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Situation der Schulpsychologie in Deutschland - GEW Niedersachsen

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Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 1<br />

Situa&on <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und <strong>in</strong><br />

Nie<strong>der</strong>sachsen im <strong>in</strong>terna&onalen Vergleich<br />

Professor Dr. Ra<strong>in</strong>er Dollase,Dipl.Psych. Universität Bielefeld<br />

unter Mithilfe von<br />

Chris0ne Dollase,<br />

Dr. Kai Chris0an Koch, Dipl.Psych., Dipl.Päd.<br />

Dipl.päd. Ode=e Sel<strong>der</strong>s, Universität Bielefeld<br />

Februar 2010<br />

Gutachten im AuIrag <strong>der</strong> Max-­‐Träger-­‐S0Iung 2010


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 2<br />

Glie<strong>der</strong>ung<br />

1. AuDrag und AuDragnehmer<br />

2. Methoden <strong>der</strong> Recherche und Informa&onsbeschaffung<br />

3. Interna&onale und na&onale Begriffe: <strong>Schulpsychologie</strong>, Beratung, school psychology,<br />

school counsel<strong>in</strong>g, K<strong>in</strong><strong>der</strong>-­‐ und Jugendpsychologie, Therapie<br />

4. Der Ausbau <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> bzw. Nie<strong>der</strong>sachsen im <strong>in</strong>terna&onalen<br />

bzw. na&onalen Vergleich<br />

4.1. Interna0onaler Vergleich -­‐ <strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong> Entwicklungsland <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong><br />

4.2. Ausgewählte Län<strong>der</strong> aus dem PISA Vergleich und ihre schulpsychologischen Dienste<br />

4.3. Innerdeutscher Vergleich -­‐ Nie<strong>der</strong>sachsen ist <strong>Deutschland</strong>s Schlusslicht<br />

4.4. Bewertungen <strong>der</strong> schulpsychologischen Situa0on durch Verbände<br />

5. Allgeme<strong>in</strong>e und beson<strong>der</strong>e Aufgaben schulpsychologischer Beratung Was tun<br />

Schulpsychologen?<br />

5.1. Allgeme<strong>in</strong>e Aufgaben und Rollen <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> <strong>in</strong>terna0onal<br />

5.2. Beson<strong>der</strong>e Aufgaben und Rollen <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> <strong>in</strong>terna0onal<br />

5.3. Abgrenzung <strong>der</strong> schulpsychologischen Kompetenz von an<strong>der</strong>en Kompetenzen<br />

6. Interna&onale EffekYorschung zur <strong>Schulpsychologie</strong> -­‐ Welche Effekte erzielen<br />

Schulpsychologen und -­‐ psycholog<strong>in</strong>nen?<br />

6.1.Verbreitung und Behandelbarkeit von Störungen -­‐ Ergebnisse von Meta-­‐Analysen<br />

6.2. Effekte <strong>der</strong> schulpsychologischen Beratung -­‐ Ergebnisse von Meta-­‐Analysen<br />

6.3. Methodische Kriterien <strong>der</strong> Effek]orschung und ihre Problema0sierung<br />

7. Qualitätskennzeichen <strong>der</strong> Arbeit schulpsychologischer Dienste<br />

7.1. Die rich0ge Quan0tät -­‐ Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Burn out und langen Wartezeiten


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 3<br />

7.2. Die rich0ge Qualität -­‐ Die Sicherung <strong>der</strong> Evidenzbasierung von Methoden (EBI -­‐Evidence<br />

Based <strong>in</strong>terven0ons)<br />

7.4. Die rich0ge Koopera0on und Aufgabenteilung mit LehrkräIen, Sozialpädagogen und<br />

Beratungslehrern<br />

7.4. Die rich0ge Organisa0on<br />

8. Handlungsperspek&ven für Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

9. Ausgewählte Literaturangaben (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> <strong>in</strong>terna&onalen Datenbanken)


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 4<br />

1. AuDrag und AuDragnehmer<br />

Zusammenfassung Kapitel 1<br />

Der Au8rag des Gutachtens, zur Situa


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 5<br />

Die für dieses Gutachten unternommene wissenschaIliche Recherche erbrachte für die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Fragestellungen e<strong>in</strong>e sehr unterschiedliche Forschungslage. Es wurde ziemlich<br />

schnell deutlich, dass sich Effektstudien nicht nach Bundeslän<strong>der</strong>n unterscheiden lassen,<br />

bzw. dass es <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> ohneh<strong>in</strong> sehr wenige Effektstudien gibt. In an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>terna0onalen <strong>Schulpsychologie</strong>, gibt es h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>e ganze Reihe von sorgfäl0g<br />

kontrollierten Effektstudien und so genannten Metaanalysen, mit denen man die<br />

Fragestellung 3 beantworten kann. Standards lassen sich für die <strong>Schulpsychologie</strong><br />

bundesweit f<strong>in</strong>den, da die <strong>Schulpsychologie</strong> durch den Berufsverband deutscher<br />

Psycholog<strong>in</strong>nen und Psychologen und <strong>in</strong>nerhalb dieses Verbandes durch die Sek0on<br />

<strong>Schulpsychologie</strong> vertreten wird. Der BDP hat regelmäßig diese Standards <strong>der</strong> Arbeit, die<br />

Ausbildungsgrundsätze und die Arbeitspr<strong>in</strong>zipien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Broschüre veröffentlicht und<br />

aktualisiert den Ausbaustand <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Bundeslän<strong>der</strong> mit je<strong>der</strong> neuen Auflage. Die<br />

detaillierte Beschreibung unterschiedlicher Arbeitsweisen und Funk0onen hängt dann mit<br />

<strong>der</strong> regionalen und lokalen Aufgabenlage <strong>der</strong> jeweiligen Schulpsychologen zusammen, über<br />

die – genauso wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n – rela0v wenig Forschung über <strong>der</strong>en Tä0gkeitsalltag<br />

vorliegt.<br />

Die Beson<strong>der</strong>heit dieses Gutachtens besteht im Unterschied zu den BDP Presseerklärungen,<br />

die hier auch zi0ert werden, und den vom BDP verteilten Gutachten dar<strong>in</strong>, dass<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch die <strong>in</strong>terna0onale Forschung zu Rollen, Funk0onen, Qualitätsstandards<br />

und Effekten berücksich0gt wird. Dass hier e<strong>in</strong> so reiches Forschungsoeuvre gefunden<br />

werden konnte, liegt auch an dem <strong>in</strong>terna0onalen Vordr<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Evidenzbasierung (EBI<br />

=Evidence-­‐Based Interven0on), die weltweit auf starke Resonanz gestoßen ist, <strong>der</strong>en<br />

Akzeptanz allerd<strong>in</strong>gs wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> noch fehlt. Aufgrund <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>terna0onalen Verbreitung <strong>der</strong> EBI-­‐ Bewegung ist gerade <strong>in</strong> den letzten Jahren die<br />

schulpsychologische Arbeit weiter ausgebaut worden, da sich die <strong>in</strong>terna0onale Psychologie<br />

grundsätzlich auf die Evidenzbasierung ihrer Methoden versteht. Die Zahl <strong>der</strong> relevanten<br />

Effektstudien und auch <strong>der</strong> Studien zur Qualität <strong>der</strong> schulischen Beratung ist vor allem <strong>in</strong> den<br />

Bereichen deutlich anges0egen, <strong>in</strong> denen die Evidenzbasierung nicht so erkenntlich war (z.B.<br />

Beratungslehrer und ihre Effekte). Dieser Umstand hat weltweit zu e<strong>in</strong>em verstärkten Ausbau<br />

<strong>der</strong> schulpsychologischen Beratung geführt, <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Gefolge auch die organisatorischen,<br />

adm<strong>in</strong>istra0ven und Ausbildungsstrukturen weltweit e<strong>in</strong>er vergleichenden Analyse<br />

unterzogen werden. Diese Aussage kann auch unter Zurückstellung aller


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 6<br />

Professionsegoismen getroffen werden: im Unterschied zu den konkurrierenden<br />

Professionen hat die Psychologie wegen jahrzehntelanger Interna0onalisierung und<br />

Evidenzbasierung nunmehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lösung psychologischer Probleme im Umkreis von Schule<br />

e<strong>in</strong>deu0ge und weltweit anerkannte Vorteile.<br />

Der S<strong>in</strong>n dieses Gutachten ist es nicht, poli0sche Entscheidungen und poli0sche Lösungen <strong>in</strong><br />

irgende<strong>in</strong>er Form vorwegzunehmen. Es geht hier vorrangig darum, die evidenzbasierten<br />

Qualitätskennzeichen schulpsychologischen Dienstes und den daraus folgenden Anspruch auf<br />

weiteren Ausbau <strong>der</strong> schulpsychologischen Beratung zu begründen. Das BDP-­‐Gutachten zur<br />

<strong>Schulpsychologie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> ist h<strong>in</strong>gegen für die verbandliche Vertretung <strong>der</strong> Interessen<br />

<strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> zuständig und begründet <strong>in</strong>tern se<strong>in</strong>e Arbeit natürlich auch mit den<br />

Ergebnissen <strong>der</strong> <strong>in</strong>terna0onalen Forschung.<br />

2. Methoden <strong>der</strong> Recherche und <strong>der</strong> Informa&onsbeschaffung<br />

Zusammenfassung Kapitel 2<br />

Die <strong>Schulpsychologie</strong> hat wegen <strong>der</strong> Interna


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 7<br />

Die Human-­‐ und SozialwissenschaIen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> haben wie<br />

erwähnt e<strong>in</strong>en sehr unterschiedlichen Interna0onalisierungs-­‐ und Professionalisierungsgrad<br />

erreicht.<br />

Während sich die Psychologie und Soziologie <strong>in</strong>terna0onaler Fachdatenbanken bedienen<br />

können, <strong>in</strong> denen die relevanten Forschungen mit den Zusammenfassungen enthalten s<strong>in</strong>d<br />

und die e<strong>in</strong>e weltweite Recherche ohne weiteres möglich machen, ist dieser<br />

Entwicklungsstand für die deutsche Pädagogik noch nicht erreicht. Das gilt auch für die<br />

ErziehungswissenschaI und Pädagogik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n. Während<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychologie, wie <strong>in</strong> den NaturwissenschaIen, jede Disserta0on überprüI werden<br />

kann, ob sie e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>guläres Thema bearbeitet, ist e<strong>in</strong> solcher Abgleich mit dem<br />

<strong>in</strong>terna0onalen Wissensstand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pädagogik und ErziehungswissenschaI, aber auch z.B.<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Philosophie, noch nicht möglich. Die <strong>Schulpsychologie</strong>, die auf <strong>der</strong> Psychologie gründet<br />

und e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>en Subdiszipl<strong>in</strong> ist, kann also auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terna0onal vernetzten<br />

Forschungsdokumenta0on zurückgreifen.<br />

Die früheren Argumente gegen die Berücksichtung „ausländischer“ Untersuchungen, die<br />

angeblich wegen unterschiedlicher kultureller H<strong>in</strong>tergründe nicht übertragbar seien auf das<br />

eigene Land, haben sich im Laufe <strong>der</strong> rasanten globalisierten Entwicklung <strong>in</strong> den letzten drei<br />

Jahrzehnten als überflüssig erwiesen. Es gibt e<strong>in</strong>e Art Kulturkonvergenz, d.h. die schulische<br />

Situa0on <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland o<strong>der</strong> <strong>in</strong> USA o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Frankreich o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> ist stärker durch<br />

Geme<strong>in</strong>samkeiten gekennzeichnet. Das konnte schon bei den <strong>in</strong>terna0onalen<br />

Werteuntersuchungen von Shalom Schwarz (1992) bestä0gt werden -­‐ Lehrer und Schüler <strong>in</strong><br />

vielen Län<strong>der</strong>n antworten auf entsprechende Wertvorstellungen ähnlich.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus ist <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Psychologie e<strong>in</strong>e deutlich weit entwickelte <strong>in</strong>terna0onale<br />

Koopera0on und Organisa0on zu beobachten. Verbände und Verbandsorgane, wie etwa das<br />

„Interna0onal School Psychology Journal“ nehmen Beiträge aus vielen verschiedenen<br />

Na0onen auf. E<strong>in</strong>e bibliometrische Analyse zeigte, dass sich auch <strong>in</strong> <strong>in</strong>terna0onaler<br />

Koopera0on verfasste Ar0kel <strong>in</strong> erstaunlicher Anzahl dar<strong>in</strong> bef<strong>in</strong>den{Jenn<strong>in</strong>gs, 2008 #367}.<br />

Diese <strong>in</strong>terna0onale Koopera0on ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychologie weiter entwickelt als <strong>in</strong> vielen<br />

an<strong>der</strong>en WissenschaIen.Die Psychologen <strong>der</strong> Uni Jena z.B. werden zukünIig nur <strong>in</strong><br />

englischer Sprache publizieren etc. Noch e<strong>in</strong> Beispiel: So waren <strong>in</strong>terna0onale Pläne für e<strong>in</strong><br />

europäisches Diplom <strong>in</strong> Psychologie schon zeitlich weit vor dem Bologna Prozess


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 8<br />

fer0ggestellt worden. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass die<br />

<strong>Schulpsychologie</strong> sich <strong>in</strong>terna0onal vernetzt hat, e<strong>in</strong>e ähnliche Begrifflichkeit hat und dass<br />

Probleme <strong>der</strong> Organisa0on und des Qualitätsmanagements für schulpsychologische Dienste<br />

bereits <strong>in</strong>terna0onal disku0ert worden s<strong>in</strong>d. Das schließt Diskurse über die Wirksamkeit <strong>der</strong><br />

<strong>Schulpsychologie</strong> genauso e<strong>in</strong> wie die Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Instanzen und<br />

FachkräIen.<br />

Durch e<strong>in</strong>e bibliometrische Analyse <strong>der</strong> Veröffentlichung zwischen 1995 und 2007 konnte für<br />

das „Interna0onal School Psychology Journal“ diese Aussage bestä0gt werden (Jenn<strong>in</strong>gs,<br />

Ehrhardt, & Pol<strong>in</strong>g, 2008). Für e<strong>in</strong>e bibliometrische Analyse <strong>der</strong> Bücher zwischen 1970 und<br />

1985, die zur <strong>Schulpsychologie</strong> erschienen s<strong>in</strong>d, (Whelan & Carlson, 1986).<br />

Interna0onale Handbücher <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> beschreiben und dokumen0eren den Stand<br />

<strong>der</strong> Diskussion <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> schulpsychologischen Beratung. So wird von Rechly u.a. (2003)<br />

beschrieben, dass von Schulpsychologen vorrangig mentale M<strong>in</strong><strong>der</strong>leistungen, emo


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 9<br />

Rechercheschride Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong><br />

In <strong>der</strong> folgenden Zusammenstellung werden die Kennzeichen <strong>der</strong> Recherche, die für dieses<br />

Gutachten zugrunde gelegt wurde, skizziert.<br />

Analyse von Fachdatenbanken (psychologische, soziologische, mediz<strong>in</strong>ische, pädagogische)<br />

nach folgenden Begriffen:<br />

<strong>Schulpsychologie</strong><br />

Schulpsychologen/<strong>in</strong>nen<br />

school psychologists<br />

schoolpsychology<br />

counsel<strong>in</strong>g<strong>in</strong>schools<br />

effec0venessofschoolcounsel<strong>in</strong>g<br />

Interna&onale Vergleiche und Effek&vitätsstudien über die Arbeit von school psychologists<br />

bzw. von school counsel<strong>in</strong>g<br />

Alle Ausgaben <strong>der</strong> ZeitschriI „Interna0onal School Psychology“wurden überprüI, , alle<br />

Publika0onen gecheckt. Das <strong>in</strong>terna0onale survey <strong>der</strong> „Interna0onal School Psychology“<br />

wurde analysiert, ebenso „The Handbook of Interna


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 10<br />

Quelle auf (z.B. 3 Monate Wartezeit). Anbei aber von e<strong>in</strong>zelnen Beratungsstellen und<br />

Anfragen an den Landtag (z.B. BW) etc.<br />

Die untersuchten FachDatenbanken: PsyAr&cles, Teacher Reference Center und PsycInfo<br />

Informa&onen zur Datenbank "PsycARTICLES"<br />

„From the American Psychological Associa0on (APA), is a def<strong>in</strong>i0ve source of full-­‐text, peer-­‐reviewed scholarly<br />

and scien0fic ar0cles <strong>in</strong> psychology. The database conta<strong>in</strong>s more than 140,000 ar0cles from over 60 journals<br />

published by the APA“<br />

Informa&onen zur Datenbank "Teacher Reference Center"<br />

„Provides <strong>in</strong>dex<strong>in</strong>g and abstracts for 280 of the most popular teacher and adm<strong>in</strong>istrator journals and magaz<strong>in</strong>es<br />

to assist professional educators.“<br />

Informa&onen zur Datenbank „The PsycINFO“<br />

„Database, American Psychological Associa0on’s (APA) renowned resource for abstracts of scholarly journal<br />

ar0cles, book chapters, books, and disserta0ons, is the largest resource devoted to peer-­‐reviewed literature <strong>in</strong><br />

behavioral science and mental health. It conta<strong>in</strong>s over 2.5 million cita0ons and summaries“<br />

Anzahl gefundener Quellen:<br />

school psychology<br />

12243 School Psychology<br />

3349 Subjekt term School Psychology<br />

1243 Subjekt term School Psychology und School Psychology im Titel<br />

school psychologists<br />

5253 psychologists<br />

3380 Subjekt school psychologists<br />

959 Subjekt term school psychologists und school psychologists im Titel<br />

School Counselors<br />

4633 School Counselors<br />

3105 Subjekt term School Counselors<br />

688 Subjekt term School Counselors und School Counselors im Titel<br />

counsel<strong>in</strong>g <strong>in</strong> schools<br />

936 counsel<strong>in</strong>g <strong>in</strong> schools<br />

219 Subjekt term counsel<strong>in</strong>g <strong>in</strong> schools (ab 1995 wegen Metaanalyse)<br />

10 Subjekt term counsel<strong>in</strong>g <strong>in</strong> schools und counsel<strong>in</strong>g <strong>in</strong> schools im Titel<br />

school counsel<strong>in</strong>g<br />

6563 school counsel<strong>in</strong>g<br />

4926 Subjekt term school counsel<strong>in</strong>g (ab 1995)<br />

334 Subjekt term school counsel<strong>in</strong>g school counsel<strong>in</strong>g im Titel<br />

School Psycholog* OR School Counsel* (über keywords, 24 902)<br />

School Psycholog* OR School Counsel* (über Subjekt term, 12 962)<br />

School Psycholog* OR School Counsel* (Subjet term) AND empirisch (4839)<br />

effec0veness of school psychologists (11)<br />

effec0veness of school counsel<strong>in</strong>g (8)


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 11<br />

outcome research school counselors (15)<br />

outcome research school psychologists (6)<br />

Subject terms evalua0on und school psychologists<br />

Reviews 159<br />

Metaanalysen 10<br />

Effek&vität von psychologischer Psychotherapie<br />

Psychotherapy and effec0veness + nur Reviews 186<br />

Psychotherapy and effec0veness + nur Metaanalysen 90<br />

Datenbanken Psyndex, Medl<strong>in</strong>e und JournalsATovid<br />

gleichzei0g durchsucht (Subjekt term, Keyword)<br />

Schulpsycholog* 836<br />

School Psycholog* 7143<br />

School Counsel* 1989<br />

Beratungslehr* 115<br />

Sozialpaed* 1300<br />

Effek0vität Schulpsy* 1<br />

Verhaltensstörung* AND Metaanalyse 166 (bzw. Review 156)<br />

FIS<br />

Schulpsycholog* 957<br />

Beratungslehr* 372<br />

Sozialpaed* 4981<br />

Verhaltensstörung* AND Metaanalyse 3<br />

ERIC<br />

School psycholog* 3026<br />

School psycholog* OR School Counsel* AND effec0veness (keyword anywhere) 265<br />

School psycholog* OR School Counsel* AND outcome of treatment (Subject term)<br />

SOLIS<br />

School Psycholo* 344<br />

Schulpsycholo* 972<br />

Insgesamt s<strong>in</strong>d über 23 000 Literaturangaben gespeichert worden-<br />

Angesichts, wie oben beschrieben, e<strong>in</strong>er großen Anzahl von Ar0keln über schulische<br />

Beratung und <strong>Schulpsychologie</strong> stellt sich natürlich die Frage, wie für e<strong>in</strong> rela0v knappes und<br />

kurzfris0g zu erstellendes Gutachten solche Quan0täten gesichtet werden können. Zunächst<br />

e<strong>in</strong>mal lassen sich über so genannte Keywords, d.h. Fachworte und Deskriptoren <strong>der</strong><br />

jeweiligen Ar0kel, E<strong>in</strong>grenzungen vornehmen. Dabei wird deutlich, dass die Mehrzahl <strong>der</strong><br />

tausenden von schulpsychologischen Untersuchungen sich mit konkreten Problemen <strong>der</strong>


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 12<br />

prak0schen Arbeit von Schulpsychologen beschäIigen. Die Sammlung sämtlicher<br />

evidenzbasierter Methoden kann im Rahmen dieses Gutachtens nicht geleistet werden,<br />

son<strong>der</strong>n hier geht es um den quan0ta0ven und qualita0ven Ausbaustand bzw. um die<br />

Pr<strong>in</strong>zipien e<strong>in</strong>er Qualitätssicherung und –steigerung sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Quan0tät <strong>der</strong> Stellen wie<br />

auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Arbeit.<br />

Nach e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>grenzung durch die Keywords s<strong>in</strong>d die Titel <strong>der</strong> Publika0onen durch<br />

m<strong>in</strong>destens zwei Personen für dieses Gutachten durchgegangen worden. Bei Relevanz wurde<br />

sodann das abstract, d.h. die Zusammenfassung des Inhaltes, zur Kenntnis genommen.<br />

Für e<strong>in</strong>e erhebliche Anzahl von Publika0onen wurden die Orig<strong>in</strong>alarbeiten, die auch im<br />

Literaturverzeichnis aufgeführt s<strong>in</strong>d, beschafft. E<strong>in</strong>e Durchsicht dieser konnte dann<br />

Aufschluss darüber geben, ob die Zusammenfassung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> orig<strong>in</strong>ale Veröffentlichungstext<br />

Informa0onen enthält, die für das Gutachten relevant s<strong>in</strong>d.<br />

Wie erkenntlich, ist die Recherche durch e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong>haltliche Fragen erweitert worden: Welche<br />

und wie viele Schulpsychologen etwa die PISA-­‐Sieger haben und die PISA-­‐Verlierer, wie <strong>der</strong><br />

Stand <strong>der</strong> Forschung zur Behandelbarkeit von Verhaltensstörungen und emo0onalen<br />

Störungen ist, welche Stellungnahme verschiedene Verbände zur <strong>Schulpsychologie</strong> abgeben,<br />

ob es Effek0vitätsuntersuchungen zu den Konkurrenten <strong>der</strong> Schulpsychologen gibt (So gut<br />

wie ke<strong>in</strong>e ernstzunehmende Untersuchung ist zur Effek0vität von Sozialpädagogen und<br />

Beratungslehrern <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> durchgeführt worden – zur Effek0vität <strong>der</strong> Beratungslehrer<br />

im Ausland gibt es allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>ige Studien). Die Ausbildungs<strong>in</strong>halte von konkurrierenden<br />

Berufen wie Sozialpädagogen werden mit denen von Psychologen verglichen und e<strong>in</strong>ige<br />

lokale Anekdoten bzw. Beson<strong>der</strong>heiten wurden ebenfalls zur Illustrierung <strong>der</strong><br />

Gesamtproblema0k gesammelt. Die Rechercheergebnisse können <strong>in</strong> Endnotebibliotheken<br />

den AuIraggebern zur Verfügung gestellt werden.<br />

Im Literaturverzeichnis dieses Gutachtens s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong>ige ausgewählte Literaturangaben<br />

zi0ert worden.


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 13<br />

3. Interna&onale und na&onale Begriffe: <strong>Schulpsychologie</strong>, Beratung, School<br />

Psychology, School-­‐Counsel<strong>in</strong>g, K<strong>in</strong><strong>der</strong>-­‐ und Jugendpsychologie, Therapie,<br />

Programm<strong>in</strong>terven&on etc.<br />

Zusammenfassung Kapitel 3:<br />

Die <strong>in</strong>terna


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 14<br />

Mo


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 15<br />

Die Effekte <strong>der</strong> Beratungslehrer und des Beratungspersonals werden dann auch <strong>in</strong>terna0onal<br />

etwa vom „Center for School-­‐Counsel<strong>in</strong>g Outcome Research“ (2004) im Bereich <strong>der</strong><br />

Leistungssteigerung von Schülern, <strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> akademischen Mo0va0on, d.h. <strong>der</strong><br />

schulischen Mo0va0on, <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Schulorien0erung bei M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten und Low-­‐<br />

Income-­‐Families, <strong>der</strong> Steigerung von schulischer Leistung und ihrer langfris0gen Auswirkung,<br />

<strong>der</strong> Mo0vierung von Schülern und Schüler<strong>in</strong>nen am Schulleben <strong>in</strong>tensiver teilzunehmen und<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Verbesserung des familiären Engagements <strong>der</strong> Schule gesehen und festgestellt. Alle<strong>in</strong><br />

schon an diesen evidenzbasierten Ergebnissen ist zu erkennen, dass <strong>der</strong> Berater, die<br />

Berater<strong>in</strong> stärker mit dem schulischen Lernen und se<strong>in</strong>er Verbesserung direkt zu tun hat, d.h.<br />

auch fachwissenschaIliche, fachdidak0sche und lernpsychologische Op0mierung vornehmen<br />

kann. Berater und Berater<strong>in</strong>nen, die sich <strong>der</strong>art auf fachspezifische Lern-­‐ und<br />

Leistungsprobleme spezialisiert haben, können <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und Nie<strong>der</strong>sachsen LehrkräIe<br />

mit e<strong>in</strong>er Zusatzausbildung se<strong>in</strong>.<br />

Der Schulpsychologe h<strong>in</strong>gegen ist für die schulrelevanten Persönlichkeitsprobleme <strong>der</strong><br />

Schüler im geis0gen, emo0onalen, sozialen und Verhaltensbereich und die Verbesserung <strong>der</strong><br />

Kausalstruktur solcher Störungen zuständig -­‐ das s<strong>in</strong>d typischerweise nicht nur Lern-­‐ und<br />

Leistungsprobleme, <strong>der</strong>en Zusammenhang mit fachlichen Lücken und Interessen <strong>der</strong> Schüler<br />

erklärt werden können. Beispiel: Ursachen und Folgen von bully<strong>in</strong>g (mobb<strong>in</strong>g). Nach e<strong>in</strong>er<br />

WHO Studie aus dem Jahre 2001, leiden <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> überdurchschni=lich viele Schüler<br />

(ca. 40%) unter bully<strong>in</strong>g. Zum Vergleich: Schweden 15%, F<strong>in</strong>nland 27%.E<strong>in</strong> typisches<br />

Problemfeld für die Arbeit von Schulpsychologen -­‐ nicht für Beratungslehrer. Die Frage, ob<br />

man von e<strong>in</strong>em Mathe-­‐Leistungskurs noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Physik LK wechseln sollte -­‐ e<strong>in</strong>e typische<br />

Aufgabe für e<strong>in</strong>en Beratungslehrer -­‐ nicht für den Schulpsychologen. Die Gestaltung des<br />

Nachmi=ags <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesamtschule -­‐ e<strong>in</strong>e vorrangige Aufgabe für den Schulsozialarbeiter -­‐<br />

nicht für Beratungslehrer o<strong>der</strong> Schulpsychologen.<br />

Beratung und Therapie s<strong>in</strong>d deutlich zu unterscheiden: <strong>der</strong> Therapeut übernimmt<br />

Verantwortung für den Heilungsprozess, <strong>der</strong> Berater nicht. Schulpsychologen werden<br />

deshalb auch häufiger mit Programmen und ihrer Implementa0on beschäIigt. Die<br />

Präven0on o<strong>der</strong> auch Interven0on geschieht dann auf Verantwortung des Psychologen und<br />

er übernimmt e<strong>in</strong>e Verpflichtung, die Verbesserung dieser Störung zu erreichen o<strong>der</strong> durch<br />

Präven0on <strong>in</strong> ihrer AuIretenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit zu verr<strong>in</strong>gern.


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 16<br />

Warum ist e<strong>in</strong>e Abgrenzung <strong>der</strong> Begriffe wich0g?<br />

In e<strong>in</strong>em weiteren Kapitel (Kapitel 5) werden die Aufgaben <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />

Professionen dargestellt -­‐ die Begriffe bereiten die Arbeitsteilung <strong>der</strong> Aufgaben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

mul0professionellen Schule vor. Der Neigung, die verschiedenen Professionen<br />

gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> auszuspielen und die preiswerteste Lösung zu suchen, muss<br />

entgegengesteuert werden. Es werden nicht „entwe<strong>der</strong> Beratungslehrer o<strong>der</strong><br />

Schulpsychologen“ benö0gt, son<strong>der</strong>n „Beratungslehrer und Schulpsychologen“,<br />

Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter.<br />

4. Der Ausbau <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> bzw. Nie<strong>der</strong>sachsen im<br />

<strong>in</strong>terna&onalen bzw. na&onalen Vergleich<br />

Zusammenfassung Kapitel 4:<br />

Nur <strong>in</strong> Entwicklungs-­‐ und Schwellenlän<strong>der</strong>n gibt es weniger Schulpsychologen (bzw. ke<strong>in</strong>e) als<br />

<strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen. Innerhalb <strong>Deutschland</strong>s ist Nie<strong>der</strong>sachsen absolutes Schlusslicht -­‐<br />

<strong>Deutschland</strong> gehört <strong>in</strong>terna


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 17<br />

Dass <strong>Deutschland</strong> Schlusslicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung von Schulpsychologen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

europäischen Staatengeme<strong>in</strong>schaI ist, dürIe sich herumgesprochen haben. Ebenso, dass<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen wie<strong>der</strong>um Schlusslicht <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>Deutschland</strong>s bei den Stellen für<br />

Schulpsychologen ist. E<strong>in</strong> trauriger M<strong>in</strong>usrekord, <strong>der</strong> hier lei<strong>der</strong> nicht rela0viert werden kann.<br />

Entsprechende <strong>in</strong>terna0onale Vergleichsuntersuchungen s<strong>in</strong>d auch vom Berufsverband<br />

deutscher Psycholog<strong>in</strong>nen und Psychologen immer wie<strong>der</strong> dokumen0ert worden, und kurz<br />

nach Ersche<strong>in</strong>en <strong>der</strong> entsprechenden Sta0s0ken s<strong>in</strong>d über Pressemi=eilungen auch solche<br />

Informa0onen an die Öffentlichkeit gelangt. Was hier ergänzt werden kann, betrifft die<br />

weitere Illustrierung und kri0sche Betrachtung dieser Zahlen auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

<strong>in</strong>terna0onaler empirischer Untersuchungen.<br />

4.1. Interna&onaler Vergleich – <strong>Deutschland</strong> ist e<strong>in</strong> Entwicklungsland <strong>der</strong><br />

<strong>Schulpsychologie</strong><br />

E<strong>in</strong>e Studie aus dem Jahre 2008 von Jimerson u.a. fragt provokant: „Where <strong>in</strong> the world is<br />

school psychology?“ um dann <strong>in</strong>sgesamt 83 Na0onen auszumachen, <strong>in</strong> denen die Evidenz<br />

e<strong>in</strong>er exis0erenden und qualita0v hoch stehenden <strong>Schulpsychologie</strong> erkenntlich ist(Jimerson,<br />

Skokut, Cardenas, Malone, & Stewart, 2008) . Dem gegenüber stehen 109 Na0onen, <strong>in</strong><br />

denen es ke<strong>in</strong>e <strong>Schulpsychologie</strong> gibt. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen<br />

s<strong>in</strong>d aber gravierend. In den 109 Mitglie<strong>der</strong>staaten <strong>der</strong> UN, <strong>in</strong> denen ke<strong>in</strong>e <strong>Schulpsychologie</strong><br />

exis0ert, handelt es sich überwiegend um Entwicklungs-­‐ o<strong>der</strong> Schwellenlän<strong>der</strong>. Außer<br />

Liechtenste<strong>in</strong> f<strong>in</strong>det sich ke<strong>in</strong> EU-­‐Land unter denjenigen, die ke<strong>in</strong>e schulpsychologischen<br />

Beratungsdienste anbieten. Liechtenste<strong>in</strong> ist dabei so kle<strong>in</strong> und <strong>der</strong> Schulpsychologe <strong>in</strong><br />

Liechtenste<strong>in</strong> ist mir persönlich bekannt, er ist im M<strong>in</strong>isterium für Schule tä0g. Das heißt also,<br />

Liechtenste<strong>in</strong> hat auch e<strong>in</strong>en Schulpsychologen, <strong>der</strong> für die Zahl <strong>der</strong> Schüler völlig<br />

ausreichend se<strong>in</strong> dürIe, zumal er noch e<strong>in</strong>ige Mitarbeiter hat. Für San Mar<strong>in</strong>o gilt ähnliches.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs gehören Kroa0en, Bosnien-­‐Herzegow<strong>in</strong>a und Montenegro zu den Staaten, die<br />

ebenfalls, genauso wie Bulgarien und Polen ke<strong>in</strong>e schulpsychologischen Dienste entwickelt<br />

haben.


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 18<br />

In <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> 83 Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> UN, <strong>in</strong> denen es <strong>Schulpsychologie</strong> gibt, werden<br />

<strong>in</strong>sgesamt fünf qualita0ve Ausbaustufen <strong>der</strong> schulpsychologischen Dienste unterschieden.<br />

Die Stufen s<strong>in</strong>d wie folgt def<strong>in</strong>iert:<br />

1. Es gibt Berufe, die typische Aufgaben von Schulpsychologen übernehmen.<br />

2. Es gibt Gesetze und Erlasse, die verlangen, dass Schulpsychologen lizenziert werden.<br />

3. Es gibt Berufsverbände <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong>.<br />

4. Es gibt Universitätsprogramme, die Schulpsychologen vorbereiten und<br />

5. Es gibt Universitätsprogramme, die auf dem Promo0onsniveau e<strong>in</strong>e Vorbereitung für<br />

Schulpsychologen anbieten.<br />

<strong>Deutschland</strong> erreicht die höchste Stufe Nr.5 nicht. Dieses Niveau wird aber erreicht von<br />

Australien, Brasilien, Kanada, Hongkong, Zypern, Griechenland, vom Iran, von Jordanien,<br />

Mexiko, Neuseeland, Nigeria, den Philipp<strong>in</strong>en, Rumänien, <strong>der</strong> Slowakei, Südafrika, Südkorea,<br />

Großbritannien und den Vere<strong>in</strong>igten Staaten. Dass diese höchste Stufe nicht erreicht wird,<br />

liegt daran, dass <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und vielen an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n die universitäre Verankerung<br />

und <strong>der</strong> universitäre Ausbau <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> vernachlässigt worden ist. In Zeiten e<strong>in</strong>er<br />

Deregulierung <strong>der</strong> HochschullandschaI ist dies e<strong>in</strong>e dann auch kaum steuerbare bzw. nur<br />

zufällig gesteuerte Entwicklung.<br />

Die Untersuchung von Jimerson u.a. korrespondiert im übrigen mit e<strong>in</strong>er schon 1992<br />

erschienenen Studie von Oakland und Cunn<strong>in</strong>gham, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> weltweite Ausbau <strong>der</strong><br />

<strong>Schulpsychologie</strong> kurz dargelegt und gleichzei0g Pr<strong>in</strong>zipien se<strong>in</strong>er weiteren Entwicklung<br />

aufgezeichnet worden s<strong>in</strong>d (T. Oakland, 1991; T. D. Oakland & Cunn<strong>in</strong>gham, 1992). Die<br />

For<strong>der</strong>ung nach e<strong>in</strong>em qualita0v hoch stehenden Ausbau <strong>der</strong> schulpsychologischen Beratung<br />

ist also <strong>in</strong>terna0onal schon etwas älter.<br />

Die bedeutsamste Studie für die Abschätzung des <strong>in</strong>terna0onalen Ausbaus <strong>der</strong><br />

schulpsychologischen Beratung ist die ISPS-­‐Studie (Interna0onal School Psychology Survey),<br />

die auch vom BDP <strong>in</strong> den vergangenen Jahren immer wie<strong>der</strong> erwähnt worden ist (Jimerson,<br />

Graydon, et al., 2007; Jimerson, et al., 2004; Jimerson, Graydon, et al., 2008a; Jimerson,<br />

Graydon, et al., 2008b; Jimerson, et al., 2006). Der BDP hat an dieser Studie mitgewirkt, die<br />

Ergebnisse s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs erst <strong>in</strong> den Jahren 2004, 2006 bis 2008 publiziert worden. Nach<br />

e<strong>in</strong>er Erprobung <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n Albanien, Zypern, Estland, Griechenland und Nordengland<br />

wurden später auch Australien, Ch<strong>in</strong>a, <strong>Deutschland</strong>, Italien und Russland untersucht. Auf


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 19<br />

deutscher Seite hat Dr. Hirten, damals Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sek0on <strong>Schulpsychologie</strong>, an dieser<br />

Studie mitgewirkt.<br />

Die Ergebnisse dieser Studien s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abbildung 1 zusammengestellt worden. Dort ist das<br />

Verhältnis von Schülern zu e<strong>in</strong>em Schulpsychologen dargestellt worden. An dem Ergebnis<br />

gibt es nichts zu beschönigen. Die durchschni=liche Rela0on <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> lautet 1:16549<br />

und sie wird lediglich von Ch<strong>in</strong>a noch etwas übertroffen mit 1:19065, die erst vor wenigen<br />

Jahren begonnen haben ihren schulpsychologischen Dienst auszubauen. Mehr<br />

Schulpsychologen gibt es also z.B. <strong>in</strong> Russland, den USA, Dänemark, Italien, Australien, den<br />

Arabischen Emiraten, <strong>der</strong> Schweiz, Georgien, Nordengland, Griechenland, Estland, Zypern<br />

und Albanien. Innerhalb <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>, die e<strong>in</strong>en schulpsychologischen Dienst unterhalten,<br />

dürIe <strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong> Entwicklungsland se<strong>in</strong>. Innerhalb <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> gibt es weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

ziemliche Spannbreite.<br />

Abbildung 1: Ausgewählte Län<strong>der</strong> und die Rela0on Schüler/<strong>in</strong> pro Schulpsychologe/<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

ISPS Studie (2004 bis 2008)


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 20<br />

Im <strong>in</strong>terna0onalen Vergleich s<strong>in</strong>d die deutschen Prak0ker rela0v alt, es wird <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gste<br />

Anteil an Supervision berichtet und deutsche Schulpsychologen geben die meisten<br />

„externen“ Bedrohungen ihres Berufsstatus an: den ger<strong>in</strong>gen Stellenwert von Bildung <strong>in</strong><br />

unserem Land, <strong>der</strong> ja vielfach beschrieben wurde, auch die Konkurrenz an<strong>der</strong>er Berufe, die<br />

die Arbeit von Schulpsychologen übernehmen, die mangelhaIen Ressourcen zur<br />

F<strong>in</strong>anzierung schulpsychologischer Dienste usw. In diesen Bereichen s<strong>in</strong>d die Klagen<br />

deutscher Schulpsychologen beson<strong>der</strong>s groß.<br />

Die Methodik dieser Studie war e<strong>in</strong> Fragebogen, <strong>der</strong> an Schulpsychologen <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n<br />

verteilt worden ist und die die entsprechenden Informa0onen dann abgegeben haben.<br />

Deutsche Schulpsychologen schätzen auch die Rolle <strong>der</strong> Forschung für die <strong>Schulpsychologie</strong><br />

als beson<strong>der</strong>s ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>. Das hängt damit zusammen, dass, wie weiter oben schon erwähnt<br />

worden ist, <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> schulpsychologischen Dienste ohne e<strong>in</strong>e Ak0vierung <strong>der</strong><br />

universitären Curricula sta=gefunden hat.<br />

Möglicherweise wird das schlechte <strong>in</strong>terna0onale Abschneiden <strong>in</strong> Bezug auf die Aussta=ung<br />

mit Schulpsychologen immer wie<strong>der</strong> damit begründet, dass man Beratungskompetenz<br />

sowohl an Lehrer als auch an<strong>der</strong>e Professionen wie Schulsozialarbeiter und ähnliches<br />

Personal weitergegeben hat. Das tun die sich entwickelnden an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong> auch. In USA<br />

beispielsweise gibt es selbstverständlich auch e<strong>in</strong>en professionellen Verband <strong>der</strong> „School<br />

Counselor“, die e<strong>in</strong>e deutlich an<strong>der</strong>e Aufgabe haben als die Schulpsychologen, wie weiter<br />

oben schon dargestellt worden ist. Auch an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> kennen „Social-­‐Worker“. Der<br />

entscheidende Fehler <strong>der</strong> Vergangenheit dür8e dar<strong>in</strong> gelegen haben, dass man die<br />

Professionalität und auch die unique Befähigung <strong>der</strong> Psychologen für die Lösung ganz<br />

spezifischer Probleme nicht rich


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 21<br />

komplexeres Bild e<strong>in</strong>es Schülers zeichnen wird -­‐ und neuar0ge Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Situa0on liefern kann.<br />

4.2. Ausgewählte Län<strong>der</strong> aus dem PISA-­‐Vergleich und ihre<br />

schulpsychologischen Dienste<br />

Kurz nach Ersche<strong>in</strong>en <strong>der</strong> ersten PISA-­‐Studie gab es allerlei Deutungen <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />

Ergebnisse <strong>in</strong> den OECD-­‐Län<strong>der</strong>n. Tatsächlich aber kann man aus den PISA Daten ke<strong>in</strong>e<br />

direkten kausalen Schlüsse ziehen, welche Faktoren <strong>der</strong> unterschiedlichen Län<strong>der</strong> die<br />

Ergebnisse produziert haben. Das liegt zum e<strong>in</strong>en daran, dass viele Unterschiede <strong>in</strong> den<br />

Schülervoraussetzungen <strong>der</strong> verschiedenen Län<strong>der</strong> bestehen können und zum an<strong>der</strong>en<br />

daran, dass diese vielen Faktoren <strong>in</strong> Wechselwirkung mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> e<strong>in</strong>treten. Dass Schüler<br />

Voraussetzung für die Qualität und das Ergebnis von Schule entscheidend se<strong>in</strong> können, kann<br />

man auch mit e<strong>in</strong>em Blick auf die deutlich unterschiedlichen IQs <strong>in</strong> deutschen Regionen<br />

belegen. Bundeslän<strong>der</strong>, die bei PISA rela0v gut abgeschni=en haben, haben auch e<strong>in</strong>e<br />

Bevölkerung, die im Durchschni= e<strong>in</strong>en höheren IQ besitzt. Dieser Befund wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Beilage <strong>der</strong> Zeitung „Aus Poli0k und Zeitgeschichte“ im Jahre 2003 (Ebenre=,Hansen,Puchiza)<br />

publiziert. Auch hängt das Ergebnis sehr stark von den HerkunIslän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Menschen mit<br />

Migra0onsh<strong>in</strong>tergrund ab. S<strong>in</strong>d die Menschen mit Migra0onsh<strong>in</strong>tergrund <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land wie<br />

z.B. Australien und Kanada überwiegend kulturaff<strong>in</strong> und sprechen die Sprache des<br />

Heimatlandes, so herrschen dort an<strong>der</strong>e Ausgangsbed<strong>in</strong>gungen als <strong>in</strong> Län<strong>der</strong>n, <strong>in</strong> denen die<br />

Zuwan<strong>der</strong>er aus den Unterschichten <strong>der</strong> arabischen und Mi=elmeerlän<strong>der</strong> stammen.<br />

Nicht desto weniger ist e<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> die unterschiedlichen PISA Län<strong>der</strong> bezogen auf den<br />

schulpsychologischen Dienst s<strong>in</strong>nvoll, ohne dadurch darauf h<strong>in</strong>weisen zu wollen, dass die<br />

PISA Daten e<strong>in</strong> direkter Beweis für die Notwendigkeit für die schulpsychologischen<br />

Beratungsdienste seien.<br />

F<strong>in</strong>nland<br />

Über F<strong>in</strong>nland schreibt <strong>der</strong> Deutsche Ra<strong>in</strong>er Domisch, <strong>der</strong> <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland e<strong>in</strong>e wich0ge Funk0on<br />

im dor0gen Schulsystem bekleidet, im Familienhandbuch des Staats<strong>in</strong>s0tuts für<br />

Frühpädagogik, dass die Schülerfürsorge (Welfare-­‐Service) <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 22<br />

Qualität <strong>der</strong> f<strong>in</strong>nischen Schulen haben könnte. Diese Gruppe, die sich m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal die<br />

Woche trifft, besteht aus folgenden Personen: dem Schulleiter, Klassenlehrer, Fachlehrer,<br />

dem Schulpsychologen, Gesundheitsfürsorger, dem Son<strong>der</strong>pädagogen, Kurator,<br />

SchullauÑahnberater, Eltern und falls notwendig e<strong>in</strong>em Arzt und Neurologen. Diese <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Presse als „mul0professionelle Teams“ apostrophierten Personengruppen bestehen, und das<br />

ist für deutsche Adapta0onen wich0g, zusätzlich zu Beratungslehrern auch aus<br />

Schulpsychologen. Gleichzei0g wird <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland das Lehrer-­‐Schülerverhältnis <strong>in</strong> Richtung<br />

e<strong>in</strong>er vertraulicheren und guten Beziehung durch folgende Pr<strong>in</strong>zipien orien0ert: „Der Lehrer<br />

zeigt se<strong>in</strong> Interesse für jeden e<strong>in</strong>zelnen Schüler, <strong>der</strong> Lehrer gibt Schülern die Möglichkeit ihre<br />

Me<strong>in</strong>ungen zu äußern, <strong>der</strong> Lehrer unterstützt Schüler bei ihrer Arbeit, <strong>der</strong> Lehrer<br />

unterrichtet so lange, bis die Schüler den Stoff verstehen, <strong>der</strong> Lehrer unternimmt große<br />

Anstrengungen, um Schülern zu helfen und <strong>der</strong> Lehrer hilI Schülern bei ihren Lernprozessen.<br />

Trotz e<strong>in</strong>es konsequenten Gesamtschulsystems gibt es auch <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland die Problema0k,<br />

dass Schüler beson<strong>der</strong>e Hilfen benö0gen. Nach e<strong>in</strong>er Studie aus dem Jahre 2009 von<br />

Laaksonen u.a. nimmt diese Zahl <strong>der</strong> Schüler, die spezielle Bedürfnisse an die Erziehung<br />

stellen, zu (Laaksonen, et al., 2007). Die Zuweisung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des zu e<strong>in</strong>er „beson<strong>der</strong>en<br />

Erziehung“ geschieht immer nur im E<strong>in</strong>verständnis mit den Erziehungsberech0gten. Das aber<br />

führt durchaus auch <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland zu Problemen, wie man aus <strong>der</strong> genannten Untersuchung<br />

entnehmen kann. Die Vorschläge des Welfare-­‐Teams müssten e<strong>in</strong>e gewisse Verb<strong>in</strong>dlichkeit<br />

bekommen und zugleich müsste das, was dort verhandelt wird, so vertraulich behandelt<br />

werden, dass ke<strong>in</strong>e E0keÖerungsprozesse dabei entstehen.<br />

Die Zahl <strong>der</strong> Schulpsychologen <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland ist erheblich. In Hels<strong>in</strong>ki arbeiten alle<strong>in</strong>e 44<br />

Schulpsychologen. Selbst wenn man den Ballungsraum Hels<strong>in</strong>ki mit rund e<strong>in</strong>er Million<br />

E<strong>in</strong>wohner zusammen nimmt und nicht die Stadt Hels<strong>in</strong>ki alle<strong>in</strong>e (580 000 E<strong>in</strong>wohner), dann<br />

ergäbe sich für e<strong>in</strong> acht Millionen Land wie Nie<strong>der</strong>sachsen e<strong>in</strong>e ungefähre Zahl von 350<br />

Schulpsychologen, die man e<strong>in</strong>stellen müsste, wenn man die ungefähre Dichte <strong>der</strong> Stadt<br />

Hels<strong>in</strong>ki erreichen wollte. Zusammen mit den weiter unter beschriebenen Effekten <strong>der</strong><br />

Schulpsychologen kann allerd<strong>in</strong>gs mit Sicherheit angenommen werden, dass die Arbeit e<strong>in</strong>er<br />

so großen Zahl von Spezialisten e<strong>in</strong>en posi0ven E<strong>in</strong>fluss auf die Gestaltung des Schul-­‐ und<br />

Bildungssystems haben wird.


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 23<br />

Dänemark<br />

Auch das dänische System (Poulsen u.a., 2007 im Handbook of Interna0onal School<br />

Psychology (s.o) benö0gt noch mehr Schulpsychologen als bisher schon vorhanden (s.<br />

Verteilungszahlen weiter oben). Die Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> nächsten Jahre <strong>in</strong> Dänemark, so die<br />

Autoren, erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>en kon0nuierlichen weiteren Ausbau <strong>der</strong> schulpsychologischen<br />

Beratung. Dies unter an<strong>der</strong>em auch, weil <strong>in</strong>nerdänische Kri0ker annehmen, dass das<br />

Schulsystem zu teuer sei und man erwartet e<strong>in</strong>e Effek0vitätssteigerung <strong>der</strong> Interven0onen<br />

durch mehr schulpsychologischen Sachverstand, damit die effek0ven Methoden auch<br />

tatsächlich e<strong>in</strong>gesetzt werden können.<br />

Schweiz<br />

Auch die Schweiz gilt <strong>in</strong> gewisser H<strong>in</strong>sicht als vorbildlich für die Situa0on <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />

Auch hier geht es dem Ar0kel nach um e<strong>in</strong>e Sicherung <strong>der</strong> gleichmäßigen Versorgung (wie<br />

übrigens auch <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland) und <strong>der</strong> nicht überall <strong>in</strong> allen Regionen ähnlichen legalen<br />

Grundlage <strong>der</strong> schulpsychologischen Arbeit (Scherer u.a. im Handbook of Interna0onal<br />

School Psychology, s.o.).<br />

Nie<strong>der</strong>lande<br />

Auch Holland bzw. die Nie<strong>der</strong>lande gelten bundesdeutschen Reformern gerne als Vorbild.<br />

Die <strong>Schulpsychologie</strong> <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen(Bakker u.a., 2007 im Handbook of Interna0onal<br />

School Psychology, s.o.) wird z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Inklusionsbewegung gefragt und vor allen D<strong>in</strong>gen bei<br />

<strong>der</strong> Entwicklung und Implemen0erung von Programmen für die Informierung von Schulen,<br />

Eltern, Poli0kern etc., um die effek0ve Art und Weise des E<strong>in</strong>griffs zu eruieren und auch<br />

umzusetzen. Auch hier, ähnlich wie <strong>in</strong> Dänemark, das Argument <strong>der</strong> Effek0vitätssteigerung<br />

<strong>der</strong> vielen Ini0a0ven im Schulsystem unter E<strong>in</strong>bezug des psychologischen Sachverstandes.<br />

Schulpsychologen <strong>in</strong> Holland, so <strong>der</strong> Ar0kel von Bakker u.a., s<strong>in</strong>d gezwungen, den Konsens<br />

für die evidenzbasierte effek0ve Interven0on herzustellen und zu f<strong>in</strong>den.<br />

Korea und Japan<br />

Die PISA-­‐Sieger kommen nicht nur aus den skand<strong>in</strong>avischen Län<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n auch aus dem<br />

asia0schen Raum, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Südkorea und Japan haben bei PISA gute Ergebnisse erzielt.<br />

E<strong>in</strong> psychologisch fundiertes School-­‐Counsel<strong>in</strong>g f<strong>in</strong>det sich sowohl <strong>in</strong> Korea (S. M. Lee & Yang,<br />

2008), <strong>in</strong> Japan (Yagi, 2008) (Ishikuma u.a., 2007 im Interna0onal Handbook of School<br />

Psychology) sowie <strong>in</strong> Hongkong (Lam u.a., 2007 im Interna0onal Handbook of School


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 24<br />

Psychology). In diesen Län<strong>der</strong>n geht es nicht nur um e<strong>in</strong>e Ausweitung <strong>der</strong> School-­‐Based-­‐<br />

Psychological-­‐Services, son<strong>der</strong>n auch um e<strong>in</strong>e Effizienzsteigerung im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

evidenzbasierten Interven0onsbewegung. Die Studie von Ishikuma spricht sogar von e<strong>in</strong>em<br />

paradigma0schen Wechsel <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong>.<br />

Interessant ist auch, dass alle Län<strong>der</strong>, die bei PISA rela0v gut abgeschni=en haben,<br />

selbstverständlich auch über Probleme mit Schülern und Schüler<strong>in</strong>nen berichten. Auch diese<br />

Län<strong>der</strong> werden von dem globalen Wandel <strong>in</strong> Familie und Demographie nicht verschont. Auch<br />

<strong>in</strong> diesen Län<strong>der</strong>n gibt es Probleme mit Medien, mit Gewalt, man er<strong>in</strong>nere nur an die zwei<br />

Amokläufe an f<strong>in</strong>nischen Schulen etc. Der entscheidende Unterschied besteht dar<strong>in</strong>, dass<br />

diese Län<strong>der</strong> mul0professionelle Teams zur Diagnose, Interven0on und Evalua0on e<strong>in</strong>setzen<br />

und dass es e<strong>in</strong>e Aufrechnung zwischen Beratungslehrern und Schulpsychologen dort nicht<br />

gibt. Sowohl SchullauÑahnberater bzw. Schulberater als auch Psychologen arbeiten<br />

geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> Teams an <strong>der</strong> Lösung <strong>der</strong> unterschiedlichen Probleme.<br />

Interessant ist, dass die Rolle <strong>der</strong> Schulpsychologen wegen ihrer Nähe zu e<strong>in</strong>er empirischen<br />

<strong>in</strong>terna0onalisierten WissenschaI vor allen D<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Zusammenhang mit <strong>der</strong> „What-­‐<br />

Works?“-­‐Bewegung bzw. <strong>der</strong> Bewegung zur Verwendung evidenzbasierter Methoden<br />

kontextualisiert wird. Viele pädagogische Vorschläge kl<strong>in</strong>gen ansonsten recht gut, allerd<strong>in</strong>gs<br />

ist <strong>in</strong> nur seltenen Fällen e<strong>in</strong>e Effek0vität durch Verwendung e<strong>in</strong>es randomisierten<br />

Kontrollgruppendesigns die Grundlage für Effek0vitätshoffnungen. Hier ist die Psychologie<br />

als WissenschaI deutlich weiter und sie macht sich im Kontext <strong>der</strong> mul0professionellen<br />

Teams unersetzlich. Interessant auch an <strong>der</strong> Untersuchung von Ishikuma u. a. (2007), dass<br />

Schulschwänzen und Bully<strong>in</strong>g (e<strong>in</strong>e Form des Mobb<strong>in</strong>g) zu den herausragenden Problemen,<br />

die Schulpsychologen bearbeiten können, gehören.<br />

Ch<strong>in</strong>a<br />

Selbstverständlich bef<strong>in</strong>det sich Ch<strong>in</strong>a nicht nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wirtschaIlichen Aufschwung,<br />

son<strong>der</strong>n mit dem wirtschaIlichen Aufschwung verbunden ist e<strong>in</strong>e Ausweitung <strong>der</strong><br />

schulpsychologischen Dienste (vgl. Zhou u.a. im Interna0onal Handbook of School<br />

Psychology,2007)(Voigt, 2003).


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 25<br />

Israel, Peru<br />

Das gilt auch für an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong>, die bei PISA nicht so son<strong>der</strong>lich gut gewesen s<strong>in</strong>d, wie etwa<br />

Israel (Ste<strong>in</strong> u.a. im Interna0onal Handbook of School Psychology,2007), die als Reak0on auf<br />

die PISA Ergebnisse an <strong>der</strong> Ausweitung und Bündelung <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> arbeiten. In<br />

Israel wurde als Reak0on auf PISA e<strong>in</strong> „Ins0tute for Advanced Studies <strong>in</strong> School Psychology“<br />

gegründet. Auch Peru, <strong>der</strong> PISA-­‐Verlierer <strong>der</strong> ersten PISA-­‐Vergleichsstudie (letzter Platz)<br />

beschäIigt sich mit dem AuÑau e<strong>in</strong>es schulpsychologischen Dienstes, muss allerd<strong>in</strong>gs, da es<br />

sich ja hier um e<strong>in</strong> rela0v armes Land handelt, noch an den Grundlagen arbeiten und muss<br />

zunächst, ähnlich wie Israel auch, die universitäre Ausbildung von Schulpsychologen <strong>in</strong><br />

Angriff nehmen (Mer<strong>in</strong>o Soto u.a. im Interna0onal Handbook of School Psychology,2007).<br />

USA und Kanada<br />

In USA (Jimerson u.a. im Interna0onal Handbook of School Psychology,2007) und Kanada gibt<br />

es (Jordan, H<strong>in</strong>des, & Saklofske, 2009; Kaeser, 1991), wie schon berichtet, genügend, im<br />

Vergleich zu <strong>Deutschland</strong> deutlich mehr Schulpsychologen, die operieren, allerd<strong>in</strong>gs mit e<strong>in</strong>er<br />

sehr großen Spannbreite und unterschiedlichem Versorgungsgrad je nach Regionen dieser<br />

großen Flächenlän<strong>der</strong>. Die Sorge um e<strong>in</strong>e regionale Gleichversorgung zeigt aber <strong>in</strong>direkt, dass<br />

die <strong>Schulpsychologie</strong> als wich0g und effek0v e<strong>in</strong>geschätzt wird (Saklovske u.a. im<br />

Interna0onal Handbook of School Psychology, 2007). Auch f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> den hier genannten<br />

Untersuchungen wie<strong>der</strong>um zahlreiche H<strong>in</strong>weise auf das „Evidence-­‐Based Interven0on<br />

Movement“, <strong>in</strong> dessen Rahmen die <strong>Schulpsychologie</strong> e<strong>in</strong>e bedeutsame Rolle spielt.<br />

4.3. Innerdeutscher Vergleich -­‐ Nie<strong>der</strong>sachsen ist <strong>Deutschland</strong>s Schlusslicht<br />

Beim <strong>in</strong>terna0onalen Vergleich darf man nicht übersehen, dass <strong>Deutschland</strong> historisch e<strong>in</strong>e<br />

wich0ge Rolle bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Psychologie weltweit gespielt hat. Es geht hierbei<br />

nicht um den deutschsprachigen Österreicher Sigmund Freud als Urvater <strong>der</strong> Psychologie,<br />

son<strong>der</strong>n auch um Wilhelm Wundt o<strong>der</strong> Ernst Meumann als Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> experimentellen /<br />

bzw. pädagogischen Psychologie. Ende <strong>der</strong> achtziger Jahre des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts wurde <strong>in</strong><br />

Leipzig das erste psychologische Ins0tut weltweit gegründet. E<strong>in</strong> gravieren<strong>der</strong> Rückschlag für


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 26<br />

die Psychologie <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> geht auf die Na0onalsozialisten zurück, die die Psychologie<br />

für e<strong>in</strong>e „jüdische Spekula0on“ gehalten haben. Gewisse Ressen0ments, die historisch aus<br />

dieser Zeit <strong>in</strong> die Gegenwart transferiert worden s<strong>in</strong>d, kann man immer noch feststellen.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs haben sich die Na0onalsozialisten e<strong>in</strong>iger Branchen <strong>der</strong> Psychologie ohne Skrupel<br />

bedient: <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Test-­‐ und Selek0onspsychologie. Insgesamt aber lag die<br />

wissenschaIliche Psychologie nach dem zweiten Weltkrieg danie<strong>der</strong> und musste <strong>in</strong><br />

mühseligen und erst später, Ende <strong>der</strong> 60er, Anfang <strong>der</strong> 70er Jahre, rasanteren Schri=en<br />

wie<strong>der</strong> auf e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terna0onales Niveau gehoben werden.<br />

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er SchriI von Keller 1997 e<strong>in</strong>e<br />

Geschichte <strong>der</strong> deutschen <strong>Schulpsychologie</strong> vorgelegt worden ist, die im Jahr 1997 75 Jahre<br />

exis0erte, heute also im 88sten Jahr ist (Keller, 1997). Der erste deutsche Schulpsychologe<br />

war Hans Laemmermann, <strong>der</strong> im Dri=en Reich e<strong>in</strong>e gebrochene Biographie durchlebt hat.<br />

Die Neigung zu e<strong>in</strong>er gewissen Dom<strong>in</strong>anz <strong>der</strong> Diagnos0k <strong>in</strong> <strong>der</strong> frühen deutschen<br />

<strong>Schulpsychologie</strong> kann – das ist e<strong>in</strong>e Vermutung – aus dieser Zeit herrühren. Bereits 1990<br />

gab es e<strong>in</strong> Verzeichnis <strong>der</strong> schulpsychologischen Beratungsstellen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik und<br />

1991 wurde von Gangnus e<strong>in</strong>e Abhandlung zur <strong>Schulpsychologie</strong> <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

veröffentlicht (Gangnus, 1991).<br />

Es hat bislang nie daran gefehlt, dass die deutsche <strong>Schulpsychologie</strong> mit beachtlichen<br />

Publika0onen, oI angeregt auch durch den BDP, an die Öffentlichkeit getreten ist. So ist etwa<br />

das 2007 erschienene „Handbuch <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong>“ von Fleischer, Grewe, Jö=en ,<br />

Seifried und Sieland zu erwähnen, dass e<strong>in</strong>en Überblick über die Leistungen <strong>der</strong><br />

<strong>Schulpsychologie</strong> zum erfolgreichen Lehren und Lernen, etwa Begabungsför<strong>der</strong>ung,<br />

För<strong>der</strong>ung bei Lese-­‐ Rechtschreibschwäche, Klassenführung, Rechenschwäche, Schuldistanz,<br />

Gewaltpräven0on, Krisen<strong>in</strong>terven0on, Supervision und Qualitätsmanagement thema0siert<br />

(Fleischer, Grewe, Joe=en, Seifried, & Sieland, 2007). Zuvor gab es e<strong>in</strong> Buch über<br />

„<strong>Schulpsychologie</strong> konkret. E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> Handlungsfel<strong>der</strong> und Methoden“, das im Jahre<br />

2001 erschienen ist (Haer<strong>in</strong>g & Kowalczyk, 2001). In diesem wie <strong>in</strong> dem vorangegangen Werk<br />

wird ebenfalls noch e<strong>in</strong>mal über die Geschichte und Organisa0on <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong><br />

berichtet, auch über <strong>in</strong>terna0onale Vergleiche und e<strong>in</strong>e Vielzahl von <strong>in</strong>haltlichen Gebieten<br />

und Themen, <strong>in</strong> denen die <strong>Schulpsychologie</strong> mit effek0ven Methoden reüssiert hat.


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 27<br />

Abbildung 2: Innerdeutscher Ausbauvergleich: Schüler/<strong>in</strong>nen pro Schulpsychologe/g<strong>in</strong> <strong>in</strong> den<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n. Nie<strong>der</strong>sachsen ist Schlusslicht<br />

Selbstverständlich hat die <strong>Schulpsychologie</strong> auch e<strong>in</strong>ige Schwerpunktwandel <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Vergangenheit erlebt. Als Beispiel kann man hier Bayern nennen. Im Jahre 1993 erschien von<br />

Hermann Meid<strong>in</strong>ger e<strong>in</strong> Ar0kel, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e vermehrte Systemberatung als<br />

schulpsychologische Schwerpunktsetzung beschrieben wurde, im Jahre 2004 von Hoffmann<br />

u.a. wurden wie<strong>der</strong> stärker alltagsnahe Probleme als Aufgaben hervorgehoben, wie Lese-­‐<br />

Rechtschreibeschwäche, Krisen<strong>in</strong>terven0on und No]allpsychologie, Supervision,<br />

Schulentwicklung, ADS, Lehrergesundheit etc. Man kann, wenn man will, daraus lesen, dass<br />

die <strong>Schulpsychologie</strong>, wie das auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n beschrieben worden ist, e<strong>in</strong>e<br />

konkrete und klare Aufgabenstellung mit gesetzlicher Grundlage braucht, die ihren „Unique<br />

Sell<strong>in</strong>g-­‐Po<strong>in</strong>t“ im Kontext des Personals im Schul-­‐ und Bildungssystem deutlich macht. Was<br />

den quan0ta0ven Ausbau <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

<strong>Deutschland</strong> anbelangt, darf man schlicht davon ausgehen, dass Nie<strong>der</strong>sachsen zu den am<br />

schlechtesten ausgesta=eten Län<strong>der</strong>n mit schulpsychologischer Beratung gehört. Bezogen<br />

auf die Rela0on Schulpsychologe – Schüler liegt Nie<strong>der</strong>sachsen auf dem letzten Platz mit<br />

e<strong>in</strong>er Rela0on von


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 28<br />

1:26324<br />

(<strong>in</strong> Worten: e<strong>in</strong> Schulpsychologe auf sechsundzwanzigtausenddreihun<strong>der</strong>vierundzwanzig<br />

Schüler)<br />

, so die Zahlen des sta0s0schen Bundesamtes aus dem Jahre 2007, die vom BDP aufgrund<br />

auch von Rückfragen im Jahre 2008 noch e<strong>in</strong>mal bestä0gt worden s<strong>in</strong>d. Die nächst schlecht<br />

ausgesta=eten Bundeslän<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d Thür<strong>in</strong>gen und Baden-­‐Wür=emberg sowie Schleswig-­‐<br />

Holste<strong>in</strong>, aber immerh<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>er deutlich ger<strong>in</strong>geren Rela0on. Das Gros <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />

liegt zwischen 1:14000, Rhe<strong>in</strong>land-­‐Pfalz und Hamburg mit 1:5491.<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen hat danach so wenig Schulpsychologen wie ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Industriestaat<br />

Europas, ja <strong>der</strong> Welt. Alle Län<strong>der</strong>, die Schulpsychologen haben, haben e<strong>in</strong>e bessere<br />

Rela&on.<br />

Als Zielmarke kann vorübergehend das Erreichen <strong>der</strong> Normalität <strong>der</strong> Aussta=ung<br />

schulpsychologischer Beratungsdienste dienen. Die extrem schlechte Aussta=ung des Landes<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen zeichnete sich vor Jahren bereits ab und hat sich <strong>in</strong> den letzten Jahren noch<br />

weiter verschlechtert. Wie e<strong>in</strong>e Quelle aus Baden-­‐Wür=emberg aus den frühen 2000er<br />

Jahren dokumen0erte (dort wurde anlässlich e<strong>in</strong>er Anfrage auch e<strong>in</strong> Län<strong>der</strong>vergleich<br />

durchgeführt), war Nie<strong>der</strong>sachsen bereits damals bei den Schlusslichtern. Baden-­‐<br />

Wür=emberg lag ebenfalls schlecht, hat aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zwischenzeit deutlich aufgeholt. Das gilt<br />

auch für Län<strong>der</strong> wie Nordrhe<strong>in</strong>-­‐Wes]alen, <strong>in</strong> denen die Landesregierung seit 2005 verstärkt<br />

<strong>in</strong> die E<strong>in</strong>richtung von schulpsychologischen Beratungsstellen <strong>in</strong>ves0ert.<br />

Solche Rela0onen müssen natürlich auch rechnerisch betrachtet werden. Die Rela0on<br />

1:26324 ergibt sich, wenn man die besetzten Planstellen (nach den Daten des Jahres 2007<br />

<strong>in</strong>sgesamt 48) durch die Schülerzahlen an den allgeme<strong>in</strong> bildenden und beruflichen Schulen<br />

dividiert. Würde man die Planstellen des Landes Nie<strong>der</strong>sachsen für Schulpsychologen,<br />

nämlich 61, als Divisor nehmen, würde sich die Rela0on bereit auf 1:20713 reduzieren.<br />

Gemessen am <strong>in</strong>terna0onal wünschenswerten Schni= (vgl. BDP) von e<strong>in</strong>er Rela0on 1:5000<br />

würde e<strong>in</strong>e Zahl von 252 besetzten Planstellen für Schulpsychologen erfor<strong>der</strong>lich se<strong>in</strong>.


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 29<br />

Damit wäre immer noch nicht die Dichte <strong>der</strong> Aussta=ung mit Schulpsychologen<br />

beispielsweise des Landes F<strong>in</strong>nland erreicht.<br />

Im <strong>in</strong>terna0onalen Vergleich (siehe oben) liegt Nie<strong>der</strong>sachsen als Region noch weit h<strong>in</strong>ter<br />

Ch<strong>in</strong>a auf dem letzten Platz <strong>der</strong> durch die ISPS erfassten Län<strong>der</strong>, d.h. die Aussta=ung mit<br />

Schulpsychologen ist <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen schlechter als <strong>in</strong> Albanien, Estland, Zypern, Georgien<br />

o<strong>der</strong> den Arabischen Emiraten und liegt weit h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> Aussta=ung <strong>der</strong> Industriestaaten mit<br />

schulpsychologischen Beratungsdiensten. Beson<strong>der</strong>s pe<strong>in</strong>lich: e<strong>in</strong>er Studie von Berg (1985)<br />

zufolge ha=e Nie<strong>der</strong>sachsen damals 79 Planstellen für SchulpsychologInnen -­‐ heute nur 61<br />

(Berg, 1985).<br />

Wie auch Anfang <strong>der</strong> zweitausen<strong>der</strong> Jahre <strong>in</strong> Baden-­‐Wür=emberg (s.o) bei e<strong>in</strong>er<br />

entsprechenden Parlamentsanfrage argumen0ert wurde, habe man ja e<strong>in</strong> ausgedehntes<br />

Beratungslehrersystem. Auch Nie<strong>der</strong>sachsen kann darauf verweisen, dass ungefähr 1500<br />

BeratungskräIe ak0v s<strong>in</strong>d, von denen sich e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Teil, rund 190, auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Berufsverband VBN organisiert haben.<br />

Wie bei dem <strong>in</strong>terna0onalen Vergleich bereits mehrfach deutlich gemacht worden ist, s<strong>in</strong>d<br />

Beratungslehrer <strong>in</strong> allen Län<strong>der</strong>n tä0g und sie haben e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Schwerpunkt als<br />

Schulpsychologen. Man kann nicht Beratungslehrer mit Schulpsychologen aufrechnen, das ist<br />

e<strong>in</strong> fundamentales Missverständnis und es kann nur erklärt werden mit e<strong>in</strong>em pla=en<br />

Vorurteil, etwa nach dem Mo=o, dass das bisschen Psychologie auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Abendkursen<br />

erworben werden kann. Dem ist nicht so. In allen Län<strong>der</strong>n wird disku0ert und organisiert,<br />

dass Schulpsychologen e<strong>in</strong>e anspruchsvolle universitäre Ausbildung haben müssen, um ihre<br />

Aufgaben zum Wohle des gesamten Schul-­‐ und Bildungssystems erfolgreich ausüben zu<br />

können.<br />

4.4. Bewertungen <strong>der</strong> schulpsychologischen Situa&on durch Verbände<br />

Es kann nicht wun<strong>der</strong>n, dass alle Verbände und Verantwortlichen, die über die Details des<br />

Unterschiedes zwischen Schulpsychologen und Beratungslehrern <strong>in</strong>formiert s<strong>in</strong>d, die die<br />

<strong>in</strong>terna0onale Situa0on kennen und die mit den Problemen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen im


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 30<br />

Alltag konfron0ert s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>en dr<strong>in</strong>genden und zügigen qualita0v hochwer0gen Ausbau <strong>der</strong><br />

schulpsychologischen Beratung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik for<strong>der</strong>n.<br />

Auch dieses Gutachten schließt sich vehement diesen For<strong>der</strong>ungen an. Ob sie von den<br />

PolizeigewerkschaIen kommen (Konrad Freiberg: Schulpsychologen gehören <strong>in</strong> jede Schule)<br />

o<strong>der</strong> von Lehrerverbänden: Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes Josef Kraus sagte,<br />

<strong>der</strong>zeit müsse „e<strong>in</strong> Psychologe im Schni= 10000 Schüler betreuen, das kann nicht<br />

funk0onieren“ -­‐ wir fügen h<strong>in</strong>zu, dass die Situa0on <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen noch mehr als doppelt<br />

so schlecht ist. Auch <strong>der</strong> Philologenverband und an<strong>der</strong>e Lehrerverbände haben sich hier<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Anschluss an Amokläufe <strong>in</strong> W<strong>in</strong>nenden und an<strong>der</strong>en Orten <strong>in</strong> dieser Art und<br />

Weise geäußert. Die Schulm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Barbara Sommer <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-­‐Wes]alen, die schon vor<br />

ihrer poli0schen Arbeit eng mit dem schulpsychologischen Dienst <strong>der</strong> Stadt Gütersloh<br />

zusammengearbeitet hat und die Leistung <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> aus eigener Erfahrung kennt,<br />

vermutet, dass für Nordrhe<strong>in</strong>-­‐Wes]alen 1000 Experten notwendig seien, sie glaube zwar<br />

nicht, dass jede Schule e<strong>in</strong>en eigenen Psychologen benö0ge, wie das etwa <strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland<br />

angestrebt wird, son<strong>der</strong>n sie me<strong>in</strong>t, „e<strong>in</strong>e Zielmarke wäre es für mich aber, wenn wir für<br />

jeweils drei bis vier unserer weiterführenden Schulen e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Psychologen<br />

hä=en, <strong>der</strong> sich vierzig Stunden pro Woche um die Probleme an diesen Schulen kümmern<br />

könnte“.<br />

Selbstverständlich s<strong>in</strong>d Fragen <strong>der</strong> poli0schen Realisierung und vor allen D<strong>in</strong>gen F<strong>in</strong>anzierung<br />

nicht Gegenstand dieses Gutachtens.<br />

Gegenstand dieses Gutachtens ist <strong>der</strong> <strong>in</strong>terna0onale Vergleich und <strong>der</strong> sieht für <strong>Deutschland</strong><br />

und für Nie<strong>der</strong>sachsen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e sehr ungüns0g aus. Hier fehlt e<strong>in</strong>e rich0ge<br />

professionelle schulpsychologische Infrastruktur zur Behebung von Problemen <strong>der</strong> Schüler,<br />

Eltern und Lehrer. Für Elternverbände ist die Frage, wer sich um die K<strong>in</strong><strong>der</strong> kümmert, rela0v<br />

undurchsich0g, deswegen wird häufig gefor<strong>der</strong>t, dass die Lehrer <strong>in</strong> die Lage versetzt werden<br />

müssten, problema0sche psychische Entwicklungen bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen früher zu<br />

erkennen. Das geht allerd<strong>in</strong>gs nur, wenn man e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive<br />

anspruchsvolle Ausbildung im Bereich <strong>der</strong> psychologischen Diagnos0k erworben hat.<br />

Sicherlich ist es, das schreibe ich als Hochschullehrer, <strong>der</strong> sich während se<strong>in</strong>er Dienstzeit<br />

immer sehr stark für die psychologische Ausbildung von Sozialarbeitern, Diplompädagogen<br />

und Lehrern e<strong>in</strong>gesetzt hat, dass e<strong>in</strong>e psychologische Ausbildung für Lehrer unverzichtbar ist,


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 31<br />

sie aber e<strong>in</strong> Diplompsychologiestudium o<strong>der</strong> Masterstudium Psychologie heute nicht<br />

ersetzen kann. (vgl. Kapitel XY). Aus dem Land Nie<strong>der</strong>sachsen, aus den Kommunen s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong><br />

und wie<strong>der</strong> auch Anfragen <strong>der</strong> unterschiedlichsten Parteien zur schulpsychologischen<br />

Versorgung bekannt geworden, so z.B. auch aus Osnabrück, die allesamt e<strong>in</strong>en Tenor haben:<br />

Ausbau des schulpsychologischen Dienstes.<br />

Die Berufsverbände <strong>der</strong> drei <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen <strong>in</strong> <strong>der</strong> schulischen Beratung arbeitenden<br />

Berufsgruppen <strong>Schulpsychologie</strong>, BeratungslehrkräIe und Schulsozialarbeit und das Ins0tut<br />

für Psychologie <strong>der</strong> Universität Hildesheim, unter <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>sächsischen<br />

Beratungslehrer-­‐Weiterbildung, haben sich im übrigen <strong>in</strong>tensiv auch mit e<strong>in</strong>em Konzept für<br />

die schulpsychologischen Beratungen und Beratungslehrersystemen beschäIigt und<br />

kommen unter an<strong>der</strong>em zu <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Feststellung: „Die Bereitstellung e<strong>in</strong>es<br />

wirksamen Beratungs-­‐ und Unterstützungssystems bleibt e<strong>in</strong>e staatliche Aufgabe. Es darf<br />

nicht von <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Situa0on <strong>der</strong> Eltern o<strong>der</strong> dem Jahresetat e<strong>in</strong>er Schule abhängen,<br />

ob Schüler <strong>in</strong> schwierigen Situa0onen professionelle Hilfe <strong>in</strong> Anspruch nehmen können o<strong>der</strong><br />

nicht.“ Die Berufsverbände plädieren für Beratungsteams unter Aufsicht des<br />

Schulpsychologen. Genau dieses wird <strong>in</strong>terna0onal ähnlich gemacht, aber mit e<strong>in</strong>er deutlich<br />

größeren Dichte von Schulpsychologen.<br />

5. Allgeme<strong>in</strong>e und beson<strong>der</strong>e Aufgaben schulpsychologischer Beratung – was<br />

tun Schulpsychologen?<br />

Zusammenfassung Kapitel 5<br />

Erwartungsgemäss unterscheiden sich die Aufgaben <strong>der</strong> Schulpsychologen weltweit und auch<br />

na


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 32<br />

Befähigung zur Teilhabe am <strong>in</strong>terna


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 33<br />

So hat etwa Peter Farell von <strong>der</strong> Universität Manchester im Jahre 2005 beschrieben, dass<br />

Schulpsychologen h<strong>in</strong> und wie<strong>der</strong>, um Schwierigkeiten zu vermeiden, ihre Maßnahmen nur<br />

an das K<strong>in</strong>d adressieren, und zwar wi<strong>der</strong> besseres Wissen, da ihnen die gesetzlichen<br />

Grundlagen fehlen, auch Lehrer im Kontext und Zusammenhang mit e<strong>in</strong>em bes0mmten Fall<br />

zu beraten bzw. zur Koopera0on anzuregen (P. Farrell, 2004, 2005) . In <strong>der</strong> Schweiz zeigt Willi<br />

Ruoss (1997), dass das Berufsbild des Schulpsychologen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz genauer def<strong>in</strong>iert<br />

werden muss. Er favorisiert das sogenannte „deutsche Modell“ und f<strong>in</strong>det die scharfe<br />

Herausarbeitung des Berufsbildes durch e<strong>in</strong>e Beschränkung auf Verhaltens-­‐ und<br />

Lernprobleme von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule s<strong>in</strong>nvoll (Ruoss, 1997) . Roland<br />

Storath und Peter Dillich (1998) von <strong>der</strong> Schulberatungsstelle <strong>in</strong> Nürnberg karikieren die<br />

Gratwan<strong>der</strong>ung des Schulpsychologen zwischen den Problemfel<strong>der</strong>n, die er durch die<br />

Beratung und Untersuchung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des tangiert. Dabei prallen sehr unterschiedliche,<br />

manchmal auch nicht kompa0ble Anfor<strong>der</strong>ungen an den Schulpsychologen aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

(Storath & Dillig, 1998). Auch Liermann (2003) von <strong>der</strong> Bildungs-­‐ und Schulberatung des<br />

Kreises Gütersloh analysiert e<strong>in</strong> differenziertes und breites Arbeitsfeld von <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>zelfallberatung bis zur Arbeit mit <strong>der</strong> Gesamtorganisa0on Schule. Es kann sich um<br />

Diagnos0k von E<strong>in</strong>zelfällen handeln, aber auch um Systemberatung (Liermann, 2003).<br />

Markus Hartmeier (2007) beklagt gar die Fixierung <strong>der</strong> Schulpsychologen auf die Lösung von<br />

Problemen und Fehlverhaltensweisen. Er mahnt an, dass zur Verbesserung des Schul-­‐ und<br />

Bildungssystems auch e<strong>in</strong>e Orien0erung auf Ressourcen, auf Stärken, e<strong>in</strong>e<br />

Stärkenorien0erung, sowohl bezogen auf das System Schule als auch auf Eltern und K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

notwendig ist (Hartmeier, 2007).<br />

Man sieht an diesen Beispielen, dass die ursprüngliche Konzep0on e<strong>in</strong>es Schulpsychologen<br />

als Fachmann für schwierige Fälle durch die prak0sche Arbeit erweitert wird <strong>in</strong> Richtung<br />

Präven&on, System-­‐ und Personalentwicklung.<br />

Daraus folgen Vernetzungsaufgaben: E<strong>in</strong>e Studie aus <strong>der</strong> Schweiz (Morena Inaebit) erkennt,<br />

dass durch die Vielzahl <strong>der</strong> Problemfel<strong>der</strong>, die durch die Arbeit des Schulpsychologen tangiert<br />

werden, zahllose Vernetzungsaufgaben auf diesen Beruf zukommen, z.B. die Vernetzung <strong>der</strong><br />

Interessen verschiedener Systempartner, von Fachpersonen und Ins0tu0onen, von Poli0k<br />

und Dienstleistung an <strong>der</strong> Schule, von WissenschaI und Praxis (Inaebnit, 2007). R<strong>in</strong>gbeck<br />

(1989) for<strong>der</strong>te ebenfalls e<strong>in</strong>e Intensivierung <strong>der</strong> Zusammenarbeit, nicht nur mit Lehrern,<br />

son<strong>der</strong>n auch mit an<strong>der</strong>en Professionen (R<strong>in</strong>gbeck, 1990).


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 34<br />

Man könnte abwarten, wie sich <strong>in</strong>terna0onal die RollenauIeilung und die Rollenklärung <strong>der</strong><br />

Schulpsychologen entwickeln. Das macht nur par0ell S<strong>in</strong>n. E<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> Na0onen (s. Kapitel 4)<br />

ist dabei, e<strong>in</strong>en schulpsychologischen Beratungsdienst aufzubauen und orien0ert sich an den<br />

Staaten, die e<strong>in</strong>e bereits hervorragende Infrastruktur <strong>der</strong> schulpsychologischen Arbeit<br />

organisiert haben (z.B. F<strong>in</strong>nland o<strong>der</strong> USA). Zu diesen Na0onen gehört <strong>Deutschland</strong> noch<br />

lange nicht. Aber auch <strong>in</strong> diesen Staaten ist die Frage <strong>der</strong> Zusammenarbeit und des<br />

Zusammenwirkens aller, die am Wohl des K<strong>in</strong>des <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d, h<strong>in</strong> und wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />

Problem, weil Zusammenarbeit nicht e<strong>in</strong>fach verordnet werden kann, son<strong>der</strong>n am besten mit<br />

e<strong>in</strong>er klaren Aufgabenteilung e<strong>in</strong>hergeht. Diese wie<strong>der</strong>um gerät <strong>in</strong> die Egoismen<br />

unterschiedlicher Standes-­‐ und Berufsverbände und stellt sich als e<strong>in</strong> oImals schwieriger<br />

und kompromisshal0ger Aushandlungsprozess zwischen unterschiedlichen<br />

Interessengruppen dar.<br />

E<strong>in</strong>e solche Frage muss die Poli0k dann lösen und aufgrund von entsprechenden<br />

Erfahrungen, die mit irgende<strong>in</strong>er dieser organisatorischen Lösungen gemacht wird, muss<br />

e<strong>in</strong>e Entscheidung über das gedeihliche Zusammenwirken <strong>der</strong> verschiedenen Professionen<br />

getroffen werden.<br />

Auch das nie<strong>der</strong>sächsische Schulgesetz enthält Passagen über die Aufgaben <strong>der</strong><br />

Schulpsychologen, die an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden müssen.<br />

In <strong>der</strong> <strong>in</strong>terna0onalen Literatur werden die Aufgaben <strong>der</strong> Schulpsychologen zum e<strong>in</strong>em als<br />

Beratung,<br />

Evalua&on,<br />

Interven&on,<br />

Präven&on,<br />

Forschung und Planung<br />

bezeichnet (NASP www.naspol<strong>in</strong>e.org). Es wird erkannt (Benyam<strong>in</strong>i, 1982 „The four clients of<br />

school psychology, <strong>in</strong> School psychology <strong>in</strong>terna0onal), dass Schulpsychologen mit vier<br />

Klienten arbeiten,<br />

dem K<strong>in</strong>d,<br />

dem Lehrer,<br />

<strong>der</strong> Schule unter dem Gesichtspunkt Probleme<br />

<strong>der</strong> Schule unter dem Gesichtspunkt Ressourcen.


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 35<br />

Aus Selbstbeschreibungen <strong>der</strong> Schulpsychologen kann man auch auf sta0s0schem Wege<br />

(über so genannte Faktorenanalysen) zu Rollenbeschreibungen kommen. Von Peterson<br />

(2001) stammt e<strong>in</strong>e solche Faktorenanalyse:<br />

1. Der Schulpsychologe als Gladiator und poli0scher Kämpfer für e<strong>in</strong> besseres Schulsystem.<br />

2. Der Schulpsychologe als Koopera0onspartner.<br />

3. Der Schulpsychologe als Interven0onist, <strong>der</strong> Maßnahmen <strong>in</strong> Krisen ergreiI.<br />

4. Der Schulpsychologe als Techniker und Methodiker für diagnos0sche und Testprobleme.<br />

5. Der Schulpsychologe als Schülerorien0erter Advokat.<br />

Er setzt sich <strong>in</strong> dieser letzten Rolle für das K<strong>in</strong>d, das M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenk<strong>in</strong>d und für K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die im<br />

Schniàeld verschiedener Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong> (Peterson, 2001). E<strong>in</strong>e ähnliche<br />

Rollenbezeichnung hat e<strong>in</strong>e Studie von Mitcham u.a. (2009) erbracht. Dort wird <strong>der</strong><br />

Schulpsychologe als<br />

Advokat,<br />

als Champion <strong>der</strong> sozialen Gerech0gkeit,<br />

als Agent des sozialen Wandels und<br />

als städ0scher Schulberater<br />

beschrieben, <strong>der</strong> marg<strong>in</strong>alisierte Schüler, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e solche mit Schwierigkeiten berät und<br />

ihnen hilI (Mitcham, Portman, & Dean, 2009).<br />

Der BDP hat ebenso wie die ISPA, die entsprechende <strong>in</strong>terna0onale Organisa0on <strong>der</strong><br />

schulpsychologischen Berufsverbände, die Aufgaben und Rollenverständnisse stets formuliert<br />

und aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abges0mmt. Selbstverständlich geht es um Koopera0on, selbstverständlich<br />

helfen Schulpsychologen Schulen und Lehrern und natürlich K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Eltern und ihren<br />

Familien.


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 36<br />

Im E<strong>in</strong>zelnen 7. Aufgabenfel<strong>der</strong><br />

lauten die Empfehlungen des BDP (2008) wie folgt:<br />

<strong>Schulpsychologie</strong> unterstützt und berät E<strong>in</strong>zelne und Gruppen<br />

• die Schule als System und Institution des Lernens, Lehrens und Erziehens<br />

• Lehrerkollegien und Schulklassen<br />

• Schüler, Eltern, Lehrkräfte, Schulleitungen und Schulaufsicht<br />

<strong>Schulpsychologie</strong> unterstützt bei Fragen, die sich aus dem Lehren und Lernen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule ergeben<br />

• Lern-, Entwicklungs- und Verhaltensproblemen von Schülern<br />

• För<strong>der</strong>ung <strong>in</strong>dividueller Begabungen<br />

• Entwicklung von För<strong>der</strong>plänen und För<strong>der</strong>maßnahmen<br />

• Bewältigung von Krisen<br />

• Weiterentwicklung <strong>der</strong> Professionalität und Persönlichkeit <strong>der</strong> Lehrkräfte<br />

• Schulentwicklung und Organisationsberatung<br />

• Stärkung <strong>der</strong> Selbst-Kompetenz, <strong>der</strong> Sozial-Kompetenz und <strong>der</strong> Methoden-Kompetenz<br />

von Lehrenden und Lernenden<br />

<strong>Schulpsychologie</strong> unterstützt im schulischen Kontext die<br />

• Information und Beratung <strong>der</strong> Öffentlichkeit und <strong>der</strong> Politik zu Fragen <strong>der</strong> Erziehung,<br />

Bildung und Schulentwicklung im schulischen Kontext<br />

• Entwicklung von präventiven Maßnahmen <strong>in</strong> Schulen<br />

• Maßnahmen zur Fortbildung und zum Erhalt <strong>der</strong> Gesundheit von Lehrkräften<br />

Die Empfehlungen des BDP orien0eren sich bereits an den <strong>in</strong>terna0onalen Vere<strong>in</strong>barungen<br />

8. For<strong>der</strong>ungen und Ziele<br />

<strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

<strong>der</strong> ISPA. In e<strong>in</strong>em direkten Vergleich werden die Unterstützungsfunk0onen für Schulen und<br />

Lehrer -­‐ wie auch für K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Eltern und Familien hervorgehoben. In e<strong>in</strong>er ausführlichen<br />

Beschreibung im ispaweb.org werden neben den Qualifika0onen <strong>der</strong> Schulpsychologen<br />

Schulpsycholog<strong>in</strong>nen und Schulpsychologen benötigen für ihre Arbeit gesetzliche, organisatorische und<br />

(siehepersonelle Kapitel Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, 7) die Unterstützungsleistungen die <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Bundeslän<strong>der</strong>n fürbisher das sehr unterschiedlich umgesetzt<br />

s<strong>in</strong>d. Grundsätzlich notwendig ist:<br />

• assessment die gesetzliche (Bewertung, Verankerung Beurteilung, <strong>in</strong> den Schulgesetzen Diagnos0k), <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />

• dieverschiedenenFormen<strong>in</strong>dividuellerundkollek0verInterven&onen e<strong>in</strong>e Personalausstattung nach <strong>in</strong>ternationalen Standards mit dem Ziel e<strong>in</strong>er Versorgung bis h<strong>in</strong> zur<br />

bis 2010 bundesweit mit e<strong>in</strong>em Schulpsychologen für 5.000 Schüler (vgl. KMK-Vere<strong>in</strong>barung<br />

System<strong>in</strong>terven0on von 1974), bis 2015 und für 1.000 <strong>der</strong> therapeu0schen Schüler o<strong>der</strong> 1 Schulpsychologe auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en für höchstens Seite, 5 Schulen<br />

• e<strong>in</strong>e den Anfor<strong>der</strong>ungen entsprechende Sach- und Materialausstattung (beispielsweise mit<br />

dieBeratungsleistungen,<br />

psychologischen Testverfahren)<br />

• dieOrganisa&onsentwicklung,<br />

e<strong>in</strong>e Organisationsstruktur, die die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> aufgeführten Grundlagen,<br />

Arbeitspr<strong>in</strong>zipien und Qualitätsstandrads sicherstellt<br />

sowiedieVerb<strong>in</strong>dungzurForschung<br />

thema0siert.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> auch <strong>in</strong>terna0onal beschriebenen Qualifika0onen wird die <strong>Schulpsychologie</strong><br />

hiermit zu dem zentralen Konzentra0onspunkt für jegliche Form <strong>der</strong> evidenzbasierten<br />

Interven0onen. Die Zeit ist vorbei, dass man z.B. die diagnos0sche Kompetenz von Lehrern<br />

auf das Niveau von DiplomPsychologen heben könnte, o<strong>der</strong> erwarten dürIe, dass bei <strong>der</strong><br />

Auswahl von Programmen an Schulen (z.B. An0 Gewalt Programme, Programme gegen<br />

<strong>Schulpsychologie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 6


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 37<br />

Mobb<strong>in</strong>g) e<strong>in</strong>e sichere Beurteilung ohne sta0s0sche Kenntnisse <strong>der</strong> Versuchsplanung<br />

möglich wäre. Hierzu müssen Psychologen h<strong>in</strong>zugezogen werden.<br />

5.2. Beson<strong>der</strong>e Aufgaben und Rollen <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong><br />

Betrachtet man die <strong>in</strong>terna0onale Literatur zur <strong>Schulpsychologie</strong> und zum Arbeitsfeld <strong>der</strong><br />

Schulpsychologen, so kann man <strong>der</strong>en Aufgaben auch durch ganz konkrete Themen angeben.<br />

Diese reichen von <strong>der</strong> Hochbegabung zur M<strong>in</strong><strong>der</strong>begabung, von <strong>der</strong> Betreuung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

frisch geschiedener Eltern, von <strong>der</strong> Vorschulerziehung über die Betreuung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die<br />

Todesfälle erlebt haben, über Beziehungsverschlechterungen <strong>in</strong> Schulklassen zu allgeme<strong>in</strong>en<br />

Untersuchungen für alle Schüler. Vom so genannten Screen<strong>in</strong>g, zur Frühdiagnose, zum<br />

Diabetesmanagement, zur Lösung mul0kultureller Probleme. Sehr viele Studien beschäIigen<br />

sich mit dem E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Schulpsychologen bei Gewalt, Amoklauf, Migra0onsproblemen,<br />

soziometrischen Problemen <strong>in</strong> Schulklassen, die die Voraussetzung für e<strong>in</strong> effek0ves<br />

Management von Mobb<strong>in</strong>gfällen s<strong>in</strong>d, mit <strong>der</strong> Behandlung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die Kriegserlebnisse<br />

gehabt haben, mit <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aus Armutsfamilien, Absen0smus, Diagnosen<br />

<strong>in</strong> jeglicher H<strong>in</strong>sicht, mit Cyber-­‐Mobb<strong>in</strong>g, Bully<strong>in</strong>g und Mobby<strong>in</strong>g, die mehrfach genannt<br />

werden.Weitere Themen: Inklusion als Thema, Wutmanagement o<strong>der</strong> Anger-­‐Management,<br />

Krisenpräven0on o<strong>der</strong> Krisen<strong>in</strong>terven0on, sozial-­‐emo0onales Lernen usw.<br />

Es s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>deu0g Aufgaben, die nichts mit dem schulischen Lernen zu tun haben und die<br />

deswegen das Arbeitsgebiet <strong>der</strong> Lehrer, Beratungslehrer, aber auch <strong>der</strong> Schulsozialarbeiter<br />

nicht tangieren. Die Schulsozialarbeit hat eigene Methoden <strong>der</strong> Gestaltung von freier Zeit<br />

und sie ist nicht für die hier genannten Fälle direkt zuständig. Mit ihnen<br />

zusammenzuarbeiten ist sicherlich s<strong>in</strong>nvoll, aber Schulsozialarbeit und Beratungslehrer<br />

ersetzen Schulpsychologen nicht.<br />

5.3. Abgrenzung <strong>der</strong> schulpsychologischen Kompetenz von an<strong>der</strong>en<br />

Kompetenzen<br />

Die generelle Ausbildungs-­‐ und Fortbildungsstrukturen von Schulpsychologen,<br />

Beratungslehrern und Sozialarbeitern s<strong>in</strong>d grundsätzlich unterschiedlich. Alle drei Berufe<br />

haben e<strong>in</strong> unterschiedliches universitäres Curriculum zu absolvieren, für Beratungslehrer und<br />

Schulsozialarbeiter ist Psychologie nur e<strong>in</strong> immer <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund gedrängtes Nebenfach.<br />

Aus diesem Grunde, wegen <strong>der</strong> Begrenzung <strong>der</strong> psychologischen Kompetenz <strong>in</strong> <strong>der</strong>


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 38<br />

Ausbildung von Beratungslehrern und Schulsozialarbeitern auf Nebenfachniveau, können<br />

diese Berufe schulpsychologische Kompetenz nicht ersetzen.<br />

Interessant ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang e<strong>in</strong>e Studie aus dem Jahre 2004 von Nickerson und<br />

Zhe (2004), die die Rolle <strong>der</strong> Schulpsychologen <strong>in</strong> verschiedenen Aufgabenfel<strong>der</strong>n untersucht<br />

haben. Mit e<strong>in</strong>em doch ziemlich überraschenden Ergebnis (Nickerson & Zhe, 2004). So wurde<br />

<strong>in</strong> dieser Studie untersucht: die Arbeit <strong>in</strong> Krisenteams, im Anger-­‐Management, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Konfliktlösung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gewalt-­‐ und Suizidpräven0on, <strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong>forma0on, über Krisen <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>dividuellen Hilfe, <strong>der</strong> psychologischen Ersthilfe, <strong>der</strong> Nachbereitung von Familien und<br />

Schülern nach Krisen, die Konstruk0on von elterlichen Selbsthilfegruppen usw.. Interessant<br />

und überraschend ist, dass die Psychologen,<br />

1.<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Implementa&on dieser Maßnahmen leisten.<br />

2. Dass sie solche Maßnahmen entwickeln und<br />

3.solche Maßnahmen evaluieren.<br />

Das betraf <strong>in</strong> dieser Studie <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e gewalthal0ge Krisen und Gewaltausbrüche etc. Das<br />

heißt also, die Rolle <strong>der</strong> Schulpsychologen im Verhältnis zu Lehrern, Schulsozialarbeitern und<br />

an<strong>der</strong>en ist vorrangig e<strong>in</strong>e Implementa0onsrolle, aber auch die Entwicklungsarbeit von<br />

Programmen bzw. <strong>der</strong>en Evalua0on und Kontrolle, obliegt ihnen. Man könnte auch sagen,<br />

das anschließende Qualitätsmanagement wird von Schulpsychologen übernommen.<br />

Wie schon an an<strong>der</strong>er Stelle mehrfach erwähnt worden ist, sollen Beratungslehrer <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>terna0onalen Literatur stärker auf das akademische Leistungsvermögen <strong>der</strong> Schüler<br />

E<strong>in</strong>fluss nehmen. Sie werden <strong>in</strong> Programmen e<strong>in</strong>gesetzt, die man als Nachhilfe bzw.<br />

Son<strong>der</strong>för<strong>der</strong>ung bezeichnen könnte, <strong>der</strong> Hilfe für milieugeschädigte K<strong>in</strong><strong>der</strong> im Lernen, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Steigerung <strong>der</strong> Mo0va0on für schulische Leistung usw. Das heißt, e<strong>in</strong> Beratungslehrer wird<br />

darauf angewiesen se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> guter Lehrer mit fachdidak0schen und fachwissenschaIlichen<br />

Kenntnissen zu se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf Effizienz und Wirksamkeit des schulischen<br />

Lernens <strong>der</strong> Schüler, <strong>der</strong> Lehrer und <strong>der</strong> Familien kümmern könnte. Auch im Rahmen dieser<br />

Beratungslehrertä0gkeit kommt es <strong>der</strong> <strong>in</strong>terna0onalen Literatur zufolge ohne weiteres auch<br />

darauf an, mit Eltern, Lehrern und an<strong>der</strong>en Erziehungsberech0gten über schulische Karrieren<br />

zu sprechen, es wird dieses <strong>in</strong>dividuell o<strong>der</strong> auch <strong>in</strong> Gruppen getan, es wird Bezug<br />

genommen auf <strong>Schulpsychologie</strong> und an<strong>der</strong>e Professionen, es wird die Hilfe <strong>der</strong><br />

Gleichaltrigen organisiert etc. O<strong>der</strong> -­‐e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Zusammenstellung akzentuiert auch noch


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 39<br />

die Hilfe bei Übergängen im Schulsystem, für die Beratungslehrer mit Sicherheit die bessere<br />

Qualifika0on haben.<br />

Es kann nicht se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e HaupYachkompetenz durch e<strong>in</strong>e Nebenfachkompetenz <strong>in</strong><br />

Psychologie ersetzt werden kann. E<strong>in</strong> NC – Studium ist die Psychologie seit den 70er Jahren,<br />

d.h. dass die Studierenden <strong>in</strong> diesen Fächern mit e<strong>in</strong>em erheblich komplexen und<br />

schwierigen Forschungsgegenstand konfron0ert werden und dass sie <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, die Fortschri=e <strong>der</strong> WissenschaI <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachliteratur zu verfolgen und auf ihre<br />

Relevanz für den prak0schen Alltag zu überprüfen. Diese Fähigkeit wird bei Sozialarbeitern<br />

und auch bei Beratungslehrern nicht geför<strong>der</strong>t. Nur <strong>der</strong> Schulpsychologe ist bei den<br />

gegenwär0gen Ausbildungs<strong>in</strong>halten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, e<strong>in</strong>en Anschluss an<br />

die <strong>in</strong>terna0onale empirisch-­‐psychologische Forschung zu halten. Daraus ergibt sich se<strong>in</strong>e<br />

beson<strong>der</strong>e Kompetenz für die Aufgaben, die <strong>in</strong> diesem Kapitel <strong>in</strong> ihrer Breite und<br />

Differenziertheit angeschni=en worden s<strong>in</strong>d.<br />

6. Interna&onale EffekYorschung zur Schul-­‐ und Beratungspsychologie –<br />

welche Effekte erzielen Schulpsychologen und –psycholog<strong>in</strong>nen?<br />

Zusammenfassung Kapitel 6<br />

Die Bedeutung <strong>der</strong> Effekporschung hat unter dem <strong>in</strong>terna


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 40<br />

an<strong>der</strong>e, die schlechter abschneiden, wie z.B. die USA, auch e<strong>in</strong>e wesentlich bessere.Es wird<br />

also zunächst dargelegt, dass auf <strong>der</strong> Grundlage neuester Untersuchungen und strengster<br />

Bewertungskriterien (also z.B. abzüglich <strong>der</strong> Spontanremissionen) <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> und auch<br />

<strong>in</strong>terna


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 41<br />

Beratungslehrern, allerd<strong>in</strong>gs kaum welche über die Wirkung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung von Social-­‐<br />

Workers, und bei den Schulpsychologen weltweit überwiegend H<strong>in</strong>weise darauf, dass<br />

E<strong>in</strong>zelmaßnahmen <strong>in</strong> ihrer Effizienz empirisch gesichert s<strong>in</strong>d.<br />

Den Druck, <strong>der</strong> auch <strong>in</strong> USA und an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n auf den Effizienznachweis gelegt wird,<br />

kann man daran erkennen, dass z.B. England die Campbell Collabora0on gegründet hat, e<strong>in</strong><br />

auch <strong>in</strong>terna0onal beschicktes Ins0tut zur Sicherung <strong>der</strong> Evidenzbasierung von sozialen<br />

Interven0onen, und dass <strong>in</strong> USA z.B. für die Beratungstä0gkeit <strong>in</strong> Schulen e<strong>in</strong> „Center for<br />

School-­‐Counsel<strong>in</strong>g Outcome Research“, e<strong>in</strong> „Center for Student Support Systems“, das<br />

„Wash<strong>in</strong>gton School Research Center“, das „Na0onal School Counsel<strong>in</strong>g Research Center“, e<strong>in</strong><br />

„Na0onal Ins0tute for School Counsel<strong>in</strong>g Evidence-­‐Based Prac0ce“ und e<strong>in</strong>iges mehr<br />

gegründet worden ist. Wegen <strong>der</strong> rela0ven Größe <strong>der</strong> Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> würden<br />

sich hier auch zwei o<strong>der</strong> drei solcher Ins0tute mit unterschiedlichen Schwerpunkten, aber<br />

auch überlappenden Bereichen, lohnen.<br />

Der zentrale Punkt ist, dass auch wohlbegründet kl<strong>in</strong>gende Maßnahmen, die verbal schlüssig<br />

und auch mit H<strong>in</strong>weis auf Alltagswissen überzeugen, zur Behebung von Problemen<br />

kontraproduk0v se<strong>in</strong> können. Das schlimmste Beispiel: e<strong>in</strong>s <strong>der</strong> An0 Gewalt Programme <strong>der</strong><br />

Stadt Düsseldorf, die durch Psychologen evaluiert wurden, steigerte die Gewaltmo0va0on<br />

<strong>der</strong> Teilnehmer. Erst wenn e<strong>in</strong> Programm empirisch erprobt ist, kann man es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fläche<br />

anwenden. Das rela0ve Selbstbewusstse<strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychologen weltweit, das sich nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

entsprechenden anspruchsvollen poli0schen AuIri= äußert, son<strong>der</strong>n vielmehr <strong>in</strong> großer<br />

Bescheidenheit, mag dazu verleiten, ihre ZunI nicht ganz für so wich0g zu halten.<br />

Marktschreier haben offenbar mehr poli0schen Erfolg dort -­‐ wo saubere Wirkungsstudien<br />

zählen sollten. Tatsache ist aber, dass die deutsche <strong>Schulpsychologie</strong> aufgrund ihres poli0sch<br />

zurückhaltenden AuIretens <strong>in</strong>nerhalb des Schul-­‐ und Bildungssystems zu den weltweit am<br />

schlechtesten ausgesta=eten Län<strong>der</strong>n mit Schulpsychologen gehört. Dieser Zustand verhält<br />

sich umgekehrt propor0onal zur Menge <strong>der</strong> evidenzbasierten Informa0onen für die<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Praxis.<br />

E<strong>in</strong> Grund für die poli0sche Zurückhaltung bei <strong>der</strong> Op0mierung des Schul-­‐ und<br />

Bildungssystems kann se<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> Bedarf an Psychologen im Bereich <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen<br />

Psychologie <strong>der</strong>art stark ist, dass ke<strong>in</strong>e existenzielle Notwendigkeit bestand und besteht,<br />

neue bzw. auch etablierte Berufsfel<strong>der</strong> zu erschließen, die darüber h<strong>in</strong>aus auch noch wenig


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 42<br />

öffentliche Unterstützung bzw. Anerkennung genießen. Umfragen bei Psychologie<br />

Studierenden zeigen auch, dass e<strong>in</strong> Großteil kl<strong>in</strong>isch-­‐psychologisch <strong>in</strong>teressiert ist.<br />

E<strong>in</strong>e ähnliche Situa0on ist auch z.B. <strong>in</strong> USA zu beobachten. Die „American Counsel<strong>in</strong>g<br />

Associa0on“(ACA) mit <strong>der</strong> Unterglie<strong>der</strong>ung „American School Counselors Associa0on“(ASCA)<br />

und vielen berufsspezifisch an<strong>der</strong>en, fasst alle Beratungsberufe von <strong>der</strong> WirtschaI bis zur<br />

Schwulen-­‐ und Lesbenbewegung zusammen und vertri= diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Die ISPA,<br />

die „Interna0onal School Psychology Associa0on“, o<strong>der</strong> auch die „American Academy of<br />

School Psychology“, die „Na0onal Associa0on of School Psychologists“ o<strong>der</strong> die „American<br />

Associa0on of School-­‐Psychologists“ treten wesentlich mo<strong>der</strong>ater <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit auf. Es<br />

gibt auch dort e<strong>in</strong>en Sog <strong>in</strong> die kl<strong>in</strong>ischen Bereiche, weshalb das öffentliche Gewicht <strong>der</strong><br />

<strong>Schulpsychologie</strong> nicht so deutlich ersche<strong>in</strong>t wie <strong>der</strong> Wunsch <strong>der</strong> vielen Beratungsberufe, <strong>in</strong><br />

sichere Posi0onen zu drängen, weil <strong>der</strong> Markt ihnen bes0mmte nachgefragte Posi0onen<br />

nicht zugänglich macht. Die Situa0on <strong>in</strong> USA ist allerd<strong>in</strong>gs durch e<strong>in</strong>e im Vergleich zu<br />

<strong>Deutschland</strong> bzw. Nie<strong>der</strong>sachsen opulente Aussta=ung mit Schulpsychologen<br />

gekennzeichnet (Rela0on 1:1000 sta= 1:26000 <strong>in</strong> NS).<br />

6.1. Verbreitung und Behandelbarkeit von Störungen – Ergebnisse von<br />

Metaanalysen<br />

Die professionelle psychologische Behandlung und Betreuung ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dort<br />

notwendig, wo es nach den <strong>in</strong>terna0onalen Richtl<strong>in</strong>ien (z.B. ICD 10) um schwerwiegende und<br />

nur den Experten zugängliche Probleme unserer K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen geht.<br />

Nach aktuellen Metaanalysen zu urteilen gibt es e<strong>in</strong>e Prävalenzrate von 15 – 22% <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und Jugendlichen, die an e<strong>in</strong>er psychischen Störung leiden. Je nach Def<strong>in</strong>i0on von Störung<br />

gibt es Studien, <strong>der</strong>en Prozentsatz zwischen 18 und 27% angegeben wird (vgl. Übersicht <strong>in</strong><br />

Fuhrer, 2005 , Lehrbuch <strong>der</strong> Erziehungspsychologie bzw. Ihle und Esser, 2002 <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Psychologischen Rundschau). In seriösen Metaanalysen wird diese Zahl allerd<strong>in</strong>gs<br />

kontras0ert mit den so genannten Persistenzraten, d.h. mit dem Prozentsatz von Störungen,<br />

die auch nach mehreren Monaten noch vorliegen und nicht spontan geheilt wurden (sog.<br />

Spontanremissionen). Die Persistenzraten liegen <strong>der</strong> Untersuchung von Ihle und Esser (2002)<br />

zufolge zwischen 40 und 60% je nach psychischer Störung (<strong>in</strong>: Psychologische Rundschau).


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 43<br />

Wenn man also bei den Prävalenzraten die HälIe als persistente Störung annimmt, dann<br />

müssen wir circa von 10% (und etwas weniger) gestörten Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern<br />

ausgehen, die e<strong>in</strong>er qualifizierten psychologischen Behandlung o<strong>der</strong> Beratung zugeführt<br />

werden müssen.<br />

In den genannten Metaanalysen s<strong>in</strong>d professionelle Kriterien <strong>in</strong>terna0onaler Organisa0onen<br />

unter an<strong>der</strong>em auch ICD 10 o<strong>der</strong> DMS IV angelegt worden, d.h. es gibt ke<strong>in</strong>e Laiendiagnose<br />

für ADHS, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e professionelle, am <strong>in</strong>terna0onalen Standard orien0erte Diagnose.<br />

Zur Er<strong>in</strong>nerung: Es gibt Vermutungen, dass von zehn oberflächlich als ADHS diagnos0zierten<br />

Störungen nur e<strong>in</strong>e den <strong>in</strong>terna0onalen Standards entspricht.<br />

Wenn also strenge Regeln angelegt werden, muss man damit rechnen, dass an e<strong>in</strong>er Schule<br />

von 2000 Schülern circa 200 Schüler mit e<strong>in</strong>er ernsthaIen Auffälligkeit behaIet s<strong>in</strong>d. Viele<br />

davon werden von Eltern o<strong>der</strong> Lehrern nicht als solche erkannt. Bei den Amokläufen wun<strong>der</strong>t<br />

sich dann die Öffentlichkeit.<br />

Es gab im letzten Jahrzehnt e<strong>in</strong>e Reihe von Studien, die sich <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Prävalenz des<br />

abweichenden Verhaltens gewidmet haben. In <strong>der</strong> so genannten Berl<strong>in</strong>er Studie kam heraus,<br />

dass <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Klasse m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> auffälliges K<strong>in</strong>d war und nur <strong>in</strong> 7% <strong>der</strong> Schulklassen<br />

ke<strong>in</strong>es. Die häufigste Störung war <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Studie beim Arbeits-­‐ und Lernverhalten <strong>der</strong><br />

Schüler aufgetreten.<br />

Hierzu gibt es weitere Studien, die als Ursache für die Verhaltensstörungen tatsächlich<br />

Schule und das Schulleben ausf<strong>in</strong>dig machen. Neben Schule s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch die<br />

elterlichen Erziehungsweisen, die solche Probleme erzeugen, aber auch angeborene<br />

Schwierigkeiten, etwa im Temperament. Wie auch immer die Ursachensuche ausgeht, <strong>der</strong><br />

entscheidende Fokus muss auf die Behandelbarkeit und die zukünIige Verbesserung <strong>der</strong><br />

Verhaltensstörungen gelegt werden. Viele <strong>der</strong> angeblichen Kausalvariablen, wie frühes Alter<br />

<strong>der</strong> Mu=er bei <strong>der</strong> Geburt des K<strong>in</strong>des, niedriges Bildungsniveau, ger<strong>in</strong>ges Selbstwertgefühl,<br />

niedrige Intelligenz, niedriges E<strong>in</strong>kommen, fehlen<strong>der</strong> Partner, große K<strong>in</strong><strong>der</strong>zahl, schwieriges<br />

k<strong>in</strong>dliches Temperament s<strong>in</strong>d nicht durch das aktuelle Schulsystem verh<strong>in</strong><strong>der</strong>bar. Bei <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> psychosozialen Funk0onsfähigkeit von Menschen ist die kausale<br />

Analyse, die Genese <strong>der</strong> Störung, immer auch e<strong>in</strong> Element e<strong>in</strong>er professionellen Behandlung,


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 44<br />

aber die Aufdeckung <strong>der</strong> Ursachen führt nicht dazu, dass man sagen würde, nur wenn wir die<br />

Ursachen kennen und besei0gen, wird sich die Persönlichkeit stabilisieren. Es muss auch<br />

möglich se<strong>in</strong>, das ist die schwierige Kunst <strong>der</strong> psychologischen Behandlung, trotz <strong>der</strong><br />

Vorgeschichten und möglichen Misshandlungen von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen e<strong>in</strong>e<br />

Überw<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> dadurch erzeugten Probleme anzuregen.<br />

Die neuesten Untersuchungen zum Thema Verhaltensauffälligkeit s<strong>in</strong>d im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> KIGGS – Studie des K<strong>in</strong><strong>der</strong>-­‐ und Jugendgesundheitssurveys des Robert Koch Ins0tuts<br />

Berl<strong>in</strong> publiziert worden (die folgenden Angaben s<strong>in</strong>d im Bundesgesundheitsbla= 2007<br />

erschienen). Auch hier f<strong>in</strong>den wir ähnliche Zahlen wie die oben genannten.<br />

Verhaltensauffälligkeiten werden bei 11,5% <strong>der</strong> Mädchen, 17,8% <strong>der</strong> Jungen ermi=elt. In <strong>der</strong><br />

angehängten BELLA – Studie (Ravens-­‐Sieberer u.a.) f<strong>in</strong>det man bei 22% <strong>der</strong> untersuchten<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>e psychische Auffälligkeit, wobei circa 10% aller<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen als im engen S<strong>in</strong>n psychisch auffällig beurteilt werden müssen<br />

(Störungen des Sozialverhaltens, Ängste und Depressionen s<strong>in</strong>d die häufigsten Symptome).<br />

Im Jahre 2002 erschien von Fiegert u.a. e<strong>in</strong>e Zusammenstellung <strong>der</strong> diagnos0zierten<br />

psychischen Auffälligkeiten von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>ärztlichen Praxis.<br />

Die Untersuchung unter Verwendung standardisierter Fragebögen für K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Eltern<br />

ergab: 12,5 bis 27% aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> weisen<br />

Verhaltensauffälligkeiten, Leistungs-­‐ und emo0onale Störungen auf . Ebenfalls <strong>in</strong> <strong>der</strong> KIGGS –<br />

Studie wurde das Aufmerksamkeitsdefizit-­‐Hyperak0vitätsstörungsyndrom (ADHS) gemessen<br />

und die Autoren Schlack u.a. kommen auf e<strong>in</strong>e Prävalenzrate von 4,8% nur für dieses e<strong>in</strong>e<br />

Syndrom. Auch wenn man Gewalterfahrung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen im subjek0ven<br />

Selbstbericht erfasst, kommt man auf 14,9%, die mehr als e<strong>in</strong>mal Täter waren und auf 5,7%<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, die sowohl Täter als auch Opfer von Gewalt gewesen s<strong>in</strong>d.<br />

Interessant ist auch e<strong>in</strong> weiteres Ergebnis des KIGGS, das sich auf die Feststellung <strong>der</strong><br />

Ressourcen (vollständige Familien, sozioökonomischer Status usw.) bezieht. Die Autoren<br />

(Erhard u.a.) schreiben: „Etwa 78,2% <strong>der</strong> untersuchten K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen verfügen<br />

über ausreichende soziale Ressourcen, 12% können nur auf ger<strong>in</strong>g ausgeprägte soziale<br />

Unterstützung zurückgreifen und 9,7% zeigen deutliche Defizite <strong>in</strong> ihrer verfügbaren sozialen<br />

Unterstützung.“<br />

Man sieht also, dass unter Anlegung strengster Kriterien (z.B. Zugrundelegung<br />

<strong>in</strong>terna0onaler Klassifika0onen von Störungen, Verwendung von standardisierten


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 45<br />

Untersuchungs<strong>in</strong>strumenten, Berücksich0gung <strong>der</strong> Persistenzraten) e<strong>in</strong> als Faustregel<br />

s<strong>in</strong>nvoller Prozentsatz von ungefähr 10% unserer K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen übrig bleibt, <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>e professionelle Hilfe über die üblichen Erklärungs-­‐ und Behandlungsvermutungen h<strong>in</strong>aus<br />

gehende E<strong>in</strong>griffe benö0gt. Diese Zahl macht die E<strong>in</strong>setzung von Schulpsychologen <strong>in</strong> den<br />

weiter oben beschriebenen Rela0onen weltweit s<strong>in</strong>nvoll. In allen Län<strong>der</strong>n werden unter<br />

Bezug auf die Prävalenzraten von komplizierteren Störungen Schulpsychologen <strong>in</strong> größerer<br />

Zahl als <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik e<strong>in</strong>gestellt.<br />

Es ist zwar nicht Aufgabe dieses Gutachtens, die historischen Gründe dafür zu nennen, aber<br />

mit <strong>der</strong> Weiterentwicklung <strong>der</strong> WissenschaIen, mit dem weiteren Familienzerfall, mit dem<br />

Verlust <strong>der</strong> Erziehungskompetenz aufgrund gesellschaIlicher Entwicklungen weiter Teile <strong>der</strong><br />

Bevölkerung wird <strong>der</strong> qualifizierte Umgang mit dem Nachwuchs vor allen D<strong>in</strong>gen dort<br />

schwieriger, wo es sich nicht um Normalfälle von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n handelt.<br />

Behandelbarkeit von Störungen<br />

Natürlich wird immer wie<strong>der</strong> nachgewiesen, dass die psychischen Störungen mit den <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Forschung als evident wirksam klassifizierten Verfahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> tatsächlichen Realität<br />

erfolgreich behandelt werden konnten.<br />

Damit misst man dann <strong>in</strong> gewisser Weise auch e<strong>in</strong>e gesamte Qualitätske=e, die auch den<br />

Effekt <strong>der</strong> Ausbildung von Psychologen be<strong>in</strong>haltet. Von Döpfner und Lehmkuhl liegt im<br />

deutschen Sprachraum e<strong>in</strong>e solche Zusammenstellung vor. Die Zusammenfassung von<br />

weltweiten Metaanalysen zur Wirksamkeit von Psychotherapie bei K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

erbr<strong>in</strong>gen Effektstärken, die zwischen 0,71 und 0,88 liegen (Psychologische Rundschau).<br />

Es gibt unterschiedliche Effektmaße, die weiter unten noch kurz rela0viert werden. Auf jeden<br />

Fall handelt es sich hier um e<strong>in</strong>en Vergleich gegenüber e<strong>in</strong>en unbehandelten Kontrollgruppe<br />

und die Amerikaner Skowron und Re<strong>in</strong>emann verwenden bei <strong>der</strong> Effek0vitätsprüfung<br />

psychologischer Interven0onen bei K<strong>in</strong>desmisshandlung folgendes erklärendes Bild: „Dass<br />

die behandelten K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen am Ende <strong>der</strong> Behandlung besser dastehen als 71%


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 46<br />

jener, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kontrollgruppe waren“(Skowron & Re<strong>in</strong>emann, 2005). An<strong>der</strong>e Effektmaße<br />

beziehen sich auf Anteile von Standardabweichungen sowie <strong>in</strong> dem oben zi0erten Fall. Bei<br />

e<strong>in</strong>er Übersetzung <strong>der</strong> verschiedenen Maße käme man ungefähr auf den von Skowron u.a.<br />

genannten Prozentsatz. Was sich rela0v schnell und leicht und beson<strong>der</strong>s wirksam behandeln<br />

lässt, ist opposi0onelles Verhalten, aber auch Aggression, rela0v gut auch Hyperak0vität,<br />

Del<strong>in</strong>quenz, Phobien, Ängste, sozialer Rückzug, auch Depression etc. Mul0ple Störungen s<strong>in</strong>d<br />

durch Psychotherapien nicht e<strong>in</strong>fach zu heilen o<strong>der</strong> zu bessern.<br />

Was man daran erkennt, ist zweierlei:<br />

1. E<strong>in</strong>e hun<strong>der</strong>tprozen0ge Garan0e für den Heilungserfolg gibt es nicht. 2. Die<br />

Psychotherapie bzw. professionelle psychische Behandlung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

mit schwerwiegenden Verhaltensauffälligkeiten verbessert <strong>der</strong>en Zustand im Vergleich zu<br />

e<strong>in</strong>er unbehandelten Kontrollgruppe von Menschen mit gleichem Syndrom erheblich.<br />

Mit diesen beiden Punkten s<strong>in</strong>d sowohl unrealis0sche Versprechungen als auch realis0sche<br />

E<strong>in</strong>schätzungen <strong>der</strong> Möglichkeiten psychologischer Behandlung umrissen.<br />

Über die genannten Studien h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d für dieses Gutachten auch noch weitere<br />

Metaanalysen berücksich0gt worden.<br />

Bachmann u.a. haben 2008 noch mal <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Meataanalyse hervorgehoben, dass ADHD die<br />

e<strong>in</strong>zige Störung ist, die auch nach bisherigen Erkenntnissen nur unter E<strong>in</strong>bezug von Table=en<br />

behandelt werden kann, dass aber ansonsten die Psychotherapie und die psychiatrische<br />

Behandlung das effek0vste Behandlungs<strong>in</strong>strumentarium für k<strong>in</strong>dliche Verhaltensstörungen<br />

ist (Bachmann, Bachmann, Rief, & Ma=ejat, 2008a, 2008b). Weiß u.a. belegen e<strong>in</strong>en<br />

signifikanten dauerhaIen Effekt <strong>der</strong> psychotherapeu0schen Behandlung (Weiss & Weisz,<br />

1995). Bav<strong>in</strong>g und Schmidt zeigen, dass die kogni0ve Verhaltenstherapie für depressive,<br />

phobische und Angstbeschwerden ebenso wie bei pos=rauma0schen Stresssymptomen e<strong>in</strong>e<br />

effek0ve Behandlungsform ist (Bav<strong>in</strong>g & Schmidt, 2001a, 2001b). Von Hoag u.a. wird 1997<br />

e<strong>in</strong>e Metaanalyse <strong>der</strong> Gruppen<strong>in</strong>terven0on sta= <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terven0on vorgestellt. Auch<br />

hierbei wird e<strong>in</strong> großer Effekt berichtet, nämlich dass 73% <strong>der</strong> behandelten Versuchsgruppe<br />

nach e<strong>in</strong>er gewissen Zeit besser s<strong>in</strong>d als die unbehandelte Kontrollgruppe (Ma=hew James<br />

Hoag, 1997; Ma=hew J. Hoag & Burl<strong>in</strong>game, 1997a, 1997b).


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 47<br />

Die Tatsache, dass man auf evaluierte Elemente <strong>in</strong> <strong>der</strong> psychischen und psychiatrischen<br />

Behandlung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen zurückgreiI, ist <strong>in</strong> den evidenzbasierten<br />

WissenschaIen, die es gewohnt s<strong>in</strong>d, die Effek0vität von Maßnahmen gegen unbehandelte<br />

randomisierte Kontrollgruppen zu testen, e<strong>in</strong>e gewisse Selbstverständlichkeit. Die<br />

Qualitätssicherung <strong>in</strong> diesen Berufen besteht dar<strong>in</strong>, dass während <strong>der</strong> Ausbildung diese<br />

Methoden tra<strong>in</strong>iert und weitergegeben werden und während <strong>der</strong> Berufstä0gkeit die<br />

„treatment <strong>in</strong>tegrity“ bzw. erfolgstreue Realisierung <strong>der</strong> evidenzbasierten Methoden<br />

kontrolliert wird.<br />

6.2. Effekte <strong>der</strong> schulpsychologischen Beratung – Ergebnisse von<br />

Metaanalysen und E<strong>in</strong>zeluntersuchungen<br />

Posi0ve Effekte <strong>der</strong> Arbeit von Schulpsychologen f<strong>in</strong>den sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen<br />

Fachliteratur – die reichen von posi0ven Effekten <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen (Rothe, 1981) bis zu e<strong>in</strong>er<br />

aktuellen Studie von Stefan Sie<strong>der</strong>sleben und Meltem Avci-­‐Wern<strong>in</strong>g, Evalua0on e<strong>in</strong>es<br />

schulpsychologischen Fortbildungskonzeptes „Sich mit Eltern beraten“. In diesem <strong>in</strong><br />

Nie<strong>der</strong>sachsen durchgeführten Versuch e<strong>in</strong>es landesweiten Fortbildungskonzeptes für<br />

LehrkräIe am Ende des Kurses und nach Durchführung von Elterngesprächen wurden hohe<br />

Zufriedenheitse<strong>in</strong>schätzungen auch von Eltern für die durchgeführte Elternberatung durch<br />

Lehrer festgestellt. Schulpsychologen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Projekt <strong>in</strong> ihrer auch <strong>in</strong>terna0onal<br />

typischen Form e<strong>in</strong>gesetzt: Sie entwickeln Fortbildungskonzepte, die unter an<strong>der</strong>em auch<br />

Lehrer als Adressaten haben, um Lehrer beispielsweise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung mit Eltern zu<br />

unterstützen, können diese entwickelten Verfahren auch selber evaluieren, weil sie über den<br />

nö0gen sta0s0schen Sachverstand verfügen.<br />

Von Ste<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Innsbruck liegt e<strong>in</strong>e Evalua0on von 180 schulpsychologisch beratenen<br />

Schülern und Eltern über die Bildungsberatung vor (Ste<strong>in</strong>er, 1994). E<strong>in</strong>e Metaanalyse für<br />

„School-­‐Based-­‐Studies of Psychotherapy“ (Prout & DeMar0no, 1986), d.h. die Durchführung<br />

von Therapie im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong>, zeigt <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>e effek0ve Wirkung<br />

(„mo<strong>der</strong>ately effec0ve“ bedeutet ungefähre Besserungsraten gegenüber Kontrollgruppen bei<br />

60 bis70%). Pauschale Nachweise e<strong>in</strong>er effek0ven Beratung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong><br />

werden von Atanasiu berichtet(Athanasiou & Gredler, 2005), School-­‐Counselor (L. Webb,


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 48<br />

Lemberger, & Brigman, 2008; L. D. Webb, Brigman, & Campbell, 2005) berichten ebenfalls<br />

effek0ve Beratung, die sich an <strong>der</strong> SchullauÑahn ablesen lässt (Montgomery, Meyer, &<br />

Smart, 2008)(kri0sch zu Athanasiou), wobei die Kri0ker die Effek0vität ebenfalls hervorheben<br />

und nicht <strong>in</strong> Frage stellen.<br />

Pauschale Zuschreibungen von Effek0vität werden, wie jetzt schon mehrfach exemplifiziert,<br />

durch Metaanalysen vorgenommen. Die American Counsel<strong>in</strong>g Associa0on hat sich sehr stark<br />

für e<strong>in</strong>e Zusammenstellung <strong>der</strong> effek0ven Schulberatung gemacht und auch<br />

Zusammenstellungen <strong>der</strong> Effek0vitätsstudien vorgelegt, denen eigentlich aus Sicht des<br />

Gutachters ke<strong>in</strong>e weiteren Bemerkungen h<strong>in</strong>zuzufügen s<strong>in</strong>d.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs gehen hier Bewertungen von School-­‐Counselors, die ja durchaus auch Psychologen<br />

se<strong>in</strong> können Schulpsychologen im engeren S<strong>in</strong>ne, e<strong>in</strong> wenig durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. School-­‐Counselor<br />

werden aber <strong>in</strong> USA z.B. <strong>in</strong> Fragen <strong>der</strong> Sta0s0kkenntnisse und <strong>der</strong> differenzierteren<br />

Argumenta0on mit seelischen Störungen ebenso ausgebildet wie Psychologen. Hier ist ke<strong>in</strong>e<br />

Vergleichbarkeit mit <strong>Deutschland</strong> gegeben, da im Rahmen des normalen Pädagogikstudiums<br />

bis zur Diplomausbildung vor wenigen Jahren e<strong>in</strong>e sta0s0sche Exper0se mit dem Diplom-­‐<br />

Studiengang Pädagogik o<strong>der</strong> Sozialpädagogik an den Fachhochschulen nicht verbunden war.<br />

Die Berufe <strong>der</strong> Diplompädagogen und Diplompädagog<strong>in</strong>nen bzw. Sozialpädagogen und<br />

Sozialpädagog<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d nur eher zufällig im Bereich <strong>der</strong> psychologisch-­‐empirischen<br />

Forschung und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beurteilung neu erschienener Fachzeitungsar0kel professionalisiert<br />

worden. Die im Folgenden zu nennenden Erfolge von Counselors und Schulpsychologen<br />

gelten also nur für e<strong>in</strong>en sehr anspruchsvollen Ausbildungsstatus <strong>der</strong> betreffenden<br />

Professionen.<br />

Diese Vermischung wird <strong>in</strong> folgendem Zitat <strong>der</strong> American Counsel<strong>in</strong>g Associa0on deutlich:<br />

„Based on it’s research the <strong>in</strong>s0tute of medic<strong>in</strong>e has concluded that mental health and<br />

psychological services were essen0ell for many students to achieve academically, and<br />

recommanded that such services be consi<strong>der</strong>ed ma<strong>in</strong>stream, and not op0onal.“ D.h. sie s<strong>in</strong>d<br />

notwendig und ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong> op0onales Angebot.<br />

Auch diese E<strong>in</strong>grenzung bezüglich <strong>der</strong> Qualifiziertheit <strong>der</strong> tä0gen Personen kann nur dann zu<br />

e<strong>in</strong>em Effekt führen, wenn e<strong>in</strong>e gewisse Quan&tät <strong>der</strong> Aussta=ung e<strong>in</strong>es Landes mit<br />

Schulpsychologen bzw. professionalisierten Beratern erreicht ist: „The current US average is


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 49<br />

488:1.“ Es gibt Verbände <strong>in</strong> USA wie etwa die American School Health Associa0on, die e<strong>in</strong>e<br />

Rela0on von 1:250 anstrebt, d.h. e<strong>in</strong> professionalisierter Berater o<strong>der</strong> Schulpsychologe auf<br />

250 K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />

Etwaige Vorbehalte <strong>der</strong> Art, dass man natürlich nicht von null auf diese wünschenswerten<br />

Rela0onen kommen kann, s<strong>in</strong>d selbstverständlich und müssen auch nach Lektüre dieses<br />

Berichtes dem Gutachter nicht entgegengehalten werden. Es geht hier schlicht und e<strong>in</strong>fach<br />

darum, dass <strong>Deutschland</strong> und Nie<strong>der</strong>sachsen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>e wich0ge Entwicklung zur<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

verschlafen haben.<br />

Die Zusammenstellung <strong>der</strong> Effek0vitätsstudien, die die American Counsel<strong>in</strong>g Associa0on<br />

gesammelt hat, umfasst <strong>in</strong>sgesamt 32 Punkte. Die Zusammenstellung konnte aus<br />

urheberrechtlichen Gründen hier nicht abgedruckt werden -­‐ ist aber über die website <strong>der</strong><br />

ACA e<strong>in</strong>sehbar.<br />

Dennoch ist e<strong>in</strong>e Zusammenfassung aus Sicht des Gutachters s<strong>in</strong>nvoll: Insgesamt haben<br />

quan0ta0ve Studien genauso wie Metaanalysen und Zusammenstellungen von Fachliteratur<br />

<strong>in</strong> vielerlei H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>en posi0ven Effekt auf die Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen empirisch gezeigt.<br />

In <strong>der</strong> Vermi=lung von sozialen Fähigkeiten, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lösung von Diszipl<strong>in</strong>problemen, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Unterstützung <strong>der</strong> schulischen LauÑahn, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hilfe für K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die Familienprobleme haben,<br />

war die professionelle Beratung genauso erfolgreich wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Streitschlichterbewegung, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Gesundheitsvorsorge, im erfolgreichen E<strong>in</strong>griff gegen Vik0misierung und Bully<strong>in</strong>g. Von<br />

diesen Erfolgen <strong>der</strong> professionellen Schulberatung konnten auch e<strong>in</strong>ige Staaten <strong>der</strong> USA<br />

überzeugt werden, so dass sie ihre Gesetze und Erlasse entsprechend geän<strong>der</strong>t haben. Bei<br />

Übergängen im Schulsystem konnten Berater ebenso helfen wie bei <strong>der</strong> Verbesserung des<br />

Schulklimas, das aber auch nur, wenn die Berater von <strong>der</strong> Schulleitung und vom Kollegium<br />

akzep0ert wurden. Die persönliche und schulische Entwicklung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n konnte durch<br />

Berater verbessert werden, wich0g dabei ist, dass die Beratung umso güns0ger ist, je stärker<br />

sie <strong>in</strong> entwicklungspsychologischen Theorien basiert und empirisch untersucht worden ist.<br />

Übrigens e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis darauf, dass e<strong>in</strong>e psychologische Professionalisierung <strong>in</strong> jedem Fall<br />

notwendig ist. Mit Schulberatung kann das Drop Out, <strong>der</strong> Absen0smus, können depressive<br />

Probleme behoben werden, können unruhige Schulklassen stärker beruhigt werden, die


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 50<br />

ZukunIspläne von Schülern realis0scher gestalten, die allgeme<strong>in</strong>e Schule<strong>in</strong>stellung<br />

verbessert werden usw.<br />

Es gibt mehrere Zusammenfassungen aus <strong>der</strong> Pressearbeit und den verschiedenen<br />

Unterglie<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> American Counsel<strong>in</strong>g Organisa0on, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch <strong>der</strong> School-­‐<br />

Counselor und <strong>der</strong> Schulpsychologen, die <strong>in</strong>sgesamt diesen E<strong>in</strong>druck bestä0gen: Es gibt<br />

genügend Effek0vitätsuntersuchungen, die zeigen, dass Probleme von Schülern und<br />

Schüler<strong>in</strong>nen behoben werden können. Es fehlen weitestgehend <strong>in</strong> dem Forschungsoeuvre<br />

Studien, <strong>in</strong> denen die f<strong>in</strong>anziellen Kosten aufgerechnet werden gegen die Kosten <strong>der</strong><br />

Verhaltensstörungen. So weiß man, dass e<strong>in</strong>e rechtzei0g e<strong>in</strong>setzende k<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenähnliche<br />

Betreuung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten die Wohlfahrtskosten <strong>in</strong> USA erheblich senken<br />

konnte. E<strong>in</strong>e vergleichbare Untersuchung für den E<strong>in</strong>satz von Schulpsychologen und<br />

professionellen Schulberatern konnte vom Gutachter nicht gefunden werden. Insgesamt aber<br />

handelt es sich um nachgewiesene mul0ple, <strong>in</strong> vielfäl0gen Bereichen nachweisbare Erfolge,<br />

<strong>der</strong>en Zusammenwirken zu e<strong>in</strong>em messbaren Erfolg für e<strong>in</strong>e Sozietät führen muss.<br />

6.3. Methodische Kriterien <strong>der</strong> EffekYorschung und ihre Problema&sierung<br />

Ehe man die Erfolge <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> und professionellen Beratung zu plaka0v darstellt,<br />

muss natürlich darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, dass es e<strong>in</strong>e ganze Reihe von Problemen gibt, die<br />

mit je<strong>der</strong> Evalua0on zusammenhängen:<br />

1. Welche psychologische Maßnahme wurde evaluiert? Die Evalua0on von<br />

soziometrischen Testen zur Ermi=lung von Außenseitern kann e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Resultat<br />

haben als die Prüfung e<strong>in</strong>er Beratungssitzung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er psychotherapieähnlichen<br />

wie<strong>der</strong>kehrenden Maßnahme über e<strong>in</strong> halbes Jahr.<br />

2. Welche Kriterien wurden zur Überprüfung des Erfolges herangezogen? Manchmal<br />

handelt es sich um Selbstaussagen <strong>der</strong> Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen, <strong>der</strong> Eltern, <strong>der</strong> Lehrer,<br />

d.h. es wird die allgeme<strong>in</strong>e Akzeptanz e<strong>in</strong>er Maßnahme geprüI und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen<br />

handelt es sich um standardisierte Diagnosen, die allerd<strong>in</strong>gs auch weiter oben schon<br />

dargestellt worden s<strong>in</strong>d.<br />

3. Die Studien benutzen unterschiedliche Effektgrößenmaße. Der hier immer wie<strong>der</strong><br />

zi0erte Prozentsatz um 70%, Besserung <strong>der</strong> Versuchsgruppe im Vergleich zur<br />

Kontrollgruppe, gilt als mo<strong>der</strong>ately effec0ve, also als mo<strong>der</strong>at effek0v, wird aber <strong>in</strong><br />

dieser Form nicht von allen Studien verwendet, manche Studien verwenden


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 51<br />

Effektmaße, die man als Anteil o<strong>der</strong> Mehrfaches e<strong>in</strong>er Standardabweichung gegenüber<br />

<strong>der</strong> Kontrollgruppe <strong>in</strong>terpre0eren kann. E<strong>in</strong> Mi=elwert plus – m<strong>in</strong>us e<strong>in</strong>er<br />

Standardabweichung umfasst ungefähr 68% <strong>der</strong> Fälle. Wenn e<strong>in</strong>e Maßnahme ungefähr<br />

fast e<strong>in</strong>e Standardabweichung ausmacht, dann kann man auch im Alltag mit e<strong>in</strong>em<br />

sichtbaren und spürbaren Effekt rechnen.<br />

4. Reak&ve Messverfahren: Manche Verfahren, mit denen man die Kriterien (s.o.) misst,<br />

s<strong>in</strong>d verfälschbar durch Wohlwollen o<strong>der</strong> Übelwollen, an<strong>der</strong>e wie z.B.<br />

Videoaufzeichnungen s<strong>in</strong>d durch subjek0ve Me<strong>in</strong>ungen nicht verfälschbar.<br />

5. Auch die Auswertungsmethoden s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong> allen Fällen angemessen, es gibt<br />

passende, ausreichende, aber auch sehr gute Auswertungsmethoden von<br />

randomisierten Kontrollgruppendesigns.<br />

6. Randomisierte Kontrollgruppendesigns lassen sich nicht immer durchführen,<br />

manchmal werden auch so genannte Eigenwartegruppen als Kontrollgruppen gesetzt,<br />

manchmal werden mehrere Interven0ons-­‐ und Therapieformen etwa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Versuchsplan, <strong>der</strong> sich late<strong>in</strong>isches Quadrat nennt, getestet, was <strong>in</strong> den Resultaten nicht<br />

immer zu plaka0ven Überhöhungen <strong>der</strong> Resultate Anlass geben sollte.<br />

Schließlich und endlich s<strong>in</strong>d sta&s&sche Metaanalysen erwähnenswert, <strong>in</strong> denen Daten aus<br />

sehr unterschiedlichen Untersuchungen zusammengezählt werden (Es ist <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>terna0onalen Forschung üblich, Daten auszutauschen, damit Kollegen und Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

ihre eigenen Analysen mit dem fremden Datensatz durchführen können). Diese Art von<br />

sta0s0scher Metaanalyse ist nicht immer s<strong>in</strong>nvoll. Besser ist es, möglichst viele<br />

Replika0onsstudien zusammenzustellen und neben e<strong>in</strong>er theore0sch-­‐<strong>in</strong>haltlichen o<strong>der</strong><br />

empirischen Zusammenfassung <strong>der</strong> gefundenen Resultate stärker auf die Replizierbarkeit<br />

von Befunden zu achten. Bei e<strong>in</strong>er Zusammenlegung <strong>der</strong> Versuchspersonen aus mehreren<br />

Studien können erhebliche Fehler passieren, unter an<strong>der</strong>em wären große Studien wich0ger<br />

als kle<strong>in</strong>e Studien, was nicht immer angemessen ist.<br />

Entsprechend den hier gemachten Anmerkungen s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> aktuellen Literatur immer<br />

wie<strong>der</strong> methodische Diskussionen zu f<strong>in</strong>den, und zwar auch schon <strong>in</strong> den 60er Jahren (Landy,<br />

1964; Schue=ler-­‐Janikulla, 1964). Von Wilson wird etwa 1985 die Zulassung von<br />

methodologisch schwachen Studien <strong>in</strong> Metaanalysen kri0siert (Wilson, 1985) . Kri0sche<br />

Analysen und H<strong>in</strong>weise zur rich0gen Interpreta0on von Effektmaßen liefert Volker (Volker,<br />

2006). In <strong>der</strong> aktuellen methodischen Diskussion geht es um hier nicht <strong>in</strong> ihrer Komplexität


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 52<br />

darstellbare Verfahren wie das Hierarchical L<strong>in</strong>ear Modell<strong>in</strong>g (HLM), um<br />

Mehrebenenanalysen und an<strong>der</strong>e heute häufiger verwendete Methoden, die zwar schon<br />

länger exis0eren, aber ihre Prom<strong>in</strong>enz erst durch die Evidence-­‐Based Interven0ons<br />

Bewegung bekommen haben. Auch diese Bewegung zw<strong>in</strong>gt zu e<strong>in</strong>er besseren Übersicht über<br />

tatsächlich effek0ve Methoden und s0muliert gleichzei0g auch die Sicherung dessen, was<br />

man methodisch bislang herausgefunden hat. Auch die Komb<strong>in</strong>a0on von qualita0ven und<br />

quan0ta0ven Methoden ist wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Thema (Powell, Mihalas, Onwuegbuzie, Suldo, &<br />

Daley, 2008). Manchmal entwickeln sich experimentelle Studien mit randomisierten<br />

Kontrollgruppendesigns erst aus e<strong>in</strong>er umfangreichen deskrip0ven und korrela0onalen<br />

Forschung heraus. Darauf machen an<strong>der</strong>e Studien aufmerksam (Bliss, Sk<strong>in</strong>ner, Hautau, &<br />

Carroll, 2008). Die Autoren stellen an Hand von fast 1000 Publika0onen <strong>der</strong> Jahre 2000 bis<br />

2005 <strong>in</strong> vier <strong>Schulpsychologie</strong>-­‐FachzeitschriIen nur 8% fest, die kausal-­‐experimentell s<strong>in</strong>d,<br />

zusätzliche 4%, die kausal-­‐kompara0v s<strong>in</strong>d und nur 2% Metaanalysen. Genau diese Arten von<br />

Forschung s<strong>in</strong>d angesichts des überwäl0genden Oeuvres von deskrip0ven und korrela0ven<br />

Studien <strong>in</strong> ZukunI zu för<strong>der</strong>n.<br />

7. Qualitätskennzeichen <strong>der</strong> Arbeit schulpsychologischer Dienste<br />

Zusammenfassung Kapitel 7<br />

Das wesentliche Qualitätskennzeichen e<strong>in</strong>es schulpsychologischen Dienstes ist die<br />

Verwendung von Methoden, die ihre Effek


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 53<br />

<strong>Schulpsychologie</strong> ebenso wie e<strong>in</strong> effek


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 54<br />

erkannt, die ja nicht nur für Schüler da s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n auch für <strong>der</strong>en Lehrer, Eltern und für<br />

das System Schule <strong>in</strong>sgesamt.<br />

Bei Untersuchungen zur Berufszufriedenheit unter Schulpsychologen werden durchaus<br />

posi0ve Aspekte immer wie<strong>der</strong> hervorgehoben, unter an<strong>der</strong>em, dass man nicht nur<br />

defizitorien0ert arbeitet (Miller, Nickerson, Chafouleas, & Osborne, 2008), die rela0ve<br />

Selbständigkeit, die Koopera0on mit an<strong>der</strong>en, die große Nachfrage, die das Gefühl gibt, dass<br />

man wich0g ist, s<strong>in</strong>d weitere Posi0va <strong>der</strong> Posi0on von Schulpsychologen. Empirisch ist aber<br />

auch gesichert (VanVoorhis & Lev<strong>in</strong>son, 2006), dass die staatliche Unentschiedenheit im<br />

Umgang mit dem organisatorischen und poli0schen Status <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> zu<br />

Problemen führt. Die Berufszufriedenheit <strong>der</strong> Schulpsychologen <strong>in</strong> USA hat e<strong>in</strong>er Disserta0on<br />

zufolge (Worrell, 2007; Worrell, Skaggs, & Brown, 2006) zugenommen, was auf die Zunahme<br />

effek0ver Interven0onen und auf die Ausgestaltung des Berufes <strong>der</strong> Schulpsychologen<br />

zurückgeführt wurde.<br />

7.2. Die rich&ge Qualität, die Sicherung <strong>der</strong> Evidenzbasierung von Methoden<br />

und die Qualitätssicherung im schulpsychologischen System<br />

In <strong>der</strong> <strong>in</strong>terna0onalen Literatur ist, wie bereits mehrfach erwähnt, die Evidenzbasierung <strong>der</strong><br />

angewendeten Methoden das beherrschende Thema (Bacon, 2008; Bates, 2005; Guli, 2005;<br />

Kratochwill & Shernoff, 2003, 2004; Kratochwill & Steele Shernoff, 2004; Kratochwill &<br />

Stoiber, 2000, 2002; Schedler & Ins0tut fuer F<strong>in</strong>anzwirtschaI und, 1997) -­‐ es steht e<strong>in</strong><br />

umfangreiches auf Erfolg streng getestetes Methodenrepertoire für Schulpsychologen zur<br />

Verfügung.<br />

Zahlreiche Untersuchungen widmen sich auch bereits <strong>der</strong> Aufnahme dieser neuen Bewegung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis (The Evidence-­‐Based Interven0on Work Group, 2005). Auch <strong>in</strong> Randbereichen,<br />

etwa <strong>der</strong> Beratung von Son<strong>der</strong>pädagogen, spielt die Evidenzbasierung von Methoden e<strong>in</strong>e<br />

große Rolle.<br />

Ansonsten muss durch e<strong>in</strong> Qualitätssicherungssystem, das mit den Berufsverbänden und den<br />

an<strong>der</strong>en Berufsgruppen entwickelt werden muss, z.B. auf die „treatment Integrity“ geachtet<br />

werden, d.h. dass die evidenzbasierten Methoden auch <strong>in</strong>teger, d.h. rich0g angewendet


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 55<br />

werden (Cochrane & Laux, 2008), o<strong>der</strong>: dass e<strong>in</strong> Supervisionssystem für Schulpsychologen<br />

e<strong>in</strong>gerichtet wird (Z<strong>in</strong>s & Murphy, 1996), o<strong>der</strong>: dass die Zeitverwendung und die<br />

Aufgabenstellung für Schulpsychologen überlegt und abges0mmt wird, o<strong>der</strong> : dass die Rolle<br />

und Funk0on <strong>der</strong> Schulpsychologen für die Verbesserung des Schulsystems und <strong>der</strong><br />

situa0ven Analyse <strong>in</strong> den Blick genommen wird (Annan, 2005 <strong>in</strong> School Psychology<br />

Interna0onal) (George, White, & Schlaffer, 2007), o<strong>der</strong>: dass die Interven0onen bei Eltern<br />

und Familien evidenzbasiert geprüI werden (Carlson & Christenson, 2005) (Christenson &<br />

Carlson, 2005; Ollendick, 2005), o<strong>der</strong>: dass bei Diagnosen, die Schulpsychologen treffen, e<strong>in</strong><br />

transparentes Verfahren <strong>der</strong> Integra0on von Methoden, die diese Psychologen anwenden,<br />

staà<strong>in</strong>det (Riccio & Rodriguez, 2007)<br />

Die verschiedenen Aspekte e<strong>in</strong>er Qualitätssicherung, die Qualitätsstandards und Kataloge,<br />

die Bestandteile <strong>der</strong> Stellenbeschreibung von Schulpsychologen und Schulpsycholog<strong>in</strong>nen<br />

werden müssen, sollten durch e<strong>in</strong>en Beirat aus berufsständischen Vertretern, <strong>der</strong><br />

WissenschaI und des Schulsystems bestehen.<br />

7.3. Die rich&ge Koopera&on und Aufgabenverteilung von LehrkräDen,<br />

Sozialpädagogen, Beratungslehrern und Schulpsychologen<br />

Auch als externer Beobachter kann man schnell herausf<strong>in</strong>den, dass <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz von<br />

Schulpsychologen mit folgenden Problemen belastet ist:<br />

1. Es gibt mi=lerweile und zum Teil auch deswegen, weil man das etwas höhere Salär<br />

<strong>der</strong> Schulpsychologen scheute, e<strong>in</strong>e Vielfalt von Beratungs-­‐ und Betreuungspersonal<br />

außerhalb <strong>der</strong> LehrerschaI. Zum Teil bed<strong>in</strong>gt durch die Ganztagsschulbewegung s<strong>in</strong>d<br />

sehr unterschiedlich professionalisierte Berufe <strong>in</strong> die Rolle von Helfern und Beratern<br />

<strong>der</strong> Schulk<strong>in</strong><strong>der</strong> und Schuljugendlichen geschlüpI. In e<strong>in</strong>er solchen Situa0on fehlen<br />

klare Aufgabenverteilungen, da die Klienten nicht immer wissen, an wen sie sich bei<br />

welchen Problemen wenden müssen.<br />

2. Aus <strong>der</strong> unklaren Aufgabenverteilung folgte e<strong>in</strong> berufsständischer Konkurrenzkampf.<br />

Die Psychopathologisierung <strong>der</strong> SchülerschaI wird unter an<strong>der</strong>em gerade von den<br />

Konkurrenzberufen, die als Schulsozialarbeiter, Beratungslehrer, Berater und ähnliche<br />

tä0g s<strong>in</strong>d, als Gegenargument angeführt. Man sollte klar sehen, dass hier e<strong>in</strong>


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 56<br />

Konflik]eld um zukünIige Stellen entsteht, das nur durch strenge Evidenzbasierung<br />

geklärt werden kann.<br />

3. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik besteht die Befürchtung, dass die Arbeit des<br />

Schulpsychologen e<strong>in</strong>en Menschen e&kevert. Die historische Ächtung <strong>der</strong><br />

Psychologie <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> mag hier immer noch e<strong>in</strong>e gewisse Rolle spielen.<br />

Diese Befürchtungen s<strong>in</strong>d auch empirisch untersucht worden. So hat Love im Jahre 2009 <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Umfrage herausgefunden, dass für die Klienten, also Lehrer, Eltern und Schüler die<br />

Vielfalt <strong>der</strong> exis0erenden Berufe, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Social Worker und Schulberater und<br />

Schulpsychologen unklar ist. Diese neue Studie soll stellvertretend für an<strong>der</strong>e stehen, die<br />

e<strong>in</strong>e klare Aufgabenverteilung zwischen Beratungslehrern, Schulsozialarbeitern und<br />

Schulpsychologen for<strong>der</strong>n. Konflikte mit an<strong>der</strong>en Berufen, etwa mit Sozialarbeitern o<strong>der</strong><br />

auch Son<strong>der</strong>pädagogen s<strong>in</strong>d ohne weiteres denkbar, wenngleich sie <strong>in</strong> empirischen<br />

Untersuchungen nicht so drama0sch beschrieben werden (Agresta, 2004, 2006; Arive=, Rust,<br />

Brissie, & Dansby Virg<strong>in</strong>ia, 2007; Love, 2009). Gerade Son<strong>der</strong>pädagogen empf<strong>in</strong>den sich<br />

aufgrund ihrer Ausbildung häufig <strong>in</strong> noch etwas größerer wissenschaIlicher Nähe zu<br />

Schulpsychologen, was <strong>der</strong> Konflikthal0gkeit ihrer Beziehung nicht unbed<strong>in</strong>gt abträglich ist.<br />

In <strong>der</strong> soeben genannten empirischen Untersuchung halten Son<strong>der</strong>pädagogen die Arbeit von<br />

Schulpsychologen für mäßig wich0g (mo<strong>der</strong>ately important).<br />

Je mehr Schulpsychologen Zeit <strong>in</strong> den Schulen verbr<strong>in</strong>gen und für die Lehrer erreichbar s<strong>in</strong>d,<br />

desto besser werden sie von Lehrern beurteilt (P. Farrell, Jimerson, Kalambouka, & Benoit,<br />

2005; P. T. Farrell, Jimerson, & Oakland, 2007). In USA begründen Untersuchungen <strong>in</strong> allen<br />

fünfzig Staaten <strong>der</strong> USA die Art und Weise <strong>der</strong> Zusammenarbeit als Grundlage für <strong>der</strong>en<br />

Verbesserung. E<strong>in</strong>e gute Zusammenarbeit mit den Schulpsychologen führt bei Lehrern dazu,<br />

dass sie auch die Arbeit <strong>der</strong> Schulpsychologen posi0v bewerten, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e wenn<br />

wirksame Methoden zur Verbesserung des Unterrichts vermi=elt werden (Peterson u.a.,<br />

1998 auf <strong>der</strong> Annual Conven0on <strong>der</strong> NASP). Die Zeit, die Schulpsychologen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule<br />

verbr<strong>in</strong>gen, hängt mit ihrer Bewertung zusammen (Jorge Eduardo Gonzalez, 2001; N.<br />

Gonzalez, 2008)(Jorge E. Gonzalez, Nelson, Gutk<strong>in</strong>, & Shwery, 2004). Eltern haben <strong>in</strong>sgesamt<br />

e<strong>in</strong> posi0ves Image gegenüber schulpsychologischer Arbeit. Lehrer an Gymnasien tendieren<br />

eher dazu die Arbeit abzuwerten (Elb<strong>in</strong>g & Seitz, 1994). Eltern und Familien bewerten e<strong>in</strong>e<br />

schulpsychologische Arbeit posi0v (Abgo=spon, 1994). E<strong>in</strong>e deutsche Untersuchung von<br />

Günter Ve=er aus dem Jahre 1991 untersucht die tatsächlich verbreitete E0keÖerungsfurcht,


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 57<br />

die <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> dann herrscht, wenn jemand zu e<strong>in</strong>em Psychologen muss. Die Studie aus<br />

dem Jahr 1991 zeigt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>ar0ge E0keÖerungsfurcht, allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d<br />

s0gma0sierende Sichtweisen unter den untersuchten Hauptschülern signifikant weniger<br />

häufig verbreitet als unter Schülern höherer Schulformen (Schmalohr, 1984, 1995; Ve=er,<br />

1985, 1989, 1991). E<strong>in</strong>e na0onale Studie aus dem Jahre 1975 von Schür<strong>in</strong>-­‐Grauert-­‐Basler<br />

(Psychologie <strong>in</strong> Erziehung und Unterricht) zeigt allerd<strong>in</strong>gs, dass die Eltern überwiegend<br />

zufrieden waren mit den Leistungen <strong>der</strong> Schulpsychologen. E<strong>in</strong>e Studie aus dem Jahre 1993<br />

(Süddeutschland) untersucht die Wünsche <strong>der</strong> Familien an die Arbeit von Schulpsychologen,<br />

wobei diese <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e wünschen, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hilfreichen Gespräch mit ihnen<br />

erarbeitet wird, woher die Probleme ihres K<strong>in</strong>des kommen und dass aus diesem Gespräch<br />

wirksame Ratschläge erwachsen (Haer<strong>in</strong>g & Goelitz, 1993).<br />

Für die Entwicklung e<strong>in</strong>er rich0gen und wirksamen und alle Seiten zufrieden stellenden<br />

Aufgabenverteilung zwischen Beratungslehrern, Schulsozialarbeitern, GanztagskräIen und<br />

Schulpsychologen ist e<strong>in</strong>e klare Aufgabenverteilung zu erarbeiten.<br />

An dieser Stelle kann nur mit Blick auf die exis0erenden Diplomprüfungsordnungen für<br />

Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Diplompsychologen sowie auf verschiedene<br />

Masterstudiengänge <strong>in</strong> den genannten Diszipl<strong>in</strong>en h<strong>in</strong>gewiesen werden. Diese enthalten<br />

wesentliche Punkte <strong>der</strong> Qualifizierung von Psychologen nicht. Interna0onal werden für<br />

Schulpsychologen gefor<strong>der</strong>t: (ISPA Web)<br />

1. Die Erarbeitung grundlegen<strong>der</strong> psychologischer Kenntnisse<br />

2. Die Entwicklung von professionellen Entscheidungskompetenzen<br />

3. Der Erwerb von Forschungskompetenzen und sta0s0schen Fähigkeiten<br />

4. E<strong>in</strong>e Verstärkung <strong>in</strong>terpersoneller, <strong>in</strong>terak0ver Qualitäten<br />

5. Die Kenntnis ethischer Grundsätze<br />

6. Die Etablierung professioneller Werte.<br />

Die Interna0onal School Psychology Associa0on nennt folgende Pr<strong>in</strong>zipien für ihre Arbeit als<br />

Organisa0on (ispaweb.org, zusammengefasst):<br />

1. Verstärkung <strong>der</strong> Anwendung psychologischer Pr<strong>in</strong>zipien <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erziehung<br />

2. Verstärkung <strong>der</strong> Kommunika0on über geis0ge Gesundheit mit allen, die an Schulen<br />

arbeiten<br />

3. Ermu0gung <strong>der</strong> Ausbildung und E<strong>in</strong>stellung von Schulpsychologen<br />

4. Verstärkung <strong>der</strong> psychologischen Rechte aller K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen<br />

5. Ini0ierung und Verstärkung <strong>der</strong> Koopera0on mit an<strong>der</strong>en Organisa0onen mit ähnlichen<br />

Zielen<br />

6. E<strong>in</strong>treten gegen jede Art von Diskrim<strong>in</strong>ierung


ner bei Lern- und Verhaltensproblemen von Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern sowie bei Fragen <strong>der</strong> Fortbildung,<br />

<strong>der</strong> Personalentwicklung und <strong>der</strong> Schulentwicklung.<br />

Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 58<br />

Hierbei wenden sie schulpsychologische Methoden <strong>der</strong> Diagnostik, Intervention, Unterstützung und<br />

Fortbildung sowie ihre beson<strong>der</strong>e Vernetzungskompetenz im schulischen und psychosozialen Bereich an.<br />

Die Verb<strong>in</strong>dung mit ethischen Pr<strong>in</strong>zipien ist ebenso wie die Koopera0on auch für den BDP<br />

gül0g:<br />

6. Qualitätsstandards<br />

• Professionelles Handeln nach dem aktuellen Stand <strong>der</strong> psychologischen Wissenschaft<br />

• Arbeit im Team und <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Zusammenarbeit<br />

• Reflexion des eigenen beruflichen Handelns durch regelmäßige Supervision<br />

• Regelmäßige Tätigkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelfallhilfe sowie <strong>in</strong> <strong>der</strong> systemischen<br />

Beratung von Schulen und Gruppen<br />

• Regelmäßige Fortbildung <strong>in</strong> den Bereichen Diagnostik, Therapie, Beratung,<br />

System- und Organisationsberatung<br />

• Maßnahmen zur regelmäßigen Evaluation und Qualitätssicherung<br />

schulpsychologischer Arbeit<br />

• Orientierung an den berufsethischen Grundsätzen des Berufsverbandes und<br />

den rechtlichen Grundlagen<br />

Die exis0erenden MA-­‐Ausbildungsgänge für Psychologen, die erst kürzlich entwickelt worden<br />

s<strong>in</strong>d, sehen beispielsweise (Beispiel Konstanz) Kogni0on und Gehirn, Handlungspsychologie,<br />

Entwicklungspsychologie, Leistung und Lernen bei <strong>der</strong> Arbeit, Selbstregula0on im<br />

Arbeitskontext, psychotherapeu0sche Methoden, Störungsdiagnos0k, Praxis <strong>der</strong><br />

Interven0on, neuropsychologische Diagnos0k und Methoden, neuropsychologische<br />

<strong>Schulpsychologie</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 5<br />

Rehabilita0on vor. Vergleichbare Themen f<strong>in</strong>det man bei Beratungslehrern, Sozialarbeitern<br />

und Sozialpädagogen nicht.<br />

Es muss sichergestellt werden, dass künIige Schulpsychologen, Beratungslehrer u.a.<br />

selbständig <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, den wissenschaIlichen Erkenntnisfortschri= auch selbständig zu<br />

erarbeiten, d.h. vor allem englische Texte lesen können und sta0s0sche Analysen kri0sch und<br />

kompetent bewerten können.<br />

So wie prak0zierende Mediz<strong>in</strong>er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, wissenschaIliche Arbeiten zum Fortschri=<br />

<strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong> selbständig zu lesen und zu bewerten, so muss dies e<strong>in</strong> Ziel auch für das<br />

Beratungspersonal <strong>in</strong> Schulen se<strong>in</strong>. Wer darauf angewiesen ist, dass man ihm erklärt, was<br />

bedeutsam ist, wer selbst nicht überprüfen kann, ob diese Aussagen s0mmen, wer die<br />

Quellen, die Fortbil<strong>der</strong> für ihre Aussagen nennen, nicht selbständig auf Seriosität prüfen<br />

kann, kann nicht dynamisch und ak0v die Arbeit weiterentwickeln. Die Teilnahmefähigkeit an<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>terna0onalen empirischen Beratungs-­‐ und schulpsychologischen Forschung muss


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 59<br />

deshalb das entscheidende Kriterium für die Auswahl von geeigneten Bewerbern und<br />

Bewerber<strong>in</strong>nen se<strong>in</strong>. Die an<strong>der</strong>en Fähigkeiten s<strong>in</strong>d zusätzlich notwendig und sollten<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei Vorliegen von vielen Bewerbern dann entsprechend berücksich0gt werden.<br />

7.4. Die rich&ge Organisa&on<br />

Der BDP selber hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Art von Glosse die organisatorischen Probleme des rich0gen<br />

E<strong>in</strong>satzes von Schulpsychologen karikiert: 1. In <strong>der</strong> Beratungsstelle verkriechen. 2. Ke<strong>in</strong>e<br />

Informa0onen an Schulen geben. 3. Partei ergreifen. 4. Individuenzentriert arbeiten. 5.<br />

Lehrer beschimpfen, Eltern beschimpfen und kri0sieren. 6. Lehrer mit Psychospielen<br />

trak0eren.<br />

Daraus ergibt sich, wenn man es umdreht, dass <strong>der</strong> Schulpsychologe <strong>in</strong> engem Kontakt mit<br />

den Schulen se<strong>in</strong>es Zuständigkeitsbereiches steht und dass er an beson<strong>der</strong>en Ereignissen<br />

auch teilnimmt. Er pflegt e<strong>in</strong>e transparente Kommunika0on mit Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrern,<br />

Eltern und Schulen ohne die beson<strong>der</strong>e Verschwiegenheitspflicht zu verletzen. Die<br />

gel<strong>in</strong>gende Koopera0on ist für die Akzeptanz <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> und für die Sache güns0g.<br />

Hierzu gibt es im na0onalen und <strong>in</strong>terna0onalen Oeuvre e<strong>in</strong>e Reihe von Studien (Anthun,<br />

2000; Anthun & Manger, 2006; Gysbers, 2004; Heiz, 2005; Power, 2006).<br />

Aus <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>gruppenpsychologie weiß man aber, dass e<strong>in</strong>e Koopera0on <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dann<br />

gel<strong>in</strong>gt, wenn im gegensei0gen E<strong>in</strong>verständnis die Aufgaben rich0g verteilt werden und je<strong>der</strong><br />

jeweils bei <strong>der</strong> Erledigung se<strong>in</strong>er eigenen Aufgaben an die mögliche Relevanz für die an<strong>der</strong>en<br />

denkt. Die Koopera0on kann nicht <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne verordnet werden, dass vor Ort die<br />

jeweiligen Kompetenzen immer noch ausgehandelt werden müssen, son<strong>der</strong>n man sollte e<strong>in</strong>e<br />

solche Koopera0on und Vernetzung möglichst konflik]rei organisieren.<br />

Für den Ausbau e<strong>in</strong>es leistungsfähigen schulpsychologischen Unterstützungssystems ist<br />

allerd<strong>in</strong>gs auch die E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Forschung und <strong>der</strong> Universitäten bzw. Hochschulen<br />

notwendig. E<strong>in</strong>erseits muss sich die WissenschaI durch praxisnahe Forschung und durch<br />

Anwendungsbezug ihrer Forschung für die <strong>Schulpsychologie</strong> engagieren, sie muss mit den<br />

wissenschaIlichen und berufsständischen Verbänden nach dem Muster <strong>der</strong> amerikanischen


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 60<br />

Psychologie Allianzen bilden und Ausbildungsordnungen für Schulpsychologen an e<strong>in</strong>er <strong>der</strong><br />

Hochschulen Nie<strong>der</strong>sachsens etablieren.<br />

8. Handlungsperspek&ven für Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

Das Gutachten hat gezeigt, dass es sich bei den schulpsychologischen Diensten weltweit um<br />

anerkannte und effek0ve Dienste handelt, die ihre Erfolge e<strong>in</strong>drucksvoll untermauern<br />

können.<br />

Demgegenüber ist die Situa0on <strong>der</strong> Dienste <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen bedauernswert spärlich und<br />

extrem unterentwickelt. Man sollte me<strong>in</strong>en, daraus könne e<strong>in</strong>e resigna0ve Haltung<br />

erwachsen. Zumal <strong>der</strong> Abstand zum <strong>in</strong>terna0onalen Standard sehr groß ist.<br />

Demgegenüber wird hier die Ansicht vertreten, dass e<strong>in</strong>e solche Situa0on zu schnellen<br />

poli0schen Erfolgen führen kann und sich deswegen e<strong>in</strong> schnelles Handeln lohnen würde.<br />

Die E<strong>in</strong>stellung von Schulpsychologen stößt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung und bei den Verbänden<br />

ausschließlich auf Wohlwollen -­‐lediglich <strong>der</strong> professionelle Verdrängungswe=kampf h<strong>in</strong>ter<br />

verschlossenen Türen gäbe zur Sorge Anlass. Mi=lerweile müsste aber auch <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

klar se<strong>in</strong>, dass Schulpsychologen e<strong>in</strong>en uniquen und durch an<strong>der</strong>e Professionen nicht<br />

ersetzbaren Dienst an Schule, Schülern, Lehrern leisten.<br />

Weil <strong>der</strong> Ausbaustand so niedrig ist, kann bereits durch E<strong>in</strong>stellung von 30 bis 40<br />

Schulpsychologen schnell e<strong>in</strong>e bessere Rela0on erreicht werden, und <strong>der</strong> letzte Platz im<br />

<strong>in</strong>nerdeutschen Vergleich abgegeben werden. Mit e<strong>in</strong>em AuÑauplan, an dem alle relevanten<br />

Gruppen beteiligt se<strong>in</strong> werden, kann dann schri=weise die anzustrebende Zahl von 250<br />

Schulpsychologen für Nie<strong>der</strong>sachsen erreicht werden.<br />

Der <strong>in</strong> den letzten Jahren zu beobachtende rasante Ausbau <strong>der</strong> wissenschaIlichen<br />

<strong>Schulpsychologie</strong> kommt e<strong>in</strong>em Schulpsychologischen Dienst quasi „im AuÑau“ als<br />

beson<strong>der</strong>er Gestaltungsspielraum zugute. Von Anfang an -­‐ und ohne Regelungshypotheken<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit-­‐ kann e<strong>in</strong>e neue professionelle, schulpsychologische Infrastruktur<br />

aufgebaut werden. Die muss -­‐ wenn sie dem <strong>in</strong>terna0onalen Kenntnisstand zur<br />

<strong>Schulpsychologie</strong> entsprechen soll -­‐ auch <strong>in</strong> enger Koopera0on mit <strong>der</strong> universitären


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 61<br />

psychologischen Forschung und Lehre gestaltet werden. Durch Vere<strong>in</strong>barungen muss<br />

gewährleistet werden, dass Schwerpunkte im Masterstudium gesetzt werden können.<br />

Der Gestaltungsspielraum muss sich also an folgenden Leitl<strong>in</strong>ien orien0eren:<br />

1.die Evidenzbasierung <strong>der</strong> Aufgaben,<br />

2.die mo<strong>der</strong>nen Aufgaben <strong>der</strong> <strong>Schulpsychologie</strong> (s.o.)Evalua0on, Forschung,<br />

Implementa0on, Diagnos0k, Systemberatung, Fortbildung und Beratung<br />

3. die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> universitären <strong>Schulpsychologie</strong><br />

4. Zugleich wäre e<strong>in</strong>e Neuordnung <strong>der</strong> Arbeitsfel<strong>der</strong> des mul&professionellen Personals<br />

s<strong>in</strong>nvollerweise an e<strong>in</strong>en Ausbau <strong>der</strong> schulpsychologischen Dienste zu knüpfen. E<strong>in</strong>e<br />

vorausschauende Arbeitsteilung kann viele Reibereien bei ungeregelter Koopera0on<br />

vermeiden helfen.<br />

Schließlich und endlich hä=e Nie<strong>der</strong>sachsen auch die Möglichkeit durch e<strong>in</strong>en NeuauÑau<br />

<strong>der</strong> schulpsychologischen Dienste <strong>in</strong>terna0onale Massstäbe zu setzen (Gonzales, 1988)


Dollase Gutachten <strong>Schulpsychologie</strong> 62<br />

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