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Jürgen Haßdenteufel – Geschäftsführer ... - Saarpfalz-Kreis

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<strong>Jürgen</strong> <strong>Haßdenteufel</strong> <strong>–</strong> <strong>Geschäftsführer</strong> Grundsicherung<br />

Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur<br />

für Arbeit<br />

Migrantinnen und Migranten am Arbeitsmarkt aus Sicht der<br />

Agentur für Arbeit<br />

Statement anlässlich der Fachtagung des Saar-Pfalz-<strong>Kreis</strong>es<br />

„Vielfalt statt Einfalt - Migrantinnen und Migranten am<br />

Arbeitsmarkt“<br />

Anrede,<br />

zunächst einmal herzlichen Dank für die Einladung zur<br />

diesjährigen arbeitsmarktpolitischen Fachtagung des Saar-<br />

Pfalz-<strong>Kreis</strong>es, die durch eine Vielzahl von ausgewiesenen<br />

Experten des diesjährigen Schwerpunkt-Themas bereichert<br />

wird.<br />

Ich bedanke mich insbesondere auch dafür, dass wir von<br />

Seiten der Bundesagentur für Arbeit einen Beitrag zu dieser<br />

wichtigen Veranstaltung leisten dürfen.<br />

Viele von Ihnen haben es sicher registriert- die Medien haben<br />

auf jeden Fall ausführlich darüber berichtet: Vor wenigen Tagen<br />

hat sich in der Bundesrepublik - im Zusammenhang mit<br />

unserem heutigen Schwerpunkt-Thema - ein wichtiger Tag<br />

zum 50.Mal gejährt:<br />

Am 30. Oktober 1961 wurde das Anwerbeabkommen für<br />

türkische Arbeitnehmer unterzeichnet.<br />

Dieses Jubiläum hatte für die Bundesrepublik offensichtlich<br />

einen ganz erheblichen Stellenwert:


Bundesregierung, Landesregierungen, auch mein eigenes<br />

Haus haben um diesen Jahrestag herum Veranstaltungen<br />

organisiert. Denn immerhin interpretieren wir diese<br />

Vereinbarung als den Startschuss einer deutlich verstärkten<br />

türkischen Einwanderung nach Deutschland.<br />

Auch wenn das historisch nicht so ganz korrekt ist, Tatsache<br />

ist, dass mit dem Anwerbeabkommen der Grundstein für eine<br />

arbeitsmarktbezogene Zuwanderung von Männern und Frauen<br />

in einer Dimension gelegt wurde, wie wir sie bis zu diesem<br />

Zeitpunkt nicht kannten. Das obwohl dem Anwerbeabkommen<br />

mit der Türkei andere Abkommen schon vorausgegangen<br />

waren: 1955 mit Italien, 1960 mit Spanien, und im gleichen Jahr<br />

mit Griechenland.<br />

Was die Sache für alle Beteiligten zum damaligen Zeitpunkt<br />

zunächst einmal einfacher gemacht hat: Alle - die<br />

Bundesregierung, mit ihr die deutsche Bevölkerung, aber auch<br />

die einwandernden Menschen selbst - sind damals davon<br />

ausgegangen, dass das eine Zuwanderung auf Zeit sein würde.<br />

Der Begriff „Gastarbeiter“ ist den meisten hier im Raum sicher<br />

noch vertraut. Er rührt genau aus dieser Auffassung:<br />

da werden Menschen kommen,<br />

sie werden hier arbeiten,<br />

sie werden für eine Zeit gebraucht,<br />

dann werden sie aber auch wieder gehen.<br />

Nur hin und wieder hat da mal jemand durch eine Anmerkung<br />

so richtig nachdenklich gestimmt, wie z.B. der türkische<br />

Zuwanderer, der <strong>–</strong> ja nicht so ganz zu Unrecht <strong>–</strong> festgestellt hat,<br />

„Gastarbeiter“ sei ja schon ein komisches Wort. In seiner<br />

Heimat würde man Gäste nicht arbeiten lassen.<br />

Die Vorstellungen, wann die ausländischen Arbeitskräfte<br />

wieder zu gehen hätten, waren klar. Ursprünglich war nämlich<br />

eine Rotation im 2-Jahres-Takt vorgesehen.


Und das nur mit dem einen Ziel: Die Einwanderung sollte<br />

vermieden werden.<br />

Dass diese Regelung schon 1964 geändert wurde, hatte einen<br />

maßgeblichen Grund: Arbeitgeber brauchten mehr Kontinuität<br />

bei der Beschäftigung ihrer neuen Arbeitnehmerinnen und<br />

Arbeitnehmer.<br />

Mir scheint, meine Damen und Herren, vieles von dem, was wir<br />

bis heute an ambivalenter Haltung gegenüber Menschen mit<br />

Migrationshintergrund erleben, hat in dieser Vorstellung vom<br />

„Gastarbeiter“ seine Wurzeln. Das ist bis heute ein<br />

maßgeblicher Grund dafür, dass Integrationsarbeit auch in der<br />

4. Generation zu weiten Teilen noch ein schwieriger Prozess<br />

ist.<br />

Bei jeder Einwandererwelle zu leugnen, dass wir es mit<br />

dauerhafter Einwanderung zu tun haben, war und ist der<br />

maßgebliche Fehler im Zusammenhang mit<br />

arbeitsmarktbezogener Zuwanderung.<br />

In der Konsequenz führt das bis heute dazu, dass wir diesen<br />

Menschen nicht wirklich auf Augenhöhe begegnen. Wobei<br />

dieses „auf Augenhöhe“ für mich dafür steht, wie ernst wir diese<br />

Menschen mit ihren sehr spezifischen Belangen tatsächlich<br />

nehmen.<br />

Das gilt im Übrigen selbst für diejenigen, die zwischenzeitlich<br />

sehr erfolgreich im Arbeitsleben sind.<br />

Selbst erfolgreiche Unternehmer, die ihre Wurzeln nicht in<br />

Deutschland haben, hier aber vielen Menschen einen<br />

Arbeitsplatz bieten, führen Klage darüber, dass ihnen dieser<br />

gleichberechtigte Umgang selbst nach vielen Jahren<br />

erfolgreicher Tätigkeit hier in Deutschland versagt wird.


Mit dem Ergebnis, dass sie sich auch nach 30 und mehr Jahren<br />

in diesem Land nicht so richtig angekommen und angenommen<br />

fühlen.<br />

Um wie viel mehr gilt das für die, die den Anschluss an die<br />

Arbeitswelt nicht so ohne weiteres schaffen.<br />

Diesen Menschen nicht auf Augenhöhe zu begegnen verstellt<br />

den Blick nämlich gleich für zweierlei:<br />

Dafür, was diese Menschen von uns an Unterstützung und<br />

Akzeptanz erwarten dürfen.<br />

Zum Zweiten aber auch dafür, was wir von ihnen erwarten<br />

dürfen- dann nämlich, wenn wir mit berechtigten Forderungen<br />

auf sie zukommen. Und dann wenn es darum geht, ihren<br />

Beitrag einzufordern, um ihre Teilhabe an der<br />

Arbeitsgesellschaft zu ermöglichen.<br />

Es sind in den derzeitigen Feierstunden selten die politischen<br />

Entscheidungsträger, die das mit Eindeutigkeit zum Thema<br />

machen. Es sind vielmehr oft die Betroffenen selbst, die<br />

Migranten, ihre Kinder und Enkel aus der 2. und 3.<br />

Einwanderergeneration, die das tun.<br />

Sie schildern, wie sie sich in einer Gesellschaft fühlen, die sich<br />

bis heute zu Teilen der Erkenntnis verweigert, dass diese<br />

Menschen zwischenzeitlich eben nicht nur eine Aufenthalts-<br />

und Arbeitsberechtigung, sondern eine (im wahrsten Sinne des<br />

Wortes) Daseinsberechtigung erworben haben.<br />

177.000 Menschen im Saarland haben <strong>–</strong> ausweislich des<br />

letzten Mikrozensus (2010) <strong>–</strong> einen Migrationshintergrund.<br />

Neben rund 20.000 Türken sind das vor allem 32.000 Italiener,<br />

13.000 Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawen, 23.000<br />

Spätaussiedler aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen<br />

Sowjetunion und 11.000 Zuwanderer aus Polen.


Die Dimension ist beeindruckend, unsere oftmals fehlende<br />

Bereitschaft, uns mit ihr auseinanderzusetzen, gleichfalls.<br />

Das beginnt schon dort, wo wir, bis zum 22. August dieses<br />

Jahres, keine Daten zum Migrationshintergrund arbeitsloser<br />

Menschen hatten.<br />

Erst seit diesem Tag erheben wir derartige Daten. Aber wir tun<br />

das <strong>–</strong> sie werden staunen - auf freiwilliger Basis.<br />

Weil der 22. August aber so lange noch nicht zurückliegt,<br />

stützen wir uns in der Arbeitsmarktanalyse <strong>–</strong> quasi ersatzweise<br />

<strong>–</strong> auf die Informationen, die wir zu ausländischen Arbeitslosen<br />

haben.<br />

Was wissen wir?<br />

Wir wissen dass es <strong>–</strong> gerade auch hinsichtlich der<br />

Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Migrationshintergrund<br />

sehr viele Realitäten gibt.<br />

Es gibt eine, die vielleicht ein Stück weit überrascht:<br />

Wir wissen, dass Ausländer in Branchen wie der öffentlichen<br />

Verwaltung, dem Bereich Erziehung und Bildung, den Banken<br />

und dem Versicherungswesen, dem Verkehr und der<br />

Nachrichtenübermittlung (zugegebenermaßen ausgehend von<br />

einer geringen Basis) in den zurückliegenden Jahren deutlich<br />

an Beschäftigung zugelegt haben; und zwar - im Vergleich zu<br />

„Einheimischen“ - weit überdurchschnittlich.<br />

Wir wissen, dass Ausländer am Strukturwandel, an der<br />

Expansion von Dienstleistungsarbeitsplätzen (und durchaus<br />

auch von gut qualifizierten Dienstleistungsarbeitsplätzen)<br />

stärker partizipieren als die deutschen Beschäftigten.


Wir wissen aus Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt-<br />

und Berufsforschung, dass Migranten sehr viel häufiger als<br />

Einheimische zur Gründung eines eigenen Unternehmens<br />

neigen.<br />

Und wir wissen aus den gleichen Studien, dass von Migranten<br />

gegründete Unternehmen nicht weniger erfolgreich sind als die<br />

von Nicht-Migranten. Sie sind im Schnitt genauso innovativ und<br />

sogar signifikant größer als die Gründungen der Einheimischen.<br />

Wir wissen auch, dass eine wachsende Zahl meist junger und<br />

sehr gut ausgebildeter Migrantinnen und Migranten (vor allem<br />

junge Türkinnen und Türken) hier in Deutschland ihre Koffer<br />

packen und in ihre Heimatländer zurückkehren. In der Regel<br />

nicht deshalb, weil ihnen dort bessere finanzielle Konditionen<br />

geboten wurden, sondern weil sie hier offenbar <strong>–</strong> trotz eines<br />

zunehmenden Fachkräftebedarfs <strong>–</strong> keine Einsatzmöglichkeiten<br />

finden und/oder weil ihnen bei der Jobsuche eben nicht auf<br />

gleicher Augenhöhe begegnet wird.<br />

Es gibt aber auch eine andere Realität, die sich in der Statistik<br />

und in den Ergebnissen der Arbeitsmarktforschung spiegelt.<br />

Das ist eine Realität, die uns viel vertrauter ist. Nicht zuletzt<br />

auch deshalb, weil sie unsere Erwartungen besser bedient.<br />

Wir wissen, dass die Beschäftigungslücke <strong>–</strong> also die Differenz<br />

zwischen der Erwerbsquote der Bevölkerung mit<br />

Migrationshintergrund und derjenigen ohne<br />

Migrationshintergrund eklatant- ist und dass sich diese Lücke<br />

auch nicht maßgeblich verringert.<br />

Im Gegenteil: Die Beschäftigungslücke stabilisiert sich sogar bei<br />

denjenigen Menschen mit Migrationshintergrund, die in<br />

Deutschland aufgewachsen sind und die das hiesige<br />

Schulsystem durchlaufen haben. Die Chancen von Menschen<br />

mit Migrationshintergrund an der Arbeitsgesellschaft zu<br />

partizipieren, erhöht sich also von Generation zu Generation<br />

keineswegs.


Was wissen wir noch?<br />

Wir wissen, dass die Arbeitslosenquote ausländischer<br />

Mitbürger im Saarland mit 14,8 % (September 2011) mehr als<br />

doppelt so hoch liegt wie die aller Saarländer (6,4 %) und fast<br />

dreimal so hoch wie die der Deutschen (5,8 %).<br />

Wir wissen auch, dass von den 4.800 Ausländern, die im<br />

Saarland arbeitslos gemeldet sind, 80 % keine abgeschlossene<br />

Berufsausbildung haben. Bei der Gesamtzahl der Arbeitslosen<br />

sind es „nur“ 53 %.<br />

Und wir wissen, dass ausländische Beschäftigte nur in wenigen<br />

Beschäftigungsschwerpunkten zu finden sind.<br />

Sechs von zehn ausländischen Beschäftigten arbeiten im<br />

Verarbeitenden Gewerbe und dort in Branchen, die - wie etwa<br />

die Zeitarbeit oder die Helfertätigkeiten - stark<br />

konjunkturabhängig sind.<br />

Mit dem Ergebnis, dass Ausländer diejenigen sind, die am<br />

ehesten und am stärksten von Konjunkturwellen betroffen sind.<br />

Der Anstieg der Arbeitslosigkeit von Migranten ist geradezu ein<br />

Frühindikator für eine bevorstehende Arbeitsmarktkrise.<br />

Von jungen Migrantinnen und Migranten wissen wir,<br />

dass sie weniger häufig in ihren Wunschberuf einmünden<br />

als ihre einheimischen Altersgenossen<br />

dass sie sich häufig in Ausbildungsberufen finden, in<br />

denen die durchschnittliche Vertragsauflösungsquote<br />

höher ist,<br />

dass sie sich überdurchschnittlich in Ausbildungsberufen<br />

finden, in denen die Übernahme nach der Ausbildung<br />

weniger wahrscheinlich ist,<br />

dass sie tendenziell für die erlernten Ausbildungsberufe<br />

eher überqualifiziert sind.


Vieles von dem, was wir in der Arbeitsmarkt- und<br />

Beschäftigungssituation von Migranten beobachten, ist natürlich<br />

Ausfluss ganz allgmeiner und grundsätzlicher Tendenzen am<br />

Arbeitsmarkt. Sie gelten für Nicht-Migranten wie für Migranten.<br />

Aber die Entwicklungslinien sind bei Menschen mit<br />

Migrationshintergrund deutlich gravierender.<br />

Natürlich hat die Arbeitsmarktpolitik der öffentlichen<br />

Arbeitsmarktdienstleister, der Bundesagentur für Arbeit und der<br />

Jobcenter in diesem Zusammenhang einen besonderen<br />

Stellenwert.<br />

Es ist aber trivial und unendlich oft wiederholt: Die Weichen für<br />

eine erfolgreiche berufliche Integration werden nicht<br />

maßgeblich und zuallererst durch die Arbeitsagenturen und die<br />

Jobcenter gestellt. Sie werden sehr viel früher gestellt. Die<br />

Weichen werden maßgeblich im vorschulischen und<br />

schulischen Bereich umgelegt - oder halt auch nicht.<br />

Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Der Schlüssel zum<br />

Erfolg liegt, außer im Elternhaus, maßgeblich im deutschen<br />

Schulsystem.<br />

Anteilsmäßig erreichen mehr als doppelt so viele junge<br />

Menschen mit Migrationshintergrund keinen Schulabschluss als<br />

dies bei jungen Leuten der Fall ist, deren Wurzeln in<br />

Deutschland liegen.<br />

Und alle Untersuchungen, die zu diesem Thema angestellt<br />

wurden, zeigen: Was im allgemeinbildenden Bereich versäumt<br />

wurde, kann später nur noch sehr schwer nachgeholt werden.<br />

Maßnahmen, die erst nach der allgemeinbildenden Schule<br />

ansetzen, versprechen einfach deutlich geringere<br />

Erfolgsaussichten.


(Wobei es hier im Übrigen, nach Untersuchungen des Instituts<br />

für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, einen eindeutigen<br />

Zusammenhang zwischen dem Erwerb der deutschen<br />

Staatsangehörigkeit und der Bildungsbereitschaft gibt.<br />

Migranten mit deutscher Staatsangehörigkeit erreichen einen<br />

höheren Bildungsabschluss und haben in der Konsequenz<br />

einen besseren beruflichen Erfolg als nicht eingebürgerte<br />

Migranten. )<br />

Mit dem Verweis auf die Rolle und den Stellenwert der<br />

allgemeinbildenden Schulen will ich keineswegs die<br />

Verantwortung der öffentliche Arbeitsmarktdienstleister<br />

schmälern oder gar in Abrede stellen.<br />

Und ich behaupte: Die Arbeitsmarktpolitik stellt sich dieser<br />

Verantwortung. Sie tut das vielleicht sogar mehr, als man <strong>–</strong><br />

streng systemisch gedacht <strong>–</strong> von ihr erwarten dürfte.<br />

Denn die Mischung an Maßnahmen, die die Jobcenter oder die<br />

Arbeitsagenturen vor allem zu Gunsten junger Migrantinnen<br />

und Migranten aufgelegt haben, ist riesig. Viel zu oft sind sie<br />

auch darauf ausgerichtet, Defizite im schulischen Bereich zu<br />

kompensieren.<br />

Sie alle kennen die entsprechenden Aktivitäten:<br />

Maßnahmen der Berufsvorbereitung,<br />

außerbetriebliche Ausbildungen,<br />

ausbildungsbegleitende Hilfen<br />

Einstiegsqualifizierungen<br />

betriebliche Ausbildungscoaches<br />

Berufseinstiegsbegleiter<br />

spezifische Formen der Berufsorientierung<br />

Berufswahlmagazine in der Sprache der Migranten<br />

spezielle Elternveranstaltungen, weil Eltern mit<br />

Migrationshintergrund oft nichts oder wenig über das<br />

deutsche Schul- und Ausbildungssystem wissen.


Die Strategie dabei ist, möglichst nicht auf eigene Programme<br />

für Migranten zu setzen. Das vor allem auch deshalb, weil wir<br />

die Gefahr einer zusätzlichen Stigmatisierung als zu hoch<br />

einschätzen.<br />

Sehr viel sinnvoller scheint es uns, spezifische Förderelemente<br />

- insb. im Hinblick auf den Spracherwerb - in bereits<br />

bestehende Angebote einzubinden. Ansonsten aber wollen wir<br />

die Maßnahmen mit Migranten und mit jungen Menschen mit<br />

deutschen Wurzeln gemeinsam durchführen.<br />

Ähnlich agieren wir im Bereich der Arbeitsmarktpolitik zu<br />

Gunsten erwachsener Zuwanderer.<br />

7.500 arbeitsmarktpolitische Förderungen von Männern und<br />

Frauen mit Migrationshintergrund haben wir im bisherigen<br />

Jahresverlauf in den Jobcentern und in der Arbeitsagentur des<br />

Saarlandes gezählt.<br />

Das ist eine Förderquote, die deutlich über dem Anteilswert<br />

von Migranten an der Gesamtarbeitslosigkeit liegt.<br />

Die Schwerpunkte liegen in Aktivierungsmaßnahmen bei<br />

Trägern und bei Arbeitgebern. Sie liegen aber auch in der<br />

beruflichen Qualifizierung und hier vor allem in der Vermittlung<br />

von arbeitsmarktlich gut verwertbaren Teilqualifikationen.<br />

Die Orientierung am klassischen arbeits- und<br />

ausbildungsmarktpolitischen Instrumentarium hindert uns<br />

keineswegs daran, kreativ und vernetzt mit anderen Akteuren<br />

der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik<br />

zusammenzuarbeiten.<br />

Gerade im Saarland und gerade mit Blick auf Jugendliche gibt<br />

es dafür eine ganze Reihe von herausragenden Beispielen, die<br />

auch überregional auf Interesse und gute Resonanz gestoßen<br />

sind.


Das gilt für Ansätze, die das Ziel verfolgen, junge Menschen mit<br />

Migrationshintergrund vor allem auch in solchen Betrieben<br />

auszubilden, die von Betriebsinhabern mit<br />

Migrationshintergrund geführt werden, und die das häufig nur<br />

im Verbund tun können (Padua, Saarbrücken)<br />

Das gilt für Ansätze, die eine frühzeitige Integration junger<br />

Menschen in die duale Ausbildung durch bundeseinheitliche<br />

Ausbildungsbausteine erproben. (Jobstarter Connect/VAUS,<br />

Dillingen).<br />

Das gilt für Ansätze, die junge Erwachsene mit<br />

Migrationshintergrund bei der abschlussbezogenen beruflichen<br />

Nachqualifizierung unterstützen (QUASA, Saarbrücken)<br />

Das gilt für Ansätze zu Gunsten von Jugendlichen, die auf den<br />

üblichen Wegen der Berufsorientierung und Berufsberatung nur<br />

schwer erreichbar sind und die deshalb in enger Kooperation<br />

mit der Jugendhilfe organisiert sind (Kompetenzagenturen<br />

Saarbrücken und Landkreis Saarlouis)<br />

Das gilt auch für ein Projekt, in dem bereits vor dem derzeit<br />

intensiv diskutierten „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung<br />

und Anerkennung im Ausland erworbener<br />

Berufsqualifikationen“ dazu beraten wird, wie im Ausland<br />

erworbene Qualifikationen möglichst optimal für den<br />

inländischen Arbeitsmarkt erschlossen werden können<br />

(Servicestelle Saarbrücken).<br />

Alle diese Projekte aufzulisten, würde sicher den Rahmen<br />

sprengen. Eines ist allen diesen Ansätzen aber gemein: In<br />

ihnen wird versucht, neue Netzwerke aufzubauen und neue<br />

Wege zu gehen. Ich habe deshalb mit Interesse festgestellt,<br />

dass gerade auch das Thema der Netzwerkbildung heute an<br />

prominenter Stelle auf der Tagesordnung steht.


Im Übrigen bin ich mir sehr sicher, dass uns die im<br />

abschließenden Gesetzgebungsverfahren befindliche<br />

Instrumentenreform im SGB II und SGB III ab April des<br />

kommenden Jahres neue und zusätzliche Möglichkeiten<br />

bringen wird, um kluge Maßnahmekonstrukte zu entwickeln.<br />

Das gilt vor allem für den Bereich der Grundsicherung, d.h. für<br />

die Jobcenter.<br />

Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass dann noch mehr<br />

Möglichkeiten bestehen werden, die Mittel des Bundes, des<br />

Landes und der Kommunen zu vernetzen.<br />

Das ganz unabhängig davon, dass uns das Diktat knapper<br />

Kassen, das gleichfalls Bund, Land und Kommunen in gleicher<br />

Weise trifft, ohnehin zwingen sollte, stärker in Netzwerken zu<br />

denken und zu arbeiten<br />

Ansonsten kann man es nicht oft genug wiederholen: Die<br />

Rahmenbedingungen, um Erfolge am Arbeitsmarkt zu erzielen,<br />

waren eigentlich noch selten so gut wie derzeit.<br />

Konjunktur und Demografie sorgen dafür, dass der<br />

Arbeitskräftebedarf der Betriebe drastisch steigt.<br />

Nach derzeitigen Berechnungen wird die saarländische<br />

Wirtschaft in den kommenden 14 Jahren <strong>–</strong> bis zum Jahr 2025 <strong>–</strong><br />

rund ein Viertel ihrer Fachkräfte durch Altersabgänge verlieren.<br />

In der Konsequenz wird unsere Wirtschaft auf die vielen<br />

Menschen, die derzeit am Arbeitsleben nicht partizipieren,<br />

künftig nicht mehr verzichten können. Das gilt natürlich auch für<br />

Migrantinnen und Migranten und das gilt hier vor allem für die<br />

jungen Menschen.<br />

30 % der Menschen mit Migrationshintergrund sind jünger als<br />

20 Jahre. Sie stellen einen ganz erheblichen Teil des<br />

Erwerbspersonenpotenzials, der den Generationenwechsel in<br />

den saarländischen Betrieben künftig gewährleisten muss.


Insofern sind Veranstaltungen wie die heutige, die ein evidentes<br />

Arbeitsmarktproblem gerade auch unter regionalen<br />

Gesichtspunkten beleuchten, von wirklich großer Bedeutung-<br />

das allein schon deshalb, weil sie die Menschen<br />

zusammenführen, die hier vor Ort etwas verändern und<br />

weiterentwickeln können.<br />

Ich wünsche dabei viel Erfolg.

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