzerlasse für die Hauptschulen und die<br />

Realschulen, um die schulgesetzlich neu vorgeschriebene Profilbildung<br />

und Berufsorientierung umzusetzen. Hierzu sind vom MK keine<br />

vorbereitenden Arbeitsgruppen mit Externen eingerichtet worden.<br />

Unterrichtsbesuche des Schulleiters<br />

Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 NSchG unterrichten und erziehen Lehrkräfte<br />

in eigener pädagogischer Verantwortung. Diese Garantie dient<br />

jedoch ausschließlich öffentlichen Interessen. Aus ihr ergibt sich kein<br />

grundsätzlich subjektives Abwehrrecht gegenüber Eingriffen des<br />

Dienstherren in die Unterrichtstätigkeit. Eine Lehrkraft hat deshalb<br />

auch einen Unterrichtsbesuch der Schulleiterin bzw. des Schulleiters<br />

zu akzeptieren. Im Falle von Beschwerden etc. darf sich der Schulleiter<br />

bzw. die Schulleiterin durch Unterrichtsbesuche ein eigenes Bild<br />

von der Lehrtätigkeit machen. Eine Stichprobenfunktion können solche<br />

Besuche nur ohne eine genaue Terminankündigung erfüllen.<br />

(OVG Lüneburg, 15.05.2009, AZ 5 ME 39/09)<br />

Umsatzsteuer für Schulverpflegung<br />

Mit Urteil vom 12.02.2009 (V R 47/07) hob der Bundesfinanzhof ein<br />

Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichtes vom 23.05.2007 (5 K<br />

365/02) auf und beschied: Die Umsätze aus der entgeltlichen Verpflegung<br />

von Lehrern und Schülern einer Ganztagsschule durch einen<br />

privaten Förderverein sind weder nach dem UStG noch nach Art 13<br />

Teil A Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei. Gegen<br />

Steuerbescheide des Finanzamtes hatte ein eingetragener Förderverein<br />

von Eltern, der in einem Gymnasium eine Cafeteria eingerichtet<br />

hatte und Schüler und Lehrkräfte mit Speisen und Getränken versorgte.<br />

Das niedersächsische Finanzgericht hatte der Klage mit Hinweis<br />

auf Art 132 Abs 1 Buchstabe i der Richtlinie 2006/112/EG stattgegeben.<br />

Die Revisionsentscheidung des Bundesfinanzhofes führte<br />

aber zur Aufhebung dieses Urteils und zur Abweisung der Klage. Eine<br />

steuerfreie Gewährung von Beherbergung und Beköstigung sei nur<br />

dann steuerfrei, wenn dem Unternehmer selbst die Erziehung, Ausbildung<br />

oder Fortbildung der Jugendlichen obliege. Dies sei bei der<br />

Beköstigung von Schülern und Lehrern an einer Schule durch einen<br />

Elternverein nicht der Fall. Der Kläger könne sich auch nicht darauf<br />

berufen, dass die Schule sich seines Unternehmens nur als Erfüllungsgehilfe<br />

bedient habe, da er den Verkauf von Getränken und<br />

Mahlzeiten nicht im Namen des Schulträgers durchgeführt habe. Eine<br />

vom Kläger vorgelegte Bescheinigung, wonach er im Interesse des<br />

Schulträgers tätig geworden sei, genüge nicht.<br />

Übernahme des Tarifabschlusses<br />

auf Beamtenbesoldung<br />

Der Alimentationsgrundsatz ist nicht verletzt, wenn der Tarifabschluss<br />

für den öffentlichen Dienst mit einer Verzögerung von fünf<br />

Monaten für die Beamtenbesoldung übernommen wird. BVerG. Urteil<br />

vom 23.07.2009 – 2 C 76.08.<br />

Schulvorstand – Was tun, wenn sich die<br />

Anzahl der Sitze während der laufenden<br />

Amtsperiode verändert?<br />

Für Schulen im Aufbau kann sich das Problem ergeben, dass sich<br />

im Laufe der zweijährigen Amtszeit des gerade gewählten Schulvorstandes<br />

die Zahl der Vollzeitlehrereinheiten mit Auswirkung auf die<br />

Anzahl der Sitze im Schulvorstand erhöht. Ab 21 Lehrkräften steigt<br />

die Zahl der Mitglieder im Schulvorstand von 8 auf 12 an, ab 50 Lehrkräften<br />

besteht der Schulvorstand aus 16 Personen. In diesem Fall ist<br />

die erforderliche Anzahl von neuen Mitgliedern nachzuwählen.<br />

Sollte die Zahl der Lehrkräfte aufgrund zurückgehender Schüler/innenzahlen<br />

sinken, so ist dies erst bei der nächsten obligatorischen<br />

Wahl zu berücksichtigen. Wird allerdings zu Schuljahresbeginn<br />

festgestellt, dass die Zahl der Vollzeitlehrereinheiten nicht nur vorübergehend<br />

weniger als vier (nicht aufgerundet) ausmacht, ist der<br />

Aus Rechtsschutz-<br />

gew-nds.de/SHPR<br />

Schulvorstand aufgelöst und die Gesamtkonferenz übernimmt<br />

gemäß § 38b Abs. 1 Satz 5 NSchG die Aufgaben, unabhängig davon,<br />

ob die zweijährige Wahlperiode der Erziehungsberechtigten und<br />

Lehrkräfte beendet ist. Wird die Schwellenzahl vier überschritten, ist<br />

auch im laufenden Schuljahr ein Schulvorstand zu bilden.<br />

Repräsentativerhebung zu den Kopiergewohnheiten<br />

von Unterrichtsmaterialien<br />

Der Gesamtvertrag über die Abgeltung urheberrechtlicher Ansprüche<br />

schreibt vor, Erhebungen über die Kopiergewohnheiten von<br />

Schulen vorzunehmen. In <strong>Niedersachsen</strong> wurden von der Landesschulbehörde<br />

88 Schulen ausgewählt, die drei Prozent der Gesamtschülerzahl<br />

repräsentieren sollen. Die Lehrkräfte der betroffenen<br />

Schulen müssen in einem Zeitraum von acht Schulwochen bis zum<br />

11.12.2009 von allen Fotokopien und Vervielfältigungen, die sie für<br />

Unterrichts- oder Prüfungszwecke herstellen, ein Zusatzexemplar kopieren<br />

und dieses mit einem Begleitformular sammeln. Die Unterlagen<br />

gehen ohne Absender der Schulen an die Zentralstelle Fotokopieren<br />

an Schulen (ZFS) und werden dort unter Wahrung der Anonymität<br />

ausgewertet. Die derzeit gültige Vereinbarung zwischen den<br />

Bundesländern und den Rechteinhabern endet am 31.12.2010. Neue<br />

Regelungen sollen dann auf der Grundlage der jetzt laufenden Erhebung<br />

getroffen werden. Die derzeit geltenden Regelungen lassen sich<br />

auf der Homepage des MK finden: www.mk.niedersachsen.de, Pfad<br />

„Themen“.<br />

Änderung des Erlasses zur Schulinspektion<br />

Durch eine Änderung des Erlasses „Schulinspektion in <strong>Niedersachsen</strong>“<br />

plant das MK eine Anpassung an die Praxis sowie einen<br />

verbesserten Informationsfluss. So wird geregelt, dass die zuständigen<br />

Dezernent/innen der LSchB zukünftig bei der mündlichen Rückmeldung<br />

an die Schulöffentlichkeit nach Abschluss einer Inspektion<br />

dabei sind und den Entwurf des schriftlichen Berichtes erhalten. Die<br />

Schulträger sollen neben Gesamtkonferenz und Schulvorstand<br />

zukünftig die ungekürzte Schlussfassung des Berichts erhalten. Ein<br />

besonderer Hinweis gilt dem Einhalten datenschutzrechtlicher Bestimmungen,<br />

insbesondere der im Bericht enthaltenen personenbezogenen<br />

Daten. In Fällen, in denen die NSchI eine Nachinspektion<br />

festlegt, soll neben der Abstimmung über Verbesserungs- und Unterstützungsmaßnahmen<br />

eine Vereinbarung zwischen LSchB und Schule<br />

geschlossen werden, in der Indikatoren für die Zielerreichung formuliert<br />

sind.<br />

LINKE fordert kostenfreie Schülerbeförderung<br />

Die Landtagsfraktion der Linken hat einen Gesetzentwurf zum<br />

Schülertransport in den Landtag eingebracht, der die kostenfreie<br />

Schülerbeförderung für alle Schüler/innen, d. h. auch für die, die eine<br />

SEK II oder die BBS besuchen, vorsieht. Unter Berücksichtigung des<br />

Konnexitätsprinzips würden auf das Land durch die Ausweitung des<br />

Berechtigtenkreises auf kostenlose Beförderung Mehrkosten von<br />

jährlich etwa 60 Millionen Euro zukommen.<br />

Kein Schulobstprogramm in <strong>Niedersachsen</strong><br />

Trotz intensiver Bemühungen der schulobstpolitischen Sprecher<br />

der Landtagsfraktionen wird sich <strong>Niedersachsen</strong> voraussichtlich<br />

nicht an dem EU-Programm in Höhe von 90 Mio. beteiligen, da der zu<br />

erbringende Eigenanteil des Landes in Höhe von 1,5 Mio. nicht bereitgestellt<br />

wird. Der Versuch des Landwirtschaftsministers Ehlen, private<br />

Sponsoren zu gewinnen, war auch nicht von Erfolg gekrönt. Begründet<br />

wird der Ausstieg aber auch mit dem unvertretbar hohen<br />

bürokratischen Mehraufwand, der auf Schulen und Kommunen zugekommen<br />

wäre. Die Opposition sieht dieses als Vorwand an, damit<br />

sich das Land um die Finanzierung drücken könne. Den Schulen<br />

bleibt damit allerdings erspart, dafür Sorge zu tragen, dass die Obstund<br />

Gemüseversorgung der Schülerinnen und Schüler Eu-gerecht<br />

und damit ohne Bevorteilung des Altländer Apfels gegenüber der<br />

Orange aus Valencia, erfolgt. Auch die Frage, ob Smoothies oder Tomatenmark<br />

richtliniengemäß als kostenfrei zu verteilendes Obst und<br />

Gemüse gelten, muss ebenso wenig geklärt werden, wie die Festlegung,<br />

wer protokolliert, welcher Schüler wann wie viel Obst erhalten<br />

hat. Als Alternative verwies Landwirtschaftsminister Ehlen auf das<br />

privatwirtschaftlich organisierte Schulapfelprojekt im Alten Land, das<br />

ein „hervorragendes Modell“ sei und ohne komplizierte, überregle-<br />

Bitte ans<br />

„Schwarze<br />

Brett“ hängen<br />

und<br />

Personalratsarbeit<br />

mentierte staatliche Einmischung<br />

erfolgreich laufe. Das Projekt sieht<br />

vor, dass die Schüler nach einer<br />

Absprache zwischen der Schule<br />

und dem Lieferanten täglich einen<br />

frischen Apfel bekommen. Die<br />

Kosten dafür liegen bei 20 Euro pro<br />

Kind und Schulhalbjahr. Die FDP<br />

hingegen forderte einen neuen<br />

Schulobstplan, der ohne EU-Mittel<br />

auskommt.<br />

Haushaltsführung im<br />

Haushaltsjahr 2009<br />

Die Haushaltssperre für Sachausgaben ist mit Erlass des Finanzministeriums<br />

vom 02.10.2009 für den Bereich des Kultusministeriums<br />

aufgehoben worden. Betroffen sind u. a. die 10-prozentige Kürzung<br />

der Mittel für Fortbildungsmaßnahmen. Vorgesehen ist außerdem,<br />

auch den Einstellungsstopp zu beenden. Betroffen hiervon sind z. B.<br />

die Schulsozialarbeit sowie die Schulassistent/innen.<br />

Einbindung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit<br />

bei Sanierungs- und Baumaßnahmen<br />

Das MK hat in einem Schreiben an alle Schulen darauf hingewiesen,<br />

dass bei den Baumaßnahmen im Rahmen der Umsetzung<br />

des Konjunkturpaketes II die Aspekte des Arbeitsschutzes mit in<br />

den Blick genommen werden sollten. Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit<br />

sollten deshalb frühzeitig in die Planung von Sanierungsund<br />

Baumaßnahmen einbezogen werden, um Planungsfehler zu<br />

vermeiden und Beispiele guter Praxis einzubeziehen. Zuständig<br />

für die Baumaßnahmen seien zwar die Schulträger, das Einbeziehen<br />

der Fachkräfte für Arbeitssicherheit sollte ihnen jedoch von<br />

den Schulleitungen als Serviceangebot des Landes vorgeschlagen<br />

werden.<br />

Schüler-Mails: Zwischen Aufsichtspflicht<br />

und Fernmeldegeheimnis<br />

Der Lehrerinformationsdienst macht auf seiner Homepage<br />

(www.erfolgreich-lehren.de) darauf aufmerksam, dass Lehrer nicht alles<br />

lesen dürften, was Schüler im Unterricht schreiben, da die Aufsichtspflicht<br />

mit dem Fernmeldegeheimnis kollidiere. So dürften<br />

Lehrkräfte z. B. die Schüleraktivitäten am Rechner im Computerraum<br />

der Schule überprüfen und eine nicht unterrichtsbezogene Tätigkeit<br />

untersagen, das Lesen einer privaten E-Mail verbiete sich gemäß Artikel<br />

10 des Grundgesetzes und Paragraf 88 des Telemediengesetzes<br />

allerdings.<br />

Hospitationen von Erziehungsberechtigten<br />

im Unterricht<br />

Im Niedersächsischen Schulgesetz gibt es keine ausdrückliche<br />

Regelung über Besuche von Erziehungsberechtigten im Unterricht.<br />

Hospitationen durch Eltern sind jedoch möglich, wie z. B. im<br />

Grundschulerlass geregelt wird. In den Grundsatzerlassen der<br />

Schulformen wird weiterhin geregelt, in welcher Weise dem Gedanken<br />

der konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Schule und<br />

Elternhaus Rechnung getragen werden kann. Dies kann unter anderem<br />

durch Elternsprechtage, Elternabende, Informationsveranstaltungen<br />

oder Einzelberatungsgespräche geschehen. Darüber hinaus<br />

haben die Lehrkräfte gemäß § 96 Abs. 4 NSchG Inhalt, Planung<br />

und Gestaltung des Unterrichts mit den Klassenelternschaften,<br />

z. B. auf Elternabenden, zu erörtern. Nach Auffassung des<br />

MK können diese Gespräche ggf. sachlicher und praxisorientierter<br />

geführt werden, wenn den Erziehungsberechtigten die Gelegenheit<br />

gegeben wird, auch den Unterricht zu besuchen. Elternbesuche<br />

müssen jedoch zwischen den einzelnen Eltern und der Klassenbzw.<br />

Fachlehrkraft abgesprochen werden, da die Lehrkraft die<br />

letzte Entscheidung darüber habe, ob eine bestimmte Unterrichtsstunde<br />

für einen Elternbesuch geeignet ist oder nicht. Ein<br />

grundsätzliches Ablehnen von Elternhospitationen ist ebenso wenig<br />

möglich wie ein Eingreifen der Eltern in den Unterricht.<br />

Beschränkte steuerliche Berücksichtigung<br />

nicht mit dem Grundgesetz vereinbar<br />

Das NLBV informiert in einem elektronischen Informationsbrief<br />

über die Änderung des § 10 EStG mit Wirkung ab Januar 2010<br />

durch das Bürgerentlastungsgesetz. „Die Neufassung geht zurück<br />

auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 13.<br />

Februar 2008 in dem das Gericht die beschränkte steuerliche<br />

Berücksichtigung von Beiträgen zu einer privaten Basiskrankenund<br />

Pflegepflichtversicherung als mit dem Grundgesetz unvereinbar<br />

angesehen hat. Die neuen Regelungen gelten sowohl für gesetzlich<br />

Versicherte, als auch für privat Versicherte. Bei den privat<br />

Krankenversicherten sind die geleisteten Beiträge jedoch nur insoweit<br />

zu berücksichtigen, wie der Versicherungsnehmer einen Ver-<br />

sicherungsschutz erwirbt, der dem der gesetzlichen Krankenversicherung<br />

entspricht, das heißt eine Basis-Krankenversicherung.<br />

Beiträge für eine darüber hinausgehende Versorgung – z. B. Chefarztbehandlung,<br />

Einbettzimmer – sowie zur Finanzierung eines Krankengeldes<br />

gehören nicht dazu. Diese Mehrleistungen – sofern sie mitversichert<br />

sind – sind aus dem vom Arbeitnehmer geleisteten Beitrag<br />

herauszurechnen. Die Unternehmen der privaten Krankenversicherung<br />

werden im November mit der Versendung der entsprechenden<br />

Bescheinigungen beginnen.<br />

Damit sich bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Beamtinnen<br />

und Beamten, Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfängern<br />

die regelmäßig anfallenden Vorsorgeaufwendungen für<br />

die Renten-, Kranken und Pflegepflichtversicherung nicht erst nach<br />

Ablauf des Kalenderjahres bei der Einkommensteuerveranlagung,<br />

sondern bereits im laufenden Jahr auswirken, wird bei der Lohnsteuerberechnung<br />

eine Vorsorgepauschale berücksichtigt. Durch diese<br />

Vorsorgepauschale wird ein möglicher Sonderausgabenabzug vorweggenommen.<br />

Die Eintragung eines Freibetrages für Vorsorgeaufwendungen<br />

auf der Lohnsteuerkarte ist daher nicht notwendig. Unabhängig<br />

davon soll die Grundpauschale von 3.000 in Steuerklasse<br />

III bzw. 1.900 Euro in den Steuerklassen I, II, IV und V berücksichtigt<br />

werden. Weitere Informationen können dem Internetauftritt des Bundesfinanzministeriums<br />

entnommen werden.<br />

Entwicklung von Privatschulen<br />

Die Zahl der allgemein bildenden Privatschulen in <strong>Niedersachsen</strong><br />

ist in der Zeit von 2003 bis 2008 von 117 auf 152 gestiegen (Landtagsdrucksache<br />

16/1445). Ein Plus von fast 30 Prozent. Den größten<br />

Anteil haben die Gymnasien (2003: 30, 2008: 35) und die Förderschulen<br />

mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (2003:<br />

29, 2008: 41, plus 41 Prozent). In Deutschland gab es im Schuljahr<br />

2005/2006 insgesamt 4.637 Privatschulen, 43,5 Prozent mehr als<br />

1992, mit insgesamt 873.000 Schülerinnen und Schülern, ein Plus<br />

von 52 Prozent gegenüber 1992. In den neuen Bundesländern hat<br />

sich die Zahl seit 1992 vervierfacht, im Westen gab es ein Plus von<br />

16,4 Prozent. Träger von Privatschulen sind im Wesentlichen die Kirchen<br />

(ca. 2.100). Im internationalen Vergleich liegt Deutschland allerdings<br />

eher hinten: Anteil von Privatschulen in Prozent<br />

(2004):Deutschland: 6,7 Frankreich: 21,3, Großbritannien: 40,6, Niederlande:<br />

76,4.<br />

Kleine Anfrage zum Zentralabitur<br />

Das MK hat im September eine Kleine Anfrage der GRÜNEN-Abgeordneten<br />

Ina Korter zum Zentralabitur beantwortet. Das MK stellt<br />

unter anderem fest, dass es entgegen der Behauptung der Fragestellerin<br />

im Verlaufe der Jahre 2006 bis 2009 beim Zentralabitur nicht zu<br />

einer Häufung von Fehlern gekommen sei, die wenigen Fehler seien<br />

weiter reduziert worden. „Im Abitur 2009 sind in allen Fächern für die<br />

Prüflinge in den Aufgabenstellungen keinerlei Fehler aufgetreten. Die<br />

sehr wenigen Fehler in den Lehrermaterialien waren keine sinnentstellenden<br />

Fehler und sind im Regelfall vor Beginn der Korrekturzeit<br />

für die Lehrkräfte richtiggestellt worden.“ Und weiter: „Nicht nur die<br />

Herstellung der Vergleichbarkeit und Transparenz bei den Aufgabenstellungen,<br />

Korrekturen und Bewertungen war leitendes Motiv für die<br />

Einführung des Zentralabiturs in <strong>Niedersachsen</strong>, sondern auch die<br />

Absicht, die fachliche Breite der Lehrplanvorgaben für die schriftliche<br />

Abiturprüfung auszuschöpfen. Bis zum Abitur 2006 wurde in einigen<br />

Fächern diese fachliche Breite bei den von den Lehrkräften entwickelten<br />

Aufgabenvorschlägen nicht in dem erforderlichen Umfang<br />

berücksichtigt. Insoweit ging es bei der Einführung des Zentralabiturs<br />

von Anfang an auch um das Anforderungsniveau in der schriftlichen<br />

Abiturprüfung im Sinne der Qualitätsentwicklung.“ Ach so …<br />

Die Abiturdurchschnittsnoten haben sich im Land mit leichten<br />

Schwankungen von 2003 (Landesdurchschnitt: 2,73) bis 2009 tendenziell<br />

verbessert (2009: 2,65). Die Anzahl der am Abitur teilnehmenden<br />

Schülerinnen und Schüler hat sich von 2003 (21.662) bis 2009<br />

(28.884) um mehr als 30 Prozent erhöht. Die Anzahl der Schülerinnen<br />

und Schüler, die das Abitur nicht bestanden haben, schwankt in den<br />

Jahren unregelmäßig zwischen 3,0 und 4,1 Prozent, wobei 2003 3,8<br />

Prozent und 2009 4,0 Prozent erreicht wurden. Die Anzahl der Schülerinnen<br />

und Schüler, die ohne den schulischen Teil der Fachhochschulreife<br />

aus der gymnasialen Oberstufe ausscheiden, liegt bei zwischen<br />

5 und 6 Prozent, nur 2007 lag dieser Anteil unter 5 Prozent.<br />

Schülerinnen und Schüler, die in der gymnasialen Oberstufe ein<br />

Schuljahr wiederholen müssen, werden seit dem 01.08.2007 erfasst.<br />

Im Schuljahr 2007/2008 haben 1.032 Schülerinnen und Schüler ein<br />

Schuljahr in der gymnasialen Oberstufe wiederholt, im Schuljahr<br />

2008/2009 waren es 1.137 Schülerinnen und Schüler, in beiden Fällen<br />

entspricht dies 2,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler der gymnasialen<br />

Oberstufe. Den vollständigen Text und die statistischen Angaben<br />

findet man unter folgender Adresse auf der Landtagsseite<br />

(Drucksache16/1659):http://www.landtagniedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_16_2500/1501-2000/16-1659.pdf<br />

AN DIESER AUSGABE HABEN MIT<strong>GEW</strong>IRKT:<br />

Thomas Glauche, Cordula Mielke, Henner Sauerland, Monika<br />

Schaarschmidt<br />

NIEDERSACHSEN 11/2009

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!