Januar/Februar - Münchener Anwaltverein
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Kultur | Rechtskultur<br />
München: Im Licht des Südens<br />
Das Licht des Südens, wer kann das in dieser<br />
Jahreszeit nicht brauchen. Tief hängende Wolken,<br />
Kälte, Schnupfen, matschige Wege in dichtem<br />
Schneetreiben und durch die Ritzen der<br />
Hütte pfeift ein eisiger Nordost – eine Situation<br />
unserer keltischen Vorfahren, die wir direkt<br />
nachvollziehen können. Die griffen dann auch<br />
nach den teuren Importen von jenseits der<br />
Alpen – Wein und Gewürze, gemeinsam<br />
zu einem belebenden und von innen wärmen<br />
den Getränk erhitzt. Das Ganze serviert in feinem<br />
Tongeschirr aus Etrurien oder dem fernen<br />
Griechenland. So ließ sich die hiesige Witterung<br />
aushalten – zumindest, wenn man zur<br />
Oberschicht gehörte und sich diese schönen<br />
Dinge leisten konnte. Dazu gehörte dann auch<br />
Schmuck für die Gattin, feines Tuch, veredelte<br />
Waffen – eine Ausstattung, die nicht nur über<br />
die rauen Lebensverhältnisse hinwegtröstete,<br />
sondern vor allem dem Rest des Volkes zeigte,<br />
dass man zu einer „anderen“ Welt gehörte.<br />
Einer Welt, für die die regionale Begrenztheit<br />
des Normal-Kelten nicht galt; einer Welt, die<br />
grenzüberschreitend die gleichen Luxusartikel<br />
goutierte wie die Eliten südlich der Alpen, und<br />
in der man sich an diesen erkannte und mit<br />
ihrer Hilfe gegen die weniger privilegierten<br />
Schichten abgrenzte – sich von ihnen abhob.<br />
Damit man sich das leisten konnte, musste<br />
man sich deutlich mehr vom Kuchen abschneiden,<br />
als das anderen möglich war, und<br />
sich auch ein wenig von seiner Gier leiten lassen.<br />
Man sieht, es hat sich eigentlich wenig<br />
geändert über die Jahrhunderte.<br />
Aber es ist nicht dieser letztgenannte gesellschaftskritische<br />
Aspekt, den die Ausstellung<br />
„Im Licht des Südens“ vermitteln will. Die<br />
Konservatoren der Archäologischen Staatssammlung<br />
haben einen großen Teil der Dauerausstellung<br />
um- und weggeräumt und damit<br />
Platz geschaffen für ein Ausstellungskonzept,<br />
das uns mit Assoziationen hineinführt in die Begegnung<br />
von Kulturräumen zwischen Mittelmeer<br />
und Zentraleuropa. Dabei spannen sie<br />
den zeitlichen Bogen von der Steinzeit bis zum<br />
römischen Weltreich. Es geht um den steinzeitlichen<br />
(5.Jahrtsd. v. Chr.) Export norditalienischer<br />
Jade-Beile innerhalb ganz Europas<br />
genauso, wie um den keltischen Import mediterraner<br />
Weinkultur und Lebensart.<br />
Szenografien und Klangräume wecken Assoziationen,<br />
didaktische Lichtführung stellt Zusammenhänge<br />
her oder hebt Einzelstücke aus<br />
dem Dunkel. Thema scheint nicht allein die antike<br />
Welt als Handels- und Kommunikationsraum<br />
zu sein, sondern etwas unterschwellig<br />
immer auch die Archäologie selbst, bzw. jene<br />
romantisierte Version, die uns einerseits die Vision<br />
von Schatzfunden vorgaukelt und andererseits<br />
die alte Welt in ihren Dingen begreifbar<br />
macht, handfest, haptisch, real.<br />
Ausstellung und Museum werden damit zu<br />
einem Ort des Erlebnisses. Aber ist es damit nur<br />
ein weiteres Event in unserer von Ereignissen<br />
übersättigten Zeit? So sehen es auf jeden Fall<br />
die Kritiker dieser Form der Inszenierung. Sie<br />
fürchten, dass eine der Hauptaufgaben des Museums<br />
nicht mehr wahrgenommen wird, als Ort<br />
des Bewahrens, der Dokumentation und der<br />
Forschung. Aber gerade die Archäologische<br />
Staatssammlung hat in dieser Beziehung nichts<br />
zu fürchten. Denn sie ist auf allen Gebieten<br />
tätig: Sammeln, Bewahren, Forschen und Ausgraben.<br />
Zudem ist die Staatssammlung als archäologisches<br />
Landesmuseum die Zentrale für<br />
11 bayerische Zweigmuseen. Dem nicht genug,<br />
ist sie Herausgeberin diverser Schriftenreihen<br />
zur vor- und frühgeschichtlichen Archäologie<br />
und für die wissenschaftliche Redaktion der<br />
„Bayerischen Vorgeschichtsblätter“ verantwortlich.<br />
Unwissenschaftlicher Effekthascherei kann<br />
man sie also nicht verdächtigen. Im Gegenteil,<br />
man darf doch froh sein, dass sie sich nicht als<br />
Hort einer abgehobenen Geheimwissenschaft<br />
für einige Eingeweihte geriert, sondern in<br />
zähem Ringen versucht, dem Publikum die antiken<br />
und längst versunkenen Kulturen und<br />
ihre Menschen durch die von ihnen geschaffenen<br />
Artefakte verständlich zu machen.<br />
Lassen Sie uns also genießen, dass es Menschen<br />
gibt, die alles daran setzen, uns durch möglichst<br />
viele Sinneseindrücke, durch Assoziation<br />
und auch ein wenig Gefühliges in eine andere<br />
Welt zu entführen. In eine Welt, in der wir<br />
letztlich unsere eigene Kultur in ihren Ursprüngen<br />
wieder erkennen, in der wir unsere<br />
Sichtweise bereichern und uns dessen bewusst<br />
werden, dass wir auch in einer leben – in einer<br />
Kultur, auch wenn man sich dessen mitunter<br />
nicht wirklich sicher sein mag.<br />
Dr. Martin Stadler,<br />
MAV GmbH<br />
Bild- und Literaturnachweis siehe Seite 21.<br />
MAV-Mitteilungen <strong>Januar</strong>/<strong>Februar</strong> 2012