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aktuell - Marienhospital Stuttgart

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MEDIZIN<br />

12<br />

Hand und Unterarm wieder angenäht<br />

marien 2/2002<br />

Seit Januar ist die Klinik von Professor Greulich Replantationszentrum<br />

„Ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber plötzlich war mein Arm in der Maschine.“ Das ist alles, woran<br />

sich Helmut Fritz noch erinnern kann, bevor er das Bewusstsein verlor. Beim Bearbeiten eines<br />

Metallteils war der linke Unterarm des 60-Jährigen in eine Fräse geraten und abgetrennt worden.<br />

Gewaltiges Medienecho. Der Fall<br />

sorgte bundesweit für Schlagzeilen<br />

Per Hubschrauber wurde Helmut<br />

Fritz ins <strong>Marienhospital</strong> geflogen.<br />

Die „Klinik für Handchirurgie,<br />

Mikrochirurgie und Rekonstruktive<br />

Brustchirurgie“ ist seit Januar offiziell<br />

als Replantationszentrum anerkannt.<br />

Rund um die Uhr steht hier ein<br />

OP-Team für Notfälle zur Verfügung.<br />

14-stündige Operation<br />

Der Unfall hatte sich am 20. Februar<br />

gegen 13 Uhr in einem Metzinger Unternehmen<br />

ereignet. Helmut Fritz arbeitet<br />

hier seit 45 Jahren. „In all der<br />

Zeit ist nie etwas passiert“, sagt er. Der<br />

60-Jährige hatte Glück im Unglück:<br />

Zunächst hatte es noch so ausgesehen,<br />

als ob wegen des starken Windes kein<br />

Rettungshubschrauber fliegen könnte,<br />

was den rechtzeitigen Transport ins<br />

<strong>Marienhospital</strong> gefährdet hätte. Denn<br />

spätestens nach zwei Stunden muss<br />

Muskelgewebe wieder durchblutet<br />

sein, sonst stirbt es ab. Eine Pilot vom<br />

Ulmer Bundeswehrkrankenhaus erklärte<br />

sich aber schließlich zu dem<br />

Flug bereit. Helmut Fritz und die in einem<br />

Kühlbehälter aufbewahrte Hand<br />

gelangten so noch rechtzeitig zum <strong>Marienhospital</strong>.<br />

14 Stunden dauerte die Replantation<br />

der Hand. Das OP-Team unter Leitung<br />

von Professor Dr. Michael Greulich<br />

verband zunächst Hand und Armstumpf<br />

provisorisch über zwei Silikonschläuche,<br />

um die Durchblutung wiederherzustellen.<br />

Danach wurden die<br />

Knochen über Metallschienen mitein-<br />

links: Um die Blutversorgung sicherzustellen, wurde die Hand zunächst<br />

über Silikonschläuche mit dem Armstumpf verbunden. Rechts das Ergebnis<br />

nur einen Tag später. Der Patient kann die Hand schon wieder bewegen<br />

ander verbunden. Unter dem Mikroskop<br />

nähte Professor Greulich Blutgefäße,<br />

Nerven, Muskeln und Gewebe<br />

zusammen. „Ein solcher Eingriff erfordert<br />

ein optimales Teamwork zwischen<br />

Operateuren, Anästhesisten und OP-<br />

Pflegekräften“, sagt Greulich.<br />

Helmut Fritz hat die Folgen des<br />

Unfalls gut verkraftet. Als er aus der<br />

Narkose erwacht war, konnte er die<br />

Finger bereits wieder bewegen. Sein<br />

Arm ist aber acht Zentimeter kürzer als<br />

vor dem Unfall. Etwa vier Wochen<br />

wird der Patient im <strong>Marienhospital</strong><br />

bleiben. Bis der Tastsinn in die Fingerspitzen<br />

zurückgekehrt ist, werden noch<br />

Monate vergehen. Denn das Regenerationstempo<br />

der Nerven beträgt nur einen<br />

Millimeter pro Tag. Momentan erhält<br />

Helmut Fritz im <strong>Marienhospital</strong><br />

täglich Lymphdrainage, zweimal pro<br />

Tag trainiert er Beweglichkeit und<br />

Kraft unter Anleitung einer Physiotherapeutin.<br />

„Die Behandlung hier ist ein<br />

Vollzeitjob, acht Stunden am Tag muss<br />

ich meine Übungen machen“, sagt der<br />

Patient, der seinen Humor durch den<br />

tragischen Unfall nicht verloren hat.<br />

Erste Hand schon 1994 replantiert<br />

Replantationen komplett abgetrennter<br />

Hände sind selten. Die erste Handreplantation<br />

in <strong>Stuttgart</strong> überhaupt war<br />

1994, ebenfalls am <strong>Marienhospital</strong>, gelungen.<br />

Weit häufiger sind Replantationen<br />

von teilweise abgetrennten Gliedmaßen<br />

sowie von Fingern und von Zehen.<br />

rk<br />

Bewegungsübung mit Physiotherapeutin<br />

Prisca Rimner. Täglich acht<br />

Stunden muss Helmut Fritz trainieren<br />

Das Sozialrecht des Landes Baden-Württemberg<br />

sieht einen<br />

hauptamtlichen Arzt vor, der<br />

sich um die Belange Behinderter kümmert.<br />

Landesärztin für Behinderte ist<br />

Dr. Birgit Berg. Da sich eine einzelne<br />

Medizinerin unmöglich mit allen medizinischen<br />

Fachgebieten auskennen<br />

kann, beruft das Land weitere Fachärzte,<br />

die ihr im Nebenamt zur Seite stehen.<br />

Landesarzt für Sprach- und Hörstörungen<br />

ist seit 21 Jahren Dr. Leo<br />

Reich. Der 63-jährige Facharzt für<br />

Hals-Nasen-Ohrenheilkunde ist Ärztlicher<br />

Direktor der HNO-Klinik am <strong>Marienhospital</strong>.<br />

Einzige Spezialabteilung für Kinder<br />

Das <strong>Stuttgart</strong>er Sozialministerium hatte<br />

ihn 1980 aus zwei Gründen gebeten,<br />

das Amt des Landesarztes zu übernehmen.<br />

Erstens war das <strong>Marienhospital</strong><br />

das einzige Krankenhaus in der Region,<br />

das über eine Pädaudiologie verfügte.<br />

Darunter versteht man die Möglichkeit,<br />

Höruntersuchungen schon bei<br />

kleinen Kindern vornehmen zu können.<br />

Und zweitens wollte man möglichst<br />

einen Arzt aus <strong>Stuttgart</strong> in dieser<br />

Funktion sehen, weil dadurch kurze<br />

Wege zwischen dem Ministerium und<br />

dem Landesarzt gewährleistet waren.<br />

In seiner Funktion nimmt Dr. Reich<br />

unterschiedliche Aufgaben wahr. Zum<br />

„Landesarzt“ Dr. Leo Reich<br />

einen berät er das Land in Fragen der<br />

Förderung Hör- und Sprachbehinderter.<br />

So war er unter anderem an der<br />

Formulierung des baden-württembergischen<br />

Behindertengesetzes beteiligt.<br />

Das Gesetz sieht unter anderem vor,<br />

dass jeder Betroffene entsprechend seiner<br />

Behinderung gefördert werden<br />

muss. Kinder mit erheblichen Sprachoder<br />

Hörstörungen können demnach<br />

spezielle Einrichtungen oder Schulen<br />

besuchen.<br />

Ziel ist die optimale Förderung<br />

„Die Entscheidung, wie beispielsweise<br />

ein stotterndes Kind am besten gefördert<br />

wird, ist oft recht schwierig“, sagt<br />

Dr. Reich. Nach gründlicher Untersuchung<br />

im <strong>Marienhospital</strong> empfiehlt Dr.<br />

Reich, ob das betroffene Kind beispielsweise<br />

das Ravensburger Sprachheilzentrum<br />

besuchen sollte oder ob es<br />

auf einer Regelschule bleiben kann.<br />

Zweimal jährlich fährt er, begleitet von<br />

zwei Logopädinnen seiner Klinik, zu<br />

der Ravensburger Einrichtung. Dort<br />

untersuchen Dr. Reich und die Logopädinnen<br />

die dort unterrichteten<br />

Kinder auf ihre Lernfortschritte.<br />

Obwohl die Ursachen des Stotterns<br />

unbekannt sind, ist die Therapie in Ravensburg<br />

sehr erfolgreich. 95 bis 98<br />

Prozent der stotternden Kinder sind im<br />

Anschluss symptomarm oder symptomfrei.<br />

„Wichtig ist, dass stotternde<br />

MEDIZIN<br />

Der HNO-Chefarzt ist zugleich für Sprach- und Hörbehinderte in Baden-Württemberg zuständig<br />

Seit 1976 ist Dr. Leo Reich Ärztlicher Direktor der HNO-Klinik des <strong>Marienhospital</strong>s. Was kaum ein <strong>Marienhospital</strong>-Mitarbeiter<br />

oder -Patient weiß: Seit 21 Jahren ist er im Nebenamt baden-württembergischer<br />

Landesarzt für Sprach- und Hörbehinderte.<br />

Kinder in Kleingruppen ganztags betreut<br />

werden. Deshalb ist die Ravensburger<br />

Einrichtung als Internat konzipiert“,<br />

sagt Dr. Reich.<br />

Fälschlich für dumm gehalten<br />

Die 10- bis 12-jährigen Kinder besuchen<br />

ein Jahr lang das Internat, die älteren<br />

ein halbes Jahr. In dieser Zeit findet<br />

neben den Sprachübungen auch<br />

normaler Schulunterricht statt. Die<br />

Kinder können somit im Anschluss an<br />

Abfahrt am frühen Morgen: Zweimal jährlich fahren Dr. Reich und zwei Logopädinnen der HNO-Klinik ins<br />

Ravensburger Sprachheilzentrum. Dort untersuchen sie unter anderem die Lernfortschritte stotternder Kinder<br />

den Internatsbesuch wieder ihre normale<br />

Regelschule besuchen.<br />

Neben Stotterern ist Dr. Reich auch<br />

für die Untersuchung anderer Sprachund<br />

Hörbehinderungen zuständig. So<br />

entscheidet er unter anderem über die<br />

Förderung von Menschen, die unter<br />

schweren Aussprache- oder Sprachentwicklungsstörungen<br />

leiden oder die<br />

Probleme bei der Satzbildung haben.<br />

In den letzten Jahren stark zugenommen<br />

haben zentral-auditive Wahrnehmungsstörungen,<br />

die sich etwa<br />

durch Verhaltensauffälligkeiten, Rechtschreib-<br />

und Leseschwäche äußern.<br />

Die Kinder haben Schwierigkeiten zuzuhören,<br />

reagieren schlecht, wenn sie<br />

angesprochen werden oder verstehen<br />

falsch. „Früher hat man sie fälschlicherweise<br />

für dumm oder ungezogen<br />

gehalten, obwohl die meisten einen<br />

normalen IQ haben“, sagt Dr. Reich.rk<br />

marien 2/2002 13

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