Aus Kindheit und Jugend - Gerhard Grabbe
Aus Kindheit und Jugend - Gerhard Grabbe
Aus Kindheit und Jugend - Gerhard Grabbe
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<strong>Gerhard</strong> <strong>Grabbe</strong><br />
<strong>Aus</strong> <strong>Kindheit</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Jugend</strong><br />
Plattdeutsche Dichtung<br />
im Dialekt meiner Heimat<br />
Neu zusammengestellt<br />
September 2004 <strong>und</strong> 2011
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<strong>Aus</strong> <strong>Kindheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong> Teil I<br />
Mein Teddybär<br />
Des Kindes Einsamkeit der Nacht,<br />
wo Traum <strong>und</strong> Wachen sich verschworen,<br />
hat Bilder in mir aufgebracht,<br />
von denen manche zwar verloren,<br />
doch eines blieb mir stets vermacht,<br />
das, rief ich´s, still mich angelacht:<br />
ein Bärenkopf mit r<strong>und</strong>en Ohren –<br />
ein süßer Trost: mein Teddybär!<br />
Ihm strickte Mutter was zum Knöpfen,<br />
damit er nicht so nackig wär´.<br />
Oft matt vom Spiel bis zum Erschöpfen,<br />
fiel mir der Gang ins Bett nicht schwer,<br />
doch gab man mir mein Bärlein her,<br />
wie raunten wir mit heißen Köpfen!<br />
Vertraulich hielt ich´s mit dem Fre<strong>und</strong>,<br />
weil Spötterzungen hässlich sprechen,<br />
weil Neid mit Hohn nicht lange säumt,<br />
den freien Kinderb<strong>und</strong> zu stechen.<br />
Er hörte mich, wenn ich geweint,<br />
<strong>und</strong> heilte, was kein Gönner leimt;<br />
wir teilten Herz- <strong>und</strong> Zeitgebrechen.<br />
Was bliebe mir, wenn das nicht mehr?<br />
Wir hätten wenig Gr<strong>und</strong> zum Lachen,<br />
uns rollten bitt´re Tränen schwer,<br />
wenn zwischen uns´ren Spielzeugsachen<br />
der Tröster nicht, die Puppe wär´ -<br />
wie damals mir der Teddybär -,<br />
des Glückes Pförtlein aufzumachen.
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Dä Patt achterlangs 1<br />
Unner Linnenboomen um´t Huus up´t Pattje<br />
tüschen Rausen tree ick in´t Sünnenlüchten,<br />
Sönndaggsstielle, feernher än Haauhnenkreihen,<br />
Duben, dä guurren.<br />
Sachte Wind striikt fauker dä Äkboomtacken<br />
up unn daul, dat Loof fispert luuter, frömd mi,<br />
dör dä Stammen kiik ick up Keunens Waldje,<br />
achtern in´t Dünsten.<br />
Schaa van´t Boomen fluckert up Grön unn Spören,<br />
lett sück mit miin Stockje nich änfach steeken;<br />
Lüentjes scheellen, Filappers dwölnen stiellkens,<br />
witten unn bunten.<br />
Tüschen Heeg unn Waall slöppt disse Vörjohrsmörgen.<br />
Jüüst van feern, van´t Flassmeertjer Kaark, dä Klocke,<br />
sleiht mit fiine Slagg over´t Kampen rower,<br />
stüürt mi dä Uhrtiid.<br />
Bit an´t Weggeend gau ick unn unner Barken,<br />
grön unn zoart dat schüddelnde Loof vör´t Blaaue;<br />
Naubers Huus in´t Süenschiin kickt groot unn slauperg –<br />
Maidagg an´t Mörgen!<br />
Blick auf unseren Garten vom Fasanenweg aus - - der Fasanenweg heute; den Garten gibt es nicht mehr.<br />
1 Der heutige Fasanenweg – links gab es damals eine Weißdornhecke, die unseren Garten schützte
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Kinnerreupon<br />
Diss Dagg wass hät. Ick stau in´t Poortje,<br />
so´n lüetje Fend, unn kiek naudaul;<br />
van mennig Rad sä ick ´n Foortje<br />
in´t griese Sand än elke Maul.<br />
Dä Süen sitt günners achter d´ Boomen,<br />
man up blood Feuten is´t noch warm<br />
in´t Sand. – Hier sünt sä komen,<br />
man nu is´t Tied, nu mutten´s gaun:<br />
Van nauh unn feern hör ick dä Meuders<br />
Jüüst bölken nau hör Kind mit Nauhm.<br />
(Dat wät elk Släf, dat du hum feuerst,<br />
unn´t Eten sall up´t Taufel stauhn!)<br />
So mennigään röppt dann wall rüggels,<br />
dat Meuder wät: Hä hett´t doch höört!<br />
Man mennigään streewt gornich vöggels:<br />
Hä kickt so geern, wat noch passärt.<br />
Dat düürt ´n Sett, dann hör ick´t Raagen,<br />
unn´t Ollske hett hum läp bi´t Kopp,<br />
unn „klipp“ unn „klapp“ – hä mutt sück bargen,<br />
man nauher smeckt hum doch sin Soepp<br />
Dä Warmte steiht in Boom´n unn Heegen,<br />
dä Wittdoorn bleiht mit fiine Röök,<br />
dä Vögels hemm´n wall Jungen kregen<br />
unn sörgen sück mit riike Flöög.<br />
Min Mama röppt, nu mu´ck nau binnen,<br />
man mörgen, wenn dä Süene schiint,<br />
sall ick jeu wall up´t Patt weerfinn´n.<br />
Door spööl wi weer – ass sück´t so fiend´t.
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Kinner-Johr´n<br />
Westwind drifft dä Himmel so vull,<br />
schnufft döör Tacken unn Blauden;<br />
Süen is weg; wat dor bleihn sull,<br />
sleiht dä Kopp vör Benau´n!<br />
- Satt up´t Baank, lüetjet unn stiell,<br />
sach dä Wulken sweven,<br />
keek so trüürig döör miin Briell,<br />
luurde, wor bünt sä bleben?<br />
Elke Dag verwunnert mi läp,<br />
paas ick up´n sünige Täken,<br />
mutt noijt biistern, man krieg´t mit Swät,<br />
jüüst bi´t Wulken-Söken!<br />
Driift man henn, so swart unn swor!<br />
Lüetjet fung ji an,<br />
bliid as ick – nu traunerg unn nor,<br />
nett, dat man´t holln kann!
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Knickern<br />
Up´t Wegg an´t Heeg hör ick höör proitjen.<br />
Wat hemmn dä vöör?<br />
Willn dä sück wall mit Puelln klütjen?<br />
Ick stau vör´t Döör.<br />
Och nee, Ich höör´t: Dat geiht um´t Knickern,<br />
unn hannig haul´ck miin Büdel rut<br />
unn suus umteu; nu höör´ck´t all bickern.<br />
Dor sitten´s stiell mit´n spitze Snuut,<br />
jüst ass mit siin geknickde Finger<br />
höör Diedrich aall dä bunten Dinger<br />
- elk up dat Gatt an –<br />
widerschoof<br />
unn dann,<br />
gottloof,<br />
in´t Lock!<br />
Klock!<br />
see dat letzde noch,<br />
dor kraabde sück dä Winner doch<br />
van elk dä Knicker uut dä Pott fix in siin Büdel.<br />
„Nochmaul!“ so reepen aall teuglijk,<br />
unn unner Laagen unn Gerödel<br />
flog miin oell Knicker ook teu wiit!<br />
Dor lagg hä stiell unn grön teu winnen,<br />
man anners ään, ick wät nich, well,<br />
kreeg hum mit aall dä annern binnen. Unn ick?<br />
Bi dit<br />
Geiht´t selten geut, wenn´t beter sall!
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Tickjen<br />
`T is Sauterdagaubend! Hier sitt wi unn kaueln<br />
van elk ´n Beleevthät ´n bijtje teusaumen,<br />
Wichter unn Jungse, up´t Trappen van´t Scheulpoort.<br />
So ass wi dor sitten unn wäten uuns Woort,<br />
dor kann sück up äänmaul ´n Fent nich betaumen<br />
unn mutt dor well targen unn tegenjaueln.<br />
Nu kummt ja än Schellen unn Schimpen geflogen,<br />
unn dorum lett sück dä anner nich nögen<br />
unn sitt hum, verdult ook, in´t Aubendfree nau!<br />
Dat wull hä ja man; nu verdraggt sück´t ook gau,<br />
unn beide targen nu uns teu Vergnögen;<br />
wi springen so up, sä slaunt mennig Bogen!<br />
Teuleetzd kann giinään mehr, wi staunt so unn jappen,<br />
unn elk is´t maul west unn kunn ook well snappen,<br />
so laag wi unn plinkern uuns hartkloppend an.<br />
Diss Jaugen, nau´t Pultern, döör Süenschiin unn Sand,<br />
düürt Meuder nich wäten, düürt nüms höör verflappen,<br />
denn anners gifft ´t doch wat vöör Bielln unn Gatten!
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Schoijen<br />
O, kennt dijn Haart dä Schrick, so wunnersaum,<br />
wenn di teu´t eerstemaul än süfzig Röögen<br />
begripen lett, dat dijn Gedankenflögen<br />
sück däp beswoorn mit än Verlangenstäken,<br />
du föhlst, wo annern minner wäten?<br />
Dijn Uurdäl harr´t vördem ook lichter meeten,<br />
man dijn Verlangen wuurs, bleev nich mehr stauhn.<br />
Du harrst ja sähn unn kannst nix anners mögen,<br />
unn nix, as dat du´t kriegen muggst, kann dögen.<br />
Door is bi dij in´t Haart ´n Schütt daulreeten.<br />
Nett, wat d´ nich hemmen düürst, kannst d´ nich<br />
vergeten.<br />
Dat wort teu Ölje, dij in´t Füür teu gäten.<br />
Wat helpt dor noch, wat dij inwendig mauhnt?<br />
An elke Dagg düürst du dijn Jammer pröben,<br />
föhlst du heruut dat stedig staarker Nögen!<br />
Jau, stiell beslijken dij in disse Weeken<br />
dä noore, ägenschojerige Lögens;<br />
bedoorst dij nich: Gijnään sall sück d´ran högen,<br />
nee -: Du begeihst´t mit swoor benauhde Auhm<br />
nimmst du´t – dat änstmauls Hillige mutt breken.<br />
Teueerst bloot Klänigkeiten, dä wat leten,<br />
dann hest du´t leehrt. So hest d´ dij dran vergrepen!-<br />
Well dij vertraude, düürt nich an dij löben;<br />
du hest dä Welt, hest ook dij sülms bedroogen.<br />
Maggst du ook gauhn: Dij blinkt gijn stielle Traaun!
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Büten<br />
Wo fauk, dat dä Gedanken schofel<br />
unn dat dat Haart bedroogen wuur!<br />
Man wovöl swoorder unn wo stuuer<br />
kwamm nauhst dat bitter Ingestauhn!<br />
Wat hüff ich ook d´rup inteugauhn,<br />
wat in´t Gewäten puust dä Düfel!<br />
Bij´t Büten kroop dat Hemmenwillen<br />
uut düster Heuken over´t Tuueng,<br />
än söte Klang was door in´t Muuend,<br />
man prees sück´t an, van Loov so full,<br />
man wüss genaau, wo´t sitten sull<br />
unn muss vör Glück, verdaamd, noch triellen!<br />
In´t Oog dä Gier, um´t Muul ´n Smüstern,<br />
so tuusk´den wij dä Riddersmann<br />
teu´n Keerl up ´n Staang, dä kieken kann! –<br />
Mijn Mama woorschau´d mij genug:<br />
Sä wüss um disse Sülfstbedrugg.<br />
Nu braannt ´t in Haand unn Haartensdüstern!
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Gebuursdagg<br />
Dat is bedocht vöruut in Weeken,<br />
dat Nauers Jung Gebuursdagg hett!<br />
Nu sitt hä fauk unn is an´t reeken,<br />
man och! – dat düürt ja noch so´n Sett!<br />
Teuletzd is bloot än Nacht noch bleben,<br />
unn ´d Jung siin Ohren bünt läp lang;<br />
bi hum unn Mama is´t ´n Upreegen.<br />
Hä slöppt häl nich -: dor bün´ck um baang!<br />
An´t Mörgen sitt völ Sand in´t Oogen,<br />
man dor, mit äns, is hä der all!<br />
Dä Köken warm, heell Füer in´t Obent,<br />
unn alles find´t hä, so ass ´t sall.<br />
Hier Schrieftüüg, dor wat anteutrecken –<br />
(´t is Winterdag, in´t Januoar) -<br />
- dor Spöölreef – ook noch wat teu slicken!<br />
Gebuursdag is´t - ´t is wunnerboar!<br />
Nu man an ´t Teufel unn wat eeten!<br />
Vöör´n Happke sitt hä nett noch vöör,<br />
man nu in´t Joepp, dä Pool gegrepen,<br />
dä Ranzel up, unn nu van Döör!<br />
´T is kolt in buten, man dor günners<br />
stappt hum siin Fründ vergnögt teumööt,<br />
unn aall graläärn´s hum, aall dä Kinners,<br />
unn bolt ook kwammen´s noch teu laut!<br />
In´t Scheul düürt hä nau vören komen<br />
unn teu dä Kinner höör Gesieng<br />
mit´t Finger wiisen, unn, mit Schaumen,<br />
singt hä dorteu mi heelle Stiemm.<br />
Thorsten <strong>Grabbe</strong>:<br />
Die Schule<br />
Steenfelderfeld<br />
vor 1950 – nach<br />
einem Foto von<br />
Heinz Beck<br />
gezeichnet.Unten:<br />
Das Elternhaus<br />
meines Fre<strong>und</strong>es.
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Vör´t Naumiddag hett hä´s inlauden,<br />
dä hum bii´t Spööln an´t naugsten bünt<br />
unn dä jüst ook in´t letzde Daugen<br />
wall ördentliik unn läw west bünt.<br />
In´t lüetje Köken steiht siin Taufel,<br />
wor elke Kind geut sitten kann.<br />
Van Daug gifft´t Keuk, wor´t anners schofel,<br />
Kakao unn Melk unn sogor Sauhn!<br />
Dat Spöölreef is teu moj unn nüdelk,<br />
unn alltijd hät´t´: „Vörsichtig, Jungs!<br />
`T mutt laang noch holln!“ So bünt sä freedelk,<br />
sogor mit Naubers Wicht! Dat köönt s´!<br />
Dä Dagg geiht henn; dat Spööln in buten<br />
hollt noch wat an; bi´t Schummern is<br />
unn d´ Kökenlaamp hör dör dä Ruten<br />
dat Eeend van diss Gebuursdagg wist.<br />
Sä sluurn nau Huus; `t gifft Aubendeeten,<br />
man up d`Verwaandde wacht hä noch:<br />
Wat dä noch brengen, mutt hä wäten!<br />
Up´t Eend, mi dücht, slöppt hä dann doch.<br />
Dä Grooten düürn sück wat verteellen<br />
bi Keuk unn Tee unn ook noch Kuur. –<br />
Diss Dag wass moj: Dor gaff´t gijn Scheellen,<br />
hier gaff dat ruum, wornau hä luur´!
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In´t Meuer<br />
Mit bloode Feuten loopen wi Fründen gau<br />
van Huus nau´t Meuer. Taaske mit Eeten fast<br />
an´t Henkels. Klipp unn klapp up´t bülerg<br />
Feutpatt, unn däper in´t Leegmeuer koom wi.<br />
Dä Röök van bruune Heijde umweiht dä Nöös,<br />
unn bruun dat Wauter, wat dor in Slooden steiht,<br />
dä witten Barkenboomen röögen<br />
Kronen unn Blauden in´t warme Weihen.<br />
Dä Tochsloot, dä wi jüst overspringen könt,<br />
hett sünig Wauter. Wijder dä Patt in´t Meu´r.<br />
Vörbij ann lüetje Huusen. Nauger<br />
Koom wi an´t Poort, dä wi overklautern.<br />
Dör´t Kamp, dör Gress unn wijkende törfig Gr<strong>und</strong><br />
umhollt uuns wiide Stiell unn Kiwittreup.<br />
Dat feerne Leben fiend´t uuns äänsaum<br />
stappen in disse beleevde Wiide.<br />
Bloot enkelt, henn off heer, waast än Lüchtmast hoch,<br />
siin Drauhden leeggen Schaa over´t freije Land,<br />
dat Veijh in´t Kamp vörut kickt freedelk,<br />
düster dä Puckel van´t Hochmeu´r d´rachter!<br />
Unn nochmaul klautern wi over´t Schütt van´t Weijd,<br />
unn endlich säh wi Vauders beweegde Rüegg:<br />
Hä steekt in´t Up unn Daul dä Palten<br />
Törf sück herut! Man nu bünt wi anlaangt!<br />
Vör hum dat Brot unn ´n Kluckje uut ´t bruune Flers,<br />
unn smüsterg wisst uns Vauder in´t Törf ´n Flient.<br />
Hä mänt, wi sulln man jüst ´n lüetje<br />
Flintstäntje pooten teu grooter waarsen!
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Wi hemmn´t ook daun unn maarkden dä Stee uns fast,<br />
bekeeken nauher Slooden unn Gress unn Heijd,<br />
wi keeken geern dä Vögels nau unn<br />
söggden van´t Kiwitt dat Nüst mit d´ Eier.<br />
Wo fauk dat wi helpen unn lauden kunn´n<br />
unn fuhren stiell mit Vauder up´t Plaank vörnup,<br />
dä „Voss“ truck saacht dä Ackerwaugen,<br />
ijsdern beslaun unn up´t Aasen knaukernd.<br />
Van boben leep dä Gr<strong>und</strong> unnter d´ Änsteell weg,<br />
mit elke Tree van´t Peerd stoof dä Sand umhoch,<br />
dä Steert umslog bi Sett´n dä Biellen,<br />
rot leep vörut uns dä Aubendsüene.<br />
Mit Blömen kwamm ick s´mauls off mit Heijd nau<br />
Huus,<br />
man mäst mit Smacht in´t Liif unn dat Hoar vull<br />
Meu´r,<br />
dä Oogen blank, dä Bään so möije, -<br />
dröömde van Wullgress unn Wautergauten.
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Up Böskupp<br />
Mit disse groode Taaske<br />
stüürt Mama mi up Patt:<br />
Ick sall ´n Buuskohl haulen<br />
Unn Wuddels unn noch annerswatt.<br />
Dor bruukt sä nix vör teu betauhlen,<br />
dat hett dat Fraumensk hör beloovt.<br />
Dä Patt kenn ick wall van vergangen Maulen<br />
unn ook dat Huus, wor unner´t Heeg ´n Teef<br />
ruutschütt unn maukt mi lüetje Fent in Not!<br />
Dat Naubers Jung mitkunn, dat harr´ck doch<br />
hoopt<br />
Man dä harr jüst giin Tiijd, dä oelle Släf!<br />
So mu´ck allään van Dag mit miin Benauen. –<br />
Dä H<strong>und</strong> iss upschütt! Wo hä toovt!<br />
Ook gorkijn Fent, dä mi wall hauen<br />
unn mi wall riiten kunn van´t Rad!<br />
Mit´t vuelle Büdel jaugen<br />
nau Huus – unn Peeren satt!<br />
- An´t Liin weiht Mamas Waaske.
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Stiellfrädag-Vörmiddag<br />
An disse Mörgen bün ick freuh in´t Kläer,<br />
up´t Fluur vull Sünnenschien teu´t Döör in buten<br />
unn tree van uens Portaul dä Stänpadd langs<br />
up´t Poortje unn bi´t Wegg, stauh tüschen Boomen<br />
van dunkelgrööne Taxus, Wittdoornheegen,<br />
in´t köhle Schaa van hooge Linnenboomen<br />
unn säh up Smidts Tuun Sünnenlücht gebret´t<br />
unn Stielle; höör feernhenn dä Naubersheuner<br />
in´t Staall unn buten kaukeln van höör Eijer.<br />
Dirks Huus? - Dä groode Flöörkebuschen holl´n<br />
dat Röögen dor unn ook dä Pütte feijn<br />
verstoppt. Du auhnst dä Mensken, man teu sähn<br />
is nümms; dä Lüü nau´t Kaark bünt laang vörbi.<br />
Än friske Röök umdrifft miin Hoor unn Sinnen,<br />
ick holl mii fast an´t Poortjepauhl unn lüster<br />
up Sing unn Sang van uens Netüür unn föhl<br />
mii buurgen, ääns mit buten vör unn binn´n<br />
in disse junge Haart vull Vörjohrsauhnen.<br />
Än Düük van aalls, wat leevt, vör´t Lebent,<br />
maukt Hartensseehr an sückse Lebent fast!<br />
Karfreitag-Vormittag<br />
Ein Knabe war ich diesseits neu gemacht:<br />
am frühen Vormittag aus dem Portal<br />
den Steinpfad hin zur Gartenpforte schreitend,<br />
vom Sonnenlicht begleitet, wie benommen<br />
am Treppenaufgang zwischen Taxusbäumen<br />
auf Sandweg, duftig grüne Hecken schauend,<br />
Kniestrümpfe weiß, <strong>und</strong> weiß das Hemd, die Schuhe<br />
geputzt von Mutter, die jetzt drinnen wacht,<br />
steh´ich, ihr Sorgenkind, am Pfortenpfahl<br />
die Hand, das Haupt gelehnt, vertraut hinbreitend<br />
der Seele Helligkeit, dem Glück entnommen;<br />
vom Lindenblätterdach beschattet, träumen<br />
des Lichts Geschwister, klangerfüllt erschauend<br />
am nahen Nachbargarten dichte Schöpferruhe -<br />
hebt mich, neun oder acht? - zum Bruderm<strong>und</strong>e<br />
- : besiegelt küssend meines Lebens B<strong>und</strong>!
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- beispiel-los –<br />
Up Visiit – as än Jung, nett henn teu väär off fijf,<br />
lagg ick stiellkens up´t Lijf, keek dä Biller groot,<br />
Omas Bibel as Rautsels,<br />
maall unn hillige Lüü teumöet.<br />
Zeichen schuf sich der Mensch, <strong>Aus</strong>druck geformter Zeit,<br />
Worte meißelnd in Stein, siegelnd das heil´ge Ja<br />
lebensspendender Liebe<br />
als Programm, als der Bibel Vers.<br />
Kriig wass uut, unn in´t Haarst, s´Naumiddaugs Süennenschijn,<br />
gung´t teu´t eerstmaul in´t Scheul, satten wij Kinner stiell,<br />
Leij unn Griffels up d´ Banken,<br />
seess in´t Riig, Jungse unn Wichter, smaul,<br />
Künstler wie auch Prophet nutzen der Sprache Gunst,<br />
wissend, Mittler zu sein zwischen erahntem Hier<br />
<strong>und</strong> ersehnender Zukunft,<br />
Boten waltender Gotteskraft.<br />
keken Mesters Gesiecht, nejschierig up sijn Deun,<br />
Griffels kraabden up d´ Leij, Beukstauv up Beukstauv wuurs<br />
in uuns Vörsteelln teu Prooten:<br />
Rautsels gungen vör d´ Lebent up.<br />
Michelangelo trieb einzig-beseeltes Sein<br />
in des Marmors Gestalt; alle die Großen sind<br />
Zeugnis eigener Welten,<br />
Eingeb<strong>und</strong>´ne in weitem Licht.<br />
Leesen leehrden wij nu, wuursen Biller unn Beuk<br />
teu än Böskupp vör uuns, settden sück in uns fast,<br />
as än Grafftstään teu wäten,<br />
dat du süchst, wat door buurgen liggt.<br />
Alles, was noch der Mensch glücklich vom Ganzen träumt,<br />
ist beschlossenes Sein-Werden-Vergeh´n als Sein –<br />
- schwebend zwischen den Lichten –<br />
hütet Schöpfung der Kreatur.<br />
Kinner leehrn hör Spraauk seker mit Haan unn Haart,<br />
dorum laut hör dä Tijd, Äänklang teu sähn unn Free,<br />
wor sück Lebent hör updeiht<br />
unner hillige Kreautüürn.
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Baum, du hohes Gebild´: Glücklich im Blätterdach<br />
baut der Vogel sein Nest, füttert die junge Brut,<br />
spielen Kinder im Schatten –<br />
Endlich´s atmet unendlich neu.<br />
Gauh ick stiellkens van Döör, säh ick <strong>und</strong> hör ick jeu<br />
jung – unn föhl jeu an mij – in mij unn dör mij gauhn.<br />
Elke Dagg is mij Täken -:<br />
Rautsels deunt sück mij up as Bild.<br />
Eden<br />
Mit naukend Puckel wüpp´ck over´t Huusdöörsröst<br />
Van hääte Stänen, brannerge Sand up´t Gress,<br />
dwass over´t Rausen up uuns Tuunpad,<br />
schuul mij an Plumboom unn Fispels wijder.<br />
In sich´rem Schatten lauschigen Apfelbaums<br />
gewährt der stille Nachmittag Knabenmut,<br />
erspäht das Auge reife Früchte,<br />
klettert der Fuß mit behenden Schritten<br />
den schräg sich aufwärts reckenden Baumstamm, hält<br />
des Spähers Blick im schützenden Blätterdach<br />
nach Neuem <strong>Aus</strong>schau in der Gartens<br />
grünender, düftebeseelter R<strong>und</strong>e.<br />
Ick funn mij geern mit´t Telt unner´t Flöörkebusk,<br />
in ´t Wijs van Vögelstimmen unn Menschenklang<br />
unn wat dä Tike, Ruup unn dwölerg<br />
Filapper annerwijs seeggen mussen.<br />
Teu disse Stee´n, teu disse gemaulde Tijd<br />
well anners inteunögen, dä nix dorvör<br />
in Haart unn Sinnenn overharr, was<br />
tegen mijn Meut van sückse Kinnerdaugen.<br />
Dies war Eden, Geschenk jener verzückten Zeit,<br />
da ich sicher im Baum, schützender Elternschaft<br />
lernte, zögernden Schritt zu<br />
setzen, schüchtern, doch wachen Sinns.<br />
Unberührtheit zeichnet der Kinder Wesen,<br />
Schutz begehrt der Mädchen <strong>und</strong> Knaben Schämen;<br />
Nicht verdient der lüsterne Schänder Schonung,<br />
zwingt er die Unschuld!<br />
Wat dä Kinner, Spöölkamerauden wüssen,<br />
treude sück teu seeggen so licht wall nüms;<br />
Clemens kneep mijn Keerlke bi´t Büxenmeten,<br />
man ick versweeg dat.
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Eden, denk´ ich, geschieht immer aus Elternhand,<br />
ihnen bleibet, den Schütz über der Kinder Haupt<br />
sicher sorgend zu breiten,<br />
ehe denn sie das Leben nimmt.<br />
In´t Tuun stunn´n mennig Boom unn ook Busken vööl,<br />
dortüschen Planten, Blömen unn Struken hoch,<br />
unn satten door smauls Vögelnüsten,<br />
hull´n wie uns stiell unn beluurd´n dä Jungen.<br />
Unn wassen´s groot unn fluegg unn dat Nüst jüst leeg,<br />
dann wass´n wie bliid, dat nüms van dä anner Jungs<br />
dat Nüst utreeten harr, dä Eijer,<br />
riigwiis up´n Band, in höör Köken bummeld´.<br />
Es sündigt erst der Mensch vor dem Paradies,<br />
wenn sich der Kopf der Seele versagen heißt,<br />
der Kreatur den Schutz verweigert:<br />
Übermut schädigt des Schöpfers Walten.<br />
Ist des Lebens Rücklauf begonnen, kehrt er<br />
klugen Mutes, weise geworden, hoffend,<br />
voller Sehnsucht heimwärts die Schritte, doch nun -?<br />
- Fremd ist der Garten.<br />
Wir finden einen Teil der Gedichte weiter unten in der früheren <strong>Aus</strong>fertigung (2004),<br />
der obigen wurden 2 Gedichte hinzugefügt: Schoijen (unredliches Betragen) <strong>und</strong> Büten<br />
(Tauschgeschäfte mit Verlustgarantie).<br />
Meinem Bruder öffnete sich in Köln ein Kreis plattdeutsch sprechender Interessierter.<br />
Er publizierte inzwischen 3 CD´s mit vorgetragenen Textpassagen in den unterschiedlichen<br />
Dialekten des Plattdeutschen von der Küste bis Südniedersachsen.<br />
Mein Anliegen war es, Erlebtes als Dokument festhalten <strong>und</strong> sichern zu können, <strong>und</strong><br />
mir stehen Fotografien aus eigener Veranlassung zur Verfügung.<br />
Eine öffentliche Akzeptanz wurde mir verweigert, mein Strophenbau <strong>und</strong> Versmaß<br />
unterschiedlicher Stilepochen, die dem Plattdeutschen hohen Inhalt verleihen, wurde als<br />
gekünstelt, als geschraubt, als dem Plattdeutschen widersprechend, verworfen.<br />
Insgeamt scheute ich mich nicht, einigen Persönlichkeiten das eine oder andere Selbstverfasste<br />
zu widmen. Es erging diesem wie meinen späteren, noch laufenden Angeboten,<br />
Kinder im Belcanto kostenfrei im Einzelunterricht auszubilden. Wir halten fest:<br />
Dedikationen <strong>und</strong> andere Geschenke sowie die Kunst in ihrem wahren Vermögen<br />
werden von den „Betroffenen“ gr<strong>und</strong>sätzlich nicht beantwortet. Wir konstatieren:<br />
Schweigen ist die bösartige Opposition der Inkompetenz.<br />
Ihrhove, den 23. September 2011
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<strong>Aus</strong> <strong>Kindheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong> – Teil II<br />
Geschichten in plattdeutscher Sprache<br />
1.<br />
Beernd, dä Puppkespöler<br />
„Hest hum sähn?“<br />
„Nee - well?“<br />
„Beernd - hä geiht dor nett upt d´ Patt achter hör Huus langs!“<br />
„Wat wiell dor?“<br />
„Theauter spööln! Vöör´n Groschen vör elk, dä teukiiken will. Kummst mit?!<br />
„Wä´ck nich - mu´ck fraugen.!<br />
„Sa´ck mitgaun?“<br />
„Jau - wenn d´dat wullt?“<br />
Wie gungen beijd fraugen, unn wiil miin Maam de nich was, kreeg ick mi hör<br />
Knippke ut´d Schapp unn bedäände mi sülmst. (Dat gaff naust Aarger, unn ick hebtt´t<br />
noit weer daun).<br />
Man nu lous! Eerst muss wi an dä H<strong>und</strong> Harras vörbi. (Dat Klötern van dä Keett höör<br />
ick noch vandaug in´t Ohr)! Dor kwamm wi up dä Wegg, wor Beernd uut Latten un´n<br />
Dekens än „Bühn“ tausaumenklütert harr, unn ass´t sowiit wass, kroop hä dor achter.<br />
Wii Kinner satten up´n lüetje Waall achternanner <strong>und</strong> tegen´nanner dorvöör unn reeten<br />
dä Oogen unn Beck s´mauls läp open.<br />
Beernd wass van uns Koopmann Smitt dä ollsde Jung unn än geboorn Spaußmauker.<br />
Siin geudmödige Netüür stunn fauktiiden in´t Tägendäl teu mennig gochum Utspröök,<br />
man hä hulp wall doch fix maul eben mit, wor´t nödig dee. Dör siin Spaußen meuk hä<br />
dä Kinner unn sück unn ook dä Lüü in´t Lauden fauk bliid.<br />
So wassen ook siin Handpuppkes aaltiid lebendig unn harrn sück in´t Klatten, unn<br />
winnen dee doch dat Geude. Wi satten up´t Gress unn wassen dor läp mit bi, wenn´t<br />
Krokodiil off dä Düfel wat up´t Jack kreegen!<br />
Änmaul satt miin Bröör Päter d´r mit achter dä Dekens unn meuk mit Kloppen unn<br />
Friiben up dä Puppkekiest, wat wii uns ass Schendaul bi dä Hauereej vörsteelln sulln.<br />
Beernd full alltijden wat Neijes in, wor ginään anners up komen kunn, unn dat spiit´de<br />
uns elke Maul, wenn´t dann doch uut was.<br />
„Ooch, Beernd, noch´n Stückje!“<br />
„Vandaauch nich mehr - ´n annermaul!“<br />
„Wennheer, Beernd?“<br />
„Wä´ck noch nich!“<br />
Unn wii gungen nau Huus henn. Fauktiiden hebb ick dat nich beleevt, man ick bün<br />
dorvan overtüügt, dat in dä groode Jung ´n Talent vör´t Spööl verlorengaun is. Dat<br />
Tüüch dorvör harr hä!<br />
* * * * *
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2.<br />
<strong>Gerhard</strong> Schmidt - - Bernhard,<br />
(Beernd, dä Puppkespöler)<br />
Wor kwamm hä heer?<br />
Teu dä Mensken, dä mii besünners teu Neudenken geben hemm´n, wassen dä Olln<br />
van Beernd, uns Naubers Smidt. Van Beernd hebb ick ja jüst verteellt. Siin Vauder harr<br />
as jueng Keerl än van´t Peerd vör´d Oogen kreegen; hä muss uutscheijn bi´t Buur unn<br />
fung ´n lüetje Lauden an. Siin Frau Siintje stunn dor teu verkoopen, Heinrich satt in´t<br />
Kööken, schiellde Tuffels, hull dä Ohren open, kreeg´t aal mit, leehrde so dä Lüü<br />
kenn´n, unn dä Vertreeders hulpen dä beiden in´t Sluurn, dat dor geude Kooplüü uut<br />
wuurn. Beijd harrn ´n heelle Kopp: Sä begreepen, wor´t langs gung, <strong>und</strong> Siintje muss bi<br />
nüms mit´t Pollot unn Pepiir anschriiben: Sä hull´t aal in´t Kopp!<br />
Teegenover van´t Lauden stunn dä Scheul. Dä Kinner harrn dä Patt waarm, nich bloot<br />
wegen dä Hefden, Polloten off Griffels, Rediergummis off Enkt. Sä heulen sück<br />
Slickerej, unn bi´t Inkoop vör Mama gaff´t aaltiid ´n poor Bointjes dorteu. Dat keen´n<br />
wii gornich anners.<br />
Tant Siintje see´n dä änen, Siintje dä Slüngels unn Wiisnösen, Tant Smitt mussen<br />
miin Bröör unn ick hör reupen, ook uuns beste Fründ. So höörde sück dat, mänden uens<br />
Meuders.<br />
Sauterdaugs stunnen dä Lüü sömmerdaugs bit up dä Patt vöör´t Döör van disse lüetje<br />
Lauden. Wass door nich teuvööl in, schoof man dä Döör open, dann beijerde dä Klocke<br />
boben dä Kopp, wenn man d´rinstappen kwamm. Rechs van dii stunk dat smeerige<br />
Petrouleumfatt (dä Lüü see´n aubers „Gass“), wiil dä Lüü höör Schiinfatten, höör Ülks<br />
unn dä Kökenlaamp dormit teu Lüchden kreegen, ook jüst nau´t Kriig, wiil dä Stroum<br />
mäst noch teu fauk uutfull unn wiil vööl Lüü noch giin Strom an´t Huus harrn. Mit´n<br />
Greep truck man dann än Staang uut dat Fatt, puempde sück dä smeerige, stinkerige<br />
bruun Soorpe nau boben in´n Glasröhr, unn dann hull man siin Pott unner dä Pisshauhn<br />
unner dä Glas, dreihde hum open, unn so kunn man sück siin „Gass“ offtappen.<br />
Dä Töönbaank harr linkerhand ´n Klaap, dä sleug man over unn kunn so döör´t<br />
Lauden in dä düstere Gaang nau´t Köken komen, wor mäst dann Harras, naust was dat<br />
Senta, dä Bliendenh<strong>und</strong>, ansleug.<br />
In´t Nauzitiid harr Heinrich hum buten tegen´t Kökenfenster ankeett´t, unn wenn hä<br />
BBC Düüts höör´n dee, kunn hum nümms dorbi snappen, wiil hum Harras blaffen dee:<br />
„Paas up - dor kummt well!“ Heinrich harr sück mit dä Tiid ´n feiin Nöös vör dä Politik<br />
maukt, unn wüss hä wat, stunn hä buten an dä Huuseeck, wenn miin Vauder um´t Huus<br />
teuleep, um in´t Scheul teu komen. Sach hä Heinrich dor stauhn, leet Vauder eerst dä<br />
Kinner in´t Klaass, dann stappde hä over dä Scheulhoff, dä Trappens andaul, up bliend<br />
Heinrich an, unn dann prooden sä over dat, wat Heinrich over dä Uutlandsraudio<br />
ruuthöört harr. Sä riskäärden hör Hals, dat wüssen sä wall, man sä hullen teusaumen.<br />
In dä maalle Tijd hulln dä Smitts teu dä Lüü, dä´t schofel gung, wor´t äjts mögelk<br />
wass. Dreij Femiliens harr miin Oll fraggt, ov sä sück um siin Frau unn uns Kinner wall
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sörgen kunn´n, wiil Vauder ja teu dä Soldauten muss, unn sä harrn´t hum beloovt, man<br />
sück door naust nix an holln. Man Smits keeken nau uuns unn schoben Meuder so<br />
mennig wat teu, ass sä in dä Kluttentiid, ass Vauder noch in Gefangenskup in Ägypten<br />
satt, giin Geld van dä Tommis kreeg.<br />
Teurüegg teu´t Lauden: Wusst du wat koopen, wat´t in Püten gaff, kreeg sück Tant<br />
Siintje dä Schepper, reet ´n Püüt over höör Kopp van boben off, stöttde hum open unn<br />
scheppde unn woog, bit´t stiemmen dee. So gung dat mit Tee uut dä groode Büürs,<br />
Mehl, Sucker, Solt, Hauferflocken unn anner Geutje uut Backjes, dä achter höör<br />
stunnen unn wor holten Decksels upsatten teu hochslaun. - Vör dä Kääs gaff dat ´n<br />
groode Mest, dä dor dagsover aaltiid ruemlagg, unn vööl Krömelkraum greep dä lüetje<br />
pootige Koopmannsfrau mit dä bloode Hand uut dä Büürsen unn Potten. Krank is<br />
dorvan seker nümms worden. So pipelig wass ook nümms, dat hä sück dor over<br />
upreegen kunn. Dä Smits wassen groothartig, geutmödig, unn wiil Tant Siintje noit<br />
Uuurlaub mauken kunn, fohrde sä elke Johr mit Vauder up dä Kinnerutflug mit. Was<br />
dor wat teu loopen, was sä mäst mit ään van dä eersten, unn slapp meuk sä noit, wenn<br />
dä Kinner ook jöseln wulln. Sä wassen leij, man wenn sä Tant Siintje vör sück harrn,<br />
kreegen sä vööl läve Woorden, unn dann gung dat jüst noch maul so hannig teu Feut.<br />
As Beernd oller wuur, gung´t der hoch heer, wenn dor dä richtigen Lüü in´t Lauden<br />
stunnen. Well harr´t dann drock? Wenn´t wesen muss - worum nich? - Sauterdaugs<br />
wass´t dann wall drocker ass anner Daugen, aubers Beernd taargde mennigään an, bit<br />
Vauder Heinrich hum vermauhnde.<br />
Harr Beernd Tiid, dann fratt hä ook wall wat mehr uut ass anndern, man hä hett dat<br />
noit lelk mänt. Hä wass dä eersde, dä´n Lufpistoll harr unn naust´n Gewehr, immer noch<br />
wat beeter, unn wenn hä teu´t Döör uutsluurde, was giin Vögel mehr teu finnen - nich<br />
maul ´n Bessensteel kunnst du uptiellen, dann fluternde sä up unn neihden hum van<br />
Döör.<br />
An Eekster- unn Kaunennüster kwamm hä ran; man hä leesde ook vööl, wenn´t äjts<br />
gung: Än Rummel Billy Jenkins unn Tom Prox (dä mugg Beernd am läwsten) hemm´n<br />
miin Bröör Päter unn ick van hum utläänt. Aubers ook an beterde Beuken treude sück<br />
Beernd wall ran, unn ick woor bit vandaug dä Verdacht nich lous, dat hä´n anner Wegg<br />
nohmen harr, wenn hä in´n anner Tijd unn unner sückse Mensken leevt harr, dä hum<br />
helpen kunn´n, sück upteubaau´n.<br />
Beernds Bröör Geerd wass wat junger; siin Striken wassen kniperger; Geerd sull<br />
Bakker leehrn, unn ass hä siin eerste Motorrad kreegen harr, jeug hä sück in Winterdag<br />
up ´n neij Straut doot. Dat hett Vauder Heinrich nich mehr verwunnen.<br />
Vauder Heinrich wull uut sijn Kinner geude Kooplüü mauken. Sä sulln gochum<br />
wesen, preekde hä höör - aubers süllst kunn hä´t ook nich. Dorum hett´t ginään worden<br />
kunnt. Tant Siintje, dat wüssen dä Lüü, wass „dootsgeut“; wor sä helpen kunn, wass sä<br />
teu Hüelp aaltiid teu fraugen. Dä Lüü, dä bi Smits in- unn uutgingen, kunnen sück over<br />
disse Mensken noit naudälerg uutlauten. Wenn dat än daun hemm´n sull, hett hä wat<br />
vergeeten. Unn dorum wull ick dat hier eben weer upfrisken, wiil ick bi Setten over dä<br />
Stänfeldmer Karkhoff stölter unn mii dä Graftsteen bekiik, wor dä Smits lieggen, ook<br />
Geerd unn Beernd.<br />
Gafft´t anners nix in´t Sandweegen teu beluurn, harr wii fauk vör Smits Lauden<br />
sückse Fohrtügen teu bekiken, dä Woorn offlauden mussen. Tiedeken van Paupenbörg<br />
kwamm mit´n Peergespann, dä annern leewerden all mit lüetje Lastautos uut. Dat Röök<br />
van´t Metoorn gaff uuns Updriev, ass wii dorvan dröömden, mit so ´n Auto döör uns<br />
Kinnerwelt fohrn teu worden. In dä Kluttentiid kwammen höchsdens dä Dokters off<br />
Heilpraktikers mit hör Autos, dat wass all wat! - aubers Visiit kwamm mit´t Rad off teu<br />
Feut van´t Baunhoff Stänfeell.
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Änsdaugs höörde ick achter´t Heeg, woor ick mit Potten unn Prüellen spöölde, van´t<br />
Lauden heer Kinner kreih´n:: „T´gifft Dattels!“ Unn dat düürde ´n Settje, do kwamm<br />
uns Maam mit ´n Püetje vull Dattels, unn dä kleewden unn rooken unn smaukden dii<br />
lecker! Unn dä Stänen wassen lang unn nich ass bi´n Pluum off bi Kaarsen. Nauhst<br />
wüssen wi ook, wo man dä in´t Reckschäter knipen unn dormit schäten kunn.<br />
Man disse Dattels harrn noch ´n anner Täken: Dat Eend van dä noore Kluttentijd was<br />
offteusähn - dä Lüü wassen bliid unn upwunnen ass ´n Uuhrwark. Sä sachen weer<br />
beterde Tiiden teumööt. Man kunn´t marken ass bi ´t Vörjohr, wor wii aaltiid doch up<br />
luurn dee´n.<br />
3.<br />
Mesters Jung<br />
Dat was Sömmerdagg, ick was noch lüetjerder, ick stunn mit anner Kinner unner dä<br />
Linnenboomen up Smits Laudeningaang in buten unn harr, ass aall dä anner Kinner,<br />
Jungse unn Wichter, dä noch wat lüetjerder wassen, bloot ´n Tuurnbüx an. Eiko stunn<br />
dor ook, hä muss d´rup wachten, bit hä in´t Lauden an´t Riig was teu inkoopen. Wii<br />
kaukelden unn meuken Sprökjes, ass Hermann mii teufisperde, hä wull Eiko dä Büx<br />
daulriiten, unn ick sull wegloopen. Ick funn, dat harr wat vör sück, unn so nickkoppde<br />
ick.<br />
Hä sleek sück achter Eiko, än lüetje Fent mit swaart kruus Hoor, gung nau unnern in´t<br />
Knäen, snaappde sück dä beijd Büxpiipen unn - rapps - reet hä dä Büx bit up dä Hacken<br />
daul. Dor stunn Eiko, naukend unn ass van´t Döfel fastspikert.<br />
Nu wass´t an mii, mii umteudreijhn unn weggteuklabattern. Ick huukde achter dä<br />
Scheulheeg unn luurde, wat sück dee.<br />
Dä Upröhr was nich van sleecht Oelln! Sä kiffkerden unn schuellen dör´nanner, dat ick<br />
dat mäste gor nich verstunn. Man ick kwamm de doch achter.<br />
Unn nu eerst begreep ick, wat Hermann dormit vörhatt hett. Ick süll ass dä Schüllige<br />
geellen, unn dä Kinner, dä tegen mi staun harrn, löövden dat ook <strong>und</strong> betüügden, dat<br />
ick´t west wass.<br />
Dat hulp mi nix mehr, van miin Fluchtwegg uut miin Unschülligkeit hör teuteukreih´n<br />
- ick sullt wesen, unn dorum muss ick ´t west hemm´n. Mesters Jung: Dat leet sück<br />
höör´n! Ha!<br />
* * *
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Unsere Laienspielschar: Schnell improvisiert, wer konnte, war dabei oder schaute zu – wir spielten<br />
Märchen oder Episoden, von denen wir beeindruckt waren. Die Foto-Box gehörte Bäckermeister Uffe de<br />
Vries. Ort: Vor der Hecke zur heutigen Mühlenstraße – früher Sandweg!<br />
4.<br />
Strijken unn Utrijten<br />
Dat gifft gijn Kind, dat nich henn off heer maul wat utfreeten hett. Dorvöör wassen dä<br />
Johrn ja dor. So doch wi nu wall noch nich, man wi dee´n´t.<br />
Bösoordige Strijken sulln´t nich wesen, wenn´t dorum gung, well ´n Strij teu lappen.<br />
Laut mi man flüeggs hier ´n poor verteelln.<br />
Strijken stunnen mäst mit so´n kiddelige Geföhl vör´t Utrijten bij´nanner - wijl dat ään<br />
´smauls bloot mit dat anner teusaumensitt. Dat wüssen dä Grooten, unn wenn´t nich<br />
aalteufeell utfull, dee´n sä man bloot so, ass wenn sä uens nausitten wull´n, unn dann<br />
hull´n wi hum de van Döör, dat de Bään man so floogen.<br />
´Smaul was´t aubers beter, wenn du di stiell holln deest. Dorvan nu disse Bispill:<br />
Bi uens knoijde bi Sömmerdagg wall fauker ´n dicke Lautauto vörbij, ´n Törauto, dat<br />
sagg wi wall, unn hä hüppelde di döör dä Waugenspöör, dat dä Büdelsand bi dröög<br />
Weer achter hum anstoov. Du kunnst hum all van Wijden ramentern hör´n, unn dorum<br />
besloten Dirk, mijn Fründ, unn ick, dä aell Gnaarpott ´n Strij teu lappen.<br />
Wi Fenten kwammen up dä Gedaanke, in dä eersde Radspöör ´n Gatt teu puur´n unn<br />
dä mit Stockjes unn Blauden unn Sand teu verstoppen. Dä Törfauto kwamm dä Wegg<br />
umhooch unn jöckelde wijder nau´t Feld rin. So, nu muss hä äänlijks in´n poor Stüen<br />
teurüegkomen. Dormit wi gijn anner Fohrwark up´t Gewäten nammen, harrn wi uens<br />
offmaukt, eerst mit dat Gatt anteufangen, wenn wi dä Auto van feern komen höörden.
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Ass´t nu sowijt wass, heulen wi de ´n jentige Barg Sand ut dä Spöör, leeggden dä<br />
Tackjes d´rup, dann dä moj Linnenblauden, dann dä dröög Büdelsand d´rover, mit dä<br />
Haand glattgestreeken, unn dann nix ass achter uens Heeg - unn dor lagg wi unn<br />
röögden uens nich mehr.<br />
Opa Graß´ Ruellwaugen harr mit sijn Gummirauden wall blott ´n bijtje schüddelt.<br />
Ook ´n jentige Ackerwaugen harr seker nickkoppt. Sä wassen ja vööl sachter mit hör<br />
Fohrt ass dä Brummauto. Man in disse stielle Naumiddag höörde wi dä Törauto komen.<br />
Hä schukelde unn snoof um dä Kuurv teu, wo dä ääken Boomen van uens Waal<br />
stunnen, an´t Tuunheeg andaul, dä Wegg teu uens heer, unn „ramms““ sleug dat rechde<br />
Vörrad in´t Gatt! Dä jeug hum ook ijlerg up sijn Stee daul, unn dann gaff di dat ´n Slag,<br />
dat dä Bijfohrer mit´t Kopp bolt unner dat Dack van sijn Autohuuske floog. Uens<br />
düchde, dat dä beijde Keerls hör Kusen bolt unner´t Nöösgauten sitten harrn!<br />
Man nu dochen wi benaut: Nu hollen´s an, nu gifft´t wat! Sä kunn´n ja wall nau uens<br />
Olln gauhn! Och heer, wi aarme Schepsels. Wat wüss wi dann wall van Slagglocken!<br />
Nich ään Törf was d´rbi daulpultert! Sä stöörden sück dor wijder nich ann unn<br />
rumoorden wijder.<br />
Ass nu dat Skandauln wegg was unn dä Stielle weer mit dä daulsackende Stoff up dä<br />
Wegg unn Heegen sück leeggde, kroopen wi weer van Dag. Unn nu föhlden wi uens ass<br />
Bausen! Wi harrn wat reeten, unn ´t was geutgauhn. Wat wuuln wi mehr?<br />
Dirk unn ick spöölden bolt elke Dag mit´nanner. In sijn´s Ollns Huus kunn man feijn<br />
spöölen. Wi verstoppden uens in´t Heijgulf, unn Dirk bestunn dorup, Gijn Nauderls off<br />
Rijtsticken bi uens teu hemmen. Dat wull sijn Paap nich! Dat muss wi belooben. Unn<br />
dor hulln wi uns an. - Ass Dirk nu mitkreeg, dat sijn Meuder uens wall söchde, kroopen<br />
wi beijd unner´t Peerslee, wormij Vauder (vör mi „Unkel“) Hinni Spiir van´t Land<br />
heul. Nu stunn dat Bäst up´t Deel. Wi laggen nu unner dä Planken, ass Dirks Maam<br />
(„Taant“ Bertau) nau uns reep. „Nix seeggen!“ fisperde Dirk. `T Ollske kwamm tu´t<br />
Sijderdöör rut unn reep uem´t Huus teu, man nix! Sä kwamm d´r weer in; wi höörden<br />
hör Holsken up´t Deel klötern. Nu kwammen sä an´t Heunerhuck vörbi, up uens Slee<br />
daul. Jasses! Sä gung d´r boben up staun unn reep unn klaugde ower dä maall Fenten.<br />
Wi laggen teegenänanner unn smüsdernden, ass sijn Meuder up dä Planken van dä Slee<br />
stunn <strong>und</strong> aal wijder bölkde. Sä harr uens wall dä Koppen platt trappeln kunnt, man sä<br />
wüss´t nich, unn dat meuk uens dä Blijdskupp. Harr wi nuu unner höör wat seggt, wass<br />
uens lääw Taant Bertau van´t Slee offpultert - vör Schrick! Dat wuss wi, unn dorum<br />
hulln wi uens stiell, bit sä wegg was. - Eerst lauter hemm wi höör´t bicht´t, man do kunn<br />
sä dorovver smüstern ass wi do ook.<br />
Ass mijn Vauder noch in Gefangenskupp satt, harr wi in´t Feld ´n Mester, dä „von<br />
driiben“ kwamm, van dä Roovritters wall ´n noore Offleggers west wesen muss unn dä<br />
Dirk unn ick nich uutstauhn kunnen. `T was ´n süennige warme Haarstdag, up laut<br />
Naumiddag, unn uens jökde dat Fell. Dirk see: „Wäst wat? Langään sitt bi jeu achtern<br />
in´t Tuun.“ (Dor harr sück dä Keerl ´n Baanke timmert un satt mit sijn Kiffke (sijn<br />
Ollske) unn freihde sück dorover, wo hä dä Lüü weer over´t Ohr hauen harr).<br />
„Unn“, see ick unn keek Dirk mit groot Oogen an.<br />
„Wi hemm Tuffels rüd´t, unn do lieggen noch dä häl lüetje Tuffels - unn ook dä<br />
grönen.Tuffelappels Dä köönt wi bruken.“<br />
Hä heul sück ´n Mest, snee tweij Stockjes unn spietzde dä vöörn an. Unn so sluurden<br />
wi weer up dä Möhlenwegg unn an dä Heeg. Wi mussen nu sähn, dat wi so dartig bit<br />
värtig Meters smeten, anners harr´t gijn Glück. Man Dirk wüss, worum wi dä Stockjes<br />
bruken kunnen. Hä stook sück van dä Tuffelappels ään up die Spietz van sijn Stock, dat<br />
dat grööne Quiel d´randaul leep. Neu heul Dirk uut unn neijde di dä Tuffelappel van´t<br />
Stock hoch in dä Lücht. Ass wi nix höörden, dä ick hum´t nau, unn so pitschkerden wi<br />
dat quatterge Tüüg döör Busken unn Lücht, bit wi up äänmaul Langbääns Stiemme
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pultern höörden. Nu wüss wi, dat wi hum reckt harrn, unn wi laagden unn smeeten noch<br />
ään d´rover, unn denn höörden wi hum hochpultern unn skandauln, unn dat oelle Wijf<br />
kiffkerde dortüsken, bevör dat wi´t Mors unner´t Arm nammen unn uens<br />
d´rvanhöögden.. -<br />
Dirks Ollen harrn in höör lüetje Huus gijn so hooge Deeken teu Wustendrögen.<br />
Dorum harr hör uens Maam anboden, dä bi uens an´t Kökendeeken upteubummeln. Wi<br />
harrn Bott geneug - tegen dat, wat wi vör uens noch bruukden.<br />
Ään Sönndag Naumiddag harr wi Tijd unn Laangwijl unn nix Geuds in´t Kopp - dat<br />
reckt dann wall!<br />
Dirk harr Sinn an´n Eend van´n Wust - hör äägens, dat wüss hä ja wall. Man wo dor<br />
mit an?<br />
Wi schooben dä Kökentaufel unner dä Wuststangen <strong>und</strong> klauterden up dä Taufel. Dirk<br />
harr´t Mest unn ook dä Wust snappt truck hum van´t Haauk unn kwamm dor mit<br />
naudaul. Hä jeug d´r eerst ään, unn ass hä´t pröövt harr, noch ´n Eend van off unn hung<br />
hum weer tüschen dä annern, so da´dat nich upfaalln kunn.<br />
Ass dä Tijd teu offnehmen kwamm, wuur Maam läp verleegen - sä harr´t ja nich west,<br />
man sä stunn dorvör Böörg. Well harr´t nu dauhn?<br />
Wi sachen´t inn, dat sä´t utstaun sull, unn dorum hebb ick dann d´rup teuslaun unn<br />
Dirks Maam ´n Täken teukomen lauten. So kunn sä Dirk fraugen unn dat Beudel<br />
upkloorn.<br />
Dä leetzde Strij was gor nich geut <strong>und</strong> van mi ook lääp töffelig up´t Wegg brocht.<br />
Dirk wull ook mau wäten, wat dat mit´t Rooken up sück hett. Ick kwamm an disse<br />
Stinkereij licht heran, ass mijn Oell - van´t Kluttentijd ´n Overblievsel - sijn Zigereet-<br />
unn Zigaarstummels upbaargen dä. Ick wüss geut, wor sä laggen, unn ich harr mi fauk<br />
geneug sülst bedäänt. Ick heul mi ´n Handfull unn ´n Spietz unn vör Dirk wat<br />
Zigaarstummels. Nu kroopen wi achter´t Waal unn bött´den uens ään an.<br />
Dat düürde ´n Settje, do freug mi Dirk, wo hä utsach - off witt - off wat vör´n Klöör? -<br />
Ick see hum´t, ass´t wass. Nu wull hä up uens Schijthuus - so ään harrn sä ja ook wall in<br />
Huus, man disse was nauger bij unn sijn Maam muss´t ja nich wäten, wat hier r<strong>und</strong> leep.<br />
Ass hä kloor was, kroop hä van´t Huck unn saacht nau Huus. Ick treude mi nix unn<br />
freug ook nix. Man uens Meuders wüssen Beschääd. Mijn Maam sach, wat up uens<br />
Bünzelkaumer west was - Dirk harr sück nau unnern unn boben teuglikjk uut- rüümt -,<br />
unn Dirks Maam harr ´n dootstarbenskraanke Jung in´t Nüst lieggen, dä hör nu bichden<br />
muss, wat hä utfreten harr.<br />
Wi hemmen´t Rooken nauderhand teugeben. Wat ´n Wunner!
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5.<br />
Lammert unn anner Lüü<br />
Utrijten iss ja wall nödig, wenn di´n Teef nausitt off Jungse ut´t anner Dörp, wenn sä<br />
di wat up´t Jack haaun wulln. Man taargen unn dann utrijten, dat meuk Spauß!<br />
Dä Jungse harrn utfunn´n, daß ´n ollerde Menske sück läp taargen leet, wenn du hum<br />
wat teureupen deest. Satt hä s´Aubends in Huus, sleeken sück dä Slüngels an´t<br />
Kaumerfenster unn bölkden:<br />
„Lammert - sä sitten di bi´t Törf!“ off „Lammert - sä schijten di in´t Kohl!“ unn dann<br />
pijtskerden sä di van Döör. Unn bolt elke Maul, wenn sä nich lösslauten harrn, stoov<br />
Lammert teu´t Huusdöör ruut unn pultderde hör nau.<br />
Dä leetzde Tijd wohnde Langbään ass Mester boben dä Scheulklaas. Dä groode<br />
Jungse muggen hum nich. Ään van dä harr sijn Dynaumo an´t Achterrad. Sä dreihden<br />
dä Rustkoor unners´t boben, dat hä up Saudel unn Stüerstaang stunn, unn dreihden nu<br />
flijterg dä Trappeldaulen. Dä Schijn van dä Laamp stellden sä up Langbääns<br />
Wohnkaumerfenster in. Nu kunn hä Zeitung lesen unn bruukde gijn äägen Lücht mehr.<br />
Man Langbään gefull dat gor nich, unn sijn oelle Kiffke kreeg hum up, dat hä naudaul<br />
stölterde unn um dä Scheul rumleep, up Smits Laudeningang teu, wor dä Jungs stunnen.<br />
Off sä dat wall lauten kunnen?<br />
Wat hä door up tegen harr, dat sä hör Lücht pröben musst harrn - dä wass stücken<br />
west?<br />
Hä wull sück dat verbeeden hemmen.<br />
Off hum dat wat angung? Off hä da Patt ook mit hüüert harr?<br />
Langbään truck off. Dä Jungse wassen geut inn Feuer unn harrn hum seker in dä Heeg<br />
stuukt. Dat riskäärde hä aubers nich. Man nu wüssen sä aal, dat hä mit sijn Ollske<br />
teureggtkomen muss, unn dä wass overhopt nich teu türsen.<br />
Die Schule – vorn das Wohnhaus; hinter dem Bogenfenster (Veranda) befand sich<br />
dieser Gerümpelhaufen: Es war im Sommer mein „Arbeitszimmer“ – hier machte ich<br />
Schularbeiten, las aber meistens Bücher. Die Nachmittagssonne zwang mich, einen<br />
ausgedienten Regenschirm als Sonnenschutz aufzubauen, hinter dem ich getrost<br />
arbeiten konnte, was ich wollte. Hier entstand mein erstes Versuchsdrama.
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6.<br />
<strong>Aus</strong> <strong>Kindheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong> – Teil III<br />
Hymnen an Eden<br />
Up Visiit – as än Jung, nett henn teu väär off fijf,<br />
lagg ick stiellkens up ´t Lijf, keek up dä Biller groot,<br />
Omas Bibel as Rautsels,<br />
maall unn hillige Lüü teumöet.<br />
Zeichen schuf sich der Mensch, <strong>Aus</strong>drcuk geformter Zeit,<br />
Worte meißelnd in Stein, siegelnd das heil´ge Ja<br />
lebensspendender Liebe<br />
als Programm, als der Bibel Vers.<br />
Kriig was uut, unn in´t Haarst, s´Naumiddaugs Suennnenschiin,<br />
gung ´t teu ´t eerstmaul in ´t Scheul, satten wi Kinner stiell,<br />
Leij unn Griffels up ´t Banken,<br />
seäss in ´t Rijg, Jungse unn Wichter, smaul,<br />
Künstler wie auch Prophet nutzen der Sprache Gunst,<br />
wissend, Mittler zu sein zwischen erahntem Hier<br />
<strong>und</strong> ersehnender Zukunft,<br />
Boten waltender Gotteskraft.<br />
keeken Mesters Gesiecht, nejschierig up sijn Deun,<br />
Griffels kraabden up ´t Leij, Beukstauv up Beukstauv wuurs<br />
in uens Vörsteelln teu Prooten:<br />
Rautsels gungen vör ´t Leben up.<br />
Michelangelo trieb einzig beseeltes Sein<br />
in des Marmors Gestalt; alle die Großen sind<br />
Zeugen eigener Welten,<br />
Engeb<strong>und</strong>´ne in weitem Licht.<br />
Leesen leerden wi nu, wuursen Biller unn Beuk<br />
teu än Böskupp vör uns, settden sück in uns fast<br />
as än Grafftstään teu wäten,<br />
dat du süchst, wat dor buurgen liggt.<br />
Alles, was noch der Mensch glücklich vom Ganzen träumt,<br />
ist beschlossenes Sein-Werden-Vergeh´n als Sein –<br />
- schwebend zwischen den Lichten –<br />
hütet Schöpfung der Kreatur.<br />
Kinner leern hör Sprauk seker mit Haan unn Haart,<br />
dorum laut hör dä Tijd, Äänklang teu sähn unn Free,<br />
wor sück Lebent hör updeiht<br />
unner hillige Krautüürn.<br />
Baum, du hohes Gebild´: Glücklich im Blätterdach<br />
baut der Vogel sein Nest, füttert die junge Brut,<br />
spielen Kinder im Schatten –<br />
Endlich´s atmet unendlich neu.
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Gauh ick stiellkens van Döör, säh ick unn hör ick jeu<br />
jung – unn föhl jeu as mii – in mi unn dör mi gauhn.<br />
Elke Dagg is mi Täken -:<br />
Rautsels deunt sück mi up as Bild.<br />
Eden<br />
Eden<br />
Mit naukend Puckel wüpp ´ck over ´t Huusdöörs Röst,<br />
van hääte Stänen, brannerge Sand up ´t Gress,<br />
dwass over ´t Rausen up uens Tuunpad,<br />
schuul mi an Plumboom unn Fispels wijder.<br />
In sich´rem Schatten lauschigen Apfelbaums<br />
gewährt der stille Nachmittag Knabenmut,<br />
erspäht das Auge reife Früchte<br />
klettert der Fuß mit behenden Schritten<br />
den schräg sich aufwärts reckenden Baumstamm, hält<br />
des Spähers Blick im schützenden Blätterdach<br />
nach Neuem <strong>Aus</strong>schau in des Gartens<br />
grünender, düftebeseelter R<strong>und</strong>e.<br />
Ick funn mi geern mit ´t Telt unner ´t Flöörkebusk,<br />
in ´t Wijs van Vögelstimmen unn Menschenklang<br />
unn wat dä Tijke, Ruup unn dwölerg<br />
Filappers annerwijs seeggen mussen.<br />
Teu disse Stee, teu disse gemaulde Tijd<br />
well anners inteunöegen, dä nix dorvör<br />
in Haart unn Sinnen overharr, wass<br />
teegen miin Meut van sückse Kinnerdaugen.<br />
Dies war Eden, Geschenk jener verzückten Zeit,<br />
da ich sicher im Baum, schützender Elternschaft<br />
lernte, zögernden Schritt zu<br />
setzen, schüchtern, doch wachen Sinn´s.<br />
Unberührtheit zeichnet der Kinder Wesen,<br />
Schutz begehrt der Mädchen <strong>und</strong> Knaben Schämen,<br />
nicht verdient der lüsterne Schänder Schonung,<br />
zwingt er die Unschuld!<br />
Wat dä Kinner, Spölkamerauden, wüssen,<br />
treude sück teu seeggen so licht wall nüms;<br />
Clemens kneep miin Keerlke bij ´t Büxenmeten,<br />
man ick versweeg dat.<br />
Eden, denk´ ich, geschieht immer aus Elternhand,<br />
ihnen bleibet, den Schutz über der Kinder Haupt<br />
sicher sorgend zu breiten,<br />
ehe denn sie das Leben nimmt.<br />
Oben: Zeltbau<br />
hinten im Garten<br />
Unten: Mit den<br />
Ziegen auf dem<br />
Rasen: meine<br />
treusten Gespielen!
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In ´t Tuun stunn´n mennig Boom unn ook Busken vööl,<br />
dor tüschen Planten, Blömen unn Struken houch,<br />
unn satten dor smauls Vögelnüsten,<br />
hulln wi uns stiell unn beluur´n dä Jungen.<br />
Unn wassen´s groot unn flüegg unn dat Nüst jüst leeg,<br />
dann wassen wi stolt, dat nüms van dä anner Jungs<br />
dat Nüst uutreeten harr, dä Eijer,<br />
rijgwiis up ´n Band, in höör Köken bummeld´!<br />
Es sündigt erst der Mensch vor dem Paradies,<br />
wenn sich der Kopf der Seele versagen heißt,<br />
der Kreatur den Schutz verweigert:<br />
Übermut schädigt des Schöpfers Walten.<br />
Ist des Lebens Rücklauf begonnen, kehrt es<br />
klugen Mutes, weise geworden, hoffend,<br />
voller Sehnsucht heimwärts die Schritte; doch nun -?<br />
- Fremd ist der Garten.<br />
Links (außerhalb des Bildrandes) muss man sich den<br />
Weg denken, dann Schmidts Garten; ihr Kolonialwaren-<br />
Laden lag dem Schuleingange gegenüber. Frau Schmidt,<br />
allgemein „Sientje“ gerufen, war die Güte in Person <strong>und</strong><br />
von ausgezeichnetem Gedächtnisse. Ihr Wesen nahm<br />
aller Ungeduld die Kraft; samstags standen die K<strong>und</strong>en<br />
bis auf den Weg, <strong>und</strong> im Sommer konnte man sich dabei<br />
auch w<strong>und</strong>erbar unterhalten, während man wartete, dass<br />
man dran kam.<br />
Die Großhändler lieferten vom Wege aus an. Die Lastwagen<br />
unterbrachen die dörfliche Stille, nur ein<br />
Lieferant aus Papenburg erschien mit Pferdegespann<br />
<strong>und</strong> Planwagen. Weil es schöne Tiere waren, faszinierten<br />
sie uns durch ihre verhaltene Feurigkeit, weil sie<br />
warten mussten. Kein <strong>Aus</strong>lieferer trollte sich sofort nach<br />
Ablieferung, sondern zumeist war ein Plausch mit Herrn<br />
Schmidt, dem „Blien Heinrich“, die Brücke zu guten<br />
Geschäften – auf Vertrauensbasis, wie sich vermuten<br />
lässt. Damals galt ein Versprechen soviel wie heute ein<br />
Nagel, dem man einen 68-er durch die Hand tackern<br />
muss, damit er gezwungen ist, das Unterschriebene auch<br />
wahrzumachen.<br />
Oben: Kindergeburtstag bei<br />
de Vries, Bäckermeister zu<br />
Steenfelderfeld<br />
Links: Unser Wohnhaus,<br />
links der Zwischenbau<br />
(Torfräume Dienstwohung<br />
<strong>und</strong> Schule, von prachtvoll<br />
blühendem Rotdornbaum<br />
beschattet), dahinter die<br />
einklassige Schule mit Turm.<br />
Die vier Fenster des Klassenraumes<br />
sind zu erkennen;<br />
auch die Pumpe am Zaun ist<br />
erkennbar. Später standen die<br />
Schatten der Lindenbäume<br />
über Schulhof <strong>und</strong> Rasenflächen<br />
– Jahre üppiger Natur.<br />
Es gab keine Straße! Es<br />
herrschte die Ruhe, wenn die<br />
Schule nachmittags leer stand<br />
<strong>und</strong> nur der Schuldiener<br />
Ohling drinnen fegte. Zu<br />
Wohnhaus wie Schule führte<br />
vom Wege ein Sträßchen,<br />
<strong>und</strong> letzteres wurde samstags<br />
geschrubbt. Wehe, ein Kind<br />
wagte es, sich dann darüber<br />
zu verirren! Frau Ohling, mit<br />
Knickebeinen, auf den Besen<br />
gestemmt, schrie das ganze<br />
Dorf zusammen. Erschien<br />
dann ihr Mann, ein Riese, unrasiert<br />
<strong>und</strong> fern allen Wassers,<br />
packte uns die Angst,<br />
<strong>und</strong> wir flohen.
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Stiellfrädag-Vörmiddag<br />
An disse Mörgen bün ick freuh in´t Kläer,<br />
up´t Fluur vull Sünnenschien teu´t Döör in<br />
buten<br />
unn tree van uens Portaul dä Stänpadd langs<br />
up´t Poortje unn bi´t Wegg, stauh tüschen<br />
Boomen<br />
van dunkelgrööne Taxus, Wittdoornheegen,<br />
in´t köhle Schaa van hooge Linnenboomen<br />
unn säh up Smidts Tuun Sünnenlücht gebret´t<br />
unn Stielle; höör feernhenn dä<br />
Naubersheuner<br />
in´t Staall unn buten kaukeln van höör Eijer.<br />
Dirks Huus? - Dä groode Flöörkebuschen<br />
holl´n<br />
dat Röögen dor unn ook dä Pütte feijn<br />
verstoppt. Du auhnst dä Mensken, man teu<br />
sähn<br />
is nüms; dä Lüü nau´t Kaark bünt laang<br />
vörbi.<br />
Än friske Röök umdrifft miin Hoor unn<br />
Sinnen,<br />
ick holl mii fast an´t Poortjepauhl unn lüster<br />
up Sing unn Sang van uens Netüür unn föhl<br />
mii buurgen, ääns mit buten vör unn binn´n<br />
in disse junge Haart vull Vörjohrsauhnen.<br />
Än Düük van aalls, wat leevt, vör´t Lebent,<br />
maukt Hartensseehr an sückse Lebent fast!<br />
Karfreitag-Vormittag<br />
Ein Knabe war ich diesseits neu gemacht:<br />
am frühen Vormittag aus dem Portal<br />
den Steinpfad hin zur Gartenpforte<br />
schreitend,<br />
vom Sonnenlicht begleitet, wie benommen<br />
am Treppenaufgang zwischen Taxusbäumen<br />
auf Sandweg, duftig grüne Hecken<br />
schauend,<br />
Kniestrümpfe weiß, <strong>und</strong> weiß das Hemd, die<br />
Schuhe<br />
geputzt von Mutter, die jetzt drinnen wacht,<br />
steh´ich, ihr Sorgenkind, am Pfortenpfahl<br />
die Hand, das Haupt gelehnt, vertraut<br />
hinbreitend<br />
der Seele Helligkeit, dem Glück entnommen;<br />
vom Lindenblätterdach beschattet, träumen<br />
des Lichts Geschwister, klangerfüllt<br />
erschauend<br />
am nahen Nachbargarten dichte<br />
Schöpferruhe -<br />
hebt mich, neun oder acht? - zum<br />
Bruderm<strong>und</strong> -:<br />
besiegelt küssend meines Lebens B<strong>und</strong>!<br />
Dieses Erlebnis wurde mir zu Teil, als ich<br />
mich an diesem Karfreitag Vormittage<br />
während der Kirchzeit an dem Pförtchen<br />
unseres Einganges befand. Vor mir die drei<br />
Stufen zum Wege hinunter, dahinter der<br />
sonnendurchflutete Garten der Schmidts, <strong>und</strong><br />
neben mir die zwei Taxus-Büsche mit ihrem<br />
Immergrün. Es war ein spätes Osterfest, die<br />
Natur schon üppig gekommen, <strong>und</strong> die<br />
klangsaugende Stille war das Kleid, das mir<br />
der Schöpfer um die Schulter legte. Das allseitige<br />
Gackern der Hühner grüßte von den<br />
Nachbarhäusern fern herüber. Die Welt um<br />
mich hatte ihre eigentliche Spannbreite, die<br />
wir dann so unnütz „praktisch“ zusammenrechnen,<br />
um über sie verfügen zu können,<br />
wenn wir erwachsen sind. Was ich damals<br />
genoss, war das Geschenk an mich, ein Versprechen<br />
an die Zukunft, die mich nicht im<br />
Stiche lassen würde.
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7. 2<br />
Grafftsteeden ...<br />
Elke Kaarkhoff is siin Gang weert! Wenn wii ´t Grafft van uens Anverwandten<br />
plegen willn, mutten wii dor süllst up an; Dä Wegg nau uns Grafftstee up dä<br />
Stänfeldmer Kaarkhoff lett uns dann dä Wauhl tüschen dwass over off dä Wannern<br />
rechts umhoch.<br />
S´Aubends wort dä Lücht goldig van dat schrääg Süenschiin van Westkaant her, wor<br />
dä Bauhn smauls huult unn up dä iisdern Gleisen zisket, wenn dä Wind von dat Kaant<br />
kummt. Is dä Tiid aubers dornau, höörst du dä Vögels fleiten unn trillern unn piepken,<br />
dat dii dat Haart overlöpt vöör Bliidskup.<br />
Off sä dat door unnern wall höörn, wenn sä door liegen unn vergauhn in än anner<br />
Tiid herin? Well mag dat wäten?<br />
Dä Wannern umhoch lüchten dä Denkmauln - dä mästen swaart unn eehrfuchterg -<br />
tegen dat satte Grön van dä Ääkbomen. Wat wiider nau dä Höchde teu lauten ook wall<br />
bruun, wat witt <strong>und</strong> sprenkelt. Dann kummt dä Röök van dä duusenden van Blömen, unn<br />
dä Klöörn lauten sou lebensbliid, dat ich spöör, ass sük dat Hier <strong>und</strong> dat Günnerskaant<br />
hannig mit´nanner verdraugen hemm´n.<br />
Bii ään swaart Grafft klauter ick dä Höchde umhooch <strong>und</strong> staapp um dä Grafftkaant<br />
herum. Hier lieggen dä Olln van miin beesde Fründ Dirk begrauben. Ick lees aaltiid<br />
höör Wauhlspröök vör höör Weggauhn:<br />
„Ich lebe, <strong>und</strong> ihr sollt auch leben.“<br />
* * *<br />
Jaa? - Hest du nu doch maul dä Wegg nau uns weerfunn´n?<br />
„Ick mugg mit Jeu prooten - ick will mii anknüppken.“<br />
Süh - door hest du aubers noch Tiid genug teu. Wacht man, Läv - door meutst du noch<br />
nich nau luurn.<br />
„Ick hebb miin Wuddels door bii Jeu sitten - bi miin Oelln ook, bi miin Bröör,<br />
ook bii dä annern, dä hier aall lieggen - man jüst bi Jeu.“<br />
Hest du giin Noot, dat dä annern um dii teu dor wat van marken, dat du mit uns prootst,<br />
unn dat sä dii uutlaagen kunnen?<br />
2 Es geht um die eidetische Fähigkeit (vgl. Janosch: Der unsichtbare Indianer / Broder-Christiansen: Eine<br />
kleine Prosaschule): Man kann sie lernen <strong>und</strong> üben!
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„Dat harr Jii aall laang achter Jeu, unn ick hebb´t leehrt, wo Jii Jeu dat<br />
offschüddelt hemm´n. Unn ick wät nu mehr ass dä annern unn wät, wo´t<br />
wiidergeiht.“<br />
Wat drüeckd dii nu up´t Haart?<br />
„Ick koom, wiil ich mii bedanken wull. Dor stauhnt Biller vör mii, unn wenn ick<br />
dorover naudeenk, over Jeu Kinner unn Grootkinner, unn wenn ick naudeenk,<br />
wat uut miin ägens Kinner wordn iss, komen mii dä Traunen. Ick harr Jeu geern<br />
nochmaul laagen sän unn Jeu Freijd, wenn Jii Jeu lüetje Dirk sään kunnen unn<br />
miin upwuursen Kinner, dä miin Mama noit teu Gesiecht kreegen hett. Dat mutt<br />
mii an´t Haart gripen, lööv Jii mii dat?“<br />
Aubers diin Mama wät dat nedderkraut so ass wii ook - dä läwe Heergott hett nicks<br />
overslaun. Wat hä maukt hett, dat blifft vöör aal. Dat wäst du intüschen ook.<br />
„Ick hebb vööl Undööcht mitkreegen. Van Jeu hebb ick leehrt, wo man mit nix<br />
siin Lebent moi mauken kann. Dat fung mit dä Blömen langs dä Padd an, dä van<br />
Jeu Poortje nau´t Huus föhrde, unn dat sach schiir um dä Pütte unn dä Bummen<br />
uut, dä utschrubbt wassen unn in dä Aubendsüen tinkelden. Unn in´t Staal unn<br />
up Jeu Deel harr aalls siin faste Stee. Unn in Jeu Köken wass´t aalltiid schaun<br />
unn uprüümt - anners ass bi uns in Huus. Ick hebb van Jeu leehrt, ´n Koppke Tee<br />
unn dä Kluentje dorin ass ´n „Delikateess“ teu achden, unn ann ään Winterdagg<br />
kreegst du, Tant Berthau, dä Melkkuemm teu´t Schapp, unn dä Sauhn wass<br />
froorn, unn do brookst du dä Sauhn in Palten d´roff; do gaffst du Dirk unn mii<br />
elk ään Stückje teu prebäärn - unn ick funn dat ass ään Täken van än vuell<br />
Lebent sünner Riikdum. Dat wass do nich mehr nöedig.<br />
Sünig muss jii weesen - mit enkelt Eii büst du s`mauls nau´t Koopmann Smidt<br />
loopen unn hest dorvör kreegen, wat door nöedig wass: Mehl off Tee off<br />
Kluentjes. - Dat meuk Spauß, wenn´t dornau wass, bi Jeu teu helpen, ook wall<br />
dorum, dat ick Dirk teu Spölen harr unn hä freej kreeg, wenn siin Plichden<br />
offarbeit´t wassen.“<br />
Elke Meuder dee vör hör Kinner dat Beeste.<br />
„Up dä Biller van uns Scheultiid hebb ick´t sähn, wo sück dä Meuders in dä<br />
Kluttentijd vör dä Kinner wat teurecht neiht hemmn, unn dä Wichter leeten ook<br />
teu soo´n schofel Tiid nüt unn smaukerg. Vandaug keenn ick höör nich mehr van<br />
Ansähn, man ick hebb miin Gedaanken fauk bi höör unn versöök mii<br />
vörteusteelln, wo sä s´mörgens uut höör Beett unn uut´t Huus komen bünt - mäst<br />
´n laangerder Wegg ass ick - :eben uem´t Huuseeck r<strong>und</strong> unn over´t Scheuhoff.<br />
Dirk harr´t ´n Minüüt langer - man geut!“<br />
Jii harrn dä Pad ja wall hät - bit du weggkwammst in dä Fröem.<br />
„Dat Geföhl vör Freijheit unn dä lüetje Dingen hebb ick van Jeu. Dat fründelke<br />
Woort, up dat ick luurde, kwamm mäst van Dii, Tant Berthau. Unkel Hinni hebb<br />
ick wall mäst eernst sähn, man bloot änmau düll, ass Dirk häl´ndall uut´t<br />
Änsteell leep unn sück nich bedoorn kunn. Man ick hebb noit beleevt, dat Jii<br />
Jeu Jung hauen hemm´n. Elke Woort harr siin äägen Täken unn Bedüüden, unn<br />
dorvör kreegen wii groode Oogen unn Ohren.
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Jii hemm´n uns leehrt, dä Dären ass Fründen teu achden, unn Jii hemm´n uns<br />
noit uutlaacht, wenn wii versöchden, mit ´n Snaubel uut Riend van´n Tacke ´n<br />
Nüst teu bauen, ass ´n Vögel dat ook deiht. Wat hemm´n wii uens quäelt! Man<br />
dat hett doch bit teu disse Ma<strong>und</strong>en bruukt, bit ick ´n Täken kreeg, wo diecht wii<br />
mit dä häle Lebens teusaumenhangen.“<br />
Teu laut is nix!<br />
„Jüst dorum treu ick mii hierheer unn segg, wat ick doumauls versümt heebb.<br />
Man ick lööv, ick harr dorteu ook gornich dä rechden Woorden funnen.“<br />
Du hest uns hier - du kaanst aaltiid vörbikomen unn rinkiken..Man vergeet ook dä<br />
annern nich! Unn wat du wäst, geev dä Kinner wiider. Sä wäten mäst mehr, ass dä<br />
Grooten höör teutraaun willn. Man nu wäst du´t ja, wo du dor mit an musst.<br />
„Sull ick seeggen, ick fang eerst an? Dann mutt´ck ook dorbi teugeben, ick kriig<br />
dorvan seker dä Hals nich mehr full.“<br />
Aalls kummt teu siin Tiid. Dä eerste Stapp hest du dauhn - nu fiendst du dä Padd ook<br />
allään wiider. Up än Stee kannst du nich verwiiln, man dor mutt Seegen van upgauhn.<br />
„Ick gau nu Blömen gäten. Will Jii ´n Kaan vull offhemm´n?“<br />
Dä Gr<strong>und</strong> hier iss soor unn dröög. Sä kunnen wall wat Wauter bruuken. Geev höör man<br />
noch ´n poor Drüppkes. Hest dann noch wall Tiid vör sowat?<br />
„Dä Tiid iss d´r all laang - ick hebb mii door noch nich teu indäält. Dat<br />
mu´ck noch eerst weer leehrn. Maukt mii Jeu Gewäten weer munter - ass<br />
freuher, ass ick noch bi Jeu inn unn uutgung. Dat hett so geut dauhn!“<br />
Dat kummt weer, höör?<br />
„Rüst Jeu moj - ick draug Jeu Woorden wiider. Sä könt mi´t seeker anmaarken,<br />
wenn ick over Jeu teu prooten koom?“<br />
Dor geiht dat nich nau. Sä pröben, wat dorvan upgeiht, wat dor seeiht woort. - Man nu<br />
loop teu - dä Süen geiht all unner, unn ´t wort düster up´t Kaarkhoff.<br />
„Ick koom noch mit Wauter - unn dann loop ick, dat ick miin Dagwaark daun<br />
kriig. Unn dä annern hier vergeet ick ook nich. Nu hebb ick Tiid unn kann mii<br />
uutprooten. Unn wat dä annern dorover denken, iss mii egaul! Sä löben mii ´t<br />
ouhndem nich. Wat sall´t?“<br />
Dä Vögel singen, piepken unn fleiten, unn dä glennerge roode Süennenbaall verkruppt<br />
sück achter dä Boomen. Dä Aubendwind treckt frisk unn full van Blömenröök um mii<br />
henn. Ick staapp van dä Höchde, haul miin Wauter unn deu miin Plicht - up änmaul?<br />
Wo kannt´t angauhn!
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An disse Grafft ...<br />
Wenn ick miin Ollns unn miin Bröers Stee up uns Karkhoff bi ´t Wannern overslau, kom<br />
ick an so völe Bekennde vörbi, dat ick nau än Stee teustreev, wor uns Koopmann Smidt -<br />
dä bliend Heinrich - unn sijn Fraau, Tant Siintje, upbuurgen bünt. Sä liegen dor so<br />
tüschen dä Riigen, dat du dor eerst ´nmaul geut uppaasen musst, dat du rechttiidig<br />
staunbliffst unn kickst. Unn aal dä Denkmauln stauhnt mit´t Gesiecht nau Oosten. Dat<br />
iss mii roor teu, wiil sä änliik mit dä Kopp van Oosten heer upstauhn sönt, wenn´t dann<br />
sowiit iss, dat sä mit dä Süen teugliik dä Kopp hochkriigen ... Man fiend dor man ´n<br />
Riim up!<br />
So stauh ick, mit ´t Gesiecht in´t Aubendsüene, unn fiend mii dorbi, ass ick up dä<br />
Naums unn dä Johreszauhln teegenpliiren mutt, anners fiend´k dor nix.<br />
Kiik, Büdi, büst du d´r ook maul weer?<br />
„Tant Smidt, ick hebb so fauk an Jeu docht, dat mii dat jüst aalmanweg vör dä<br />
Oogen springt, wo ick in Jeu Lauden kwamm, dä Klockje pingelde so blickern,<br />
unn dä Gassteengstunk nau Petrouleum, so häde dat ja nu maul, unn dä Püten<br />
boben Jeu Kopp hungen door stiell unn teu griipen aaltiid uptrucken van´t Böön<br />
andaul, unn Du stunnst achter dä Tönbaank unn freihsde dii over uns lüetje<br />
Wüppsteerten ut´t Nauberskupp. Vör dii gaff dat giin Fijeraubend, wenn d´r Not<br />
an Mann wass, unn bi Jeu kunn man sougoor noch in´t düsterde Nacht wat<br />
kriigen, wenn´t gor nich anners wull.“<br />
Kinners, jau, dat kunn elk kriigen, dat keenn wii doch gor nich anners! Nau so wat harr<br />
wii uns. Unn anschreeben wuur ook, anners harrn dä Fraulüüd gor nix in dä Weeke hatt,<br />
wenn sä sück up dat verlauten sullt harrn, wat so mennig Keerl unnerweegs van<br />
Paupenbörg all versopen harr. Dä oelle Schülln betauhln unn neijen mauken, anners<br />
kunn´t gor nich gauhn.<br />
„Änfach wu´ck mii dat so nich mauken, Unkel Smidt: Ick hebb´t wall<br />
mitkreegen, ass miin Oelln mii vertellden, wat d´ Lüü Papa beloovt harrn, ass hä<br />
in´t Kriig muss: Hä sull man driist gauhn - uns Mama kunn sück up hör<br />
verlauten, unn sä wulln uns wall dör dä Kluttentiid brengen. Man ass´t sowiit<br />
wass, keennde uns nüms so recht. Man bii Smidts gaff dat Hüelpe, up dä miin<br />
Vauder noit spekuläärt harr. Dorvör mutt ick Jeu danken.<br />
Mänst du, wii harrn uns Naubers versmachten lauten? Tant <strong>Grabbe</strong> harr Jeu teu<br />
versörgen, unn wass dor Not, dann hulp sä nedderkraut so annern ass wii up uens Oort -<br />
mit Saalv, wenn dor well sück braant harr, mit Drüppens, ass ´t giin Dokters teu kriigen<br />
wassen - wat sä eben so kunn. Unn harr wii slacht, kookde sä dat Fläsk vör uns in<br />
Glausen in. Sull wii dor nee seeggen?<br />
„Dat magg wall, Unkel Smidt, man Papa kunn sück änzig up Jeu verlauten, ass<br />
dä Nauzis d´r noch an wassen unn hä wat over dat Maalldeun mitkriigen wull!<br />
Wenn Jii dor wat over dä Raudio höört harrn, wat nüms wäten düss unn worum<br />
dä Blienden-h<strong>und</strong> Harras aaltiid vöör´t Kökenfenster ankeett wass, dann kreeg<br />
dat miin Vauder teueerst teu wäten, unn hä hull sück dormit stiellkens teurüegg.
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Nee, ick wull mit bi Jeu entschülligen vör aal miin Dösigkeiten, dä Jeu<br />
mennigmaul dä Kopp schüddeln leet. Wenn ick achtern in´t Huus bi Jeu<br />
kwamm, an dä Mehlsacken van´t Backereij achtern rut vörbi, dann hull´ck mii<br />
fauk läp stiell, wiil ick doch, ick sull mii läver eerst gor nich rögen, unn Jii<br />
wulln´t nich utfienden. Man Jeu Oohrn wassen bold nettso fiin ass dä van<br />
Harras, dä uns Jungse noit grepen harr, dat Jii hannig naufreugen, um seker teu<br />
gauhn, dat dor nix in´t Kaumers off Gangen passärde, wat nich wesen sull unn<br />
düss.“<br />
Weenn´s mii kreegen harrn, dä Nauzis, mään ick, dann harr mii nix mehr hulpen. Sie<br />
haben den Feindsender gehört! - harr´t dann häten. Unn dann harrn´s mii offsleept, unn<br />
nüms harr mii lebendig weersähn.<br />
„Ass Kind hebb ick mii s´mauls stiifkoppig unn wiisnösig genug upföhrt, wät<br />
ick noch. Man ass dat mit miin Oogen so gor nich mehr wull, do kreeg ick dä<br />
gröttste Hüelpe weer van Jeu, unn dat in Raut unn Bistand, ass dat um dä Utwiis<br />
gung, dormit ick miin Olln unn ook anner Lüü nich mehr tau Last faallen muss.-<br />
Unkel Smidt ass Vöörsittende van´t Blindenverän Ostfräsland - well harr docht,<br />
dat dor än van´t Feld ´n häle Landstreek vörstauhn kunn?“<br />
Wii wassen doumauls noch minner Lüü ass teu dä Tiid, ass du bi uens kwammst. Unn<br />
du musst rötterg wesen, wenn du wat hemm´n wusst - dä Lüü mussen begriipen, dat wii<br />
wat anners nödig wassen ass sä. Unn sä mussen leehrn, dat ´n Bliene nich ook noch teu<br />
´n Törf maukt worden düss. Wii hemm´n völ dörsett, man wii wulln nich groot upfaalln,<br />
dat sähnt dä Lüü nich geern.<br />
„Nu bün ´ck d´rover weg unn kann mii in´t Mäste sülms helpen.“<br />
Dat hebb ´ck wall all mitkreegen. Nu kaanst du dä Kinner leehrn, wat wii nich leern<br />
kunnt hemm´n - unn ook, wat vööl nich leehrt worden sull - dä Kinner köönt´t doch<br />
nich bruken. Sä mutten potig in´t Kopp unn inn dä Haan worden, nich so schitterch an´t<br />
Loop koom´n ass höör Olln.<br />
„Freuher wassn ´s eehrlicker ass vandaug, off nich? - Ick män man, Schojers<br />
gaff dat aaltiid genug.“<br />
Man dä mästen hemm´n uppaast, dat dor weer Recht unn Ördnung in kwamm, unn<br />
vandaug kiiken´s weg unn hemm´n noit wat sähn. Ook hier up´t Karkhoff rökeln ´s over<br />
uns wegg unn mauken van sück sülms völsteuvööl Wöör.<br />
„Mit Gerdau hebb ick vör ´n Tiid vör´t Karkhoff noch proot - sä hett sück geut<br />
´ruutmaukt unn hett völ inteusteeken hatt. Dat mutt mii begrooten. Unn ick wass<br />
doumauls noch in Huus, ass Geerd mit´t Metorrad teu Doot komen iss in dä<br />
noore Kuurv van´t Könensweg. Dat hett Jeu läp up´t Haarte slaun.“<br />
Dat deiht nu nich mehr seehr. Wii bünt weer bi´nanner.<br />
„Mit Geerd kunn ick do nich so geut - hä harr ´n driisterder Netüür ass Beernd<br />
unn Gerdau. - Man ick hebb van Beernd noch wat upschreeben, wiil hä so´n<br />
bliide Menske west is - hä mit siin Theauterspööln. Hä harr vööl van siin<br />
Mama´s Netüür. teu elke Menske fründelk, unn aaltiid ook ään, dä wii nau<br />
Hüelpe fraugen kunn´n. Dat mit siin Luftgewehr unn Nüsten leeghauln, dat
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much wii nich so geern, man dat was so Meud, dor froog mäst nüms nau. Man<br />
wenn ick nau Huus koom, schriif ick jeu up, wat ick van siin Theauterspööln<br />
noch inhoelln kunn.“<br />
Dann lees uns man vöör, wat du schriiben wullt - du wäst ja, wii hemm´n nu Tiid<br />
genug. Vööl hebb ´ck d´r ja nich van holln - hä sull ´n geude Koopmann woorn, man<br />
Beernd much dat nich so geern, dorum iss hä utbrooken unn hett sück wat Ägens söcht.<br />
Hä iss Müerke woorn - ass miin Bröer Hinnerk - hä iss ook all weer bi uns.<br />
„Dä sä ick noch Zementstänen backen, ass Jii Jeu Schüer in´t Tuun sett hemmn.<br />
Dä steiht noch aaltiid so, - ´n biitje umrüümt, man anners fehlt dor wall nix an.<br />
Nu bruken hum anners well. Unn wenn ick nu over Beernd wat seeggen will,<br />
dann will ick ook siin freuhe Johrn mit insluten, unn ook, wo wii dä Tiid mit Jeu<br />
beleevt hemm´n - ass Kind inhoellt m´ ja ´n Büelt Täkens unn Mauhnstänen.“<br />
Dat iss dä Loop van de Welt. Dor geev ´ck ja nu nix mehr nau. `T mutt wiidergauhn -<br />
dat waarst aal nau, wat dor leben sall. Dann mutt´n wii Bott mauken unn dä Plaute<br />
puusten.<br />
„Dat iss roer: Sitt ick in Huus unn denk over Jeu nau, faallt mii nich mehr inn,<br />
wo Jii klung´n hemm´n. Man nu höör ick Jeu prooten unn laagen ass aaltiid. Dat<br />
maukt mii glückerg!“<br />
Dann wees bliid unn vergeet uns nich - laut wat van dii höörn. Unn koom maul weer<br />
vörbi! Dat deiht doch geut, wenn man siin Wuddels nich vergett.<br />
„Dor wi ´ck mii an holln unn laut Jeu nich allään dor liegg´n - ick bün bi Jeu unn<br />
lüster up Jeu Stimm´n unn Jeu Gewäten. Ick segg Jeu ook nich Geude Nacht. Ick<br />
män, Jii sitten in dä Süen, dä nich mehr unnergeiht.“<br />
Dor düürst mit reeken, Vaudi! Koom weer, höör?<br />
„Unn wenn ´ck in´t Schaa sitten mutt, bün ´ck d´r futt diecht bi Jeu. Dat helpt!“<br />
Paas düchtig up dii up, miin Jung, höör?<br />
* * * *<br />
Hinweis zur „Rechtschreibung“ des Plattdeutschen:<br />
Gegen das Einheitsbestreben verwende ich die jeweilige <strong>Aus</strong>sprachepho-netik. Sie garantiert, dass jener<br />
Dialekt, mit dem die Kinder in Westover- ledingens ursprünglichen Einzelgemeinden aufwuchsen,<br />
klanggetreu wiederzufinden sein wird. Dabei ist wichtig, in welcher Syntax sich der Klang etwa bei „uns“<br />
zu „uens“ verändern konnte, von „mii“ zu „mij“, was den Vokal „I“ natürlich noch intensiviert, wie er<br />
sich eben ausgedrückt wissen wollte. Dass ich auf dieser Schreibweise bestehe, bin ich meinen Fre<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> Schulkameraden schuldig. Ich hoffe, sie sind es zufrieden.<br />
Nachtrag:<br />
Ihrhove, den 21.09.2004
www.grabbe-contacts.conne.net 37<br />
Den „Ungläubigen“ sei gestattet, sich ihren „Vers“ aus dem zu machen, was sie nicht verstehen. Der<br />
Eidetik lauschte ich von frühesten Jahren an. Sie erklärte mir, was Menschen im Hier nicht erklären<br />
können, weil ihnen die Gabe des Zuhörens abhanden gekommen war. So erschloss sich mir die Kunst mit<br />
ihrer Verknüpfung zur Religion, die sich dann später das Gesicht gab, wie ich es heute noch respektiere.<br />
Es reicht, was ich sah, um „durchzuhalten“. Beklagenswert sind jene, die mich eine Strecke Weges<br />
begleiteten <strong>und</strong> mich schützten, dass sie nicht die Früchte meines Wisens mit mir teilen können. Nur bin<br />
ich sicher, dass unter den inzwischen „Verstorbenen“ Einigkeit über jenes Wissen besteht, dem ich Zeit<br />
meines Lebens nachstieg, weil mich Menschen faszinieren, deren Seelen mit mir offenen Kontakt<br />
schlossen. Nur wusste ich davon als Kind nichts; was ich spürte, verschloss ich in mir, <strong>und</strong> erst in meinen<br />
späten Jahren ist mir vergönnt, diese Schätze zu heben <strong>und</strong> mich der Reichtümer zu erfreuen, die anderen<br />
nichts bedeuten können.<br />
Alle von mir nachfolgend geschaffenen Kunstwerke zehren von diesem Wissen <strong>und</strong> erweitern es in mir,<br />
so dass ich ob der farbenprächtigen Facetten mit Staunen nicht nachkommen kann. Das zu erleben, gönne<br />
ich jedem, <strong>und</strong> ich wäre mir sicher, wenn das so zuträfe, gäbe es bedeutend weniger Verzweifelte, die der<br />
Gesellschaft den Krieg erklärt hätten.<br />
Meinen Fre<strong>und</strong>en aus meinen Kindertagen <strong>und</strong> –jahren sage ich Dank <strong>und</strong> Beständigkeit in dem, was wir<br />
uns einst bedeutet hatten! Mag sein, dass sich die Gesichter änderten, dass ich Mühe habe, mich ihrer zu<br />
erinnern, wie sie in Wahrheit mal waren, <strong>und</strong> mag sein, dass mir Namen entfallen – aber die Güte ihres<br />
Herzens wartet darauf, wieder vor mir aufgerufen stehen zu können, auf dass es uns allen besser ergehe<br />
angesichts der Treulosigkeit der Raffer <strong>und</strong> Verräter dieser kommenden Jahrzehnte.<br />
Meiner Familie, dem Team der Raiffeisenbank<br />
Flachsmeer,<br />
insbesondere Herrn Feldkamp,<br />
in Dankbarkeit überreicht.<br />
Den Begleitern meiner Kindertage zur Erinnerung<br />
meinem Bruder <strong>und</strong> seiner Familie,<br />
meinem Fre<strong>und</strong>e Dirk <strong>und</strong> seiner Familie,<br />
Den Begleitern meiner Kindertage zur<br />
Erinnerung<br />
Ihrhove, den 21. September 2004
www.grabbe-contacts.conne.net 38<br />
Heimkehr<br />
Noch vermacht Euch <strong>Jugend</strong> den nahen Frieden,<br />
- wachset heimisch auf in der Eltern Sorge,<br />
wohl umschützt der Sinne unendlich´s Ahnen,<br />
während sie reifen.<br />
Herrlich schuf die Gottheit des Wesens Spiegel:<br />
Fein bereitet, fasset die Seele innig<br />
offen sich im Lächeln der fremden Züge,<br />
will sie uns grüßen!<br />
Wahrlich, fernab sandte der Himmel segnend<br />
Licht den Unglückseligen im Verdämmern<br />
Ihrer hingeronnenen Tage; sieh, auch<br />
ich ward ergriffen!<br />
Ich auch fand mich einsam <strong>und</strong> weit gemieden,<br />
da mich strenger formte des Lebens Wille<br />
<strong>und</strong> ich, sehnsuchtstrunken, versah der Ämter<br />
mich in Verzweiflung.<br />
Hätt´ ich je vergessen der alten Weisung,<br />
wär´s d´rum, dass ich ohne der Gottheit Zeichen<br />
irrte! Nun, Geschwister, gewahr´ ich Euer<br />
stillen Frohlockens:<br />
Birgt Eu´r Auge Licht von Gefilden fernher<br />
vor-bezeugter Stätten, entschw<strong>und</strong>´ner Zeiten,<br />
ruf´ ich Gruß Euch wieder – von wo auch immer<br />
Er Euch entsandte!<br />
An dies Leben knüpften die trauten Tage<br />
Euch <strong>und</strong> mir nur leichthin des Daseins Bündnis. –<br />
Bruder bin ich Euch, dass wir Trauer halten<br />
Mehr des, als nötig ....<br />
Ach! Des Schöpfers mildernder Wille rufet<br />
durch die Kunst uns Zauber des ewig Schönen,<br />
<strong>und</strong> nicht Wandel schreckt so das Maß der Dinge,<br />
sondern Erfüllung. –
www.grabbe-contacts.conne.net 39<br />
Hingabe<br />
Nickst du, Tod, mir knöchern von ferne –scheid´ ich<br />
ungern von der Schwelle der reifen Jahre!<br />
Ach, verzeih, ich weine der Tränen viele,<br />
soll ich vergessen.<br />
Gib, o gib mir noch einen Sommer diesmal,<br />
meiner Kinder lieber Genoss´, des Weibes<br />
Tröster; ruhig fasse ich täglich gern dir<br />
neue Gesänge!<br />
Willst du aber, heilig gewies´ner Bote,<br />
langen Hierseins Hüter mir bleiben, warnend<br />
meines Schicksals Leicht-Sinn mir offenbarend<br />
tiefer in mir, so<br />
lass´ uns Fre<strong>und</strong>e werden <strong>und</strong> achten ferner<br />
ehrfurchtsvoll des Schöpfers Geheiß! So fass´ ich<br />
deine Hand, wiewohl mich das Schaudern schenkte<br />
göttlichem Planen.<br />
An des Frühlings Schulter hinschmiegend, fühl´ ich<br />
Sommer höchstens, Fülle des Werkes, reift´s in mir<br />
näher. Lohn auch dir, nenn´ ich´s Dankesfeier,<br />
dir zugerüstet!<br />
Dann, erst dann gebiert so Verheiß´nes Ruhe,<br />
tret´ ich völlig endlich in deinen Tempel.<br />
Sänftig pocht mein Herz. Dann gerufen, bin ich<br />
ewiger Liebe.<br />
Leite, Hand in Hand, uns zu weisem Ruhme!<br />
So erkenn´ich, alternden Tag´s, die Warnung,<br />
deretwillen ernst du mich schaffen heißest -:<br />
So auch gescheh´ es.
www.grabbe-contacts.conne.net 40<br />
Die Emser Gedichte 2001<br />
(27.07.2001 - Bad Ems)<br />
Non scholae ...<br />
(Knabe vor Wandtafel mit Geometrie-Aufgabe; Kinder im Halbkreis daneben)<br />
Die Lehre sagt: „Nicht für die Schule,<br />
nein, für das Leben lernen wir!“<br />
Da stehst du nun vor grüner Tafel,<br />
du zeichnest an, was man befahl,<br />
doch kommt das Ende mit Geschwafel,<br />
dass du dies Zeichnen hasst ob dieser Qual!<br />
Dass du zwar für das Leben lerntest,<br />
doch nichts für dich, beweist der Test:<br />
„Du hast Geometrie wohl nie verstanden?“<br />
„Du kannst als Realist wohl gar nicht landen!“<br />
Dein Leben, das du zag betrittst,<br />
zeigt: Dieser Boden ist nicht fest!<br />
Die wen´gen Jahre, an der Zahl<br />
gemessen, öffnet Welten;<br />
doch deinen Weg hält man dir schmal,<br />
was du erlebst, in dumpfen Zelten!<br />
Das Leben aber seid doch ihr,<br />
<strong>und</strong> Wissenschaft bleibt Grabeskühle!<br />
Zwei Kinder zweier Welten<br />
(Zwei Mädchen verschiedener Hautfarbe am Tisch miteinander etwas arbeitend)<br />
Wir waren eins, eh´vormals sich<br />
die Schöpfungskerne eigens formten<br />
<strong>und</strong> jedem seine Wohnung lieh<br />
<strong>und</strong> mit dem Leib zugleich gedieh,<br />
was dumme Menschen gerne normten:<br />
Dich schwarz, mich weiß, von Angesicht! -<br />
Dem Ursprung sind wir gleich entsprossen,<br />
das Leben lenkt verschied´ne Bahnen,<br />
so dass wir, wo wir einst herkamen,<br />
zu zweit vereint zusammenflössen.<br />
Die Schöpfung hält sich unverschlossen<br />
<strong>und</strong> widerruft nicht, was geschah;<br />
nicht Zeit -: die Räume sind beschlossen,<br />
darin der Liebe Geist gegossen.<br />
Was Kind - Genie - Prophet je sah,<br />
wird sich im Raume niemals stoßen. –
www.grabbe-contacts.conne.net 41<br />
Zwei Hände - klein auf groß<br />
(Hand eines Kindes, die eines Erwachsenen berührend)<br />
Das halte fest:<br />
Was Leben jemals hier berührte,<br />
das hinterlässt die Spur<br />
des Hierseins unauslöschlich!<br />
Es bleibt kein Rest!<br />
Was je den Leib zusammenführte<br />
jedweder Kreatur,<br />
erweist sich unverweslich.<br />
Zwar ändern sich die Bilder <strong>und</strong> die Räume<br />
des Alterns, der Ermessenskraft,<br />
doch rufst du sie, denk´ ja nicht, dass wer säume!<br />
Der Schöpfungskern ist´s, der erschafft!<br />
(28.07.2001, Bad Ems)<br />
Des Knaben Mikroskop<br />
(Knabe, durch ein Mikroskop etwas betrachtend)<br />
Man lockt mich, durch ein Prismenrohr<br />
die Ferne nicht -: die Nähe zu betrachten,<br />
doch meinem Herzen, das sich nie verlor,<br />
eröffnet sich die Mikrowelt.<br />
Auch hier kämpft man die alten Schlachten,<br />
vernichtet - zeugt -: wie´s grad´ gefällt!<br />
Es lehrt mich dies: Was alle machten,<br />
setzt mikrosopisch auch sich fort,<br />
<strong>und</strong> was dies Hier zusammenhält,<br />
das offenbart sich hier wie dort.<br />
Programme, die im All erstellt,<br />
vergnügen sich in Wassertropfen.
www.grabbe-contacts.conne.net 42<br />
Der Wind <strong>und</strong> das tanzende Kind<br />
(Unbekleidetes Mädchen, etwa acht Jahre alt, in abgeschlossenem Hofe tanzend)<br />
Im Schutze eines Bretterzaunes,<br />
im Fleckenschatten lichten Laubes<br />
tanzt Mariette zu ungehörter Melodie.<br />
Kein Kleiderrausch in Harmonie:<br />
das Kind tanzt nackt; verhang´nen Auges<br />
durchwiegt´s die Schlichtheit solchen Raumes.<br />
Natur - die Sonne, Luft, den Äther<br />
durchschnellt das barfußleichte Tanzen<br />
in anmutsvoll gelösten Schritten .....<br />
Ich möchte dieses Kind gern bitten,<br />
- keusch nah´ ihm sein - als Fre<strong>und</strong> des Ganzen<br />
durch Hauch als Kuss Garant des Später!<br />
Fußball-<strong>Jugend</strong><br />
(Gruppe Knabenmannschaft Fußball, im Trikot, wartend)<br />
Weiß-blaugestreift, blau-weiß geringelt,<br />
seid ihr, auf Abruf! eingestellt,<br />
auf Kampf, auf Sieg - verlieren nie!<br />
Doch hält ein Fre<strong>und</strong> euch fest umzingelt,<br />
der nie angreift, nur stille hält,<br />
<strong>und</strong> hofft ja nicht, dass er euch flieh´!<br />
Der Schöpfungskern, der in euch webt,<br />
verlangt kein wildes Kräftemessen - :<br />
Friedfertigkeit, die eure Stirn<br />
verstohlen küsst; das Herze schlägt<br />
euch schneller: Ursprung kann nicht hassen,<br />
<strong>und</strong> Kampflust mattet nur das Hirn!<br />
Als Spiel bescheide euer Sinnen<br />
zu ernster Miene euren Mut,<br />
<strong>und</strong> Friede sei die Formel des Beginnens,<br />
<strong>und</strong> Liebe kröne strebendes Gewinnen,<br />
<strong>und</strong> Sanftmut sei das teure Gut,<br />
dem Normativen zu entrinnen!
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Rauchendes Mädchen<br />
(Mädchen, etwa 13 Jahre, mit Zigarette im M<strong>und</strong>e)<br />
Rot ist mein Pulli, rot die Mütze,<br />
braun quillt das Haar, <strong>und</strong> zwischen Lippen<br />
klemm´ ich die Zigarette ein!<br />
Ich weiß, ich mache keine Witze,<br />
gebärde mich wie Teenie-Zippen<br />
<strong>und</strong> bin auch sonst nicht brav <strong>und</strong> fein!<br />
Erwachsene soll´n mir nicht trauen,<br />
- vielleicht mir eine runterhauen?<br />
Das gäb´ ´nen Krach! Da soll´n sie schauen!<br />
Bist Du erwachsen - Donnerwetter!<br />
Da packt mich wahrlich das Entsetzen:<br />
Wer rennt auch deren Mauern ein!<br />
Doch als du acht, warst Du viel netter,<br />
wir konnten uns am Scherz ergötzen.<br />
Das Aug´ erglänzt´ als Sonnenstrahl!<br />
Kann Pubertät sich gar bequemen,<br />
ihr Kindsein in den Arm zu nehmen,<br />
wird ihre Zukunft neu erschönen!<br />
Kinder auf den Gleisen<br />
(Warnendes Foto zweier Kinder, die auf den Schienen spielen)<br />
Sorglos auf dem Schienenstrange<br />
zwischen Schwellen heiter hüpfend,<br />
sind die Kleinen gar nicht bange,<br />
balancieren schlangeschlüpfend<br />
zwischen Weichen hin <strong>und</strong> her.<br />
Kommt da nicht von ungefähr<br />
fahrplansicher das Verderben?<br />
Währt doch Übermut nie lange! -<br />
- Zieht hinweg des Glückes Erben,<br />
küss´ der Retter eure Wange!<br />
In Armen geborgen,<br />
dem Tode entrissen,<br />
schenkt einer das Morgen,<br />
was alle doch müssen!
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(30.07.2001 - Bad Ems)<br />
Portrait einer Unmündigen<br />
(Antlitz eines Mädchens, etwa sieben Jahre alt)<br />
Fragend in die Tage schauen,<br />
Antwort aus der Innigkeit,<br />
Hoffnung in die Räume bauen,<br />
steuernd der Geschicke Zeit -:<br />
Bist du Kind <strong>und</strong> nicht erwachsen,<br />
bleibt der Psyche gar nichts fern,<br />
sucht o unbestechlich stracks den<br />
Heimweg hin zum Schöpfungskern.<br />
Oh, wir kennen die Geschwader<br />
der Gedanken, Phantasie´n,<br />
fühlen Sehnsucht ohne Hader<br />
tief erregt zum Inn´ren zieh´n.<br />
Eure Seele, euer Engel<br />
richtet euer Hiersein aus,<br />
<strong>und</strong> des Lebens stetes Pendel<br />
weist zugleich auf´s Vaterhaus.<br />
Hier wie dort, zu gleichen Teilen,<br />
tickt das Perpendikel leise,<br />
dass wir wissen: Das Verweilen<br />
gilt im Raum als ganze Weise.<br />
Forschest du mit großen Augen<br />
meiner Seele Bahnen durch,<br />
weißt du ja: Wozu wir taugen,<br />
trifft sich wieder - ohne Furcht.
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Knabe, mit Schal vermummt<br />
(Knabe, etwa acht bis neun Jahre alt)<br />
Ich kenn´ dich nicht? - So weiß ich doch<br />
an deinem Blick: Wir sind als Brüder<br />
vormals getrennt, nur immer doch<br />
Geschwister, in die Zeit entrückt,<br />
dem Licht - es dünkt mich trüber,<br />
nur nicht bei dir, der ernst zwar blickt,<br />
doch dessen Geist mein Herz entzückt,<br />
so dass der Sehnsucht Brunnenloch<br />
sich mählich tränenschwellend füllt,<br />
der Schal der Lippen Zucken hüllt!<br />
Allein, es fließt kein Quell jäh über:<br />
Du reines Wesen schweigst gefasst<br />
<strong>und</strong> harrest zugedachter Last!<br />
Knabe mit Blumenstrauß,<br />
einen Bergpfad herunterkommend<br />
Du ginst allein, auf kargem Felsen<br />
die selt´ne Blütenpracht zu pflücken,<br />
verschmähtest, die auf langen Hälsen<br />
im Blumenfachgeschäft entzücken?<br />
Ich merk´s dir an: Dir fehlt das Geld<br />
zum Blütenshop - der so gefällt! -<br />
Du kommst aus eig´ner Kraft heraus?<br />
Ich sehe: Du bist hier zu Haus!
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Mädchen mit Tornister<br />
(Seitenansicht eines aufgeweckten Kindes)<br />
„Bin ich gerufen, will ich gehen,<br />
denn man verlässt sich schon auf mich;<br />
ich will die Welt mit Ufern sehen,<br />
<strong>und</strong> was mir flamme, sei mir Pflicht!<br />
Und bin ich Licht, kann ich auch zünden<br />
<strong>und</strong> leuchte jedem kargen Raum;<br />
ein Kind will sich mit Licht verbinden,<br />
der Dunkelheit mag ich nicht trau´n.<br />
Den Ranzen rücklings aufgeschnallt,<br />
den Zopf geflochten: Aufgepasst!<br />
Die Energie, zur Kraft geballt,<br />
hält mich an Kinderhand gefasst!<br />
Das Hiersein darf ich froh genießen<br />
<strong>und</strong> weiß im Spiel mich schon geübt,<br />
dass, wenn die St<strong>und</strong>en zäher fließen,<br />
durch dies Erinnern nichts betrübt!“<br />
Mädchen auf der Schaukel<br />
(Eigentlich 3 Bildnisse von Kindern verschiedenen Alters)<br />
Schaukelnd, himmelweisend gaukelnd,<br />
fliegt hinauf, oh Sinne, fliegt,<br />
zause, Wind, im Haar <strong>und</strong> brause,<br />
falle, steig´ herauf vom Falle,<br />
leuchte, Auge, Herz, oh leuchte,<br />
- gestreckt, gewinkelt, Knie, gestreckt -,<br />
will der Flug nicht enden, will<br />
Himmel mich aufsaugen, Himmel<br />
mich durch Sonne, Äther, Licht<br />
von meinem Sitze holen, von<br />
erdaufwärts statt herab zur Erde?<br />
Ich müsst´ ja außer Atem sein<br />
nach diesem Flug, dem Auf <strong>und</strong> Nieder!<br />
Mich kränkt allein: Vom Himmelsschein<br />
zieht mich die Erde nüchtern nieder!
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Zwei Mädchen, aneinander geschmiegt<br />
(Zwei Mädchen, etwa 10-11 Jahre alt)<br />
Sanft, Haupt an Haupt <strong>und</strong> Wang´ an Wange,<br />
als wäret ihr erst jetzt Geschwister -<br />
als wenn ihr´s ewig noch nie wart?<br />
<strong>Aus</strong> jenem Geist, der euch gebar,<br />
bleibt eurer Seelen zärtliches Geflüster<br />
vereint! - Darum war mir nie bange!<br />
Zwei unglückliche Kinder<br />
(1. ein völlig verschmutzter Knabe aus einem Elendsviertel -<br />
(2. Ein etwas sechsjähriges Mädchen mit Tränen auf den Wangen)<br />
Glück darf nicht blinder Zufall heißen,<br />
denn solchen Irrtum gibt es nicht.<br />
Was widerstrebt, wird sich zerreißen -<br />
die Energie setzt sich´s zur Pflicht.<br />
Die Kräfte müssen sich vernetzen,<br />
das Brüchig-Kantige zu wetzen,<br />
<strong>und</strong> jeder Stein wird glatt <strong>und</strong> r<strong>und</strong>,<br />
sonst geht zerborsten er zu Gr<strong>und</strong>´.<br />
Was aber Leben halten will,<br />
ganz gleich, in welcher Form,<br />
das hält im Widersetzen still,<br />
zieht aus dem Fleisch den scharfen Dorn.<br />
Er will von Züchtigung nichts wissen,<br />
von Härte, Schelte oder Schlagen,<br />
er wird von Wangen Tränen küssen<br />
<strong>und</strong> heißt die Herzensgüte fragen,<br />
stillt Angst <strong>und</strong> drückendes Befangen,<br />
wiegt auf den Knieen das kranke Herz,<br />
die Liebe stillet das Verlangen<br />
nach Frieden, Lächeln, sel´gem Scherz.<br />
Denn wir, arg fehlgeleitet, wählten<br />
Erziehungsmacht <strong>und</strong> nicht die Liebe,<br />
dass sich das Kind nachahmend übe,<br />
<strong>und</strong> niemand ahnte, was wir quälten.<br />
Doch wer erwacht, strebt fest entschlossen<br />
aus dem Verb<strong>und</strong> der Vorm<strong>und</strong>schaft.<br />
Dann wird er lauschen, was entsprossen<br />
der ewig-schöpferischen Kraft.
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Er kann nichts binden, was verneint,<br />
- zersch<strong>und</strong>´ne Kinderherzen duldet,<br />
<strong>und</strong> wird nichts gründen, was vereint.<br />
Es bleibt das Nein, das alles schuldet!<br />
Wer irgend um Vergebung weinet<br />
<strong>und</strong> weiß sich segnend nicht umarmt,<br />
dem stirbt sein Irdisches versteinert,<br />
weil er sich keines Kind´s erbarmt.<br />
Wen aber ihre Engel grüßen<br />
aus Licht zum Licht, das in uns wohnt,<br />
den wollen ihre Lippen küssen,<br />
weil Licht sich mit der Nacht versöhnt.<br />
Knabe mit Stock <strong>und</strong> Bündel<br />
(„Musterknabe“ eines Kalenderblattes)<br />
Man hat mich täppisch ausgesandt,<br />
ein altes Kinderlied zu suchen,<br />
<strong>und</strong> hält die Linse unverwandt,<br />
um mich in Position zu rufen.<br />
Die Szene wirkt gestellt <strong>und</strong> albern,<br />
kalenderbilderartig fromm,<br />
der Fotograf steht vor den Kälbern,<br />
auch, wer´s ihm auftrug, scheint recht dumm.<br />
Bin ich ein Junge, bin ich frei?<br />
Dann dürft´ ich mir den Weg selbst wählen!<br />
Doch soll ich auf Erwachs´ne zählen,<br />
verfällt der Text zum Einerlei.<br />
Die Mütter wollen mich so haben?<br />
Was sagt mein Vater wohl dazu?<br />
Könnt´ ich mich in die Büsche schlagen,<br />
hätt´ ich vor ihnen meine Ruh´.<br />
Wär´ ich mit meinen Kameraden<br />
beim Spiel <strong>und</strong> nicht im Sonntagsfrack,<br />
müsst´ ich nach Artigkeit nichts fragen<br />
<strong>und</strong> pfiff´ auf Stock <strong>und</strong> Wandersack.
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Bei dieser Hitz´ in langen Hosen!<br />
Ich tauscht´ sie gern für kurze ein!<br />
<strong>und</strong> möcht´ zu gern mit Willi kosen,<br />
dem Dackel, lang, mit krummen Bein´n.<br />
Wenn alle Lieder Szenen würden,<br />
säh´ zwar das Leben bunter aus,<br />
doch manche Texte sich aufbürden -?<br />
Da reißen alle Kinder aus!<br />
Bad Ems - 31.07.2001<br />
Afrikanische Kinder im Gebet<br />
(Afrikanische Kinder während eines Gottesdienstes)<br />
Indes man die Natur verkauft,<br />
steh´n wir zum Foto aufgereiht,<br />
symbolisieren, Primitive,<br />
der Börsenwelt verdummte Triebe,<br />
da uns´re Welt dem Tod geweiht,<br />
indem man uns mit Branntwein tauft.<br />
Vom Geierhorst der Negative<br />
seitzt Zivilisation der Zeit<br />
im Nacken; was nicht ausgerauft<br />
<strong>und</strong> lagert noch nicht aufgehäuft,<br />
das lauert in Gehässigkeit,<br />
getarnt als Initiative,<br />
die Armut <strong>und</strong> das Leid zu lindern,<br />
die Unverfälschtheit zu verhindern,<br />
mit Dankgebet <strong>und</strong> Lendenschürzen<br />
den Wunsch nach Freiheit abzukürzen.<br />
Denn Gott gehört, das sagt die Predigt,<br />
die Welt, die ihr befehligt!
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Mädchen im Blumenfeld<br />
(Mädchen, etwa sieben Jahre alt, im Blumenfeld: Kalenderblatt-Motiv)<br />
Ins Blumenfeld gestellt, zum Lohn<br />
den Strauß zu pflücken,<br />
feenartig zu entzücken,<br />
pflückt dieses Kind Natur zum Hohn:<br />
Es pflückt mit Anmut diesen Strauß,<br />
nicht eingedenk des Mordens;<br />
das Wesen dieses Morgens<br />
löscht fre<strong>und</strong>lich and´res Leben aus.<br />
Erwachsene beglückt dies Töten,<br />
es welket in der Vase<br />
<strong>und</strong> schmeichelt eitler Nase;<br />
wer fühlte sich da wohl in Nöten?<br />
Der Trampel schwelgt; mit platten Füßen<br />
beherrscht er Wies´ <strong>und</strong> Wege,<br />
indes der <strong>Kindheit</strong> zarte Stege<br />
in´s Hiersein roh zerbersten müssen.<br />
Ich bitt´ dich, Kind, nicht fortzupflücken,<br />
was die Natur uns leiht;<br />
im Schöpfungskern verzeiht<br />
nur Lebendes sich im Beglücken!<br />
Vier Mädchen, mich aufmerksam ansehend<br />
I. (Mädchen, etwa fünf Jahre alt)<br />
Denkt ihr, die Welt sei rätselhaft,<br />
nun gut, dann seid ihr´s auch,<br />
doch sehe ich euch offen,<br />
von schönem Strahl getroffen,<br />
so sag´ ich euch: Das ist dort Brauch,<br />
woher euch äußerte die Kraft,<br />
aus deren Wesen das erglücht,<br />
was euch im Antlitz hell erblüht.<br />
An eurer Hand nicht wanken,<br />
der Schöpfung so zu danken,<br />
dass ihre Kräfte solches schufen,<br />
wozu der Lebenssinn berufen!
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II. (Mädchen, ungefähr 12-13 Jahre alt,<br />
bäuchlings auf einem Bett, das Kinn in die Hand gestützt)<br />
Ihr könnt mich fragen, was ihr wollt,<br />
ich mag euch Antwort geben,<br />
doch Achtung, die das Leben zollt,<br />
ist euch nicht aller Segen:<br />
Der Engel, der den Himmel weiß,<br />
verbündet sich nach innen,<br />
<strong>und</strong> darob trollt verschämt <strong>und</strong> leis´<br />
die „Wissenschaft“ von hinnen.<br />
Bäuchlings malendes Kindergarten-Mädchen<br />
(Naives Pressefoto zu einem Kindergarten-Problem)<br />
„Du glaubst doch nicht, dass ich nur male,<br />
was Kindergartentanten wollen?<br />
Ich hab´s! - Da mögen sie nur schmollen! -<br />
Banane mit gelbgrüner Schale,<br />
Weintrauben, Äpfel, buntes Leuchten,<br />
da braucht man Stifte, viele Farben,<br />
auch darf ein Pinsel sie befeuchten,<br />
denn meine Gäste soll´n nicht darben!<br />
Dann druck´ ich gern mit Fingerspitzen,<br />
das purzelt luftig bunt <strong>und</strong> fröhlich,<br />
<strong>und</strong> in das Wachs will ich noch ritzen<br />
mit hartem Stift, denn hier wird´s ölig!<br />
Zum Spielen hab´ ich keine Ruhe,<br />
es hält mich auf <strong>und</strong> macht mich zornig:<br />
Gern malt´ ich barfuß, doch - die Schuhe!?<br />
Der Sand dazu ist viel zu körnig!<br />
Das Bildermalen macht mich glücklich,<br />
ich bleibe wild - bis alles fertig!<br />
Natürlich bin ich gar nicht schicklich,<br />
besonders so nicht - gegenwärtig!“<br />
Du bist wie ich! Doch augenblicklich<br />
betrachte ich mit frohen Augen<br />
dein Bild <strong>und</strong> will´s zu gerne glauben:<br />
Die Seelen sind befreit erst glücklich!
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Kind auf einem Dreirad<br />
(Knabe, zwischen zwei <strong>und</strong> drei Jahre alt; das Dreirad kann nur als Sitzmobil genutzt werden,<br />
hat jedoch Trittbretter, so dass sich das Kind aufstellen konnte)<br />
„Du wolltest, dass ich stehen bleibe?<br />
Ich reck´ mich auf dem Tretmobil<br />
zu meiner Größe, dass ich zeige:<br />
Zu halten ist mir nicht zuviel!<br />
Zusicherung<br />
Doch stell´ mir bitte keine Fragen<br />
zu dem, was du ja doch bestimmst,<br />
<strong>und</strong> lass´ mich bitte auch nicht sagen,<br />
was dein Verstand von mir ersinnt.<br />
Lass´ mich mit meinem Dreirad rollen<br />
<strong>und</strong> frag´ mich nicht nach Ziel <strong>und</strong> Wegen;<br />
denn alles, was wir sagen wollen,<br />
wird man ja doch bei Seite legen.“<br />
* * * * *<br />
Nachtrag<br />
Wer da mit den Engeln spricht -<br />
flüsternd mit der Seelen Lächeln<br />
oder ernst-erweiterndem Gesicht -,<br />
hält die Hand nicht mehr am Köcher,<br />
sondern liebt des Pfeils Verzicht:<br />
Den wird Frieden nicht mehr „schwächen“,<br />
denn der Liebe Flügel fächeln<br />
Himmelsluft als reines Licht.
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Märzgedichte 2002<br />
Verworfnes Kinder-Los<br />
Das Akademikergesindel,<br />
vor allem das Reporterpack,<br />
verkündet zum „Reform“-geklüngel,<br />
dass man des Deutsch(´) nicht nötig hat.<br />
Als Mär, dass Sprache sich entwickle,<br />
verlangt das Sozialistenrudel<br />
ein internationales Sprachgehudel,<br />
dass man die Dichtung kess zerstückle,<br />
<strong>und</strong> radebrecht, grammatisch falsch,<br />
mit atemloser Zeichensetzung,<br />
die Zunge steckt halt tief im „Halsch“,<br />
<strong>und</strong> Schwachsinn gibt´s als Überdüngung<br />
im Land(´), wo man einst Dichtung sang,<br />
wo ausdrucksstark der Wortschatz klang!<br />
Doch seit die Kunst in Trümmer sank,<br />
durchquäken Medien Stadt <strong>und</strong> Land.<br />
Jetzt sollen´s Normative sagen<br />
mit handwerklicher Fertigkeit -<br />
den Mangel an Genie beklagen,<br />
worin Talente nicht gescheit, -<br />
dass hier wohl nicht die Götter weinen,<br />
weil sich der Weltgeist abgeseilt:<br />
Wo sich Proleten frech vereinen,<br />
hat das Genie noch nie verweilt!<br />
Frenetisch röhrt das Stargewimmel,<br />
vermisst sich frech als Qualität<br />
<strong>und</strong> torkelt auf zum Sternchenhimmel,<br />
beklatscht als Genialität!<br />
Wo Sprache nieder´n Zwecken diene,<br />
zerstückelt ihr der Denker Kraft.<br />
Es sammle d´rum die Honigbiene<br />
dem Volk(´) nichts im Kloakenschaft!
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Da spreizen sich in Vernissagen<br />
Talente - nicht der Welten Geist,<br />
kunstkritisch luchst man in Passagen<br />
nach Beute, nicht nach Kunst - zumeist.<br />
So hintergeht´s die Gunst der Sprache,<br />
der Bildkunst, ach, <strong>und</strong> der Musik,<br />
sie treibt in urinierter Lache<br />
der Wissenschaft. Die krächzt: „Logik!“<br />
<strong>Aus</strong>blicke<br />
Manchmal, wenn ich hier so sitze,<br />
fühle ich mich nicht bereit,<br />
ob ich zitt´re oder schwitze,<br />
Fieber habe, - Übelkeit:<br />
Nein, ich habe Euch vor Augen,<br />
Euer Lachen, Euren Ernst,<br />
dass ich´s fühle: Wozu taugen<br />
Lehrer, wenn sich nichts erlernt?<br />
Eure feinen Hände fügen<br />
übermütig manchen Scherz,<br />
doch das Auge will nicht lügen,<br />
darum fasst Ihr Euch ein Herz<br />
<strong>und</strong> berichtet von Vergnügen,<br />
deren Folgen unbedacht! -<br />
Das Gewissen kann nicht trügen,<br />
hat Euch um den Spaß gebracht!<br />
Gern mag Euch das Herz verzeihen,<br />
was der Rauflust frech entquoll,<br />
doch die Seele muss sich weihen<br />
ihrer Herkunft Ursprungswohl. -<br />
Weißt Du nicht, dass aller Kummer<br />
längst in meinem Herzen wohnt?<br />
senk´ ich Dich zu reinem Schlummer,<br />
ist mein Lebenssinn belohnt. -
www.grabbe-contacts.conne.net 55<br />
Zwischenhalt<br />
Nun zaudert heiliges Beginnen:<br />
Es rauscht, es pulst wie stürmisch, pocht. -<br />
Das Wachs verdampfet unter´m Docht,<br />
<strong>und</strong> meines Lebens Jahre rinnen.<br />
Natürlich drängt´s mich nach Erfüllung,<br />
weil vieles wie im Anfang´ steckt;<br />
ich weiß nur, wer mich endlich weckt<br />
aus faulend fleischlicher Umhüllung!<br />
Wenn St<strong>und</strong>en nicht so mühsam wären,<br />
in denen mir das Jetzt bewusst!<br />
Wenn mich Dein Geist zum Leben küsst,<br />
sind abgeheilt des Bangens Schwären?<br />
Das ist ein feiner B<strong>und</strong> der Stille,<br />
das Altern in der <strong>Jugend</strong> B<strong>und</strong>:<br />
Des Höchsten Botschaft zeugt Dein M<strong>und</strong>,<br />
<strong>und</strong> Deine Arme hüten Fülle!<br />
Kontakt<br />
Ich legte Stirn an --´s Stirne -<br />
seitdem ward mir so schwindelig:<br />
Erwartung wabert mir im Hirne,<br />
denn schwärm´ ich auch zu allem gerne,<br />
genas ich, - Stein im Mosaik?<br />
Doch schüttelst Du nur mit dem Kopfe,<br />
bedeutest mir in leisem Zug<br />
- als Hauch des Himmels - wer da klopfe,<br />
<strong>und</strong>, weil das Wachs nur manchmal tropfe,<br />
blieb´ Zeit noch bis zum Himmelsflug!<br />
Das soll mich trösten in dem Bangen,<br />
indes die Zeit mir vorgestellt,<br />
was ich euphorisch angefangen<br />
<strong>und</strong> was den Toren nicht gefällt!<br />
Nur was mich hier in Wahrheit hält,<br />
treibt Lebensglut mir in die Wangen...
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Erlöste Welt<br />
<br />
Das Tor, das Du mir aufgetan,<br />
das Licht aus Deinem Auge,<br />
das heller als der trock´ne Span,<br />
friedvoller als die Friedenstaube,<br />
ist mir der Tag!<br />
Du musst die Welt wohl nicht erlösen,<br />
sie ist es längst, wo Euresgleichen<br />
als ew´ge Kräfte jedem zeitlich Bösen<br />
statt Hass die Hand der Liebe reichen.<br />
Das ist mein Tag!<br />
Sektierer- wie auch Kirchensünder<br />
befrachten sich mit Schuld <strong>und</strong> Schmach,<br />
<strong>und</strong> schreien nicht die Sündenmünder<br />
den Höllenweg entlang: „Gemach!“-?<br />
Ihr Tag ist lang:<br />
Sie wollen erst noch missionieren,<br />
dass Gott die <strong>Aus</strong>erwählten schont. -<br />
Ich trug nur Dich, dem inne wohnt<br />
das Wesen, das wir nie verlieren!<br />
Dein Tag ist heiter!<br />
Und seit wir miteinander schreiten,<br />
mehrt sich der lichte Himmelschor,<br />
der Kinder Seelen treten vor,<br />
wird Zeit zu Räumen, die sich weiten,<br />
der Tag als Tor!<br />
Ich seh´ Euch aneinander schmiegen<br />
<strong>und</strong> küssen alle Tränen fort,<br />
so steht Ihr auf von düst´rem Ort<br />
<strong>und</strong> zeigt Euch neu im Kreis der Lieben<br />
als Unvergänglichkeit!
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Meinem besten Religionsschüler<br />
am 9. April zum 14. Geburtstage<br />
Welch´ St<strong>und</strong>e Dir, (hier ungenannt!),<br />
zu gratulieren, Glück zu wünschen!<br />
Dank Dir! Was Du an mir getan,<br />
das reichte ich den and´ren Menschen.<br />
Und höhnt man mir, Du wüsst´ von nichts:<br />
Es sind nur Stimmen des Gerichts,<br />
das mich der Irrlehr´ jüngst verklagt,<br />
den Weg den Seelen abzuschneiden.<br />
Wohl! Was ich recht durch Dich gesagt,<br />
wird in der Hut des Höchsten bleiben.<br />
Verderben, wer Dein Herz verstrickt,<br />
damit sich´s vor Verrätern bückt!<br />
Nun bleibt nicht sicher festgemacht,<br />
dass ich, wie heut´, in künft´gen Jahren<br />
Dir zum Geburtstag´ dargebracht<br />
den Segenswunsch, zu offenbaren:<br />
Die Jahre soll´n uns nicht entzweien:<br />
- wohl eint ein Gott, uns zu befreien!<br />
09.04.2002
www.grabbe-contacts.conne.net 58<br />
Ostern 2002<br />
<br />
Zum Fest der Eier <strong>und</strong> der Hasen<br />
genügt es nicht, nur brav zu sein:<br />
Fruchtbarkeitskult <strong>und</strong> Heidenschein<br />
sind Glaubensgut der „langen Nasen“.<br />
Zum Nestbau wie zum Eierfärben<br />
wird Kinderschlafenszeit genutzt,<br />
es wird gewuschelt <strong>und</strong> geputzt,<br />
um es am Ende zu verbergen.<br />
Am Ostersonntagmorgen wachen<br />
die Kleinen auf, ihr Nest zu seh´n,<br />
<strong>und</strong> was sie finden, ist so schön:<br />
„Das kann nur Osterhäschen machen!“<br />
Doch Kinder müssen weiter wachsen,<br />
<strong>und</strong> irgendwann zerbricht der Trug,<br />
entsetzt entdecken sie den Lug<br />
von Weihnachts-, Osterhasenfaxen<br />
<strong>und</strong> was Erwachs´ne sonst noch machen<br />
aus ihrer Überlegenheit:<br />
Den Glauben ihrer Kinderzeit<br />
lehrt man sie zynisch zu verlachen!<br />
Zu lustigen Betrügereien<br />
ist solche Welt sich klug genug,<br />
wohl aber nicht genügend klug,<br />
sich selbst von Zweifeln zu befreien.<br />
Gründonnerstag fand sich in Fluten<br />
ein wahres Auferstehungsei.<br />
Damit es uns verborgen sei,<br />
lässt man versteckt es weiterbrüten.<br />
Denn schlüpft uns je dies W<strong>und</strong>erwesen,<br />
wüsst´ man nicht nur, wer es versteckt:<br />
Man hätte just die Kraft entdeckt,<br />
die weiß, die Hasenspur zu lesen!
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Der alte Aberglaube fiele,<br />
der Hase hätt´ das Ei versteckt,<br />
nein! - warnt auch den, der Kinder neckt<br />
<strong>und</strong> sie missbraucht - als Pädophile!<br />
So mancher feine Herr im Zwirne<br />
wär´ angstvoll nächtens sehr aktiv,<br />
sein „Ei“ zu bergen, das naiv<br />
vermodert hinter seiner Stirne.<br />
Die böse Mär woll´n wir nicht schützen,<br />
die Lüge war umsonst zu Gast.<br />
Was du an deinen Kindern hast,<br />
sollst du zum Spielen nicht benützen!<br />
Dies Osterfest erklärt die Lehre:<br />
Wer dieses junge Mädchen fand,<br />
lebt in Gefahr; er lebt verbannt<br />
<strong>und</strong> rette seine Bürgerehre,<br />
dass ihn der Mörderb<strong>und</strong> nicht fälle<br />
<strong>und</strong> hämisch nicht Intrigen spinnt,<br />
damit nicht der, der Eier find´t,<br />
als Hase trägt die Narrenschelle!
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Medusas Kopfschütteln<br />
< 08.04.02 ><br />
Es reiste einst in Expedition<br />
ein Tross durch Raum <strong>und</strong> Zeiten,<br />
durchquerte, welche Sensation,<br />
mit Kindern Wüstenweiten<br />
<strong>und</strong> hatte sich zu guter Letzt<br />
verirrt <strong>und</strong> saß gar kläglich fest.<br />
Es gab kein Wasser - welche Not!<br />
Man hörte Schreien, Klagen,<br />
sie wimmerten sich in den Tod,<br />
die armen Kleinen! - Soll ich sagen,<br />
wem dieses Sterben sinnlos wär´,<br />
hätt´ man vertraut der süßen Mär?<br />
Ein Geologe war dabei,<br />
der Wünschelrute k<strong>und</strong>ig,<br />
der schritt im Sande, ei, ei, ei,<br />
er wurde plötzlich fündig:<br />
Das Plastik dreht´ ihm in der Hand,<br />
die Spitze wies hinab zum Sand´.<br />
Das war doch Hoffnung - Spaten her,<br />
schon fing man an zu graben!<br />
Doch die Gelehrsamkeit schoss quer,<br />
erhob sich, um zu sagen:<br />
„Die Rute da, die findet nicht,<br />
weil´s an Beweisen ihr gebricht!“<br />
Und alsobald gab man es auf,<br />
ließ matt die Köpfe hängen,<br />
man nahm den bitter´n Tod in kauf<br />
in grausig greller Sonne Sengen. - - -<br />
Mich dauern hier die Kinder nur;<br />
der Wind verweht´ auch ihre Spur. –<br />
* * * *<br />
Gelockt, geraubt, gequält, verschollen,<br />
das ist bei Kindern schlimm genug!<br />
Borniert - das Labyrinth der Tollen -<br />
nennt selbst ein Einfaltstropf nicht klug!<br />
- Wer Rettung sucht <strong>und</strong> findet sie,<br />
ist unerwünscht, rett´ sich <strong>und</strong> flieh´!
www.grabbe-contacts.conne.net 61<br />
Des Lebens Wert ist aufgekündigt ....<br />
<br />
Ein Urteil hat das Land entstellt,<br />
ein junger Mensch sich aufgegeben,<br />
<strong>und</strong> dass er nicht alleine fällt,<br />
vernichtet er verhasstes Leben<br />
<strong>und</strong> mordet, als Verlierer eben,<br />
damit sein Opfer vielfach zählt.<br />
Johannes Ratlos steht am Zaun<br />
<strong>und</strong> tünchte gern des Volkes Grauen.<br />
Der Mächtige mocht´ müßig schau´n,<br />
der Politik war nicht zu trauen,<br />
auf Materialismus nicht zu bauen:<br />
Die Hoffnung platzt als Seifenschaum!<br />
Die krasse Raffgier aufzugeben,<br />
gilt dieser Welt als harter Klotz:<br />
Globalisierung sei ein Segen,<br />
dem Unterliegen gelte Trotz!<br />
Nur Looser fleh´n das Heil des Gott´s! -<br />
Der Sieger sich´re sich den Segen!<br />
Familienbande, fest <strong>und</strong> gut,<br />
sind aufgelöst, die Welt im Taumel,<br />
wer Arbeit hatt´, war guten Mut´s,<br />
jetzt existiert, wer hilflos baumelt<br />
als Sklave am Verbrechenssaum. Grell<br />
springt Einzelnot in Rampenflut<br />
des Publikums, das gierig starrt<br />
auf seine Welt der frechen Sieger<br />
<strong>und</strong> des Verlierers, der stumm harrt<br />
<strong>und</strong> kehrt, verbannt, uns auch nicht wieder<br />
zurück in Würde! Man brüllt nieder<br />
die <strong>Jugend</strong>, die man hämisch narrt!<br />
Im Wettkampf steht sie eingespannt,<br />
sie wird gelehrt, sie lebt gefangen,<br />
Begabung gilt als unbekannt,<br />
Verstand schreit in Zensurenzangen,<br />
der <strong>Kindheit</strong> Welt zerquält in Bangen -:<br />
Nun sind die Rächer ausgesandt!<br />
Der Rettungsring Verlässlichkeit<br />
für Liebe, Treue, Muttersorgen,<br />
das Band fre<strong>und</strong>licher Stetigkeit<br />
versprach beruhigendes Morgen.<br />
Jetzt will der <strong>Jugend</strong> niemand borgen,<br />
was eig´ner „Schwäche“ nichts verzeiht.
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Ihr hieltet Köstliches in Händen,<br />
ihr durftet mit der Sonne seh´n! -<br />
Ihr wollt die Schulden nicht mehr wenden,<br />
die auf der Enkel Konten steh´n?<br />
Wem Perspektiven untergeh´n,<br />
kann jetzt die Hoffnungen verschwenden!<br />
Den Fatalismus heißt man lehren,<br />
man züchtet frech das Nein heran,<br />
Entwertendes nicht gern entbehren<br />
meint, wer mit Hegel wetten kann.<br />
Die Folgen kündigte ich an! 1) -<br />
- Wer weiß der Opfer sich zu wehren?<br />
Weißer Sonntag<br />
Weint die Wahrheit fern im Kerker,<br />
hält das Recht im Atem still.<br />
Weil das Böse handeln will,<br />
dünkt der Übermut sich stärker,<br />
schweigt Erlösung in Verbannung,<br />
fördert Unrecht, Schmach <strong>und</strong> Not,<br />
wünscht der Redlichkeit den Tod,<br />
hält sein Mörderhaus in Schwung,<br />
doch die Gottheit setzt ein Ende,<br />
weil des Übels Kraft erschöpft:<br />
Hört das Schicksal, wie es klopft,<br />
offenbarend, wen es sende!<br />
Ketten brechen! Schwarze St<strong>und</strong>e:<br />
Keiner riet es je genau,<br />
doch was schwor geheim <strong>und</strong> schlau,<br />
ist alsbald in aller M<strong>und</strong>e!<br />
06.04.2000
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Pascal<br />
Da gibt es Leute, die den Himmel sehen möchten,<br />
<strong>und</strong> trau´n dem eig´nen Spiegelbilde nicht,<br />
die streiten, wie sie sich auf Logenplätze brächten,<br />
- das Los der and´ren wäre Schemelpflicht!<br />
Weißt du, mein Bruder, was ich lieber täte?<br />
ich setzt´ mich auf mein gelb-blau-schnelles Rad<br />
<strong>und</strong> führ´, worum mich niemand jemals bäte:<br />
als Friedensbote auf des Schöpfers Pfad!<br />
Ich seh´s euch an: Sie möchten gern mich liegen lassen,<br />
denn solche Boten sieht man hier nicht gern,<br />
doch, halt´ ich inne, pfeilschnell die Gedanken fassend,<br />
flieg´ ich auf frischer Bahn zu allem Kern.<br />
Soll ich vermodern um des Schutz´ des Bösen,<br />
weckt mich mein Bruder, sprengt mir auf die Gruft!<br />
- Wir wandeln nicht, Konflikte euch zu lösen:<br />
Was schlief, gehört in schöpfungsklare Luft!<br />
Peggy<br />
Pascal, mein kleiner Bruder, hält<br />
sich im Bedenken, im Fixieren still,<br />
doch wenn die Schranke des Besinnens fällt,<br />
bestimmt er pfeilschnell, was er will.<br />
Er liebt mich als Juwel des Lebens,<br />
ins frühe Kindsein sorgend eingefasst,<br />
durchflutet von dem blauen Licht des Schwebens,<br />
worin mein Lächeln eingepasst,<br />
als Zauberstein, den Schmerz zu sprengen,<br />
hat er den Ring der Liebe angesteckt,<br />
der alten Dummheit Bärte zu versengen,<br />
ist´s ihm schon recht, womit er neckt!<br />
Du sollst uns wecken! Diese Glut<br />
glüht als ein heilig´ Feuer ihm von innen!<br />
Und hindert ihr den Bruder uns: Dem Mut<br />
zum Leben könnt ihr nichts entwinden!
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1) „Weißer Sonntag“<br />
(„Das Schwarze Brett“ = Sommer 2002<br />
Mein Zeugnis - ein Bekennerschreiben<br />
(Junge, der sein Zeugnis in Händen hält <strong>und</strong> ratlos <strong>und</strong> voller Kummer keinen <strong>Aus</strong>weg kennt)<br />
Die Schule<br />
Wer bist du? - Willst du wissen, wie du warst<br />
im Schuljahr, das mit diesem Zeugnis endet?<br />
Die Fre<strong>und</strong>e, die du heckend um dich scharst,<br />
hast du zu Tändelspielen nur verwendet.
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Der Junge<br />
Du schaust mit Tränen, ja? - bist tief getroffen?<br />
So höre, was die Schule dir beweist:<br />
Abstrakt zu lernen, stand die niemals offen;<br />
mit Händen zu begreifen, trieb´s den Geist,<br />
der dämmernd durch jedneuen Lernstoff irrte<br />
<strong>und</strong>, wie dein Aug´, den Zweck nach innen maß;<br />
dich konnten Lehrmarotten leicht verwirren,<br />
wie manche Lehrperson sie wohl besaß.<br />
Das neue Schuljahr wird sie wiederbringen:<br />
- so manche Nebensächlichkeit, die stört.<br />
Wirst du dich dann zu größ´rer Leistung zwingen<br />
<strong>und</strong> an dir wirken, wie es sich gehört?<br />
Ihr lehrt mich streng, Verstand nur zu gebrauchen,<br />
wie ihr verlangt, dass er sich äußern soll,<br />
ihr stopft mich täglich nur mit Wissen voll<br />
<strong>und</strong> zwingt die ander´n Gaben, abzutauchen.<br />
Was meine Hand geschickt vollbringen könnte,<br />
wie sich im Auge Form <strong>und</strong> Farbe mischt,<br />
wie Fre<strong>und</strong>schaft Lebensmüdigkeit erfrischt,<br />
dass neidlos Fre<strong>und</strong> dem Fre<strong>und</strong>e Vorrang gönnte,<br />
dass ich in stiller St<strong>und</strong>e gerne läse,<br />
wohin die Phantasie erregt mich trägt,<br />
- ich helfen kann mit uns´rer Gartenfräse,<br />
erlernt - vom Vater in die Hand gelegt,<br />
dass ich die Pflanzen uns´rer Heimat kenne,<br />
das ist euch keine werte Kinderpflicht,<br />
dass ich am Vogelsang die St<strong>und</strong>e kenne,<br />
das, dürre Schule, lehrst du leider nicht!
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Die Seele<br />
<strong>Aus</strong> großen Fenstern in den Raum gerichtet,<br />
weht dir der Kummer in die Kinderzeit;<br />
doch bleibt dein Sinn dem Wachsenden verpflichtet<br />
<strong>und</strong> dehnt die Räume der Gesinnung weit:<br />
Du sorge nicht - auch wenn sie dich verspotten:<br />
Warum du bist, entscheidet Schule nie<br />
noch jede Lehrmethode mit Marotten,<br />
schon gar nicht die Zensuren-Lotterie:<br />
Die <strong>Kindheit</strong> ist der Schöpfung gültig´ Siegel,<br />
dass alles, was im Stofflichen erscheint,<br />
fernab von allem sinnenden Geklügel<br />
als Kind dem Göttlichen zunächst vereint.<br />
So küss´ ich deine tränennassen Lider,<br />
ich hauch´ dich an zu neuem Lebensmut<br />
<strong>und</strong> bringe so dem Schöpfungsvater wieder<br />
den Bruder! Sieh: Du wachst in höchster Hut!<br />
Zwei Feststellungen<br />
– als Trost für die älteren Kinder:<br />
(aus den Märzgedichten 2002)<br />
Schweigen, statt auf liebe Gedanken zu<br />
antworten,<br />
ist die sprachlose Opposition<br />
der Inkompetenz.
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Gedichte 2007<br />
Besänftigung<br />
Das Weltall dort – der Erden Krume hier,<br />
auf der des Wachstums kühner Sinn gegründet?<br />
- So strebt, der hat <strong>und</strong> nirgend sich verlier´,<br />
<strong>und</strong> rettet, heilt – zum Altern stets ges<strong>und</strong>et.<br />
Die Ferne untersucht der Mensch geschwind,<br />
das Nahe, ihm zum Ebenbild, in Ängsten<br />
zu meiden, forschet er zum Allerbängsten<br />
<strong>und</strong> schämt des Gruselns sich wie schon als<br />
Kind.<br />
Wär´s Sehnsucht doch! – die arge Neugier<br />
nicht,<br />
in Ursprungs Schattenhain des Tag´s zu treten,<br />
fühlt´ sie der Quelle Kühlung, still zu beten,<br />
so küsste Schöpfernähe uns das Angesicht!<br />
Und Weltenferne, Sternennähe Schar<br />
begrüßten uns´rer Wanderschaften Ende.<br />
Und alles Streben, wo man Wahres fände,<br />
durchleuchtet jetzt, umkreist uns w<strong>und</strong>erbar.<br />
Der Hierarchien B<strong>und</strong> versinkt in Schatten,<br />
<strong>und</strong> was uns ja zur Ewigkeit gebar,<br />
das offenbart sich uns als Engelsschar,<br />
die unser Gastspiel hier begleitet hatten.<br />
13.03.2007
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Natur <strong>und</strong> Mensch<br />
Der Frühling senke sich dir ein ins Herz,<br />
dass er den ew´gen Bruder wiedertreffe,<br />
der dir in dunkler Zeit dein Haus bestellt!<br />
Was die Natur sodann dir deutet, dir gefällt,<br />
gleicht deiner Botschaft: - dass sie schaffe<br />
aus Winters Immergrün des Hoffens März!<br />
Nichts bleibt, so kalt es irgend uns bedroht,<br />
so wärmt das Licht, dass nah´ die Quelle plaudert<br />
<strong>und</strong> sich aus Kindertagen <strong>Jugend</strong> neigt,<br />
ihr zuckend´ Ebenbild zu schauen in der Zeit:<br />
Was bleibt <strong>und</strong> tropfen macht, erhitzt <strong>und</strong><br />
zaudert,<br />
das leidet mit des Bruders Küssen nirgend Not!<br />
18.03.2007
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Was bleibt – was ist?<br />
Ermattet in die Federgruft gesenkt,<br />
des Tag´s auf Mühens Rücken fortgetragen,<br />
des Lebens Übermut, wie Angst, befragen:<br />
So schachtelt uns der Erde Stolz beengt.<br />
In jeder Lade kauert so ein Zwerg;<br />
Hervorgezogen, auf der Hand getragen,<br />
herumgezeigt, zurückgelegt: So nagen<br />
Vergessenheit <strong>und</strong> Fremde unser´n Wert.<br />
Was einzig uns ins Leben ruft <strong>und</strong> hält,<br />
ist die Gewissheit, dass wir nicht vergebens<br />
auf Zeichen treffen des geheimen Wesens,<br />
das ist, wenn die Materie zerfällt.<br />
Was uns´rer <strong>Kindheit</strong>, <strong>Jugend</strong> Sinnen treibt,<br />
erglüht im Zukunftsleuchten allenthalben,<br />
<strong>und</strong> sind´s die kleinen Hände, die uns salben,<br />
so steht gewiss, was uns in Wahrheit bleibt.<br />
22.03.2007
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Willkommen – auch hier!<br />
Nicht bloß ein Lehrer! – sind mir alle Kinder<br />
Geschwistern gleich, so jung, so rein.<br />
Der Herzen <strong>und</strong> des Wesens Himmelsschein<br />
bin ich der glücklichste der Finder.<br />
Was gabt ihr mir, dem irdisch tastend´ Blinden,<br />
verliehet mir ein leuchtend´ Licht!<br />
<strong>Aus</strong> Finsternis <strong>und</strong> ängstlichem Empfinden<br />
ward ich dem Amte zugericht´t.<br />
Der eine, den ich schmerzend einst verloren,<br />
um dessen Tod ich ständig litt,<br />
hat endlich sich erhoben, mich erkoren,<br />
weil er in eurem Kreise schritt.<br />
Mein Bruderkind aus Milliarden Seelen,<br />
in eurem Herzen wohl verwahrt,<br />
Du bist´s! Ich muss mich nicht mehr quälen.<br />
Tritt in den Kreis der ewig gleichen Art.<br />
Nach dir die Sehnsucht ließ mich nimmer ruhen.<br />
Begleitet´t ich doch vieler Kinder Weg,<br />
umschritt mein Geist dein Grab mit wehem Glühen:<br />
Du bist´s, der sehnend sich geregt!<br />
04. November 2007
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Weihnachtsgedichte verschiedener Autoren<br />
St. Niklas zieht den Schlafrock aus,<br />
klopft seine lange Pfeife aus<br />
<strong>und</strong> sagt zur heiligen Kathrein:<br />
„Öl´ mir die Wasserstiefel ein,<br />
bitte, hol´ auch den Knotenstock<br />
vom Boden <strong>und</strong> den Fuchspelzrock;<br />
die Mütze lege oben d´rauf<br />
<strong>und</strong> schütt´ dem Esel tüchtig auf,<br />
halt´ auch sein Sattelzeug bereit;<br />
wir reisen, es ist Weihnachtszeit.<br />
Und dass ich´s nicht vergess´, ein Loch<br />
ist vorn im Sack, das stopfe noch!<br />
Ich geh´derweil´ zum Gottessohn<br />
Und hol´ mir meine Instruktion.“<br />
St. Niklas´ <strong>Aus</strong>zug<br />
Die heil´ge Käthe, sanft <strong>und</strong> still,<br />
tut alles, was St. Niklas will.<br />
Der klopft indes beim Herrgott an;<br />
St. Peter hat ihm aufgetan<br />
<strong>und</strong> sagt: „Grüß Gott! Wie schaut´s denn aus?“<br />
<strong>und</strong> führt ihn ins himmlische Werkstättenhaus.<br />
Da sitzen die Englein an langen Tischen,<br />
ab <strong>und</strong> zu Feen dazwischen,<br />
die den Kleinsten zeigen, wie´s zu machen,<br />
<strong>und</strong> weben <strong>und</strong> kleben die niedlichsten Sachen,<br />
hämmern <strong>und</strong> häkeln, schnitzen <strong>und</strong> schneidern,<br />
fälteln die Stoffe zu zierlichen Kleidern,<br />
packen die Schachteln, binden sie zu<br />
<strong>und</strong> haben so glühende Bäckchen wie du!<br />
Herr Jesus sitzt an seinem Pult<br />
<strong>und</strong> schreibt mit Liebe <strong>und</strong> Geduld<br />
eine lange Liste. Potz Element,<br />
wieviel artige Kinder Herr Jesus kennt!<br />
Die sollen die schönen Engelsgaben<br />
zu Weihnachten haben.<br />
Was fertig ist, wird eingesackt<br />
Und auf das Eselchen gepackt.<br />
St. Niklas zieht sich recht warm an –<br />
Kinder, er ist ein alter Mann,<br />
<strong>und</strong> es fängt tüchtig an zu schnei´n,<br />
da muss er schon vorsichtig sein!
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So geht es durch die Wälder im Schritt,<br />
manch´ Tannenbäumchen nimmt er mit,<br />
<strong>und</strong> wo er wandert, bleibt im Schnee<br />
manch´ Futterkörnchen für Hase <strong>und</strong> Reh. –<br />
<strong>Aus</strong> Haus <strong>und</strong> Hütte strahlt es hell.<br />
Da nimmt er dem Esel den Sack vom Fell,<br />
stapft durch den Flur, klopft vernehmlich an:<br />
„Ich bin es, ich, der Weihnachtsmann!“<br />
Gleich fliegen alle Türen auf;<br />
jubelnd umdrängt ihn der kleine Hauf´:<br />
„St. Niklas, St. Niklas,<br />
was hast du gebracht?<br />
Was haben die Englein<br />
für uns gemacht?“<br />
„Schön´ Ding! Gut´ Ding! aus dem himmlischen Haus!<br />
Langt in den Sack! Holt euch ´was ´raus!“<br />
(Paula Dehmel)<br />
St. Niklas<br />
(Der Vater am Telefon mit seiner kleinen Tochter):<br />
Vater:<br />
Es wird aus den Zeitungen vernommen,<br />
dass der heil´ge Sankt Niklas werde kommen<br />
aus Moskau, wo er gehalten wert<br />
<strong>und</strong> als Heiliger wird geehrt;<br />
er ist bereits schon auf der Fahrt,<br />
zu besuchen die Schuljugend zart,<br />
zu seh´n, was die kleinen Mägdlein <strong>und</strong> Knaben<br />
in diesem Jahre gelernet haben<br />
in Beten, Schreiben, Singen, Lesen,<br />
auch, ob sie hübsch fromm gewesen.<br />
Er hat auch in seinen Sack verschlossen<br />
schöne Puppen, aus Zucker gegossen,<br />
den Kindern, welche hübsch fromm wären,<br />
will er solche schönen Sachen verehren.<br />
Kind:<br />
Ich bitte dich, Sankt Niklas, sehr,<br />
in meinem Hause auch einkehr´,<br />
bring´ Bücher, Kleider <strong>und</strong> auch Schuh`<br />
únd noch viel gute Sachen dazu,<br />
so will ich lernen wohl<br />
<strong>und</strong> fromm sein, wie ich soll. – Amen.
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Knecht Ruprecht<br />
Von drauß´ vom Walde komm´ ich her;<br />
ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!<br />
Allüberall auf den Tannenspitzen<br />
sah ich gold´ne Lichtlein sitzen;<br />
<strong>und</strong> droben, aus dem Himmeltor,<br />
sah mit großen Augen das Christkind hervor,<br />
<strong>und</strong> wie ich so strolcht´ durch den finstern´ Tann,<br />
da rief´s mich mit heller Stimme an:<br />
„Knecht Ruprecht,“ rief es, „alter Gesell,<br />
hebe die Beine <strong>und</strong> spute dich schnell!<br />
Die Kerzen fangen zu brennen an,<br />
das Himmelstor ist aufgetan,<br />
Alt´ <strong>und</strong> Junge sollen nun<br />
von der Jagd des Lebens einmal ruh´n;<br />
<strong>und</strong> morgen flieg´ ich hinab zur Erden,<br />
denn es soll wieder Weihnachten werden!“<br />
Ich sprach: „O lieber Herre Christ,<br />
meine Reise fast zu Ende ist;<br />
ich soll nur noch in diese Stadt,<br />
wo´s eitel gute Kinder hat.!<br />
- „Hast denn das Säcklein auch bei dir?“<br />
Ich sprach: „Das Säcklein, das ist hier:<br />
Denn Äpfel, Nuss <strong>und</strong> Mandelkern<br />
essen fromme Kinder gern.“<br />
- Hast denn die Rute auch bei dir?“<br />
Ich sprach: „Die Rute, die ist hier:<br />
Doch für die Kinder nur, die schlechten,<br />
die trifft sie auf den Teil, den rechten.“<br />
Christkindlein sprach: „So ist es recht,<br />
so geh´ mit Gott, mein treuer Knecht!“<br />
Von drauß´ vom Walde komm´ ich her;<br />
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!<br />
Nun sprecht, wie ich´s hierinnen find´!<br />
Sind´s gute Kind´, sind´s böse Kind´?<br />
(Theodor Storm)
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Weihnachten<br />
Gesegnet sei die heil´ge Nacht,<br />
die uns das Licht der Welt gebracht!<br />
Wohl unter´m lieben Himmelszelt<br />
die Hirten lagen auf dem Feld.<br />
Ein Engel Gottes, licht <strong>und</strong> klar,<br />
mit seinem Gruß tritt auf sie dar.<br />
Vor Angst sie decken ihr Angesicht.<br />
Da spricht der Engel: „Fürcht´t euch nicht!<br />
Denn ich verkünd´ euch große Freud´:<br />
Der Heiland ist euch geboren heut´.“<br />
Vom Himmel hoch der Engel Heer<br />
frohlockt: „Gott in der Höh´ sei Ehr´!“<br />
Da geh´n die Hirten hin in Eil´,<br />
zu schau´n mit Augen das ew´ge Heil;<br />
zu singen dem süßen Gast Willkomm´,<br />
zu bringen ihm ein Lämmlein fromm.<br />
Bald kommen auch gezogen fern<br />
die Himmelsdeuter mit ihrem Stern.<br />
Sie knien vor dem Kindlein hold,<br />
schenken ihm Myrrhen, Weihrauch, Gold.<br />
(nach Eduard Mörike)<br />
Kleine Bettler<br />
Bitte, bitte, fleht der Spatz,<br />
leer ist, ach, mein Futterplatz!<br />
Küchenreste, Semmelbrocken<br />
liegen tief jetzt unter Flocken,<br />
selbst der Pferdedung, o weh,<br />
ist begraben tief im Schnee.<br />
Bitte, bitte!<br />
Einst, da noch nicht Winter war,<br />
saß hier froh der Vögel Schar.<br />
Ammer, Zeisig, Fink <strong>und</strong> Meise<br />
fanden täglich reiche Speise.<br />
Aber jetzt ist harte Zeit,<br />
alles, alles eingeschneit!<br />
Bitte, bitte!
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Gebt uns, wir verhungern fast,<br />
das nur, was ihr übrig lasst!<br />
Vöglein werden Dank euch bringen –<br />
die mit Zwitschern, die mit Singen,<br />
<strong>und</strong> euch rühmen voller Freud´,<br />
dass ihr Futter ausgestreut.<br />
Bitte, bitte!<br />
(Rudolf Löwenstein)<br />
Der Rätselmann<br />
Die Rätsel, mit denen das Volk sich neckt,<br />
hab´ ich in meinen Sack gesteckt.<br />
Heran, ihr Kinder, alle heran;<br />
Es rate, wer da raten kann!<br />
Wer baut uns Brücken <strong>und</strong> braucht kein Holz?<br />
`Der Baumeister ist der Winter stolz.<br />
Wer kennt den schwersten Stab im Land?<br />
Der Stecken ist´s in des Bettlers Hand.<br />
Wie lange schläft der Esel zur Nacht?<br />
Nicht länger, als bis er aufgewacht.<br />
Wie lange trägt man Wasser im Sieb?<br />
So lang´ nur, als es gefroren blieb.<br />
Was mag das teuerste Wasser sein?<br />
Das ist das Wasser des Wirts im Wein.<br />
Wie tief ist das Meer? Weißt du´s vielleicht?<br />
Das weiß der Stein, der den Gr<strong>und</strong> erreicht.<br />
Wann ist die beste Essenszeit?<br />
Wann für den Hunger ein Mahl bereit.<br />
Was geht durch Hecken <strong>und</strong> raschelt nicht?<br />
Das tut der Sonne gold´nes Licht.<br />
Rat´, welches Tier wird schöner im Tod?<br />
Der braune Krebs, der färbt sich rot.<br />
Wer hat sein Haus auf Felsen gebaut?<br />
Der Bauherr, der auf Gott vertraut.<br />
Wer maust <strong>und</strong> bleibt von Strafe frei?<br />
Ich meine, dass dies das Kätzlein sein.
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Nun sag´, wann der Narr dem Weisen gleicht?<br />
Dann, wenn er, statt zu reden, schweigt.<br />
Für heut´ ist nun mein Säcklein leer,<br />
doch bald bring´ ich der Rätsel mehr.<br />
Lebt wohl <strong>und</strong> haltet zur rechten Zeit<br />
zum Nüsseknacken die Zähne bereit!<br />
(Julius Sturm)<br />
Weihnachten<br />
Von hohen Himmelsfernen<br />
auf einem blauen Band<br />
im Glanz von tausend Sternen<br />
kam stilles Glück in´s Land<br />
<strong>und</strong> hat in dunkeln Herzen<br />
ein Lichtlein angesteckt,<br />
hat Sorgen, Grm <strong>und</strong> Schmerzen<br />
ganz leise zugedeckt.<br />
Die Kinder im Schnee<br />
Ein Winterabend, still <strong>und</strong> kalt;<br />
drei Kinder wandern durch den Wald.<br />
Sie gingen schon oft den Weg allein;<br />
heut´ flimmert der Mond mit irrem Schein.<br />
Der Pfad, der sonst so kurz nach Haus,<br />
heut´ mündet er nimmer zum Wald hinaus.<br />
Die kleinen Beinchen schreiten voran;<br />
da ragt empor der finst´re Tann.<br />
Sie laufen zurück <strong>und</strong> hin <strong>und</strong> her;<br />
sie finden im Schnee den Weg nicht mehr.<br />
Es weinten die Kleinsten, wohl irrten sie weit;<br />
kalt ist die Nacht <strong>und</strong> Schlafenszeit.<br />
Sieh dort, unter Wurzeln ein trockenes Hohl!<br />
Da bettet das Schwesterchen beide wohl,<br />
trägt Moos <strong>und</strong> Laub zu ihrer Ruh´<br />
<strong>und</strong> deckt mit dem eigenen Tüchlein sie zu.<br />
Die Nacht ist kalt, vom Mond erhellt;<br />
es funkeln die Sterne am Himmelszelt. –<br />
(Richard Schaukal)
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Man hat sie gesucht mit Rufen <strong>und</strong> Schrei´n,<br />
man hat sie gef<strong>und</strong>en beim Morgenschein.<br />
Die beiden Kleinen, sie schlafen fest,<br />
aneinander geschmiegt im warmen Nest..<br />
Den Arm gerafft voll Laub <strong>und</strong> Moos,<br />
so fand man die and´re bewegungslos.<br />
So lag sie im Schnee, die Wangen rot;<br />
die hatte geküsst der eisige Tod.<br />
Gebet an den heiligen Christ<br />
Du lieber, heil´ger, frommer Christ,<br />
der für uns Kinder kommen ist,<br />
damit wir sollen weiß <strong>und</strong> rein<br />
<strong>und</strong> rechte Kinder Gottes sein!<br />
Du Licht, vom lieben Gott gesandt<br />
in unser dunkles Erdenland,<br />
Du Himmelskind <strong>und</strong> Himmelsschein,<br />
damit wir sollen himmlisch sein!<br />
Du lieber, heil´ger, frommer Christ,<br />
weil heute Dein Geburtstag ist,<br />
d´rum ist auf Erden weit <strong>und</strong> breit<br />
bei allen Kindern frohe Zeit.<br />
Du segnest mich, ich bin noch klein,<br />
erhalte mir das Herze rein<br />
<strong>und</strong> bade mir die Seele, hell,<br />
in Deinem reichen Himmelsquell!<br />
Dass ich wie Engel Gottes sei<br />
in Demut <strong>und</strong> in Liebe treu,<br />
dass ich Dein bleibe für <strong>und</strong> für,<br />
Du heil´ger Christ, das schenke mir!<br />
(Heinrich Seidel)<br />
(nach Ernst Moritz Arndt)
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Wintertag<br />
Es kracht der Schnee, der Wagen knarrt,<br />
mit langen Zapfen steht <strong>und</strong> starrt<br />
der Tannenwald so silberweiß,<br />
die Zweige dicht behängt mit Eis.<br />
Es flimmt <strong>und</strong> flirrt, es blinkt <strong>und</strong> blitzt;<br />
die langen Zapfen wohlgespitzt,<br />
die feinen Nadeln ohne Zahl,<br />
sie funkeln hell im Sonnenstrahl.<br />
Der schwarze Rabe tappt im Schnee;<br />
Die Kälte tut ihm gar nicht weh.<br />
Der arme Sperling seufzt <strong>und</strong> denkt:<br />
O wär´ ein Körnlein mir geschenkt!<br />
Ein einzig´ Körnlein such´ ich nur<br />
vergebens auf der Winterflur.<br />
An´s Fenster pickt sein Schnäblein fein;<br />
O macht ihm auf <strong>und</strong> lasst ihn ein!<br />
Wie blinkt die Abendsonne schön!<br />
In weißem Dampf die Hügel steh´n;<br />
Schon dunkel wird der lichte Wald,<br />
der Mond am Himmel glänzet bald.<br />
Der schöne Tag vorüber ging,<br />
der Mond sein helles Licht empfing;<br />
mit Sternlein füllt der Himmel sich:<br />
Herr Gott, Herr Gott, wir loben Dich!<br />
Winternacht<br />
Verschneit liegt rings die ganze Welt,<br />
ich hab´ nichts, was mich freuet,<br />
verlassen steht der Baum im Feld,<br />
hat längst sein Laub verstreuet.<br />
Der Wind nur geht bei stiller Nacht<br />
<strong>und</strong> rüttelt an dem Baume,<br />
da rührt er seine Wipfel sacht<br />
<strong>und</strong> redet wie im Traume.<br />
Er träumt von künft´ger Frühlingszeit,<br />
von Grün <strong>und</strong> Quellenrauschen,<br />
wo er im neuen Blütenkleid<br />
zu Gottes Lob wird rauschen.<br />
(Joseph v. Eichendorff)<br />
(Hermann Kletke)
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Advent<br />
Es treibt der Wind im Winterwalde<br />
die Flockenherde wie ein Hirt,<br />
<strong>und</strong> manche Tanne ahnt, wie balde<br />
sie fromm <strong>und</strong> lichterheilig wird,<br />
<strong>und</strong> lauscht hinaus. Den weißen Wegen<br />
streckt sie die Zweige hin – bereit,<br />
<strong>und</strong> wehrt dem Wind <strong>und</strong> wächst entgegen<br />
der einen Nacht der Herrlichkeit!<br />
Das Jahr<br />
Mit Vogelsang verschwand das Jahr,<br />
nun brennen die Lichter w<strong>und</strong>erbar.<br />
Mein Kind, nun kommt die frohe Zeit,<br />
das Licht, die große Innenheit.<br />
Im Schnee beginnt das Leben weit,<br />
mein Kind, nun kommt die Fröhlichkeit.<br />
Das ist die Mär, die jedes Jahr<br />
erblüht: Dass Nacht das Licht gebar.<br />
(Volksgut)<br />
Drei Könige<br />
(Peter Cornelius)<br />
Drei Könige wandern aus Morgenland;<br />
ein Sternlein führt sie zum Jordanstrand,<br />
in Juda fragen <strong>und</strong> forschen die drei,<br />
wo der neugeborene König sei.<br />
Sie wollen Weihrauch, Myrrhen <strong>und</strong> Gold<br />
dem Kinde spenden zum Opfersold.<br />
Und hell erglänzet des Sternes Schein,<br />
zum Stalle ziehen die Könige ein,<br />
das Knäblein schauen sie wonniglich,<br />
anbetend neigen die Könige sich.<br />
Sie bringen Weihrauch, Myrrhen <strong>und</strong> Gold<br />
zum Opfer dar dem Knäblein hold.<br />
O Menschenkind, halte treulich Schritt,<br />
die Könige wandern, o wand´re mit!<br />
Der Stern der Liebe, der Gnade Stern<br />
erhellt dein Ziel, so du suchst den Herrn.<br />
Und fehlen Weihrauch, Myrrhen <strong>und</strong> Gold,<br />
schenke dein Herz dem Knäblein hold!<br />
(Rainer Maria Rilke)
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Friede auf Erden<br />
Da die Hirten ihre Herde<br />
ließen <strong>und</strong> des Engels Worte<br />
trugen durch die nied´re Pforte<br />
zu der Mutter <strong>und</strong> dem Kind,<br />
fuhr das himmlische Gesind´<br />
fort, im Sternenraum zu singen,<br />
fuhr der Himmel fort zu klingen:<br />
„Friede, Friede auf der Erde!“<br />
Seit die Engel so geraten,<br />
o wie viele blut´ge Taten<br />
hat der Streit auf wildem Pferde,<br />
der geharnischte, vollbracht!<br />
In wie mancher heil´gen Nacht<br />
sang der Chor der Geister zagend,<br />
dringlich flehend, leis wehklagend:<br />
„Friede, Friede ... auf der Erde!“<br />
Doch es ist ein ew´ger Glaube,<br />
dass der Schwache nicht zum Raube<br />
jeder frechen Mordgebärde<br />
werde fallen allezeit!<br />
Etwas wie Gerechtigkeit<br />
weht <strong>und</strong> wirkt in Mord <strong>und</strong> Grauen,<br />
<strong>und</strong> ein Reich will sich erbauen,<br />
das den Frieden sucht der Erde.<br />
Mählich wird es sich gestalten,<br />
seines heil´gen Amtes walten,<br />
Waffen schmieden ohne Fährde,<br />
Flammenschwerter für das Recht,<br />
<strong>und</strong> ein königlich Geschlecht<br />
wird erblüh´n mit starken Söhnen,<br />
dessen helle Tuben dröhnen:<br />
„Friede, Friede auf der Erde!“<br />
Heilige Tage<br />
Bist du in Öde <strong>und</strong> Alltagsstaub<br />
das liebe Jahr lang gegangen?<br />
Lag deine Seele wie blind <strong>und</strong> taub<br />
in tausend Sorgen gefangen?<br />
Hast du von Morgen bis Mitternacht<br />
nichts als Klage <strong>und</strong> Plage?<br />
Arme Seele, nimm dich in acht,<br />
es kommen seltsame Tage!<br />
Du spürst ihr Nahen schon w<strong>und</strong>erbar,<br />
ein holdes himmlisches Treiben.<br />
Die Sterne winken dir groß <strong>und</strong> klar<br />
Von oben her durch die Scheiben.<br />
Und Englein huschen am Gartenzaun,
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krausköpfig´ Flügelgesindel,<br />
<strong>und</strong> tuscheln leise im Abendgrau´n<br />
von Christkinds Krippe <strong>und</strong> Windel.<br />
Verstohlen steigt es wie Tannenduft<br />
dir nach auf Treppen <strong>und</strong> Gängen,<br />
ein Singen geht durch die Winterlauft,<br />
das bleibt im Ohre dir hängen.<br />
Ach, alte Lieder von liebem Klang –<br />
die Mutter sang sie vor Zeit –<br />
<strong>und</strong> es pocht das Herz dir so selig bang –<br />
als müsse das Christkind läuten.<br />
Und die Glocken dringen von jedem Turm<br />
über den Schnee der Gassen;<br />
da wird der heilige Liebestraum<br />
auch dir die Seele erfassen, -<br />
<strong>und</strong> der Schrei der schluchzenden Sehnsucht bricht<br />
dir heiß von zuckender Lippe:<br />
Zünde auch mir dein Himmelslicht,<br />
heiliges Kind in der Krippe!<br />
(Lulu v. Strauß <strong>und</strong> Torney)<br />
An den Abendstern<br />
Abendstern, der Tag erblasst,<br />
tritt hervor in´s Blau,<br />
dass ich über meiner Last<br />
die Verheißung schau´.<br />
Bote, brüderlich gesandt,<br />
Sternes Ingesind,<br />
der den Drei´n aus Morgenland<br />
Krippe wies <strong>und</strong> Kind!<br />
Über meinem armen Zelt<br />
halt´ ein Weilchen Rast,<br />
sei der immer dunkleren Welt<br />
immer lichter Gast.<br />
Wächter, walte deiner Pflicht,<br />
es ist Schlafenszeit;<br />
sammle vor dein Angesicht,<br />
was der Tag entzweit.<br />
Den, der jetzt noch wandern muss,<br />
mach´ des Weg´s gewiss,<br />
wenn sein Aug´ das deine grüßt<br />
durch die Finsternis.<br />
(Rudolf Alexander Schröder
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Zum Advent<br />
Zweitausend Jahre kommst du schon,<br />
dass Fried´ <strong>und</strong> Freud´ auf Erden sei;<br />
<strong>und</strong> immer geht dein Jahr vorbei,<br />
<strong>und</strong> immer sprach die Welt dir Hohn.<br />
Spielt immer noch ihr altes Spiel,<br />
d´rin einer um den ander´n lost.<br />
Du gehst vorbei, blickst ernst <strong>und</strong> still<br />
<strong>und</strong> sprichst <strong>und</strong> lächelst: „Seid getrost.<br />
Wenn Finsternis euch rings umstellt,<br />
da jeder Steig <strong>und</strong> Stern gebricht:<br />
Noch führt ein Weg aus Licht in Licht.<br />
Ich bin´s. Ich überwand die Welt.“<br />
(Rudolf Alexander Schröder)<br />
Wenn die ersten Fröste knistern<br />
in dem Wald bei Bayrisch Moos,<br />
geht ein Wispern <strong>und</strong> ein Flüstern<br />
in den Tannenbäumen los,<br />
ein Gekicher <strong>und</strong> Gesumm<br />
ringsherum.<br />
Tannengeflüster<br />
Eine Tanne lernt Gedichte,<br />
eine Lärche hört ihr zu.<br />
Eine dicke, alte Fichte<br />
sagt verdrießlich: Gebt doch Ruh´!<br />
Kerzenlicht <strong>und</strong> Weihnachtszeit<br />
sind noch weit!<br />
Vier<strong>und</strong>zwanzig lange Tage<br />
wird gekräuselt <strong>und</strong> gestutzt<br />
<strong>und</strong> das Wäldchen ohne Frage<br />
w<strong>und</strong>erhübsch herausgeputzt.<br />
Wer noch fragt: Wieso? Warum?<br />
Der ist dumm.<br />
Was das Flüstern hier bedeutet,<br />
weiß man selbst im Spatzennest:<br />
Jeder Tannenbaum bereitet<br />
sich nun vor auf´s Weihnachtsfest.<br />
Denn ein Weihnachtsbaum zu sein:<br />
Das ist fein!<br />
(James Krüss)
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Marienkind<br />
Nächtlich im Stalle bei Schnee <strong>und</strong> bei Wind –<br />
Mutter Maria, wie arm ist Dein Kind!<br />
Wiegst Du es leise, so lächelt es lind –<br />
Mutter Maria, wie schön ist Dein Kind!<br />
Engel <strong>und</strong> Könige Diener ihm sind –<br />
Mutter Maria, wie reich ist Dein Kind!<br />
(Olga Stückrath-Stawitz)<br />
Die Weihnachtsbäume<br />
Nun kommen die vielen Weihnachtsbäume<br />
aus dem Wald in die Stadt herein.<br />
Träumen sie ihre Waldesträume<br />
weiter beim Laternenschein?<br />
Könnten sie sprechen! Die holden Geschichten<br />
von der Waldfrau, die Märchen webt;<br />
Was wir uns alles erst erdichten,<br />
sie haben das alles wirklich erlebt.<br />
Da steh´n sie nun an den Straßen <strong>und</strong> schauen<br />
w<strong>und</strong>erlich <strong>und</strong> fremd darein,<br />
als ob sie der Zukunft nicht recht trauen;<br />
es muss da was im Werke sein.<br />
Freilich, wenn sie dann in den Stuben<br />
im Schmuck der hellen Kerzen steh´n<br />
<strong>und</strong> den kleinen Mädchen <strong>und</strong> Buben<br />
in die glänzenden Augen seh´n,<br />
dann ist ihnen auf einmal, als hätte<br />
ihnen das alles schon mal geträumt,<br />
als sie noch im Wurzelbette<br />
den stillen Waldweg eingesäumt<br />
Dann stehen sie da, so still <strong>und</strong> selig,<br />
als wäre ihr heimlichstes Wünschen erfüllt,<br />
als hätte sich ihnen doch allmählich<br />
ihres Lebens Sinn enthüllt;<br />
als wären sie für Konfekt <strong>und</strong> Lichter<br />
vorherbestimmt, <strong>und</strong> es müsste so sein.<br />
Und ihre spitzen Nadelgesichter<br />
blicken ganz verklärt darein.
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Auf Eis gelegt<br />
(Kuno)<br />
Ach, wie ist es kalt geworden,<br />
seit der Winter sich bemüht,<br />
uns klimatisch aufzunorden,<br />
dass das Eis am Fenster blüht!<br />
Klirren lässt er es <strong>und</strong> krachen,<br />
keiner hat mehr was zu lachen,<br />
alle Welt ist reifgeweißt,<br />
selbst der Fuß im Schuh vereist!<br />
Alle Wünsche suchen südlich<br />
warme Luft <strong>und</strong> Sonnenbrand.<br />
Ja, da hätte man´s gemütlich,<br />
hingestreckt im heißen Sand.<br />
Warum ward man nicht geboren<br />
am Äquator bei den Mohren,<br />
wo´s am heißen Sonnenrost<br />
weder Schneefall gibt noch Frost!<br />
Nur am Ofen ist´s erträglich<br />
oder auch im warmen Bett.<br />
Draußen aber geht´s uns kläglich,<br />
schützt nicht Wolle uns <strong>und</strong> Fett.<br />
Alle Schönheit geht verloren,<br />
rote Nasen, rote Ohren,<br />
selbst das Herz wird eisig kalt –<br />
lieber Frühling, komm doch bald!<br />
Großvater als Weihnachtsmann am Telefon<br />
(Adolf Ey)<br />
Auf der Weihnachtsmärchenwiese<br />
stapft jetzt täglich uns´re Liese.<br />
Ihre großen Augen seh´n<br />
nur noch Christkindflitter weh´n,<br />
<strong>und</strong> sie späht in jede Ecke,<br />
hebt behutsam jede Decke,<br />
überall riecht´s schon nach Tann.<br />
Kommt denn nicht der Weihnachtsmann?<br />
Horch, mit welch´ besond´rem Tone<br />
klingelt´s da am Telephone?<br />
Schnell die Fußbank! Und das Ohr<br />
hält die Kleine an das Rohr,<br />
stottert: „Liese hier – <strong>und</strong> dorten ?“<br />
Und wie von des Himmels Pforten<br />
tönt es tief <strong>und</strong> feierlich:<br />
„Kind, der Weihnachtsmann bin ich!“<br />
O, wie zittern da die Beinchen!<br />
O, wie knickst da unser Kleinchen,
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ruft verschämt, als hätte sie<br />
schon die Frage irgendwie<br />
von den Lippen ihm gelesen:<br />
„Artig bin ich sehr gewesen!“<br />
„Gut, dass ich das hör´, mein Kind!<br />
Weiter muss ich wie der Wind.<br />
Hab´ noch vieles zu besorgen,<br />
komme zu dir übermorgen.“<br />
Schluss! – Ach Gott! wie da in Hast<br />
Sie sich an das Köpfchen fasst!<br />
Dieser Schrecken! Dieser Kummer!<br />
„Ach, ich hab´nach seiner Nummer<br />
nicht gefragt!“ Sie klingelt an.<br />
„Bitte, Fräulein, Weihnachtsmann!“<br />
Rauhreif vor Weihnachten<br />
(Anna Ritter)<br />
Das Christkind ist durch den Wald gegangen,<br />
sein Schleier blieb an den Zweigen hangen.<br />
Da fror er fest in der Winterluft<br />
<strong>und</strong> glänzt heut´ morgen wie lauter Duft.<br />
Ich gehe still durch des Christkinds Garten.<br />
Im Herzen regt sich ein süß´ Erwarten:<br />
Ist schon die Erde so reich bedacht,<br />
was hat es mir da erst mitgebracht!<br />
Was das Christkind dazu sagt<br />
(Volksgut)<br />
Das Christkindlein bin ich genannt,<br />
den frommen Kindern wohlbekannt,<br />
die ihren Eltern gehorsam sei´n,<br />
die früh aufsteh´n <strong>und</strong> beten gern,<br />
denen will ich alles bescher´n.<br />
Die aber solche Holzblöck´ sein,<br />
die schlagen ihre Schwesterlein<br />
<strong>und</strong> necken ihre Brüderlein,<br />
steckt Ruprecht in den Sack hinein.
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Engel ihr habt es fein<br />
(Max Schmerler)<br />
Engel, ihr habt es fein!<br />
Dürft stets beim Christkind sein<br />
<strong>und</strong> beim Knecht Ruprecht.<br />
Lest ihm die Briefe vor,<br />
macht Ruprecht auf das Tor,<br />
wenn er müd´ heimkommt.<br />
Zieht ihm die Stiefel ab,<br />
schleppt Filzschuh´ her im Trab,<br />
stopft ihm die Pfeife.<br />
Langt ihm das Spielzeug zu,<br />
das er in aller Ruh´<br />
tief in den Sack steckt.<br />
Ist er dann wieder fort,<br />
nehmt ihr vom Spielzeug dort,<br />
was noch herumliegt.<br />
Der reitet Steckenpferd,<br />
der mit dem Bahnzug fährt,<br />
der trommelt laut.<br />
Und mit dem Heil´gen Christ<br />
Fliegt ihr, wenn Weihnacht ist,<br />
nieder zur Erde.<br />
Wär´ ich ein Engelein!<br />
Will brav <strong>und</strong> fromm stets sein,<br />
dass ich eins werde.<br />
Vom Christkind<br />
(Anna Ritter)<br />
Denkt euch – ich habe das Christkind geseh´n!<br />
Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee,<br />
mit rot gefrorenem Näschen.<br />
Die kleinen Hände taten ihm weh;<br />
denn es trug einen Sack, der war gar schwer,<br />
schleppte <strong>und</strong> polterte hinter ihm her. –<br />
Was d´rin war, möchtet ihr wissen?<br />
Ihr Naseweise, ihr Schelmenpack –<br />
meint ihr, er wäre offen, der Sack?<br />
Zugeb<strong>und</strong>en bis oben hin!<br />
Doch war gewiss was Schönes d´rin:<br />
Es roch so nach Äpfeln <strong>und</strong> Nüssen.
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Weihnachten<br />
(Albert Sergel)<br />
Über die Hütte weht der Wind,<br />
wo Joseph <strong>und</strong> Maria sind.<br />
In den Ritzen Heu <strong>und</strong> Stroh<br />
<strong>und</strong> die beiden w<strong>und</strong>erfroh.<br />
In dem allerärmsten Haus<br />
geht ein Glanz von dem Kinde aus,<br />
das in dieser sel´gen Nacht<br />
in der Krippe liegt <strong>und</strong> lacht.<br />
Engel kommen <strong>und</strong> wiegen es ein,<br />
das ist das süße Jesulein.<br />
Ganz allein<br />
(Heinrich Scharrelmann)<br />
Ich bin ganz allein zu Hause,<br />
Mutter ging zum Weihnachtsmann!<br />
Hat ihm vieles zu erzählen,<br />
was sie mir nicht sagen kann.<br />
Pussi schläft beim warmen Ofen,<br />
<strong>und</strong> sie träumt <strong>und</strong> schnarcht <strong>und</strong> spinnt,<br />
leise tickt die alte Wanduhr,<br />
ich ich wieg´ mein Puppenkind.<br />
Dunkel wird es schon am Himmel,<br />
da ist schon ein großer Stern. –<br />
Peitschen knallen, Mädchen singen,<br />
Räder rollen in der Fern´.<br />
Sieh nur, auf der ander´n Seite<br />
uns´rer Straße steht ein Haus,<br />
darin stöhnen Dampfmaschinen,<br />
Menschen gehen ein <strong>und</strong> aus.<br />
<strong>Aus</strong> dem hohen Schornstein fliegen<br />
helle Funken in die Nacht. –<br />
Ei, wer kommt? – Es ist die Mutter!<br />
- - - - -<br />
Hast du mir was mitgebracht?
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Im Kaufhaus der Erwachsenen<br />
I.<br />
So tritt man ein:<br />
Die Welt ist mein!<br />
Das Auge schweift in Majestät,<br />
(scheckkartengroß Probleme des Bezahlens), -<br />
so eilt man nicht, vielmehr, man geht<br />
<strong>und</strong> kontrolliert, vergleicht die Preise,<br />
man defiliert in alter Weise;<br />
Regale werden musternd abgeschritten,<br />
der Feldherr lässt sich Zeit. In Ganges Mitten<br />
bestaunt, durchprüft <strong>und</strong> kritisiert er,<br />
erinnernd sich von ungefähr,<br />
belädt den Wagen, schiebt die Schätze,<br />
errüpelt sich die besten Plätze,<br />
macht an der Kasse endlich Halt;<br />
dass and´re warten, lässt ihn kalt,<br />
zückt gravitätisch einen Scheck,<br />
hebt an, gemächlich auszufüllen,<br />
steckt alles sorgsam wieder weg,<br />
erfüllt der Dame ihren Willen<br />
<strong>und</strong> räumt am Ende missgelaunt den Gang der Kasse,<br />
indes nachrückend drängt die zorn´ge Masse.<br />
Spitzbübisch pfeifend trollt sich, was missfällt -:<br />
Ihn stört das nicht. ER ist der Held!<br />
• * * * * *
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II.<br />
Im Kaufhaus der Erwachsenenwelt<br />
durchwandert man dieWarengänge,<br />
<strong>und</strong> manches schwer verdiente Geld<br />
bringt sie hernach in Zahlungszwänge<br />
Man will so viel <strong>und</strong> braucht so wenig,<br />
man „richtet sich das Leben ein“<br />
<strong>und</strong> fühlt sich noch als Kaufhauskönig<br />
<strong>und</strong> freut sich seines Herrscherscheins.<br />
Die nichts verdienen, schauen ärmlich,<br />
sind wunschgeplagt: Wohlstands-Statisten.<br />
Zwar dauern uns, die so erbärmlich,<br />
doch müssen sie ihr Dasein fristen!<br />
Willst du den Reichtum frech genießen,<br />
so spare mit Verschwendung nicht:<br />
Sobald bei and´ren Tränen fließen,<br />
mach´ Selbstgerechtigkeit zur Pflicht.<br />
Entdeckst du große Kinderaugen,<br />
wenn du genüsslich Eis beschleckst,<br />
so wisse oder magst es glauben,<br />
dass deren Appetit nur wächst!<br />
Entwurf: Model<br />
* * * *<br />
<strong>Aus</strong> dem Muster-Katalog einer Model-Agentur<br />
Nur schön - haut-dekorativ,<br />
ohne zu wissen, wem er / sie lebt,<br />
geklontes Lächeln,<br />
getünchte Schönheitsindustrie,<br />
kaufhausgestylte Unberührbarkeit,<br />
kritisches Ich-Überprüfen,<br />
Tapetenwärme; Naturerleben als Kulisse,<br />
herbeigewünschte Hintergründigkeit,<br />
gestelzter Überkreuz-Gang,<br />
gespielte Koketterie,<br />
Suggestiv-Frivolität zwecks<br />
identitätsgehöhlter Abhol-Garderobe.<br />
Und was steht auf dem Friedhofs-Kreuz?