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Schreibschrift: Noch mehr Wirrwarr ist überflüssig

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Westfalenblatt, 3. Februar 2012<br />

Von Kerstin Eigendorf<br />

<strong>Schreibschrift</strong>: <strong>Noch</strong> <strong>mehr</strong> <strong>Wirrwarr</strong> <strong>ist</strong> <strong>überflüssig</strong><br />

Kerstin Eigendorf<br />

Mit dem NRW-Schulkonsens soll die leidliche Schulformdebatte beendet sein –<br />

zumindest bis 2020. Die eine Baustelle scheint gerade beseitigt zu sein, da macht<br />

der Grundschulverband ein anderes Fass auf: Er stellt die gängigen<br />

<strong>Schreibschrift</strong>en in Frage und fordert eine Schrift für das ganze Leben – die<br />

Grundschrift. Sie soll Schüler zwangsbeglücken. Dieser Nebenkriegsschauplatz<br />

abseits der Schulformdebatte <strong>ist</strong> das letzte, was Schulen brauchen. Er <strong>ist</strong><br />

<strong>überflüssig</strong> und nicht zuletzt interessengesteuert.<br />

Als Grund für die Wichtigkeit einer neuen Schriftform, die auf Druckbuchstaben<br />

basiert, führt der Verband die unleserliche Schrift vieler Schüler an. Die<br />

Feststellung <strong>ist</strong> richtig, die Schlussfolgerung falsch. Wenn das Schriftbild<br />

verbessert werden soll, braucht es keine neue Schrift, sondern neue Lehrpläne. In<br />

den vergangenen Jahren wurde dieses Thema sowohl in der Lehrerausbildung als<br />

auch in den Curricula der Schüler vernachlässigt. Hier liegt die wahre Ursache.<br />

Schulen stehen seit Jahren unter Dauerstress: Pisa, Schulzeitverkürzung,<br />

Einführung neuer Schulformen, Kopfnotendebatte, Hauptschulsterben . . . Sie<br />

brauchen endlich Ruhe und Verlässlichkeit. Jetzt die gängigen Schriften<br />

abzuschaffen, um das »Schriftendurcheinander zu beenden«, <strong>ist</strong> eine Farce. Das<br />

Ergebnis <strong>ist</strong> <strong>mehr</strong> <strong>Wirrwarr</strong>: Es gibt einfach noch eine neue Schrift. Außerdem<br />

erlauben viele Grundschulen Schülern mit feinmotorischen Störungen ohnehin<br />

bereits, bei der Druckschrift zu bleiben. Für alle anderen gilt: Studien haben<br />

nachgewiesen, dass der Mensch nicht in Buchstaben denkt, sondern in<br />

Worteinheiten. Und die gehen in <strong>Schreibschrift</strong> leichter von der Hand und fördern<br />

den Denkprozess.<br />

Am Ende profitierten nicht die Kinder von der Grundschrift, sondern die Verlage.<br />

Neue Schrift heißt: neue Bücher. Schon bei der Einführung der Vereinfachten


Ausgangsschrift wurde die Nähe des Grundschulverbands zu Verlagen sichtbar.<br />

Viele Mitarbeiter des Verbandes schreiben nebenberuflich für Verlage.<br />

Hier kommt auch Pelikan ins Spiel. Warum befragen Pelikan-Mitarbeiter Lehrer bei<br />

der Bildungsmesse Didacta, welches Material sie sich wünschen würden, um die<br />

Grundschrift einführen zu können? Und warum darf Pelikan bei<br />

Informationsveranstaltungen des Grundschulverbandes Werbefilme zeigen und<br />

taucht in Begleitheften in Form von Schleichwerbung auf? Teilnehmer berichten<br />

sogar, dass Pelikan Infotreffen für Lehrer zur Grundschrift sponsert.<br />

Die Grundschrift birgt somit viele Fragezeichen. Das zeigt sich letztlich am Namen.<br />

Der Grundschulverband wollte 2005 die Druckschrift mit denselben Argumenten<br />

wie heute die Grundschrift als einzige Schrift etablieren. Doch beim Begriff<br />

»Druckschrift« war der Gegenwind zu stark. Jetzt heißt sie eben Grundschrift. Alte<br />

Idee, neue Verpackung. Das Fazit von 2005 bleibt: Die neue Schrift <strong>ist</strong> <strong>überflüssig</strong>!

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