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Jahrbuch des Braunschweigischen Geschichtsvereins 2. Folge, Bd ...

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Buc"blacltrel cl"<br />

J:anduflrafanrtalttn<br />

WOlhnbittel<br />

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Lessing im Urteil der Nachwelt / Von Paul Alfred Merbach<br />

"Ist nimt die ganze Ewigkeit mein?"<br />

(Smlußworte von Lessings letztem Werk:<br />

"Die Erziehung <strong>des</strong> Mensmengesmlemts", 1780.)<br />

"Um mir mit wenigen Worten den Weg zu meiner Aufgabe zu bahnen,<br />

nehme im es als eine bekannte und zugestandene Tatsache, daß der<br />

Dichter, von dem ich reden will, zu den bedeutendsten unserer gesamten<br />

Literatur gehörtl." Darüber sind sim schon zu Lessings Lebzeiten<br />

die Geister in den deutschen Landen ringsumher einig gewesen, und<br />

eine Skizzierung <strong>des</strong> Urteils, das die Namwelt über ihn fällte, entbehrt<br />

jener geradezu dramatischen Höhepunkte, die z. B. bei Sclliller diese<br />

Aufgabe zu einer so außerordentlich reizvollen machen 2 , Die Erinnerung<br />

an Lessing konnte nie so fortwirkend aufflammen, wie es in den<br />

Novembertagen von 1859 gelegentlich von Schillers hundertstem Geburtstag<br />

der Fall war, der mit der Errimtung <strong>des</strong> deutsclien Zollvereins<br />

(1833) und dem Kölner Dombaufest (1840) eine Etappe auf dem Wege<br />

"",urde, den die Deutschen gingen, um sich zur Nation zu bilden. Lessing<br />

ist dem deutschen MensdIen nie zu einem Ideal geworden, "sein Name<br />

ist zur Idee verklärt"S, und die kühle Luft geistiger Abstraktionen ist<br />

immer um ihn gewesen. Thomas Carlyle hat aber mit RedIt große<br />

Männer "Feuersäulen auf der dunklen Pilgerfahrt der MensdIheit" genannt,<br />

und das Lessing-Gedädltnisjahr fordert dazu auf, zu verfolgen,<br />

wie dieser "Sämann guter Saaten"4 weiterwirkte und in seinem Sroaffen<br />

von den NadIfahren gewertet ward. Wir alle wissen - wenn wir es<br />

audI nicht immer bewußt fühlen -, wie wir mit ihm verbunden sind,<br />

und die allgemeine Linie <strong>des</strong> Urteils über Lessing ist von dieser dankbaren<br />

Einstellung selten abgewichen. "Waim kommt seinesgleichen wieder?"<br />

hat der alte Heinriro Laube gefragtlI, und die Erkenntnis Gustav<br />

Kühnes, der als Mitstreiter eines Jungen Deutsdlland siro mehr wie<br />

andere Zeitgenossen als Leasings Erbe im Geist und Handeln fühlte,<br />

bleibt zu Recht bestehen: Auf Lessing zurü


estimmt, daß er das unabhängige Schriftstellertum bei uns adelte,<br />

sondern daß er der erste deutsche Dichter war, der restlos sein ganzes<br />

Wesen, seine ganze Existenz in seine Werke gelcgt hat, der erste auch,<br />

der durch scine Werke, st'in Leben und seine Persönlidlkeit gleichmäßig<br />

seinem Volke Vorbild und Helfer ward und blieb. Lessing war mehr als<br />

eine "Grundsäule der deutsdIen Literatur"7, und gerade <strong>des</strong>wegen<br />

mußte eine Erkenntnis Peter Roseggers bei der Erinnerung an Lessings<br />

hundertsten To<strong>des</strong>tag doppelt schmerzlich sein: "Im Hinblick. auf sein<br />

Vorbild können wir weder in ästhetischer noch in humanitärer Beziehung<br />

mit dem Tagewerk <strong>des</strong> Jahrhunderts zufrieden sein"s. Die Besten<br />

seiner Zeit freiIim haben 1781 gewußt und gefühlt, wer von ihnen ging;<br />

nidlt jede Stimme klang damals so zurückhaltend wie die <strong>des</strong> Mitauischen<br />

Gymnasial professors Karl August Kütncr, der in seinen - anonym erschienenen<br />

- Charakteren deutscher Dichter und Prosaisten eine knappe<br />

und kluge Würdigung Lessings schließlim doch nur in den SatJ ausklingen<br />

ließ: "Ihn lobpreisen ist ebenso waglich, wie ihn tadeln wollen." Damals<br />

sdll"ieh Goethe die berühmten Worte: "Wir verlieren viel, viel an ihm, mehr<br />

als wir glauben; mir hätte nicht leimt etwas Fataleres begegnen können als<br />

Lessings Tod." Und Johann Gottfried Herder, der in Wielands Teutschem<br />

Merkur im Weinmond 1781 eine erste kritische Analyse von Lessings<br />

Welt und Wesen, Werk und Wirkung zu geben versucllte und <strong>des</strong>sen<br />

Worte über den "edlen Wahrheitssucher, Wahrheitskenner und Wahrheitsverfechter"<br />

typisch für das Empfinden der Zeit sind, hat vorher und<br />

nachher verschiedentlich betont, was diese "Quelle von Kraft und Licht"<br />

ihm bedeutet hat: "Dieser Schlag hat mich betäubt, aber mit jedem Tage<br />

fühle idl's sdunerzlidJer, was wir an diesem seltenen Manne verloren<br />

haben ... Man wird sich umsehen nadl einem, der diesen leer gewordenen<br />

Stuhl an der kleinen Tafelrunde der Weisen ausfüllen könnte ...<br />

Mir ist's noch immer, so entfernt wir voneinander arbeiteten und damten,<br />

so leer zumute, als ob Wüste, weite Wüste um midI wäre •.. ich<br />

kann nicht sagen, wie mich scin Tod verödet hat; es ist, als ob dem<br />

Wanderer alle Sterne untergehen und der dunkle, wolkige Himmel<br />

blieb." Eine Berliner Stimme 9 ließ sidJ in wohlgemeinten Versen vernehmen,<br />

die den Kreis von Lessings Tätigkeit zu schildern suchten:<br />

"Als Lessing starb - starb Winckelmann,<br />

Plaut, Sophokles, Äsop der Erde noch einmal!<br />

Wo lebt nun die Kopie, die das Original<br />

Der Welt ersetJen kann?"<br />

Von den verschiedenen Gedächtnisfeiern, die dcutsche Bühnen dem<br />

Verstorbenen rüsteten, sei hier nur Kar! Theophil Döbbelins Aufführung<br />

der "Emilia Galotti" erwähnt, die er am 24. Februar 1781 in<br />

seinem Theater in der Behrenstraße zu Berlin veranstaltete. Die Bühne<br />

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war in ein "Castrum doloris" verwandelt, ein Grabmal mit Lessings<br />

Bildnis !>tand in der Mitte und "sämtliche Mitglieder in Trauerkleidern<br />

auf beiden Seiten in Ordnung"; die Tochter <strong>des</strong> Prinzipals, Karoline<br />

Maximiliane Döbbelin, sprach einen Prolog von Johann Jakob Engel,<br />

dem Rektor <strong>des</strong> Joachimstalschen Gymnasiums:<br />

"Er, der voran an aller Deutschen Spine<br />

So ruhmvoll und so einzig stand,<br />

Er ist nicht mehr!"<br />

" ... die poetische Rede wurde so unnachahmlich schön deklamiert, daß der<br />

bis zu Tränen gerührten Rednerin von vielen der anwesenden Schönen<br />

und selbst von männlichen Augen teilnehmende Tränen zurüd


Gelegentlich mamen sich da etlime Smärfen geltend, BO wenn die<br />

"Göttinger Gelehrten Anzeigen" 1793 von Lessings Dramen sagen, daß<br />

sie "für ihn lebendige Dramaturgien" gewesen seien; diese Seite <strong>des</strong><br />

I.essingschen Smaffens wurde damals überhaupt in den Mittelpunkt gerückt<br />

..• Mitte Januar 1822 noch schrieb der deutschböhmische Jurist<br />

Jos. Seb. Grüner aus Eger an Goethe von dem großen dramaturgischen<br />

Anatom Lessing! Zum ganzen Lessing aber bekannten sich rückhaltlos<br />

Smiller und Goethe. Zeugnis dieser Einstellung sind etliche Xenien aus<br />

den Jahren 1796/97; Schiller, der von ihm sagte, daß "der Gute vieles<br />

gelitten habe", widmet ihm das berühmte Xenion "AchiIles", das als<br />

leuchtende Vbersmrift über dem Urteil der Namwelt prangt: "Vormals<br />

im Leben ehrten wir Dich wie einen der Götter; nun, da Du tot bist,<br />

herrsdlt über die Geister Dein Geist." Und nur wenige Jahre später,<br />

Anfang Juni 1799, hat er in einem Briefe an Goethe dieses Bekenntnis<br />

zu Lessing wiederholt: "Ich lese je!}t in den Stunden, in denen wir sonst<br />

zusammenkamen, Lessings Dramen, was in der Tat eine sehr geistreiche<br />

und belebte Unterhaltung gibt. Es ist doch gar keine Frage, daß Lessing<br />

unter allen Deutsdien seiner Zeit über das, was die Kunst betrifft, am<br />

klarsten gewesen, am schärfsten und zugleich am liberalsten darüber<br />

gedacht und das Wesentliche, worauf es ankommt, am unverrütktesten<br />

ins Auge gefaßt hat. Liest man ihn, so mömte man wirklich glauben,<br />

daß die gute Zeit <strong>des</strong> deutschen Gesmmatkes schon vorbei sei, denn wie<br />

wenige Urteile, die jent über die Kunst gefällt werden, dürften sich an<br />

die seinigen stellen." Sdliller hatte sich nach zehnjähriger Pause, die<br />

eindringlichste Beschäftigung mit geschichtlichen und philosophischen<br />

Fragen und Aufgaben angefüllt hatte, wieder dem Theater zugewendet<br />

und eben den Wallen stein auf die Bühne gebracht, als er dieses Zeugnis<br />

ablegte. Und Goethe, der ja schon bei Lessings Tod bekannte, wie dicser<br />

Mann ihm fehlen würde, hat ihm in den Jahren 1811 und 1812 in dem<br />

berühmten siebenten Kapitel von Dichtung und Wahrheit ein Denkmal<br />

errichtet, da3 um so widltiger ist, als es in einem ersten Versum einer<br />

wissensmaftlichen oder wissenschaftsähnlidlen Besdlreibung <strong>des</strong> Entwicklungsganges<br />

unserer Literatur im 17. und 18. Jahrhundert steht.<br />

Es ist eine reizvolle Aufgabe, den ZusammenschluG von Wertungen und<br />

geistigen Antrieben, die hier wirksam sind, zu analysieren und dabei zu<br />

zeigen, wie die anti französischen, antibarocken und proenglismen Wertungen<br />

Lessings und <strong>des</strong> Sturmes und Dranges sim mit den inneren Bedürfnissen,<br />

Ab- und Zuneigungen eines genialen Smöpfers verbinden,<br />

um so ein Bild der deutschen Literatur <strong>des</strong> Barockes und <strong>des</strong> Sturmes<br />

und Dranges zu erzeugen. Dabei hat Goethe die literarische Entwitklung<br />

als Vorbereitung auf sein eigenes Auftreten, Smaffcn und Wirken stilisiert;<br />

er sebt mit voller Souveränität die Akzcnte, wertet, oft kaum<br />

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wahrnehmbar, durch die Art der Darstellung, durch Vor- oder Zurückrücken<br />

einer Erscheinung, durch ein treffen<strong>des</strong> Beiwort; seine Stilisierung<br />

ist auf eine Ausscheidung der barocken und französischen Elemente<br />

in der literarischen Entwicklung gerichtet. Dieser Abschnitt der Goetheschen<br />

Selbstbiographie ist eine Mischung von Kritik und Geschichtserzählung,<br />

eine Sammlung einzelner Essays und eine Aneinanderreihung<br />

von Bildern, eine Galerie von "Gestalten", wie wir heule mit Gundolfscher<br />

Terminologie sagen; es wird gezeigt, welche geistigen und gesdlichtlichen<br />

Mächte auf Goethe einwirkten, welche Elemente der Bildung ihm<br />

Bücher und literarische Menschen bedeuteten, wie er sich durch Vorgänger<br />

und Mitstrebende gehemmt oder gefördert sah. Solcher Stilisierung<br />

<strong>des</strong> alternden Goethe ist Lessing nicht verfallen. Wie er ihn in<br />

seiner Jugend geschaut und erlebt hat, hat er ihn und seine Wirkung gesdlildert;<br />

nodl der Greis wußte davon ein kräftig Wort zu sagen, wenn<br />

er, Ende März 1830, an Freund Zelter nach Berlin sdlrieb: "Zu seiner<br />

Zeit stieg dieses Stück - EmiIia Galotti - wie die Insel Delos aus<br />

der Gousched-Gellert-Weißschen Wasserßut, um eine kreisende Göttin<br />

barmherzig aufzunehmen; wir jungen Leute ermutigten uns daran und<br />

wurden <strong>des</strong>halb Lessing viel schuldig." Dieses Schuldigwerden und<br />

SdlUldigsein ist der Grundton <strong>des</strong> Goetheschen Urteils über Lessing, der<br />

immer unverändert bleibt und der audl aus seinen mannigfachen Äußerungen,<br />

die er gegen Eckermann über Lessing tat, stets widerklingt.<br />

Manch scharfe Formulierung ist Goethe da geglückt, die den bekannten<br />

Sänen aus Dichtung und Wahrheit würdig zur Seite steht: "Lessing<br />

wollte den Titel Genie ablehnen, aber seine dauernden Wirkungen zeugen<br />

wider ihn selber." - "Ein Mann wie Lessing täte uns not. Wodurch<br />

ist dieaer so groß als durch seinen Charakter, durm sein Festhalten?<br />

Wo ist ein solcher Charakter?" - "Bedauert dom den außerordentlimen<br />

Menscllen, daß er in einer so erbärmlichen Zeit leben mußte, die ihm<br />

keine besseren Stoffe gab, als die in seinen Stücken verarbeiteten." -<br />

"Lessing war der böchste Verstand, und nur ein ebenso Großer konnte<br />

von ihm wahrhaft lernen; dem Halbvermögen war er gefährlich."<br />

Ehe aber all diese Urteile Goethes und Schillers gefällt wurden, war<br />

eine erste Grundlage für eine eindringlidlere Beschäftigung mit Lessings<br />

Wirken ans Licht getreten: von 1793 bis 1795 hatte Gotthold Ephraims<br />

jüngerer Bruder Karl Gotthelf Lessing, Münzdirektor in Breslau, zusammen<br />

mit dem Professor am dortigen Elisabeth-Gymnasium Georg<br />

Gustav Fülleborn "G. E. Lessings Leben nebst seinem noch übrigen literarischen<br />

Nal-hlaß" herausgegeben; im zweiten Bande versuchte ein umfänglidlerer<br />

AufsalJ "Lessings poetisches und vorzüglich theatralisches<br />

Verdienst" zu würdigen. Die Xenien freilich fragten Lessing: "Edler<br />

Schatten, du zürnst?" und ließen ihn klagen: "Ja, über den lieblosen<br />

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tung lernte er durch Karoline und Fichte kennen. Zweifelhaft ist allerdings,<br />

ob er die erwähnte Veröffentlichung Karl Gotthelf Lessings<br />

irgendwie beachtet hat; im Juli 1796 spricht er dann plötlIich in einem<br />

Briefe an seinen Bruder August Wilhelm von eiuem Aufsatl über Lessing;<br />

,ielleicht hatte ihn Herders Naduuf von 1781, der damals zum vierten<br />

Male bereits gedruckt wurde, angeregt, mit der eigenen Meinung über<br />

Lessing hervorzutreten. Er sdlrieb diesen Aufsan "mit der vorläufigen<br />

Absicht, den Namen <strong>des</strong> verehrten Mannes von der Sdlmach zu retten,<br />

daß er allen schlechten Subjekten zum Symbol ihrer Plattheit dienen<br />

sollte, und mit der tieferen, ihn wegzurücken von der Stelle, wohin ihn<br />

nur Unverstand und Mißverstand gestellt hatte, ihn aus der Poesie und<br />

poetischen Kritik ganz wegzuheben und hinüber zu führen in die Sphäre,<br />

wohin ihn selbst die Tendenz seines Geistes immer zog, in die Philosophie."<br />

Das klingt völlig anders als Schlegels bisherige Einstellung zu<br />

Lessing. Ihm war "ein Licht über ihn aufgegangen". Er hatte einen<br />

höheren Standpunkt der Betradltung gefunden, die nicht mehr von<br />

persönlicher Interessiertheit diktiert war; er hatte gelernt, einen Dichter<br />

ohne NebenabsiclIten auf sich wirken zu lassen. Das mußte natürlich<br />

sein Urteil bestimmen. Der Weg ging über Georg Johann Jaeobi. über<br />

<strong>des</strong>sen Woldemar-Roman schrieb SclIlegel in Johann Friedrich Reidlardts<br />

"Deutsdlland" eine Besprechung und hatte sich <strong>des</strong>wegen in J acobis<br />

gesamtes Schrifttum vertieft. Dabei war ihm auch <strong>des</strong>sen Spinozabüchlein<br />

begegnet, und er erkannte, daß er früher Lessing nicht gerecht geworden<br />

war. Er fühlte den lebenden Lessing in diesen von Jacobi überlieferten<br />

Gesprächen und begriff, wie weit entfernt dieser von nüdlterner<br />

Korrektheit gewesen war. Das Bild hatte sich völlig gewandelt.<br />

Jetlt griff Sdllegel auch zu Lessings Naehlaßschriften und fand auch da<br />

manche übereinstimmung mit seinen eigenen Ansichten. Eine immer<br />

steigende Bewunderung Lessings stellt sich schon bei ihm ein. Er<br />

kümmert sich um andere Äußerungen über Lessing, las die erwähnten<br />

vorsichtigen Ausführungen von Chr. Gottfr. Schütl wie die nüchternen<br />

Zeilen Chr. Heinr. Sdlmidts in <strong>des</strong>sen "Nekrolog oder Nachrichten von<br />

dem Leben und den Schriften der vornehmsten verstorbenen teutschen<br />

Schriftsteller" (1785); er ging auch nidlt an den beiden, Lessing betreffenden<br />

Aufsänen in zwei viclgelcsenen Sammelwerken der Zeit vorüber:<br />

in der "Charakteristik deutscher Didlter" (1787) hatte Leonhard<br />

Meister freilith sich nur damit hegnügt, fast wörtlith Schütl zu folgen,<br />

aber im "Pantheon der Deutsdien" hat Lessings bedeutender theaterkritischer<br />

Nadlfolger Johann Friedrich Schink 1795 eine Biographie von<br />

ihm geliefert, die seinem Charakter nicht gerecht wird, den Dithter lobt,<br />

den Kunstrichter verehrt und namdrücklim dem Philosophen einen<br />

nidlt unwesentlidlen Teil seiner Ausführungen widmet, womit im Urteil<br />

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der Nachwelt zum ersten Male diese Seite Lessings eine Zusammenfassung<br />

erfährt, die wenigstens das Tatsächliche zu erfassen versucht.<br />

Zu all dem aber, was his dahin üher Lessing gesagt war, stellt sich<br />

Friedrich Schlegel in Gegensatl. Er will Lessings Geist im ganzen charak·<br />

terisieren - "Genie ist Geist" hat er an anderer Stelle gesagt - und<br />

mißbilligt alle bisherigen Meinungen und Ansichten über ihn. Er will<br />

unterscheiden, was groß an Lessing war und was nicht. Er hält sich<br />

dazu fähig und herufen, weil er nicht sein Zeitgenosse war und es ihm<br />

daher möglich sei, ihn unbefangen zu heurteilen. Zum erstenmal macht<br />

sich im Urteil der Nachwelt über Lessing das Pathos der Distanz geltend!<br />

Schlegel zweifelt, ob Lessing ein Dichter war - im Anschluß an<br />

I,essings berühmtes, unendlich oft und immer wieder zitiertes Wort<br />

selbstkritiscller Art ist diese Frage anderthalb Jahrhunderte lang stets<br />

erneut ventiliert worden -, im Grunde blieb Schlegels Standpunkt<br />

dem Dichter und Kunstrichter Lessing gegenüber zunädlst unverändert.<br />

Aber er ist zum Vertreter einer jüngeren Generation geworden, die eine<br />

andere Stellung zu Lessing einnahm als <strong>des</strong>sen Zeitgenossen. Deren<br />

Deutschland glaubte nicht mehr, irgendeine politism-geschiclttlime Mission<br />

zu haben; man strebte danach, wenigstens in literarischer Hinsimt<br />

den Ausländern gleicllberechtigt zu werden. Lessing leistete für das<br />

Drama, was Klopstock fiir das Epos und Wieland für den Roman getan<br />

hatte. Deshalb erschien den Zeitgenossen und unmittelbaren Nacllfahren<br />

die Bewunderung <strong>des</strong> Dimters Lessing als heilige Pflicht nationaler<br />

Dankbarkeit •.. nicht nur Goethe spram von dem "nie genug zu<br />

,'erehrenden Mann". Und wenn Smiller aum 1795 in der Abhandlung<br />

über naive und sentimentalische Dichtung den Nathan als Kunstwerk geradezu<br />

verurteilte, so blieb der Grundton seiner Einstellung zum Didlter<br />

und Kunstrimter Lessing doch die dauernde dankbare Erinnerung an<br />

das, was er seiner Zeit und ihm selbst gewesen und geblieben war.<br />

Für eine neue Generation aber hatte sim Lessings Stellung nimt Ullwesentlim<br />

verscllOben. Das Gedächtnis dieser Jugend konnte die Zeit<br />

der Kämpfe nicht mehr kennen. Für sie waren Lessings Dramen nicht<br />

mehr "glänzende Meteore". Jugend legt ja immer und überall eigene<br />

Maßstäbe an. Freilich vergaß man, daß Lessings kräftiges Mitwirken<br />

dazu beigetragen hatte, eine neue Zeit herbeizuführen. Und zu einer<br />

persönlichen Dankbarkeit hatte Friedrich Schlegel ja keinen Grund. Vor<br />

ihm hatte die Autorität <strong>des</strong> Kunstrichters Lessing nocll niemand angezweifelt;<br />

über den Dicllter hatte Johann Jacoh Hottinger ein hartes<br />

Urteil gefällt (1785 und 1789). Nach Schlegels Ansicht war Les;;ing<br />

kein Didlter, kein Kunstkenner der Poesie und nur die Skizze eines<br />

Philosophen; "er selbst war mehr wert als alle seine Talente" heißt es<br />

1797; bei der endgültigen Redaktion <strong>des</strong> Aufsaues findet er 1801 die<br />

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Formel für das, was Lessing war: "eine MisdlUng von Literatur, Polemik,<br />

Win und Philosophie"; später giLt er ihm den Ehrenplan nehen<br />

Goethe: "heide hahen die Bildung der Deutschen begründet". "Unter<br />

dem Eindruck von Lessings Persönlichkeit hatte Sdllegel den ersten<br />

Teil <strong>des</strong> Aufsanes geschrieben; er gl;lUbte, &ie entdeckt zu haben und<br />

besser zu verstehen, als es bis dahin gesroehen war. Je mehr er Romantiker<br />

wurde, <strong>des</strong>to mehr mußte er fühlen, daß Lessing ..• keiner<br />

war •.• er hatte über ihn vorläufig eigentlicll nichts zu sagen ••. siro<br />

selber hatte er in Lessing geliebt und dieser Liehe im ersten Teil Ausdruck<br />

gegeben; jetst ehrt er Lessing, weil er ihm fremder geworden iRt."<br />

Im Jahre 1797 hatte Herder Fragmente aus Lessing unter dem Titel<br />

"Funken aus der Asche eines Toten" herausgegeben; 1804 erschienen<br />

von Friedrid! Smlegel mit Begleitworten versehene Brumstücke aus<br />

Lessing unter dem Titel: "Lessings Geist aus <strong>des</strong>sen Scluiften oder<br />

<strong>des</strong>sen Gedanken und Meinungen". In den Erläuterungen Sdilegels<br />

kommt die Ungleidlheit der endgültigen Fassung <strong>des</strong> Lessing-Aufsatses<br />

zum Ausdruck, sie mamen einen zusammengestoppelten Eindruck, und<br />

die Absimt der an sim wenig originalen VeröffentlicllUng smeint gewesen<br />

zu sein, Freunde und Bekannte auf die Wandlung aufmerksam<br />

zu mamen, die sid! in ihm, Sdllegel, vollzogen hatte. Er stellt seine<br />

eigene Ähnlimkeit mit Lessing ins remte Limt. In späteren VeröffentlicllUngen<br />

hat er aud! <strong>des</strong>sen literarisclle Verdienste immer wieder betont.<br />

Es war nötig, den Weg Friedrim Smlegels zu Lessing etwas ausführlimer<br />

aufzuzeigen. Die romantisme Periode <strong>des</strong> deutsmen Geistes<br />

in ihrer Einstellung zu Lessing konnte so am besten charakterisiert<br />

werden. Smlegel hatte ihn, der im Begriff war, eine starre Autorität<br />

zu werden, auf den Kampfplan der Geister gestellt; das Unverlierbare<br />

an Leasing und seine innere Einheit betonte er, namdem er sid! zu<br />

dieser Erkenntnis durmgerungen hatte, immer wieder. Aum der junge<br />

Friedrim Smleiermamer hat sim ihr nimt entziehen können; seine<br />

Meinung von der rein moralisd!en Erziehung <strong>des</strong> Mensd!engesd!ledltes<br />

ist auf eindringlid!e Besd!äftigung mit Lessing zurückzuführen. Andere<br />

führende Romantiker freilid! konnten die "ungenügende Schänung<br />

Lessings" nicht überwinden, die ihn nur als unersmrockenen Neuerer<br />

gelten ließ; "in diesem Sinne läßt ihn Tieck in seinem ,Herkules am<br />

Smeidewege' als einen heftigen Polterer durms Dach herunterbremen<br />

und dem alten Nieolai zankend auseinandersetsen, daß er zwar die<br />

Poesie habe verkündigen wollen, aber die Holde selber niemals erkannt<br />

habe"14. Und August Wilhelm Schlegel hat in seinen Berliner Vorlesungen<br />

"Ober smöne Literatur und Kunst" Lessing einen kalten<br />

Kritiker genannt, dem es an Sinn und Empfänglichkeit für Poesie gefehlt<br />

habe. Solmer bestimmt formulierten Meinung gegenüber nimmt<br />

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Petersen und Waldemar v. Olshausen betreuen, und deren einzelne Einleitungen<br />

die Eigenart der Gödekesmen Leistung erreichen und durm<br />

restlose Ausschöpfung der einzelnen Gegenstände im Sinne unserer fort·<br />

geschrittenen Erkenntnisse vertiefen und übertreffen.<br />

Als Karl Lachmann sein Werk im Dienste Lessing3 begann, war die<br />

Romantik vom Jungen Deutschland abgelöst worden. Ein streitbares<br />

Geschlecht war auf den Plan getreten. Die schwärmerisch.gefühlvolle<br />

Einstellung zur Umwelt war Forderungen und Anschauungen gewichen,<br />

die manche Umwertungen mit sim brachten.;. bezeichnenderweise hat<br />

Heinrich Laube 1838 von der verbindlich-schüchternen Milde gesprochen,<br />

die Lessing herausgegeben, "einen Mann, der aus lauter Schwertern bestand,<br />

was mehr gelobt als erkannt wird"l1_ Derselbe Laube, der fast<br />

vierzig Jahre später in seinem Buch vom Wiener Stadttheater Lessings<br />

wunderbare Lebenskraft für die deutsche Bühne erneut betonte, hat<br />

1839 in seiner interessanten Gesdlichte der deutschen Literatur, dem geschickten<br />

Werke eines in vielen Sätteln bereits bewährten Literaten,<br />

Lessing im fünften Kapitel <strong>des</strong> ersten Ban<strong>des</strong>: "Das Klassisch·Deutsche"<br />

unter dem Stidlwort "Die neue Kritik" eingehendst behandelt und dabei<br />

manche neue Gesichtspunkte in seinem Urteil entwickelt. Nach Laube<br />

besteht Lessings Größe darin, daß er "eine neue Kritik schuf, keine abgeschlossene<br />

kritische Welt; fast alle seine Schriften sind Gelegenheitsschriften".<br />

"Vieles paßt noch in der Forderung, vieles im Vorwurf, und<br />

der Ausdruck gälte beim heutigen Journalisten noch für musterhaft."<br />

Und welch innerer Fortschritt im Urteil über Lessing liegt in der Erkenntnis,<br />

die eine unmittelbare Parallele zwischen ihm und der Zeit <strong>des</strong><br />

Betrachters zieht: "Wenn irgend einem, ist es ihm zu danken, daß der<br />

feinste Gedanke <strong>des</strong> Nationalen, welcher so oft gemißhandelt wurde von<br />

der groben Deutschtümelei, rege und tätig wurde, der Gedanke, unser<br />

nächstes, wirkliches Lebensinteresse zu begreifen und zu gestalten."<br />

Laube stellt einen Vergleich zwisdlen Lessing und Börne auf, "<strong>des</strong>sen<br />

natürlidler, rascher Stil uns noch vor kurzem überrascht hat", "nur daß<br />

Börne ein weicheres Herz und nicht die überlegene, 8teinfeste Bildung<br />

Lessings hatte". Laube erörtert auch im Hinblick auf seine Gegenwart,<br />

wie gesetlgeberisch eine solche Erscheinung, die er die "gewandteste<br />

Geistespotenz seiner Zeit" nennt, wirken kann, und hat im Vorwort zu<br />

seinem Lustspiel "Rokoko" oder "Die alten Herren" (1846) den "stählernen<br />

Lessing an der Pforte unserer modernen Literatur" nicht vergessen:<br />

"Er verdiente nicht minder eine Statue! Die Hamburgische Dramaturgie<br />

ist ein unschälJhares Buch durch das Schauspiel eines wirklichen<br />

Baumeisters, das sie gewährt. Diesem Baumeister zuzusehen, ist mir ein<br />

unversiegbarer Genuß; hier ist Kritik ohne eingelernte Phrase, Wahrheit,<br />

Einsicht, Förderung!"<br />

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Umfang zu ersdlöpfen, wäre eine ebenso soowierige wie umfassende Aufgabe;<br />

audl hat niemand, der ihrer würdig gewesen, sioo bisher an ihr<br />

versucht". Für das Urteil der Zeit ist die Bemerkung bezeichnend: "Man<br />

hat sim lange an den negativen Lessing gehalten und von ihm zerstören<br />

gelernt; es ließe sich von dem positiven wohl aum bauen lernen", Fast<br />

gleichzeitig wird Anfang August 1840 in dem weithin wirkenden Morgenblatt<br />

für gehildete Leser, das bei COUa in Stuttgart erschien, im An­<br />

Sdlluß an einen sehr gut orientierten Artikel in der Londoner Foreign<br />

Quarterly Review 19 ausdrücklich festgestellt, daß Lessing "unsere Literatur<br />

mehr verdankt, als das jenige Geschlecht zu smänen weiß", und etliche<br />

Jahre später, Anfang August 1844, wird an der gleichen Stelle gesagt,<br />

daß seine jüngeren Zeitgenossen "schon anfangen, vor ihm in den Hintergrund<br />

zu treten;, in allen Literaturepochen hat sim seine geistige<br />

Kraft immer von neuem bewährt, nidlt gelähmt durdl die Besmränktheit<br />

einer faladlen Bewunderung"; dieser "Beitrag zum Studium Lessings"<br />

knüpft besonders an Gervinus an, betont ausdrücklidl das Bedürfnis<br />

eines erneuten Studiums <strong>des</strong> Dimters und ist viel klarer im Urteil<br />

als z. B. die reidllich verschwommenen und nur allgemein gchaltencn<br />

Ausführungen, die August Friedrich Christian Vilmar 1845 in seinen<br />

Vorlesungen über die Geschichte der deutsmen National-Literatur -<br />

aus ihnen erwuchs die meiatgelesene deutsdie LiteraturgesdIichte! -<br />

über Lessing machte; es sah in ihm nur die "feste Einheit der kräftigsten<br />

Seele, die tiefste Ruhe <strong>des</strong> klarsten Bewußtseins" und fand eigentlim<br />

nur eine fördernde Formulierung, die Urteil und Erkenntnis weiterbringen<br />

konnte: "Es sind in Kleist und Lessing die beiden Gegensäne,<br />

aus denen unsere neue klassische Zeit erwachsen ist, Hingabe an das<br />

Objekt und Herrsmaft über das Objekt, zusammengefaßt,"<br />

Die dankbare Nadlwelt hatte Lessing gegeniiber die Pflicht erfüllt,<br />

seine geistige Hinterlassenschaft zu sammeln und zu bewahren. Jent<br />

galt es, Werden und Wescn der schöpferischen Persönlimkeit als Ausdru


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einen Stein dazu beizutragen." Dieser Ruf ward erhört. Ein junger<br />

Leipziger Privatdozent, Theodor Wilhelm Danzel, der, erst 32 Jahre<br />

alt, 1850 starb 20, erkannte, daß Lessing mit allen Zeitströmungen verbunden<br />

und nur in ihrem Rahmen zu verstehen sei. Julius Petersen hat<br />

achtzig Jahre später betont, daß es kein Zufall sei, daß gerade Lessing<br />

wie die beiden anderen Pfadfinder der Held umfassender Meisterbiographien<br />

geworden ist, wie sie für andere Klassiker noch fehlen.<br />

Danzels erster Band: Gotthold Ephraim Lessing, sein Leben und seine<br />

Werke, der 1849 erschien und earl Lammann in dankbarer Verehrung<br />

gewidmet war, ist der erste Versuch philologisdl-historisdlen Eindrin·<br />

gens in einen deutsmen klassisdlen Smriftsteller, den unser Smrifttum<br />

aufzuweisen hat. Danzel, den ein ererbtes Lungenleiden an der vollen<br />

Entfaltung seiner bedeutenden geistigen Kräfte hinderte, hatte smon<br />

vor der 1843 erfolgten Leipziger Habilitation in seiner Vaterstadt Harnburg<br />

die Vorarbeiten für sein Unternehmen begonnen, das Bum über<br />

Lessing auf eingehendstes Quellenstudium zu gründen. Zeit- und Fawgenossen<br />

haben ihm "Ernst und Reinheit der Gesinnung, sittlidle Kraft<br />

und Festigkeit eines im Dienst der Wissensmaft durchkämpften<br />

Lebens"21 nadlgerühmt; er hielt nam eigenem Geständnis die "Zeit der<br />

Monographien im Gebiete der neue ren deutschen Literaturgeschichte<br />

für gekommen", und aum die Namwelt kann ihm das ehrende Zeugnis<br />

nimt versagen, daß er die schöne und große Aufgabe, die er sich gestellt<br />

hatte, nidlt nur für seine Zeit gelöst hat. Ah "ersehntes, wertvolles<br />

Dum" haben nam der Meinung Varnhagen von Enses die Zeitgenossen<br />

Danzels Leistung begrüßt, wenn sie auch, um mit Karl Gödeke zu reden,<br />

die "schwerfällige Darstellung" nimt verkannten; bei aller stoff reimen<br />

Tiefe "geht das wichtige Werk für die Nation verloren", notierte Varnhagen<br />

Ende Oktober 1849 in seinem Tagebuch. Ein merkwürdiges, verhängnisvolles<br />

Gesdlick waltete aber über dem verheißungsvoll begonnenen<br />

Werke. Mitten aus den Vorarbeiten zur Fortführung <strong>des</strong> ersten<br />

Ban<strong>des</strong> wurde Danzel durm den Tod herausgerissen; der Auftrag, das<br />

Buch zu vollenden, fiel an den Breslauer Bibliothekar und Privatdozenten<br />

G. E. Guhrauer, der 1853 die erste und zweite Abteilung <strong>des</strong> zweiten<br />

Ban<strong>des</strong>: Lessings Leben und Werke in der Periode vollendeter Reife,<br />

veröffentlimte. Wenige Monate darauf starb er im 45. Lebensjahre, und<br />

das Werk war wiederum verwaist. Eine zweite Auflage wurde 1880/81<br />

von Wendelin v. Malllahn und Robert Boxberger besorgt, die namtrugen,<br />

was in dem verflossenen Menschenalter an neuen Erkenntnissen<br />

über Lessings Smaffen und Leben gewonnen worden war. Als ein seines<br />

Gegenstan<strong>des</strong> würdiges Monument steht heute noch Danzel-Guhrauers<br />

Leistung im Sooreine unserer deutschen wissenschaftlichen Literatur.<br />

Ein schönstes Zeugnis jenes Urteils, das die Namwelt über Lessing fällte!<br />

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gern Parallelen mit dem Aufklärungszeitalter <strong>des</strong> Großen Friedridl von<br />

Preußen zog - wieder nadt Deutsdtland zurück 23 ; in populärer Dar·<br />

stellung blieb er der Doll!letsch und Erklärer Lessingsdter Ansichten,<br />

und die glücklidte und vollständige Verwertung alles erreichbaren Mate·<br />

rials vermittelte dem deutsdten Menschen dieser Zeit ein Lessingbild,<br />

wie er es gern sah. James Simes Darstellung Lessings wurde noch zwei·<br />

mal verdünnt: durm lIclen Zimmern (1878) und T. W. Rolleston (1889);<br />

das Zimmernsdte Dudt wurde überflüssigerweise auch ins Deutselle über·<br />

sent 2 4, so daß hier der seltene Fall eines Dudt-Stammbaumes vorliegt:<br />

Danzel - Stahr - Sime - Zimmern; auf die gewichtige Grundlage<br />

sdtwedlüssig-gclehrter Darstellung folgt der glücklidte, weiterwirkende<br />

Wurf <strong>des</strong> versierten, gesellickten Ausdeuters und Sel.riftstellers, <strong>des</strong>sen<br />

Tat in doppelter Form über einen Umweg nael. Deutschland zurückkam.<br />

Ehe hier in diesen Zusammenhängen das eigentliche Monumental·<br />

werk, das Lessing gewidmet ist, marakterisiert wird, mögen kurz einige<br />

wesentlidlere Versudle namhaft gemacht werden, die sidt von verschiedenen<br />

Seiten und Gesichtspunkten her mühten, ihrer Gegenwart das<br />

Dild Lessings zu zeigen und zu erneuern. Des tüel.tigen Heinrich Döring<br />

Lessing-Biographie (1853) zeidmete nur die Grundlinien, der treuemsige<br />

Dünner, der mit Unrecht heute über die Aellsel angesehen wird,<br />

bot 1882 die gesidlerten Resultate über das Leben seines Helden und<br />

suchte den Werken, wenn auell nur im landläufigeren Sinne, geredtt zu<br />

werden; das den heranwachsenden Generationen vermittelte Lessingbild<br />

ist lange Zeit audt mit Düntiers Augen gesehen und gesdlildert<br />

worden. Die beiden Skizzen in der Allgemeinen Deutsdwß Diographie 25<br />

{l884, Karl Redlim) und in Erschs und Grubers Enzyklopädie 26 (1889,<br />

Max Kom) werden für eine erste Orientierung immer ihren Wert hehalten;<br />

Karl Dorinski hat 1900 in der Sammlung "Geisteshelden" die<br />

Frage beantwortet: "Was ist es, das dieses Mannes Namen zu einem<br />

ebenso gefürdlteten wie gefeierten macht?" und fand den Sinn von<br />

Lessings Sein - "er stand und steht nach wie vor für sich allein" -<br />

darin, daß er "den Deutschen auf eigene Füße zu stellen suchte, um den<br />

Menschen in ihm zu erwecken". Es waren im Unterton weltbürgerliche<br />

Gesimtspunkte maßgebend, die zu einer solchen Sinn deutung Lessings<br />

führten; Dorinski hat vorher (1893) in seiner Gesmichte der deutschen<br />

Literatur von Lessings wahrhaft geistigem Heldenleben gespromen -<br />

"ihm war die Wahrheitsliebe die Wahrheit seILst" -, mit dem "Lidtt<br />

in unsere Literatur kam", und auch aus ähnlidaer Einstellung den San<br />

geprägt: "Ein erhahenes Drüderliellkeitsgefühl und ein unerschöpf.<br />

lidter Sdtan von Liebe lebte in dem äußerlich so strengen Manne; er<br />

stand schließlich ganz allein in einem öden, liebeberaubten Dasein."<br />

"Als Kritiker steht Lessing ohnegleichen in der Literatur aller Zeiten<br />

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und Völker; die höchsten Kräfte blieben nicht aus, als der Boden für sie<br />

bereitet war: das sollte man Lessing zu allen Zciten danken, statt irgendwelcher<br />

Mo<strong>des</strong>trömungen zugunsten seine ,nicht ohne Absicht schroff<br />

und bedingungslos hingestellten künstlerischen Grundsätle als unhaltbar<br />

und überholt zu verschreien." Aus der Zeit der Hochblüte <strong>des</strong> deutschen<br />

Naturalismus stammt diescs Urteil, das mit Recht auf den dauernden<br />

Kern der Lessings(.'hen Erkcnntnisse hinweist. Die beiden Lessing­<br />

Bücher von A. W. Ernst (1903) und K. Kiy (1904) sind für weitere Kreilje<br />

berechnet; die Ausführungen von Otto Ernst ("Die Dichtung", <strong>Bd</strong>.35,<br />

1905) gipfeln in dem Bekenntnis: Leasing ist ein Dichter, während<br />

Christian Schrempf ("Aus Natur und Geiste,.welt", <strong>Bd</strong>. 4·03, 1913)<br />

Lessing als einen "Denker, der keine Wahrheit hatte," bezeichnete und<br />

von ihm sagte: "Er ist in der Tat kein Didlter, kein Gelehrter; das<br />

Beste, das er geleistet hat, ist doch nur der Anlauf zu einem Sprung, den<br />

er selbst nicht mehr vollbracht hat; was er ist, ist er immer wieder nicht;<br />

er ist mehr als sein Werk." Solche Zweifel blieben ohne nacllhaltige<br />

Wirkung; ihre überspinung verkennt Lessings geswichtliche Sendung,<br />

ein Wegbereiter zu scin! R. M. Werners Le8sing ("Wissenschaft und<br />

Bildung", <strong>Bd</strong>.52, 1908) bietet eine gute, knappe Zusammenfassung <strong>des</strong><br />

Stoffes, der eigene Perspektiven fehlen. W oldemar Öhlkcs zweibändiger<br />

"Lessing und seine Zeit" (1919) ist ein stattlicher Bau, der ohne die<br />

überlast allzu gelehrten Beiwerks allen Ausstrahlungen und Beziehungen<br />

<strong>des</strong> weitsmichtigen Gegenstan<strong>des</strong> in kluger Stoffvertcilung und<br />

klarer Scllllderung gerecht wird, zurzeit der würdige Abschluß der<br />

Arbeit seiner zahlreichen Vorgänger. Das Büclilein von Georg Witkowski<br />

(Velhagcn u. Klasings Volksbücher, Nr.146, 1921) vereint mit<br />

zahlreichen Bildern Volkstümlichkeit im besten Sinne <strong>des</strong> oft mißbrauchten<br />

Wortes.<br />

Ehe nun Erich Sdlmidt seinen Lessing, das Hauptwerk der Scherer­<br />

Schule, 1881 und 1893 in die europäiswe Welt als ein ragen<strong>des</strong> Denkmal<br />

deutscher Gelehrtenart hinausgehen ließ, hat er die allgemeine Situation<br />

<strong>des</strong> Urteils über seinen Helden, die wir in etlimen Einzelheiten noch später<br />

kennenlernen werden, scharf beleumtet 27 : "Angriffe gesmehen entweder<br />

so vorsichtig, als könne der Streitbare noch heute auf den Plan treten, wo<br />

er viele unsanft in den Sand gelegt hat, oder so hitlig, als wolle der<br />

neue Ritter ohne Furcht und Tadel zeigen, daß er auch mit diesem eine<br />

Lanze zu brechen sim getraue, oder so unhistorisch-ausfallend, als gälte<br />

es dem gefährlichsten Parteigegner." Milieu und geistige Strömungen<br />

hat Erim Smmidt für Lessing aufzeigen wollen, und die Ausblicke nam<br />

allen Seiten sind so reim, daß sie fast verwirren können; es geriet ihm<br />

ein in jedem Sinne selbständiges Werk, das das von den Vorgängern<br />

dargebotene Material nochmals aus den Quellen durcliarbeitete, auf<br />

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und etwa 1840 zieht: "Es fehlte den Deutschen, wie noch jet}t, damals<br />

an freier öffentlicher Wirksamkeit, sie mußten sim in gelehrtem Wesen<br />

erstimen; wo sie aus dem Bümerstaub in den <strong>des</strong> Marktes und der<br />

Straße hinaustraten, mul3ten sie gleich kämpfen. Uns geht es noch so."<br />

Varnhagen fühlte sim in seiner liberalen Einstellung Lessing verwandt;<br />

"sein Trot} und seine Schärfe sind echt deutsch", aber er glaubt, daß<br />

von seinem Werk "die nächsten Gesmlechterfolgen viel absondern und<br />

aussdieiden werden" und stellt fest, "daß von ihm in neuester Zeit viel<br />

die Rede sei, aber es ist nicht wahr, daß ihn die heutigen Literatoren<br />

wirklim kennen, daß er der großen Lesewelt wieder aufgefrischt worden".<br />

Manchen Zweifel hat auch Friedrich Hebbel über Lessing geäußert;<br />

einmal zwar sagt er: "Er hatte ein Auge zugleich für die zeugende Sonne<br />

und für den letten Halm, den sie ins Leben ruft," dann aber schiebt er<br />

ihn völlig zur Seite: "Lessing war der Pflug der deutschen Literatur,<br />

aber den Pflug kann man nicht essen!"<br />

Ein neuer Abschnitt in der Beurteilung Lessings durch die Namwelt<br />

wurde eingdeitet, als ihm in Braunsmweig das Denkmal errichtet ward.<br />

Der Plan eines solchen Monumentes, das gleidlsam die Ausgabe seiner<br />

Werke und die Sdlilderung seines Lebens und SdIaffens ergänzen sollte,<br />

war schon lange erwogen worden; im Frühjahr 1839 30 bereits hatte der<br />

große SdIauspieler Carl Seydelmann die Absimt, in der Berliner Singakademie<br />

"zum Besten eines Lessing-Denkmals" die drei dramatischen<br />

Hauptwerke <strong>des</strong> Dimters vorzulesen, "nachdem König Friedrich Wilhelm<br />

III. eine Aufführung im Hoftheater zu diesem Zwecke nidlt bewilligt<br />

hatte". Im Jahre 1853 wurde in Braunschweig der Plan zur Tat<br />

•.. die Entstehungsgeschichte von Meister Ernst Rietschels Lessing­<br />

Denkmal, von dem Christian Raum sagte: "da ist eine neue Bahn eröffnet,<br />

auf der noch Lorbeeren zu ernten sind," braucht hier nicllt erzählt<br />

zu werden, nur darauf sei hingewiesen, daß dieses erste, einem<br />

deutschen Klassiker errichtete Denkmal der erste Versuch eines bedeutenden<br />

Bildhauers war, auf je<strong>des</strong> antikisierende Element und Monument<br />

in der Darstellung zu verzidlten und den so völlig in seiner Zeit<br />

stehenden Lessing audl äußerlich als Teil dieser Zeit zu charakterisieren<br />

31 • Aum darin spricht sich ein Urteil der Nachwelt aus. Der schon<br />

genannte Gustav Kühne freilicll erhob versdliedentlich seine bitterwarnende<br />

Stimme 32 : "Das Standbild <strong>des</strong> Mannes wird zum bloßen<br />

Leimenstein, erwägt man, wie versunken bis auf sein Andenken Lessings<br />

Tun und Werk unter uns ist, wie wenig fortzeugende Lebenskraft in<br />

der smöpferischen Tätigkeit von heute selbst unter den Besten von uns<br />

sein Geist noch übt ..• Das Denkmal in Braunscllweig ist nur ein kalter<br />

Ersat} für das, was die Nation ihm schuldig geblieben, und seine Schüler,<br />

die seine Namfolger sein sollten, wußten aus dem hinterlassenen Elias-<br />

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mantel Lessings selten für die Nation das rechte Kleidungsstück zu<br />

formen." Die nachfolgende Generation sumte gutzumachen, was an<br />

Lessings Andenken gesündigt worden war: ein denkmalfreudiges Zeitalter<br />

glaubte die Großen der Nation genügend zu ehren, wenn Monumente<br />

deren und ihren Ruhm verkündigten! 1881 wurde Frin Schapera<br />

Lessing-Denkmal in Hamburg enthüllt, neun Jahre später OUo Lessings<br />

Statue im Berliner Tiergarten, bei deren Enthüllung Erich Schmidt die<br />

Weiheworte sprach und den Bekenntnissan prägte: "Jeder, der zur<br />

Feder greift, nimmt seinen Lessing zur Hand und empfindet es als<br />

schönstes Lob, wenn ihm nadlgesagt wird, daß er Eigenes von ihm gelernt<br />

habe." Übrigens hatte man in Berlin schon 1861 den Plan eines<br />

Lessing-Denkmals erwogen: vor dem Königlichen Scl.auspielhaus auf<br />

eIem Gendarmenmarkt sollte eine Monumenten-Trilogie für Lessing,<br />

Goethe und Schiller errichtet werden; eine heftige Debatte, die in Zeitungen<br />

und Broschüren geführt wurde, hatte das Ergebnis, daß der Plan<br />

aus künstlerischen Gründen fallen gelassen wurde.<br />

Immer wieder aber haben die Besten darum gerungen, ihren Zeitgenossen<br />

Lessings Werk und Wesen vor Augen zu führen und tiefer zu<br />

erfassen. Julian Schmidt, lange Zeit ein kritischer Machthaber im Rekhe<br />

<strong>des</strong> deutschen Schrifttums, hat in seiner Gesdlichte der Romantik 1850<br />

Lessing als den "Geist der Unruhe, der die Trägheit <strong>des</strong> deutschen Bewußtseins<br />

aufgerüttelt hat", bezeichnet; "er hat eigentlich nichts Neues<br />

geschaffen, sondern nur der Welt den Star gestomen, die Festigkeit der<br />

traditionellen Vorstellungen ersmüttert;" er "erzog die Nation zur Anschauung<br />

lebendiger Charaktere, wie er einer war". Ein Menschenalter<br />

später hat er in begeisterten Worten davon Zeugnis abgelegt, "wie nahe<br />

uns seine Schriften stehen, so sehr sind wir gewöhnt, mit ihm zu denken<br />

und zu empfinden!" Er bezeidmet ihn "als Dichter auch in seinen<br />

wissenschaftlichen Sdlriften" und nennt es einen Irrtum, daß Lessings<br />

"Urteile und Sentenzen als geprägte Münzen Wahrheit seien und jeder<br />

Widerspruch unerlaubt" wäre ... ; es "gilt festzustellen, worin die von<br />

ihm gefundenen Wahrheiten bestanden"s3. In Kritik an Lessing also<br />

wandelt sich das Urteil der Nachwelt; es genügt nicht mehr, wie es 1857<br />

J. G. Findel in seinem Buche "Die klassische Periode der deutsdIen<br />

National-Literatur" tat, von dem "Staunen und Stolz" zu reden, mit<br />

dem wir dem "glänzenden Meteor unserer Literatur" begegnen, auch<br />

wenn die Betrachtung sidl in bewußten Gegensan zu Klopstock und<br />

Wieland stellt. Tiefer faßte das Problem Lessing Ferdinand Lassalle 3 4,<br />

der im November 1858 versuchte, den Klassiker in größeren gesmichtlichen<br />

Zusammenhängen zu sehen und ihn so sich und anderen näherzubringen:<br />

"Alles Revolutionäre in der äußeren Wirklichkeit bleibt<br />

selbst revolutionär und verläuft im Sande, wenn es dem Geist nimt ge-<br />

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lingt, ebensosehr mit der überlieferten geschichtlichen Welt <strong>des</strong> geistigen<br />

Innern fertig zu werden, sein neues Prinzip durch alle Instanzen und<br />

Gebiete durchzuführen und sie von neuern aus ihm zu bauen. Hierzu<br />

erfand die Geschimte Lessing ... den siegreimen Revolutionär im<br />

Heime <strong>des</strong> Geistes, den Rämer und Wiederhersteller der untergegange·<br />

nen Präsenz <strong>des</strong> lebenden Selbstbewußtseins in Literatur, Kunst, Reli·<br />

gion, Ethik und Gesdlimte." Er ist für Lassalle der "weltliche Luther,<br />

der durch keine religiöse Vorausse\jung sehr besduänkt ist; <strong>des</strong>halb ist<br />

er der größere Luther 35 !" Audl hier klingt ein neuer Ton. Die Ge·<br />

dankenwelt von Marx und Engels smwingt mit, eine Umwertung be·<br />

ginnt sim zu vollziehen, und Lessing soll der Bannerträger sein! Damals<br />

nannte der große klassisdw Philologe Otto Ribbeck in einer Kieler<br />

Rektoratsrede von 1863 ihn den "klassischen Repräsentanten deutschen<br />

Forsmertriebes und begeisterter Liehe zur Wahrheit im ganzen Bereim<br />

mensdllicher Erkenntnis ... den Mann, <strong>des</strong>sen Hörsaal das deutsche<br />

Vaterland werden sollte". Zwei Dimter freilim wußten nur hymnisdle<br />

Worte zu finden, die auf den gleimcn Ton gestimmt sind, ohne in irgend.<br />

welme Tiefen zu dringen. Otto Roquette kann in seiner Geschichte der<br />

deutschen Didltung (1863) nur von der nationalen Grundlage reden,<br />

die Lessing der deutschen Literatur auf allen Gebieten gegeben hahe;<br />

etliche Jahre früher (1857) prägt Josef von Eitnendorff in seiner Ge·<br />

smimte der poetismen Literatur Deutsmlands einen Sa\j, der von tief·<br />

stern seelismen Verständnis für Lessing zeugt: "Er ist ohne Zweifel der<br />

tragischste Charakter unflerer Literatur; wie er überall treu, offen und<br />

gewaltig nam der Wahrheit ringt und dennom vom Di!mon <strong>des</strong> Scharf·<br />

sinns endlich überwältigt wird und an der Smwelle <strong>des</strong> Allerheiligsten<br />

unbefriedigt untergeht; aber sein großartiger Untergang ist für alle<br />

Zeiten eine belehrende Mahnung an alle, die da ehrlidI sumen wollen."<br />

Dieses Lessing-Bild und Lessing.Urteil ist tragisdI.pathetism stilisiert,<br />

bietet in Wortwahl und Sinngebung einc heroisierende Steigerung in<br />

einer Zeit, die gern an den Helden der Vorzeit sim herausmte oder,<br />

wenn sie ehrlich gegen .. im sclber war, aufrimtete. Demgegenüber fand<br />

Hermann Hettner einen menschlich·einfamcren Ton: "Dem DeutsdIen<br />

geht das Herz auf, wenn er von Lessing redet," diesem "mannhaftesten<br />

Charakter der deutschen Literatur"! Hettner war ehrlich genug, zu er·<br />

klären: "Es ist ungesmichtlim, Smwämen und Sdlranken Lessings ver·<br />

schweigen zu wollcn 36 ."<br />

Hier war ein Wille zu beobamten, der in möglichst knapper Form<br />

bis zum Mittelpunkt <strong>des</strong> Lessingschen Wesens und Wirkens vorstoßen<br />

wollte. Der an englischen Mustern herangebildete "Essay", jene Art<br />

wissenschaftlim·künstlerischer Gestaltung eines Stoffes, die nur die<br />

Summe eines geistigen Weges gibt, wurde, soviel ich sehe, in Deutsdt·<br />

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land zuerst an Lessing geübt: auch diese Tatsache ist ein Ausdrud


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eine stufen mäßige Entfaltung der Wahrheit, eine Gestaltung derselben<br />

in verschiedenen Formen nach nationaler Besonderheit und zeitgemäßem<br />

Bildungsgrade. " Inmitten der immer wieder aufgeworfenen<br />

Frage: War er ein Dichter? - sie ist seit den Romantikertagen nidlt<br />

zur Ruhe gekommen! - hat Carriere das schöne Wort geprägt: "Wer<br />

in der Poesie die Kunst <strong>des</strong> Geistes sieht, wird ihm den Dichterlorbeer<br />

nidlt versagen."<br />

Zur Gegenwart im Urteil der Namwelt nur noch wenige Proben.<br />

Arthur Böhtlingk hat 1909 den Sa!} geprägt: "Die Shakespeare-Fackel<br />

wird Goethe aus der Hand Lessings empfangen." Riroard M. Meyer, der<br />

1890 eine gute Formulierung fand: "Lessing zieht die Stoffe in seine<br />

persönlidlen, augenblicklidien Interessen; er findet in ihnen den Ausdruck<br />

für Fragen, die ihn selbst berühren," hat 1916 nadldrücklichst<br />

betont: "Als Didlter ist Lessing vor allem aufzufassen"; "seine wirklichen<br />

Werke entstanden nur dann, wenn sein eigenes Verlangen nach<br />

poetisdlem Ausdruck mit einem nationalen Bedürfnis zusammenfiel."<br />

Zur selben Zeit hat Gottfried Fittbogen 40 den "idealen und den historischen<br />

Lessing" gezeichnet; er sieht in ihm einen Menschen mit seinem<br />

Widersprucli: "der historisme Lessing ist hinter dem idealen zurückgeblichen<br />

... daß ihm der Opfergedanke fehlte, ist seine Smwäche; erst<br />

mit ihm wäre Lessing ganz er selbst geworden." Noro erwähne im das<br />

ausgezeidmete Quellenhudl: Lessings Gesprädle, das Flodoard v. Biedermann<br />

1924 41 "nebst sonstigen Zeugnissen aus seinem Umgang" herausgab,<br />

und mödlte als typisdlen Ausdcuek <strong>des</strong> Urteils unserer Gegenwart<br />

über Lessing etliche Säße aus W oldemar Öhlkes Geschichte der deutschen<br />

Literatur (1919) festhalten: "Hellhörig wußte er die feinsten<br />

Seelenvorgänge zu erfassen und zu verbinden; so entstanden seine<br />

Meisterdrameo; er sagte nichts als die Sache selbst: so entstand seine<br />

Meisterprosa; er sagte nichts, was nidlt unbedingt wahr war: so wurde<br />

er das Organ der deutsdien Persönlidlkeit .•. Es ist nidlt das Widltigste<br />

an ihm, daß er der Schöpfer <strong>des</strong> nationalen deutsmen Dramas wurde im<br />

Kampf gegen die französisdle Anmaßung, daß er die poetisroe Gattung<br />

der Fabel neu begründete, bildende Kunst und Dichtung auf selbständige<br />

Grundlagen stellte und als Vorkämpfer <strong>des</strong> liberalen Gedankens<br />

alles Zelotentum in Kirche und Staat erfolgreich bekämpfte,<br />

sondern das ist das Erstaunliche an ihm, daß er in allen diesen so verschiedenen<br />

Geisteshewegungen unantastbar, rein und geistig überlegen<br />

blieb, der Kunsterscheinungen Kenner und Rimter, der Wissensmeinungen<br />

Prüfer und Sichter, der Schrecken aller Perückengesichter, der<br />

Dummheit Ächter, der Sroönheit Wächter, der Wahrheit Verfechter, wie<br />

Hoffmann von Fallersleben ihm nachrühmt. Warmherzig, vornehm und<br />

männlich als Mensdl, zuverlässig als geistiger Arbeiter, weitsroauend als<br />

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Kritiker und Künstler, stellt er eine seltene Vereinigung von Eigenscltaften<br />

dar, deren seine Zeit dringend bedurfte. Er wurde der Führer<br />

<strong>des</strong> 18. Jahrhunderts und ist es heute noclt!"<br />

Ein Ausschnitt im Urteil der Nachwelt bedarf noch einer besonderen<br />

Behandlung, weil dabei starke Gegensälle aufeinanderprallten und gerade<br />

hier Meinung und Stellung Lessings am meisten umstritten war.<br />

Es handelt sich um den Theologen und Philosophen Lessing, um den<br />

Nathan und um Die Erziehung <strong>des</strong> Mensdtengesdlleclttes. Dabei sind<br />

"die älteren Arbeiten über Lessings Philosophie gehaltvoller 'als die<br />

neueren"42, aber nach Eduard Zellers Ansicht beruhen Hegels Religionsphilosophie<br />

und Kants Sittenlehre auf Lessing; Gervinus hat ausgeführt,<br />

wie Herders Humanitäts-Christentum auf Lessings Schultern steht; David<br />

Friedrim Strauß sah ihn für seinen Vorläufer an, und als "Patriarch der<br />

deutsdwn Geistesfreiheit" galt er um 1850 audl in weltansdlaulichen<br />

Fragen. W 0111 hatte sdlOn, wie gezeigt, Friedricll Sehlegel den Philosophen<br />

Lessing mehr in den Mittelpunkt kritisdler Betrachtungen gerückt,<br />

in Fluß aber kam dieser ganze Fragenkomplex durch die Zweifel,<br />

die Wilhclm Koerte 1839 in der Biographie Albrecbt Thaers an der<br />

LessingsdIen Autorsmaft der Smrift "Die Erziehung <strong>des</strong> Menschengesdllechtes"<br />

geltend machte. G. E. Guhrauer hat 1841 diese "Bekenntnisse<br />

beleuchtet" und zurückgewiesen 43 ; im Jahre 1913 hat der Kirmenhistoriker<br />

Gustav Krüger die Frage erneut aufgeworfen und bejaht,<br />

wieder wurde das Ergebnis bestritten (von Ernst Kricck), aber das anscheinend<br />

so gesimerte Urteil über die Verfasserfrage war schwankend<br />

geworden! Heinrim Scholz suchte zu vermitteln: "Was an der Erziehung<br />

grundlegend ist - die Rettung <strong>des</strong> Offenbarungsprinzips durch den Erziehungsgedallken<br />

- ist von Thaer, was grund stürzend - die Auflösung<br />

<strong>des</strong> Offenbarungsprinzips durdl die Idee der Selbsterziehung -<br />

von Lessing; das Grundstürzende ist aus dem Grundliegenden entwiekelt"44.<br />

Gottfried Fittbogen spram ein Sdllußwort über die "nicht<br />

identisdlen, aber verwandten Thaer-Hypothesen Körtes und Krügers-15:<br />

ein Anteil Thaers, <strong>des</strong> Vaters der deutsmen Landwirtschaft, kommt für<br />

die zweite Hälfte der Erziehung gar nimt in Frage, für die erste hätte<br />

Lessing ein Thaersches Konzept benullt. Mir smeint Margarete 11 eilmann<br />

in einer Hamburger Dissertation (1922) die Verfasserfrage der<br />

Erziehung <strong>des</strong> Mensdlengeschledltes gelöst zu haben; sie ordnet sie<br />

mühelos in Lessings Schrifttum ein, sellt die Ausführung bis § 53 vor<br />

1755 an und behebt die Bedenken gegen Lessings Autorsmaft durm die<br />

Annahme versdliedener Abfassungszeiten: "Allen nom so auffallenden<br />

literarismen Verwandtschaften gegenüber behauptet sim die formale<br />

und geistige Sonderart der Erziehung selbständig." Fast gleidlzeitig<br />

hezeimnete Karl Stange die Sdlrift als "einen der ersten Versuche inner-<br />

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halb <strong>des</strong> Protestantismus, den Offenbarungsbegriff im geschichtlichen<br />

Sinne zu verstehen"46.<br />

Angeregt durch Guhrauers Polemik hat 1847 Heinrich Ritter Lessings<br />

philosophische und religiöse Grundsäne untersucht; "ein vollständiges<br />

System ist bei Leasing nicht zu finden und nicht zu erwarten," Lessing<br />

steht aber "weit vor dem vorsichtigen Kant voraus". Heinrich Gelzer<br />

hat in seiner Neueren deutschen National-Literatur nach ihren ethischen<br />

und religiösen Gesichtspunkten ("Zur inneren Geschichte <strong>des</strong> deutschen<br />

Protestantismus"") 1847 auch Lessing berührt: "er war ein Suchender'";<br />

"er dürstete nach einem neuen Evangelium, ob nadl einer neuen Religion<br />

oder nur nach einer neuen Gestalt <strong>des</strong> Christentums, ist nicht<br />

auszumadlen""47. Damit war der Kernpunkt der strittigen Frage formuliert.<br />

Das Urteil der Nachwelt hat hier hin und her geschwankt, und je<br />

nach der Einstellung <strong>des</strong> Urteilenden wechselte oft das Ergebnis. Karl<br />

Schwarz widmete 1854 Lessing als Theologen ein umfängliches Buch 48<br />

... "er war auch für die theologische Entwicklung <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts<br />

der geistige Höhepunkt, nur ein Literat, nur ein Polemiker, aber mehr<br />

• wert als das ganze Heer zünftiger Theologen'". Schwarz zieht wegen<br />

seines "schriftstellerischen Heldentums" den Vergleich mit Hutten, der<br />

gerade unter solchen ethischen Gesichtspunkten öfters wiederkehrt, und<br />

hat scinen besonderen Grund, gerade "in den theologischen Zuständen<br />

der Gegenwart"" auf Lessing hinzuweisen, auf diesen "überlegensten<br />

Verstand <strong>des</strong> Jahrhunderts <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>", "das leuchtende Vorbild<br />

<strong>des</strong> Rationalismus für alle Zeiten"'. Robert Zimmermann hat damals<br />

Lessing für einen Leibnizianer erklärt 49 , und Joh. Huber schilderte<br />

Lessing und Kant im Verhältnis zur religiösen Bewegung <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts<br />

C1o , ohne aber neue Gedanken dabei zu entwickeln. Aum<br />

C. Heblers Lessing-Studien von 1862 beschiiftigen sich mit diesen Problemen<br />

- zum erstenmal wird hier der Nathan mehr beamtet -, und<br />

Hermann Lang zeichnet im gleichen Jahr Lessing in seinen Religiösen<br />

Charakteren nach. Dann aber erhebt die Evangelisehe Kirchenzeitung<br />

ihre weithin tönende Stimme; ein größerer anonymer Artikel "Lcssing<br />

als Theologe"' sucht die Frage zu klären: "Es war für die Kirche von<br />

großer Bedeutung, daß sie durch Lessings rücksichtslose Dialektik veranlaßt<br />

ward, sich selber Rechenschaft zu geben von ihrer Stellung zu<br />

Christi Person Cll .'" Im starken Gegensan dazu erklingen aber damals<br />

andere Stimmen; da ist von dem "Sanct-Lessing'" die Rede, "den die<br />

modernen Kreuzritter von der Kreuzzeitung unserm ungläubigen Zeitalter<br />

überhaupt vorgeworfen haben", und mit Kopfschütteln wird festgestellt:<br />

"Auf wirklich auffallende Weise nimmt in pseudokonservativen<br />

Kreisen die Gewohnheit überhand, Männer wie Lessing als Feinde <strong>des</strong><br />

Christentums darzustellen Ci2 ."<br />

3 33<br />

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/


Unter<strong>des</strong>sen hatte sim die Bcsmäftigung mit dem Theologen und<br />

Philosophen Leasing in wesentlidler Weise auf den Nathan konzentriert,<br />

auf das erste deutsdle Drama, das mit großen Lebensfragen einer Zeit<br />

innerlimst zusammenhängt. SdlOn 1854 hatte August Wilhelm BohtJ<br />

Lessings Protestantismus in Verbindung mit dem dramatismen Gedimt<br />

untersumt - "bis zu einem gewissen Grade enthält es das Geheimnis<br />

der Religion" -; zehn Jahre später häuften sich die Erörterungen. Damals<br />

hat Ludwig Auerbach das psymologisme Moment und Element der<br />

Dimtung herausgearbeitet und einen Vergleim zwismen Shylock und<br />

Nathan gezogen; David Friedrim Strauß53 hat die gesmimtlimen Bedingungen<br />

<strong>des</strong> Dramas klargelegt, <strong>des</strong>sen "Grundstimmung die Selbstund<br />

Siegesgewißheit der Vernunft ist". Der Hallenser Theologe WilIibald<br />

Beysmlag prüfte den Nathan und das positive Christentum: "nodl<br />

heute drückt das didaktisme Drama das eigentlime religiöse Bekenntnis<br />

der großen Mehrzahl unserer Gebildeten aus", es ist "das symboliamc<br />

Bum der aufgeklärten, gebildt>ten Neuzeit". Dann aber ließ Kuno<br />

Fismer scine gewimtige Stimme ertönen. Er stellt fest, daß bei einer<br />

allgemeinen Anerkennung Lessings die Urteile über den Wert <strong>des</strong>.<br />

Nathan sehr geteilt sind •.. "kaum wird eine andere unter den großen<br />

Dimtungen so viele Gegner zählen. Die einen verwerfen den Nathan<br />

als Kunstwerk, die anderen, deren Zahl größer ist, "erwerfen ihn um<br />

<strong>des</strong> religiösen Motivs willen, das ihm zugrunde liegt. Diese Dimtung ist<br />

förmlich belagert durm ein Heer von Vorurteilen, welme die meisten<br />

empfangen, nom ehe sie imstande sind, den Gegenstand selbst zu durmdringen".<br />

Kuno Fisdler beginnt seine klugen, klaren, auf letJten Höhen<br />

der Erkenntnis stehenden Darlegungen - er smließt sie auch damit! -<br />

mit dem Erweis der Trefflichkeit <strong>des</strong>sen, was Willibald Beyschlag als<br />

Grundfehler der Dichtung zu erweisen vermeinte: Lessings Vertreter<br />

der drei Religionen vertreten alles, nur das Wesen ihrer Religionen<br />

nimt! Sie sollen es auch gar nimt vertreten! Es wäre ein Fehler gewesen,<br />

einen anderen als den Juden mit dem Geiste der Liebe und Duldung<br />

zu betrauen. Hymnism-pathetisme Töne smlug der Berliner HegeI­<br />

Schüler Kar! Werder in seinem Nathan-Bume an (1885); "als Drama<br />

behauptet das Drama den ersten Rang vor allem, was unser ist ••• es<br />

ist das vollkommenste Werk der deutsroen Literatur ..• ein ewiges<br />

Werk, nur für sich und aus sieh allein zu erklären"; es geht natürlich<br />

viel zu weit, "jeden Einsmlag der theologismen Fehden zu leugnen",<br />

wie es Werder in seiner Begeisterung für das Kunstwerk tut. Freilich<br />

ist auch Wilhelm Wackernagels Skepsis nimt angebracht, der schon 1873<br />

behauptete, daß der Nathan nimt die Duldsamkeit gegen Andersgläuhige<br />

lehre.<br />

So stand Meinung gegen Meinung. FritJ Brüggemann hat Nathans<br />

34<br />

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Ich habe an anderer Stelle ausführlim gezeigt 68 und kann mich hier<br />

darauf beziehen, wie seine dramatismen Hauptwerke fortgese\jt, nachgeahmt<br />

und parodiert wurden, wie z. B. Minna von Darnhelm in einen<br />

Roman aufgelöst wurde, wie man die Emilia Galotti in ein lateinisches<br />

Sprachgewand kleidete, den Philotas versifizierte und den Nathan parodierte<br />

64 • Aum das war ein Urteil der Nachwelt, ebenso wie die versmiedene<br />

Gestaltung Lessingscher Art und Lessingschen Smaffens in epismer<br />

Form oder im betramtenden, feiernden Gedimt. Da ist gar manmes gar<br />

trefflich charakterisierende Wort gespromen worden, mancher Gedanke<br />

über Lessing fand hier wertvollste Prägung. Freilim ist es unmöglim,<br />

hiervon aum nur eine kleine Auswahl zu geben: im allgemeinen muß<br />

dieser Hinweis genügen 6f1 ! An einigen Lessing-Versen <strong>des</strong> österreimischen<br />

Lyrikers Jakob luHus David, die 1908 erst aus seinem Namlaß hervorgetreten<br />

sind, möchte ich hier nicht vorübergehen, da sie das Urteil der<br />

Namwelt trefflich zusammenfassen und wiedergeben:<br />

... Du hast dem Tag gedient und ihn erfüllt:<br />

Und also wurden dir die Ewigkeiten.<br />

Die Wahrheit fan<strong>des</strong>t du, der Wahrheitsucher,<br />

Dem nichts daneben galt, dem selbst im Schlummer -<br />

Du sagst es selber - nie die holde Lüge<br />

Des Traumes nahte. Hell sahst du ins Leben,<br />

Du hast es dUl'lftJ-,ämpft: ein Gottesstreiter,<br />

In dem der redtte Glaube an das Gute,<br />

Der rechte Eifer für der Menschht'it Glück<br />

Niemals zu dämpfen war. Gehobnen Hauptes,<br />

Auf straffen Knien, die nimmer sidt gebogen,<br />

Stehst du vor uns.<br />

Und oftmals denkt man deiner,<br />

Sehnsüchtig gar. Verworren ist die Zeit<br />

Und ringt nach Klarheit, ohne sie zu finden.<br />

Man tastet da und dort; von starren Mauern<br />

Sind wir umfangen - nirgends ist ein Ausweg:<br />

Durch smmale Rinen fällt ein trüglim Lidtt -<br />

Man tappt sich mühsam hin - es ist erlosdten.<br />

Und wieder nachtet es, ganz zum Verzagen.<br />

Kein voller Strahl, wie den du einst entsendet,<br />

Kein reines Leudtten, acht kein freier Ausblick!<br />

Wer übt die Menschlichkeit, die du verkündigt?<br />

Wer glaubt sie nom?<br />

Berthold Auerbam hat in seinf'm Dume über die Genesis <strong>des</strong> Nathan<br />

(1881) Lessings Unsterblichkeit "ein Thema für einen Kulturhistoriker"<br />

genannt, zu zeigen, wie "Lessings Geist Element der Kultur wird". In<br />

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37


diesem Prozeß besteht ja das Urteil der Nachwelt. Sie hat bestätigt,<br />

daß er aus ihrem Sein und Werden nicht mehr wegzudenken ist. Sie<br />

hat alle Mittel der Erkenntnis darangese!}t, um immer tiefer in sein<br />

Leben und Schaffen einzudringen. Es ist nicht zu erwarten, daß das so<br />

gewonnene Bild jemals eine wesentliche Veränderung erfahren wird<br />

und kann.<br />

Eine Seite von Lessings Wirkung aber muß zum Sdlluß nodl, so gut<br />

es die Quellen gestatten, angedeutet werden, weil sich das Urteil tier<br />

Nachwelt auch darin sehr deutlich dokumentiert. Von seiner alten<br />

Kanzel, dem Theater, hat Leasing in den bald 150 Jahren, die seit seinem<br />

Tode vergangen sind, immer wieder zur Nachwelt gesprochen. Es ist<br />

völlig unmöglich, darüber auch nur ein einigermaßen deutliches Bild<br />

zu bekommen. Die Theatergeschichte entbehrt ja eines ihrer wichtigsten<br />

Fundamente, einer auch nur im allerentfertesten annähernden<br />

übersidlt über die tatsächlim geleistete Arbeit der Bühnen, <strong>des</strong> Spielplanes.<br />

Erst in jüngster Vergangenheit ist das möglich geworden. Vor<br />

1896 aber ist die Frage nicht zu beantworten: welche Stellung nahmen<br />

Lessings dramatische Hauptwerke im Repertoir der deutschen Bühnen<br />

ein? Einzelheiten sind hier und da zu ermitteln. So ist es z. B. ein<br />

interessantes Urteil über Lessing, daß Kar! Immermanns berühmter<br />

Düsseldorfer Versuch eines Ideal- und Mustertheaters am 8. Dezember<br />

1832 mit Emilia Galotti eröffnet wurde, wäjuend die Meininger fünfzig<br />

Jahre später auf ihren Wanderfahrten durch europäische Lande nur<br />

siebenmal im Jahre 1884 Miß Sara Sampson und sonst nichts von Lessing<br />

spielten! Nur eine Bühne führt in Deutschland seinen Namen, das<br />

am ll. September 1888 mit einer damals sehr verschieden beurteilten<br />

Nathan-Aufführung eröffnete Lessing.Theater in Berlin. Für einige<br />

größere deutsche Bühnen ist es möglich gewesen, Gesamtziffern zu ermitteln,<br />

die ihr eigentliches Leben erst durch Vergleiche erhalten<br />

könnten, aber vielleimt auch einzeln zeigen, daß die theatralisch-praktisme<br />

Wertsmä!}ung Leasings, die auf dem Verlangen der Zusmauer und<br />

den dankbaren Aufgaben für die Darsteller zu gleimen Teilen beruhen<br />

mag, im wesentlichsten immer die gleiche geblieben ist. Leider sind die<br />

Zeiträume, auf die sich die mitzuteilenden Zahlen beziehen, nicht immer<br />

die gleichen. Es wurde gespielt in<br />

Braunsmweig:<br />

Minna (1826/1928) 106; Emilia (1829/1928) 58; Nathan (1826/1928) 76,<br />

Berlin (Staatstheater):<br />

Minna (1768/1885) 237; EmiIia (1788/1885) 199; Nathan (1802/1885) 213,<br />

Dresden:<br />

Minna (1778/1928) 221; Emilia (1777/1927) 128; Nathan (1818/1923) 133,<br />

38<br />

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München:<br />

Minna (1774/1928) 254; Emilia (1779/1924) 194; Nathan (1814/1921) 144,<br />

Wien (Durgtheater):<br />

Minna (1776/1928) 217; EmiIia (1776/1928) 206; Nathan (1776/1928) 198.<br />

Ein wenn audl nur schr beschcidenes und reichlich unvollständiges<br />

Hilfsmittel, den Spielplan etlicher deutscher Theater kennenzulernen,<br />

gibt es für die Jahre 1815 his 1834. Damals hat der in allen theatralischen<br />

Sätteln gerechte artistische Sekretär, Dramaturg und Vizedirektor<br />

<strong>des</strong> Dresdner Hoftheaters Karl Theodor Winkler, der unter dem Pseudonym<br />

Theodor Hell die deutschen Bühnen mit überse!Jungen aus dem<br />

Französischen übersdlwemmte, ein "Tagebuch der deutschen Bühnen"<br />

herausgegeben, an dem sich in freilich fast ständig wechselnder Anzahl<br />

wichtige deutsche Theater beteiligten. Diese wertvolle thcatergeschichtlidle<br />

Quelle ist noch lange nicht gebührend gewürdigt und ausgenuijt<br />

worden; beim Auszählen wurden folgende Zahlen für Lessing gewonnen,<br />

die mit Sd1iller und Shakespeare in Vergleich gese!Jt werden können 66 ;<br />

damit ist wenigstens eine andeutende Ansd1auung gewonnen, wenn<br />

freilich für eine tiefere Würdigung dieses Urteils der Nachwelt die Auffiihrungsreihen<br />

anderer Autoren noch hinzugenommen werden müßten.<br />

Es ergeben sid1 folgende Resultate:<br />

Jahr Lessing Sdliller Shakespeare<br />

Anzahl<br />

der Theater<br />

Anzahl·<br />

1815 ......... 19 87 23 18 18<br />

1816 ......... 32 192 50 22 9<br />

1817 .....•... 31 193 51 28 12<br />

1818 ......... 33 168 43 25 9<br />

1819 ......... 46 172 34 23 4<br />

1820 ......... 36 197 56 22 8<br />

1821 ..... -.... 39 145 42 20 7<br />

1822 ......... 42 146 65 23 8<br />

1823 ......... 32 138 73 18 5<br />

1824 ........• 47 139 64 21 7<br />

1825 .•....... 21 124 58 19 5<br />

1826 ......... 27 140 67 18 5<br />

1827 ......... 34 143 79 18 5<br />

1828 ..•...... 39 97 84 17 5<br />

1829 ........• 24 83 63 16 6<br />

1830 ......... 33 122 78 18 4<br />

1831 ......... 51 93 69 16 3<br />

1832 •...••.•. 41 108 60 15 2<br />

1833 .......•. 37 86 39 14 5<br />

1834 .•....•.. 29 77 28 12 1<br />

• Bei dieser Anzahl Spielplan nidlt lür das ganze Jahr mitgeteilt.<br />

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39


Auf Grund dicser Hellsdlen Veröffentlichung lassen siw nom manwe<br />

andere Zahlenwerte für Lessing im genannten Zeitraum gewinnen. So<br />

z. n. eine interessante übersidlt über das Wiener Burgtheater für die<br />

Zeit vom 2<strong>2.</strong> Dezember 1833 bia 21. Dczember 1834; da kommen für<br />

einzelne Autoren folgende Aufführungsziffern in Frage:<br />

Kotzebue •••••••••••• 58 Aufführungen<br />

Ed. v. Bauernfeld •..•. 32<br />

Ernst Raupach ••••••• 22<br />

Friedr.Ludw. Schroeder 16<br />

Joh. Fr. v. Weißenthuro 9<br />

Grillparzer •••••••..•. 14<br />

Schiller •••••••••.••••• 7 Aufführungen<br />

Iffland ....•..•....•••• 4 "<br />

Shakespeare •••••.••••• 3<br />

"<br />

Kleist ................ 1 Aufführung<br />

Goethe ••••••••••••• _<br />

Lessing ........... _<br />

Einige Stidlproben von anderen Theatern mögen das nild ergänzen,<br />

das erkennen läßt, wie Lessing zwar den Tagesgrößen gegenüber oft nur<br />

eine besdleidene Rolle spielt, aber dodl immer wiederkehrt und, wenn<br />

aum oft nur als seltener Gast, seinen Plan zu behaupten weiß. So wird<br />

z. B. in Hamburg vom 1. August 1816 bis zum 3l. Oktober 1816 als einziges<br />

Lessing-Stück einmal der Nathan gespielt, in Trier vom 1. November<br />

1816 bis zum 30. April 1817 neben sems anderen Klassikervorstellungen<br />

nur einmal ein Lessing, die Emilia Galotti. aufgeführt. Ungefähr<br />

hleiben siro auch diese Zahlen gleich. In Breslau werden vom 1. Juni bis<br />

zum 30. November 1816 viermal die Minna und einmal der Nathan gegeben.<br />

In Frankfurt gibt es vom 1. Januar bis zum 28. Mai 1816 keinen<br />

Lessing, ebenso in Miinroen für die Zeit vom 1. Fcbruar bis zum 30. Juni<br />

1816, wo aber fünfmal Käthrnen von Heilbronn und dreimal Die Räuber<br />

in Szene gehen. Um 1816 kehrt Emilia Galotti versdliedentlim, wenn<br />

aueh vereinzelt, in versmiedenen Theatern wieder, z. B. Weimar, Hamburg,<br />

Braunsdlweig, Karlsruhe, Nürnberg; von dieser Stadt heißt es<br />

unterm 15. Februar 1816 bei Hell: "Das Publikum war schr ruhig und<br />

aufmerksam und lohnte mehr durm einen stillen als lärmenden Bcifall,<br />

wahrsdleinlich, um keine Störung im Gang <strong>des</strong> Stückes zu veranlassen."<br />

Häufig ist die gelegentlime Aufnahme Lessingsmer Stücke in den Spielplan<br />

von Gastspielen abhängig, z. B. wenn Sophie Sroröder (Orsina)<br />

oder Fcrdinand Esslair (Nalhan) "in den Mauern weilen". Für viele<br />

Bühnen aber treten monatelange Pausen ein, ohne bei ohnehin swwadler<br />

Berücksirotigung der Klassiker - in z. n. fünf oder sedls Monaten zehn<br />

oder gar nur fünf solcher Aufführungen! - ein Lessing-Stück aufzuführen.<br />

Mannheim bringt vom 1. Januar bis zum 29. Juni 1818 sieben­<br />

Dlai SdliIler, aber keinmal Lessing; besonders lange Pausen in der Berücksirotigung<br />

Lessings sind in Hannover. und Hamburg damals zu beobarnten.<br />

Ab und zu und da und dort gibt es wohl mal eine Neueinstudierung<br />

eines Lessingsdlen Stückes, das Beifall und Zustimmung<br />

40<br />

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Lessing Goethe Schiller Hauptmann Ibsen Franzosen<br />

1896/97 ........ 197 263 752 505 186 661<br />

1897/98 ........ 162 327 665 518 236 849<br />

1898/99 ........ 204 359 516 546 183 913<br />

1899/1900 ...... 179 530 971 521 387 1340<br />

1900/01 ........ 195 348 965 462 163 944<br />

1901/02 ........ 215 342 1014 369 331 1836<br />

1902/03 ........ 212 347 1104 562 323 595<br />

1903/04 ........ 341 425 1161 749 376 1299<br />

1904/05 ........ 244 513 2210 667 424 1003<br />

1905/06 ........ 236 503 1411 768 580 1211<br />

1906/07 ........ 335 585 1376 511 932 1738<br />

1907/08 ........ 376 705 1438 468 877 2782<br />

1908/09 ........ 367 641 1632 601 820 2458<br />

1909/10 ........ 317 657 2063 579 721 1956<br />

1910/11 ••.•••.. 413 689 1584 619 706 2586<br />

1911/12 ........ 405 721 1523 581 785 1874<br />

1912/13 ........ 455 738 1765 1240 622 3253<br />

1913/14 ........ 232 522 1276 631 707 1455<br />

1914/15 ........ 420 432 950 362 479 137<br />

1915/16 ........ 254 567 973 618 1016 424<br />

1916/17 ........ 456 564 1060 715 705 571<br />

1917/18 ........ 503 535 1133 759 850 790<br />

1918/19 ........ 486 916 1592 911 872 1043<br />

1919/20 ........ 598 897 2045 1256 950 1855<br />

1920/21 ........ 419 837 1914 1213 574 788<br />

1921/22 ........ 630 1198 2060 1271 1006 1741<br />

1922/23 ........ 654 1303 2293 2307 1163 627<br />

1923/24 ........ 510 900 1718 1089 957 286<br />

1924/25 ........ 537 1016 1613 993 775 1058<br />

1925/26 ........ 380 871 1351 675 568 2354<br />

Anmerkungen / I Kuno Fisdter: "Leasings Nathan der Weise, die Idee und die<br />

Charaktere der Didttung", 1864, S. 1.<br />

I V gI. darüber das ausgezeichnete Bum von Albert Ludwig: "Smiller und die<br />

deutsche Nachwelt", 1909.<br />

8 Berthold Auerbach in einem Prolog zu einer Lessing.Feier im Dresdner Hof.<br />

theater am 16. März 1850.<br />

, Martin Greif in einem Lessing.Gedicht von 1881.<br />

& In dem vom 27. Mai 1882 datierten Biographischen Vorwort zur Wiener illustrierten<br />

Lessing.Ausgahe.<br />

, "Braunschweigische Nachridlten von politisdten und gelehrten Samen", 1781.<br />

7 RudolC Benfey in einer Lessing.Rede. die er 1868 in fünf Berliner Bezirks-<br />

vereinen hielt.<br />

42<br />

Digitale Bibliothek Braunschweig<br />

e "Heimgarten", Februar 1881, S.lS.<br />

9 .. Derlinisdle N achrimten von Staats- und gelehrten Sadlen" vom 24. Februar 1781<br />

10 .. Erfurtisdte Gelehrte Zeitung" vom 4. Oktober 1781.<br />

11 "Literatur- nnd Theater-Zeitung" 1781. 5.281.<br />

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Lessing und das Ehepaar Reiske /<br />

Nach Briefen an Johann Arnold Ebert in Braunschweig / Von Heinrich Schneider<br />

Von allen Gelehrten seiner Zeit, denen der Bibliothekar Leasing<br />

wissensdlaftlime Unterstüyung ihrer Forschungen mit den ihm anvertrauten<br />

Bümersmänen angedeihen ließ, hat kaum einer diese Hilfsbereitschaft<br />

so dankbar empfunden wie Johaml Jacob Reiske, der smarfsinnige<br />

Philologe und Rektor der Nikolaismule in Leipzig. Seit Februar<br />

1769 stand Lessing mit Reiske in brieflicher Verbindung, und aus der<br />

anfänglim rein wissenachaftlimen Korrespondenz entwickelte sich bald<br />

eine herzlidle Freundschaft zwischen den bei den Männerni. Mit Remt<br />

hat <strong>des</strong>halb Carl G. Leasing in der ersten, 1789 veröffentlidlten Briefwemselsammlung<br />

scines Bruders aum die Briefe Reiskcs aufgenommen,<br />

denn Lessing machte aus seiner besonderen freundsmaftlimen Gesinnung<br />

gegen Reiske niemals ein Hehl 2 und war lange fest entsmlossen,<br />

das Leben <strong>des</strong> oft verkannten und nimt genügend gewürdigten Freun<strong>des</strong><br />

ausführlim in drei Bänden darzustellen. Aus versmiedenen hier nom<br />

zu erörternden Grinden ist dieser Plan leider nimt zur Ausführung gelangt,<br />

so daß die Namwelt zunämst fiir die Kenntnis der Lebensgcsmichte<br />

<strong>des</strong> fUr die Entwicklung der Philologie so bedeutenden Ge·<br />

lehrten auf <strong>des</strong>sen eigene, nach seinem Tode von der Witwe heraus·<br />

gegebenen biographismen Aufzeichnungen angewiesen war. In der<br />

zweiten Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts hat sim dann Riroard Förster um<br />

die genauere Erfassung der Person und der Lebensarbeit von Reiske die<br />

größten Verdienste erworben, und auf seine Arbeiten, namentlim auf<br />

die Sammlung der Briefe als wimtigste Grundlage der Biographie, muß<br />

hier ein für allemal verwiesen werden:!. An dieser Stelle soll nur von<br />

den Beziehungen Johann Jaeob Reiskes und seiner Btets mit ihm zusammen<br />

zu nennenden Ehegefährtin Ernestine Christine Reiske zu Gotthold<br />

Ephraim Lessing die Rede sein, gleimfalls unter Vorausseyung der<br />

in den bekannten Lessing-Biographien allgemein gegebenen Tatsamen.<br />

Jene freundsmaftlime Verbindung soll jedodl durdl bisher unveröffentlidlt<br />

gebliebene Briefe <strong>des</strong> Ehepaares Reiske an den Professor am<br />

Braunsmweiger Collegium Carolinum, Johann Arnold Ebert, eine neue<br />

Beleuchtung erfahren 4 •<br />

Die gemeinsame Gegnersmaft. gegen den "windigen Versesmmied<br />

und Prahlhans", den Hallenser Geheimderat Christian Adolf Kloy, sowie<br />

Fragen zu einer vorbereiteten Ausgabe <strong>des</strong> Demosthenes hatten Reiske<br />

und Lessing in einen brieflimen Gedankenaustausm miteinander geführt.<br />

Ein mehr persönlicher und warmer Ton der gegenseitigen Briefe<br />

wurde namentlim von Lessings Seite gepflegt, der es aum nimt unterließ,<br />

gelegentlim die Verdienste der wissensmaftlimen Gehilfin, der<br />

46<br />

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"gedenke Dienstags, den 6. August, in W olfenbüttel anzukommen ...<br />

Mein Aufenthalt in Wolfenbüttel wird 80 lange sein, als es nöthig ist,<br />

mit Rezension der arabischen Manuskripte fertig zu werden. Meine<br />

Frau lässet Euer Wohlgebornen ihre Hochachtung versichern. Sie hauptsächlich<br />

ist an dieser Reise Sehuld. Sie freuet sich darauf, wie ein Kind<br />

auf den heiligen Christ. Sie hat mich bei dem Entschlusse dazu erhalten.<br />

Denn sonst hätten doch wohl manche Dreinfälle mich wankend machen,<br />

und wohl gar davon abbringen können. Gebe Gott Glück zu meiner<br />

Reise, und zu unserer Zusammenkunft!"<br />

Am 10. August 1771 trugen sich die beiden in das alte Gästebuch der<br />

ßibliotheca Augusta ein, und in ernster wissenschaftlicher Arbeit vergingen<br />

die Tage <strong>des</strong> Wolfenbütteler Aufenthalts doch wohl rasch, wenn<br />

auch für Lessing nicht sdmell genug.<br />

Während seines Besuches prüfte und ordnete Reiske die arabischen<br />

Handschriften der Bibliothek. Er tat dies als einen Beweis seiner Dankbarkeit<br />

für mannigfache Unterstünungen, die er in seinen philologischen<br />

Forschungen aus den Schänen der Bibliothek von Lessing erbeten und<br />

erhalten hatte. SdlOn vorher hatte er öffentlich durch Zueignung <strong>des</strong><br />

zur Ostermesse 1771 erschienenen dritten Ban<strong>des</strong> der griechischen Redner<br />

seine Verehrung für Lessing zum Ausdruck gebracht. Vor allem die<br />

in den Antiquarischen Briefen bekundete Liebe zur Literatur der Griechen<br />

und Römer bewunderte der ein wenig schüchterne Gelehrte, der<br />

einmal gesagt hat: "Der Mensch, und insonderheit der gelehrte Mensch,<br />

hat von aller seiner Mühe und Arbeit, die unter der Sonnen ist, nichts<br />

als das Vergnügen zu wissen, daß andere Leute auch davon wissen und<br />

würdige Begriffe haben; das Vergnügen, seinen wohlverdienten Ruhm<br />

aus dem Munde der Wahrheit zu hören."<br />

Außer dem Besuch bei Lessing beabsichtigten die Eheleute, wie erwähnt,<br />

im Anschluß an die Wolfenbüttler Tage einen kurzen Aufenthalt<br />

in Braunschweig bei Ebert zu nehmen. Hier schließen nun die Briefe<br />

an, die der vorliegenden Darstellung als Grundlage dienen und die in<br />

einer rückhaltlosen Offenheit nicht nur den wahren Zustand der Reiskeschen<br />

Ehe, sondern vor allem auch zum erstenmal in ihrer ganzen Tragik<br />

die tiefe, entsagungsvolle Liebe Ernestine Chrislinens zu Lessing ganz<br />

offenbaren - jener Liehe, die in den W olfenbütteler Tagen sich unwiderstehlich<br />

in das Herz einer leidgeprüften Frau senkte. Denn wenn<br />

wir auch nicht wissen, was damals neben der Erledigung der wissensdlaftlichen<br />

Aufgaben zwischen den drei Mensmen besprochen wurde<br />

- das eine steht fest, daß Ernestine Christine beim SdIeiden aus<br />

Wolfenbüttel dort ihr Herz zurü(kließ.<br />

Vielleicht sent das große Vertrauen, das sowohl Reiske wie auch<br />

seine Frau Ebert schenkten, zunächst ein wenig in Erstaunen. Aber die<br />

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Briefe zeigen selbst klar, wie diese Aussprame sich entwickelte, und<br />

wir können heute nur mit besonderer Anteilnahme jene Entwiddung<br />

der Freundschaft Reiske-Ebert vcrfolgen. Gibt sie uns dom glcimzeitig<br />

den weit wesentlicheren Aufschluß über Ernestine Christinens innerste<br />

Stellung zu Lessing und - was menschlidl wohl noch bedeutungsvoller<br />

ist - bringen sie uns ein der Wahrheit näher stehen<strong>des</strong> Charakterbild<br />

der Frau, das die früher üblidlen ironisierenden Betrarotungen ihrer<br />

smmerzvollen Neigung hoffentlich für immer aus den lebensgesdllelttlimen<br />

Darstellungen <strong>des</strong> Dicllters versmwinden läßt. Hatte sie sim<br />

doch einst wahrsdlcinlidl nur aus Mitleid bewogen gesehen, den Ehebund<br />

mit dem so viel älteren Reiske zu schließcn, namdem eine neunjährige<br />

Wartezeit seit seincm ersten Antrag hinter ihr lag. Aus Mitleid<br />

mit dem so oft enttäusdllen Mann, abcr aum aus Mitleid mit ihrer alten<br />

Mutter, der sie in ihrem Hause ein Unterkommen bieten wollte. Eine<br />

solme Ehe konnte natürlim kcin tieferes Glück bringen. Auf die Dauer<br />

yermomte nimts, aum die eifrigste wissenschaftlime Zusammenarbdt<br />

nimt, über ihre Unnatur hinwegzutäuselten: der fast stets von irgendeinem<br />

Leiden geplagte, selbstquälerisdle Fünfziger konnte der frischen<br />

und lebensfrohen Frau von dreißig Jahren kein Lebensgefährte sein,<br />

denn auch Kindersegen - von der Frau immer sminerzlimer vermißt -<br />

blieb den beiden versagt. So war es ein Nebeneinander- und Aneinandervorbeileben.<br />

Alles dies sielt vor Augen zu halten, ist unumgänglich notwendig, um<br />

aus der Kenntnis <strong>des</strong> Lebens, das hinter Ernestine Christine lag, bei<br />

ihrer Begegnung mit Lessing ihre Neigung nicht falsch zu deuten, oder<br />

ihr zum min<strong>des</strong>ten ein aufrichtiges Mitgefühl nimt zu versagen.<br />

Am gleichen Tage, an dem Reiske an Lessing die baldige Ankunft in<br />

Wolfenbüttel meldete, sdlrieb er folgenden Brief an Ebert:<br />

Wohlgebohrner Herr<br />

Hoeltgeehrtester Herr Professor<br />

Mit äußersten Vergnügen ersehe im auß dero Smreiben, daß Sie nicht<br />

nur mit Wohlwollen an mich gedenken sondern auch mit Verlangen lIuf<br />

meine Ankunft warten. Aber werden Sie audl wohl sie erwarten können?<br />

Wenn ich mich noch recht auf das besinnc, was Sie einstens hier<br />

gegen uns erwehnten, so reiscn Sic mit Anfange <strong>des</strong> Augusts nach Harnburg;<br />

und ielt kan vor den 3ten August von hier nieltt abkomen; so<br />

dann werde ielt mich zu erst noch etliene Tage in Wolfenbüttel aufhalten<br />

müßen. So angenehm es mir also seyn würde, meinen Gegenbesum bey<br />

Ihnen in Braunsmweig abzustatten, so ungerne würde im es im Gegentheile<br />

sehen, wenn Sie von Ihrem gewöhnliehen jährlimen Vergnügell,<br />

Ihr geliebtes Vaterland zu sehen, sielt meinetwegen etwas abgehen<br />

ließen. Sellen Sie das darum ja nidlt aus, im bitte. Von Ihrer Zu-<br />

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neigung bin ich darum doch vollkomen überzeugt, wenn im aum dies·<br />

mal das Glück niellt haben solte, Sie zu sprechen; und H. Gäbler kan<br />

die kleiue Geldangelegenheit auf nädlste Mimaelismeße berimtigen.<br />

Dero günstige Meinung von meiner Dedieation ist eine Beruhigung für<br />

den Kumer, der mim dodl manidlmal ein wenig allarmirt hat. Was<br />

Sie, mein homgeehrtester Herr Professor für einen Druckfehler Dem.<br />

T. 11. p.844. ansehen aVV?701J ist die beständige Lesart aller guten<br />

Manuscripte und editionen an besagter Stelle; und ist attice ebenso<br />

viel als avvridsw. Meine Frau versidtert Ew. Wohlgeb. ihrer Homamtung,<br />

und kan sie allenfalls das Vergnügen nidtt haben, Sie zu sprechen (denn<br />

allem Ansehn nadl werden Sie alsdenn in Hamburg seyn,) so freut sie<br />

sich doch, wenigstens mit denen guten Freunden zu Braunsmw. Bekant·<br />

schaft zu machen, deren Zuneigung dero gütige Empfehlung uns ver·<br />

schaft hat. Leben Sie recht wohl und bleiben mir gewogen, der ich<br />

verharre<br />

Leipzig den 17 Jul. 1771.<br />

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Ew. Wohlgebohrnen<br />

ergebenster Diener<br />

Reiske.<br />

In der Tat trafen die Reiskes den Freund Ebert nimt an, der nam<br />

einem Briefe an Lessing in denselben Tagen nam Berlill reiste. "Ent·<br />

sdmldigen Sie mich bei unserm lieben Hrn. Dr. Reiske und seiner<br />

braven Frau, daß im niellt die Ehre haben kann, Ihnen hier bei mir<br />

aufzuwarten." Auch Lessing begab sidI wenige Tage nadI der Abreise<br />

<strong>des</strong> Ehepaars auf die Reise - nadI Hamburg zu der "liebsten Freun·<br />

din" Eva König. Der Besum hatte ihm schon viel zu lange gedauert,<br />

wie er Eva am 2<strong>2.</strong> August smrieb: "Nur erst gestern bin idI meinen<br />

Besuch aus Leipzig losgeworden, der mir fast ein wenig zu lange<br />

dauern wollen, so lieb er mir auch sonst gewesen. Und nun denke iell<br />

an nidlts als an meiue Abreise nam Hamburg ... " Bei diesem Aufenthalt<br />

in Hamburg im Herbst 1771 versprach Eva Lessing, die Seine<br />

zu werden, sobald ihre Vermögensverhältnisse geordnet wären. Wäh.<br />

rend also hier zwei Herzen sidI für immer banden, dadlte Ernestine<br />

Christine Reiske an den gelehrten Verwalter der stillen Wolfenbütteler<br />

Bibliothek in einer von Liehe erfüllten Unruhe. Hatte sie dom dort<br />

einen Mann kennengelernt, der sid! gleidIfalls mit RedIt ein Gelehrter<br />

nennen konnte, der aber voll Will und Laune zugleim ein vollendeter<br />

Weltmann war, und den niellt die EnttäusdlUngen <strong>des</strong> Lehens in Bitter·<br />

keit und Griesgram geführt hatten. Warum sollte sie ihm nimt ihre<br />

Liebe zuwenden, wartend auf den Tag, wo sie gelöst von den drückenden<br />

Fesseln ihres traurigen Ehejoclls vor allen Mensmen sid! ihm zuwenden<br />

durfte ? Weder sie nodl irgend sonst jemand wußte damals ja,<br />

daß Lessing nun Eva König ganz gehörte.<br />

... 51<br />

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lieh. Aber was macht denn unser Leßing? Wo steckt er? Lebt er noch?<br />

Wenigstens hört und sieht man nichts von ihm. Nochmals adieu.<br />

Leipzig<br />

d. 6 Nov. 177<strong>2.</strong><br />

bey lichte.<br />

das dient zur Entsdmldigung<br />

<strong>des</strong> Geschmieres. Sind Sie etwan auch so gestimet, icll meine im umgekehrten<br />

Verstande? DodI das war eine Gewißensfrage, und idI bin<br />

Ihr BeidItvater nicht."<br />

*<br />

" ... Icll las so eLen in Ihrem Y oung, (dieser ist mein steter Gesellschafter<br />

in den Winterabenden) als icll das Vergnügen hatte, Ihren<br />

Brief zu erhalten. Ew. Wohlgeb. haben mir dadurch eine Ehre erwiesen,<br />

die idI nidIt erwartete. Mein Mann wird einen Teil Ihres Schreibens<br />

selbst beantworten, und idI soll seinen Aufsat} nidIt, wie gewöhnlich.<br />

ins Reine schreiben. Daraus argwohne ich viel böses. Dom, im muß es<br />

nur gestehen, im habe sein Geheimniß sdlOn entdeckt, bin aber so gefällig,<br />

midi mit keinem Worte zu rechtfertigen. Kan man von einer<br />

Frau mehr verlangen? Im sehe, er hat mir wenig zu antworten übrig<br />

gelaßen. Ew. Wohlgeboh. besdIämen midi mit Lobsprüchen, die ich<br />

nicht verdiene. Verdient man Lob, wenn man nur seine Pflichten erfüllt?<br />

Wie viele Weiber der Handwerksleute helfen nidlt ihren Männern<br />

arbeiten. Solten nur die Weiber der Gelehrten zum Müßiggange oder<br />

zu unnü!}en Zeitvertreiben bestimmt seyn? ...<br />

Leipzig, den 5. Nov.177<strong>2.</strong>"<br />

Dieser Brief, von einem kurzen Sm reiben Ernestine Christinens begleitet,<br />

in seiner Mismung von Scherz und grollendem Ernst ist der<br />

offenherzige Ausdruck der wahren Stimmung Reiskes üher das Verhältnis<br />

seiner Frau zu einGm anderen - an die falsche Adresse. An die<br />

ridttige, an Lessing, sdlrieb er aber dann dom am 13. Februar 1773 mit<br />

der gleimen Offenheit, namdem er vorher schon einmal im Dezember<br />

1772 berimtet hatte: "Meine Frau denkt oft an Sie und betramtet Ihr<br />

Portrait, ob es Ihnen gleich wenig ähnlim sieht." Je!}t aher legte er<br />

los: "Ihnen ins Ohr gesagt, liehster Lessing, Sie stehen hei meiner<br />

Frau sehr wohl angeschriehen. Sie bekennet es Ihnen ja selber, daß<br />

sie Sie liebet. Was wollen Sie mehr? Ich werde darüber nimt eifersüdltig.<br />

Hier hat es allemal nichts zu bedeuten. Und Sie dürfen nimt<br />

ehen sehr stolz auf diese Zuneigung sein. Das Ding hat Absicllten.<br />

Durm Sie und unter Ihrer Maske lieht sie sidl selber. Eine Hand wäsmt<br />

die andere. Doch vielleidlt thue idl der. guten Frau Unrecht. Vielleimt<br />

hat sie mit dem geringen neuen Dienste ihrer Feder mehr nicht als<br />

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einen ihrer Erkenntlidlkeit für Ihren Weih raum abtragen wollen. Aber,<br />

liebster Freund, ums Himmels willen, wie konnten Sie so über die<br />

Schnur hauen! War das nkht eine wissentliche, vorsälllime Sünde?<br />

Wird nimt jedermann Ihr Kompliment parteilim und übertrieben<br />

sdlelten? Wie konnte der unstreitig und anerkanntermaßen große<br />

Dienst, den die Daeier ihrer Nation durm illloe Uebersellungen erwiesen<br />

hat, unter eine solme Kleinigkeit, deren ganzer Wert auf die Mühe <strong>des</strong><br />

Absmreibens hinausläuft, mit Billigkeit und Rerote erniedrigt werden?<br />

Meine Frau hat freilich, wie leidlt zu denken ist, wider Ihre Flatterien<br />

nichts einzuwenden, im aber dagegen <strong>des</strong>to mehr. Ich habe Ursache<br />

darüber zu zürnen, und auf Sie zu schmählen. Denn Sie verderben und<br />

verführen mir meine Frau. Unangemessene Lohsprüche rücken immer<br />

gerne dem Frauenzimmer den Kopf von der rechten Stelle weg ... "<br />

In der <strong>Folge</strong>zeit sduieb Lessing nur selten an Reiske. Es waren die<br />

Jahre der stets wamsenden Verstimmung, in denen sidl viele seiner<br />

Freunde über seine Smreibfaulheit zu beklagen hatten. Der smon angeführte<br />

ßrief vorn Februar 1773 ist sogar der lebte, den wir von<br />

Reiske an Leasing kennen. Um so wertvoller ist es, daß in die entstehende<br />

Lücke bis zum Tode Reiskes im August 1774 und darüber<br />

hinaus bis zu den wenigen Briefen, clie nam seinem Tode zwismen<br />

Ernestine Christine und Lessing bekannt geworden und bereits veröffentlidlt<br />

sind, nun die ßriefe <strong>des</strong> Ehepaares an Ebert treten können,<br />

die im folgenden wiedergegeben werden. Sie machen im allgemeinen<br />

keine weitere Erläuterung notwendig. Nur auf einen längeren undatierten<br />

Brief <strong>des</strong> Ehepaares sei besonders hingewiesen, der dem Inhalt<br />

nam im April oder Mai 1773 gesduieben wurde, denn er nimmt<br />

ßezug auf die am 18. Mai <strong>des</strong> genannten Jahres vollzogene Ehesdlließung<br />

Eberts mit Luise Gräfe. Klang früher in Reiskes Äußerungen<br />

über die Ehe im Smerzwort nom etwas mit wie eine gewisse Auflehnung,<br />

so zeigt dieser Brief vollständige Resignation. Welcher Untersmied<br />

<strong>des</strong> Temperaments und der Gemütsstimmung bei den Ehegatten<br />

sprimt aum aus diesem Glückwunschschreiben! Ein weiterer ebenfalls<br />

undatierter Brief streift nom einmal in wenigen Sä ben Eberts Vermählung<br />

und wird demnam in den Sommer <strong>des</strong> Jahres 1773 einzureihen<br />

sein .<br />

• . . Vor ein par Tagen überraslnte mich unser Lessing nimt nur mit<br />

einern Smreiben, das seiner werth ist, uncl das mir, so wie alles von ihm<br />

mir ist, und seyn muß smätlbar ist, (wenn nur der gute Mann nimt<br />

anfinge in den kläglimen gellertschen Tone zu singen,) sondern auch<br />

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Professores Schmidt, Eschenburg und Gärtner mitbringt, berichtiget.<br />

Denn für den Herrn Mutlenbacher habe ich ein Exemplar vom 6ten und<br />

7ten Bande durch die Vandenhoeckische Buchhandl. von Göttingen an<br />

H. Hofr. Heyne geschickt, von dem jener beyde Stücken erhalten wird.<br />

Wegen <strong>des</strong> neuen, oder siebenten Ban<strong>des</strong> haben Sie, und Ihre Herren<br />

Consorten, bey mir Credit biß nächste Michaelismeße. Und wollen Sie<br />

auch in Zukunft lieber Postnumeranten, als Praenumeranten seyn, so<br />

will ich mir das auch gefallen laßen. Sie sollen, wenn Ihnen das bequämer<br />

fällt, allemahl ein halb Jahr Credit haben. Freylich frist eine<br />

solche Veränderung, als die ist, die Sie vorhaben, viel Geld. Sie können<br />

leicht denken, daß wir heyde, meine Frau und ich, üher einer so unerwarteten<br />

Zeitung gestu\lt haben. Zu geschehenen Dingen muß man<br />

das beste reden, und alles Gute wünschen. Und das thun wir beyde von<br />

Herzensgrunde, und ich insbesondere wünsche daß Ihre Ehe weit glücklidler<br />

seyn möge, als die meinige ist. Ich will meine Ehe nicht verschreyen.<br />

Ich thäte thöricht, wenn ich das thäte, gesellt auch im hätte<br />

Recht dazu, wie wohl ich mit meinem Lose so ziemlim zufrieden bin,<br />

und Gott danke daß es nimt sdllimmer ausgefallen ist. Allemahl ist<br />

es mir lieb, daß man gut von mir und allem, was mim angeht, denkt<br />

und spridlt, wenn auch der Ruf täusmte, und neben der Wahrheit hinginge.<br />

Dom ist meine Ehe auch was menschlimes. Und Sie wißen daß<br />

nimts in menschlichen Dingen vollkommen ist, sondern alles seine doppelte<br />

Seite hat. überall werde ich Aesopi Strick mit den beyden Enden<br />

gewahr. Bey welchem Zipfel man ihn auch ergreift, so folgt unausbleiblim<br />

der andere jenem nam. Nur daß das Unangenehme weit tiefer<br />

eindringt, und mehr ans Herz greift, als das Angenehme, und daß man<br />

gegen die Wohlthaten Gottes immer fühlloser ist, als gegen seine Züchtigungen.<br />

Der Thurm läßet in der Ferne ganz anders, als man ihn in<br />

der Nähe befindet. Allt>mal ist die Ehe ein hartes Joch, wenigstens<br />

seitdem politische Maaßregeln und die die Natur klammernden Feßdn<br />

der mristl. Religion ihr einen hesmwerlidIen Zwang auferlegt haben,<br />

der das lieblime, das die Natur der Ehe beygelegt hatte, verbittert, ob<br />

er gleim hinwiederum aum das wilde und giftige der natürlimen Ungebundenheit<br />

mildert und in die rechten Sdlranken einsperrt. Es geht<br />

meines Erachtens mit der Ehe, wie mit der Badstube. Wer draußen ist,<br />

will hinein. Wer drinnen ist, will hinaus. Sie wollen in den Bauer.<br />

Nun wohl an denn. Gut Glück dazu. Es gefalle Ihnen allezeit drinnen<br />

wohl. Gebe Gott, daß Sie sich nie wieder hinaussehnen. Es kommt alles<br />

auf einen VersudI an. Man muß in seinem Leben allerley versumen.<br />

Wer nie geliebt hat, das heist, nie berausdIt gewesen ist, der ist gewiß<br />

ein Unmensm. Ob mir gleidI Gott eine Eva zugeführt hat, die damals<br />

an Jahren reif war, und bey der das jugendlime Feuer verflogen war,<br />

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völliges Zutrauen erwerben kan. Gott, warum muß der unglü\kselige<br />

Argwohn den rechtschaffensten Maun hindern, das sanfte Glück der zärtlichen<br />

Freundschaft völlig zu genießen! Nichts ist meinem Charaeter<br />

so wenig gemäß, als Verstellung. Alle meine Bekandte kennen mein<br />

Herz. Nur der stete Gefährte meines Lebens kennt es nicht. Doch Trost<br />

genug für mich, daß ein allsehen<strong>des</strong> Auge alles siehet, daß ein Tag zukünftig<br />

ist, an weldlem Vorurtheile und falsdler Wahn verschwinden,<br />

und wo man nidlt mehr den Sdlmerz erfahren darf, im falschen Lichte<br />

hetrachtet zu werden. Im werde zu ernRthaft! Vergeben Sie mir, Werthester<br />

Herr Professor. Nur noch eine kleine Geschimte will ich Ihnen<br />

erzählen. Ich hatte in meiner Jugend eine Freundin, die wachte einmahl,<br />

von ohngefehr, in der Nacht nach dem Feste der Heil. 3 Könige auf,<br />

und hielt den Mond, der durch ein Astloch im Fensterladen an die<br />

Wand schien, für den Stern der Weisen. Darüber ersmrak sie so sehr,<br />

daß sie aus dem Bette fiel und sim den Kopf besmädigte. Zu ihrem<br />

Schaden ward sie auch noch ausgelacht. Solte Ihnen in Ihrem künftigen<br />

Ehestande einmahl ein Argwohn, eine ei tele Furcht einfallen, so denken<br />

Sie, wenn ich bitten darf, an den Stern der Heil. 3 Könige, und hüten<br />

sich, daß es Ihnen nicht so gehe, wie meiner Freundin ...<br />

* [Sommer 1773]<br />

... Wenigstens diesmal will im mir keinen Wischer von Ihnen hohlen,<br />

nom Ihnen Anlaß geben, sich üher meiner Frau Getuld zu wundern,<br />

und ihre Gefälligkeit zu preisen, oder vielmehr zu mishilligen. Es körnt<br />

bald 80 heraus, als ob Sie mir meine Frau verführen, und gegen mich<br />

verhärten wolten. Kurn, ich will diesmahl Concipisten und Seeretaire<br />

zugleich vorstellen. Halten Sie, wehrtester Freund, es der Kürlje der<br />

Zeit, zumal in der Meße, zu gute, daß ich Ihnen in einem einljigen Aufsane<br />

Concept und Mundirtes zugleich zusmi


eigentümlidl her, und im würde eben so übel dran seyn, wenn idl aum<br />

gleich die Hände in den Smooß legte. So lange also Gott mir Arbeiten<br />

aufgiebt, das ist, Gelegenheiten, meine Gaben anzuwenden, zuweist,<br />

gehorme im dem Befehle meines Herrn willig und unverdroßen, so<br />

lange im kan, und soweit die Kräfte zureimen wollen. Bleibe im auf<br />

der Nase liegen, so habe im es dodl an mir nimt ermangeln laBen. Denn<br />

Leben und Kräfte sind außer unserer Gewalt. Auf unsers Lessings<br />

Hypomonder bin ich freylidl nidlt wohl zu sprechen, so wohl seinetals<br />

meinetwegen. Das ist ein leidiger Kobold, den idl so gerne aus<br />

seinem Schloße, (denn selbst Sdllösser sind vor ihm nicht sicher) als aus<br />

meiner Wohnung wegbannte, wenn idl k(innte. Entzöge er mir bloß<br />

seine Freundschaft, so müste im diese Strafe mit Geduld ertragen. Denn<br />

wer will sich einem aufdrängen, dem man zuwieder ist. Und wer ist Herr<br />

von seiner Neigung, daß er sie an iedermann ohne Unterschied versmenken<br />

könnte? Allein es giebt außer den Verbindungen der Freundsmaft<br />

nodl andere Verllältnisse, die aud! in Ordnung gehalten seyn<br />

wollen ...<br />

Leipzig den 9.May 1774.<br />

Am 14. August 1774 wurde Johann Jacob Reiske von scinen körperlimen<br />

und seelismen Leiden durch den Tod erlöst. Qualvolle Monate<br />

der Krankheit gingen dem Ende voraus und zeigten der in hingehender<br />

treuer Pflege sim verzehrenden Frau, daß ihr kein ehelidles Unglück<br />

erspart bleiben sollte. Fast bram audl sie unter der Last der Pflege<br />

zusammen, vor allem, weil sie Zeugin einer sich bis ins Unerträgliche<br />

steigernden Selbstzergrühelung <strong>des</strong> Unglücklimen sein mußte. Wie sie<br />

selbst mit ihrem Manne gelitten, das sd!rieh Ernestine Christine Reiske<br />

wieder dem Freunde Ebert in Braunsdtweig, der smon vorher durch<br />

die Indiskretion ihres Gatten einen so tiefen Blick in diese Gelehrtenehe<br />

hatte tun können. Die Briefe lauten:<br />

..• Die äußerste Smwäme meiner Gesundheit, hat mim hiß heute ab.<br />

gehalten, an Ew. Wohlgeb. zu schreiben, und sie ist it}t zu einem so<br />

hohen Grad gelangt, daß idl nimt weiß, ob im die vorige Gesundheit<br />

wiedererlangen werde, ob im gleidl den besten Arzt habe, den man sidl<br />

nur wüllsdlen kan, und zu dem im das vollkommenste Zutrauen habe.<br />

So lange, biß mein armer Mann den let}ten Athpm von sim gegeben,<br />

war im gesund, und die blühende Gesundht'it, die sidl stets, bey dem<br />

sehr traurigen Zustande, in dem im war, auf meinem Gesimte zeigte,<br />

set}te alle die mim sahen in Verwunderung. Mein armer Mann prieß es<br />

nom wenig Tage vor seinem Tode als ein Wunder der Güte Gottes, daß<br />

im so gesund geblieben war. Allein gleim in dem Augenblicke seines<br />

Hintrites, waren alle meine Kräfte verschwunden. Alle meine Nerven<br />

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sind äuserst entkräftet. Ich kan den Kopf nicht halten, und kan fast<br />

gar nichts mehr genießen. Dabey werde idl von unaufhörlichen Besudlen<br />

geplagt, und vornehmlidl mit den ewigen Frauenzimmer ßesuchen,<br />

die mich noch töden werden. Und da sonst immer die Zufrieden·<br />

heit, bey allem, was tausend andern unangenehm würde gewesen seyn,<br />

mein von der gütigen Vorsehung zugetheiltes Loß war, so ist int Unzufriedenheit<br />

und ein unwiederstehlicher Hang zur Schwermuth mein<br />

angeketteter Gefiihrte. Vielleicht bleibt mein Misvergnügen in dieser<br />

Wohnung zurück, und Gott gieht mir in meiner neuen, die alte Gemüts·<br />

ruhe wieder. Denn hier in diesem Hause verwunden alle Augenblicke<br />

gewisse traurige Erinnerungen mein Herz von neuen. Mein armer Mann<br />

hatte sdlOn seit beynahe 4 Jahren einen schlimmen Husten. Als wir vor<br />

3 Jahren in ßraunschweig waren, dachte er schon immer daran zu<br />

sterben. Dieser Husten vermehrte sich täglich, und war mit grossen<br />

Schmerzen und Entkräftung begleitet. Er hrauchte keinen Arzt biß er<br />

schon dem Tode nahe war. Endlich als sdlOn keine Hülfe für ihn mehr<br />

war, nahm er den alten H. D. Pohlen, den rechtschaffensten Mann von<br />

der Welt an, der that sein mögliches, kontc aber nidlt vom Tode er·<br />

retten, sondern ward selbst gefährlich krank. Er schickte seinen H. Sohn<br />

den jungen H. Doctor, der Prof. der Botanik vor kurzem geworden, an<br />

seine Stelle, der gleich den ersten Tag sim meines Mannes Zutrauen so<br />

sehr erwarb, als es vielleicht nod. kein Men"ch gehabt hatte. Alles was<br />

ihm dieser verschrieb, verschaffte ihm einige Linderung, und zeigte auch<br />

seine gute Würkung biß zur le1}ten Stunde seines Lebens. Doch sein<br />

übel war unheilbar. Eine neue Lunge konte ihm kein Mensdl wachßen<br />

laßen. Der junge H. D. Pohle hat meinen Mann, auf sein ausdrücklidIes<br />

Verlangen, nach dem Tode öffnen müssen. Er wird mir eine ausführliche<br />

Beschreibung davon geben, wie er alles gefunden, die idI Ihnen<br />

einmahl die Ehre haben werde zuzus('hicken. Im Kopfe ist eine große<br />

Menge Wasser gewesen. Sein Elend war, so lange er lehte, unausspremlim.<br />

Sein Leib ward von unheilharen Krankheiten zerrüttet, und sein<br />

Gemüth von Unzufriedenheit und ängstlimen Einbildungen gefoltert.<br />

Gott, weldle Wonne muß seine Sele denselben Augenblick gefühlt<br />

haben, als sie von den quälenden Banden beEreyet zur Seligkeit gelangte!<br />

Wenn werde idI ihm dahin nachfolgen, wo ich gewiß sein ganzes<br />

Zutrauen das mir hier zu erlangen unmöglim war, haben werde. Wo<br />

nichts die Vereinigung unserer Selen trennen wird.<br />

Alles was noch zum gr. Rednern gehört, ist völlig ausgearbeitet da.<br />

Diese Michaelismesse komt der lOte Band beraus, und nämste Ostermesse<br />

werde· im den II ten und 12 ten aufeinmahl liefern, womit das<br />

ganze Werk beschloßen werden 8011. Im habe den Studenten den mein<br />

Mann abgerichtet hat, zum Coreetor.<br />

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Der Plutarch und der Dionysius werden auch fortgesetit, und mein<br />

Mann hat auch diese noch ganz bearbeitet, ohgleich noch die letite<br />

Durchsicht fehlt. Ich bekomme einige Exemplare von dem Verleger,<br />

und Ew. Wohlgeb. können also auch, die sie verlangen, bey mir haben.<br />

Ist es möglich, so werde ich auch den Libanius und den Aristi<strong>des</strong> zum<br />

Drucke befördern. Doch erstlich wenn ich mit den itiigen Rednern<br />

fertig bin, und auf Subscription. Mit Michael, vielleicht noch eine kurze<br />

Zeit vorher, werde ich in meine neue Wohnung, zum H. D. Pohlen auf<br />

dem neuen Neumargt ziehen. Es ist ein sehr hübsches Logis, und ich<br />

werde daselbst wie im Hause meiner leiblichen Eltern aufgehoben seyn.<br />

Meine gute Mutter, die ich zwey Jahr lang habe entbehren müßen, ist<br />

nun wieder vor einigen Tagen zu mir gekommen, und wird ihr Leben<br />

bey mir beschließen. Allein sie geht schon ins 78. Jahr. Das mindert die<br />

Freude die ich sonst über ihren Besiti haben würde. Haben Sie die<br />

Güte, in meinen Nahmen, dem H. Vicepr. Jerusalem, dem H. Pr. Gärtner,<br />

Schmidt, Eschenburg, Zachariä, und dem H. Pastor Rautenberg<br />

diesen Hintritt bey Gelegenheit bekant zu machen. Ich habe unzählige<br />

Briefe zu schreiben, und meine große Schwachheit vergönnet mir nicht,<br />

nur einen schicklich einzurichten. Vergeben Sie mir also, Mein bester<br />

Herr Professor, mein nachlässiges Schreihen. Oft wird mir ganz schwarz<br />

vor den Augen, und vor wenig Tagen habe ich einen ganzen Tag in<br />

steten Ohnmachten zugebracht. Und tausenderley Dinge habe ich zu<br />

besorgen. Itit muß ich den KataI. von meines seI. Mannes BibI. in Ordnung<br />

bringen, damit er gleich gedruckt und mit der nächsten Messgelegenheit<br />

kan herumgeschickt werden. Denn in der Neujahr Meßesoll<br />

die Auction gehalten werden. Sagen Sie Ihrer lieben Freundin melDe<br />

besten Empfehle und Versicherung meiner Ergebenheit ...<br />

Leipzig, den 28. Aug.I774.<br />

*<br />

Ihre gütige Zusduift erinnerte mich an Dinge, die im so gerne auf<br />

ewig aus meinem Gedächtnis vertilgen mögte, und deren Andenken mir<br />

je<strong>des</strong>mahl Thränen <strong>des</strong> Mitleids, und <strong>des</strong> so lange gewohnten Grames<br />

auspreßt. Mein armer Mann war der elen<strong>des</strong>te, der mitleidwürtigste,<br />

unter allen Mensdlen. Ein von der ersten Jugend an von Krankheiten<br />

durchwühlter Körper. Ein Gemüth, das redlichste, das die Welt je gesehen!<br />

allein, durch den elenden Körper durch unablässiges mühseliges<br />

Arbeiten, durch Sorgen <strong>des</strong> Unterhaltes, und durch die Bosheit nichtswiirdiger<br />

Menschen, niederge!lchlagen, unzufrieden, argwöhnisclI, mistrauism<br />

gemadlt! Keine Art dei! Leidens kan man sim fast denken, die nicht<br />

mein armer Mann entweder am Leibe oder Geiste litt. Und der traurige<br />

Zustand seines Gemüthes raubte ihm noch allen Trost, den er sonst<br />

noch hätte haben können, ja fast alle Erquickung in seiner letiten<br />

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Schwachheit. Gott hat die Quahl gesehen die meine Sele hierbey litt. Ich<br />

that alles was in meinen Kräften stand, mehr konte ich nicht. Er liebte<br />

mich in den ersten Jahren unserer Verbindung inbrünstig. Diese Zärtlichkeit<br />

ward aber in den le1Jten Jahren sehr geschwächt. Seine immer<br />

mehr zunehmende Schwachheit, und der Gedanke, daß er in einer gewissen<br />

Betrachtung keine Frau mehr nöthig habe, machte ihn mit dem<br />

unauflößlichen Bande der Ehe unzufrieden. Es war traurig, daß er<br />

alles in einem flnstern Lichte betrachtete, nur immer von jeder Sache<br />

die smwarze Seite sah. Er glaubte nidlt, daß er eben bey dem elenden<br />

Zustand in dem er war, eine getreue Freundin, eine Wärterin, deren<br />

Pßidlt es war, mit Gedult bey ihm auszuhalten, am aller nothwendigsten<br />

braumte. Der zweyte Gruud sciner Unzufriedenheit mit mir war<br />

dieser. Er hatte, vielleimt aus alzugroßer Zärtlichkeit, mim sehr in<br />

seinen Sduiften gepriesen. Das zog ihm Briefe von Gelehrten zu, die<br />

von mir viel smmeimelhaftes sagten. Anfangs hatte er ein Vergnügen<br />

darüber, endlim aber fleh I ihm der unglücldiche Gedanke ein, Aus·<br />

wärtige, die weder ihn noch mich remt kennten, könten wohl gar glauben,<br />

ich hätte das meiste bey seinen Werken gethan, und er se1Jte nur<br />

den Nahmen vor. Wer, Theuerster Hcrr Professor, hätte sich wohl das<br />

trÄumen lassen! Nun laß er meine Lobsprüme allezeit mit dem äußersten<br />

Verdruß, und nur sein guteil Herz hielt ihn ab, mir die Wirkungen<br />

seines Hasses in ihrer völligen Stärke empfinden zu lassen; und nun<br />

war ihm alles an mir mißfällig. Biß an seinen Todt war ich Tag und<br />

Nacht seine einzige Wärterin, und er sagte mir oft, Gott würde meine<br />

treue Sorgfalt belohnen. Allein kaum hatte er es oft gesagt, als er mir<br />

wieder - - Alle Augenblicke muste ich fürchten daß eine völlige<br />

Raserey - - Nur die zwey letJten Nächte und den letten Tag seines<br />

Lebens, die er in der le1Jten Angst zubramte, hatte im seine ganze Zärtlichkeit<br />

wieder. Da, Am Gott im kan nimt mehr ...<br />

Im bin nun seit Mimael in <strong>des</strong> H. D. Pohlens Hause. Die Wohnung<br />

ist remt hübsch. Doch bin ich traurig! Meine Gesundheit kan ni mt<br />

völlig hergestellt werden, weil das Gemüth nodl immer in gar zu großer<br />

Unruhe ist. Ich bin <strong>des</strong> Lebens müde, hödlst müde. Durch den steten<br />

Umgang mit meinem Manne, da wir Tag und Nacht nicht voneinander<br />

kamen, bin ich zu ungewohnt, einsam zu seyn. Alles komt mir schrecklim<br />

öde vor. Mit meiner guten Mutter kann im nur das aller nothwendigste<br />

spremen, weil sie sehr smwer hört. Bekomme ich einen Brief,<br />

oder lese gel. Zeitungen, oder was sonst etwa vorfällt, so mömte im<br />

gerne mit meinem Manne davon spremen. Denn gehe im oft in Gedanken<br />

in die andere Stube, und suche und weiß nimt was. Dann weine<br />

ich mim wieder einmahl müde. Meinen Bekanten zeige im immer das<br />

gewöhnliche heitere Gesimt, allein daß Herz blutet oft dabey, und die<br />

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haben wird, wir wissen aus den Ebert-Briefen dem Datum nach bestimmt,<br />

daß sie am 14_ Oktober 1774 die hinterlassenen Manuskripte<br />

und sonstigen Papiere Reiskes nach Wolfenbüttel schickte. Lessing war<br />

ja bereit, die von Reiske selbst aufgese\}te eigene Lebensbeschreibung<br />

herauszugeben und zu ergänzen. Daraus ergab sich von selbst Gelegenheit<br />

genug, einen regen Briefwedlsel in Gang zu halten, der auch<br />

anderen Gefühlen Ausdruck zu geben gestattete.<br />

Obwohl wir Näheres über diese Briefe nicht wissen, vor allem nichts<br />

über Lessings Antworten, müssen wir uns zum Verständnis Frau Reiskes<br />

immer wieder daran erinnern, daß die Verbindung Lessings mit Eva<br />

König bis wenige Monate vor der im Oktobp.r 1776 geleierten Hochzeit<br />

selbst für die unter seinen Freunden ein völliges Geheimnis geblieben<br />

ist, die sich sonst rühmen durften, ihm besonders nahezustehen. Andererseits<br />

aber kann es keinem Zweifel unterliegen, daß Ernestine Christine<br />

auch Lessing keineswegs gänzlich gleichgiiltig geblieben ist. Ob seine<br />

Empfindungen jedoch mehr als eine aufrichtige menschliche Teilnahme<br />

für die Witwe <strong>des</strong> in Wahrheit hochverehrten Freun<strong>des</strong> war, wird niemals<br />

mit Sicherheit zu entscheiden sein. Jedenfalls darl diese Frage<br />

unbedenklich einmal aufgeworfen werden, vielleicht liegt in ihr der<br />

Schlüssel zum Verständnis manmer besonders tiefen Depressionen <strong>des</strong><br />

entscheidungsvollen Jahres 1775. Aus einem Briefe Frau Reiskes an<br />

Ebert erfährt man die seither unbekannte Tatsame, daß Lessing, als er<br />

im Frühjahr 1775 auf seiner Reise nach Wien und Italien Leipzig berührte,<br />

auch Ernestine Christine besuchte - eine Tatsache, die <strong>des</strong>halb<br />

überrascht, weil sie weder von Lessing selbst noch in einem Briefe seines<br />

Kreises Erwähnung fand. Statt aller Vermutungen über den Sinn dieses<br />

Besuches soll hier nur der Brief reden, in dem Frau Reiske von ihm<br />

berichtete .<br />

. . . Recht unerwartet und angenehm war mir die Ankunft <strong>des</strong> mir so<br />

sehr theuren Freun<strong>des</strong>. Allein nun ist meine Glückseligkeit wieder aus.<br />

Was hilft mir es nun, daß idl einige Augenblicke höchst selig war? Ich<br />

war es nur, und bin es nicht mehr. Meine Freude, meine herzinnige<br />

Freude war nur ein schöner Traum. Nun bin ich erwadlt, und beweine<br />

die Vergänglichkeit der irdismen Freuden. Den Freund zu sehen, den<br />

man über alles schä\}t, wek-h Entzücken muß nicht ein zärtliches Herz<br />

da fühlen; allein sim auch sogleim wieder von ihm zu trennen, vielleicht<br />

auf immer zu trennen, welcher Smmerz! Was bleibt alsdenn noch übrig?<br />

Nichts als eine smmachtende Sehnsucht nach einem Gute, daR uns auf<br />

immer versagt ist. Wäre es nidlt besser, man haUe die Vortrefflidlkeit<br />

eines Gutes, das man nie besi!ien kan, nimt kennen lernen? Der in den<br />

Karren gespante unglückliche, <strong>des</strong>sen niedrige Geburt und Erziehung<br />

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ihm nie erlaubt hat, sidl einen Begriff von der weimlimen und üppigen<br />

Lebensart der Reimen zu mamen, zieht seinen Karren, und ißt sein<br />

soowarzes Brot, mit sehr geringen Gefühl seines Elen<strong>des</strong>, dahingegen<br />

seinem Nambar die Erinnerung seiner Reiootümer und Ergötllimkeiten,<br />

die er nun auf immer verlohren, weit ärger foldert, als die BesOOwer.<br />

liookeiten die seinem gegenwärtigen Zustande wesentlim sind. Vergeben<br />

Sie, Werthester Herr Professor, meinen Klagen. Sie kennen den Freund,<br />

der sioo meinen Augen nur zeigte, und so gleioo wieder versmwand.<br />

Kan man ihn wohl zu sehr lieben? übersteigt nimt sein Werth alles<br />

was sim nur sooät}bares denken lässt? Dom gnug mein Herz. - Ich<br />

habe hier die Ehre Ew. Wohlgeb. die erstandenen Büooer zuzustellen.<br />

Die moral. Werke von Plutarm hat mein seI. Mann letlIim zwar nimt<br />

von neuen bearbeitet, sie kommen aber aum i\Jt mit heraus, mit bey.<br />

gefügten Anmerkungen von ihm, die er sooon vor einigen Jahren be·<br />

sonders herausgegeben hat. Aus dem DrU(ke <strong>des</strong> Hesiodus wird wohl,<br />

wenigstens itlt, nioots werden.<br />

Warum ist es nötig, daß erstlim ein ganzes Jahr vergeht, ehe im so<br />

glücklim seyn soll, Ew. Wohlgeb. und Ihre Frau Gemahlin zu sehen?<br />

Warum ein Jahr? W olten Sie beyde mir die Ehre erweisen und mim<br />

besumen, warum nimt ehe ein Vierteljahr vergeht? Oder wolten Sie<br />

mir erlauben Ihnen meine Aufwartung zu mamen, warum soll im ein<br />

Jahr warten? So gar, wenn Sie zu mir auf die Freyte kommen wolten,<br />

dürften Sie nimt mehr ein Jahr warten, sondern könten gleidl i\lt<br />

kommen. Denn in Samsen ist man gegen Witwer und Witwen sehr<br />

barmherzig. Die Trauerzeit ist nur ein halb Jahr. Alsdann kan der<br />

Witwer ohne jemanden zufragen, sim wieder ein Weib nehmen. Die<br />

Witwe muß nam 26 Women alles ablegen, was zur eigentliooen Trauer<br />

gehört, dom kann sie sim nom smwarz und weiß kleiden, so lange sie<br />

wiII, und wenn sie 10 Thl. erlegt und an Ei<strong>des</strong>statt versimert, daß sie<br />

nimt in gewissen Umständen ist, kan sie ihren Nacken wieder unter das<br />

Jom beugen. Wenn Sie, mein Werthester Herr Professor, mir nom<br />

einen gewissen Zeitpunkt bestimmten, da Sie mir einen Gevatterbrief<br />

smicken wolten, das ließe sim dom nod. hören, allein mit Ihrem<br />

Jahre, weiß im nimt, was Sie mir da sagen wollen. Grüßen und KüRen<br />

Sie Ihre liebe Frau Gemahlin, in meinem Nahmen, remt herzlim, und<br />

erhalten Sie beyde mir Ihr Wohlwollen.<br />

Leipzig, den 24. Feb. 1775.<br />

Dem H. Pastor Rautenberg und seiner Frau Liebsten bitte mim<br />

bestens zu empfehlen.<br />

Dieser Besum Lessings wird wohl zu einer eingehenden Aussprame ge·<br />

führt haben, wenn sim Ernestine Christine auch zunäoost nom ganz hem·<br />

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Theuerster Herr Professor, nicht einen Augenblick ist mein Herz vom<br />

Grame frey, der hat es ganz und gar in BesitJ genommen. Wie meine<br />

Sele seit einem halben Jahre ist gefoldert worden, ist Gott bekannt. Und<br />

noch itJt - was für Aussicht in die Zukunft! Bald einen kleinen Schimmer<br />

der Hoffnung - Bald Furdlt, wahrscheinlime Furmt - Welme Unruhe!<br />

Meine Gesundheit, die immer so dauerhaft war, die aum nam<br />

meines seI. Freun<strong>des</strong> Tode bald wieder hergestellt ward, fängt itJt an<br />

sehr gesmwämt zu werden. Mein Kopf, meine Augen fühlen die Wirkung<br />

<strong>des</strong> Grames und der Thränen immer mehr und mehr. Wenn wird<br />

mein Herz einmal zur Ruhe kommen? Vielleimt im Grabe! Könte es<br />

nur bald gesmehen!<br />

Ew. Wohlgeb. werden vor ein par Tagen meinen Brief wohl erhalten<br />

haben. Haben Sie den inliegenden weiter befördert? Sie wünsmen mir<br />

eine glücklime Veränderung meines einsamen Lebens. Es ist wahr, verschiedne<br />

Parthieen sind mir schon vorgesmlagen worden. Allein im<br />

smwöre Ihnen bey Gott: Es ist nur einer in der Welt, den ich lieben<br />

kann. Mit dem im das Vieh hüten, und keine Fürstin beneiden wolte.<br />

Doch wie ungeremt handele ich, wenn ich mim dem Kummer und<br />

den herznagenden Sorgen so sehr überlaße, da ein gütiger Gott meine<br />

Leiden sieht. Der Segen meines rechtsmaffenen Mannes, das Gebet<br />

meiner frommen Mutter - solte das alles für mein Wohl ohne Wirkung<br />

seyn? ..<br />

Leipzig den 24. May 1775. *<br />

... Durch Herrn Gäbler werden Ew. Wohlgeb. wohl mein Päckgen erhalten<br />

haben. Hier habe im die Ehre, Ihnen den Plutarm zuzustellen.<br />

Beygehen<strong>des</strong>, haben Sie die Güte, weiter befördern zu laßen. Es wird<br />

wohl auch eine PostkutJsche nam Helm&tädt von Braunsmweig abgehen.<br />

Ich hatte in der Meße Gelegenheit, dahin zu smicken, hatte aber<br />

meinen guten Herrn VeUer gänzlim vergeßen, weil mir der Kopf VOll<br />

ganz andern Dingen voll war, und immer voll ist.<br />

Seit 3 Wodlen bin im lahm gewesen, nun geht ea wieder so ziemlim, aber<br />

sehr langsam. Ich kipte auf der Gaße mit dem Fuße um, und zerriß mir<br />

ein par kleine Adern, die nom nicht redlt fest wieder geheilt sind. Doch<br />

dieser Schade kau geheilt werden! überhaupt bin im gar nicht re mt<br />

gesund, ob idl gleim wie die Gesundheit selbst aussehe. Mein Kopf ist<br />

gar nimts mehr nütJe, da im sonst nie Kopfsmmerzen gehabt habe. In<br />

einer recht toden Einsamkeit lebe ich. Im Winter hatte im oft Frauenzimmerbesuch.<br />

ItJt ist alles in den Gärten, oder geht spazieren. Und im,<br />

im ginge zuweilen auch gerne, nur nimt allein. Wen soll im nun mitnehmen?<br />

Will im Frauenzimmer Gesellsmaft haben, so muß im sie<br />

früh um 9 Uhr schon bestellen laßen. Da weiß im aber nom nicht, ob<br />

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es meine Gesmäfte oder das Wetter erlauben werden, den folgenden<br />

Abend spazieren zu gehen; und also bleibe im stets zu Hause. Mir fehlt<br />

iemand in der Nähe, den im jede Stunde mitnehmen könte. Meine gute<br />

Mutter ist aum nimt mehr bey mir. Sie lebte hier ohne die geringste<br />

freye Luft genießen zu können, welches sie krank mamte. Idl habe sie<br />

also Anverwandten anvertraut; wo sie unter lauter bekannten Leuten<br />

lebt, die ihr alles thun, was sie ihr an den Augen ansehen können, und<br />

ihr so angenehm, als möglich, die Zeit zu vertreiben sumen; da sie auf<br />

der Erde wohnt, und also oft, ohne die Treppe steigen zu dürfen, in<br />

den Garten, am Hause, geführt werden kan. Weil im es so eingeridltet<br />

habe, daß das Leben meiner redlimen Mutter, den Leuten, wo sie ist,<br />

vorteilhaft ist, so kan ich versimert seyn, daß sie bey ihrer Verpßegung<br />

nimts versäumen werden. Und im werde vielleimt, auf diese Weise,<br />

nom einige Jahre so glücklim seyn, eine fromme Mutter zu haben.<br />

Verzeihen Sie meiner Aussmweifung. Man hält sim gar zu gerne bey<br />

einem Gegenstand auf, der uns tröstend ist. Also bin ich nun seit Ostern<br />

in meinem großen Logi!! mit 4 Stuben ganz allein. Mein englismer<br />

Sprammeister ist beynahe der einzige Mensdl, den im die ganze Wome<br />

hindurch spreme. Im habe bißher wohl engl. Büdler gelesen, aber die<br />

remte Pronunciation nimt gewußt. Die lerne im nun von M. Roglern.<br />

Heute bin ich wirklim nur gesmwä!}ig, weil ich für Smwindel fast nimt<br />

aus den Augen sehen kan. Und also müßen Sie mim entsmuldigen,<br />

mein Werthester Herr Professor. Haben Sie die Güte gehabt, den Brief<br />

zu besorgen, den im Ihnen vor 14 Tagen zuzusmicken, mir die Freyheit<br />

nahm? ..<br />

Leipzig den 3. Juni 1775.<br />

N. S. Ist Ihnen nimt bekant, wann man die Rükkunft <strong>des</strong> Durclll.<br />

Prinzen Leopolds aus Italien vermuthet?<br />

Was mag Lessing auf die von Ernestine Christine Reiske nam Italien<br />

gerimteten Briefe geantwortet haben? Wahrsmeinlidl ließ er sie ohne<br />

jede Erwiderung, da er zur selben Zeit kaum seiner Verlobten zu ihrer<br />

Verzweiflung ein paar Worte sandte. Gerade in diesen Monaten ging<br />

das Gerümt von einer bevorstehenden Verbindung zwismen ihm und<br />

Frau Reiske um, wie Boie an Merck am 10. April 1775 smrieb: "Wissen<br />

Sie, daß Lessing vermutlim sim mit Reiskens Witwe verheiraten und in<br />

Hagedorns Stelle nam Dresden kommen wird?" Selbst bis nam Wien<br />

zu Frau Eva drang das Gerede, denn sie fragte am 5. November 1775:<br />

"In Parenthese muß im dom aum fragen, ob die Neuigkeit wahr ist ...<br />

ein gewisser Mann. den Sie leimt erraten werden - heiratet die Wittih<br />

von P. R." Und ein näherer Bekannter Ernestine Christinens, der Straßburger<br />

Professor Johallll Gottlob Schneider, sandte ihr sogar sejne<br />

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Glückwünsme zur bevorstehenden Verlobung, daß sie genötigt war, ihm<br />

im Oktober 1175 zu smreiben: "Sie kommen mit Ihrer Gratulation gar<br />

nimt zu spät, Sie kommen zu zeitig. Leider bin im nom nimts weniger<br />

als glücklim. Im weiß nimt einmal, wo mein Angebeteter itJt ist. Grillen,<br />

lauter Grillen besmäftigen mim itJt. Zur Einsamkeit bin im wahrhaftig<br />

nimt gesmaffen. Das mamt mich smrecklim ängstlim. Viele gutherzige<br />

Männer bieten mir ihre Hand und ihr Herz an. Allein nur der Eine ist<br />

es, den mein Herz verehrt, den im lieben kann und den im nom in den<br />

lebten Augenblicken meines Daseins lieben werde. Und der eine ist entfernt,<br />

vielleimt nom sehr lange, vielleimt auf immer entfernt!"e Gewiß<br />

ist damals aum in Lessings Seele manmes vorgegangen, was ihm den<br />

brieflimen Verkehr mit allen, die ihm nahe standen, fast unmögIim<br />

mamte,' und nimt nur die mangelhafte Postbestellung war an der gehemmten<br />

Verbindung smuld. In je<strong>des</strong> Mensmen Leben gibt es solme<br />

Zeiten der letJten Einsamkeit, die nur allein durmkämpft werden<br />

können. Von den seelismen und aum körperlimen Qualen, die Fran<br />

Reiske in dieser Zeit durmleiden mußte, geben weiter ihre Briefe mitleiderregende<br />

Kunde .<br />

• . . Redlt herzlim wünsme im, daß der Brunnen die beste Wirkung<br />

zu Ew. Wohlgeb. dauerhafter Gesundheit gehabt haben möge. Mir hat<br />

Gott bisher die beste Gesundheit gegeben, allein ohne ein vergnügtes<br />

Herz. Meine Gemütbsrube ist auf immer verlohren. Nimt ein froher<br />

Gedanke komt mehr in mein Herz, das sonst die heiterste Zufriedenheit<br />

bewobnte. Mit Kummer smlafe im ein, und erwame mit Kummer<br />

wieder. Die Vorsehung sdlenkt mir aber fast immer einen solmen gesundten<br />

rubigen Smlaf, der mir eine rechte Arzeney ist, und meine Gesundheit<br />

unterstütJt. Das ist aillo die glücklimste Zeit von meinem<br />

Daseyn, da im meiner selbst ni mt bewußt bin. Wenn werde im auf<br />

immer einsmlafen! Warum im Ew. Wohlgeb. mit meinem Smreiben<br />

besmwerlim bin, muß im Ibnen sagen. Im hofte, bey Gelegenheit der<br />

Meße, etwas von Herrn Lessing zu erfabren; allein nimt ein Wort kan<br />

im erfahren. Ist Ihnen mein Tbeuerster Herr Professor bekant, wo er<br />

sim befindet? Wo er itJt ist? Ob man hoffen kan, daß er bald aus<br />

Italien zurückkömt? so melden Sie mir es, hesmwöre im Sie, mit der<br />

nämsten Post. Immer martert mim der foldernde Gedanke, daß er vielleimt<br />

krank seyn könte! Wenn dom Gott meine Gesundheit, mein<br />

Leben, zum Opfer für seine Gesundbeit, für seine Zufriedenheit, hinnehmen<br />

wolte! Welmer Vortheil für die Welt und für mim!<br />

Den Dionysium hätte im itJt beygelegt, wenn im nimt in etwa 3 Wochen<br />

Ew. Wohlgeb. eine kleine Smrift zuzustellen hätte, die im itJt abdrucken<br />

laße. Im laße also aum den Diony. so lange warten. Vom Plutarmo ist<br />

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diese Meße kein Band herausgekommen. Hcrr Georgi will künftig nur<br />

alle Ostermeßen einen liefern. Ich laße it}t eine noch nie gedrudlte<br />

Rede aus dem Libanio drudlen, um sie meinem Bruder bey seiner<br />

Doctor Promotion zu übergeben. Sonst würde ich nicht daran gedamt<br />

haben, etwas zu edieren, wenn ich nicht gerne meinem Bruder meine<br />

Achtung bezeigen wolte. Er hat mich von meiner Kindheit an in der<br />

Vocal und Instrumental Music, Historie, Geographie und andern diesen<br />

verwandten Wissenschaften, auch ein wenig in der Logic,' Metaphysic.<br />

und was dazu gehört, mit großer Sorgfalt unterrichtet. Wenn ich nur<br />

das meiste davon nicht wieder vergeßen hätte. Nimt ein Stüdc kan im<br />

mehr auf dem Flügel spielen, denn seit dem ich in Leipzig bin, habe im<br />

nim.t weiter daran gedamt. Mein Bruder ist schon 25 Jahre Superintendent,<br />

den so lange ist mein Vater schon tod, hat sim aber bis ilJt, noch<br />

nicht entschließen können Doctor zu werden, ob ihn gleich die Pror.<br />

Theol. zu Wittenberg immer <strong>des</strong>wegen geplagt haben. Nunmehr hat er<br />

sim aber so schnell entschloßen, daß ich Mühe habe, mit meiner Arbeit<br />

fertig zu werden. Das ist nun mein Fehler, den ich nie ablegen kan,<br />

daß ich, wenn im mit Freunden spreme, die ich hochsmälJe, eine ewige<br />

SchwälJerin bin. Verzeihen Sie mir, mein Werthester Herr Professor.<br />

Und nom dazu trage ich meine Gedanken in einer so üblen Schreibart<br />

vor, daß ich dcswegen gedoppelt um Vergebung bitten muß. Allein so<br />

geht' cs mit einem zeriltreueten Gemöthe, mit einem vom Grame ermüdeten<br />

Kopfe .••<br />

Leipzig den 5. Oet. 1775. *<br />

••• Vergebens warte ich drauf ein Wort von Ihnen zu hören. Sind Sie<br />

zornig? Habe ich Sie durch mein schwermüthigcs Schreiben beleidigt?<br />

Vergeben Sie mir nur, mein bester Herr Professor! Nicht ein kläglim<br />

Wort will im Ihnen mehr vorpimpern. Dafür smreiben Sie mir aber<br />

aum bald etwas angenehmes! Im habe Sie aum remt lieb! über diese<br />

Erklärung darf Ihre Frau Gemahlin nicht eifersüchtig werden; denn es<br />

ist eine so unsdlUldige Liebe, als die Liebe einer Nonne. Darf ich Ew.<br />

Wohlgeboren ersumen, heygehende kleine Schrift denen Herren Zachariä,<br />

Eschenburg, Gärtner, Jerusalem, Rautenberg und Conrad Schmidt, nebst<br />

Bezeugung meiner Hochachtung zustellen zu lassen? Daß Sie ein Exemplar<br />

davon, mir zum Andenken, aufhöben, schmeichle ich mir von Ihrer Gewogenheit<br />

hoffen zu können. Den 5ten Band vom Dionys. Halic. erhalten<br />

Ew. Wohlgeb. auch hierbey. Daß vom Plutarmo kein Band fertig<br />

worden, werde ich Ihnen wohl geschrieben haben. Mein Handel mit<br />

den gr. Rednern geht dem Ansehen nach ganz schlecht, denn ich verkaufe<br />

sclten etwas, und habe damit gar nidlt alle Hände voll zu thun:<br />

Und doch, wenn ich nadlrechne, so finde ich, daß ich dom seit meines<br />

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seI. Mannes Ableben, durm diesen Handel über 1500 Thl. ba ar Geld<br />

eingenommen, und auf 800 Thl. nom außen stehen habe, das mir von<br />

Bucllhändlern nämste Ostermeße muß bezahlt werden. Im remne nur<br />

hier das simere. Denn die 580 Thl. die im in Londen an Heydingern zu<br />

fodern habe, sind ganz gewiß verloren. Haben Ew. Wohlgeb. keine<br />

Bckanntsdlaft in Londen? Idl mömte gerne mit einem ehrlimen Bumhändler<br />

daselbst bekant werden, dem im Commissionen anvertrauen<br />

könte. Nom einen sduecklimen Vorrath habe im von Ware. Er beträgt<br />

nodl, nam Abzug <strong>des</strong> Rabats, den im den Bumhändlern gebe, auf<br />

21 000 Thl. Ein hiesiger Bumhändler hat meinen H. Wirth "ersimert,<br />

idt würde nam 4 Jahren kein Blatt mehr vorräthig haben. Es wäre gut<br />

wenn das wahr würde!<br />

Die kleineren Sdlriften meines seI. Mannes habe im um einen sehr<br />

geringen Preis, einem hiesigen Bumhändler, der ein armer Mann, und<br />

neuer Anfänger ist, übergeben. Sie waren smon vor vielen Jahren gedruckt,<br />

und fingen an, ein smledltes Ansehen zu bekommen. Der Mann<br />

hat aber guten Vortheil davon, denn er vertausmt sie bei den Bumhändlern,<br />

gegen andere Samen, und mir bezahlt er nur alle Monat<br />

10 Thl. überhaupt beträgt die Sadle nur 170 ThI. den im habe sie ihm<br />

beynahe wie Maculatur gel aßen und dem guten Manne ist sein ganzer<br />

Laden, der vorher sehr leer war, damit angefüllt worden.<br />

Von der heygehenden Rede, wolte im Ew. Wohlgeb. nur nom ein<br />

Wort sagen. Im smrieb sie, vor einigen Jahren, aus einem Manuscript<br />

ab, und laß sie hernam meinem Manne aus dem Manuscript vor, der<br />

meine Absduift namlaß, und allezeit, wenn er einen Sdueibfehler fand,<br />

der aum im Manuscr. so Lefindlidt war, sie, dazusduieb, damit er,<br />

wenn er diese Rede ordentlim bearbeitete, gewiß wüste, daß der Fehler<br />

nimt mein Versehen sey. So war sie nun geblieben. Im fand also, da im<br />

sie wolte drucken laßen, oft das unglückliche sic, das mir wohl anzeigte,<br />

daß etwas falsm seyn müste, allein nimt, wie es zu verbeßern wäre. Nun<br />

stellen Sie sim, mein bester Herr Professor, eine ehrlime Frau vor, wie<br />

sie da sint, mit einer verlegenen Miene, mit einem Kopfe, der mit ganz<br />

anderen Dingen, als mit der gr. Critik, angefüllt ist, und nun so, auf gut<br />

gerathe wohl, beßert oder verschlimmert, ohne alle Regeln der Critie.<br />

Bloß wie es mir verständlim sdlien, sente im es. üherdem hatte im aum<br />

wenig Zeit drauf zu verwenden. Idl hatte die Doct. Prom. meines Bruders<br />

nur kurz vor der Meße erfahren, und mußte mein Manuscr. nom<br />

vor Ausgange der Meße in die Druckerey smaffen, weil es hieß, die<br />

Prom. würde schon den 26 Oet. vor sid. geht-n. Und in der Meße hatte<br />

im bald diese, bald jene Zerstreuung. Alle diese Umstände werden mim<br />

entsdlUldigen, wenn Ew. Wohlgeb. tausend Fehler finden. Und kan man<br />

den von einer Pfusdterin etwas vollkommenes fodern? Hier habe im<br />

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So ist die Redmung rimtig! Oder haben Sie etwas dagegen einzuwenden?<br />

Das solte mir leid thun. Im habe vor 8 Tagen nam Rom<br />

gesmrieben. Solte der P. smon abgereist seyn, ehe mein Brief ankäme?<br />

Im wünsmte nimt daß er in fremde Hände liehle. Der Hofr. Bianconi<br />

smreibt den 14 Oet. an seine Frau in Dreßden, vor wenig Tagen sey der·<br />

H. B. L. in Rom angekommen und befände sim, so viel er wüste, wohl,<br />

er habe ihn aber nom nimt gespromen, weil er selbst verreist gewesen.<br />

Die guten Rathsmläge die Sie mir geben, können vielleimt jedem andern<br />

Herzen nütlen, nur nimt dem meinigen. Das ist vielleimt ganz<br />

anders als andere gebaut. Gott welm Smicksal! Wie meine Sele unaufhörIim<br />

gefoldert wird, können keine Worte ausdrücken. Wenn es mein<br />

armer Mann sehen könnte! Er würde mir helfen wenn er könte! Er<br />

würde keine Seligkeit genießen, wenn er mim so smre


Bild, und labe mim an einem Kruge Wasser. Und doch, beyalledem, ob<br />

ich gleich 80 philosophism lebe, so weiß ich doch nimt, was mir seit<br />

3 Women an dem einen Fuße fehlt. Es ist unaufhörlim ein Krampf im<br />

Fußblatte. Das ist doch kein Anfang zum Podogra? Das wäre gewiß<br />

eine unverdiente Strafe. überhaupt bin idl seit länger als einem Jahre<br />

mit Krämpfen in allen Gliedern geplagt, die oft so heftig werden, daß<br />

ich gar nicht schlafen, gar nimt eine Viertelstunde auf einer Stelle<br />

liegen kan. Denn nehme idl eine Arzeney ein, die an Häßlimkeit <strong>des</strong><br />

Gesdlmackes und Geruches, alle andern über trift, die versmaft mir<br />

immer eine Zeitlang Linderung. überdem hURte idl seIlOn seit einigen<br />

Women sehr fürchterlieh. Meine Bekante halten ihn für gefährlich. Im<br />

denke aber immer: Unkraut vergeht nicht. Sie müßen nicht denken,<br />

mein bester Herr Profeslolor, daß idt mim aus großer Demuth ein Unkraut<br />

nenne. Nein, die alzugroße Demuth ist ehen mein Fehler nidtt.<br />

Man nennt Unkr'lut ein je<strong>des</strong> Kraut, (oft das beste, das heilsamste) das<br />

an einem Orte wäehßt, wo es niellt stehen solte. In dieser Bctramtung<br />

könte im wohl mit ihm verglimen werden. Noch zur rechten Zeit sehe<br />

ich immer sehr gesund aus, obgleich mein Kopf gar nichts mehr nüne<br />

ist. Und ich glaube, meine gesundte Miene (und vielleicht audl ein wenig<br />

Windmaeherey) lockte mir Freyer herbey. Mehr als ein Dubend haben<br />

mir schon ihre theuern Herzen angebothen. Alte. junge. von der Mittel.<br />

sorte, mit einem Von, ohne Von, mit Titeln, Gelde, Güthern, Gelehrsamkeit,<br />

Ignoranz. Nur die einzige Kleinigkeit fehlt allen, das etwas,<br />

das mir gefallen kann. Ich schicke sie also, ohne mich einen Augenblick<br />

zu besinnen, wieder fort. Fast von allen, ist der Reichthum, das vor·<br />

nehmste Verdienst; und ich habe dom dem Plutus nie ein Opfer gebracht,<br />

bin auch fest entsmloßen, nur der Vesta zu opfern.<br />

Nun wird die Meßarbeit bald zu Ende gehen. Bey meinen ziemlim<br />

vielen Geschäften habe ich audl noch dazu unaufhörlich Besuch von<br />

Verwandten, und Bekanten, von allen Orten her, gehabt. Für beynahe<br />

eiIfhundert Thaler habe im diese Meße von meinen Rednern abgesebt.<br />

Doch ist mir nidlt alles baar bezahlt worden. Viel habe idl verborgt<br />

(doch an sichere Leute), das mir auf Midlael bezahlt wird, und habe auch<br />

statt der Bezahlung viel Bümer angenommen, das aber gute brauchbare<br />

Bümer sind. Bald werde im ein remt aUAgelernter BI](iIhändler seyn,<br />

oder wohl noch gar einen Buchhändler heurathen. Dom nein das mag<br />

ich aum nicht! Eine recht auserIeBene Bibliothek kan ich mir bey dieser<br />

Gelegenheit anschaffen. Ibt besteht meine Bibliothek aus ohngefähr<br />

900 Büchern; darunter sind aber viele, die idl niellt haben mag; die kan<br />

ich wcgthun, und mir dafür wählen, was idI haben will. Auch Ew.<br />

Wohlgeb. haben itJt die Güte gehabt, meine BibI. zu vermehren. IdI<br />

danke Ihnen dafür aufs vcrpfliellteste. So unzählige mahle im auch<br />

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vergebens nam ihr gesmmamtet! Nnn fängt sim das so lange gefolterte<br />

Herz an zu stillen, nun fängt es wieder an, eim den Smöpfer, als einen<br />

gütigen Vater zu denken.<br />

Leipzig den 13. Jan. 1777.<br />

N. S. Beygehenden Brief bitte gütigst auf die Post geben zu laBen.<br />

Im habe vorige Woche, dringender Angelegenheiten wegen, zwey mahl<br />

an den H. Hofrath Lessing geschrieben. Ist er wieder zu Hause, so wird<br />

er mir ganz gewiß ohne Verzug antworten. Ist er aber noch in Mannheim,<br />

so fürmte im, meine Briefe werden viellcimt in lüdrime Hände<br />

gerathen seyn und er wird sie gar nimt erhalten. Solte unser Freund<br />

also nom nimt zu Hause seyn, und so bald nom nimt vermuthet werden,<br />

so haben Sie dom die Güte, und melden mir das, mit einem Worte.<br />

*<br />

•.• Eine wichtige Angelegenheit nöthiget mim, an unsern gemeinsmaftlichen<br />

Freund zu schreiben. Er sm rieb mir, ein par Tage vor<br />

seiner Abreise nam Mannheim, wenn er aber zurü


Auf die beiden Briefe hatte lessing elmge Tage vor seiner Abreise<br />

nam Mannheim offenbar in dem Sinne geantwortet, daß er nach<br />

seiner Rüd..kehr alles in Ordnung bringen werde. Vielleicht stellte<br />

er audl die baldige VeröffentlidlUng der Lebeniigesmimte Reiskcs in<br />

Aussimt in der smon immer geplanten dreibändigen Ausgabe "auf Pränumeration",<br />

so wie es Frau Reiske ihrem Freunde J. G. Smneider am<br />

5. März 1777 angekündigt hatte: "Vollständiger, besser und smöner ist<br />

gewiß noch keines Gelehrten Leben besmrieben worden, als dieses werden<br />

wird. - Warten Sie nimt schon mit Verlangen darauf?"<br />

Die Mannheimer Reise zog sim über den ganzen Februar hin und<br />

brachte J.essing erst Anfang März wieder nach Hause. Deshalb konnte<br />

er erst mit einem Brief vom 27. März antworten, nadldem die ungeduldige<br />

Frau nodl zweimal gemahnt hatte. Lessing freute sich vor allem,<br />

in Ernestine Christinens Bricfen "einen Strahl von Hoffnung zu finden,<br />

sie nun bald recht ruhig und zufrieden zu wissen". An dem Plan der<br />

Lebensbeschreibung hielt er nach wie vor fcst und warnte vor einem<br />

übereilten Verkauf. Er sdlloß mit der Bitte "sdtreiben Sie bald wieder".<br />

Eine Lüd..e in den Briefen an Ebert, die zwismen den Smreiben vom<br />

14. Februar 1777 und vom 5. April 1779 liegt, hindert leider, von hier<br />

neue Aufsmlüsse über den Fortgang der Korrespondenz zu gewinnen.<br />

Aus dem letlterhaltehen Briefe Lessings an Ernestine Christine vom<br />

18. Dezember 1777 ergibt sim, daß allmählim ein die alte Freundsmaft<br />

stark gefährdender kränkender Ton in ihren Schreiben aufkam 7 • über<br />

seine Absimt, die Lebensbesdlreibung herauszugeben, sagt LeRsings Dezembersmreiben<br />

bitter: "Aber ich will lieber von diesem Vorhaben ganz<br />

absehen, als mir von Ihnen nom einen solchen Brief 7uziehen, wie der<br />

letste. Ob Ihr Vertrauen auf meine Remtschaffenheit Torheit war, kann<br />

im nimt sagen. Aber meine Remtsmaffenheit soll simerlidl zu allen<br />

Zeiten und in allen Stüd..en Rechtschaffenheit bleiben: <strong>des</strong> bin im<br />

gewiß ... Indeß, meine Freundin - denn so will idl Sie doch nom<br />

immer nennen - trotz Ihrer sidl so hesmeiden zurückziehenden Titulatur<br />

<strong>des</strong> Hofrats - wenn es Ihnen smeinen sollte, als ob im aufgebramt<br />

sei, als ob im diese Gelegenheit ergreifen wollte, mit Ihnen<br />

zu bremen: so irren Sie wiederum in mir. - Wenn wir von dieser Seite,<br />

von der im sehr bedaure, daß jemals zwismen uns die Rede davon gewesen,<br />

mit einander in Ridltigkeit sind: so wird es nur von Ihnen abhangen,<br />

ob im nodl künftig eine Stelle unter Ihren Freunden huben<br />

soll."<br />

Obwohl der Verkauf der arabismen und griechismen Manuskripte aus<br />

Reiskes Namlaß an den Kammerherrn P. F. Suhm in Kopenhagen erst<br />

im Mai 1779 abgesmlossen wurde, smeinen die entsdleidenden Verhandlungen<br />

während <strong>des</strong> Jahres 1777 geführt worden zu sein. Vielleieht<br />

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Sie recht wohl, küßen Sie Ihre<br />

bleiben Sie mir gewogen .••<br />

Dresden, den 20. Nov.1780.<br />

beste Freundin in meinem Namen, und<br />

*<br />

•.. ItJt würde ich Ihnen nicht schon wieder beschwerlich seyn, wenn<br />

mich nicht die Besorgniß, daß Ew. Wohlgeb. vielleicht einem Kaufmann<br />

ein Päckgen an mich könten mitl;egeben haben, der cs zu bcstcllen ver·<br />

geßen, beunruhigte. Der Herr Kammerherr von Kuntsch haben vor<br />

kurzem selbst an den Herrn von Egidy geschrieben. Wir sind dadurch<br />

belehrt worden, daß der Pacht erstlich zu Johann angetreten werden<br />

kan, haben aber nachher alle Tage gehofft, durch Ihre Gütigkeit den<br />

Pachtcontrakt zu erhalten.<br />

Solte mit Bestellung <strong>des</strong> Päckgens ein Versehen in Leipzig vor·<br />

gegangen seyn, so bitte gehorsamst, mir davon, ohne Vcrzug, Nachricht<br />

zu geben. Halten aber andere Umstände, die übcrsendung <strong>des</strong> Pacht·<br />

anschlages auf, 80 wollen wir uns gerne gedulden, bis die Zeit komt,<br />

da wir ihn erhalten können.<br />

Den Brief <strong>des</strong> Herrn von Egidy nebst den Anlagen haben Sie doch<br />

wohl erhalten?<br />

Ich wünsche mit jeden Tage mehr, daß die Sache, die ganz nach<br />

meincm Sinne ist, zu Stande kommen möge.<br />

Mein Freund empfiehlt eich Ihnen, und nebst mir, Dero lieben Frau<br />

Gemahlin bestens.<br />

Dresden den 19. Jan.1781.<br />

Am 15. Februar 1781 schloß Gotthold Ephraim Lessing die Augen<br />

für immer. Da fügte es sich scltsam, daß kurz vorher auch Ernestine<br />

Christinens Mutter, an der sie stets mit großer Zärtlichkeit gehangen,<br />

aus diesem Leben abgerufen wurde. Der Tod der beiden ihr so nahe·<br />

stehenden Menschen gab ihr Gelegenheit zu einem Freundschaftsbriefe<br />

an Ebert, menschlich ungemein sympathisch und so ganz weiblich, ihr<br />

wahrhaft vornehmes Denken offenbarend .<br />

• •. Meine fromme Mutter, deren' immcr mehr zunehmende Schwach·<br />

heit, mich seit ein paar Jahren in steter Angst und Kummer hielt, -<br />

da ich 80 oft wünschte, daß es möglich wäre, das schmerzhafte <strong>des</strong> To<strong>des</strong><br />

für sie zu leiden, entschlief, zu meinem Troste, vor einigen Monaten,<br />

sanft. Ohne Schmerzen, nur entkräftet, (beynahe 84 Jahr alt,) lag sie,.<br />

bey völligem Verstande, im Bette; sprach mit Freunden, die sie besuch·<br />

ten, heiter, von ihrem Abschiede aus .der Welt - lächelte gegen einige<br />

Kinder, die ihr die Hand streichelten, und erwiderte ihre Liebkosungen<br />

bethete drauf, als die sie verIaßen hatten, heimlich - wandte eidl<br />

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Im habe noch: Picturae Etruscorum in Vasculis - Romae 1767.<br />

3. Vol. in Fol.<br />

Es kostet mich, mit der Fracht von Rom, beynahe 100 Thl. für mich ist<br />

es so wenig braumbar, als für den H. v. Egidy. Ew. Wohlgeb. kennen<br />

ohne Zweifel den Bibliothekarius zu Wolfenbüttel. Dürfte ich so hey<br />

seyn, Sie zu ersumen, ihn zu fragen, ob er dieses Werk für 65, aum<br />

allenfalls für 60 Thl. haben wolte. So ganz ausgemahIt, wie dieses Exemplar<br />

ist, findet man vielleimt wenige in Deutsmland. Selbst die Dresdner<br />

ßibl. hat nur eins, wo bloß der erste Band ausgemahIt ist. Für die<br />

Herz. Gothaische Bibliothek habe ich auch ein ganz ausgemabItes versmrieben<br />

..•<br />

Der Herr von Egidy empfiehlt sim Ihnen, mein bester Herr Hofrath,<br />

und nebst mir Ihrer liehen Frau Gemahlin ergebenst. Das smrecldime<br />

Regenwetter, und Viehsterben in der Nähe, machen für den Landwirth<br />

sehr fürchterliche Aussimten ...<br />

Bornum, den 2<strong>2.</strong> Oet. 1781.<br />

Fünf Jahre später mußte Frau Reiske sogar Lessings Amtsnamfolger,<br />

den Bibliothekar Ernst Theodor Langer in W olfenbüttcl, um Rücksendung<br />

ihres Porträts bitten: "Es ist unter andern Porträten an einer<br />

Rose am Kopfe und einer Art von dunkelgelben Kleidung kennbar."<br />

Ihre Briefe waren ihr zwar im Februar 1782 ausgeliefert worden, also<br />

ein Jahr nam Lessings Tode, sie mußte sie aber selbst beim Advokaten<br />

abholen.<br />

Neben den Gesmäften der Landwirtsmaft besorgte in den kommenden<br />

Jahren Ernestine Christine in trefTlimer Weise die Verwaltung und<br />

Herausgabe <strong>des</strong> literarismen Namlasses ihres Mannes. Nom zu Leb·<br />

zeiten Lessings hatte sie hiermit begonnen, vor allem durch Vollendung<br />

der von ihm vorbereiteten Ausgabe der griemischen Redner, ohne freilich<br />

den vorliegenden Aufgaben immer ganz gewamsen zu sein. Be-'<br />

sonders veröffentlimte sie aum übersellungen und erfreute sim nam<br />

wie vor wegen ihrer Gelehrsamkeit eines großen Ansehens. Die von<br />

ihr erhaltenen, sm on länger bekannten Briefe besmäftigen sim fast<br />

aussmließlim mit ihren gelehrten Interessen. Die Zeitgenossen verfolgten<br />

sie häßlimerweise aber aum bis in ihre Abgeschiedenheit mit<br />

Klatsm, indem man das Verhältnis zu dem Pflegesohn mißdeutete.<br />

Dabei war es ihr einziger Wunsm, recht bald eine gute Tochter für den<br />

lieben Sohn zu finden, der freilich erst 1789 in Erfüllung ging. Besonders<br />

bedauerlich ist, daß die Verzerrung ihres wahren Charakterbil<strong>des</strong><br />

auch in die Lessing·Biographie eingedrungen ist durch Erich Schmidts<br />

Schuld, der auf Grund eines klatsdlsüchtigen Briefes von Schnurrer in<br />

Tübingen an Schweighäuser vom 4. August 1782 und einer ungenauen<br />

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sagen soll, so glaube im gewiß, daß sie Ihnen gewogen ist, allein nimt<br />

so, daß man das Liebe nennen könnte. Wären Sie D. in E. geworden,<br />

so würde sie Ihnen ihre Hand olme Smwierigkeit gegeben haben, weil<br />

ihre Eltern es gewünsdlt hätten, und weil sie dadurm bey deu ihrigen<br />

in der Nähe hätte bleiben können - allein nimt innige Liebe zu Ihnen,<br />

sondern bloß die zufälligen Umstände hätten Ihnen ihren Besi\j erworben<br />

- und im weiß nimt, ob das für ein Herz, als das Ihrige ist,<br />

Befriedigung seyn könnte. Der weise D. in F .•. hat ihr nie misfallen,<br />

ob sie gleim ebensowenig in ihn verliebt ist - er ist aber abgesmmackt,<br />

hasenhaftig, läppism und seufzt nimt wie Sie - und man sagt, er wird<br />

jebt Pastor werden. - Was aus Ihnen werden wird, weiß man nom nimt.<br />

- Kurz, dieser unbärtige Seelsorger smeint nimt unglückliro zu seyn.<br />

Glauben Sie mirs, mein bester Herr Vetter, daß ich Sie herzlich beklage<br />

- idl weiß es, welme Seelenqual man leidet, wenn man den<br />

Grund seiner ganzen Zufriedenheit auf eine Person bauet, die von der<br />

wahren innigen Zärtlimkeit keinen Begriff hat oder uns einem andern<br />

namse\jt.<br />

Allein, mein bester Herr Vetter, nidtt die Vorsehung mamt uns unglücklidt,<br />

sondern wir selbst. So bald uns etwas gefällt, madlen wir es<br />

zu unserem Göben - unsere Phantasie dimtet ihm Eigensdlaften an,<br />

die er nidlt hat, und endlidt mamen wir, durdt ein stetes Denken an<br />

ihn, daß sidl unsere Seele so an den Gedanken von ihm gewöhnt, daß<br />

wir nur für ihn athmen. Wenn man gleidt bey dem ersten Eindrucke<br />

auf seiner Hut wäre, ihm nimt nadthinge - erwägte, daß vielleimt das,<br />

was uns sehr liebenswürdig sdteint, es nidtt in der Tat ist - daß nodt<br />

andere ihm ähnliro seyn - ihn übertreffen können - wenn wir unser<br />

Sdücksul mit Zuversidtt einer höheren Weißheit empföhlen - nidtts<br />

ausdrücklidt bestimmten - so könnten wir manmen Kummer sparen.<br />

Denn oft lernen wir endlim, nam vielem Grame einsehen, daß es Gott<br />

beBer mit uns meinte, als wir durm unser Unglück verdienten - und<br />

wir danken ihm oft, daß er uns das nimt gab, was wir so ängstlidt<br />

verlangten. - -<br />

Ich würde eine meinem Herzen sehr selten gewordene Freude empfinden,<br />

wenn idt etwas zu Ihrer Cur bey tragen könnte. Seyn Sie versimert,<br />

mein bester Herr Vetter, im leide mit Ihnen, denn im stelle mir<br />

Ihren Zustand auEs lebhafteste vor. Ein zu zärtlimes Herz ist das traurigste<br />

Gesmenk <strong>des</strong> Himmels - das hat mein ganzes Leben freudenloß<br />

gemacht und wird bis ins Grab die Quelle immerwährender Leiden für<br />

mim seyn.<br />

Kämpfen Sie ja wider diesen Feind in Ihrem Busen. Nur die Gottheit<br />

verdient die ganze Inbrunst unserer Liebe. Mensmen verdienen<br />

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elohnen sie nicht. Mit welcher inniger Zärtlidlkeit wird nidtt oft die<br />

Coquette oder herrschsüchtige Frau gelieht, der aussdtweifende Ungetreue,<br />

oder häuslidte Tyrann gelieht - dahingegen das empfindsame<br />

zärtlidte Mädgen, die getreue gute Frau, der edelliehende Jüngling, der<br />

remtsmaffene Ehemann veramtet, verspottet, betrogen oder sclavism behandelt<br />

wird. Bekämpfen Sie Ihr Herz, hängen Sie nidtt zu zärtlidten<br />

Vorstellungen nadt - selbst Romane dürfen Sie int nicht lesen; ihr<br />

Gift sdtlcicht sich unvermerkt ins Herz. Den Siegwart, Werther und<br />

alle cmpfindsamc Licbcsgesmidtte werfen Sie weg. Allc Gedidtte, die<br />

Lcidcnsdtaft erregen können, vermeiden Sie i!}t. Zerstreuen Sie sich,<br />

liebster Herr Vetter, zerstreuen Sie Ihre Gedanken, laßen Sie sie nie<br />

lange bey E. verweilen. Sie zu sehen, würde Ihnen vielleidtt nimt heilsam<br />

seyn. Ein freundlidt Gesicht, ein Wort von gar keiner Bcdeutung,<br />

dem man aber viel Bedeutung giebt, kann alle Vorsä!}e zu nichte madten.<br />

So finde idt audt in den Briefen dieses Mädgens nidtts, das nicht ein<br />

jcdcs Mädgcn an scinen Vetter schreiben könnte. Bloß Ihre Liebe hat<br />

allcs anders ausgelegt. Sie sind alle sehr kalt, gar nicht schicklidl, Antworten<br />

auf die Ihrigen, die gewiß ganz Gefühl werden gewesen seyn,<br />

abzugeben. In einigen, sonderlich in 7 und 8, scheint mir viel Eingebung<br />

vom Vater zu seyn - es ist seine Art zu spredten. - -<br />

Das Mädgen ist nicht lasterhaft - allein nidtt für ein zärtlich Gefühl<br />

gesdtaffen - nicht äußerst delicat. Kurz sie ist jung, unerfahren, eitel,<br />

cin wcnig leidttsinnig.<br />

Wie Ihre Liebe entstanden ist, das ist sehr natürlidl; idt tadele Sie,<br />

mein bester Herr Vetter, gar nicht. Ich bitte Sie aber nochmals, um<br />

Ihrer eigenen Gemüthsruhe willen, ziehen Sie Ihre Gedanken von dem<br />

Mädgen ab. Nehmen Sie ein wenig Stolz zur Hülfe. Glauben Sie nur,<br />

daß ein fühlloses Herz, das sidt bloß· dem Zufalle hingiebt, Ihrer unwürdig<br />

ist. - -<br />

So viel ist audt gewiß, Sie sind dem Mädgen nidlt lustig genug. Denn<br />

Sie, mein lieber Herr Vetter, verlaßen nie, wenn Sie aufgeräumt sind,<br />

die gesunde Vernunft; das muß aber nidtt seyn - bey Mädgen von so<br />

eitler Denkungsart, müßen Poßen seyn, worüber kein vernünftiger<br />

Mensch lachen kann. Drum trifft M. M ... den rechten Ton beßer und<br />

sein Umgang ist angenehmer.<br />

überhaupt besdtwöre ich Sie, um Ihrer eigenen Glückseligkeit willen,<br />

an Ihr Herz zu arbeiten und den starken Hang zur Zärtlidlkeit zu bezähmen.<br />

Ein zu zärtlidtes, zu mensdlenfreundliches, zu edeldenken<strong>des</strong><br />

Herz ist das Spiel aller. mit denen es zu thun hat. Nicht nur die feurigste<br />

Liebe eines soldten Herzens wird am wenigsten belohnt, sondern<br />

selbst in der bloßen Freundsdtaft - wie oft ist ein Freund zu finden,<br />

der den ganzen Werth eines soldten Herzens einsehen kann? der emp-<br />

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Tage gefährlicher werden mußte. - Niemand kann sich von Ihrem Lei·<br />

den eine wahre Vorstellung machen, als der es selbst empfunden hat.<br />

Mein Herz hat sehr geblutet, bester Herr Vetter - ich kann mir Ihren<br />

Schmerz in seinem ganzen Umfange denken. Könnte ich etwas zu Ihrer<br />

Genesung bey tragen! Entfernung, mein werthester Herr Vetter, wird<br />

Ihnen heilsam seyn - auch Entfernung der Gedanken von dem Mädgen.<br />

Suchen Sie Ihre Gedanken so sehr als möglich ist, zu zerstreuen, und<br />

denken Sie sich nicht Vollkommenheiten, von welchen bloß Ihre Liebe<br />

die Erfinderin ist. So viel ist gewiß, Sie werden nicht geliebt. Können<br />

Sie sich wohl noch von dem Verstande und der Denkungsart eines Mäd·<br />

gens einen hohen Begriff madIen, die fähig ist, Ihnen den H. M. M. vor·<br />

zuziehen? und das noch dazu nidIt auf Zureden, sondern zur Unzufrie·<br />

denheit <strong>des</strong> Vaters - ja die sim mit dem nichtswürdigsten Kerl ver·<br />

heurathen würde, wenn sie nur mit ihm an einem Orte leben könnte,<br />

wo sie Staat machen und allerley Lustbarkeiten genießen könnte. - -<br />

Glauben Sie es, es ist das Erbarmen <strong>des</strong> Schöpfers, wenn er uns das<br />

entreißt, was uns elend gemacht haben würde - er hält unsere Schick·<br />

aale in Vaterhänden. - -<br />

In Einsamkeit starb Ernestine Christine Reiske am 27. Juli 1798 in<br />

ihrer Vaterstadt Kemberg. Wie es erst der späteren Forschung zur Ge·<br />

8chidtte der Philologie vorbehalten blicb, Johann Jacob Reiskes Ver·<br />

dienste und Leistungen voll zu würdigen, so können wir jent erst, nam<br />

Kenntnis <strong>des</strong> oben mitgeteilten Materials, uns ein begründetes Urteil<br />

über Ernestine Christinens Charakter und Wesen gestatten. Es kann nur<br />

dahin lauten, daß ihr unter den Frauengestalten <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts<br />

eine besondere Stelle gebührt. Eine anmutige und geistreiche Frau,<br />

blieb sie bei all ihren großen Geistesgaben immer ganz Frau. alle Zeit<br />

heiter, hilfsbereit und aufopferungsfähig. Auch die schmerzlichste,<br />

schwerste Enttäuschung ihres Lebens zeigt diese bei aller Leidenschaft<br />

edle Menschlichkeit. Darum darf sie auch in der Lebensgeschidltc Gott·<br />

hold Ephraim Lessings nidit vergessen werden, aber nur in diesem ihn<br />

und sie gleich ehrenden Lichte.<br />

Anmerkungen / t Johann Jacob Reiskes Briefe, hrsg. von Richard Förster, Leipzig<br />

1897 und Nachtrag Leipzig 1917, in den .. Abhandlungen d. Säd18. Ges. d. Wiss.", Phi!.<br />

hiat. Kl. <strong>Bd</strong>. 16 u. 34. Förster bemerkt in dem Nachtrag, daß nach seiner Annahme<br />

"wenigstens nichts Wesentliches mehr von Briefen Reiskes und der von ihm unzer·<br />

trennlichen Reiskin im Verborgenen sleckt". Wie wenig zntreffend diese Annahme war,<br />

wird nicht nur der vorliegende Aufsatz beweisen, sondern man vergleiche auch die<br />

Besprechung <strong>des</strong> Namtrags von B. A. Müller (Hamburg) in der Berliner Philolog.<br />

Wochenschr.1919, Nr.16 u.17, wo sehr wichtige Ergänzungen nachgewiesen werden.<br />

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2 Vgl. den später in anderem Zusammenhang erwähnten Brief L.s an den Bruder<br />

Theophilus vom 8. Dezember 1774: ,.Du wirst nämlich wissen, daß der jüngst verstorbene<br />

Prof. Reiske in Leipzig mein sehr guter Freund war."<br />

3 Vgl. Allgern. Deutsche Biogr. <strong>Bd</strong>.28, S. 129 fI. und Neue Jahrbücher f. Pädagogik,<br />

1916, S. 449 fI. und die an beiden Orten angegehene Literatur.<br />

4 Die Originale der Briefe gehören zur sogen. Autographen - Sammlung Vieweg in<br />

der Herzog· August· Bibliothek in W olfenbüttel. V gl. über die Sammlung die Einleitung<br />

zu meinem Aufsatz "Lnveröffentlichte Briefe an Johann Arnold Ebert in Braunschweig".<br />

Euphorion <strong>Bd</strong>.27, 1926, S. 33 ff. - Für einen weiteren Kreis habe ich unter Wiedergabe<br />

von Zitaten aus den Briefen zusammenhängend über das gleiche Thema beridltet:<br />

"Ernestine Christine Reiske und Gotthold Ephraim Lessing" in "Westermanns Monatsheften",<br />

71. Jahrg., 1926/27. Nachstehend sind die Briefe fast vollständig abgedruckt,<br />

nur unter Weglassung von solchen Einzelheiten, die nicht zum Thema gehören, und der<br />

Höflichkeitsfloskeln. Eindeutige Scltreibfehler sind verhessert. Ein vollständiger, philologisch<br />

getreuer Abdruck als dringend notwendige Ergänzung zu Försters Nachtrag müßte<br />

zusammen mit anderem in meiner Hand befindlichen, hier nidlt her gehörigen Briefmaterial<br />

und dem eben erwähnten von B. A. Müller und etwa noch anderen beigebrachten<br />

an anderer Stelle erfolgen. Mit der SädlS. Akademie der Wissensch. darüber<br />

geführte Verhandlungen verliefen ergehni.los. _ Ferner habe ich die Briefe in Lessiags<br />

Briefwechsel eingeordnet nach der kritischen Gesamtausgabe Lessings von Lachmann­<br />

Muncker in dem Aufsatz "VersdlOllene und bisher unbekannte Briefe von und an Gotthold<br />

Ephraim Lessing" im "Lessing-Buch", Berlin 1926, S. 1 ff.<br />

6 Zur Geschichte der Familie Müller vgl. Felix Müller. "Kachrichten über die Familie<br />

Müller vonn der Neustadt aufI der Heide", Berlin 1911.<br />

6 Vgl. aum den Brief Gehlen in Wien an Kieolai vom 15. Juli 1775 (bei Biedermann,<br />

Lessings Gesprädte S. 168).<br />

7 Zum ersten Male veröffentlicht von Reirtbnrd Buchwald : "Lessing und Ernestine<br />

Christine Reis!


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Lessing und Ludwig Timotheus Spittler /<br />

Von Wilhelm Herse<br />

Lessing ist nach allen Zeugnissen einer unserer gedanken- und wiB'<br />

reichsten Unterhalter gewesen; aber abgesehen von dem berühmten<br />

Spinozagespräch, das Jacobi überliefert hat, ist von seinen Unterredungen<br />

fast nidltB, audl nur im ungefähren Wortlaut, festgehalten_ Lessing<br />

hat keinen Eckermann, keinen Kanzler Müller, Riemer, Soret, Falk gefunden.<br />

Wenn es nodl eines Beweises dafür bedurfte, wurde er durch die<br />

sorgsame und verdienstvolle Sammlung von Gotthold Ephraim Lessings<br />

Gespräehen, (Iie Flodoard Frh. v. Biedermann 1924 veranstaltete, erbracht:<br />

im Vergleich mit seinem Vorbilde, dem Goethe-Gesprächswerk Waldemar<br />

v. Biedermanns, zeigt dies Buch am eindringlichsten, wie stiefmütterlidl<br />

das Schicksal auch hierin Lessing behandelt hat. Diese beklagenswerte<br />

Lage der überlieferung wird den Versuch rechtfertigen, den Inhalt LessingsdlCr<br />

Gesprädle, von denen wir lediglidl wissen, daß sie stattgefunden<br />

haben, vorsidltig zu ersdlließen.<br />

Offenhar hat Lessing solche Gt-sprädle mit dem jungen Tübinger Uagister<br />

geführt, der im Fl'ühjahr 1777 mehrere Wo ehen in Wolfenbünel<br />

verweilte. Ludwig Timotheus Spittlert, 1752 zu Stuttgart geboren,'war<br />

auf dem Gymnasium durch den Rektor Volk zur Philologie und zu historischem<br />

Quellenstudium angeregt worden. Auf dem Tübmgcr Stift hatte<br />

er sidl dann in kirchen- und dogmengesdlidltliche Studien vertieft, bei<br />

denen ihm neben Semler Lessings Abhandlungen Muster wurden.<br />

Den Einfluß von Lessings Geist und Le8sings Stil verrät der AufsaB,<br />

den er 1776 J. S. Meusel für Beine ZeitsdIrift "Der Gesmimtsforschf"r"<br />

einsandte: "Von einer Findclal13talt zu Trier im 7. Jahrhundert nebst<br />

BetradItungen über die Vorteile, die der elerus den mittleren Zeiten<br />

bradIte"<strong>2.</strong> Den Kern der Abhandlung bildet eine Nadlridlt in Wandalberts<br />

Miracula S. Goaris. aus der Spittler sdlloß, daß spätestens im<br />

9. Jahrhundert, zur Zeit Wandalberts, viellcidlt aber schon Jahrhunderte<br />

früher, in Trier eine Findelanstalt bestand. Von der kurzen Darlegung<br />

der Tatsache, die er "für die Humanisierung DeutsdIlands" merkwürdig<br />

findet, geht er zur Verteidigung <strong>des</strong> mittelalterlichen Klerus gegen die<br />

hilligen Invektiven, die jeBt gegen ihn Mode geworden seien, über. In<br />

lebhafter, durm kurze Fragesät}e nadl Lessing., Art gekennzeidlIlcter<br />

Spradle kämpft er gegen unseren Selbstdünkel jenem ganzen Zeitalter<br />

gegenüber. Alle Absdlriften antiker Autoren hätten wir dem Fleiße<br />

dieses Klerus zu danken; durdl seine Schulen bei Klöstern und Kathedralkirchen<br />

habe er für die Erziehung gesorgt, "Dem Tone unseres<br />

Jahrhunderts mag es freilich sehr widerlim Bein, an Pfaffen- und Mönchsanstalten<br />

<strong>des</strong> mittleren Zeitalters eine gute Seite entdecken zu wollen,<br />

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aber der Ge;;chichtsforscher soll nicht bloß die Losung seines Jahrhunderts<br />

widerhallen: sondern ohne Vaterland und ohne Religion schreiben.'·<br />

Spittler war auf seiner ersten größeren Studienreise durdl Mittel- und<br />

Norddeutschland in Göttingen angelangt, als er diesen AufsatJ an Meu:!el<br />

einsandte. Meusel hat ihn, offenbar als paradox, beanstandet und sandte<br />

ihn dem Verfasser nadI Göttillgen zurück. Von hier aus verteidigt Spittler<br />

brieflim energism seinen Standpunkt. Er hahe keineswegs beweisen<br />

wollen, daß an dem Klerus der mittleren Zeiten nur Gutes sei, er wäre<br />

auch gar nicht der Meinung, daß wir uns diesen Klerus zurückwünsmen<br />

sollten. Und nun macht er einen neuen Gesichtspunkt geltend, der im<br />

AufsatJ selbst nom nicht enthalten ist. Bei den Deklamationen gegen die<br />

Geistlidlkeit <strong>des</strong> Mittelalters laufe eine Verwechslung der Zeiten unter.<br />

Wollte man sie jent zurückwünsdlCn, so wäre das ebenso, "als ob man<br />

sich den Informator, der uns das ABC lehrte, zurückwünschen wollte,<br />

weil er gut ABC lehren konnte··. Für unsere Zeiten würde dieser Unwille<br />

geremt sein, "wie der Unwille über die Kindsmagd gcremt ist,<br />

wenn sie den Jüngling, den Mann ebenso behandelt, wie das Kind. Jenes<br />

. mittlere Zeitalter aber war die Zeit der Kindheit und der Bubenstreiche;<br />

folglich mußte audl in jenem Zeitalter das MenschengesdIledIt eine entspredlende<br />

Erziehung genießen·· s •<br />

Das ist der Gedanke der stufenweisen Erziehung <strong>des</strong> Menschengeschlechts,<br />

wie er für das Geschichtsverständnis der Aufklärung, ihren<br />

Pragmatismus, ihr pädagogische;; Interesse bezeichnend ist, die Hülle,<br />

aus der dann mit steigender Klarheit, vor allem durm Herder, die Idee<br />

der Entwicklung <strong>des</strong> Menschengesmlemts herausgesdlält wurde. Der<br />

Brief, in dem Spittler ihm Ausdruck gab, und durch den er Meusels<br />

Bedenken zerstreute, ist aus Göttingen vom 25. Dezember 1776 datiert.<br />

Im Januar 1777 erschien, in der Waisenhausbuchhandlung zu Braunsmweig<br />

gedruckt, Lessings "Vierter Beitrag zur Gesdtidtte und Literatur··.<br />

Er brachte fünf Fragmente aus den Papieren <strong>des</strong> Ungenannten,<br />

und in den "Gegensä1}en <strong>des</strong> Herausgeben·· die ersten 53 Paragraphen<br />

der "Erziehung <strong>des</strong> Mensdlengesdllechts··. Die Sdlrift wird im nahen<br />

Göttingen, wo die regste Teilnahme an Lessings Veröffentlichungen bestand,<br />

bald bekannt geworden sein. Spittler war sie gewiß zu GesidIt<br />

gekommen, ehe er Anfang April 1777 in Wolfenbüttel eintraf. Der<br />

Inhalt mußte ihn aufs stärkste packen. Fand er dom hier das genaue<br />

Gegenstück zu seiner Kontroverse mit Meusel. Reimarus griff die<br />

Religion und Moral <strong>des</strong> Alten Testaments, die uns als Offenbarung<br />

aufgedrängt werden solle, an, hauptsädtlim weil dem Alten Testament<br />

die eine Grundwahrheit der natürlichen Religion fehle, der Glaube an<br />

die Unsterblichkeit und die Vergeltung im Jenseits. Lessing remtfertigt<br />

demgegenüber die Stellung <strong>des</strong> Alten Testaments im Erziehungsplan<br />

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In Spittlers Aufsaß i"t unter anderem der Gedanke ausgeführt, daß<br />

die mittelalterliche Geistlichkeit ein wohltätiges Gegengewicht gewesen<br />

sei gegen die Roheit der weitlidIen Regenten und Unterregenten mit<br />

ihren "Soldatenköpfen". Vielleicht ist audl dieser Gedanke zwischen<br />

bei den zur SpradlC gekommen; dann ergäbe sich ein Anhaltspunkt für<br />

die Datierung der zwei kleinen Fragmente aus Lessings Namlaß:<br />

"Mönche und Soldaten", die darauf hinauslaufen, die Mönme für weniger<br />

schädlich zu erklären als die Soldaten 10.<br />

Lessing hat Spittlers wissensdlaftlichen Auftltieg noch erlebt. Auf<br />

Grund seiner 1778 erschienenen "Geschichte <strong>des</strong> canonisdlen Remts vor<br />

dem falschen Isidor" wurde 1779 der Tübinger Repetent als Professor<br />

nach Göttingen berufen, wo er, bald mit starkem Erfolge, kirchengesdlichtliche<br />

Vorlesungen begann. Als ihre Frucht kam 1782 sein Lehrbum<br />

der Kirchengesmimte, das einflußreichste der Aufklärungszeit,<br />

heraus. Weil es den Zeitgenossen als mustergültig ersmien, ist es seit<br />

dem Rüeksmlag gegen die Aufklärung gerade zum Prototyp ihrer Mängel<br />

gestempelt worden. Seit Baurs "Epochen der kirdllimen Gesdlichtsmreibung"<br />

pflegt nidlts mehr, ah der Saß über Franz von Assisi, daraus<br />

zitiert zu werden: "Ein Mann, dem man alle Ehre antut, wenn man<br />

glaubt, es habe ihm im Kopfe gefehlt"ll.<br />

Daß Spittler mit dieser summarischen Aburteilung Unremt gesmieht,<br />

beweisen die Gedankengänge, in denen er sich in jenen glüeklimsten<br />

Wochen seines Lebens mit Lessing berührt hat.<br />

Anmerkungen / 1 Wegeie, GesdIimte d. deutsmen Historiographie S.872-886.<br />

2 L. T. Freiherrn von Spittlers sämtl. Werke VIII, S.209_229.<br />

a J. G. Meusel: Historisme und literarisme Unterhaltungen, 1818, S. 260 r.<br />

, Lessings Werke, hrsg. von Muncker, XVIII, S. 238.<br />

5 Biedermann, G. E. Lessings Gespräche S. 205.<br />

8 Muncker XVIII, S. 245; über L'.8 Weiterreise ebenda XXI, S. 169; unrichtig WegeIe<br />

a. a. O. S.874.<br />

7 Muncker XVIII, S. 227; XXI, 5.156.<br />

8 Biedermann a. a. O. S. 126 f.<br />

9 Muncker I, 5.43.<br />

10 Muncker XVI, S. 520; von Muncker .. frühestens 1777" angesetzt.<br />

11 Spiltlers sämtI. Werke 11, S. 256.<br />

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das Faustspiel wurde "zu einer hunten Augenweide für den Janhagel'"<br />

und durch Einführung der lustigen Person - zu der in<strong>des</strong>sen ScllOll<br />

Marlowe den Anstoß gegeben hatte - und ihr immer stärkeres Hervortretcn<br />

aus einer Fausttragödie zu einer Faustkomödie D •<br />

Da hat Lcssing die Faustgestalt wieder gehoben und einer endlidlen<br />

Erlösung vom Bösen würdig er .. cheinen lassen, indem er das Zerrbild,<br />

dem Geiste seiner Zeit entspremend, in den Gelehrten und leidensmaft-limen<br />

Wahrheitssumer umbildete. Als solmen, der nam dem hömsten<br />

Ziele <strong>des</strong> Jahrhunderts strebte, konnte er ihn nun nicht mehr der Hölle<br />

überantworten.<br />

Die Öffentlimkeit erfuhr diese kühne Umgelltaltung eines allgemein<br />

hekannten und beliebten Stoffes in den Jahren l784 und 1786, also erst<br />

nach Lessings Tode.<br />

Von dem Goetheschen Faust kannte die breite ÖffentliclIkeit damah<br />

noch nichts. Nur wenige Vertraute waren in die Dichtung, die wir den<br />

Urfaust nennen und die 1775 vorläufig abgeschlossen war, eingeweiht.<br />

Aber auch wenn sie in ihrer damaligen Gestalt bekannt gewesen wäre,<br />

hätte man hinsiclItlich <strong>des</strong> EndsclIicksals Fausts wahrscheinlich keine<br />

AbweiclIung von der überlieferung in ihr erkannt; vor der Welt konnte<br />

also Lessing unbestritten als der erste gelten, der Faust "gerettet"<br />

werden ließ.<br />

Denn im Urfaust ist }


ment"ll sdlOn die für Gretchen verhängnisvolle Wendung genommen<br />

hat, heraus in die Einsamkeit einer großen Natur geflümtet. Er ist wieder<br />

zum begeisterten Forsmer geworden: Das tiefe Eindringen sowohl in die<br />

ihm jebt so vertraute Natur, "wie in den Busen eines Freun<strong>des</strong>", als in<br />

"der eigenen Brust geheime Wunder" und die Bcscl1äftigung mit "dcr<br />

Vorwelt silbernen Gestalten" besänftigen und lindern die Qualen seines<br />

schuldbeladenen Gewissens. Das beweist, daß in ihm dcr Mensm noch<br />

nimt vom Tier erstickt ist, und läßt ahnen, daß seine edleren Triebe,<br />

in solcher Stärke und Innigkeit sim aussprechend, nie ganz verschüttet<br />

werden können, mag er auch zunächst noch schwach genug sein, den<br />

Lockungen Mephistos wieder zu folgen. Vortrcfflich sagt Traumann l2 :<br />

"Mit stärkster Betonung wird gczeigt, daß die sinnlichen Regungen<br />

Fausts wahrer Natur widerstreben, daß sie von Mephistopheles erzeugt<br />

worden sind und stets aufs neue angefacht werden". Daß das Selbstgespräm<br />

in "Wald und Höhle" diese auf die Rettung Fausts hinweisende,<br />

ja, sie vorbereitende Bedeutung hat, zeigen audl die Äußerungen Schellings<br />

und Hegels nach dem Erscheinen <strong>des</strong> Fragments und beweist ein<br />

Wort Goethcs aus einer späteren Zeit. Schelling 13 rühmt "die heitere Anlage<br />

<strong>des</strong> Gedichts"; Faust müsse zwar "durd! das TragisdIe hindurchgehen,<br />

aber die Emtheit seines Verlangens nach dem höchsten Leben lasse<br />

erwarten, daß der Widerstreit sidl in einer höheren Instanz lösen und<br />

Faust, in höhere Sphären erhoben, vollendet werde". Und Hegel 14 hält<br />

den faustisdlen Drang nach vollem Weltleben aum nur für eine Durmgangsstufe<br />

<strong>des</strong> mensmlichen Geistes zur Wahrheit. Goethe selbst aber.<br />

sduieb im lahre 1827 13 : "Darüber aber muß idl mich wundern, daß<br />

diejenigen, welme eine Fortse!}ung und Ergänzung meines "Fragments"<br />

unternahmen, nicht auf den so naheliegenden Gedanken gekommen sind,<br />

es müsse die Bearbeitung eines zweiten Teiles sim notwendig aus der<br />

bisherigen kümmerlidlen Sphäre ganz erheben und einen solchen Mann<br />

in höhere Regionen, durm würdigere Verhältnisse durdlführen:' A. W.<br />

Sdllcgcl freilich erklärte es in einer Besprechung <strong>des</strong> "Fragments" in<br />

den Göttinger Anzeigen vom lahre 1790 für fraglidl, "ob das unvermeidliche<br />

Verderben nimt zule!}t auch den inneren Menscllen, das<br />

Wesen Fausls, ergreifen und moralism zerstören werde"; womit dann<br />

allerdings eine Rettung ausgesdllossen ist. Im kann dieser Auffassung<br />

nidlt beitreten.<br />

Zwischen 1775 und 1790 muß also die Wendung in Fausts Sdlicksal<br />

,·on Goethe gesdlaffen sein, wenn wir es nimt, troß <strong>des</strong> scheinbar<br />

"bösen" Ausgangs <strong>des</strong> Urfaust, nur mit einer Ausführung <strong>des</strong> sdlOn<br />

früh oder audl "vonvorneherein"16 gehegten Rettungsgedankens zu tun<br />

haben.<br />

W enll wir die Frage klären wollen, müssen wir versudten, festzu-<br />

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stellen, wann der Auftritt "Wald und Höhle" "konzipiert" - nicht etwa<br />

in seincr IClltcn Form "gedichtet" - ist. Ernst Traumann 17 verlcgt die<br />

Konzeption in die erste Weimarer Zeit Goethcs, ctwa in das Jahr 1778.<br />

Damals lernte Goethe "das Glück der Naturbetrachtung und der Intuition"<br />

kennen und "findet sich nach dumpfem Suchen sciner Jugend<br />

zu klarem Schaucn in die Wunder der W clt und seine eigene Brust<br />

gereift". Das ist nicht zulct}t das Verdienst sciner "Himmels- und Erdfreundin",<br />

der Frau von Stein. Ihr schrieb er ein Jahr nach seiner<br />

Harzreise und Brockenbcsteigung in Erinnerung an diesc, am 10. Dezember<br />

1778: "Vorm Jahr um diese Stunde war idl auf dem Brocken<br />

und verlangte von dem Geiste <strong>des</strong> Himmel (so!) viel, das nun erfüllt ist."<br />

Mit Recht verglcicht Traumann diese Worte mit deu Eingangsworten<br />

<strong>des</strong> Sclbetgesprächs in "Wald und Höhle": "Erhabner Geist, du gahst<br />

mir, gabst mir allcs, warum idl bat"ls.<br />

Weiter vergleicht Traumann das Selbstgespräch mit einer Stelle aus<br />

der 1777 entstandenen "Harzrei"e im 'Vintcr":<br />

"Winterströme stürzen vom Felsen<br />

in seine Psalmen,<br />

und Altar <strong>des</strong> lieblich"ten Danks<br />

wird ihm <strong>des</strong> gefürchteten Gipfels<br />

schneebehangner Sdlcitel,<br />

den mit Gcisterreihen<br />

kränzten ahnende Völker.<br />

Du stehst mit unerforschtem Busen<br />

geheimnisvoll offenbar<br />

über der el'staunten Welt<br />

und schaust aus Wolken<br />

auf ihre Reidle und IIerrli(:hkeit,<br />

die du aus den Adern deiner Brüder<br />

neben dir wässcrst;"<br />

und zwar, insofern das, was in dem Gedichte nur Wunsch, in dem Selbstgespräche<br />

in Erfüllung gegangen ist, und, was dort dem Dichter noch<br />

gegenständlidl gegenüberstcht, hicr Faust im eigcnen Innern selbstschöpferisch<br />

nachfühlt. Es ist ein beachtlidler Gedanke, den Traumann<br />

absdlließend 80 ausdrückt: "Das tiefe in den gleichzeitigen Briefen und<br />

in dcr winterlidlen Harzreise mit biblischen Tönen verkündete Erlebnis<br />

sollte vorübergegangen sein, ohne daß das Gedidlt, das am innigsten mit<br />

seiner Persönlidlkeit. verwadIsen ist, das seine Entwicklungsstufen am<br />

deutlichsten aufzeigt, in irgendeiner Form und Weise eine Fortbildung<br />

und Förderung erfahren hätte?"<br />

Ist nun die Traumannsche Bchauptung rirotig - und es spricht viel<br />

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Schönheit der griechischen Sagenwelt", durch Helena; sie erscheint sdlOn<br />

im Faustbuche als "Schönheitsideal".<br />

Was SdlDlidt von dem Motiv <strong>des</strong> Titanismus sagt: das Deutschland<br />

<strong>des</strong> 16. Jahrhunderts habe es zwar denken, aber die poetisdle Ohnmadlt<br />

jener Zeit es nicht künstlerisch gestalten können, gilt audl von dem<br />

"glanzvollen" Motiv der Formsroönheit der Antike. Marlowe ist es bill<br />

zu einem gewissen Grade gelungen. Aber erst Goethe hat den ganzen<br />

Wert der l\Iotive erkannt und voll auszuschöpfen vermodlt. Ich will<br />

hier nodl von dem zweiten spredlen; das führt uns nämlidl ebenfalls<br />

auf die Lösung von innen heraus, die bei Lessing vermißt wurde.<br />

Nach Goethes Auffassung kann Faust nur erlöst werden, wenn er<br />

sich dem tätigen Leben zuwendet. Von diesem hat ihn Mephistopheles<br />

bislang mit Erfolg ferngehalten, indem er ihn, seiner ausgesprochenen<br />

Absidlt gemäß, "durch das wilde Leben, durch flache Unbedeutendheit"<br />

srolcppte. Zum Mittel der "Rettung" Fausts gestaltet Goethe nun die<br />

Helenahalldlung. Sie ist nadl seinem eigenen Zeugnisse eine der ältesten<br />

Konzeptionen und läßt sich bis in die Frankfurter Zeit verfolgen. Aher<br />

in der Gestalt, wie Goethe sie zunächst ausführen wollte, hätte Helena<br />

Faust nur zu einem Gipfel <strong>des</strong> Genusses geführt. Sollte sie jene hohe<br />

und edle Aufgabe der Rettung erfüllen, mußte sie ihrer rein sinnlichen<br />

Bestimmung entzogen, d. h. umgebildet werden. Mit dieser Umbildung<br />

begann Goethe sdlOn 1800, ließ dann aber die Arbeit ruhen und voll·<br />

endete sie erst ] 825-1827.<br />

Wie ihm sdlOn die erste Anhahnung der Umwandlung der Helenagestalt<br />

gelungen ist, zeigen Schillers Worte in seinem Briefe an Goethe<br />

vom 23. September 1800, in dem er den Eindruck schildert, den die Vorlesung<br />

<strong>des</strong> großen Selhslgespräd,s Helenas, mit dem der 3. Aufzug <strong>des</strong><br />

<strong>2.</strong> Teils der Faustdichtung eröffnet wird, auf ihn gemarot hat, und in<br />

(lern er mit tiefstem Verständnis die Dedeutung der ganzen HcIenahandlung<br />

heraushebt: "Ihre neulidle Vorlesung hat midi mit einem<br />

großen und vornehmen Eindruck entlassen; der edle Geist der alten<br />

Tragödie weht aus dem Monologe einem entgegen und madlt den gehörigen<br />

Effekt, indem er ruhig mächtig das Tiefste aufrührt." Mit dem<br />

Gelingen "dieser tragischen Partie" sei dann auch "der Schlüssel zu dem<br />

übrigen Teil <strong>des</strong> Ganzen gefunden" und könne "Sinn und Geist der<br />

übrigen Partien bestimmt und verteilt werden". "Denn dieser Gipfel,<br />

wie Sie selbst ihn nennen, muß \"on allen Punkten <strong>des</strong> Ganzen gesehen<br />

werden und nach allen hinsehen". Wir ahnen, daß mit alledem auf jene<br />

Wirkung I-Ielenas hingedeutet ist, die Faul't üher alles Kleine und<br />

Niedrige, über alles sinnliche Genußleben hinausheLen und seinen DIick<br />

auf große Tat lenken wird. Im Anfange <strong>des</strong> 4. Aufzuges ist Faust dazu<br />

entschlossen; er sagt zu Mephisto:<br />

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111


"Dieser Erdenkreis<br />

Gewährt nom Raum zu großen Taten;<br />

Erstaunenswürdges soll geraten,<br />

Im fühle Kraft zu kühnem Fleiß."<br />

Und als Mephisto in seiner niedrigen Weise meint, es sei ihm nur<br />

um Ruhm zu tun, antwortet er:<br />

"Die Tat ist alles, nimts der Ruhm!"<br />

Das ist die Gesinnung, die den Strebenden, den ewig Tätigen smließlich<br />

zur Erlösung und Vollendung führt.<br />

Diese Umdeutung der Helenagestalt hängt nun wieder auf das engste<br />

mit Goethes eigener Entwicklung zusammen. Sie konnte nämlicl! erst<br />

vorgenommen werden, "als er an seiner eigenen Person den tiefen und<br />

dauernden Einfluß <strong>des</strong> Griementums erfahren hatte"31; also nam seiner<br />

italienischen Reise.<br />

Erst durch das Verständnis der Helenahandlung wird uns der Weg<br />

völlig klar, den Goethe seinen Faust zur Erlösung führte, und der so<br />

ganz abweicht von dem, auf dem Lessing vermittels einer Gewalthan(llung<br />

seinen Faust - angeblicl! - hat retten wollen.<br />

Es ist scl!on richtig, was Traumann sagt: "Aber wie sich audl die<br />

hohen Gedanken Leasings und Goethes berühren, wie innig sie in ihrem<br />

befreienden, erlösenden Endziele zusammenstimmen mögen: der junge<br />

Frankfurter Stürmer ging seinen eigenen Weg" und, möchte ich hinzufügen:<br />

er ist ihn durch Mannes- und Greisenalter hindurch unbeirrt<br />

fortgesdlritten bis zum Ende. Und auf diesen We g kommt cs schließlich<br />

an, wenn wir die Rettung Fausts bei Lessing und bei Goethe ridltig<br />

würdigen wollen.<br />

Anmerkungen I 1 Auf einen Einfluß <strong>des</strong> Le8singschen Vorspieh auf den Goetheschen<br />

Prolog im Himmel weisen Fischer und Petsch hin: Goethe kann durch jenes sowohl<br />

zur Einfügung eines Prologs in die Handlung angeregt sein, al. aum das Lessingsche<br />

Vor8piel in Einzelheiten zum Vorbilde genommen haben. Dies hat Petsch eingehend<br />

behandelt, und es läßt sich nicht leugnen, daß gewisse Ähnlichkeiten vorhanden sind.<br />

S. ,,Faust-Studien" von Robert Petsch: 1. Lessings und Goethes Faust. Goethe-<strong>Jahrbuch</strong><br />

28. <strong>Bd</strong>., S. 109.<br />

, Petsch a. a. O •<br />

• Hamlet IV, 5; in<strong>des</strong>sen ist die <strong>2.</strong> Strophe Goethes eigene Erfindung.<br />

• "Zur Vorgeschichte <strong>des</strong> Goetheschen Faust: 1. Lessings Faust." Goethe-Jahrhuch,<br />

<strong>Bd</strong>. 2, S. 65 11'. und in seiner Lessing-Biographie.<br />

, a) v. Blankenburg : "Literatur und Völkerkunde", hrsg. von Arrhenholz, <strong>Bd</strong>. V.<br />

Julius1784, S.82-84; h) J. J. Engel: "G. E. Lessing& theatralischer Nad.laß" 11. Teil,1786.<br />

e "Goethes Faust." Eine Einführung von Berthold Litzmann. S. 60. Es bleibe dahingestellt.<br />

ob Lessing wirklich seinen Faust vollendet hat, die Dichtung aber samt der<br />

berühmten Kiste verloren gegangen ist.<br />

7 Jedenfalls der erste Große; denn schon 1775 war _ zunächst anonym - in Prag<br />

ein Faust <strong>des</strong> Wienen Paul Weidmann erschienen: "Johann Faust, ein allegorisches<br />

112<br />

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Drama", in dem Faust ebenfalls gerettet wird. Aber das Stück war unbedeutend und<br />

machte nicht "Epoche".<br />

8 Litzmann a. a. O.<br />

e E. Schmidt a. a. O.<br />

10 Nach Adolf Metz (Hamburg): "War schon im Urlaust die ,Rettung' <strong>des</strong> HeMen<br />

vom Dichter beabsichtigt?" <strong>Jahrbuch</strong> der Goethe-Gesellschalt <strong>Bd</strong>.7, S.45 ff.<br />

11 In Faust I steht .. Wald und Höhle" vor Gretchens Fall.<br />

12 "Goethes Faust". Erläutert von Ernst Traumann, S. 116.<br />

IS In seinen Vorlesungen 1802_1805.<br />

16 "Phänomenologie <strong>des</strong> Geistes": Die Lust und die Notwendigkeit.<br />

16 "über Kunst und Altertum", 6. <strong>Bd</strong>., 1. Heft.<br />

IS In dem letzten Briefe, den Goethe überhaupt geschrieben hat, an Wilhelru<br />

v. Humboldt, am 17. März 1832, sagt er: .. Es sind über sechzig Jahre, daß die Konaeption<br />

<strong>des</strong> Faust bei mir jugendlich von vorne herein klar ••• vorlag."<br />

17 A. a. O. S. 118 ff.<br />

18 "Zu Goethes Faust". Von Daniel lacoby I. Goethe-<strong>Jahrbuch</strong> 1. <strong>Bd</strong>., S. 186: "Aus<br />

einigen Stellen in den Briefen Goethes hat man mit Recht auf die Zeit der Abfassung<br />

mehrerer Szenen ad,ließen zu können gemeint."<br />

18 Metz a. a. O.<br />

20 S. Anm. 15!<br />

11 E. Schmidt a. a. O.<br />

22 A. a. O. S. 60.<br />

21 "Goethes Faust 11, Kommentar und Erläuterungen", S. 53.<br />

24 E. Schmidt a. a. O.<br />

U "Goethe", von Bielachowsky, <strong>2.</strong> Teil, 4. Abschnitt.<br />

t8 Unter wahrer Tragödie kann hier nur das verstanden werden, wal Volkelt in<br />

der "Ästhetik <strong>des</strong> Tragischen" das "Tragische der ersmöpfenden Art" nennt, d. h. ein<br />

Drama, in dem das Tragische unerbittlich bis zum Ausgange durchgeführt wird. Durm<br />

tragische Lagen führt aum Goethe seine Helden hindurch (Iphigenie, Faust u. a.); aber<br />

zum Sdllusse löst er alle Konflikte und Scllwierigkeiten 8innvoll harmonisch; er ist<br />

der Meister <strong>des</strong> "Tragischen der abbiegenden Art".<br />

27 "Dimtung und Wahrheit", 10. Buch.<br />

28 S. Anm. 15!<br />

29 "Goethe-<strong>Jahrbuch</strong>" <strong>Bd</strong>. 3, S.123.<br />

80 Ein Berliner Namdruck <strong>des</strong> Faustbuches brachte 1590 8em8 neue s. T. in Erfurt<br />

spielende Erzählungen: Die Erfurter Zusätze.<br />

SI Metz a. a. O.<br />

8 113<br />

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Das ist der ganze Kedicht. Ich hät' nok sagen können, daß der Johannis<br />

MagnificentJ4 in der alma Julia Carolina der Schuld wäre, daß<br />

der Philomel' so bald uns verließ'.<br />

Leb siek wohl, Madam und stirb' sik nik! T.<br />

<strong>2.</strong> Wolffenbüttel d. II ten May 7<strong>2.</strong><br />

Meine Wehrtste Schwester!<br />

Die Vorsehung hat mir einen Ort angewiesen, der mir in allem Betrawt<br />

sehr werlh zu seyn scheint. Die Lage <strong>des</strong> Orts, der Umgang, das<br />

fast allgemeine und geswwinde Zutrauen sowohl hiesiger Einwohner<br />

als aum der Nawbarswaften - alles dies erreget meinen öfteren Dank<br />

gegen die Vorsehung - Der 13jährige Auffenthalt in Braunllwweig,<br />

u11wo iw die Hände nimt im Schoos habe liegen gehabt, thut mir nun<br />

hier noch Dienste und im hoffe noch Erndten von vergangenen Arbeiten.<br />

Genung hiervon - Dies würde mich äußerst erfreuen, wenn Du und<br />

Dein lieber Mann uns mahl besuchten - aber, aber, aber, was leyder<br />

in dem nähern Braunschweig nidlt geswah, wird in Wolffenbüttel nom<br />

weniger in Erfüllung kommen. Von dieser Reflexion, die im so ofte<br />

mit Widerwillen tractieret habe, ist nun freylim Dein lieber Mann<br />

völlig excipieret; der hat mim öfters wahrhaftig erfreuet und von den<br />

bin im aum kühn genug, ferner einen Besum zu hoffen.<br />

Etsm! Ihr damtet, im solte immer in Braunsmweig bleiben, wo mein<br />

armer Karrengaul (iw meine, meine beyden Hochedelgeb. Beinfüße)<br />

täglim so abgetrieben wurde - 0, Ihr soltet nur die Briefe meiner<br />

DantJiger, Petersburgischer und Warschauer Gönner und Freunde lesen<br />

- Dahin sind gantJ andere SpatJiergänge -.<br />

Dein lieber Mann und Dein gantJes Haus finden hier unsere besten<br />

Empfehlungen. Vale ae fave Topp.<br />

3. Wolffenbüttel d. 15teu Ju\. 73.<br />

Liebe und zärtliche Schwester!<br />

Im war bey der Dir zu gebenden Naduicht von meiner Christiane<br />

ihrem Tod für Dich angst, ob ich gleim das Meiste litt - denn sowohl<br />

im als meine see\. Frau sind von Deiner Liebe zu uns stets überführt<br />

gewesen. Und nun ist Dein letJter Brief ein wiederhohlter Beweis<br />

Deines theilnehmendcn Antheils über mein Sdlieksahl, da mein Weib,<br />

mein Weib mich verlaßen - gant} verlaßen hat -. Ihr Gebeth, ihre<br />

Geduld, ihre Liebe - alle ihre Tugenden sind weit weg von mir. Idl<br />

bin allein - ich habe Liebe verlohren - ach, idl habe auch Schmerz<br />

yerlohren - und das ist auch Verlust -. im kan und will nimt viel<br />

smreiben - im könte viel schreiben, aber ich komme zu lebhaft in da'!<br />

120<br />

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Nun der Ausdruck ist nimt eben buchstäblich.<br />

Mein Stiefsohn hat sich mit mir außer eorrespondance gesezt ....<br />

Du. Mann und Kinder fin<strong>des</strong>t hier unser<br />

7. W[olfenbüttel] d.lltl'nXbr·75<br />

[Brudlstück]<br />

Schreibst nicht dann und wann zuviel?<br />

Ist in diesem Monath Löfte oder Hochtiet 14 ? Wäre leztere auf J.em<br />

Lande einzurimten nicht am heilsamsten?<br />

Gott gebe zu Allem seinen reichen Segen.<br />

Und Smwester! wo möglim Alles ohne Heftigkeit.<br />

Im wünsche Dir die Bauch beengende Lache der gnädigen Frau von<br />

Höfler 15 und die stinkende Gemütsruhe der Frau Hofräthin Häberlien<br />

16 und die kaselnde Selbstzufriedenheit der wohlseeligen Frau<br />

von Hackmann 17 •<br />

Deinen künftigen HH Sohn halte ich für einen remt wackern Mann<br />

- Seine Frenndschaft, seine Verwandschalt macht uns Allen Ehre.<br />

Deine Tomter (ich hoffe, sie soll Deinen Enthusiasmus nimt voll auf<br />

haben) kan sehr heitere und wonnevolle Tage hahen, die das Landlehen<br />

bey einem zufriedenen Geiste redlt vollauf geben kan. Inzwismen<br />

habe ich jezt was in Händen, womit im den Mann en question - - er<br />

lIlag es selbst hey mir erfragen.<br />

Nun stelle Dir mahl vor - mir kommen diese Leutdlens in der Nähe<br />

- in einer der schönsten Gegenden ete.<br />

Schreih mir, wann die Hochzeit seyn soll - ich laße vielleidlt einen<br />

gehn - Laß sie auf dem Lande seyn - halS Stadt! ba und ahermahls ha<br />

Akademie! ha Studenten! ba Profeßoren! ha die Frau Wittihhen der<br />

Ilrn. Gelehrten! ba! Wa Land! Wa Freyheit! Wa Liebe!<br />

Dein und der Deinigen Deinigster<br />

T.<br />

8. Wolfenhüttel d. 2ten April. 76<br />

Deine heyden lieben Zusmriften habe erhalten als eine vom<br />

24 tcIl Märt} und die leztere vom 27ten ejusd; dgl. aum eine geehrtes te<br />

Zusmrift von Deinem liehen Manne. Hier auf alle diese etwas eilige<br />

Antwort.<br />

Billig keine eilige Antwort, (la in Deinem Briefe so vertraulich das<br />

124<br />

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Herz eIDes beklommenen Weibes sprach. Aum mir und meiner Ernestiene<br />

war der Tag in Erkerode einer der angenehmsten - Meine<br />

Augen hatten soviel Freude, daß mein Mund gerne smwieg - und<br />

dieser alte Narr (icll meine meinen P. P. Mund) smweigt gerne -. Wir<br />

fuhren recht vergnügt zurück und beßern Weg wie hin. Im sezte das<br />

ohnehin Geglaubte unterwegens aufs Neue feste, daß die bevorstehende<br />

lIeirath Deiner liebenswürdigen und gutmühtigen Tomter mit dem<br />

wackeren, artigen und gelehrten Pastor WoIE insonderheit aum ein<br />

Glück für Dim wäre. Aber aum ein Glück und Freude für mim - ein<br />

liebes Mädgen von so naher Verwandsmaft gut versorgt zu sehn -<br />

Die Hofnung, die dortigen sooönen und romantismen Gegenden alle<br />

Jahre wenigstens einmahl in Deiner und Deines gannen Hauses Gesellsmaft<br />

zu genießen, Stadt und Kranke so lange gann zu vergeßen, zu<br />

risquiren, aus trunkener Wollust dort zu bleiben und darüber abgesezt<br />

zu werden, aus Nothwendigkeit dem Hrn. Pastor Wolf, der nam Königslutter<br />

versezt wird, im Amte zu folgen, also nioot allein für die Seele<br />

meiner dortigen Sooaafe zu sorgen, sondern ex antiqua consuetudine<br />

zugleim für deren Mägen •.<br />

Du siehst sooon aus Allem diesen, was für Veränderungen in den<br />

Toppismen Gesmichtsbücllern kommen werden, namdem der Wolf in<br />

diese ruhige Hürden eingebroooen hat. Aber ein guter, ein süßer, ein<br />

offener Wolf - im glaube dem Smaafe wird gut seyn, das von ihm<br />

gefreßen wird. Man muß in so wimtigen Vorfällen auf Alles reßectieren<br />

und ich denke immer, wir wollen ihm die Zähne laßen. Den Mittag<br />

aßen wir dom lauter gute gesunde mensoolige Kost. Im habe. kein<br />

Stück roh Fleism gesehen, so war auoo der Wein ohne Blut und gut.<br />

Deine Liebe, welche Du gegen meine Ernestine äußerst, ist mir hömst<br />

sooänbar - Sie war das beste Mädgen und jezt ist sie mir die beste<br />

Frau, die beste Mutter bey Stiefkindern, die bey mehrerer erlangter<br />

Größe sie alle heirathen mögten, sobald es nur Fürst!. Consistorium<br />

erlaubet, da ioo alsdenn wieder in den Stand eines glücklimen InEorruator's<br />

übergehe.<br />

Dein alter Lobesam<br />

N. S. Apropos, wie gefiel Dir in dem 17 ten Stücke der Braunsmweigismen<br />

Anzeigen 19 Die Smwermuth eines Milnsüootigen?<br />

[Am Rande:] Mein Crato hatte smwere anhaltende Krämpfe - Nioot<br />

gut anzusehen - läuft aber heute sooon an den Wamen herum und<br />

hesumt Muskotierers und Officiers.<br />

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125


9.<br />

Liebe SmweBter!<br />

Wolfenbüttel d.13 ten 7 br . 76<br />

Deine Briefe nebst Anlagen habe erhalten - Sollen alle rimtig beantwortet<br />

werden.<br />

Wie smmeichelhaft kanst· Du empfindsame Frau die Worte eines<br />

Autors wiederholen. Mir die einzige Belohnung, welche dem Weltverlaßer<br />

Lust mamt, die Welt noch nicht zu verlaßen. 2o<br />

Leßing läßt sim Dir gehorsamst empfehlen, freut sich über Deine<br />

Critie; mödlt'st nur hübsm nach Wolfenbüttel kommen und DiCh ni mt<br />

fürchten. Mögt'st nom einmahl lesen, so gewönne die ganlle Sache ein<br />

andres Ansehn, und die ganlle Abhandlung 21 hätte ni mt das Geringste<br />

Gefährlimes.<br />

Topp.<br />

10. Wolfenbüttel d.19 ten 9 br 76.<br />

Smwester!<br />

Mit 4 Fingern an der remten Hand, denn den smmerzhaftenverbundenen<br />

Daum, smlug midi mit einem Hasen, kann idl eigentlidl nimt<br />

remnen, will im es wagen, mim mit Dir zu unterhalten.<br />

Unser Ephraim ist bey Gott - er war smön, dies solte im wohl als<br />

Vater nimt sagen, stand viel aus, bekam einen Husten und starb in der<br />

Namt vom Sonnabend auf den Sontag zwismen 2 und 3 Uhr.<br />

Hier hörte im gerne auf zu smreiben, da es mir so blutsauer wird,<br />

da mein Herll so eben wieder beklommen wird, da im soviel sagen<br />

könte und Nimts sagen will -. Heute früh hat er seine kalte Stelle in<br />

der Erde erhalten, wenn solme sonst nimt dadurch etwas erwärmet ist,<br />

daß er nahe bey seiner seel. Smwester (kam todt) und bey seinem frühzeitigen<br />

Bruder, Carl Julius 22 ruhet. Gott bewahre Dim nnd die<br />

Deinigen für Verlust und bezeigne die künftigen Tage und Jahre mit<br />

wahren bleibenden Glückseelimkeiten!<br />

Was meine leidende Ernestine aber bey allen diesen Vorfällen<br />

(Smlägen) für ein edeles sanftes Weib ist, kan nur ihr glückIimer<br />

Mann fühlen -.<br />

126<br />

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Leb wohl!<br />

T.


So gehts - Alles fein lustig zu schauen.<br />

Dir, denke ich, soll es nicht zuwieder seyn, wenn Deine Kinder nad.<br />

Luther 26 kommen. Denn, wenn auch dortige Pfarre keine Vorzüge<br />

hätte, so ist doch die Gnade eines Edelmanns 21 etwas UngewiBes, und<br />

ist selbige auch nom so hleibend, so kan deßen Namfolger doch anders<br />

denken. Der Umgang in der Stadt sdlCint mir auch nid.t so theur, ah<br />

wenn im Landbesum kriege, da dieser Arth Besum so was Bleiben<strong>des</strong><br />

an sich hat, in der Stadt ich mim aber an gen e h m m a 00 e n darf.<br />

Auch nahe Verwandte hat er aum daselbst und ist da erst ein sol ch e r<br />

Mann wie Dei n Wolf, so hat Kirche und Altar aud. mehr ZuOus.<br />

Im wolte also wohl gehorsamst bitten, diesen Ball nicht auszulaßcn.<br />

Luther liegt angenehm, gesund, die besten Lebensmittel, Hr. Vetter<br />

Duckstein 2s ete.<br />

Meine ganne Hofhaltung, gros und klein, empfielt eim Dir, Deinem<br />

lieben Manne, Deiner munteren Tomter, Deinem licben Sohne mit<br />

zärtlimstem Feuer.<br />

Syn<br />

Dener Drimborn.<br />

N. S. Meiner Magd wegen bitte keinen Aufschlag zu machen - Sie illt<br />

nicht für große Gesellschaften sondern mehr für ein tete a tete. Hat<br />

große Augen, rasche Arme - viel Muth - Hat sich smon mahl auf die<br />

schönen Wißensmaften gelegt, oder umgekehrt: die smönen Wißensmaften<br />

haben sich auf sie gelegt. Ich solte nicht denken, daß sie diese<br />

Studio wieder anfangen solte.<br />

Die Drimbornsd.e 29 gann ergebenst.<br />

13. W olfcnbüttel d. 27ten 8 br . 78.<br />

Smwesterle 30 !<br />

Hiebey verspromener Maaßen: Blin, LeidenschaftSl , Liebe. 3 Hunde­<br />

Pfuy! 3 Ober und untere Seelenkräfte. S2<br />

Im dämte gel e gen t I ich eines an Eisenhart33 , eines an Krallensteins4,<br />

und HenkesCi, der, wie ich höre, es mit Dir hält.<br />

Grüße alle weitläuEtige Anverwandte, so wie die Meinigen ebenfalls<br />

nimt manquiren<br />

thun<br />

gehorsamst<br />

T.<br />

128<br />

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14. W olfenbüttel d. 7t,cn Xbr 78.<br />

Betrübe Dich nicht, gute Schwester! wenn Du schlcchte Leute kennen<br />

lernst - Dies ist die wiedrigste Empfindung, 80 manmes Remtsdlaffenen.<br />

Wir müßen nur auf unsrer Huth seyn, feste zu stehen, nicht mit<br />

in den allgemeinen Strudcl hereingerißen zu werden, sonst fällt der<br />

tiefste Unmuth auf unscrn armen Geist - Und aus einem Strudel gerettet<br />

werdcn, ist mehr Glück als eig'ne Mamt unsrer armseeligen Kräfte<br />

- es ist oft Erbarmung -.<br />

Je älter im werde, <strong>des</strong>to mehr bewundere ich unsere weise Vorfahren<br />

- die hatten ihr besmeidenes Freudenstübmen nicht nach der<br />

Straße hinaus, sondern hinterwärts - noch obenein Laden und Gardinen<br />

zu und dann erst ein Paar vertraulime Worte, die ein kraftvoller<br />

Trunck begleitete.<br />

Der Sclllange-Mensch fürchtet den Schlange-Mensch - Au weh! so<br />

war es immer!<br />

15. 86<br />

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Dein<br />

T.<br />

Wolfenbüttel d. 18 ten Febr. 80.<br />

Homwürdige Frau Aebtinn!<br />

Innigstgeliebte Frau Stert-Gevatterinn!<br />

Unterthänigste Frau Smwester!<br />

Bemerkungswiirdigste Freundinn!<br />

Liebe theure Ammen und Sepe (Seiffe) Procuratörsche!<br />

Nachdem es dem Allerhöchsten Gefallen, bey der Menge der Feinde,<br />

80 mim beängstigen, ob im gleim von Natur furmtbar und stark Lin,<br />

,·on der übermämtigen Spanismen Mamt zu befreyen, indem Rodneys7<br />

Weis- Klug- und Kühnheit ihr aufgeblasene Mamt zerstreuet, zerstümmelt,<br />

gefangen und mit Smeinrösigkeit 3B glcimsam genothzümtiget hat.<br />

80 daß wir Plüsm Gott und Gibraltar wieder unsre Ananas und Africanisme<br />

Bärenlenden in Ruhe und kühlender Gemüthsergezlimkeit hindahl<br />

bringen können, so ist dodl nimt zu leumnen, daß durch unscre<br />

Vorsidltigkeits-Fatiguen unscre Wäsche und Gewißcn mithinn gelitten<br />

hätten, daher wir Eudl ersumen, uns X Centn. dortiger Sepe zukommen<br />

zu laßen. Addreßirt es man folgends: Abzugeben bey der Demois. Vaßmern<br />

in der Dom-Probstey zu Braunschweig. Diese thut es dann weiter<br />

besorgen.<br />

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129


Und laßt mir 2 feurige Herzen drauf mahlen<br />

Im will Fuchs 39 besahlen 40 .<br />

Uebrigens gebe zu allen meinen Con-Senf und beharre unter pOimtmäßiger<br />

salutation mit aller consternation<br />

Ew. etc. etc. etc.<br />

schrammanter Frere und humbl' Servideur Drimborn.<br />

16. W olfenbüttel d. 3ten MärU 80.<br />

Smon lange,<br />

Hochgeehrteste Frau Steert Gevattersdle,<br />

glaubte im, daß<br />

Sie sim einzig und allein auf die unterthänige Correspondance ein- und<br />

abgeschloßen hätten und bewunderte mit unterthänigster Kälte den<br />

Uebergang zu diesem Gout - allf im durm einen geschmeidigen Mittelweg,<br />

nehmlich durm Seiffe, Dero Hand wieder erblickte. Was Sie aum<br />

von Ihrem leztern Briefe sagen, so vom 25 ten August verschließenen<br />

Jahres her ist, so wuste nom bis auf diese Stunde nimts auf sclbigem zu<br />

antworten, weil weder Fragen noch Vermuhtungen, nom Rahts-Einhohlungen,<br />

nom hohe oder niedrige Zweifels-Entdeckungen in selbigem<br />

enthalten sind. Im außerdem nicht der Meinung bin, daß zu einer Kresbontenze<br />

H das tour ii tour erEorderlim seye, sondern vielmehr das:<br />

nam Belieben.<br />

Da Du es nun so lange ni mt beliebet hattest, so gewehnte im mim,<br />

dies Winter-temperament (wie es denn in der Welt oft 80 geht) ertragen<br />

zu lernen.<br />

Nom Eins! sobald im merke, daß einsimtsvolle Gelehrte im Bügelrocke<br />

mit Ober- und Unter-vapeurs mim und die Meinigen zu ihrem<br />

Ridlterstuhls-Gegenstande erkieset haben, so beantworte im dieses mit<br />

Dero Erlaubniß mit einer lauten deutsmen Blähung und beharre -<br />

Daß dies Gesagte nimt ohne ist, kan im Dir aus Deiner liebevollen<br />

Zusmrift vom 28ten Febr. beweisen. Sey 80 gütig, im bitte, bitte darum,<br />

nimm nie meine Parthie - Du verwickelst Dim sonst in lügenhafte<br />

Namrimten. Im weis sehr wohl zu schonen und habe auch stets gesmonet.<br />

- Ein Arzt, der mit 80 vieler Arth Narren täglim umringt ist, lernt die<br />

Kunst sdlOn. Daß heißt eigentlim: er mamt den Kalten. Der Titius 42 ,<br />

von dem hier sonst eigentlich die Rede zu seyn smeint, ist ein elender,<br />

aufgeblasener und, worüber ich allenfalls weinen mögte, sim selbst<br />

genugsamer geE allender Mensm - kalt, undankbar etc.<br />

Wie gefiel Dir denn me i n Ge dan k e bei m Ja h res wem seI,<br />

so in no.l01 1779 der BraunsmweigisdJen Anzeigen stand?43<br />

130<br />

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Sdlickt Dir auch das Tribunal meine Ceremoniöse Credenzungen bey<br />

Geburtstägcn und andern liederlimen Vorfallenheiten?<br />

Ich habe noch viel, was Du nicht gelesen hast.<br />

Ich dächte immer, Sdlwester! wir nehmen von einander Absmied -<br />

was helfen alle Verbindungen, die die Menschen schon selbst zu zerreißen<br />

geneigt sind und der Tod gewis zerreißt. Alles Intereße in der<br />

Welt macht Schmerzen - und wenn wir in jungen Jahren zu warm<br />

denken, als Intereße entbehren zu können, so solten wir dom im Alter<br />

diese Narrheit verlaßen. Ein Freund spüre 44 nochmahls den andern ins<br />

Antliil und damit Adgis allerseits! Dann ins Möndlskloster oder nath<br />

Al'ragoniens Eiqsiedeleien.<br />

Grüße Deine liebe beste Tochter und Sohn! Gott erleichtere alle<br />

Wünsme, weil doch alle junge Leute mit Intereße segeln müßen!<br />

Alle8, alles grüßt herzlim.<br />

Dein alter Bruder T.<br />

17.<br />

Schwester!<br />

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Masmerode d. 30 ten Märil 80.<br />

idl bin so herzlich faul zum Smreiben - Meine Köchinn will herüber,<br />

Zu 20 000 45 gehört viel - ich zweifle daran - audl weis ja keincr<br />

davon - vielleicht Hr. Titius. Was geht es mir an? Im weis gewis, daß<br />

id. zu ganil andern Famielien gehöre und werde bey meinem nämsten<br />

Wiederkommen eine gant} andere Rolle spielen - vielleidtt must Du<br />

demnädlst aud. mahl wieder her und wenn Du denn mir mahl in die<br />

Meute 46 kömst, so kan es Dein Glück seyn, denn einen großen Weiber­<br />

Stapel habe ich mir smon vorgeset}t, da dies gewis die höhere Verordnung<br />

will ete. ete.<br />

Hiermit hätte ich also Deine liebe lezte Zusduift von 1 % Bogen<br />

unterm 15 ten Märt} völlig beantwortet -<br />

noch einige ZusätJe:<br />

1000 curiere ich umsonst.<br />

meinethalben mag K * * 47 oder Beyreis unsers unvergeßlimen redlidten<br />

Vaters Papiere besitJen, wieder auflägen, Schmierkäse dafür kaufen.<br />

Deine Tochter habe ich sehr lieb - mithinn ihren Liebhaber.<br />

Gedanken beym Jahreswechsel.<br />

So eilen die Fluten dahin,<br />

So laufen Gedanken vorhey,<br />

So scheidet sich Blut von Blut,<br />

So eilet der Freundschaft wärmste -<br />

Wo nehmen wir Sicherheit her,<br />

Da jeder Punkt Tod ist?<br />

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131


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60 könte ich mich ferner nicht unter den zärtlichsten Grüßen an Deinen<br />

lieben Mann, Tomter Braut, Sohnemann u. s. w. nennen<br />

Deinen<br />

imhättebaldwasgesagt<br />

T.<br />

19. Wolfenbüttel d. 20 ten 8 br 80.<br />

Ew. Liebden<br />

han eigentlim nimts zu smreiben. Dero lezt Geehrtes vom 8 ten ha'n<br />

wohl erhalten, und sowohl aus diesem als dem gegehngelaßenen an<br />

Bruder earl Liebden ersehen, daß Ew. nicht allein bey guter Gesundheit,<br />

sondern, welroes bey mir unweit mehr ist, aum bey guter Laune<br />

sind. Der Hödlste erhalte Ew. Liebden sdlönstens dabey! Idl denke,<br />

wenn sich die Hokseiden Cl4 erst verloffen haben und daß Dero Hr. Sohn<br />

Liebden nur noch vorerst etwas patientieren, daß alsdenn Ew. Liebden<br />

nur wieder rernt anhaltenden frohen Muhts werden werden und mit<br />

Dero Hrn. Kemahl Liebden auf ein Neu8, als wozu Gottes reimen Seegen<br />

anwünsmen thun, denken werden.<br />

Smreib mir dom mahl so was Vernünftiges. Wie gefiel Dir mein<br />

Hau s g e s prä ch, so ich vor einiger Zeit in die Braunschw. Anzeigen 5C1<br />

hatte seben lassen?<br />

Schreib mir, wann die Beylager ihren priesterlicllen Anfang nehmen?<br />

Schreib mir von der Braut Liebden.<br />

Sclneib mir, was die Butter bey Eum gilt?<br />

Smreib mir von dem Fleiße Deines Sohnes Liebden.<br />

Unter andern sagt dieser junge Mann: Lu ... 116<br />

Sclneib mir, was das für eine Sprame ist.<br />

Grüße herzlim! grüße Alles,<br />

ik reise nach der Monde<br />

Adgüß.<br />

20. Wolfenbüttcl d. 22 ten May 81.<br />

[Unvollständig.]<br />

Im habe auch aus einem Deiner Briefe an die Mutter ersehen, wie<br />

Du so ganben Antheil an der Verbeßerung meiner Gage genommen<br />

hast. Das ist so ganß war, daß unser Herbog ein ganb außerordentlimer<br />

Mann ist - Mit ihm spremen, heißt smon: ga nb Sei n seyn. Ich drülkte<br />

mim in meinem kurzen Danksmreiben im 2ten Absa!} etwa so aus:<br />

"Braunsmweigische Unterthanen sind glülklicll - dies sage ich so oft<br />

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135


laut aus - und einzig und allein dadurch glücklidl, daß Ew. Durchl.<br />

derselben Vater sind - 0, daß man alles hierüber sagen dürfte, was<br />

man empfinde, 0 daß man alles hierüber auch sagen könte!"<br />

Er selbst hat sidl nam meinen Umständen erkundigt, als ich den<br />

sten Januar a. c. Nachmittags von 4 bis 5 Uhr bey Ihm saß - Er<br />

selbst sagte, das geht nidlt! sie müßen Verbeßerung haben, wie, wenn<br />

sie monatlich aus der eaße so und so viel (er nannte die Summe) Zulage<br />

erhielten? Er selbst schrieb dies nieder und bramte es vor seiner<br />

Abreise in Ordnung. Im August fängt diese Verbeßerung an. Glaub<br />

nur, idl lhat weder klagend noch pinselicht. Er sieth Gottlob recht gesund<br />

aus - ja, auch sdlön! und sein Ausdrmk und Worte sind Musik.<br />

Ließ dies Niemanden vor. Gott erhalte Ihn!<br />

Glaub ja nicht, daß ich ein Glückskletterer bin oder ein Narr, der<br />

spanische SmIößer baut - Weniger Sorgen könte nicht schaden. Die<br />

Meinigen mögte ich wohl etwas gesicherter verlaßen können - Auf<br />

Gottes Regierung verlaße idl midi einzig und auch mein Hingang in die<br />

Erde sey seiner Erbarmung empfohlen. Wir Menschen wißen so von<br />

allem Nidlts, wie es werden soll, wie es werden kan ....<br />

"Nichts wißen und schweigen - ist Weisheit von Oben".<br />

Bisher habe ich noch alle die Posten, so h:h bekleidet habe und Ilodl<br />

hekleide, ohne Ansudlen gekriegt, sondern cs sind solche mir jederzt'it<br />

aufgetragen worden. Mir Wonne genug.<br />

21. Wolfenbüttel d. 2 ten April 8<strong>2.</strong><br />

Liebe und gute Schwester!<br />

Engothigkeit und Gunst-Zahne, die wie alte Gutschen-Gläser japsen,<br />

und Sorgen und Freuden und Weisheit und Tohrheit machen es oft<br />

räthselhaft, ob dies Leben nidlt ein Ragout sey, deßen Sauce aus etwas<br />

Fegefeuer und Elysium zusammengcsezt ist?<br />

Ich kenne der Ingredienzien noch mehr, so hieher gehören - ob<br />

Dunkel hell sey, oder Hell dunkel, ob hinterm Vorhang Wachslicht ist<br />

oder Tranküsel steht? Ob Tran nicht heilsamer sey als Provencer­<br />

Oehl? u. 8. w.<br />

Wem ist audl wohl die rührende Geschichte unbekant, da der böse<br />

Feind mahl eine der ansehnlichsten Apotheken zusammengeschmißen<br />

hat? Gleich 30 legitime promoli mit großen Haarmütlen herbey, die<br />

alle diesen Brey roehen, rührten und kosteten! Ein TheiI kam in die<br />

schönste Ausdünstung, Jenem sdllug es durdl, dieser ward gestärket -<br />

eiu anderer bekam einen gelehrten abortum.<br />

Aum ich, süße Schwester! habe 80 viel gekostet, mit allen <strong>Folge</strong>n gekostet,<br />

daß im nun auf Giemeln Speise neugierig werde und midl nadl<br />

136<br />

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dem Gesdlmack <strong>des</strong> Louis 14 richten werde. Das ist verdollmetschet in<br />

unsrer Sprame: "Der Hr. Vetter wird alt, kindisch und grämlich, weiß."<br />

Also, Liebe Gutmütige! hatte jene PommersdIe gnädige Fräulein voll·<br />

kommen recht und sprach hey Erblickung junger Farken sehr weise:<br />

"Am! was sind wir dom artig, wenn wir jung sind!" Aber, so heißt es<br />

dom wieder: Mensch! es ist der alte Bund - Du mußt sterben.<br />

Dortige medicinische Dißertationen smickest Du nun gar nicht mehr,<br />

quasi canis essern. Dissert. inaug. Zineum Medicum inquirens und<br />

vorzügI. nom de Zineo medico recentius observata sistens von Eurem<br />

wackern Crelli0 67 muß ich haben.<br />

V odre dreh sumbel Serfideur et Frere J aque.<br />

2<strong>2.</strong> Wolfenbüttel d. 2ten May 8<strong>2.</strong><br />

Ja,<br />

liebste Schwester!<br />

Dein leztes Schreiben vom 1<strong>2.</strong> und 15 ten April verdient eine baldige<br />

Antwort, daher im aum sogleidl diesen ganyen Bogen ergriffen, um,<br />

wenn es möglim ist, denselben zu füllen. Aber, wenn man erst Wein·<br />

berge baut, Häuser kauft, Nachtigallen.Stutereyen anlegt, sidI alle Tage<br />

Zähne ausbrechen läßt, Gelder negotiiret, Kinder erziehlet und mit Exjesuiten<br />

zu kramen hat, so sieth es um die edle Zeit etwas knapp aus.<br />

Da dies nun gany mein Fall ist, ohne die täglidle 2mahlige Ebbe und<br />

Fluth zu redInen, well'he meinen Tag theilet und Gewitter abwehret,<br />

so können es Frau Schwester mir wohl nicht verargen, wenn im hier<br />

smon ersterbe ete.<br />

Abersten vor dem Ersterben wolte ich doch erst Seife bezahlen, so idl<br />

1781 erhalten im August ...<br />

Aber nun nom eine mich sehr intereßirende Stelle in Deiner lieben<br />

Zuschrift und die be trieft Deine neue Magd. Das muß ein göttliches<br />

Mädmen seyn, da sie meine smönen Lieder durm die Lieblidlkeit ihrer<br />

Kehle nom versmönert. Im hätte schier Lust ihrentwegen allein nam<br />

Helmstedt zu kommen und vielleimt wohl gar Neigung, mit ihr auf dem<br />

Fuß umzugehen, wie Weiland König Salomo mit den Königinnen, die<br />

ihm Räthsel vorlegten. Präparire sie etwas darauf.<br />

Hier ist nun sdIon die 4 te Seite und mim erwarten viele Leute. Grüß<br />

Mann, Henken und Consorten dgl. auch Freunde mit verbindlichen Worten.<br />

Laß Anschreiben bleiben und nimm von St.Omer erheiternde Pri·<br />

sen; Gott mit Dir, so oft Du darauf wirst ausniesen. Den Mein'gen mit<br />

Wohlwollen wollest verbleiben und Dir die Zeit mit lamen und singen<br />

vertreiben. Das singende Mädchen sey nicht zu vergeßen, ich wolte, idl<br />

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137


sorgen und erstarren noch oben ein, so oftmals ihr Leben und Gesundheit<br />

zu danken hahen, ihn links und unvernünftig beurtheilen.<br />

Eben der arme Smwache, den man schon in <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>- und Knaben­<br />

Jahren so gern Gott geben wolte - hält nun noch - eben dieser<br />

Smwache hat durch Gottes Beystand mehr geleistet wie seine baumstarke<br />

Gesmwister - sein morsmes Gebäude, sein gefangenes Herz<br />

und Lunge fängt nun im 48 ten Jahre an unterzuliegen - nUll thun<br />

sol me gewisse Nächste - - -, 0 Gott, was giebt es für Dormeusen, als<br />

wenn der Leidende, der ohne gehäufte Sorgen bis ans Unterleib gesm<br />

wollen ist, nom fehlte, nimt genug hoffe te und der dennom, ich<br />

könte den größten Fluch thun, 100 mahl mehr, wie erforderlich auf<br />

die natürIimste Arth leistet, erfindet, thut. Es ist mir eklim, davon zu<br />

sprechen - und im danke Gott, daß viele, viele mim kennen, lieben,<br />

vertrauen, wol und gut handeln. Vielleicht hilft Gott wieder. Im kan<br />

mich schon wieder tragen lassen. Es ist rührend, wenn im Dir einige<br />

Versicherungen und Theilnahmungen erzählen wolte. 0, es giebt auch<br />

edele Dormensen!<br />

Vielleimt folgends ein kleiner Appendix zu Deinen vorigen Briefen.<br />

Aber daß Du nimt, als Selbstdimterinn die lezte Zeile änderst, SOlist<br />

nie wieder.<br />

Günstiges Glück führt dieses Uebel bey sim<br />

Daß es verzärtelt; Unglück diese Güte,<br />

Daß es die Herzen endlich stählet, die ea Anfangs verwnndet.<br />

Kummer von Dauer ist auch nicht heftig.<br />

Mam' das Geschick dir durch Geduld zur Freundinn.<br />

Wird durch Gewohnheit nimt die ••. 118<br />

Endlim erträglim ?<br />

Empfiel mich dem Hochgeehrten Hrn. Bruder! empfiel mim allen den<br />

Deinigen! Lebe wohl!<br />

25.<br />

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Wolfenbüttel d. 16 ten Januar 84.<br />

[Durm Aussmneiden eines Stückes verstümmelt.] .<br />

Schwester!<br />

Wenn Du Dir mahl eine kleine böse Aufmunterung machen wilst, so<br />

ließ: Almanam für Aerzte und Nichtaerzte 1784. pag. 168 und folgende<br />

Seiten. IiD<br />

Ein schönes smarfes Messer - und doch wohl nom nicht smarf genug.<br />

Unter 1000 Empfehlungen<br />

Dein armer kranker Bruder Topp.<br />

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T.<br />

139


26.<br />

W olfenbüttel, d. 9<br />

Schwester Carpzov!<br />

in stärkster Sdlwäche -.<br />

ten MärtJ 84.<br />

es ist nicht alles so, wie es ist -<br />

Deine lezte Zuschrift zeigt mir Dein Herz, Deine Liebe, die idl auch<br />

nie bezweifelt habe - aber einen Bruder, der nun bald abgerufen' wird,<br />

nochmahl zu sehen, zu erfreuen, zu erquicken - 0, da sind 4 Meilen<br />

3 Reisen um die Welt - Hier ist ja weder Staat noch Ceremonie nötig,<br />

sondern nur Hand, Herz, Augen.<br />

Die liebe Mutter nimmt wahren Antheil an meinen Leiden - idl<br />

beklage sie - Da sie fürchtet, die beyden lieben jüngsten Söhne mödlten<br />

mir zu laute seyn, wie sie dodl nimt sind, so müssen diese alle Mittage<br />

bey ihr seyn und von da zur SdlUhle. Am, es sind gute Jungens!<br />

Olme Ernestine wäre im smon lange todt.<br />

Antwort und Liebe - Liebe und Antwort!<br />

Gottes reichen Segen<br />

Leb wohl!<br />

über Dich und die Deinigen!<br />

Dein<br />

alter innigstgeplagter, den Gott bald<br />

begnadigen wolle!<br />

Topp.<br />

11. Ab s eh i e d sb r i e f Top p san sei n e Fra u.<br />

[Wolfenhüttel Ende März 1784.]<br />

Liebe, beste Frau!<br />

Im laufe in Gefahr, Dich, meine Liebe! zu verlassen, da mein von<br />

Jugend an kränklicher Körper jent immer mehr in Verfall geräth -<br />

Gott! Laß uns Deine Wege in demütigster Anbetung verehren, und das<br />

hellere Licht erwarten, welroes Du, Unendlicher! den Mensroen zu zeigen<br />

verhcissen hast. Ach! welche Wonne ist es nitnt schon, sich nur ein<br />

Leben zu denken, wo wedcr Krankheit, Ungemach noch Tod ist, wo<br />

hingegen allgemeine Liebe, und seelge Harmonie hersrot - Also laßt<br />

uns Gott preisen, so oft einer unsrer besten Freunde dies Leben voller<br />

Mangel und Sorgen verläßt. Wenn der Tod noch so bitter ist, - 0,<br />

so nimmt er dennoch uns die dickste Binde ab, mit welcher unsre<br />

Augen versdll08sen waren - wir werden aufs neue Kinder, aber mit<br />

unendlichem Vollkommenheiten -. Preiß und Lob dem Ewigen, der<br />

diese Wahrheiten unserm Geist eingedrückt hat!<br />

Im muß mich mit Macht von diesen Empfindungen losreissen, von<br />

welchen mein Herz so voll ist, 11m mein eigentliches Vorhaben zu er-<br />

140<br />

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füllen, nemlich mit Dir, Theurste! noch elDlges durchzuspredlen, wie<br />

ich es gerne nadl meinem Tode wollte gehalten wissen.<br />

Allen Aufwand mit Verstorbenen halte ich vor Thorheit, Sünde und<br />

Versdtwendung, demohngeachtet fühle ich leider die Gewalt, die das<br />

Vorurtheil auf die Nachgelassenen würken kann. So stünde mein Cörper<br />

einen jeden Zergliederer zu Dienste, und es würde sich schon wegen<br />

der starken Verbauung meines Cörpers und der dadurch nach innen ge·<br />

drückten 60 Eingeweide für einen achtsamen Naturforscher manches Merk·<br />

würdiges finden, aber so sehe ich schon, daß idl dieses Vermächtniß<br />

nicht machen darf.<br />

Nun, so sey denn ein Hemd 61 meine Bedeckung und eine unnöthige<br />

NachtmütJe mein Hauptzierrath. Mein Sarg sei Tannenholz - platt<br />

hätte ich es am liebsten. Das Vorurtheil wird ja wohl auch Ringe an<br />

Selbigen ordenen. Keine Besrhlagung der Diele, kein Leichen.Gefolge.<br />

In Stille wünsroe ich <strong>des</strong> Morgens, meinen Körper zur Erde zu bringen.<br />

Alle Trauer über mich Unwürdigen, der nun durch G[ottes] G[nade]<br />

würdig erkannt ist, aey äußerst gemässigt und von kurzer Dauer - so<br />

sehe ich gern, daß meine Söhne nur mit Unterkleidern trauren, und nicht<br />

länger, als bey ihrer wachsenden und rührigen Lebensart dies etwa<br />

halten will. Darf auch nur alt seyn, wenn man es kriegen kann, da dgl.<br />

schwarze Kleidung so viel zu haben ist.<br />

Hierans, Unvergeßliche! siehst Du schon, daß ich Einschränkung auf<br />

alle Weise empfehle - also den wohlfeilsten Kirchhof, keine aus·<br />

gemaurte Gruft, kein Leimenstein, noch Inschrift. Außer den Policey<br />

Dienern, so wie idl glaub viere seyn müssen, können ein Paar Stadt<br />

Chirurgi (als etwa Wallmann, Sandhagen 62 ) mir das Geleite geben, so<br />

auch der Tischler, der das Sarg machet, und wer es sonst seyn mag.<br />

Durchaus kein Kutschen Gefolge. So erlasse 63 ich auch meinen Kindern<br />

den Sdlmerz, mich bis an die Gruft zu begleiten. Es wird sich doch in<br />

ihren Leben, wie bey allen nachdenkenden Sterbliroen Ursach zu Träh·<br />

nen genug finden.<br />

Prediger und Schuleollegen müssen durchaUI; haben, was ihnen ge·<br />

hört, aber dieTräger nicht mehr, wie bey dem Begräbniß meiner seelgen<br />

Frau.<br />

[Erörterung von Nachlaß·, insbesondere Geldangelegenheiten.]64<br />

Anmerkungen I 1 Empfindungen am Frühlingsabend" in: Neue Braunsmweigisme<br />

Zeitung 1769 Nr.80 (29. Mai) S.4.<br />

2 Gedr. N. Br. Ztg. 1769 Nr.92 (19.1uni) S.4.<br />

S Im Drum a. a. 0.: .. Lebt wohl! wenn die Gottheit es will, wenn ein fühlloses<br />

Herz es kan."<br />

• Welmer akademisdte Würdenträger Helmstedts hier gemeint ist, vermögen wir<br />

nidtt zu sagen; der Prorektor, damals Philil'p Konrad Fabriciu8, wird kaum in Frage<br />

kommen.<br />

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141


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U Vermutlich Beireis, von dem Topp sehr wenig hielt.<br />

68 Gelehrte Beytr. z. d. Brschw. Anz. vom 29. Dez. 1779 Sp. 807 f.; in vollem Wortlaut<br />

mitgeteilt im nächsten Briefe.<br />

44 Oder "apäre"?<br />

41 Patienten von Beireis ?<br />

48 Volksetymologisdle, natürlidl spaßhaft gemeinte übersetzung <strong>des</strong> niederdeut.dleo<br />

"Möte" = Begegnung.<br />

U Kratzenstein (s. Anm. 34).<br />

'8 S. Anm. 43.<br />

U Gelehrte Beytr. z. d. Brschw. Anz. 1780 St.26 (1. April) Sp. 211 f.<br />

&0 Aus der Verbindung von Wilhelmine Benedikte Carpzov mit dem Professor Henke<br />

(s. o. S. 116).<br />

61 Henriette L., eine der Töchter erster Ehe <strong>des</strong> Bürgermeisters Joach. Diedrim L.<br />

(s. Anm.13), die, lange unverheiratet, die Kinder allS den beiden folgenden Ehen <strong>des</strong><br />

Vaters erziehen haIE, später ihrem Bruder Anton Aug. Heinr. nach Hamburg folgte<br />

und sich dort noch verheiratete (Hinr. Lichtenstein, Stammbaum der bürger!. Familie<br />

L., Berlin 1835, S. 15).<br />

52 Der bekannte französische Finanzminister.<br />

58 Katharina II von Rußland.<br />

&4 D. i. Hochzeit; sie fand am 16. Nov. statt.<br />

n Gelehrte Beytr. z. d. Brsmw. Anz. 1780 St. 67 (26. Aug.) Sp. 525-528.<br />

88 Verstümmeltes Wort.<br />

n Bergrat Lorenz Cr., 1773_1810 Professor der Philosophie und Medizin zu<br />

Helmstedt.<br />

58 ••• : zwei dick durchstrichene und <strong>des</strong>halb unleserliche Wörter.<br />

&9 "Almanach f. Aerzte und Nichtaerzte" a. d. Jahre 1784, hrsg. von Cbrn. GottEr.<br />

Gruner, Jena, 1784, S.168-18<strong>2.</strong> Es handelt sich um einen ungemein sdlarfen anonymen<br />

Aufsatz gegen Beireis, der übrigens an keiner Stelle namentlich erwähnt wird, mit<br />

der überschrift: "Beantwortung der Preißfrage: Wie muß es ein Arzt, er sei Praktiker<br />

oder Professor, anfangen, um bei weniger Gelehrsamkeit und 'ohne reelle Tätigkeit<br />

dennoch in kurzem berühmt, geehrt, geschätzt und belohnt zu werden? Wie kann ein<br />

einzelner Mann alle Fächer als Lehrer, würdig ausfüllen, die er zum Teil gar nicht,<br />

zum Teil nur halb verstehet, und noch dazu Nebenarbeiten treiben?" Daß Topp der<br />

Verfasser sei, ist trotz der Bemerkung in Nr.18 (S. 134): "Ich bin dem •.• Hofrath<br />

Beireis aum nom eine Antwort schuldig" ausgeschlossen.<br />

60 "nach innen gedrückten" verschrieben in "innere gekränkte",<br />

81 Verschrieben in "Hand".<br />

S2 "als - Sandhagen" durchstrichen.<br />

88 "erlasse" verschrieben in "entlasse".<br />

e, Am Fuße der letzten Seite folgender Vermerk: "Diesen Brief bat mein Sei. Bruder<br />

an seine Frau geschrieben, daß sie ihn nach seinem Tode hat lesen sollen."<br />

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143


maurerel Jener Zeit. In Braunsmweig hatte sie einen vom nimt regierenden,<br />

aber einflußreichen Herzog Ferdinand 14 , dem geradsinnigcn<br />

Mensmen und siegreimen Feldherrn <strong>des</strong> Siebenjährigen Krieges, als<br />

einem Ordensgroßmeister gefühlsmäßig wie materiell gleim lebhaft geförderten,<br />

unter englischem Einfluß stehenden Mittelpunkt. Auch andere<br />

braunscllweigische Prinzen gehörten ihr an. Herzog Karl Wilhelm<br />

Ferdinand war scllOn darum ihr Protektor. Lessing, selbst der Freimaurerei<br />

zugewandt, hatte sim während seiner Wolfenbütteler Jahre in<br />

dem Zwiegesprädl Ernst und Falk mit dem freimaurerismen Weltbürgertum<br />

ideenreich auf nationaler Grundlage auseinandergese\jt.<br />

Mauvillon, jener Vermittler aum radikaler, französisch-politischer<br />

Forderungen, war ein seit 1770 tätiger Logenbruder 1G , seit etwa 1785<br />

scheint sich nom lebhafter der dem Kreise der Carolinum-Professoren<br />

ebenfalls zugetane Domprediger Feddersen 10 beteiligt zu haben.<br />

Der weltmännism vielleimt gewandteste, literarisch gesclmlteste<br />

deutsche Vermittler zwismen dem englismen Liberalismus, dem Hofe<br />

und der gebildeten Oberschicht Braunschweigs war der Hofrat lohann<br />

Arnold Ebert, Professor für Englisdl und Griechisch am Collegium Carolinum,<br />

geboren in Hamburg 1723 als Sohn eines mittellosen Soldaten,<br />

gestorben 1795. Mitglied <strong>des</strong> Leipziger Dimterkreises der Bremer Beiträger,<br />

übrigens als Dimter unbedeutend, verhalf er durm sein literarisch-pädagogisdles<br />

Talent der deutschen Aufklärungsdimtung gleimwie<br />

dem literarischen Vorbilde Englallds zu entsmeidendem Einßuß17. Den<br />

Herzog Karl Wilhelm Ferdinand hatte er nom als Erbprinzen für die<br />

aufblühende deutsche Literatur gewonnen, Lessings Berufung nam<br />

Wolfenbüttel hatte er eingeleitet, hatte ebenso einen Ruf seines guten<br />

Freun<strong>des</strong>, <strong>des</strong> Dimters Klopstock, nam Braunsmweig veranlaßt, den<br />

dieser nur zögernd abgelehnt hat. Im Innersten seines Herzens war<br />

Ebert, seiner Herkunft und seinem selbsterkämpften Aufstieg entsprechend,<br />

wie andere smriftstellernde Deutsche seiner Zeit, insbesondere<br />

aum wie Klopstock, ein seelisch unabhängiger, politisch frei<br />

denkender Mann geblieben. Und gerade auch als solchen, innerlich ihm<br />

einigermaßen Ebenbürtigen scheint Karl Wilhelm Ferdinand seinen<br />

Hofrat Ebert gesmä\jt zu haben.<br />

Das geht auch aus den Gesprächen bei Tafel und im Salon hervor, die<br />

im Herbst 1789 im Grauen-Hof-Schlosse zu Braunschweig vor sim gingen<br />

und deren drei von Ebert in einem langen Briefe Mitte November 1789<br />

an Klopstock zum Teil kurz angedeutet worden sind. Von diesem<br />

Briefe, der sim im Privatbesilj befindet, ist zwar nur der Schluß erhalten,<br />

vermutlim jedom die volle zweite Hälfte und in ihr die braunsmweigischen<br />

Beziehungen smeinbar vollständig. Das Brieffragment ist<br />

aum im übrigen eine wertvolle Äußerung zur politismen Gesinnung der<br />

146<br />

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damals literarisch noch führenden Kreise ganz Deutschlands. Durdlweg<br />

also ergiinzt es auf das glüddimste, was insbesondere Carl Smüddekopf<br />

im Braullsdlweigismen Magazin 1S unter dem Titel: "Joh. Arnol,)<br />

Ebert und der braunsdlweigisdle Hof" an der Hand bis dahin unbekannter<br />

Berichte und Briefe mitgeteilt hat.<br />

Es folgt nunmehr der erhaltene Brief text F,berts; nur die sechs ersten<br />

\Vorte mußten und konnten, auf Grund <strong>des</strong> <strong>Folge</strong>nden, sinngemäß ergänzt<br />

werden:<br />

[War es zu glauhen, daß Wieland] auf die Nationalversammlung und<br />

die ganze Hevolution und ihre Vertheidiger bitterböse seyn würde? Er<br />

jammert und schimpfet gewaltig darüber, daß der Geist <strong>des</strong> Aufruhrs<br />

int in allen Köpfen, und sogar in Klopstocks seinem rumoret. Nodl<br />

mehr aber ärgert es mich, daß Wieland sich habe erniedrigen können,<br />

diese große und hömst ernsthafte Same, die er in seinem sellünen Gespriime<br />

zwismen Walther und Adelstan so vortrefflidl uns auseinander<br />

zu setlen und darzustellen angefangen hatte, in seiner sogenannten<br />

kosmopolitischen Addresse p so scurrilisch zu persifliren. - Gott gebe,<br />

daß Sie hald aum den glücklichen Ausgang dieser wielltigsten Begebenheit<br />

unserer Zeiten besingen können! - Vor ein Paar Wochen fragte<br />

mim der Herzog über der Tafel, wo Sie i!}t lebten, ob noch in Hamburg.<br />

Bey dieser Gelegenheit sagte die mir gegenüber si!}elHle Herzogin zu<br />

mir, Sie hätten ja auf die Revolution, (der sie eben niellt abgeneigt ist,)<br />

eine Ode gemacht. Der H., der etwas weiter entfernt saß, schien es nicht<br />

redlt gehört zu haben, und fragte, was das wäre: Im erklärte es ihm,<br />

und sagte, Sie hätten darin das prophezeyt, was Sie schon längst gewünsmt<br />

hätten, wie man immer das zu hoffen pflegte, was man wünschte.<br />

- Einige Zeit nachher war ich allein bey ihm, und da kam er unter<br />

andern auch auf die Revolution, und verlangte meine aufridllige Meinung<br />

davon zu hören. (Gleim im Anfange derselben spram er aum<br />

einmahl mit mir davon, und bezeugte mir seinen äußersten Unwillen<br />

über die gewaltsamen Hinrichtungen <strong>des</strong> Foulon u. a., ob er gleich jenen<br />

selbst für einen sdllechten Mann erkennen mußte!) Ich antwortete ihm<br />

diesmahl, ich könnte nimt umhin, sie für ein Werk der Vorsehung zu<br />

halten, und wäre fest '\"Crsimert, daß diese es herrlidl hinausführen<br />

wiirde; es müßte und könnte auch leimt besser werden, als es vorher<br />

gewesen wäre, wenn auch nicht alles, wenigstens so bald, so gut und<br />

vollkommen würde, als man wünsellen möellte; u. s. w. Er bedauerte<br />

sehr, daß der Mittelweg zwismen dem abscheulidlen Desbotismus und<br />

einer Demokratie so schwer zu treffen wäre; daß dom keine Demokratie<br />

glücklim wäre, und berief sich auf Genf, p. IdI behauptete, daß sim<br />

auch keine glücklime Demokratie von 25 Millionen Mellsroen wohl denken<br />

ließe; daß aber aum die NationalversaIllmlung meiner Meinung<br />

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147


nadl an so etwas nie gedamt haben könnte; u. s. w. - Die armen Brabantcr!<br />

Gott helfe ihnen! Einer von den Gefangenen, (wo er nimt<br />

smon gehcnkt ist,) der Hofmeister <strong>des</strong> jungcn Düc d'ürsel, der hier<br />

einige Jahre dcs jungen Grafen v. Walmoden-Gimborn Hofmeister war,<br />

ein Schweizer, mit Namcn Secretan, der bey Hrn. Eschenburg Deutsdl<br />

lernte, und bey mir einige Stüd..e aus Ihrem Messias und etliche Oden<br />

von Ihnen gelesen hat, dieser dauert mim besonders. Ich hoffe aber<br />

dom noch, wenn er anders noch lebt, daß der alte Gr. Walmoden, der<br />

lange in Wien hanllöverscher Gesandter gewesen und vom Kaiser gesmä!}t<br />

worden ist, alles thun werde, um sein Leben zu retten.<br />

Dieser Brief hat etliche Tage unvollendet liegen bleiben müssen.<br />

Heute frühe habe ich unsern Schmid zum Grabe begleitet. - Gott sey<br />

ewig gedankt, daß wir nicht auf ewig dahin seyn werden!<br />

Br. d.19. Nov. Ganz der Ihrige,<br />

J.A. Ebert.<br />

Meine Louise grüßt Sie herzlich.<br />

Gehen wir nun das einzelne durch.<br />

Zulent, aus dem Schluß, erfahren wir bereits unerwarteterweise<br />

einen erwünschten Hinweis auf die im fehll'nden ßriefteil vermutlich<br />

vorangegangene Datierung: "Heute frühe habe ich unsern Smmid zum<br />

Grabe begleitet." Gemeint ist Eberts langjähriger literarischer Weggenosse<br />

und Kollege am Carolinum Konrad Arnold Schmid, der am<br />

16. November 1789 gestorben ist. Nicht weit vorher ist aum der Briefempfänger,<br />

Klopstock, leicht kenntlich, insofern Ebert diesen Empfänger<br />

als den Verfasser <strong>des</strong> Messias nennt, an <strong>des</strong>sen Versen er den Genfer<br />

Secretan Deutsch lernen läßt.<br />

Und nun wieder zum Anfange <strong>des</strong> Brieffragmentes, der uns sogleich<br />

mitten hineinversent in die politische Aufregung jener Zeit. Noch stand<br />

die große Revolution in ihrem fast alle aufgesdllossenen Gemüter erwartungsvoll<br />

bestimmenden Morgenrot. Ebert bekennt sich gegen Klopstod..<br />

rückhaltlos zu einem Anhänger ihrer Ideen, zum Verfechter aum<br />

ihres praktischen politischen Zieles, <strong>des</strong> Niederringens eines erstarrten<br />

monarchismen Absolutismus. Hingerissen von den verheißungsvollen<br />

Pariser Ereignissen, in einer Art Trunkenheit, wie sie so mamnen Kopf,<br />

und besonders heftig die leicht entzündlidle Dichterphantasie Klopstocks<br />

ergriffen hatte, verliert auch Ebert offenbar das Verständnis für<br />

<strong>des</strong> älteren Wielands gelassenere Art, die Gärungen jener Zeit durchweg<br />

zu betradlten. Denn so darf man wohl annehmen, wenn man hört, was<br />

unter anderen auch Julian Smmidt 19 just über die in Eberts Briefe genannten<br />

Äußerungen Wielands sagt:<br />

148.<br />

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seiner deutschen Heimat, elend und einsam sterben sollte. Merkwürdig,<br />

ja dämonisdl mutet bei alledem an, daß eben in der Zeit, als Ebert<br />

diesen Brief abfaßte und für den Parteigänger radikaler Revolutionäl;e<br />

eintrat, diese selbst, beeinßußt vielleicht durch Mirabeau, den Herzog<br />

Karl Wilhelm Ferdinand aufforderten, gegen den Kaiser an ihre Spi!}e<br />

zu treten uhd sidl zugleidl mittels eines Teiles von Belgien ein Kurfürstentum<br />

zu gründen, wie denn wenig später, Anfang 1792, bekanntlich<br />

sogar die Franzosen versuchten, durch Custine den Herzog zum<br />

französischen Oberbefehlshaber für den drohenden Krieg gegen das<br />

französische Ausland, also auch gegen Deutschland, zu gewinnen 26 • Bei<br />

Ebert überwog wohl in seiner Beziehung zu Seeretan während <strong>des</strong>sen<br />

Aufenthaltes in Braunsellweig ein allgemein menschliches Interesse an<br />

der vermutlich französisch-weltmännismen Regsamkeit <strong>des</strong> nom jugendlim-bildsamen<br />

ausländischen Hofmeisters. Wie wir von Ebert selbst<br />

vernahmen, lernte er ihn persönlich näher kennen bei der Lektüre KlopstolksellCr<br />

Werke. Der deutsellC Unterricht Secretam bei Eschenburg<br />

und lebhafter Verkehr dieser drei Männer aum im geistig regsamen<br />

Großen Klub mag das übrige getan haben für die besondere Teilnahme<br />

um Schid{sale Seeretans. Dieser ist denn im Großen Klub auch wohl<br />

noch mit Lessing bekannt geworden.<br />

Und so begegnen wir noell einmal gegen das Ende unserer Betraelltung<br />

dem großen Schatten Lessings und halten an. Lessing, der größte,<br />

unbefangenste jener bedeutenden, liberal gesinnten Männer um Kal'I<br />

Wilhelm Ferdinand und Ebert, Lessing, <strong>des</strong>sen lebendige Wirkung daher<br />

auch in Braunschweig zur Zeit unseres Ebertschen Brieffragmentes<br />

noch keineswegs erloschen war. Nur freilich vom Lessingsmen Smarfblick,<br />

von Lessingsmer Bedachtsamkeit und ideeller Entsagungsfähigkeit<br />

spüren wir kaum noch etwas; sicher nicht bei Ebert, der dom ein wenig<br />

selbstgefällig sich auf der Oberfläche der Erscheinungen dahintreiben<br />

ließ. Seine und allerdings auch der ihm gleichgestellten Braunschweiger<br />

Erwartungen vom äußeren Verlauf der Pariser Revolution waren noch<br />

unbekümmert zuversichtlich, allerdings auell nodl ganz naiv.offenherzig,<br />

wie unser Brieffragment erkennen läßt. Dieser Glaube an die unbedingte<br />

Durmsmlagskraft der Vernunft war bei all seiner Gefährlimkeit doch<br />

der beste Teil der bewundernswerten Illusionsfähigkeit <strong>des</strong> 18. Jahr.<br />

hunderts. Männer freilich wie Lessing etwa und Friedrich der Große,<br />

aum noch wie Karl Wilhelm Ferdinand, lernten die dogmatische Ver·<br />

bindlichkeit solchen Glaubens entbehren, ohne an Widerstandskraft<br />

gegen skeptisme Resignation zu verlieren. Andere aber entmannte der<br />

Pessimismus. Für diese war die politisdte Illusion, wie sie bis 1792 audl<br />

die besten Braunsmweiger behcrrsmte, ein absolutes Glülk. Für alle<br />

aber gab es damals noch keine politismen Parteien, überhaupt nodl<br />

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seinerseits gefühlsmäßig als Träger alter, erprobter Traditionen zögernd<br />

abwartende Herzog mehr als Lessings nähere Freunde, einsmIießlim<br />

unseres Briefschreibers. Lessing hätte, gerade weil er ein unnam·<br />

simtiger Feind von Versmleierungen, Besmönigungen und Schlagworten<br />

war, den Herzog trösten können; ein Ebert, ein Klopstock und ihres·<br />

gleichen, mit aIl ihrer Selbsttäuschung, konnten es nimt.<br />

Anmerkungen I 1 Vgl. z. B. S. Stern: "Karl Wilhelm Ferdinalld", Hil<strong>des</strong>heim, Lax,<br />

1921, S. 178ff. - Dieselbe: "Ein Kampf um die Pres8efreiheit in Brannschweig" Jahr·<br />

huch <strong>des</strong> <strong>Geschichtsvereins</strong> f. d. Herzoglum Braunschweig, 1915/16, S. 18ff.<br />

2 1709_1789.<br />

• H. Welschinger: "Mirabeau in Berlin", Leipzig, Schmidt & Günther, 1900; ins·<br />

besondere S. 112 ff., 273 ff.<br />

4 Siehe etwa, auBer Stern a. a. O. S.118, Erdmannsdörfer: "Mirabeau", Bielefeld und<br />

Leipzig, Velhagen & Klasing, 1900, S. 56/57.<br />

& Original in Privatbcsitz. Mirabeau lädt sich kurzerhand bei Hardenberg auf<br />

einen Mittag ein. Die beiden Tage vorher nimmt ihn der Hof in Ansprum, wo der<br />

Herzog eine Vertrauensperson zurückgela8sen hohen mochte, wenn er nicht doch selbst<br />

zu kurzem Aufenthalte von Wesel (siehe weiter im Haul'ttext) in seine Residenz zn.<br />

rückgekehrt war. l\1irabeau smreibt: aujourd'hui et demain la cour s'est saisie de moi;<br />

y a·t·i! de I'illdiscretion a vous demander une cotelette pour mercredi?<br />

8 v. Masgellham: "Memoiren", Amsterdam 1809, I. S. 10.<br />

T 1741-1794; aum war er Professor am Collegium Carolinum, hauptsächlich für<br />

Krieg"wissen8chaften.<br />

8 1745_1818. 8 1746-1818. 10 1767-1830.<br />

11 Vgl. Hänselmann: "Das erste Jahrhundert <strong>des</strong> Großen Klubs in Braunschweig",<br />

S. 52, 65; Stern a. a. O. S. 25<strong>2.</strong><br />

12 Ersmien in Braunsmweig 1788_179<strong>2.</strong> Auch der pbilanthropisme Smulmann Stnve<br />

gleichwie der bedämtigere und erfolgreiche spätere Reorganisator nnd Leiter <strong>des</strong><br />

Katharineum.Gymnasiums zu Braunschweig, Konrad Heusinger, waren an ihm beteiligt.<br />

18 V gl. J. Leyser: "J.II. Campe", <strong>2.</strong> Ausgabe 1896, 1. <strong>Bd</strong>., S. 366 ff. - Briefstelle zum<br />

<strong>Folge</strong>nden abgedruckt u. a. bei A. v. Sydow: "Wilh. und Caroline v. Humboldt in ihren<br />

Briefen", Ausgabe in einem Bande, S. 11.<br />

a t 1792; Oheim Karl Wilhelm Ferdinands.<br />

lfi VgI. Lammann: "Gesmimte der Freimaurerei in Braunsrhweig", 1744-1844.<br />

Braunschweig 1844.<br />

18 t 3l. Dez. 1788; Lachmann a. a. O. S.106ff.<br />

17 V gI. neuerdings H. Wall: "Die Entwicklung der deutsmen Dichtung im 18. J ahrh.<br />

und die Männer <strong>des</strong> Braunschweiger Kreises". Freiburger Dissertation 1925.<br />

18 1895, S. 16 !f., 25 ff. Siehe dazu Wall a. a. O. S. 52 ff. uud den hier folgenden Aufsatz<br />

P.Zimmermanns: "Neue Beiträge für Joh.Arnold Ebert und den <strong>Braunschweigischen</strong> Hof."<br />

19 "Gesdlimte der Deutschen Literatur seit Lessings Tode" I, S. 335 f.<br />

20 V gl. Kürsmners "Deutsche Nationalliteratur" 47. Band (Klopstocks Werke,IU), S.181.<br />

11 Vehse: "Gesdlichte der Höfe <strong>des</strong> Hauses Braunschweig" I, S. 272 Cf.<br />

22 Havemann: "Gesmimte der Lande Braunsmweig und Lüneburg" III, S.711.<br />

23 Im Tagebuch erwähnt <strong>Bd</strong>. H, S. 150: 17. 3. 1781.<br />

24 Webers "Weltgesdlidlte" XIII, S.426; Moke: "Histoire de la Belgique" (J886),<br />

8. AuB., S.566; G. Forster: "Aosimten vom Niederrhein, Brabant ete.", Berlin 1793,<br />

11, S.40, 105 H.<br />

25 A. a. O. 11, S. 57, 58.<br />

25 Selma Stern a. a. O. S.181ff.; O. v. HeinemaIln: "J(arl Wilhelm Ferdinand und<br />

die französische Revolution" (in: "Aus der Vergangenheit <strong>des</strong> Welfischen Hauses",<br />

Wolfenbiittel, Zwißler, 1881) bespricht nur eben diese Sendung Custines an den Herzog.<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042179<br />

155,


Neue Beiträge für J oh. Arnold Ebert und den<br />

<strong>Braunschweigischen</strong> Hof / Von P.Zimmermann<br />

In einigen der ersten Nummern <strong>des</strong> Braunsmweigischen Magazins hat<br />

Karl Smüddekopf im Jahre 1895 1 einen smönen Aufsan über "Johann<br />

Arnold Ebert und der braunsmweigische Hof" veröfIentlimt und damit<br />

einen Teil <strong>des</strong> Planes ausgeführt, der ihn lange Zeit besmäftigt hat,<br />

eine eingehende Monographie über Professor Ebert zu schreiben. Im<br />

nahm diesen Aufsan wieder zur Hand, als ich vor etwa zwei Jahren in<br />

der Wolfenbütteler Bibliothek die Autographensummlung der Fräulein<br />

Vieweg durmsuh und dabei auf eine größere Anzahl von Briefen Braunsmweiger<br />

Fürsten an J. A. Ebert stieß. Zu meiner großen Verwunderung<br />

hat Schüddekopf sie nicht benunt, obwohl sie sich damals schon in<br />

der Bibliothek befanden, und er selber die Sammlung erwähnt. Es muß<br />

ein starkes äußeres Hindernis hier vorgelegen haben; sonst wären die<br />

Schriftstücl..e dem eifrigen, glücl..lichen Spürsinn Smüddekopfs gewiß<br />

ni mt entgangen. Für die Sache aber ist es nur zu bedauern, daß er sie<br />

bei seiner Arbeit nimt heranziehen konnte; sie hätten ihr in inanmer<br />

Beziehung eine sehr erwünschte Bereicherung gebramt. Im möchte jent<br />

versuchen, das damals Versäumte kurz nachzuholen. Denn leider ist der<br />

Verfasser jenes Aufsanes durch seinen frühzeitigen Tod (30. März 1917)<br />

selbst daran verhindert worden.<br />

Da ist zunächst ein Brief <strong>des</strong> regierenden Herzogs Karl, der Schüddekopf<br />

wohl veranlaßt haLen würde, sein Urteil, es habe sich zwischen<br />

ihm und Ebert ein näheres Verhältnis nicht bilden können, ein wenig<br />

zu ändern. Der warme Ton und das Zartgefühl, womit dieses Schreiben<br />

abgeCaBt ist, bezeugen zur Genüge, daß der Fürst den Wert und die<br />

Bedeutung eines Ebert wohl zu würdigen verstand und aufridltiges<br />

Wohlwollen für ihn hegte. Es ist die Antwort auf ein Schreiben Eberts,<br />

in dem dieser ihm vor der öffentlichen Verkündigung seine Verlobung<br />

mit Luise GräCe, der Tochter <strong>des</strong> Kammerrats Gräfe, die er am 18. Mai<br />

1773 heimführte, anzeigte und um die Verleihung eines Kanonikats bat,<br />

das er unterm 18. März 1773 im Stifte St. eyriaci auch wirklidl erhielt.<br />

Der Herzog schreibt:<br />

Mein lieber Professor Ebert. Ich habe aU9 dem seinigen von ge9tern<br />

das Vergnügen gehaht zu ersehen, wie viel Zutrauen er in mir gesenet,<br />

welches mir '\Yürklich schmeichelhaft, da es von einem Mann, wie ein<br />

Ebert ist, komt. Ich gehe völligen Beyfall seinen Gründen, die er anführet,<br />

weshalb er sich entschloGen, nach reifer überlegung sich eine<br />

angenehme Gattin zuzugesellen. Ich wünsche ihm von Herzen viel Glücl...<br />

Heil und Segen dazu. Sie muß es würdig sein, da sie von einem Ebert<br />

da?u erwehlet ist, und ist <strong>des</strong>halb horo zu sroänen. Ich gehe also dazu<br />

• 156<br />

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gar gerne meine Einwilligung, und verspredle hierdurdI davor zu sorgen,<br />

ihme so, wie er es verlanget, ein Canonieat zu verschaffen in einem<br />

oder dem andern hiesiger Stifter. IdI wünsme nimts mehr als das Ziel<br />

zu erreidlcn, an seiner Ruhe, Vergnügen nidlt allein, sondern aum,<br />

wenn es möglidI, zu Verlängerung seines Lebens was beizutragen. NidIt<br />

weniger wünsme im dieses seiner zukünftigen Ehegattin. Im werde indeßen<br />

von seinem Vertrauen keinen Mißbraudl mamen, und soll von<br />

mir nimts ehr davon ausgebreitet werden, biß er es selbst der WeId<br />

kund madlen will.<br />

Braunsmweig d. 3. November 177<strong>2.</strong> Carl Hz BvL.<br />

Weit engere Beziehungen als mit dem Vater verknüpften Ebert allerdings<br />

mit dcm Sohne, dem damaligen Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand.<br />

Ihm war er, als er Ostern 1748 an das Collegium Carolinum nam<br />

Braunsmweig als Hofmeister gekommen war, smon im Jahre darauf als<br />

Lehrer nähergetretcn, und cr ist als anregender Gesellsmafter und Berater<br />

namentlidl in literarisdlen Dingen stets in engem Verkehr mit<br />

ihm geblieben. Das beweisen aum die Briefe <strong>des</strong> Fürsten an ihn, die<br />

uns erhalten sind. Smüddekopf hat ansmaulim gesmildert, wie Ebert<br />

seinen Einfluß auf Karl Wilhelm Ferdinand zur Förderung der deutsmen<br />

Literatur und Wissensmaft sowie ihrer Vertreter gesmickt benut}t,<br />

wie er dadurm vor allem die Berufung Lessings nam W olfenbüttel erreidIt<br />

habe. Es war stets <strong>des</strong> Erbprinzen eifrigstes Bestreben, tümtigc<br />

und begüterte PersönlidIkeiten nach Braunschweig zu ziehen. Eine<br />

Reise Eberts nam Hamburg veranlaßte ihn daher zu der Aufforderung,<br />

besonders Sdlimmelmann dort einmal zu sondieren, ob er ni mt zu einer<br />

übersiedlung nach Braunsdlweig geneigt sei. Es handelt sim um den<br />

Hamburger Kaufmann und dänismen Staatsmann Heinr. Karl Smimmelmann,<br />

der großen Reimtum besaß und am 17. April 1762 in den<br />

dänismen Freiherrnstand erhoben war, <strong>des</strong>sen Finanzwirtsmaft aber<br />

sdlOn zu seiner Zeit sehr versmiedene Beurteilung erfuhr. Dem Fürsten<br />

müssen von da ungünstige Nachrimten über ihn zu Ohren gekommen<br />

sein, denn er läßt sim gegen Ebert folgendermaßen vernehmen:<br />

1. Antonettenruh d. 31 ten Juli 1770<br />

Da id! nunmehr mein wehrtester Herr Ebert mit redlt befürmten<br />

muß, Sie vor Ihrer Abreiße nam Hamburg nidlt mehr zu sehen, so empfangen<br />

Sie hier meinen Absmied, und die Versimrung meiner eifrigsten<br />

Wünsme zu dero baldigen und glücklimen Rüclmnft. Solte <strong>des</strong><br />

Baron Smimelman disgrac,;e gegründet seyn, wie im beinahe ursam zu<br />

glauben habe, so wünsmte, es fände sid! Gelegenheit ihn zu sondiren,<br />

ob Braunsdlweig keinen Reit} vor ihn haben könte, nirgend würde er<br />

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157


vielleicht in verschiedene Absidltell nÜßlicher 2 werden wie hier, und<br />

wan er die min<strong>des</strong>te Neigung zeigte, so würde meines erachtens hier<br />

alles concuriren, um ihn völlig zu überreden, Sie wißen, daß wier schon<br />

diese Sache zusamen gewünsdlt haben. Wegen Niensteden ersudle<br />

meinen Nahmen nidlt zu gebraudlCn, solte die Sache auch ja mal möglich<br />

werden, so ist der Punkt dodl noch nicht so nahe, überhaupt bitte<br />

in IIamburg, über alles in der materie einschlagende sehr behutsam zu<br />

sein. Mr W odfort ist sehr curieus, und hat vielen verkehr, daher könte<br />

er dcn herbsten Verdruß mier veruraachen. Leben Sie wol, und versichert<br />

von der Hochachtung, mit weldlCr jederzeit verbleibe<br />

Deroselben<br />

ganz ergebenster Freundt<br />

und Diener Carl W F Erbp.<br />

Den Wert, den Karl Wilhelm Ferdinand auf den Umgang mit Ebert<br />

legte, die aufridltige Dankbarkeit, die ihn gegen den alten Lehrer beseelte,<br />

und seinen lebhaften Wunsch, sich ihm erkenntlim zu erweisen,<br />

ersehen wir deutlich aus dem folgenden Briefe.<br />

<strong>2.</strong> Br: d. 4ten 7 bris 1775<br />

Meine Absimt gehet dahin, Ihnen l lich den Charakter als HoffRht. zu<br />

verschaffen 3 , 2tens von allen nimt allein bißherigen, sondern überhaupt<br />

bestimmten Arbeiten frey zu machen, außer einige Stunden weldle ich<br />

bitten müste, mier zu widtmen, lediglich auf den jelligen Fuß, 3tens neben<br />

der Beybehaltung <strong>des</strong> jelligen Gehalts, hoffe vor erst ihnen alß eine<br />

Zulage, entweder in Natura oder an Geld, ein beBe res Quartier alß<br />

dero bißheriges" und die nöhtige Feurung frey zu schaffen, biß meine<br />

Eigene Umstände, mier dermaleins ein mehreres erlauben.<br />

Da mit dem Herzog meinem H. Vatter in allen Absichten, besonders<br />

aber <strong>des</strong> Collegii halber noch nichts concertiret ist, so ersuche dieses<br />

avertissement vor sich zu behalten. Im würde Ewig UhrSache haben<br />

mier Vorwürffen zu machen, wan auß irgend einer Uhrsache [ich] nicht<br />

Dero gegen mier bewiesene Treue, nam meinen Eingeschränkten Kräften<br />

belohnte. Mittewochen Nachmittag habe ich die Ehre, dieselben bey<br />

mir zu erwarten<br />

ganz ergebenst Carl W F Erbp.<br />

Eine uns nimt bekannte Ursame scheint eine gewisse Verstimmung<br />

Eberts gegen den Erbprinzen veranlaßt zu haben; dieser hat er offenbar<br />

aud. in einem Schreiben an ihn Ausdruck gegeben. Wir dürfen wohl<br />

annehmen, daß die offene freimütige Antwort <strong>des</strong> Fürsten, die ein deutliwer<br />

Beweis seiner Horhswällung <strong>des</strong> Gelehrten ist, etwa vorhandene<br />

Unstimmigkeiten gewiß wird beseitigt haben.<br />

158<br />

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3.<br />

Braunschweig d: 15<br />

P.P.<br />

ten Nov: 1779<br />

Meine Geschärfte erlauben mier, nur erst diesen Abend, dero Sdlreiben<br />

zu beandtworten, und gestehe idl es gern, daß einen so Tragisch<br />

gestirnten Brief nicht vermeinte verdient zu haben, habe ich wiedrige<br />

Eindrü


8.<br />

Die heyden Göttingischen Anzeigen kommen anhey mit meinen verhindlimsten<br />

Dank. Eine dreissig jährige 9 Bekandtschaft mit Ihnen, mein<br />

lieher H. Hofrth: hätte mich smünen sollen gegen allen Verdacht von<br />

Eigenliehe. Fridrich der 2 te hleibet in sciner würklich großen Seite ohnnadlahmIidl,<br />

seine Mängel und Schwädlen aber sind um so mehr zu<br />

vermeyden, da sie Bcweyse abgeben, wie nahe Extrema an einander<br />

grenzcn. Jcden wol denkenden Preussen wird die lente Regirung unvergeßlidl<br />

hleiben, und nie ist wol in einer kürnern Periode eine Nation<br />

durch Aufbietung aller ihrer Kräfte höher gestiegen, als die Preußische<br />

in dcn lellten 40 Jahren. Bloßer Zufall kan dieses nimt sein, vorzügliche<br />

große Ministers und Generale, die der König nicht alle verdunkelte,<br />

hat Preußen nidlt aufzuweysen, es hleihet also Fridriclt den 2ten der<br />

unsterhliche Ruhm, das 'er unter vielen Sdlwämen für das Wohl, den<br />

Uuhm und der Madlt seiner Nation mehr gethan hat, - als mancher<br />

anderer an seiner Stelle sich kaum in Gedanken würde haben heygehen<br />

lassen, das es thunIiclt wäre. Ich verbleibe mit wahrer Freund •••<br />

9.<br />

Empfangen Sie hiebey zurück, mcin lieber H. Hofrath die mir übersandte<br />

litterarische Nachridlten, nebst meinen verbindIicltsten Dank.<br />

Fridrich dcr H. hat wol nie gedacht nom denken können, das seine<br />

privat Briefe mit 80 weniger Smonung dem Publico würden hekandt<br />

gemamt werden. Die Oeuvers Posthume erhalten meines Ermcßens naclt<br />

ihren Werth besonders dadurm, wann sie als Frümte müßiger Stunden<br />

eines Königs angesehen werden, der im Krieg und Frieden vielleimt der<br />

thätigste Man war der je einen Thron bestiegen, und der wehrend einer<br />

vierzig jährigen Regierung die Aufmerksamkeit und Achtung von Eu·<br />

ropa auf sid! zog. Ziehet man dagegcn in Betradlt die seidlten Besdlättigungcn<br />

<strong>des</strong> gcmeinen Haufens gecrönter Häupter, so werden Fridrichs<br />

schwächen in privat Briefen nom immer vieles gewinnen wann gegen<br />

andere Könige, Generale oder Gesdläfts Münner Vergleichnngen angestellet<br />

werden, besonders da <strong>des</strong> Königs Erziehung ganz da nam eingeridltet<br />

war, sein Herz zu verderben und seinen Verstand nimt zu<br />

entwickeln<br />

ganz ergebenst •.•<br />

In dem trefflimen nume Selma Sterns über den Herzog Karl Wilhelm<br />

Ferdinand (Hil<strong>des</strong>heim und Leipzig, Lax, 1921) wird anschaulich<br />

gesdlildert, wie König Friedrich auf scinen Neffen, dem er ein Muster<br />

und Vorbild war, lebenslang den größten Einfluß ausgeübt hat. Abcr<br />

nicht leicht werden sich sonst Äußerungen dcs Herzogs auffinden lassen.<br />

162<br />

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die so wie diese bedeutsame Zeugnisse für die innige Verehrung bilden,<br />

die ihn für seinen großen Oheim beseelte.<br />

Noch zu einem dritten braunschweigischen Fürsten, dem Herzoge<br />

Friedrich August zu Braunschweig-Lüneburg-Oels, <strong>des</strong>sen lebhafte literarische<br />

Interessen ja bekannt sind, hatte J. A. Ebert nähere Beziehungen.<br />

Einen neuen Beleg dafür bietet uns ein Brief, mit dem er am<br />

26. Febr. 1792 ein Buch zurückschickte, das ihm der Herzog wohl im<br />

Anschluß an eine Unterredung gegeben hatte. Leider wird <strong>des</strong>sen Titel<br />

nicht genannt; es hat offenbar von den bösen Zuständen gehandelt, die<br />

vor der Revolution in Frankreich geherrscht haben; Necker ist darin<br />

offenbar schlecllt beurteilt worden. Beachtenswert ist dabei besonders<br />

die politische Einstellung <strong>des</strong> Verfassers; er spricht bei der Revolution<br />

"von der Nothwendigkeit und Nütllichkeit jener großen und merkwürdigen<br />

Staatsveränderung". Diese Äußerungen gewinnen dadurch nom ein<br />

besonderes Interesse, da sie spätere Zeugnisse für die Anschauungen<br />

bilden, die uns Kar! Steinacker in seinem Aufsatle "Revolutionsgespräche<br />

im Jahre 1789 am Braunschweigismen Hofe" vorführt. Der Brief 10<br />

lautet folgendermaßen:<br />

10. Braunschweig, d. 26. Febr. 179<strong>2.</strong><br />

Durcll1auchtigster,<br />

Gnädigster Herzog und Herr,<br />

1\1it unterthäuigstem Danke habe im die Ehre, Ew. Durchlaucht das<br />

mir von Ihnen gnädigst mitgctheiltc Buch hiehcy wieder zurüd.zusenden.<br />

Wenn ich nidlt so 8mOn längst von der Nothwendigkeit und Nütllicllkeit<br />

jener großen und merkwürdigen Staatsveränderung überzeugt<br />

gewesen wäre, so hätten manche dort erzählte Gesmichten von den<br />

Gräueln der vormahligen Haushaltung in Frankreich mich smon allein<br />

davon überzeugen können. Daß aber aum Ew. Durmlaucht Selbst es<br />

sind, davon würde mir schon Ihre letlte Unterredung mit mir einen hinlänglimen<br />

Beweis gegehen hahen. wenn im aum nicht vorher hereits<br />

Ihren einsimtvollen Eifer für Wahrheit und Gerechtigkeit, Ihre unparteyisclle<br />

Menschenliebe und Ihre edle Freymüthigkeit (lauter Eigen.<br />

schaften, die in den jenigen umständen und in der Lage, worin Sie Sich<br />

befinden, für Andre sehr wohlthätig, - vielleicht aber aum für Sie<br />

Selbst gewißermaßen namtheilig werden können; und die ich dennoch,<br />

in dem letltern Falle, aus Ihrem Charakter nicht wegwünschen kann,<br />

weil Sie ja dahey nom weit mehr verlieren würden;) - wenn im, sage<br />

ich, diese rühmlichen, wahrhaftig fiirstlichen Eigenschaften noch nicht<br />

gekannt hätte, so würde mir scllOn jene Unterredung Ihre ganze Gesinnung<br />

in Absimt auf jene wimtige Begebenheit und die großen uno<br />

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163


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TafelIl<br />

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6


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,<br />

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seines Freun<strong>des</strong>, <strong>des</strong> damaligen Konrektors an der Wolfenbütteler<br />

SdlUle, Konrad Heusinger, im Braunschweig. l\Iagazin vom 2<strong>2.</strong> und<br />

23. November 1788, einen Bericht, der durch weitere Nachforschungen<br />

in Kirchenbüchern und Akten nur wenig ergänzt und berichtigt zu<br />

werden braucht.<br />

Christian Friedridl Krull wurde als ältester Sohn aus der Ehe <strong>des</strong><br />

Pastors Johann Heinrich Krull mit Elisabet Henriette Heiring 5 am<br />

11. April 1748 im braunschweigischen Orte Hessen geboren, besuchte in<br />

Wolfenbüttel die höhere Schule, wo er mit Heusinger sich befreundete,<br />

wurde dann am 28. April 1768 9.ls studiosus juris in das Album der<br />

Helmstedter Universität eingetragen 6 , sattelte aber bald um und versuchte<br />

Mathematik und Naturwissenschaften zu studieren, freilidlohne<br />

remten Erfolg; denn er widmete sidt, wie schon auf der Schule so aum<br />

in Helmstedt, fast aussdtließlidt allerlei künstlerisdlen Arbeiten, wie z. B.<br />

dem Miniaturbildnis, und war froh, 1772 eine ErziehersteIle bei den Kindern<br />

<strong>des</strong> Amtmanns Julius David Denicke 7 zu Süpplingenburg (Kreis<br />

Helmstedt) zu erhalten, wo er sich offenbar sehr wohl fühlte, schließlich<br />

audl am 4. Mai 1786 in Sophie Magdalena Denicke, der Tochter <strong>des</strong><br />

Amtmanns, die Lebensgefährtin für seine leider nur kurze Ehe heimführte.<br />

Inzwischen hatte er sich in der Kunst weiter gebildet, ohne je<br />

fachmännischen Unterricht zu g('nießen; um so größer ist seine Begabung<br />

anzusmlagen, da seine Arbeiten von diesem Mangel nicht da!!<br />

Min<strong>des</strong>te verraten. 1774 ging Krull, ohne zunädlst Aussimt auf dauernden<br />

Lebensunterhalt zu haben, nadl Braunschweig, fand hier aber<br />

Gönner, die seine Fähigkeiten erkannten, ihm ZeichenuntE'rricht bei den<br />

Prinzen sowie nach dem Tode <strong>des</strong> bisherigen Münzgraveurs Ebcling<br />

(1776) und auf Grund eines Probestempels für das Pferd eines Viergutegrosmenstücks<br />

die Stellung eines fürstlidlen Münzgraveursver.<br />

schafften. Nam dem Tode <strong>des</strong> Münzmeisters Biller (1780) wurde Krull<br />

zusammen mit dem Münzrendanten Ritter am 26. April 1782 zum Münzkommissar<br />

ernannt s . Krull hat von Johannis 1776 bis Anfang 1787<br />

sämtliche Stempel für die fürstlime Münzstätte in Braunschweig, aber<br />

aum solme für andere Münzstätten geliefert, die ganz hervorragend ausgefallen<br />

sind. Welches Ansehen er genoß, gibt sidt vor allem darin zu<br />

erkennen, daß er sim, dem Beispiel <strong>des</strong> Vaters folgend, seine Frau ans<br />

einem vornehmen Hause holte, und weiter, daß er als fürstlicher Be.}.<br />

amter mit zu den Gründern <strong>des</strong> Großen Klubs (1780) gehörte und hir.r<br />

mit Lessing, Jerusalem und Leisewi11 sowie mit den Professoren <strong>des</strong><br />

Collegium Carolinum am gleimen Tisch gesessen hat. Hier hatte er<br />

aUM Gelegenheit genug, LE'ssing zu beobamten und sich die Gesidltsziige<br />

einzuprägen, in denen sidl der Geist <strong>des</strong> großen Mannes offenbarte.<br />

Zudem muß Krull Dach dem Bericht seines Freun<strong>des</strong> ein selten liebE'ns-<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042179<br />

167


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Henriette oder Charlotte (geb. am 10. Juli 1758, verheiratet am 10. Febrnar 1780 mit<br />

dem Dragonerleutnant Friedrichs in Hannover); 4. Johann Georg (geb. am 27. Dezember<br />

1759); 5. Sophie Magdalene (geh. am 14. März 1761, verheiratet mit ChristiaD<br />

Friedrich Krull am 4. März 1786; über ihren Tod ließ sich bisher nichts feststellen).<br />

8 Vgl. Fiala: "Münzen und Medaillen der welfischen Lande, das neue Haus Braunschweig<br />

und Wolfenbüttel" S.68. Fiala hat IIeusingers Aufsatz nicht gekannt.<br />

I Herausgegeben von H. Madt und J. Lodmcr, I, 184 11, 148 f. V gl. L_ lIänselmann:<br />

"Das erste Jahrhundert <strong>des</strong> Großen Kluhs" (Draunschweig 1880) S. 20.<br />

10 Vgl. Fiala a. a. O. 69.<br />

11 Vgl. Scherer: "Das Fürstenberger Porzellan" S.251. Wie Heusinger Sp.748 angibt,<br />

hatte Krull auch eine Sdlaumünze für Abt Jerusalem begonnen, ohne den Stempel<br />

zu vollenden. E! ist möglich, daß die Schaumünze, die auf <strong>des</strong> Genannten Tod (<strong>2.</strong> September<br />

1789) geprägt ist und den Kopf sicher nach der Büste Krulls wiedergibt, <strong>des</strong>sen<br />

Stempel henutzt hat, doch müßte dieser von anderer Hand namgearheitet aein, da die<br />

kleinliche Einzelausführung weit von Krulls Art abweicht.<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042179<br />

171


Digitale Bibliothek Braunschweig<br />

.I':' .. ,I / • \<br />

INHALT<br />

Lessing im Urteil der Nachwelt. Von Paul Alfred Merbach, SdlriCtsteIler<br />

in Berlin •..•.•..••••••••.• 3<br />

Lessing nnd das Ehepaar Reiske. Nach Briefen an Johann Arnold Ebert<br />

ia Braunsdlweig. Von Dr. Heinrich Schneider, Oberbibliothekar in Lübec:k •• 46<br />

Lessing und Ludwig Timotheu. Spittler. Von Dr. Wilhelm Herse,<br />

Direktor der Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel __ .•.• _ • • • • • •• 99<br />

la t die .. R e t tun g" <strong>des</strong> G 0 e t h e s ch e n F a u • tau f L e a • i n g. F a u I t -<br />

fra gm e n t e zur ü c:k z u f ü h ren? Von Professor Ernst Bergmaun, Oberstudiendirektor<br />

i. R. in Braunswweig •<br />

103<br />

Dr. lohann Friedriw Juliu. Topp, Lessing. Hausarzt und Frennd,<br />

in seinen Briefen und Schriften. Mitgeteilt von Prof. Dr. Heiurich Mac:k,<br />

Direktor von Archiv und Bibliothek der Stadt Braunswweig ••••••••••• la<br />

Revolutionsgespräwe im Jahre 1789 am Brannschweigischen Hofe.<br />

Von Professor Dr. Karl Steinaelter in Braunschweig •••••<br />

Neue Beiträge für Johann Arnold Ebert und den Braunschwei-<br />

gi 8 ch e n Hof. Von Geh. Ardlivrat Dr. Paul Zimmermann, Direktor deI Lan<strong>des</strong>­<br />

hauptarwivs i. R. in Wolfenbüttel •••••••.••••••••••••••••••• 156<br />

Christian Friedriw Krull. Von Geh. Hofrat Professor Dr.P.J.Meier, Direktor<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>wuseuills i. R. in Braunswweig •••••.••. _ ••••• _ ••••••• 166<br />

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1M


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