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Januar/Februar - Münchener Anwaltverein

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22 |<br />

Kultur | Rechtskultur<br />

München: Im Licht des Südens<br />

Das Licht des Südens, wer kann das in dieser<br />

Jahreszeit nicht brauchen. Tief hängende Wolken,<br />

Kälte, Schnupfen, matschige Wege in dichtem<br />

Schneetreiben und durch die Ritzen der<br />

Hütte pfeift ein eisiger Nordost – eine Situation<br />

unserer keltischen Vorfahren, die wir direkt<br />

nachvollziehen können. Die griffen dann auch<br />

nach den teuren Importen von jenseits der<br />

Alpen – Wein und Gewürze, gemeinsam<br />

zu einem belebenden und von innen wärmen<br />

den Getränk erhitzt. Das Ganze serviert in feinem<br />

Tongeschirr aus Etrurien oder dem fernen<br />

Griechenland. So ließ sich die hiesige Witterung<br />

aushalten – zumindest, wenn man zur<br />

Oberschicht gehörte und sich diese schönen<br />

Dinge leisten konnte. Dazu gehörte dann auch<br />

Schmuck für die Gattin, feines Tuch, veredelte<br />

Waffen – eine Ausstattung, die nicht nur über<br />

die rauen Lebensverhältnisse hinwegtröstete,<br />

sondern vor allem dem Rest des Volkes zeigte,<br />

dass man zu einer „anderen“ Welt gehörte.<br />

Einer Welt, für die die regionale Begrenztheit<br />

des Normal-Kelten nicht galt; einer Welt, die<br />

grenzüberschreitend die gleichen Luxusartikel<br />

goutierte wie die Eliten südlich der Alpen, und<br />

in der man sich an diesen erkannte und mit<br />

ihrer Hilfe gegen die weniger privilegierten<br />

Schichten abgrenzte – sich von ihnen abhob.<br />

Damit man sich das leisten konnte, musste<br />

man sich deutlich mehr vom Kuchen abschneiden,<br />

als das anderen möglich war, und<br />

sich auch ein wenig von seiner Gier leiten lassen.<br />

Man sieht, es hat sich eigentlich wenig<br />

geändert über die Jahrhunderte.<br />

Aber es ist nicht dieser letztgenannte gesellschaftskritische<br />

Aspekt, den die Ausstellung<br />

„Im Licht des Südens“ vermitteln will. Die<br />

Konservatoren der Archäologischen Staatssammlung<br />

haben einen großen Teil der Dauerausstellung<br />

um- und weggeräumt und damit<br />

Platz geschaffen für ein Ausstellungskonzept,<br />

das uns mit Assoziationen hineinführt in die Begegnung<br />

von Kulturräumen zwischen Mittelmeer<br />

und Zentraleuropa. Dabei spannen sie<br />

den zeitlichen Bogen von der Steinzeit bis zum<br />

römischen Weltreich. Es geht um den steinzeitlichen<br />

(5.Jahrtsd. v. Chr.) Export norditalienischer<br />

Jade-Beile innerhalb ganz Europas<br />

genauso, wie um den keltischen Import mediterraner<br />

Weinkultur und Lebensart.<br />

Szenografien und Klangräume wecken Assoziationen,<br />

didaktische Lichtführung stellt Zusammenhänge<br />

her oder hebt Einzelstücke aus<br />

dem Dunkel. Thema scheint nicht allein die antike<br />

Welt als Handels- und Kommunikationsraum<br />

zu sein, sondern etwas unterschwellig<br />

immer auch die Archäologie selbst, bzw. jene<br />

romantisierte Version, die uns einerseits die Vision<br />

von Schatzfunden vorgaukelt und andererseits<br />

die alte Welt in ihren Dingen begreifbar<br />

macht, handfest, haptisch, real.<br />

Ausstellung und Museum werden damit zu<br />

einem Ort des Erlebnisses. Aber ist es damit nur<br />

ein weiteres Event in unserer von Ereignissen<br />

übersättigten Zeit? So sehen es auf jeden Fall<br />

die Kritiker dieser Form der Inszenierung. Sie<br />

fürchten, dass eine der Hauptaufgaben des Museums<br />

nicht mehr wahrgenommen wird, als Ort<br />

des Bewahrens, der Dokumentation und der<br />

Forschung. Aber gerade die Archäologische<br />

Staatssammlung hat in dieser Beziehung nichts<br />

zu fürchten. Denn sie ist auf allen Gebieten<br />

tätig: Sammeln, Bewahren, Forschen und Ausgraben.<br />

Zudem ist die Staatssammlung als archäologisches<br />

Landesmuseum die Zentrale für<br />

11 bayerische Zweigmuseen. Dem nicht genug,<br />

ist sie Herausgeberin diverser Schriftenreihen<br />

zur vor- und frühgeschichtlichen Archäologie<br />

und für die wissenschaftliche Redaktion der<br />

„Bayerischen Vorgeschichtsblätter“ verantwortlich.<br />

Unwissenschaftlicher Effekthascherei kann<br />

man sie also nicht verdächtigen. Im Gegenteil,<br />

man darf doch froh sein, dass sie sich nicht als<br />

Hort einer abgehobenen Geheimwissenschaft<br />

für einige Eingeweihte geriert, sondern in<br />

zähem Ringen versucht, dem Publikum die antiken<br />

und längst versunkenen Kulturen und<br />

ihre Menschen durch die von ihnen geschaffenen<br />

Artefakte verständlich zu machen.<br />

Lassen Sie uns also genießen, dass es Menschen<br />

gibt, die alles daran setzen, uns durch möglichst<br />

viele Sinneseindrücke, durch Assoziation<br />

und auch ein wenig Gefühliges in eine andere<br />

Welt zu entführen. In eine Welt, in der wir<br />

letztlich unsere eigene Kultur in ihren Ursprüngen<br />

wieder erkennen, in der wir unsere<br />

Sichtweise bereichern und uns dessen bewusst<br />

werden, dass wir auch in einer leben – in einer<br />

Kultur, auch wenn man sich dessen mitunter<br />

nicht wirklich sicher sein mag.<br />

Dr. Martin Stadler,<br />

MAV GmbH<br />

Bild- und Literaturnachweis siehe Seite 21.<br />

MAV-Mitteilungen <strong>Januar</strong>/<strong>Februar</strong> 2012

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