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Aus Kindheit und Jugend - Gerhard Grabbe

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<strong>Gerhard</strong> <strong>Grabbe</strong><br />

<strong>Aus</strong> <strong>Kindheit</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Jugend</strong><br />

Plattdeutsche Dichtung<br />

im Dialekt meiner Heimat<br />

Neu zusammengestellt<br />

September 2004 <strong>und</strong> 2011


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<strong>Aus</strong> <strong>Kindheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong> Teil I<br />

Mein Teddybär<br />

Des Kindes Einsamkeit der Nacht,<br />

wo Traum <strong>und</strong> Wachen sich verschworen,<br />

hat Bilder in mir aufgebracht,<br />

von denen manche zwar verloren,<br />

doch eines blieb mir stets vermacht,<br />

das, rief ich´s, still mich angelacht:<br />

ein Bärenkopf mit r<strong>und</strong>en Ohren –<br />

ein süßer Trost: mein Teddybär!<br />

Ihm strickte Mutter was zum Knöpfen,<br />

damit er nicht so nackig wär´.<br />

Oft matt vom Spiel bis zum Erschöpfen,<br />

fiel mir der Gang ins Bett nicht schwer,<br />

doch gab man mir mein Bärlein her,<br />

wie raunten wir mit heißen Köpfen!<br />

Vertraulich hielt ich´s mit dem Fre<strong>und</strong>,<br />

weil Spötterzungen hässlich sprechen,<br />

weil Neid mit Hohn nicht lange säumt,<br />

den freien Kinderb<strong>und</strong> zu stechen.<br />

Er hörte mich, wenn ich geweint,<br />

<strong>und</strong> heilte, was kein Gönner leimt;<br />

wir teilten Herz- <strong>und</strong> Zeitgebrechen.<br />

Was bliebe mir, wenn das nicht mehr?<br />

Wir hätten wenig Gr<strong>und</strong> zum Lachen,<br />

uns rollten bitt´re Tränen schwer,<br />

wenn zwischen uns´ren Spielzeugsachen<br />

der Tröster nicht, die Puppe wär´ -<br />

wie damals mir der Teddybär -,<br />

des Glückes Pförtlein aufzumachen.


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Dä Patt achterlangs 1<br />

Unner Linnenboomen um´t Huus up´t Pattje<br />

tüschen Rausen tree ick in´t Sünnenlüchten,<br />

Sönndaggsstielle, feernher än Haauhnenkreihen,<br />

Duben, dä guurren.<br />

Sachte Wind striikt fauker dä Äkboomtacken<br />

up unn daul, dat Loof fispert luuter, frömd mi,<br />

dör dä Stammen kiik ick up Keunens Waldje,<br />

achtern in´t Dünsten.<br />

Schaa van´t Boomen fluckert up Grön unn Spören,<br />

lett sück mit miin Stockje nich änfach steeken;<br />

Lüentjes scheellen, Filappers dwölnen stiellkens,<br />

witten unn bunten.<br />

Tüschen Heeg unn Waall slöppt disse Vörjohrsmörgen.<br />

Jüüst van feern, van´t Flassmeertjer Kaark, dä Klocke,<br />

sleiht mit fiine Slagg over´t Kampen rower,<br />

stüürt mi dä Uhrtiid.<br />

Bit an´t Weggeend gau ick unn unner Barken,<br />

grön unn zoart dat schüddelnde Loof vör´t Blaaue;<br />

Naubers Huus in´t Süenschiin kickt groot unn slauperg –<br />

Maidagg an´t Mörgen!<br />

Blick auf unseren Garten vom Fasanenweg aus - - der Fasanenweg heute; den Garten gibt es nicht mehr.<br />

1 Der heutige Fasanenweg – links gab es damals eine Weißdornhecke, die unseren Garten schützte


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Kinnerreupon<br />

Diss Dagg wass hät. Ick stau in´t Poortje,<br />

so´n lüetje Fend, unn kiek naudaul;<br />

van mennig Rad sä ick ´n Foortje<br />

in´t griese Sand än elke Maul.<br />

Dä Süen sitt günners achter d´ Boomen,<br />

man up blood Feuten is´t noch warm<br />

in´t Sand. – Hier sünt sä komen,<br />

man nu is´t Tied, nu mutten´s gaun:<br />

Van nauh unn feern hör ick dä Meuders<br />

Jüüst bölken nau hör Kind mit Nauhm.<br />

(Dat wät elk Släf, dat du hum feuerst,<br />

unn´t Eten sall up´t Taufel stauhn!)<br />

So mennigään röppt dann wall rüggels,<br />

dat Meuder wät: Hä hett´t doch höört!<br />

Man mennigään streewt gornich vöggels:<br />

Hä kickt so geern, wat noch passärt.<br />

Dat düürt ´n Sett, dann hör ick´t Raagen,<br />

unn´t Ollske hett hum läp bi´t Kopp,<br />

unn „klipp“ unn „klapp“ – hä mutt sück bargen,<br />

man nauher smeckt hum doch sin Soepp<br />

Dä Warmte steiht in Boom´n unn Heegen,<br />

dä Wittdoorn bleiht mit fiine Röök,<br />

dä Vögels hemm´n wall Jungen kregen<br />

unn sörgen sück mit riike Flöög.<br />

Min Mama röppt, nu mu´ck nau binnen,<br />

man mörgen, wenn dä Süene schiint,<br />

sall ick jeu wall up´t Patt weerfinn´n.<br />

Door spööl wi weer – ass sück´t so fiend´t.


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Kinner-Johr´n<br />

Westwind drifft dä Himmel so vull,<br />

schnufft döör Tacken unn Blauden;<br />

Süen is weg; wat dor bleihn sull,<br />

sleiht dä Kopp vör Benau´n!<br />

- Satt up´t Baank, lüetjet unn stiell,<br />

sach dä Wulken sweven,<br />

keek so trüürig döör miin Briell,<br />

luurde, wor bünt sä bleben?<br />

Elke Dag verwunnert mi läp,<br />

paas ick up´n sünige Täken,<br />

mutt noijt biistern, man krieg´t mit Swät,<br />

jüüst bi´t Wulken-Söken!<br />

Driift man henn, so swart unn swor!<br />

Lüetjet fung ji an,<br />

bliid as ick – nu traunerg unn nor,<br />

nett, dat man´t holln kann!


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Knickern<br />

Up´t Wegg an´t Heeg hör ick höör proitjen.<br />

Wat hemmn dä vöör?<br />

Willn dä sück wall mit Puelln klütjen?<br />

Ick stau vör´t Döör.<br />

Och nee, Ich höör´t: Dat geiht um´t Knickern,<br />

unn hannig haul´ck miin Büdel rut<br />

unn suus umteu; nu höör´ck´t all bickern.<br />

Dor sitten´s stiell mit´n spitze Snuut,<br />

jüst ass mit siin geknickde Finger<br />

höör Diedrich aall dä bunten Dinger<br />

- elk up dat Gatt an –<br />

widerschoof<br />

unn dann,<br />

gottloof,<br />

in´t Lock!<br />

Klock!<br />

see dat letzde noch,<br />

dor kraabde sück dä Winner doch<br />

van elk dä Knicker uut dä Pott fix in siin Büdel.<br />

„Nochmaul!“ so reepen aall teuglijk,<br />

unn unner Laagen unn Gerödel<br />

flog miin oell Knicker ook teu wiit!<br />

Dor lagg hä stiell unn grön teu winnen,<br />

man anners ään, ick wät nich, well,<br />

kreeg hum mit aall dä annern binnen. Unn ick?<br />

Bi dit<br />

Geiht´t selten geut, wenn´t beter sall!


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Tickjen<br />

`T is Sauterdagaubend! Hier sitt wi unn kaueln<br />

van elk ´n Beleevthät ´n bijtje teusaumen,<br />

Wichter unn Jungse, up´t Trappen van´t Scheulpoort.<br />

So ass wi dor sitten unn wäten uuns Woort,<br />

dor kann sück up äänmaul ´n Fent nich betaumen<br />

unn mutt dor well targen unn tegenjaueln.<br />

Nu kummt ja än Schellen unn Schimpen geflogen,<br />

unn dorum lett sück dä anner nich nögen<br />

unn sitt hum, verdult ook, in´t Aubendfree nau!<br />

Dat wull hä ja man; nu verdraggt sück´t ook gau,<br />

unn beide targen nu uns teu Vergnögen;<br />

wi springen so up, sä slaunt mennig Bogen!<br />

Teuleetzd kann giinään mehr, wi staunt so unn jappen,<br />

unn elk is´t maul west unn kunn ook well snappen,<br />

so laag wi unn plinkern uuns hartkloppend an.<br />

Diss Jaugen, nau´t Pultern, döör Süenschiin unn Sand,<br />

düürt Meuder nich wäten, düürt nüms höör verflappen,<br />

denn anners gifft ´t doch wat vöör Bielln unn Gatten!


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Schoijen<br />

O, kennt dijn Haart dä Schrick, so wunnersaum,<br />

wenn di teu´t eerstemaul än süfzig Röögen<br />

begripen lett, dat dijn Gedankenflögen<br />

sück däp beswoorn mit än Verlangenstäken,<br />

du föhlst, wo annern minner wäten?<br />

Dijn Uurdäl harr´t vördem ook lichter meeten,<br />

man dijn Verlangen wuurs, bleev nich mehr stauhn.<br />

Du harrst ja sähn unn kannst nix anners mögen,<br />

unn nix, as dat du´t kriegen muggst, kann dögen.<br />

Door is bi dij in´t Haart ´n Schütt daulreeten.<br />

Nett, wat d´ nich hemmen düürst, kannst d´ nich<br />

vergeten.<br />

Dat wort teu Ölje, dij in´t Füür teu gäten.<br />

Wat helpt dor noch, wat dij inwendig mauhnt?<br />

An elke Dagg düürst du dijn Jammer pröben,<br />

föhlst du heruut dat stedig staarker Nögen!<br />

Jau, stiell beslijken dij in disse Weeken<br />

dä noore, ägenschojerige Lögens;<br />

bedoorst dij nich: Gijnään sall sück d´ran högen,<br />

nee -: Du begeihst´t mit swoor benauhde Auhm<br />

nimmst du´t – dat änstmauls Hillige mutt breken.<br />

Teueerst bloot Klänigkeiten, dä wat leten,<br />

dann hest du´t leehrt. So hest d´ dij dran vergrepen!-<br />

Well dij vertraude, düürt nich an dij löben;<br />

du hest dä Welt, hest ook dij sülms bedroogen.<br />

Maggst du ook gauhn: Dij blinkt gijn stielle Traaun!


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Büten<br />

Wo fauk, dat dä Gedanken schofel<br />

unn dat dat Haart bedroogen wuur!<br />

Man wovöl swoorder unn wo stuuer<br />

kwamm nauhst dat bitter Ingestauhn!<br />

Wat hüff ich ook d´rup inteugauhn,<br />

wat in´t Gewäten puust dä Düfel!<br />

Bij´t Büten kroop dat Hemmenwillen<br />

uut düster Heuken over´t Tuueng,<br />

än söte Klang was door in´t Muuend,<br />

man prees sück´t an, van Loov so full,<br />

man wüss genaau, wo´t sitten sull<br />

unn muss vör Glück, verdaamd, noch triellen!<br />

In´t Oog dä Gier, um´t Muul ´n Smüstern,<br />

so tuusk´den wij dä Riddersmann<br />

teu´n Keerl up ´n Staang, dä kieken kann! –<br />

Mijn Mama woorschau´d mij genug:<br />

Sä wüss um disse Sülfstbedrugg.<br />

Nu braannt ´t in Haand unn Haartensdüstern!


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Gebuursdagg<br />

Dat is bedocht vöruut in Weeken,<br />

dat Nauers Jung Gebuursdagg hett!<br />

Nu sitt hä fauk unn is an´t reeken,<br />

man och! – dat düürt ja noch so´n Sett!<br />

Teuletzd is bloot än Nacht noch bleben,<br />

unn ´d Jung siin Ohren bünt läp lang;<br />

bi hum unn Mama is´t ´n Upreegen.<br />

Hä slöppt häl nich -: dor bün´ck um baang!<br />

An´t Mörgen sitt völ Sand in´t Oogen,<br />

man dor, mit äns, is hä der all!<br />

Dä Köken warm, heell Füer in´t Obent,<br />

unn alles find´t hä, so ass ´t sall.<br />

Hier Schrieftüüg, dor wat anteutrecken –<br />

(´t is Winterdag, in´t Januoar) -<br />

- dor Spöölreef – ook noch wat teu slicken!<br />

Gebuursdag is´t - ´t is wunnerboar!<br />

Nu man an ´t Teufel unn wat eeten!<br />

Vöör´n Happke sitt hä nett noch vöör,<br />

man nu in´t Joepp, dä Pool gegrepen,<br />

dä Ranzel up, unn nu van Döör!<br />

´T is kolt in buten, man dor günners<br />

stappt hum siin Fründ vergnögt teumööt,<br />

unn aall graläärn´s hum, aall dä Kinners,<br />

unn bolt ook kwammen´s noch teu laut!<br />

In´t Scheul düürt hä nau vören komen<br />

unn teu dä Kinner höör Gesieng<br />

mit´t Finger wiisen, unn, mit Schaumen,<br />

singt hä dorteu mi heelle Stiemm.<br />

Thorsten <strong>Grabbe</strong>:<br />

Die Schule<br />

Steenfelderfeld<br />

vor 1950 – nach<br />

einem Foto von<br />

Heinz Beck<br />

gezeichnet.Unten:<br />

Das Elternhaus<br />

meines Fre<strong>und</strong>es.


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Vör´t Naumiddag hett hä´s inlauden,<br />

dä hum bii´t Spööln an´t naugsten bünt<br />

unn dä jüst ook in´t letzde Daugen<br />

wall ördentliik unn läw west bünt.<br />

In´t lüetje Köken steiht siin Taufel,<br />

wor elke Kind geut sitten kann.<br />

Van Daug gifft´t Keuk, wor´t anners schofel,<br />

Kakao unn Melk unn sogor Sauhn!<br />

Dat Spöölreef is teu moj unn nüdelk,<br />

unn alltijd hät´t´: „Vörsichtig, Jungs!<br />

`T mutt laang noch holln!“ So bünt sä freedelk,<br />

sogor mit Naubers Wicht! Dat köönt s´!<br />

Dä Dagg geiht henn; dat Spööln in buten<br />

hollt noch wat an; bi´t Schummern is<br />

unn d´ Kökenlaamp hör dör dä Ruten<br />

dat Eeend van diss Gebuursdagg wist.<br />

Sä sluurn nau Huus; `t gifft Aubendeeten,<br />

man up d`Verwaandde wacht hä noch:<br />

Wat dä noch brengen, mutt hä wäten!<br />

Up´t Eend, mi dücht, slöppt hä dann doch.<br />

Dä Grooten düürn sück wat verteellen<br />

bi Keuk unn Tee unn ook noch Kuur. –<br />

Diss Dag wass moj: Dor gaff´t gijn Scheellen,<br />

hier gaff dat ruum, wornau hä luur´!


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In´t Meuer<br />

Mit bloode Feuten loopen wi Fründen gau<br />

van Huus nau´t Meuer. Taaske mit Eeten fast<br />

an´t Henkels. Klipp unn klapp up´t bülerg<br />

Feutpatt, unn däper in´t Leegmeuer koom wi.<br />

Dä Röök van bruune Heijde umweiht dä Nöös,<br />

unn bruun dat Wauter, wat dor in Slooden steiht,<br />

dä witten Barkenboomen röögen<br />

Kronen unn Blauden in´t warme Weihen.<br />

Dä Tochsloot, dä wi jüst overspringen könt,<br />

hett sünig Wauter. Wijder dä Patt in´t Meu´r.<br />

Vörbij ann lüetje Huusen. Nauger<br />

Koom wi an´t Poort, dä wi overklautern.<br />

Dör´t Kamp, dör Gress unn wijkende törfig Gr<strong>und</strong><br />

umhollt uuns wiide Stiell unn Kiwittreup.<br />

Dat feerne Leben fiend´t uuns äänsaum<br />

stappen in disse beleevde Wiide.<br />

Bloot enkelt, henn off heer, waast än Lüchtmast hoch,<br />

siin Drauhden leeggen Schaa over´t freije Land,<br />

dat Veijh in´t Kamp vörut kickt freedelk,<br />

düster dä Puckel van´t Hochmeu´r d´rachter!<br />

Unn nochmaul klautern wi over´t Schütt van´t Weijd,<br />

unn endlich säh wi Vauders beweegde Rüegg:<br />

Hä steekt in´t Up unn Daul dä Palten<br />

Törf sück herut! Man nu bünt wi anlaangt!<br />

Vör hum dat Brot unn ´n Kluckje uut ´t bruune Flers,<br />

unn smüsterg wisst uns Vauder in´t Törf ´n Flient.<br />

Hä mänt, wi sulln man jüst ´n lüetje<br />

Flintstäntje pooten teu grooter waarsen!


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Wi hemmn´t ook daun unn maarkden dä Stee uns fast,<br />

bekeeken nauher Slooden unn Gress unn Heijd,<br />

wi keeken geern dä Vögels nau unn<br />

söggden van´t Kiwitt dat Nüst mit d´ Eier.<br />

Wo fauk dat wi helpen unn lauden kunn´n<br />

unn fuhren stiell mit Vauder up´t Plaank vörnup,<br />

dä „Voss“ truck saacht dä Ackerwaugen,<br />

ijsdern beslaun unn up´t Aasen knaukernd.<br />

Van boben leep dä Gr<strong>und</strong> unnter d´ Änsteell weg,<br />

mit elke Tree van´t Peerd stoof dä Sand umhoch,<br />

dä Steert umslog bi Sett´n dä Biellen,<br />

rot leep vörut uns dä Aubendsüene.<br />

Mit Blömen kwamm ick s´mauls off mit Heijd nau<br />

Huus,<br />

man mäst mit Smacht in´t Liif unn dat Hoar vull<br />

Meu´r,<br />

dä Oogen blank, dä Bään so möije, -<br />

dröömde van Wullgress unn Wautergauten.


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Up Böskupp<br />

Mit disse groode Taaske<br />

stüürt Mama mi up Patt:<br />

Ick sall ´n Buuskohl haulen<br />

Unn Wuddels unn noch annerswatt.<br />

Dor bruukt sä nix vör teu betauhlen,<br />

dat hett dat Fraumensk hör beloovt.<br />

Dä Patt kenn ick wall van vergangen Maulen<br />

unn ook dat Huus, wor unner´t Heeg ´n Teef<br />

ruutschütt unn maukt mi lüetje Fent in Not!<br />

Dat Naubers Jung mitkunn, dat harr´ck doch<br />

hoopt<br />

Man dä harr jüst giin Tiijd, dä oelle Släf!<br />

So mu´ck allään van Dag mit miin Benauen. –<br />

Dä H<strong>und</strong> iss upschütt! Wo hä toovt!<br />

Ook gorkijn Fent, dä mi wall hauen<br />

unn mi wall riiten kunn van´t Rad!<br />

Mit´t vuelle Büdel jaugen<br />

nau Huus – unn Peeren satt!<br />

- An´t Liin weiht Mamas Waaske.


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Stiellfrädag-Vörmiddag<br />

An disse Mörgen bün ick freuh in´t Kläer,<br />

up´t Fluur vull Sünnenschien teu´t Döör in buten<br />

unn tree van uens Portaul dä Stänpadd langs<br />

up´t Poortje unn bi´t Wegg, stauh tüschen Boomen<br />

van dunkelgrööne Taxus, Wittdoornheegen,<br />

in´t köhle Schaa van hooge Linnenboomen<br />

unn säh up Smidts Tuun Sünnenlücht gebret´t<br />

unn Stielle; höör feernhenn dä Naubersheuner<br />

in´t Staall unn buten kaukeln van höör Eijer.<br />

Dirks Huus? - Dä groode Flöörkebuschen holl´n<br />

dat Röögen dor unn ook dä Pütte feijn<br />

verstoppt. Du auhnst dä Mensken, man teu sähn<br />

is nümms; dä Lüü nau´t Kaark bünt laang vörbi.<br />

Än friske Röök umdrifft miin Hoor unn Sinnen,<br />

ick holl mii fast an´t Poortjepauhl unn lüster<br />

up Sing unn Sang van uens Netüür unn föhl<br />

mii buurgen, ääns mit buten vör unn binn´n<br />

in disse junge Haart vull Vörjohrsauhnen.<br />

Än Düük van aalls, wat leevt, vör´t Lebent,<br />

maukt Hartensseehr an sückse Lebent fast!<br />

Karfreitag-Vormittag<br />

Ein Knabe war ich diesseits neu gemacht:<br />

am frühen Vormittag aus dem Portal<br />

den Steinpfad hin zur Gartenpforte schreitend,<br />

vom Sonnenlicht begleitet, wie benommen<br />

am Treppenaufgang zwischen Taxusbäumen<br />

auf Sandweg, duftig grüne Hecken schauend,<br />

Kniestrümpfe weiß, <strong>und</strong> weiß das Hemd, die Schuhe<br />

geputzt von Mutter, die jetzt drinnen wacht,<br />

steh´ich, ihr Sorgenkind, am Pfortenpfahl<br />

die Hand, das Haupt gelehnt, vertraut hinbreitend<br />

der Seele Helligkeit, dem Glück entnommen;<br />

vom Lindenblätterdach beschattet, träumen<br />

des Lichts Geschwister, klangerfüllt erschauend<br />

am nahen Nachbargarten dichte Schöpferruhe -<br />

hebt mich, neun oder acht? - zum Bruderm<strong>und</strong>e<br />

- : besiegelt küssend meines Lebens B<strong>und</strong>!


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- beispiel-los –<br />

Up Visiit – as än Jung, nett henn teu väär off fijf,<br />

lagg ick stiellkens up´t Lijf, keek dä Biller groot,<br />

Omas Bibel as Rautsels,<br />

maall unn hillige Lüü teumöet.<br />

Zeichen schuf sich der Mensch, <strong>Aus</strong>druck geformter Zeit,<br />

Worte meißelnd in Stein, siegelnd das heil´ge Ja<br />

lebensspendender Liebe<br />

als Programm, als der Bibel Vers.<br />

Kriig wass uut, unn in´t Haarst, s´Naumiddaugs Süennenschijn,<br />

gung´t teu´t eerstmaul in´t Scheul, satten wij Kinner stiell,<br />

Leij unn Griffels up d´ Banken,<br />

seess in´t Riig, Jungse unn Wichter, smaul,<br />

Künstler wie auch Prophet nutzen der Sprache Gunst,<br />

wissend, Mittler zu sein zwischen erahntem Hier<br />

<strong>und</strong> ersehnender Zukunft,<br />

Boten waltender Gotteskraft.<br />

keken Mesters Gesiecht, nejschierig up sijn Deun,<br />

Griffels kraabden up d´ Leij, Beukstauv up Beukstauv wuurs<br />

in uuns Vörsteelln teu Prooten:<br />

Rautsels gungen vör d´ Lebent up.<br />

Michelangelo trieb einzig-beseeltes Sein<br />

in des Marmors Gestalt; alle die Großen sind<br />

Zeugnis eigener Welten,<br />

Eingeb<strong>und</strong>´ne in weitem Licht.<br />

Leesen leehrden wij nu, wuursen Biller unn Beuk<br />

teu än Böskupp vör uuns, settden sück in uns fast,<br />

as än Grafftstään teu wäten,<br />

dat du süchst, wat door buurgen liggt.<br />

Alles, was noch der Mensch glücklich vom Ganzen träumt,<br />

ist beschlossenes Sein-Werden-Vergeh´n als Sein –<br />

- schwebend zwischen den Lichten –<br />

hütet Schöpfung der Kreatur.<br />

Kinner leehrn hör Spraauk seker mit Haan unn Haart,<br />

dorum laut hör dä Tijd, Äänklang teu sähn unn Free,<br />

wor sück Lebent hör updeiht<br />

unner hillige Kreautüürn.


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Baum, du hohes Gebild´: Glücklich im Blätterdach<br />

baut der Vogel sein Nest, füttert die junge Brut,<br />

spielen Kinder im Schatten –<br />

Endlich´s atmet unendlich neu.<br />

Gauh ick stiellkens van Döör, säh ick <strong>und</strong> hör ick jeu<br />

jung – unn föhl jeu an mij – in mij unn dör mij gauhn.<br />

Elke Dagg is mij Täken -:<br />

Rautsels deunt sück mij up as Bild.<br />

Eden<br />

Mit naukend Puckel wüpp´ck over´t Huusdöörsröst<br />

Van hääte Stänen, brannerge Sand up´t Gress,<br />

dwass over´t Rausen up uuns Tuunpad,<br />

schuul mij an Plumboom unn Fispels wijder.<br />

In sich´rem Schatten lauschigen Apfelbaums<br />

gewährt der stille Nachmittag Knabenmut,<br />

erspäht das Auge reife Früchte,<br />

klettert der Fuß mit behenden Schritten<br />

den schräg sich aufwärts reckenden Baumstamm, hält<br />

des Spähers Blick im schützenden Blätterdach<br />

nach Neuem <strong>Aus</strong>schau in der Gartens<br />

grünender, düftebeseelter R<strong>und</strong>e.<br />

Ick funn mij geern mit´t Telt unner´t Flöörkebusk,<br />

in ´t Wijs van Vögelstimmen unn Menschenklang<br />

unn wat dä Tike, Ruup unn dwölerg<br />

Filapper annerwijs seeggen mussen.<br />

Teu disse Stee´n, teu disse gemaulde Tijd<br />

well anners inteunögen, dä nix dorvör<br />

in Haart unn Sinnenn overharr, was<br />

tegen mijn Meut van sückse Kinnerdaugen.<br />

Dies war Eden, Geschenk jener verzückten Zeit,<br />

da ich sicher im Baum, schützender Elternschaft<br />

lernte, zögernden Schritt zu<br />

setzen, schüchtern, doch wachen Sinns.<br />

Unberührtheit zeichnet der Kinder Wesen,<br />

Schutz begehrt der Mädchen <strong>und</strong> Knaben Schämen;<br />

Nicht verdient der lüsterne Schänder Schonung,<br />

zwingt er die Unschuld!<br />

Wat dä Kinner, Spöölkamerauden wüssen,<br />

treude sück teu seeggen so licht wall nüms;<br />

Clemens kneep mijn Keerlke bi´t Büxenmeten,<br />

man ick versweeg dat.


www.grabbe-contacts.conne.net 18<br />

Eden, denk´ ich, geschieht immer aus Elternhand,<br />

ihnen bleibet, den Schütz über der Kinder Haupt<br />

sicher sorgend zu breiten,<br />

ehe denn sie das Leben nimmt.<br />

In´t Tuun stunn´n mennig Boom unn ook Busken vööl,<br />

dortüschen Planten, Blömen unn Struken hoch,<br />

unn satten door smauls Vögelnüsten,<br />

hull´n wie uns stiell unn beluurd´n dä Jungen.<br />

Unn wassen´s groot unn fluegg unn dat Nüst jüst leeg,<br />

dann wass´n wie bliid, dat nüms van dä anner Jungs<br />

dat Nüst utreeten harr, dä Eijer,<br />

riigwiis up´n Band, in höör Köken bummeld´.<br />

Es sündigt erst der Mensch vor dem Paradies,<br />

wenn sich der Kopf der Seele versagen heißt,<br />

der Kreatur den Schutz verweigert:<br />

Übermut schädigt des Schöpfers Walten.<br />

Ist des Lebens Rücklauf begonnen, kehrt er<br />

klugen Mutes, weise geworden, hoffend,<br />

voller Sehnsucht heimwärts die Schritte, doch nun -?<br />

- Fremd ist der Garten.<br />

Wir finden einen Teil der Gedichte weiter unten in der früheren <strong>Aus</strong>fertigung (2004),<br />

der obigen wurden 2 Gedichte hinzugefügt: Schoijen (unredliches Betragen) <strong>und</strong> Büten<br />

(Tauschgeschäfte mit Verlustgarantie).<br />

Meinem Bruder öffnete sich in Köln ein Kreis plattdeutsch sprechender Interessierter.<br />

Er publizierte inzwischen 3 CD´s mit vorgetragenen Textpassagen in den unterschiedlichen<br />

Dialekten des Plattdeutschen von der Küste bis Südniedersachsen.<br />

Mein Anliegen war es, Erlebtes als Dokument festhalten <strong>und</strong> sichern zu können, <strong>und</strong><br />

mir stehen Fotografien aus eigener Veranlassung zur Verfügung.<br />

Eine öffentliche Akzeptanz wurde mir verweigert, mein Strophenbau <strong>und</strong> Versmaß<br />

unterschiedlicher Stilepochen, die dem Plattdeutschen hohen Inhalt verleihen, wurde als<br />

gekünstelt, als geschraubt, als dem Plattdeutschen widersprechend, verworfen.<br />

Insgeamt scheute ich mich nicht, einigen Persönlichkeiten das eine oder andere Selbstverfasste<br />

zu widmen. Es erging diesem wie meinen späteren, noch laufenden Angeboten,<br />

Kinder im Belcanto kostenfrei im Einzelunterricht auszubilden. Wir halten fest:<br />

Dedikationen <strong>und</strong> andere Geschenke sowie die Kunst in ihrem wahren Vermögen<br />

werden von den „Betroffenen“ gr<strong>und</strong>sätzlich nicht beantwortet. Wir konstatieren:<br />

Schweigen ist die bösartige Opposition der Inkompetenz.<br />

Ihrhove, den 23. September 2011


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<strong>Aus</strong> <strong>Kindheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong> – Teil II<br />

Geschichten in plattdeutscher Sprache<br />

1.<br />

Beernd, dä Puppkespöler<br />

„Hest hum sähn?“<br />

„Nee - well?“<br />

„Beernd - hä geiht dor nett upt d´ Patt achter hör Huus langs!“<br />

„Wat wiell dor?“<br />

„Theauter spööln! Vöör´n Groschen vör elk, dä teukiiken will. Kummst mit?!<br />

„Wä´ck nich - mu´ck fraugen.!<br />

„Sa´ck mitgaun?“<br />

„Jau - wenn d´dat wullt?“<br />

Wie gungen beijd fraugen, unn wiil miin Maam de nich was, kreeg ick mi hör<br />

Knippke ut´d Schapp unn bedäände mi sülmst. (Dat gaff naust Aarger, unn ick hebtt´t<br />

noit weer daun).<br />

Man nu lous! Eerst muss wi an dä H<strong>und</strong> Harras vörbi. (Dat Klötern van dä Keett höör<br />

ick noch vandaug in´t Ohr)! Dor kwamm wi up dä Wegg, wor Beernd uut Latten un´n<br />

Dekens än „Bühn“ tausaumenklütert harr, unn ass´t sowiit wass, kroop hä dor achter.<br />

Wii Kinner satten up´n lüetje Waall achternanner <strong>und</strong> tegen´nanner dorvöör unn reeten<br />

dä Oogen unn Beck s´mauls läp open.<br />

Beernd wass van uns Koopmann Smitt dä ollsde Jung unn än geboorn Spaußmauker.<br />

Siin geudmödige Netüür stunn fauktiiden in´t Tägendäl teu mennig gochum Utspröök,<br />

man hä hulp wall doch fix maul eben mit, wor´t nödig dee. Dör siin Spaußen meuk hä<br />

dä Kinner unn sück unn ook dä Lüü in´t Lauden fauk bliid.<br />

So wassen ook siin Handpuppkes aaltiid lebendig unn harrn sück in´t Klatten, unn<br />

winnen dee doch dat Geude. Wi satten up´t Gress unn wassen dor läp mit bi, wenn´t<br />

Krokodiil off dä Düfel wat up´t Jack kreegen!<br />

Änmaul satt miin Bröör Päter d´r mit achter dä Dekens unn meuk mit Kloppen unn<br />

Friiben up dä Puppkekiest, wat wii uns ass Schendaul bi dä Hauereej vörsteelln sulln.<br />

Beernd full alltijden wat Neijes in, wor ginään anners up komen kunn, unn dat spiit´de<br />

uns elke Maul, wenn´t dann doch uut was.<br />

„Ooch, Beernd, noch´n Stückje!“<br />

„Vandaauch nich mehr - ´n annermaul!“<br />

„Wennheer, Beernd?“<br />

„Wä´ck noch nich!“<br />

Unn wii gungen nau Huus henn. Fauktiiden hebb ick dat nich beleevt, man ick bün<br />

dorvan overtüügt, dat in dä groode Jung ´n Talent vör´t Spööl verlorengaun is. Dat<br />

Tüüch dorvör harr hä!<br />

* * * * *


www.grabbe-contacts.conne.net 20<br />

2.<br />

<strong>Gerhard</strong> Schmidt - - Bernhard,<br />

(Beernd, dä Puppkespöler)<br />

Wor kwamm hä heer?<br />

Teu dä Mensken, dä mii besünners teu Neudenken geben hemm´n, wassen dä Olln<br />

van Beernd, uns Naubers Smidt. Van Beernd hebb ick ja jüst verteellt. Siin Vauder harr<br />

as jueng Keerl än van´t Peerd vör´d Oogen kreegen; hä muss uutscheijn bi´t Buur unn<br />

fung ´n lüetje Lauden an. Siin Frau Siintje stunn dor teu verkoopen, Heinrich satt in´t<br />

Kööken, schiellde Tuffels, hull dä Ohren open, kreeg´t aal mit, leehrde so dä Lüü<br />

kenn´n, unn dä Vertreeders hulpen dä beiden in´t Sluurn, dat dor geude Kooplüü uut<br />

wuurn. Beijd harrn ´n heelle Kopp: Sä begreepen, wor´t langs gung, <strong>und</strong> Siintje muss bi<br />

nüms mit´t Pollot unn Pepiir anschriiben: Sä hull´t aal in´t Kopp!<br />

Teegenover van´t Lauden stunn dä Scheul. Dä Kinner harrn dä Patt waarm, nich bloot<br />

wegen dä Hefden, Polloten off Griffels, Rediergummis off Enkt. Sä heulen sück<br />

Slickerej, unn bi´t Inkoop vör Mama gaff´t aaltiid ´n poor Bointjes dorteu. Dat keen´n<br />

wii gornich anners.<br />

Tant Siintje see´n dä änen, Siintje dä Slüngels unn Wiisnösen, Tant Smitt mussen<br />

miin Bröör unn ick hör reupen, ook uuns beste Fründ. So höörde sück dat, mänden uens<br />

Meuders.<br />

Sauterdaugs stunnen dä Lüü sömmerdaugs bit up dä Patt vöör´t Döör van disse lüetje<br />

Lauden. Wass door nich teuvööl in, schoof man dä Döör open, dann beijerde dä Klocke<br />

boben dä Kopp, wenn man d´rinstappen kwamm. Rechs van dii stunk dat smeerige<br />

Petrouleumfatt (dä Lüü see´n aubers „Gass“), wiil dä Lüü höör Schiinfatten, höör Ülks<br />

unn dä Kökenlaamp dormit teu Lüchden kreegen, ook jüst nau´t Kriig, wiil dä Stroum<br />

mäst noch teu fauk uutfull unn wiil vööl Lüü noch giin Strom an´t Huus harrn. Mit´n<br />

Greep truck man dann än Staang uut dat Fatt, puempde sück dä smeerige, stinkerige<br />

bruun Soorpe nau boben in´n Glasröhr, unn dann hull man siin Pott unner dä Pisshauhn<br />

unner dä Glas, dreihde hum open, unn so kunn man sück siin „Gass“ offtappen.<br />

Dä Töönbaank harr linkerhand ´n Klaap, dä sleug man over unn kunn so döör´t<br />

Lauden in dä düstere Gaang nau´t Köken komen, wor mäst dann Harras, naust was dat<br />

Senta, dä Bliendenh<strong>und</strong>, ansleug.<br />

In´t Nauzitiid harr Heinrich hum buten tegen´t Kökenfenster ankeett´t, unn wenn hä<br />

BBC Düüts höör´n dee, kunn hum nümms dorbi snappen, wiil hum Harras blaffen dee:<br />

„Paas up - dor kummt well!“ Heinrich harr sück mit dä Tiid ´n feiin Nöös vör dä Politik<br />

maukt, unn wüss hä wat, stunn hä buten an dä Huuseeck, wenn miin Vauder um´t Huus<br />

teuleep, um in´t Scheul teu komen. Sach hä Heinrich dor stauhn, leet Vauder eerst dä<br />

Kinner in´t Klaass, dann stappde hä over dä Scheulhoff, dä Trappens andaul, up bliend<br />

Heinrich an, unn dann prooden sä over dat, wat Heinrich over dä Uutlandsraudio<br />

ruuthöört harr. Sä riskäärden hör Hals, dat wüssen sä wall, man sä hullen teusaumen.<br />

In dä maalle Tijd hulln dä Smitts teu dä Lüü, dä´t schofel gung, wor´t äjts mögelk<br />

wass. Dreij Femiliens harr miin Oll fraggt, ov sä sück um siin Frau unn uns Kinner wall


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sörgen kunn´n, wiil Vauder ja teu dä Soldauten muss, unn sä harrn´t hum beloovt, man<br />

sück door naust nix an holln. Man Smits keeken nau uuns unn schoben Meuder so<br />

mennig wat teu, ass sä in dä Kluttentiid, ass Vauder noch in Gefangenskup in Ägypten<br />

satt, giin Geld van dä Tommis kreeg.<br />

Teurüegg teu´t Lauden: Wusst du wat koopen, wat´t in Püten gaff, kreeg sück Tant<br />

Siintje dä Schepper, reet ´n Püüt over höör Kopp van boben off, stöttde hum open unn<br />

scheppde unn woog, bit´t stiemmen dee. So gung dat mit Tee uut dä groode Büürs,<br />

Mehl, Sucker, Solt, Hauferflocken unn anner Geutje uut Backjes, dä achter höör<br />

stunnen unn wor holten Decksels upsatten teu hochslaun. - Vör dä Kääs gaff dat ´n<br />

groode Mest, dä dor dagsover aaltiid ruemlagg, unn vööl Krömelkraum greep dä lüetje<br />

pootige Koopmannsfrau mit dä bloode Hand uut dä Büürsen unn Potten. Krank is<br />

dorvan seker nümms worden. So pipelig wass ook nümms, dat hä sück dor over<br />

upreegen kunn. Dä Smits wassen groothartig, geutmödig, unn wiil Tant Siintje noit<br />

Uuurlaub mauken kunn, fohrde sä elke Johr mit Vauder up dä Kinnerutflug mit. Was<br />

dor wat teu loopen, was sä mäst mit ään van dä eersten, unn slapp meuk sä noit, wenn<br />

dä Kinner ook jöseln wulln. Sä wassen leij, man wenn sä Tant Siintje vör sück harrn,<br />

kreegen sä vööl läve Woorden, unn dann gung dat jüst noch maul so hannig teu Feut.<br />

As Beernd oller wuur, gung´t der hoch heer, wenn dor dä richtigen Lüü in´t Lauden<br />

stunnen. Well harr´t dann drock? Wenn´t wesen muss - worum nich? - Sauterdaugs<br />

wass´t dann wall drocker ass anner Daugen, aubers Beernd taargde mennigään an, bit<br />

Vauder Heinrich hum vermauhnde.<br />

Harr Beernd Tiid, dann fratt hä ook wall wat mehr uut ass anndern, man hä hett dat<br />

noit lelk mänt. Hä wass dä eersde, dä´n Lufpistoll harr unn naust´n Gewehr, immer noch<br />

wat beeter, unn wenn hä teu´t Döör uutsluurde, was giin Vögel mehr teu finnen - nich<br />

maul ´n Bessensteel kunnst du uptiellen, dann fluternde sä up unn neihden hum van<br />

Döör.<br />

An Eekster- unn Kaunennüster kwamm hä ran; man hä leesde ook vööl, wenn´t äjts<br />

gung: Än Rummel Billy Jenkins unn Tom Prox (dä mugg Beernd am läwsten) hemm´n<br />

miin Bröör Päter unn ick van hum utläänt. Aubers ook an beterde Beuken treude sück<br />

Beernd wall ran, unn ick woor bit vandaug dä Verdacht nich lous, dat hä´n anner Wegg<br />

nohmen harr, wenn hä in´n anner Tijd unn unner sückse Mensken leevt harr, dä hum<br />

helpen kunn´n, sück upteubaau´n.<br />

Beernds Bröör Geerd wass wat junger; siin Striken wassen kniperger; Geerd sull<br />

Bakker leehrn, unn ass hä siin eerste Motorrad kreegen harr, jeug hä sück in Winterdag<br />

up ´n neij Straut doot. Dat hett Vauder Heinrich nich mehr verwunnen.<br />

Vauder Heinrich wull uut sijn Kinner geude Kooplüü mauken. Sä sulln gochum<br />

wesen, preekde hä höör - aubers süllst kunn hä´t ook nich. Dorum hett´t ginään worden<br />

kunnt. Tant Siintje, dat wüssen dä Lüü, wass „dootsgeut“; wor sä helpen kunn, wass sä<br />

teu Hüelp aaltiid teu fraugen. Dä Lüü, dä bi Smits in- unn uutgingen, kunnen sück over<br />

disse Mensken noit naudälerg uutlauten. Wenn dat än daun hemm´n sull, hett hä wat<br />

vergeeten. Unn dorum wull ick dat hier eben weer upfrisken, wiil ick bi Setten over dä<br />

Stänfeldmer Karkhoff stölter unn mii dä Graftsteen bekiik, wor dä Smits lieggen, ook<br />

Geerd unn Beernd.<br />

Gafft´t anners nix in´t Sandweegen teu beluurn, harr wii fauk vör Smits Lauden<br />

sückse Fohrtügen teu bekiken, dä Woorn offlauden mussen. Tiedeken van Paupenbörg<br />

kwamm mit´n Peergespann, dä annern leewerden all mit lüetje Lastautos uut. Dat Röök<br />

van´t Metoorn gaff uuns Updriev, ass wii dorvan dröömden, mit so ´n Auto döör uns<br />

Kinnerwelt fohrn teu worden. In dä Kluttentiid kwammen höchsdens dä Dokters off<br />

Heilpraktikers mit hör Autos, dat wass all wat! - aubers Visiit kwamm mit´t Rad off teu<br />

Feut van´t Baunhoff Stänfeell.


www.grabbe-contacts.conne.net 22<br />

Änsdaugs höörde ick achter´t Heeg, woor ick mit Potten unn Prüellen spöölde, van´t<br />

Lauden heer Kinner kreih´n:: „T´gifft Dattels!“ Unn dat düürde ´n Settje, do kwamm<br />

uns Maam mit ´n Püetje vull Dattels, unn dä kleewden unn rooken unn smaukden dii<br />

lecker! Unn dä Stänen wassen lang unn nich ass bi´n Pluum off bi Kaarsen. Nauhst<br />

wüssen wi ook, wo man dä in´t Reckschäter knipen unn dormit schäten kunn.<br />

Man disse Dattels harrn noch ´n anner Täken: Dat Eend van dä noore Kluttentijd was<br />

offteusähn - dä Lüü wassen bliid unn upwunnen ass ´n Uuhrwark. Sä sachen weer<br />

beterde Tiiden teumööt. Man kunn´t marken ass bi ´t Vörjohr, wor wii aaltiid doch up<br />

luurn dee´n.<br />

3.<br />

Mesters Jung<br />

Dat was Sömmerdagg, ick was noch lüetjerder, ick stunn mit anner Kinner unner dä<br />

Linnenboomen up Smits Laudeningaang in buten unn harr, ass aall dä anner Kinner,<br />

Jungse unn Wichter, dä noch wat lüetjerder wassen, bloot ´n Tuurnbüx an. Eiko stunn<br />

dor ook, hä muss d´rup wachten, bit hä in´t Lauden an´t Riig was teu inkoopen. Wii<br />

kaukelden unn meuken Sprökjes, ass Hermann mii teufisperde, hä wull Eiko dä Büx<br />

daulriiten, unn ick sull wegloopen. Ick funn, dat harr wat vör sück, unn so nickkoppde<br />

ick.<br />

Hä sleek sück achter Eiko, än lüetje Fent mit swaart kruus Hoor, gung nau unnern in´t<br />

Knäen, snaappde sück dä beijd Büxpiipen unn - rapps - reet hä dä Büx bit up dä Hacken<br />

daul. Dor stunn Eiko, naukend unn ass van´t Döfel fastspikert.<br />

Nu wass´t an mii, mii umteudreijhn unn weggteuklabattern. Ick huukde achter dä<br />

Scheulheeg unn luurde, wat sück dee.<br />

Dä Upröhr was nich van sleecht Oelln! Sä kiffkerden unn schuellen dör´nanner, dat ick<br />

dat mäste gor nich verstunn. Man ick kwamm de doch achter.<br />

Unn nu eerst begreep ick, wat Hermann dormit vörhatt hett. Ick süll ass dä Schüllige<br />

geellen, unn dä Kinner, dä tegen mi staun harrn, löövden dat ook <strong>und</strong> betüügden, dat<br />

ick´t west wass.<br />

Dat hulp mi nix mehr, van miin Fluchtwegg uut miin Unschülligkeit hör teuteukreih´n<br />

- ick sullt wesen, unn dorum muss ick ´t west hemm´n. Mesters Jung: Dat leet sück<br />

höör´n! Ha!<br />

* * *


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Unsere Laienspielschar: Schnell improvisiert, wer konnte, war dabei oder schaute zu – wir spielten<br />

Märchen oder Episoden, von denen wir beeindruckt waren. Die Foto-Box gehörte Bäckermeister Uffe de<br />

Vries. Ort: Vor der Hecke zur heutigen Mühlenstraße – früher Sandweg!<br />

4.<br />

Strijken unn Utrijten<br />

Dat gifft gijn Kind, dat nich henn off heer maul wat utfreeten hett. Dorvöör wassen dä<br />

Johrn ja dor. So doch wi nu wall noch nich, man wi dee´n´t.<br />

Bösoordige Strijken sulln´t nich wesen, wenn´t dorum gung, well ´n Strij teu lappen.<br />

Laut mi man flüeggs hier ´n poor verteelln.<br />

Strijken stunnen mäst mit so´n kiddelige Geföhl vör´t Utrijten bij´nanner - wijl dat ään<br />

´smauls bloot mit dat anner teusaumensitt. Dat wüssen dä Grooten, unn wenn´t nich<br />

aalteufeell utfull, dee´n sä man bloot so, ass wenn sä uens nausitten wull´n, unn dann<br />

hull´n wi hum de van Döör, dat de Bään man so floogen.<br />

´Smaul was´t aubers beter, wenn du di stiell holln deest. Dorvan nu disse Bispill:<br />

Bi uens knoijde bi Sömmerdagg wall fauker ´n dicke Lautauto vörbij, ´n Törauto, dat<br />

sagg wi wall, unn hä hüppelde di döör dä Waugenspöör, dat dä Büdelsand bi dröög<br />

Weer achter hum anstoov. Du kunnst hum all van Wijden ramentern hör´n, unn dorum<br />

besloten Dirk, mijn Fründ, unn ick, dä aell Gnaarpott ´n Strij teu lappen.<br />

Wi Fenten kwammen up dä Gedaanke, in dä eersde Radspöör ´n Gatt teu puur´n unn<br />

dä mit Stockjes unn Blauden unn Sand teu verstoppen. Dä Törfauto kwamm dä Wegg<br />

umhooch unn jöckelde wijder nau´t Feld rin. So, nu muss hä äänlijks in´n poor Stüen<br />

teurüegkomen. Dormit wi gijn anner Fohrwark up´t Gewäten nammen, harrn wi uens<br />

offmaukt, eerst mit dat Gatt anteufangen, wenn wi dä Auto van feern komen höörden.


www.grabbe-contacts.conne.net 24<br />

Ass´t nu sowijt wass, heulen wi de ´n jentige Barg Sand ut dä Spöör, leeggden dä<br />

Tackjes d´rup, dann dä moj Linnenblauden, dann dä dröög Büdelsand d´rover, mit dä<br />

Haand glattgestreeken, unn dann nix ass achter uens Heeg - unn dor lagg wi unn<br />

röögden uens nich mehr.<br />

Opa Graß´ Ruellwaugen harr mit sijn Gummirauden wall blott ´n bijtje schüddelt.<br />

Ook ´n jentige Ackerwaugen harr seker nickkoppt. Sä wassen ja vööl sachter mit hör<br />

Fohrt ass dä Brummauto. Man in disse stielle Naumiddag höörde wi dä Törauto komen.<br />

Hä schukelde unn snoof um dä Kuurv teu, wo dä ääken Boomen van uens Waal<br />

stunnen, an´t Tuunheeg andaul, dä Wegg teu uens heer, unn „ramms““ sleug dat rechde<br />

Vörrad in´t Gatt! Dä jeug hum ook ijlerg up sijn Stee daul, unn dann gaff di dat ´n Slag,<br />

dat dä Bijfohrer mit´t Kopp bolt unner dat Dack van sijn Autohuuske floog. Uens<br />

düchde, dat dä beijde Keerls hör Kusen bolt unner´t Nöösgauten sitten harrn!<br />

Man nu dochen wi benaut: Nu hollen´s an, nu gifft´t wat! Sä kunn´n ja wall nau uens<br />

Olln gauhn! Och heer, wi aarme Schepsels. Wat wüss wi dann wall van Slagglocken!<br />

Nich ään Törf was d´rbi daulpultert! Sä stöörden sück dor wijder nich ann unn<br />

rumoorden wijder.<br />

Ass nu dat Skandauln wegg was unn dä Stielle weer mit dä daulsackende Stoff up dä<br />

Wegg unn Heegen sück leeggde, kroopen wi weer van Dag. Unn nu föhlden wi uens ass<br />

Bausen! Wi harrn wat reeten, unn ´t was geutgauhn. Wat wuuln wi mehr?<br />

Dirk unn ick spöölden bolt elke Dag mit´nanner. In sijn´s Ollns Huus kunn man feijn<br />

spöölen. Wi verstoppden uens in´t Heijgulf, unn Dirk bestunn dorup, Gijn Nauderls off<br />

Rijtsticken bi uens teu hemmen. Dat wull sijn Paap nich! Dat muss wi belooben. Unn<br />

dor hulln wi uns an. - Ass Dirk nu mitkreeg, dat sijn Meuder uens wall söchde, kroopen<br />

wi beijd unner´t Peerslee, wormij Vauder (vör mi „Unkel“) Hinni Spiir van´t Land<br />

heul. Nu stunn dat Bäst up´t Deel. Wi laggen nu unner dä Planken, ass Dirks Maam<br />

(„Taant“ Bertau) nau uns reep. „Nix seeggen!“ fisperde Dirk. `T Ollske kwamm tu´t<br />

Sijderdöör rut unn reep uem´t Huus teu, man nix! Sä kwamm d´r weer in; wi höörden<br />

hör Holsken up´t Deel klötern. Nu kwammen sä an´t Heunerhuck vörbi, up uens Slee<br />

daul. Jasses! Sä gung d´r boben up staun unn reep unn klaugde ower dä maall Fenten.<br />

Wi laggen teegenänanner unn smüsdernden, ass sijn Meuder up dä Planken van dä Slee<br />

stunn <strong>und</strong> aal wijder bölkde. Sä harr uens wall dä Koppen platt trappeln kunnt, man sä<br />

wüss´t nich, unn dat meuk uens dä Blijdskupp. Harr wi nuu unner höör wat seggt, wass<br />

uens lääw Taant Bertau van´t Slee offpultert - vör Schrick! Dat wuss wi, unn dorum<br />

hulln wi uens stiell, bit sä wegg was. - Eerst lauter hemm wi höör´t bicht´t, man do kunn<br />

sä dorovver smüstern ass wi do ook.<br />

Ass mijn Vauder noch in Gefangenskupp satt, harr wi in´t Feld ´n Mester, dä „von<br />

driiben“ kwamm, van dä Roovritters wall ´n noore Offleggers west wesen muss unn dä<br />

Dirk unn ick nich uutstauhn kunnen. `T was ´n süennige warme Haarstdag, up laut<br />

Naumiddag, unn uens jökde dat Fell. Dirk see: „Wäst wat? Langään sitt bi jeu achtern<br />

in´t Tuun.“ (Dor harr sück dä Keerl ´n Baanke timmert un satt mit sijn Kiffke (sijn<br />

Ollske) unn freihde sück dorover, wo hä dä Lüü weer over´t Ohr hauen harr).<br />

„Unn“, see ick unn keek Dirk mit groot Oogen an.<br />

„Wi hemm Tuffels rüd´t, unn do lieggen noch dä häl lüetje Tuffels - unn ook dä<br />

grönen.Tuffelappels Dä köönt wi bruken.“<br />

Hä heul sück ´n Mest, snee tweij Stockjes unn spietzde dä vöörn an. Unn so sluurden<br />

wi weer up dä Möhlenwegg unn an dä Heeg. Wi mussen nu sähn, dat wi so dartig bit<br />

värtig Meters smeten, anners harr´t gijn Glück. Man Dirk wüss, worum wi dä Stockjes<br />

bruken kunnen. Hä stook sück van dä Tuffelappels ään up die Spietz van sijn Stock, dat<br />

dat grööne Quiel d´randaul leep. Neu heul Dirk uut unn neijde di dä Tuffelappel van´t<br />

Stock hoch in dä Lücht. Ass wi nix höörden, dä ick hum´t nau, unn so pitschkerden wi<br />

dat quatterge Tüüg döör Busken unn Lücht, bit wi up äänmaul Langbääns Stiemme


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pultern höörden. Nu wüss wi, dat wi hum reckt harrn, unn wi laagden unn smeeten noch<br />

ään d´rover, unn denn höörden wi hum hochpultern unn skandauln, unn dat oelle Wijf<br />

kiffkerde dortüsken, bevör dat wi´t Mors unner´t Arm nammen unn uens<br />

d´rvanhöögden.. -<br />

Dirks Ollen harrn in höör lüetje Huus gijn so hooge Deeken teu Wustendrögen.<br />

Dorum harr hör uens Maam anboden, dä bi uens an´t Kökendeeken upteubummeln. Wi<br />

harrn Bott geneug - tegen dat, wat wi vör uens noch bruukden.<br />

Ään Sönndag Naumiddag harr wi Tijd unn Laangwijl unn nix Geuds in´t Kopp - dat<br />

reckt dann wall!<br />

Dirk harr Sinn an´n Eend van´n Wust - hör äägens, dat wüss hä ja wall. Man wo dor<br />

mit an?<br />

Wi schooben dä Kökentaufel unner dä Wuststangen <strong>und</strong> klauterden up dä Taufel. Dirk<br />

harr´t Mest unn ook dä Wust snappt truck hum van´t Haauk unn kwamm dor mit<br />

naudaul. Hä jeug d´r eerst ään, unn ass hä´t pröövt harr, noch ´n Eend van off unn hung<br />

hum weer tüschen dä annern, so da´dat nich upfaalln kunn.<br />

Ass dä Tijd teu offnehmen kwamm, wuur Maam läp verleegen - sä harr´t ja nich west,<br />

man sä stunn dorvör Böörg. Well harr´t nu dauhn?<br />

Wi sachen´t inn, dat sä´t utstaun sull, unn dorum hebb ick dann d´rup teuslaun unn<br />

Dirks Maam ´n Täken teukomen lauten. So kunn sä Dirk fraugen unn dat Beudel<br />

upkloorn.<br />

Dä leetzde Strij was gor nich geut <strong>und</strong> van mi ook lääp töffelig up´t Wegg brocht.<br />

Dirk wull ook mau wäten, wat dat mit´t Rooken up sück hett. Ick kwamm an disse<br />

Stinkereij licht heran, ass mijn Oell - van´t Kluttentijd ´n Overblievsel - sijn Zigereet-<br />

unn Zigaarstummels upbaargen dä. Ick wüss geut, wor sä laggen, unn ich harr mi fauk<br />

geneug sülst bedäänt. Ick heul mi ´n Handfull unn ´n Spietz unn vör Dirk wat<br />

Zigaarstummels. Nu kroopen wi achter´t Waal unn bött´den uens ään an.<br />

Dat düürde ´n Settje, do freug mi Dirk, wo hä utsach - off witt - off wat vör´n Klöör? -<br />

Ick see hum´t, ass´t wass. Nu wull hä up uens Schijthuus - so ään harrn sä ja ook wall in<br />

Huus, man disse was nauger bij unn sijn Maam muss´t ja nich wäten, wat hier r<strong>und</strong> leep.<br />

Ass hä kloor was, kroop hä van´t Huck unn saacht nau Huus. Ick treude mi nix unn<br />

freug ook nix. Man uens Meuders wüssen Beschääd. Mijn Maam sach, wat up uens<br />

Bünzelkaumer west was - Dirk harr sück nau unnern unn boben teuglikjk uut- rüümt -,<br />

unn Dirks Maam harr ´n dootstarbenskraanke Jung in´t Nüst lieggen, dä hör nu bichden<br />

muss, wat hä utfreten harr.<br />

Wi hemmen´t Rooken nauderhand teugeben. Wat ´n Wunner!


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5.<br />

Lammert unn anner Lüü<br />

Utrijten iss ja wall nödig, wenn di´n Teef nausitt off Jungse ut´t anner Dörp, wenn sä<br />

di wat up´t Jack haaun wulln. Man taargen unn dann utrijten, dat meuk Spauß!<br />

Dä Jungse harrn utfunn´n, daß ´n ollerde Menske sück läp taargen leet, wenn du hum<br />

wat teureupen deest. Satt hä s´Aubends in Huus, sleeken sück dä Slüngels an´t<br />

Kaumerfenster unn bölkden:<br />

„Lammert - sä sitten di bi´t Törf!“ off „Lammert - sä schijten di in´t Kohl!“ unn dann<br />

pijtskerden sä di van Döör. Unn bolt elke Maul, wenn sä nich lösslauten harrn, stoov<br />

Lammert teu´t Huusdöör ruut unn pultderde hör nau.<br />

Dä leetzde Tijd wohnde Langbään ass Mester boben dä Scheulklaas. Dä groode<br />

Jungse muggen hum nich. Ään van dä harr sijn Dynaumo an´t Achterrad. Sä dreihden<br />

dä Rustkoor unners´t boben, dat hä up Saudel unn Stüerstaang stunn, unn dreihden nu<br />

flijterg dä Trappeldaulen. Dä Schijn van dä Laamp stellden sä up Langbääns<br />

Wohnkaumerfenster in. Nu kunn hä Zeitung lesen unn bruukde gijn äägen Lücht mehr.<br />

Man Langbään gefull dat gor nich, unn sijn oelle Kiffke kreeg hum up, dat hä naudaul<br />

stölterde unn um dä Scheul rumleep, up Smits Laudeningang teu, wor dä Jungs stunnen.<br />

Off sä dat wall lauten kunnen?<br />

Wat hä door up tegen harr, dat sä hör Lücht pröben musst harrn - dä wass stücken<br />

west?<br />

Hä wull sück dat verbeeden hemmen.<br />

Off hum dat wat angung? Off hä da Patt ook mit hüüert harr?<br />

Langbään truck off. Dä Jungse wassen geut inn Feuer unn harrn hum seker in dä Heeg<br />

stuukt. Dat riskäärde hä aubers nich. Man nu wüssen sä aal, dat hä mit sijn Ollske<br />

teureggtkomen muss, unn dä wass overhopt nich teu türsen.<br />

Die Schule – vorn das Wohnhaus; hinter dem Bogenfenster (Veranda) befand sich<br />

dieser Gerümpelhaufen: Es war im Sommer mein „Arbeitszimmer“ – hier machte ich<br />

Schularbeiten, las aber meistens Bücher. Die Nachmittagssonne zwang mich, einen<br />

ausgedienten Regenschirm als Sonnenschutz aufzubauen, hinter dem ich getrost<br />

arbeiten konnte, was ich wollte. Hier entstand mein erstes Versuchsdrama.


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6.<br />

<strong>Aus</strong> <strong>Kindheit</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugend</strong> – Teil III<br />

Hymnen an Eden<br />

Up Visiit – as än Jung, nett henn teu väär off fijf,<br />

lagg ick stiellkens up ´t Lijf, keek up dä Biller groot,<br />

Omas Bibel as Rautsels,<br />

maall unn hillige Lüü teumöet.<br />

Zeichen schuf sich der Mensch, <strong>Aus</strong>drcuk geformter Zeit,<br />

Worte meißelnd in Stein, siegelnd das heil´ge Ja<br />

lebensspendender Liebe<br />

als Programm, als der Bibel Vers.<br />

Kriig was uut, unn in´t Haarst, s´Naumiddaugs Suennnenschiin,<br />

gung ´t teu ´t eerstmaul in ´t Scheul, satten wi Kinner stiell,<br />

Leij unn Griffels up ´t Banken,<br />

seäss in ´t Rijg, Jungse unn Wichter, smaul,<br />

Künstler wie auch Prophet nutzen der Sprache Gunst,<br />

wissend, Mittler zu sein zwischen erahntem Hier<br />

<strong>und</strong> ersehnender Zukunft,<br />

Boten waltender Gotteskraft.<br />

keeken Mesters Gesiecht, nejschierig up sijn Deun,<br />

Griffels kraabden up ´t Leij, Beukstauv up Beukstauv wuurs<br />

in uens Vörsteelln teu Prooten:<br />

Rautsels gungen vör ´t Leben up.<br />

Michelangelo trieb einzig beseeltes Sein<br />

in des Marmors Gestalt; alle die Großen sind<br />

Zeugen eigener Welten,<br />

Engeb<strong>und</strong>´ne in weitem Licht.<br />

Leesen leerden wi nu, wuursen Biller unn Beuk<br />

teu än Böskupp vör uns, settden sück in uns fast<br />

as än Grafftstään teu wäten,<br />

dat du süchst, wat dor buurgen liggt.<br />

Alles, was noch der Mensch glücklich vom Ganzen träumt,<br />

ist beschlossenes Sein-Werden-Vergeh´n als Sein –<br />

- schwebend zwischen den Lichten –<br />

hütet Schöpfung der Kreatur.<br />

Kinner leern hör Sprauk seker mit Haan unn Haart,<br />

dorum laut hör dä Tijd, Äänklang teu sähn unn Free,<br />

wor sück Lebent hör updeiht<br />

unner hillige Krautüürn.<br />

Baum, du hohes Gebild´: Glücklich im Blätterdach<br />

baut der Vogel sein Nest, füttert die junge Brut,<br />

spielen Kinder im Schatten –<br />

Endlich´s atmet unendlich neu.


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Gauh ick stiellkens van Döör, säh ick unn hör ick jeu<br />

jung – unn föhl jeu as mii – in mi unn dör mi gauhn.<br />

Elke Dagg is mi Täken -:<br />

Rautsels deunt sück mi up as Bild.<br />

Eden<br />

Eden<br />

Mit naukend Puckel wüpp ´ck over ´t Huusdöörs Röst,<br />

van hääte Stänen, brannerge Sand up ´t Gress,<br />

dwass over ´t Rausen up uens Tuunpad,<br />

schuul mi an Plumboom unn Fispels wijder.<br />

In sich´rem Schatten lauschigen Apfelbaums<br />

gewährt der stille Nachmittag Knabenmut,<br />

erspäht das Auge reife Früchte<br />

klettert der Fuß mit behenden Schritten<br />

den schräg sich aufwärts reckenden Baumstamm, hält<br />

des Spähers Blick im schützenden Blätterdach<br />

nach Neuem <strong>Aus</strong>schau in des Gartens<br />

grünender, düftebeseelter R<strong>und</strong>e.<br />

Ick funn mi geern mit ´t Telt unner ´t Flöörkebusk,<br />

in ´t Wijs van Vögelstimmen unn Menschenklang<br />

unn wat dä Tijke, Ruup unn dwölerg<br />

Filappers annerwijs seeggen mussen.<br />

Teu disse Stee, teu disse gemaulde Tijd<br />

well anners inteunöegen, dä nix dorvör<br />

in Haart unn Sinnen overharr, wass<br />

teegen miin Meut van sückse Kinnerdaugen.<br />

Dies war Eden, Geschenk jener verzückten Zeit,<br />

da ich sicher im Baum, schützender Elternschaft<br />

lernte, zögernden Schritt zu<br />

setzen, schüchtern, doch wachen Sinn´s.<br />

Unberührtheit zeichnet der Kinder Wesen,<br />

Schutz begehrt der Mädchen <strong>und</strong> Knaben Schämen,<br />

nicht verdient der lüsterne Schänder Schonung,<br />

zwingt er die Unschuld!<br />

Wat dä Kinner, Spölkamerauden, wüssen,<br />

treude sück teu seeggen so licht wall nüms;<br />

Clemens kneep miin Keerlke bij ´t Büxenmeten,<br />

man ick versweeg dat.<br />

Eden, denk´ ich, geschieht immer aus Elternhand,<br />

ihnen bleibet, den Schutz über der Kinder Haupt<br />

sicher sorgend zu breiten,<br />

ehe denn sie das Leben nimmt.<br />

Oben: Zeltbau<br />

hinten im Garten<br />

Unten: Mit den<br />

Ziegen auf dem<br />

Rasen: meine<br />

treusten Gespielen!


www.grabbe-contacts.conne.net 29<br />

In ´t Tuun stunn´n mennig Boom unn ook Busken vööl,<br />

dor tüschen Planten, Blömen unn Struken houch,<br />

unn satten dor smauls Vögelnüsten,<br />

hulln wi uns stiell unn beluur´n dä Jungen.<br />

Unn wassen´s groot unn flüegg unn dat Nüst jüst leeg,<br />

dann wassen wi stolt, dat nüms van dä anner Jungs<br />

dat Nüst uutreeten harr, dä Eijer,<br />

rijgwiis up ´n Band, in höör Köken bummeld´!<br />

Es sündigt erst der Mensch vor dem Paradies,<br />

wenn sich der Kopf der Seele versagen heißt,<br />

der Kreatur den Schutz verweigert:<br />

Übermut schädigt des Schöpfers Walten.<br />

Ist des Lebens Rücklauf begonnen, kehrt es<br />

klugen Mutes, weise geworden, hoffend,<br />

voller Sehnsucht heimwärts die Schritte; doch nun -?<br />

- Fremd ist der Garten.<br />

Links (außerhalb des Bildrandes) muss man sich den<br />

Weg denken, dann Schmidts Garten; ihr Kolonialwaren-<br />

Laden lag dem Schuleingange gegenüber. Frau Schmidt,<br />

allgemein „Sientje“ gerufen, war die Güte in Person <strong>und</strong><br />

von ausgezeichnetem Gedächtnisse. Ihr Wesen nahm<br />

aller Ungeduld die Kraft; samstags standen die K<strong>und</strong>en<br />

bis auf den Weg, <strong>und</strong> im Sommer konnte man sich dabei<br />

auch w<strong>und</strong>erbar unterhalten, während man wartete, dass<br />

man dran kam.<br />

Die Großhändler lieferten vom Wege aus an. Die Lastwagen<br />

unterbrachen die dörfliche Stille, nur ein<br />

Lieferant aus Papenburg erschien mit Pferdegespann<br />

<strong>und</strong> Planwagen. Weil es schöne Tiere waren, faszinierten<br />

sie uns durch ihre verhaltene Feurigkeit, weil sie<br />

warten mussten. Kein <strong>Aus</strong>lieferer trollte sich sofort nach<br />

Ablieferung, sondern zumeist war ein Plausch mit Herrn<br />

Schmidt, dem „Blien Heinrich“, die Brücke zu guten<br />

Geschäften – auf Vertrauensbasis, wie sich vermuten<br />

lässt. Damals galt ein Versprechen soviel wie heute ein<br />

Nagel, dem man einen 68-er durch die Hand tackern<br />

muss, damit er gezwungen ist, das Unterschriebene auch<br />

wahrzumachen.<br />

Oben: Kindergeburtstag bei<br />

de Vries, Bäckermeister zu<br />

Steenfelderfeld<br />

Links: Unser Wohnhaus,<br />

links der Zwischenbau<br />

(Torfräume Dienstwohung<br />

<strong>und</strong> Schule, von prachtvoll<br />

blühendem Rotdornbaum<br />

beschattet), dahinter die<br />

einklassige Schule mit Turm.<br />

Die vier Fenster des Klassenraumes<br />

sind zu erkennen;<br />

auch die Pumpe am Zaun ist<br />

erkennbar. Später standen die<br />

Schatten der Lindenbäume<br />

über Schulhof <strong>und</strong> Rasenflächen<br />

– Jahre üppiger Natur.<br />

Es gab keine Straße! Es<br />

herrschte die Ruhe, wenn die<br />

Schule nachmittags leer stand<br />

<strong>und</strong> nur der Schuldiener<br />

Ohling drinnen fegte. Zu<br />

Wohnhaus wie Schule führte<br />

vom Wege ein Sträßchen,<br />

<strong>und</strong> letzteres wurde samstags<br />

geschrubbt. Wehe, ein Kind<br />

wagte es, sich dann darüber<br />

zu verirren! Frau Ohling, mit<br />

Knickebeinen, auf den Besen<br />

gestemmt, schrie das ganze<br />

Dorf zusammen. Erschien<br />

dann ihr Mann, ein Riese, unrasiert<br />

<strong>und</strong> fern allen Wassers,<br />

packte uns die Angst,<br />

<strong>und</strong> wir flohen.


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Stiellfrädag-Vörmiddag<br />

An disse Mörgen bün ick freuh in´t Kläer,<br />

up´t Fluur vull Sünnenschien teu´t Döör in<br />

buten<br />

unn tree van uens Portaul dä Stänpadd langs<br />

up´t Poortje unn bi´t Wegg, stauh tüschen<br />

Boomen<br />

van dunkelgrööne Taxus, Wittdoornheegen,<br />

in´t köhle Schaa van hooge Linnenboomen<br />

unn säh up Smidts Tuun Sünnenlücht gebret´t<br />

unn Stielle; höör feernhenn dä<br />

Naubersheuner<br />

in´t Staall unn buten kaukeln van höör Eijer.<br />

Dirks Huus? - Dä groode Flöörkebuschen<br />

holl´n<br />

dat Röögen dor unn ook dä Pütte feijn<br />

verstoppt. Du auhnst dä Mensken, man teu<br />

sähn<br />

is nüms; dä Lüü nau´t Kaark bünt laang<br />

vörbi.<br />

Än friske Röök umdrifft miin Hoor unn<br />

Sinnen,<br />

ick holl mii fast an´t Poortjepauhl unn lüster<br />

up Sing unn Sang van uens Netüür unn föhl<br />

mii buurgen, ääns mit buten vör unn binn´n<br />

in disse junge Haart vull Vörjohrsauhnen.<br />

Än Düük van aalls, wat leevt, vör´t Lebent,<br />

maukt Hartensseehr an sückse Lebent fast!<br />

Karfreitag-Vormittag<br />

Ein Knabe war ich diesseits neu gemacht:<br />

am frühen Vormittag aus dem Portal<br />

den Steinpfad hin zur Gartenpforte<br />

schreitend,<br />

vom Sonnenlicht begleitet, wie benommen<br />

am Treppenaufgang zwischen Taxusbäumen<br />

auf Sandweg, duftig grüne Hecken<br />

schauend,<br />

Kniestrümpfe weiß, <strong>und</strong> weiß das Hemd, die<br />

Schuhe<br />

geputzt von Mutter, die jetzt drinnen wacht,<br />

steh´ich, ihr Sorgenkind, am Pfortenpfahl<br />

die Hand, das Haupt gelehnt, vertraut<br />

hinbreitend<br />

der Seele Helligkeit, dem Glück entnommen;<br />

vom Lindenblätterdach beschattet, träumen<br />

des Lichts Geschwister, klangerfüllt<br />

erschauend<br />

am nahen Nachbargarten dichte<br />

Schöpferruhe -<br />

hebt mich, neun oder acht? - zum<br />

Bruderm<strong>und</strong> -:<br />

besiegelt küssend meines Lebens B<strong>und</strong>!<br />

Dieses Erlebnis wurde mir zu Teil, als ich<br />

mich an diesem Karfreitag Vormittage<br />

während der Kirchzeit an dem Pförtchen<br />

unseres Einganges befand. Vor mir die drei<br />

Stufen zum Wege hinunter, dahinter der<br />

sonnendurchflutete Garten der Schmidts, <strong>und</strong><br />

neben mir die zwei Taxus-Büsche mit ihrem<br />

Immergrün. Es war ein spätes Osterfest, die<br />

Natur schon üppig gekommen, <strong>und</strong> die<br />

klangsaugende Stille war das Kleid, das mir<br />

der Schöpfer um die Schulter legte. Das allseitige<br />

Gackern der Hühner grüßte von den<br />

Nachbarhäusern fern herüber. Die Welt um<br />

mich hatte ihre eigentliche Spannbreite, die<br />

wir dann so unnütz „praktisch“ zusammenrechnen,<br />

um über sie verfügen zu können,<br />

wenn wir erwachsen sind. Was ich damals<br />

genoss, war das Geschenk an mich, ein Versprechen<br />

an die Zukunft, die mich nicht im<br />

Stiche lassen würde.


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7. 2<br />

Grafftsteeden ...<br />

Elke Kaarkhoff is siin Gang weert! Wenn wii ´t Grafft van uens Anverwandten<br />

plegen willn, mutten wii dor süllst up an; Dä Wegg nau uns Grafftstee up dä<br />

Stänfeldmer Kaarkhoff lett uns dann dä Wauhl tüschen dwass over off dä Wannern<br />

rechts umhoch.<br />

S´Aubends wort dä Lücht goldig van dat schrääg Süenschiin van Westkaant her, wor<br />

dä Bauhn smauls huult unn up dä iisdern Gleisen zisket, wenn dä Wind von dat Kaant<br />

kummt. Is dä Tiid aubers dornau, höörst du dä Vögels fleiten unn trillern unn piepken,<br />

dat dii dat Haart overlöpt vöör Bliidskup.<br />

Off sä dat door unnern wall höörn, wenn sä door liegen unn vergauhn in än anner<br />

Tiid herin? Well mag dat wäten?<br />

Dä Wannern umhoch lüchten dä Denkmauln - dä mästen swaart unn eehrfuchterg -<br />

tegen dat satte Grön van dä Ääkbomen. Wat wiider nau dä Höchde teu lauten ook wall<br />

bruun, wat witt <strong>und</strong> sprenkelt. Dann kummt dä Röök van dä duusenden van Blömen, unn<br />

dä Klöörn lauten sou lebensbliid, dat ich spöör, ass sük dat Hier <strong>und</strong> dat Günnerskaant<br />

hannig mit´nanner verdraugen hemm´n.<br />

Bii ään swaart Grafft klauter ick dä Höchde umhooch <strong>und</strong> staapp um dä Grafftkaant<br />

herum. Hier lieggen dä Olln van miin beesde Fründ Dirk begrauben. Ick lees aaltiid<br />

höör Wauhlspröök vör höör Weggauhn:<br />

„Ich lebe, <strong>und</strong> ihr sollt auch leben.“<br />

* * *<br />

Jaa? - Hest du nu doch maul dä Wegg nau uns weerfunn´n?<br />

„Ick mugg mit Jeu prooten - ick will mii anknüppken.“<br />

Süh - door hest du aubers noch Tiid genug teu. Wacht man, Läv - door meutst du noch<br />

nich nau luurn.<br />

„Ick hebb miin Wuddels door bii Jeu sitten - bi miin Oelln ook, bi miin Bröör,<br />

ook bii dä annern, dä hier aall lieggen - man jüst bi Jeu.“<br />

Hest du giin Noot, dat dä annern um dii teu dor wat van marken, dat du mit uns prootst,<br />

unn dat sä dii uutlaagen kunnen?<br />

2 Es geht um die eidetische Fähigkeit (vgl. Janosch: Der unsichtbare Indianer / Broder-Christiansen: Eine<br />

kleine Prosaschule): Man kann sie lernen <strong>und</strong> üben!


www.grabbe-contacts.conne.net 32<br />

„Dat harr Jii aall laang achter Jeu, unn ick hebb´t leehrt, wo Jii Jeu dat<br />

offschüddelt hemm´n. Unn ick wät nu mehr ass dä annern unn wät, wo´t<br />

wiidergeiht.“<br />

Wat drüeckd dii nu up´t Haart?<br />

„Ick koom, wiil ich mii bedanken wull. Dor stauhnt Biller vör mii, unn wenn ick<br />

dorover naudeenk, over Jeu Kinner unn Grootkinner, unn wenn ick naudeenk,<br />

wat uut miin ägens Kinner wordn iss, komen mii dä Traunen. Ick harr Jeu geern<br />

nochmaul laagen sän unn Jeu Freijd, wenn Jii Jeu lüetje Dirk sään kunnen unn<br />

miin upwuursen Kinner, dä miin Mama noit teu Gesiecht kreegen hett. Dat mutt<br />

mii an´t Haart gripen, lööv Jii mii dat?“<br />

Aubers diin Mama wät dat nedderkraut so ass wii ook - dä läwe Heergott hett nicks<br />

overslaun. Wat hä maukt hett, dat blifft vöör aal. Dat wäst du intüschen ook.<br />

„Ick hebb vööl Undööcht mitkreegen. Van Jeu hebb ick leehrt, wo man mit nix<br />

siin Lebent moi mauken kann. Dat fung mit dä Blömen langs dä Padd an, dä van<br />

Jeu Poortje nau´t Huus föhrde, unn dat sach schiir um dä Pütte unn dä Bummen<br />

uut, dä utschrubbt wassen unn in dä Aubendsüen tinkelden. Unn in´t Staal unn<br />

up Jeu Deel harr aalls siin faste Stee. Unn in Jeu Köken wass´t aalltiid schaun<br />

unn uprüümt - anners ass bi uns in Huus. Ick hebb van Jeu leehrt, ´n Koppke Tee<br />

unn dä Kluentje dorin ass ´n „Delikateess“ teu achden, unn ann ään Winterdagg<br />

kreegst du, Tant Berthau, dä Melkkuemm teu´t Schapp, unn dä Sauhn wass<br />

froorn, unn do brookst du dä Sauhn in Palten d´roff; do gaffst du Dirk unn mii<br />

elk ään Stückje teu prebäärn - unn ick funn dat ass ään Täken van än vuell<br />

Lebent sünner Riikdum. Dat wass do nich mehr nöedig.<br />

Sünig muss jii weesen - mit enkelt Eii büst du s`mauls nau´t Koopmann Smidt<br />

loopen unn hest dorvör kreegen, wat door nöedig wass: Mehl off Tee off<br />

Kluentjes. - Dat meuk Spauß, wenn´t dornau wass, bi Jeu teu helpen, ook wall<br />

dorum, dat ick Dirk teu Spölen harr unn hä freej kreeg, wenn siin Plichden<br />

offarbeit´t wassen.“<br />

Elke Meuder dee vör hör Kinner dat Beeste.<br />

„Up dä Biller van uns Scheultiid hebb ick´t sähn, wo sück dä Meuders in dä<br />

Kluttentijd vör dä Kinner wat teurecht neiht hemmn, unn dä Wichter leeten ook<br />

teu soo´n schofel Tiid nüt unn smaukerg. Vandaug keenn ick höör nich mehr van<br />

Ansähn, man ick hebb miin Gedaanken fauk bi höör unn versöök mii<br />

vörteusteelln, wo sä s´mörgens uut höör Beett unn uut´t Huus komen bünt - mäst<br />

´n laangerder Wegg ass ick - :eben uem´t Huuseeck r<strong>und</strong> unn over´t Scheuhoff.<br />

Dirk harr´t ´n Minüüt langer - man geut!“<br />

Jii harrn dä Pad ja wall hät - bit du weggkwammst in dä Fröem.<br />

„Dat Geföhl vör Freijheit unn dä lüetje Dingen hebb ick van Jeu. Dat fründelke<br />

Woort, up dat ick luurde, kwamm mäst van Dii, Tant Berthau. Unkel Hinni hebb<br />

ick wall mäst eernst sähn, man bloot änmau düll, ass Dirk häl´ndall uut´t<br />

Änsteell leep unn sück nich bedoorn kunn. Man ick hebb noit beleevt, dat Jii<br />

Jeu Jung hauen hemm´n. Elke Woort harr siin äägen Täken unn Bedüüden, unn<br />

dorvör kreegen wii groode Oogen unn Ohren.


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Jii hemm´n uns leehrt, dä Dären ass Fründen teu achden, unn Jii hemm´n uns<br />

noit uutlaacht, wenn wii versöchden, mit ´n Snaubel uut Riend van´n Tacke ´n<br />

Nüst teu bauen, ass ´n Vögel dat ook deiht. Wat hemm´n wii uens quäelt! Man<br />

dat hett doch bit teu disse Ma<strong>und</strong>en bruukt, bit ick ´n Täken kreeg, wo diecht wii<br />

mit dä häle Lebens teusaumenhangen.“<br />

Teu laut is nix!<br />

„Jüst dorum treu ick mii hierheer unn segg, wat ick doumauls versümt heebb.<br />

Man ick lööv, ick harr dorteu ook gornich dä rechden Woorden funnen.“<br />

Du hest uns hier - du kaanst aaltiid vörbikomen unn rinkiken..Man vergeet ook dä<br />

annern nich! Unn wat du wäst, geev dä Kinner wiider. Sä wäten mäst mehr, ass dä<br />

Grooten höör teutraaun willn. Man nu wäst du´t ja, wo du dor mit an musst.<br />

„Sull ick seeggen, ick fang eerst an? Dann mutt´ck ook dorbi teugeben, ick kriig<br />

dorvan seker dä Hals nich mehr full.“<br />

Aalls kummt teu siin Tiid. Dä eerste Stapp hest du dauhn - nu fiendst du dä Padd ook<br />

allään wiider. Up än Stee kannst du nich verwiiln, man dor mutt Seegen van upgauhn.<br />

„Ick gau nu Blömen gäten. Will Jii ´n Kaan vull offhemm´n?“<br />

Dä Gr<strong>und</strong> hier iss soor unn dröög. Sä kunnen wall wat Wauter bruuken. Geev höör man<br />

noch ´n poor Drüppkes. Hest dann noch wall Tiid vör sowat?<br />

„Dä Tiid iss d´r all laang - ick hebb mii door noch nich teu indäält. Dat<br />

mu´ck noch eerst weer leehrn. Maukt mii Jeu Gewäten weer munter - ass<br />

freuher, ass ick noch bi Jeu inn unn uutgung. Dat hett so geut dauhn!“<br />

Dat kummt weer, höör?<br />

„Rüst Jeu moj - ick draug Jeu Woorden wiider. Sä könt mi´t seeker anmaarken,<br />

wenn ick over Jeu teu prooten koom?“<br />

Dor geiht dat nich nau. Sä pröben, wat dorvan upgeiht, wat dor seeiht woort. - Man nu<br />

loop teu - dä Süen geiht all unner, unn ´t wort düster up´t Kaarkhoff.<br />

„Ick koom noch mit Wauter - unn dann loop ick, dat ick miin Dagwaark daun<br />

kriig. Unn dä annern hier vergeet ick ook nich. Nu hebb ick Tiid unn kann mii<br />

uutprooten. Unn wat dä annern dorover denken, iss mii egaul! Sä löben mii ´t<br />

ouhndem nich. Wat sall´t?“<br />

Dä Vögel singen, piepken unn fleiten, unn dä glennerge roode Süennenbaall verkruppt<br />

sück achter dä Boomen. Dä Aubendwind treckt frisk unn full van Blömenröök um mii<br />

henn. Ick staapp van dä Höchde, haul miin Wauter unn deu miin Plicht - up änmaul?<br />

Wo kannt´t angauhn!


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An disse Grafft ...<br />

Wenn ick miin Ollns unn miin Bröers Stee up uns Karkhoff bi ´t Wannern overslau, kom<br />

ick an so völe Bekennde vörbi, dat ick nau än Stee teustreev, wor uns Koopmann Smidt -<br />

dä bliend Heinrich - unn sijn Fraau, Tant Siintje, upbuurgen bünt. Sä liegen dor so<br />

tüschen dä Riigen, dat du dor eerst ´nmaul geut uppaasen musst, dat du rechttiidig<br />

staunbliffst unn kickst. Unn aal dä Denkmauln stauhnt mit´t Gesiecht nau Oosten. Dat<br />

iss mii roor teu, wiil sä änliik mit dä Kopp van Oosten heer upstauhn sönt, wenn´t dann<br />

sowiit iss, dat sä mit dä Süen teugliik dä Kopp hochkriigen ... Man fiend dor man ´n<br />

Riim up!<br />

So stauh ick, mit ´t Gesiecht in´t Aubendsüene, unn fiend mii dorbi, ass ick up dä<br />

Naums unn dä Johreszauhln teegenpliiren mutt, anners fiend´k dor nix.<br />

Kiik, Büdi, büst du d´r ook maul weer?<br />

„Tant Smidt, ick hebb so fauk an Jeu docht, dat mii dat jüst aalmanweg vör dä<br />

Oogen springt, wo ick in Jeu Lauden kwamm, dä Klockje pingelde so blickern,<br />

unn dä Gassteengstunk nau Petrouleum, so häde dat ja nu maul, unn dä Püten<br />

boben Jeu Kopp hungen door stiell unn teu griipen aaltiid uptrucken van´t Böön<br />

andaul, unn Du stunnst achter dä Tönbaank unn freihsde dii over uns lüetje<br />

Wüppsteerten ut´t Nauberskupp. Vör dii gaff dat giin Fijeraubend, wenn d´r Not<br />

an Mann wass, unn bi Jeu kunn man sougoor noch in´t düsterde Nacht wat<br />

kriigen, wenn´t gor nich anners wull.“<br />

Kinners, jau, dat kunn elk kriigen, dat keenn wii doch gor nich anners! Nau so wat harr<br />

wii uns. Unn anschreeben wuur ook, anners harrn dä Fraulüüd gor nix in dä Weeke hatt,<br />

wenn sä sück up dat verlauten sullt harrn, wat so mennig Keerl unnerweegs van<br />

Paupenbörg all versopen harr. Dä oelle Schülln betauhln unn neijen mauken, anners<br />

kunn´t gor nich gauhn.<br />

„Änfach wu´ck mii dat so nich mauken, Unkel Smidt: Ick hebb´t wall<br />

mitkreegen, ass miin Oelln mii vertellden, wat d´ Lüü Papa beloovt harrn, ass hä<br />

in´t Kriig muss: Hä sull man driist gauhn - uns Mama kunn sück up hör<br />

verlauten, unn sä wulln uns wall dör dä Kluttentiid brengen. Man ass´t sowiit<br />

wass, keennde uns nüms so recht. Man bii Smidts gaff dat Hüelpe, up dä miin<br />

Vauder noit spekuläärt harr. Dorvör mutt ick Jeu danken.<br />

Mänst du, wii harrn uns Naubers versmachten lauten? Tant <strong>Grabbe</strong> harr Jeu teu<br />

versörgen, unn wass dor Not, dann hulp sä nedderkraut so annern ass wii up uens Oort -<br />

mit Saalv, wenn dor well sück braant harr, mit Drüppens, ass ´t giin Dokters teu kriigen<br />

wassen - wat sä eben so kunn. Unn harr wii slacht, kookde sä dat Fläsk vör uns in<br />

Glausen in. Sull wii dor nee seeggen?<br />

„Dat magg wall, Unkel Smidt, man Papa kunn sück änzig up Jeu verlauten, ass<br />

dä Nauzis d´r noch an wassen unn hä wat over dat Maalldeun mitkriigen wull!<br />

Wenn Jii dor wat over dä Raudio höört harrn, wat nüms wäten düss unn worum<br />

dä Blienden-h<strong>und</strong> Harras aaltiid vöör´t Kökenfenster ankeett wass, dann kreeg<br />

dat miin Vauder teueerst teu wäten, unn hä hull sück dormit stiellkens teurüegg.


www.grabbe-contacts.conne.net 35<br />

Nee, ick wull mit bi Jeu entschülligen vör aal miin Dösigkeiten, dä Jeu<br />

mennigmaul dä Kopp schüddeln leet. Wenn ick achtern in´t Huus bi Jeu<br />

kwamm, an dä Mehlsacken van´t Backereij achtern rut vörbi, dann hull´ck mii<br />

fauk läp stiell, wiil ick doch, ick sull mii läver eerst gor nich rögen, unn Jii<br />

wulln´t nich utfienden. Man Jeu Oohrn wassen bold nettso fiin ass dä van<br />

Harras, dä uns Jungse noit grepen harr, dat Jii hannig naufreugen, um seker teu<br />

gauhn, dat dor nix in´t Kaumers off Gangen passärde, wat nich wesen sull unn<br />

düss.“<br />

Weenn´s mii kreegen harrn, dä Nauzis, mään ick, dann harr mii nix mehr hulpen. Sie<br />

haben den Feindsender gehört! - harr´t dann häten. Unn dann harrn´s mii offsleept, unn<br />

nüms harr mii lebendig weersähn.<br />

„Ass Kind hebb ick mii s´mauls stiifkoppig unn wiisnösig genug upföhrt, wät<br />

ick noch. Man ass dat mit miin Oogen so gor nich mehr wull, do kreeg ick dä<br />

gröttste Hüelpe weer van Jeu, unn dat in Raut unn Bistand, ass dat um dä Utwiis<br />

gung, dormit ick miin Olln unn ook anner Lüü nich mehr tau Last faallen muss.-<br />

Unkel Smidt ass Vöörsittende van´t Blindenverän Ostfräsland - well harr docht,<br />

dat dor än van´t Feld ´n häle Landstreek vörstauhn kunn?“<br />

Wii wassen doumauls noch minner Lüü ass teu dä Tiid, ass du bi uens kwammst. Unn<br />

du musst rötterg wesen, wenn du wat hemm´n wusst - dä Lüü mussen begriipen, dat wii<br />

wat anners nödig wassen ass sä. Unn sä mussen leehrn, dat ´n Bliene nich ook noch teu<br />

´n Törf maukt worden düss. Wii hemm´n völ dörsett, man wii wulln nich groot upfaalln,<br />

dat sähnt dä Lüü nich geern.<br />

„Nu bün ´ck d´rover weg unn kann mii in´t Mäste sülms helpen.“<br />

Dat hebb ´ck wall all mitkreegen. Nu kaanst du dä Kinner leehrn, wat wii nich leern<br />

kunnt hemm´n - unn ook, wat vööl nich leehrt worden sull - dä Kinner köönt´t doch<br />

nich bruken. Sä mutten potig in´t Kopp unn inn dä Haan worden, nich so schitterch an´t<br />

Loop koom´n ass höör Olln.<br />

„Freuher wassn ´s eehrlicker ass vandaug, off nich? - Ick män man, Schojers<br />

gaff dat aaltiid genug.“<br />

Man dä mästen hemm´n uppaast, dat dor weer Recht unn Ördnung in kwamm, unn<br />

vandaug kiiken´s weg unn hemm´n noit wat sähn. Ook hier up´t Karkhoff rökeln ´s over<br />

uns wegg unn mauken van sück sülms völsteuvööl Wöör.<br />

„Mit Gerdau hebb ick vör ´n Tiid vör´t Karkhoff noch proot - sä hett sück geut<br />

´ruutmaukt unn hett völ inteusteeken hatt. Dat mutt mii begrooten. Unn ick wass<br />

doumauls noch in Huus, ass Geerd mit´t Metorrad teu Doot komen iss in dä<br />

noore Kuurv van´t Könensweg. Dat hett Jeu läp up´t Haarte slaun.“<br />

Dat deiht nu nich mehr seehr. Wii bünt weer bi´nanner.<br />

„Mit Geerd kunn ick do nich so geut - hä harr ´n driisterder Netüür ass Beernd<br />

unn Gerdau. - Man ick hebb van Beernd noch wat upschreeben, wiil hä so´n<br />

bliide Menske west is - hä mit siin Theauterspööln. Hä harr vööl van siin<br />

Mama´s Netüür. teu elke Menske fründelk, unn aaltiid ook ään, dä wii nau<br />

Hüelpe fraugen kunn´n. Dat mit siin Luftgewehr unn Nüsten leeghauln, dat


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much wii nich so geern, man dat was so Meud, dor froog mäst nüms nau. Man<br />

wenn ick nau Huus koom, schriif ick jeu up, wat ick van siin Theauterspööln<br />

noch inhoelln kunn.“<br />

Dann lees uns man vöör, wat du schriiben wullt - du wäst ja, wii hemm´n nu Tiid<br />

genug. Vööl hebb ´ck d´r ja nich van holln - hä sull ´n geude Koopmann woorn, man<br />

Beernd much dat nich so geern, dorum iss hä utbrooken unn hett sück wat Ägens söcht.<br />

Hä iss Müerke woorn - ass miin Bröer Hinnerk - hä iss ook all weer bi uns.<br />

„Dä sä ick noch Zementstänen backen, ass Jii Jeu Schüer in´t Tuun sett hemmn.<br />

Dä steiht noch aaltiid so, - ´n biitje umrüümt, man anners fehlt dor wall nix an.<br />

Nu bruken hum anners well. Unn wenn ick nu over Beernd wat seeggen will,<br />

dann will ick ook siin freuhe Johrn mit insluten, unn ook, wo wii dä Tiid mit Jeu<br />

beleevt hemm´n - ass Kind inhoellt m´ ja ´n Büelt Täkens unn Mauhnstänen.“<br />

Dat iss dä Loop van de Welt. Dor geev ´ck ja nu nix mehr nau. `T mutt wiidergauhn -<br />

dat waarst aal nau, wat dor leben sall. Dann mutt´n wii Bott mauken unn dä Plaute<br />

puusten.<br />

„Dat iss roer: Sitt ick in Huus unn denk over Jeu nau, faallt mii nich mehr inn,<br />

wo Jii klung´n hemm´n. Man nu höör ick Jeu prooten unn laagen ass aaltiid. Dat<br />

maukt mii glückerg!“<br />

Dann wees bliid unn vergeet uns nich - laut wat van dii höörn. Unn koom maul weer<br />

vörbi! Dat deiht doch geut, wenn man siin Wuddels nich vergett.<br />

„Dor wi ´ck mii an holln unn laut Jeu nich allään dor liegg´n - ick bün bi Jeu unn<br />

lüster up Jeu Stimm´n unn Jeu Gewäten. Ick segg Jeu ook nich Geude Nacht. Ick<br />

män, Jii sitten in dä Süen, dä nich mehr unnergeiht.“<br />

Dor düürst mit reeken, Vaudi! Koom weer, höör?<br />

„Unn wenn ´ck in´t Schaa sitten mutt, bün ´ck d´r futt diecht bi Jeu. Dat helpt!“<br />

Paas düchtig up dii up, miin Jung, höör?<br />

* * * *<br />

Hinweis zur „Rechtschreibung“ des Plattdeutschen:<br />

Gegen das Einheitsbestreben verwende ich die jeweilige <strong>Aus</strong>sprachepho-netik. Sie garantiert, dass jener<br />

Dialekt, mit dem die Kinder in Westover- ledingens ursprünglichen Einzelgemeinden aufwuchsen,<br />

klanggetreu wiederzufinden sein wird. Dabei ist wichtig, in welcher Syntax sich der Klang etwa bei „uns“<br />

zu „uens“ verändern konnte, von „mii“ zu „mij“, was den Vokal „I“ natürlich noch intensiviert, wie er<br />

sich eben ausgedrückt wissen wollte. Dass ich auf dieser Schreibweise bestehe, bin ich meinen Fre<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> Schulkameraden schuldig. Ich hoffe, sie sind es zufrieden.<br />

Nachtrag:<br />

Ihrhove, den 21.09.2004


www.grabbe-contacts.conne.net 37<br />

Den „Ungläubigen“ sei gestattet, sich ihren „Vers“ aus dem zu machen, was sie nicht verstehen. Der<br />

Eidetik lauschte ich von frühesten Jahren an. Sie erklärte mir, was Menschen im Hier nicht erklären<br />

können, weil ihnen die Gabe des Zuhörens abhanden gekommen war. So erschloss sich mir die Kunst mit<br />

ihrer Verknüpfung zur Religion, die sich dann später das Gesicht gab, wie ich es heute noch respektiere.<br />

Es reicht, was ich sah, um „durchzuhalten“. Beklagenswert sind jene, die mich eine Strecke Weges<br />

begleiteten <strong>und</strong> mich schützten, dass sie nicht die Früchte meines Wisens mit mir teilen können. Nur bin<br />

ich sicher, dass unter den inzwischen „Verstorbenen“ Einigkeit über jenes Wissen besteht, dem ich Zeit<br />

meines Lebens nachstieg, weil mich Menschen faszinieren, deren Seelen mit mir offenen Kontakt<br />

schlossen. Nur wusste ich davon als Kind nichts; was ich spürte, verschloss ich in mir, <strong>und</strong> erst in meinen<br />

späten Jahren ist mir vergönnt, diese Schätze zu heben <strong>und</strong> mich der Reichtümer zu erfreuen, die anderen<br />

nichts bedeuten können.<br />

Alle von mir nachfolgend geschaffenen Kunstwerke zehren von diesem Wissen <strong>und</strong> erweitern es in mir,<br />

so dass ich ob der farbenprächtigen Facetten mit Staunen nicht nachkommen kann. Das zu erleben, gönne<br />

ich jedem, <strong>und</strong> ich wäre mir sicher, wenn das so zuträfe, gäbe es bedeutend weniger Verzweifelte, die der<br />

Gesellschaft den Krieg erklärt hätten.<br />

Meinen Fre<strong>und</strong>en aus meinen Kindertagen <strong>und</strong> –jahren sage ich Dank <strong>und</strong> Beständigkeit in dem, was wir<br />

uns einst bedeutet hatten! Mag sein, dass sich die Gesichter änderten, dass ich Mühe habe, mich ihrer zu<br />

erinnern, wie sie in Wahrheit mal waren, <strong>und</strong> mag sein, dass mir Namen entfallen – aber die Güte ihres<br />

Herzens wartet darauf, wieder vor mir aufgerufen stehen zu können, auf dass es uns allen besser ergehe<br />

angesichts der Treulosigkeit der Raffer <strong>und</strong> Verräter dieser kommenden Jahrzehnte.<br />

Meiner Familie, dem Team der Raiffeisenbank<br />

Flachsmeer,<br />

insbesondere Herrn Feldkamp,<br />

in Dankbarkeit überreicht.<br />

Den Begleitern meiner Kindertage zur Erinnerung<br />

meinem Bruder <strong>und</strong> seiner Familie,<br />

meinem Fre<strong>und</strong>e Dirk <strong>und</strong> seiner Familie,<br />

Den Begleitern meiner Kindertage zur<br />

Erinnerung<br />

Ihrhove, den 21. September 2004


www.grabbe-contacts.conne.net 38<br />

Heimkehr<br />

Noch vermacht Euch <strong>Jugend</strong> den nahen Frieden,<br />

- wachset heimisch auf in der Eltern Sorge,<br />

wohl umschützt der Sinne unendlich´s Ahnen,<br />

während sie reifen.<br />

Herrlich schuf die Gottheit des Wesens Spiegel:<br />

Fein bereitet, fasset die Seele innig<br />

offen sich im Lächeln der fremden Züge,<br />

will sie uns grüßen!<br />

Wahrlich, fernab sandte der Himmel segnend<br />

Licht den Unglückseligen im Verdämmern<br />

Ihrer hingeronnenen Tage; sieh, auch<br />

ich ward ergriffen!<br />

Ich auch fand mich einsam <strong>und</strong> weit gemieden,<br />

da mich strenger formte des Lebens Wille<br />

<strong>und</strong> ich, sehnsuchtstrunken, versah der Ämter<br />

mich in Verzweiflung.<br />

Hätt´ ich je vergessen der alten Weisung,<br />

wär´s d´rum, dass ich ohne der Gottheit Zeichen<br />

irrte! Nun, Geschwister, gewahr´ ich Euer<br />

stillen Frohlockens:<br />

Birgt Eu´r Auge Licht von Gefilden fernher<br />

vor-bezeugter Stätten, entschw<strong>und</strong>´ner Zeiten,<br />

ruf´ ich Gruß Euch wieder – von wo auch immer<br />

Er Euch entsandte!<br />

An dies Leben knüpften die trauten Tage<br />

Euch <strong>und</strong> mir nur leichthin des Daseins Bündnis. –<br />

Bruder bin ich Euch, dass wir Trauer halten<br />

Mehr des, als nötig ....<br />

Ach! Des Schöpfers mildernder Wille rufet<br />

durch die Kunst uns Zauber des ewig Schönen,<br />

<strong>und</strong> nicht Wandel schreckt so das Maß der Dinge,<br />

sondern Erfüllung. –


www.grabbe-contacts.conne.net 39<br />

Hingabe<br />

Nickst du, Tod, mir knöchern von ferne –scheid´ ich<br />

ungern von der Schwelle der reifen Jahre!<br />

Ach, verzeih, ich weine der Tränen viele,<br />

soll ich vergessen.<br />

Gib, o gib mir noch einen Sommer diesmal,<br />

meiner Kinder lieber Genoss´, des Weibes<br />

Tröster; ruhig fasse ich täglich gern dir<br />

neue Gesänge!<br />

Willst du aber, heilig gewies´ner Bote,<br />

langen Hierseins Hüter mir bleiben, warnend<br />

meines Schicksals Leicht-Sinn mir offenbarend<br />

tiefer in mir, so<br />

lass´ uns Fre<strong>und</strong>e werden <strong>und</strong> achten ferner<br />

ehrfurchtsvoll des Schöpfers Geheiß! So fass´ ich<br />

deine Hand, wiewohl mich das Schaudern schenkte<br />

göttlichem Planen.<br />

An des Frühlings Schulter hinschmiegend, fühl´ ich<br />

Sommer höchstens, Fülle des Werkes, reift´s in mir<br />

näher. Lohn auch dir, nenn´ ich´s Dankesfeier,<br />

dir zugerüstet!<br />

Dann, erst dann gebiert so Verheiß´nes Ruhe,<br />

tret´ ich völlig endlich in deinen Tempel.<br />

Sänftig pocht mein Herz. Dann gerufen, bin ich<br />

ewiger Liebe.<br />

Leite, Hand in Hand, uns zu weisem Ruhme!<br />

So erkenn´ich, alternden Tag´s, die Warnung,<br />

deretwillen ernst du mich schaffen heißest -:<br />

So auch gescheh´ es.


www.grabbe-contacts.conne.net 40<br />

Die Emser Gedichte 2001<br />

(27.07.2001 - Bad Ems)<br />

Non scholae ...<br />

(Knabe vor Wandtafel mit Geometrie-Aufgabe; Kinder im Halbkreis daneben)<br />

Die Lehre sagt: „Nicht für die Schule,<br />

nein, für das Leben lernen wir!“<br />

Da stehst du nun vor grüner Tafel,<br />

du zeichnest an, was man befahl,<br />

doch kommt das Ende mit Geschwafel,<br />

dass du dies Zeichnen hasst ob dieser Qual!<br />

Dass du zwar für das Leben lerntest,<br />

doch nichts für dich, beweist der Test:<br />

„Du hast Geometrie wohl nie verstanden?“<br />

„Du kannst als Realist wohl gar nicht landen!“<br />

Dein Leben, das du zag betrittst,<br />

zeigt: Dieser Boden ist nicht fest!<br />

Die wen´gen Jahre, an der Zahl<br />

gemessen, öffnet Welten;<br />

doch deinen Weg hält man dir schmal,<br />

was du erlebst, in dumpfen Zelten!<br />

Das Leben aber seid doch ihr,<br />

<strong>und</strong> Wissenschaft bleibt Grabeskühle!<br />

Zwei Kinder zweier Welten<br />

(Zwei Mädchen verschiedener Hautfarbe am Tisch miteinander etwas arbeitend)<br />

Wir waren eins, eh´vormals sich<br />

die Schöpfungskerne eigens formten<br />

<strong>und</strong> jedem seine Wohnung lieh<br />

<strong>und</strong> mit dem Leib zugleich gedieh,<br />

was dumme Menschen gerne normten:<br />

Dich schwarz, mich weiß, von Angesicht! -<br />

Dem Ursprung sind wir gleich entsprossen,<br />

das Leben lenkt verschied´ne Bahnen,<br />

so dass wir, wo wir einst herkamen,<br />

zu zweit vereint zusammenflössen.<br />

Die Schöpfung hält sich unverschlossen<br />

<strong>und</strong> widerruft nicht, was geschah;<br />

nicht Zeit -: die Räume sind beschlossen,<br />

darin der Liebe Geist gegossen.<br />

Was Kind - Genie - Prophet je sah,<br />

wird sich im Raume niemals stoßen. –


www.grabbe-contacts.conne.net 41<br />

Zwei Hände - klein auf groß<br />

(Hand eines Kindes, die eines Erwachsenen berührend)<br />

Das halte fest:<br />

Was Leben jemals hier berührte,<br />

das hinterlässt die Spur<br />

des Hierseins unauslöschlich!<br />

Es bleibt kein Rest!<br />

Was je den Leib zusammenführte<br />

jedweder Kreatur,<br />

erweist sich unverweslich.<br />

Zwar ändern sich die Bilder <strong>und</strong> die Räume<br />

des Alterns, der Ermessenskraft,<br />

doch rufst du sie, denk´ ja nicht, dass wer säume!<br />

Der Schöpfungskern ist´s, der erschafft!<br />

(28.07.2001, Bad Ems)<br />

Des Knaben Mikroskop<br />

(Knabe, durch ein Mikroskop etwas betrachtend)<br />

Man lockt mich, durch ein Prismenrohr<br />

die Ferne nicht -: die Nähe zu betrachten,<br />

doch meinem Herzen, das sich nie verlor,<br />

eröffnet sich die Mikrowelt.<br />

Auch hier kämpft man die alten Schlachten,<br />

vernichtet - zeugt -: wie´s grad´ gefällt!<br />

Es lehrt mich dies: Was alle machten,<br />

setzt mikrosopisch auch sich fort,<br />

<strong>und</strong> was dies Hier zusammenhält,<br />

das offenbart sich hier wie dort.<br />

Programme, die im All erstellt,<br />

vergnügen sich in Wassertropfen.


www.grabbe-contacts.conne.net 42<br />

Der Wind <strong>und</strong> das tanzende Kind<br />

(Unbekleidetes Mädchen, etwa acht Jahre alt, in abgeschlossenem Hofe tanzend)<br />

Im Schutze eines Bretterzaunes,<br />

im Fleckenschatten lichten Laubes<br />

tanzt Mariette zu ungehörter Melodie.<br />

Kein Kleiderrausch in Harmonie:<br />

das Kind tanzt nackt; verhang´nen Auges<br />

durchwiegt´s die Schlichtheit solchen Raumes.<br />

Natur - die Sonne, Luft, den Äther<br />

durchschnellt das barfußleichte Tanzen<br />

in anmutsvoll gelösten Schritten .....<br />

Ich möchte dieses Kind gern bitten,<br />

- keusch nah´ ihm sein - als Fre<strong>und</strong> des Ganzen<br />

durch Hauch als Kuss Garant des Später!<br />

Fußball-<strong>Jugend</strong><br />

(Gruppe Knabenmannschaft Fußball, im Trikot, wartend)<br />

Weiß-blaugestreift, blau-weiß geringelt,<br />

seid ihr, auf Abruf! eingestellt,<br />

auf Kampf, auf Sieg - verlieren nie!<br />

Doch hält ein Fre<strong>und</strong> euch fest umzingelt,<br />

der nie angreift, nur stille hält,<br />

<strong>und</strong> hofft ja nicht, dass er euch flieh´!<br />

Der Schöpfungskern, der in euch webt,<br />

verlangt kein wildes Kräftemessen - :<br />

Friedfertigkeit, die eure Stirn<br />

verstohlen küsst; das Herze schlägt<br />

euch schneller: Ursprung kann nicht hassen,<br />

<strong>und</strong> Kampflust mattet nur das Hirn!<br />

Als Spiel bescheide euer Sinnen<br />

zu ernster Miene euren Mut,<br />

<strong>und</strong> Friede sei die Formel des Beginnens,<br />

<strong>und</strong> Liebe kröne strebendes Gewinnen,<br />

<strong>und</strong> Sanftmut sei das teure Gut,<br />

dem Normativen zu entrinnen!


www.grabbe-contacts.conne.net 43<br />

Rauchendes Mädchen<br />

(Mädchen, etwa 13 Jahre, mit Zigarette im M<strong>und</strong>e)<br />

Rot ist mein Pulli, rot die Mütze,<br />

braun quillt das Haar, <strong>und</strong> zwischen Lippen<br />

klemm´ ich die Zigarette ein!<br />

Ich weiß, ich mache keine Witze,<br />

gebärde mich wie Teenie-Zippen<br />

<strong>und</strong> bin auch sonst nicht brav <strong>und</strong> fein!<br />

Erwachsene soll´n mir nicht trauen,<br />

- vielleicht mir eine runterhauen?<br />

Das gäb´ ´nen Krach! Da soll´n sie schauen!<br />

Bist Du erwachsen - Donnerwetter!<br />

Da packt mich wahrlich das Entsetzen:<br />

Wer rennt auch deren Mauern ein!<br />

Doch als du acht, warst Du viel netter,<br />

wir konnten uns am Scherz ergötzen.<br />

Das Aug´ erglänzt´ als Sonnenstrahl!<br />

Kann Pubertät sich gar bequemen,<br />

ihr Kindsein in den Arm zu nehmen,<br />

wird ihre Zukunft neu erschönen!<br />

Kinder auf den Gleisen<br />

(Warnendes Foto zweier Kinder, die auf den Schienen spielen)<br />

Sorglos auf dem Schienenstrange<br />

zwischen Schwellen heiter hüpfend,<br />

sind die Kleinen gar nicht bange,<br />

balancieren schlangeschlüpfend<br />

zwischen Weichen hin <strong>und</strong> her.<br />

Kommt da nicht von ungefähr<br />

fahrplansicher das Verderben?<br />

Währt doch Übermut nie lange! -<br />

- Zieht hinweg des Glückes Erben,<br />

küss´ der Retter eure Wange!<br />

In Armen geborgen,<br />

dem Tode entrissen,<br />

schenkt einer das Morgen,<br />

was alle doch müssen!


www.grabbe-contacts.conne.net 44<br />

(30.07.2001 - Bad Ems)<br />

Portrait einer Unmündigen<br />

(Antlitz eines Mädchens, etwa sieben Jahre alt)<br />

Fragend in die Tage schauen,<br />

Antwort aus der Innigkeit,<br />

Hoffnung in die Räume bauen,<br />

steuernd der Geschicke Zeit -:<br />

Bist du Kind <strong>und</strong> nicht erwachsen,<br />

bleibt der Psyche gar nichts fern,<br />

sucht o unbestechlich stracks den<br />

Heimweg hin zum Schöpfungskern.<br />

Oh, wir kennen die Geschwader<br />

der Gedanken, Phantasie´n,<br />

fühlen Sehnsucht ohne Hader<br />

tief erregt zum Inn´ren zieh´n.<br />

Eure Seele, euer Engel<br />

richtet euer Hiersein aus,<br />

<strong>und</strong> des Lebens stetes Pendel<br />

weist zugleich auf´s Vaterhaus.<br />

Hier wie dort, zu gleichen Teilen,<br />

tickt das Perpendikel leise,<br />

dass wir wissen: Das Verweilen<br />

gilt im Raum als ganze Weise.<br />

Forschest du mit großen Augen<br />

meiner Seele Bahnen durch,<br />

weißt du ja: Wozu wir taugen,<br />

trifft sich wieder - ohne Furcht.


www.grabbe-contacts.conne.net 45<br />

Knabe, mit Schal vermummt<br />

(Knabe, etwa acht bis neun Jahre alt)<br />

Ich kenn´ dich nicht? - So weiß ich doch<br />

an deinem Blick: Wir sind als Brüder<br />

vormals getrennt, nur immer doch<br />

Geschwister, in die Zeit entrückt,<br />

dem Licht - es dünkt mich trüber,<br />

nur nicht bei dir, der ernst zwar blickt,<br />

doch dessen Geist mein Herz entzückt,<br />

so dass der Sehnsucht Brunnenloch<br />

sich mählich tränenschwellend füllt,<br />

der Schal der Lippen Zucken hüllt!<br />

Allein, es fließt kein Quell jäh über:<br />

Du reines Wesen schweigst gefasst<br />

<strong>und</strong> harrest zugedachter Last!<br />

Knabe mit Blumenstrauß,<br />

einen Bergpfad herunterkommend<br />

Du ginst allein, auf kargem Felsen<br />

die selt´ne Blütenpracht zu pflücken,<br />

verschmähtest, die auf langen Hälsen<br />

im Blumenfachgeschäft entzücken?<br />

Ich merk´s dir an: Dir fehlt das Geld<br />

zum Blütenshop - der so gefällt! -<br />

Du kommst aus eig´ner Kraft heraus?<br />

Ich sehe: Du bist hier zu Haus!


www.grabbe-contacts.conne.net 46<br />

Mädchen mit Tornister<br />

(Seitenansicht eines aufgeweckten Kindes)<br />

„Bin ich gerufen, will ich gehen,<br />

denn man verlässt sich schon auf mich;<br />

ich will die Welt mit Ufern sehen,<br />

<strong>und</strong> was mir flamme, sei mir Pflicht!<br />

Und bin ich Licht, kann ich auch zünden<br />

<strong>und</strong> leuchte jedem kargen Raum;<br />

ein Kind will sich mit Licht verbinden,<br />

der Dunkelheit mag ich nicht trau´n.<br />

Den Ranzen rücklings aufgeschnallt,<br />

den Zopf geflochten: Aufgepasst!<br />

Die Energie, zur Kraft geballt,<br />

hält mich an Kinderhand gefasst!<br />

Das Hiersein darf ich froh genießen<br />

<strong>und</strong> weiß im Spiel mich schon geübt,<br />

dass, wenn die St<strong>und</strong>en zäher fließen,<br />

durch dies Erinnern nichts betrübt!“<br />

Mädchen auf der Schaukel<br />

(Eigentlich 3 Bildnisse von Kindern verschiedenen Alters)<br />

Schaukelnd, himmelweisend gaukelnd,<br />

fliegt hinauf, oh Sinne, fliegt,<br />

zause, Wind, im Haar <strong>und</strong> brause,<br />

falle, steig´ herauf vom Falle,<br />

leuchte, Auge, Herz, oh leuchte,<br />

- gestreckt, gewinkelt, Knie, gestreckt -,<br />

will der Flug nicht enden, will<br />

Himmel mich aufsaugen, Himmel<br />

mich durch Sonne, Äther, Licht<br />

von meinem Sitze holen, von<br />

erdaufwärts statt herab zur Erde?<br />

Ich müsst´ ja außer Atem sein<br />

nach diesem Flug, dem Auf <strong>und</strong> Nieder!<br />

Mich kränkt allein: Vom Himmelsschein<br />

zieht mich die Erde nüchtern nieder!


www.grabbe-contacts.conne.net 47<br />

Zwei Mädchen, aneinander geschmiegt<br />

(Zwei Mädchen, etwa 10-11 Jahre alt)<br />

Sanft, Haupt an Haupt <strong>und</strong> Wang´ an Wange,<br />

als wäret ihr erst jetzt Geschwister -<br />

als wenn ihr´s ewig noch nie wart?<br />

<strong>Aus</strong> jenem Geist, der euch gebar,<br />

bleibt eurer Seelen zärtliches Geflüster<br />

vereint! - Darum war mir nie bange!<br />

Zwei unglückliche Kinder<br />

(1. ein völlig verschmutzter Knabe aus einem Elendsviertel -<br />

(2. Ein etwas sechsjähriges Mädchen mit Tränen auf den Wangen)<br />

Glück darf nicht blinder Zufall heißen,<br />

denn solchen Irrtum gibt es nicht.<br />

Was widerstrebt, wird sich zerreißen -<br />

die Energie setzt sich´s zur Pflicht.<br />

Die Kräfte müssen sich vernetzen,<br />

das Brüchig-Kantige zu wetzen,<br />

<strong>und</strong> jeder Stein wird glatt <strong>und</strong> r<strong>und</strong>,<br />

sonst geht zerborsten er zu Gr<strong>und</strong>´.<br />

Was aber Leben halten will,<br />

ganz gleich, in welcher Form,<br />

das hält im Widersetzen still,<br />

zieht aus dem Fleisch den scharfen Dorn.<br />

Er will von Züchtigung nichts wissen,<br />

von Härte, Schelte oder Schlagen,<br />

er wird von Wangen Tränen küssen<br />

<strong>und</strong> heißt die Herzensgüte fragen,<br />

stillt Angst <strong>und</strong> drückendes Befangen,<br />

wiegt auf den Knieen das kranke Herz,<br />

die Liebe stillet das Verlangen<br />

nach Frieden, Lächeln, sel´gem Scherz.<br />

Denn wir, arg fehlgeleitet, wählten<br />

Erziehungsmacht <strong>und</strong> nicht die Liebe,<br />

dass sich das Kind nachahmend übe,<br />

<strong>und</strong> niemand ahnte, was wir quälten.<br />

Doch wer erwacht, strebt fest entschlossen<br />

aus dem Verb<strong>und</strong> der Vorm<strong>und</strong>schaft.<br />

Dann wird er lauschen, was entsprossen<br />

der ewig-schöpferischen Kraft.


www.grabbe-contacts.conne.net 48<br />

Er kann nichts binden, was verneint,<br />

- zersch<strong>und</strong>´ne Kinderherzen duldet,<br />

<strong>und</strong> wird nichts gründen, was vereint.<br />

Es bleibt das Nein, das alles schuldet!<br />

Wer irgend um Vergebung weinet<br />

<strong>und</strong> weiß sich segnend nicht umarmt,<br />

dem stirbt sein Irdisches versteinert,<br />

weil er sich keines Kind´s erbarmt.<br />

Wen aber ihre Engel grüßen<br />

aus Licht zum Licht, das in uns wohnt,<br />

den wollen ihre Lippen küssen,<br />

weil Licht sich mit der Nacht versöhnt.<br />

Knabe mit Stock <strong>und</strong> Bündel<br />

(„Musterknabe“ eines Kalenderblattes)<br />

Man hat mich täppisch ausgesandt,<br />

ein altes Kinderlied zu suchen,<br />

<strong>und</strong> hält die Linse unverwandt,<br />

um mich in Position zu rufen.<br />

Die Szene wirkt gestellt <strong>und</strong> albern,<br />

kalenderbilderartig fromm,<br />

der Fotograf steht vor den Kälbern,<br />

auch, wer´s ihm auftrug, scheint recht dumm.<br />

Bin ich ein Junge, bin ich frei?<br />

Dann dürft´ ich mir den Weg selbst wählen!<br />

Doch soll ich auf Erwachs´ne zählen,<br />

verfällt der Text zum Einerlei.<br />

Die Mütter wollen mich so haben?<br />

Was sagt mein Vater wohl dazu?<br />

Könnt´ ich mich in die Büsche schlagen,<br />

hätt´ ich vor ihnen meine Ruh´.<br />

Wär´ ich mit meinen Kameraden<br />

beim Spiel <strong>und</strong> nicht im Sonntagsfrack,<br />

müsst´ ich nach Artigkeit nichts fragen<br />

<strong>und</strong> pfiff´ auf Stock <strong>und</strong> Wandersack.


www.grabbe-contacts.conne.net 49<br />

Bei dieser Hitz´ in langen Hosen!<br />

Ich tauscht´ sie gern für kurze ein!<br />

<strong>und</strong> möcht´ zu gern mit Willi kosen,<br />

dem Dackel, lang, mit krummen Bein´n.<br />

Wenn alle Lieder Szenen würden,<br />

säh´ zwar das Leben bunter aus,<br />

doch manche Texte sich aufbürden -?<br />

Da reißen alle Kinder aus!<br />

Bad Ems - 31.07.2001<br />

Afrikanische Kinder im Gebet<br />

(Afrikanische Kinder während eines Gottesdienstes)<br />

Indes man die Natur verkauft,<br />

steh´n wir zum Foto aufgereiht,<br />

symbolisieren, Primitive,<br />

der Börsenwelt verdummte Triebe,<br />

da uns´re Welt dem Tod geweiht,<br />

indem man uns mit Branntwein tauft.<br />

Vom Geierhorst der Negative<br />

seitzt Zivilisation der Zeit<br />

im Nacken; was nicht ausgerauft<br />

<strong>und</strong> lagert noch nicht aufgehäuft,<br />

das lauert in Gehässigkeit,<br />

getarnt als Initiative,<br />

die Armut <strong>und</strong> das Leid zu lindern,<br />

die Unverfälschtheit zu verhindern,<br />

mit Dankgebet <strong>und</strong> Lendenschürzen<br />

den Wunsch nach Freiheit abzukürzen.<br />

Denn Gott gehört, das sagt die Predigt,<br />

die Welt, die ihr befehligt!


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Mädchen im Blumenfeld<br />

(Mädchen, etwa sieben Jahre alt, im Blumenfeld: Kalenderblatt-Motiv)<br />

Ins Blumenfeld gestellt, zum Lohn<br />

den Strauß zu pflücken,<br />

feenartig zu entzücken,<br />

pflückt dieses Kind Natur zum Hohn:<br />

Es pflückt mit Anmut diesen Strauß,<br />

nicht eingedenk des Mordens;<br />

das Wesen dieses Morgens<br />

löscht fre<strong>und</strong>lich and´res Leben aus.<br />

Erwachsene beglückt dies Töten,<br />

es welket in der Vase<br />

<strong>und</strong> schmeichelt eitler Nase;<br />

wer fühlte sich da wohl in Nöten?<br />

Der Trampel schwelgt; mit platten Füßen<br />

beherrscht er Wies´ <strong>und</strong> Wege,<br />

indes der <strong>Kindheit</strong> zarte Stege<br />

in´s Hiersein roh zerbersten müssen.<br />

Ich bitt´ dich, Kind, nicht fortzupflücken,<br />

was die Natur uns leiht;<br />

im Schöpfungskern verzeiht<br />

nur Lebendes sich im Beglücken!<br />

Vier Mädchen, mich aufmerksam ansehend<br />

I. (Mädchen, etwa fünf Jahre alt)<br />

Denkt ihr, die Welt sei rätselhaft,<br />

nun gut, dann seid ihr´s auch,<br />

doch sehe ich euch offen,<br />

von schönem Strahl getroffen,<br />

so sag´ ich euch: Das ist dort Brauch,<br />

woher euch äußerte die Kraft,<br />

aus deren Wesen das erglücht,<br />

was euch im Antlitz hell erblüht.<br />

An eurer Hand nicht wanken,<br />

der Schöpfung so zu danken,<br />

dass ihre Kräfte solches schufen,<br />

wozu der Lebenssinn berufen!


www.grabbe-contacts.conne.net 51<br />

II. (Mädchen, ungefähr 12-13 Jahre alt,<br />

bäuchlings auf einem Bett, das Kinn in die Hand gestützt)<br />

Ihr könnt mich fragen, was ihr wollt,<br />

ich mag euch Antwort geben,<br />

doch Achtung, die das Leben zollt,<br />

ist euch nicht aller Segen:<br />

Der Engel, der den Himmel weiß,<br />

verbündet sich nach innen,<br />

<strong>und</strong> darob trollt verschämt <strong>und</strong> leis´<br />

die „Wissenschaft“ von hinnen.<br />

Bäuchlings malendes Kindergarten-Mädchen<br />

(Naives Pressefoto zu einem Kindergarten-Problem)<br />

„Du glaubst doch nicht, dass ich nur male,<br />

was Kindergartentanten wollen?<br />

Ich hab´s! - Da mögen sie nur schmollen! -<br />

Banane mit gelbgrüner Schale,<br />

Weintrauben, Äpfel, buntes Leuchten,<br />

da braucht man Stifte, viele Farben,<br />

auch darf ein Pinsel sie befeuchten,<br />

denn meine Gäste soll´n nicht darben!<br />

Dann druck´ ich gern mit Fingerspitzen,<br />

das purzelt luftig bunt <strong>und</strong> fröhlich,<br />

<strong>und</strong> in das Wachs will ich noch ritzen<br />

mit hartem Stift, denn hier wird´s ölig!<br />

Zum Spielen hab´ ich keine Ruhe,<br />

es hält mich auf <strong>und</strong> macht mich zornig:<br />

Gern malt´ ich barfuß, doch - die Schuhe!?<br />

Der Sand dazu ist viel zu körnig!<br />

Das Bildermalen macht mich glücklich,<br />

ich bleibe wild - bis alles fertig!<br />

Natürlich bin ich gar nicht schicklich,<br />

besonders so nicht - gegenwärtig!“<br />

Du bist wie ich! Doch augenblicklich<br />

betrachte ich mit frohen Augen<br />

dein Bild <strong>und</strong> will´s zu gerne glauben:<br />

Die Seelen sind befreit erst glücklich!


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Kind auf einem Dreirad<br />

(Knabe, zwischen zwei <strong>und</strong> drei Jahre alt; das Dreirad kann nur als Sitzmobil genutzt werden,<br />

hat jedoch Trittbretter, so dass sich das Kind aufstellen konnte)<br />

„Du wolltest, dass ich stehen bleibe?<br />

Ich reck´ mich auf dem Tretmobil<br />

zu meiner Größe, dass ich zeige:<br />

Zu halten ist mir nicht zuviel!<br />

Zusicherung<br />

Doch stell´ mir bitte keine Fragen<br />

zu dem, was du ja doch bestimmst,<br />

<strong>und</strong> lass´ mich bitte auch nicht sagen,<br />

was dein Verstand von mir ersinnt.<br />

Lass´ mich mit meinem Dreirad rollen<br />

<strong>und</strong> frag´ mich nicht nach Ziel <strong>und</strong> Wegen;<br />

denn alles, was wir sagen wollen,<br />

wird man ja doch bei Seite legen.“<br />

* * * * *<br />

Nachtrag<br />

Wer da mit den Engeln spricht -<br />

flüsternd mit der Seelen Lächeln<br />

oder ernst-erweiterndem Gesicht -,<br />

hält die Hand nicht mehr am Köcher,<br />

sondern liebt des Pfeils Verzicht:<br />

Den wird Frieden nicht mehr „schwächen“,<br />

denn der Liebe Flügel fächeln<br />

Himmelsluft als reines Licht.


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Märzgedichte 2002<br />

Verworfnes Kinder-Los<br />

Das Akademikergesindel,<br />

vor allem das Reporterpack,<br />

verkündet zum „Reform“-geklüngel,<br />

dass man des Deutsch(´) nicht nötig hat.<br />

Als Mär, dass Sprache sich entwickle,<br />

verlangt das Sozialistenrudel<br />

ein internationales Sprachgehudel,<br />

dass man die Dichtung kess zerstückle,<br />

<strong>und</strong> radebrecht, grammatisch falsch,<br />

mit atemloser Zeichensetzung,<br />

die Zunge steckt halt tief im „Halsch“,<br />

<strong>und</strong> Schwachsinn gibt´s als Überdüngung<br />

im Land(´), wo man einst Dichtung sang,<br />

wo ausdrucksstark der Wortschatz klang!<br />

Doch seit die Kunst in Trümmer sank,<br />

durchquäken Medien Stadt <strong>und</strong> Land.<br />

Jetzt sollen´s Normative sagen<br />

mit handwerklicher Fertigkeit -<br />

den Mangel an Genie beklagen,<br />

worin Talente nicht gescheit, -<br />

dass hier wohl nicht die Götter weinen,<br />

weil sich der Weltgeist abgeseilt:<br />

Wo sich Proleten frech vereinen,<br />

hat das Genie noch nie verweilt!<br />

Frenetisch röhrt das Stargewimmel,<br />

vermisst sich frech als Qualität<br />

<strong>und</strong> torkelt auf zum Sternchenhimmel,<br />

beklatscht als Genialität!<br />

Wo Sprache nieder´n Zwecken diene,<br />

zerstückelt ihr der Denker Kraft.<br />

Es sammle d´rum die Honigbiene<br />

dem Volk(´) nichts im Kloakenschaft!


www.grabbe-contacts.conne.net 54<br />

Da spreizen sich in Vernissagen<br />

Talente - nicht der Welten Geist,<br />

kunstkritisch luchst man in Passagen<br />

nach Beute, nicht nach Kunst - zumeist.<br />

So hintergeht´s die Gunst der Sprache,<br />

der Bildkunst, ach, <strong>und</strong> der Musik,<br />

sie treibt in urinierter Lache<br />

der Wissenschaft. Die krächzt: „Logik!“<br />

<strong>Aus</strong>blicke<br />

Manchmal, wenn ich hier so sitze,<br />

fühle ich mich nicht bereit,<br />

ob ich zitt´re oder schwitze,<br />

Fieber habe, - Übelkeit:<br />

Nein, ich habe Euch vor Augen,<br />

Euer Lachen, Euren Ernst,<br />

dass ich´s fühle: Wozu taugen<br />

Lehrer, wenn sich nichts erlernt?<br />

Eure feinen Hände fügen<br />

übermütig manchen Scherz,<br />

doch das Auge will nicht lügen,<br />

darum fasst Ihr Euch ein Herz<br />

<strong>und</strong> berichtet von Vergnügen,<br />

deren Folgen unbedacht! -<br />

Das Gewissen kann nicht trügen,<br />

hat Euch um den Spaß gebracht!<br />

Gern mag Euch das Herz verzeihen,<br />

was der Rauflust frech entquoll,<br />

doch die Seele muss sich weihen<br />

ihrer Herkunft Ursprungswohl. -<br />

Weißt Du nicht, dass aller Kummer<br />

längst in meinem Herzen wohnt?<br />

senk´ ich Dich zu reinem Schlummer,<br />

ist mein Lebenssinn belohnt. -


www.grabbe-contacts.conne.net 55<br />

Zwischenhalt<br />

Nun zaudert heiliges Beginnen:<br />

Es rauscht, es pulst wie stürmisch, pocht. -<br />

Das Wachs verdampfet unter´m Docht,<br />

<strong>und</strong> meines Lebens Jahre rinnen.<br />

Natürlich drängt´s mich nach Erfüllung,<br />

weil vieles wie im Anfang´ steckt;<br />

ich weiß nur, wer mich endlich weckt<br />

aus faulend fleischlicher Umhüllung!<br />

Wenn St<strong>und</strong>en nicht so mühsam wären,<br />

in denen mir das Jetzt bewusst!<br />

Wenn mich Dein Geist zum Leben küsst,<br />

sind abgeheilt des Bangens Schwären?<br />

Das ist ein feiner B<strong>und</strong> der Stille,<br />

das Altern in der <strong>Jugend</strong> B<strong>und</strong>:<br />

Des Höchsten Botschaft zeugt Dein M<strong>und</strong>,<br />

<strong>und</strong> Deine Arme hüten Fülle!<br />

Kontakt<br />

Ich legte Stirn an --´s Stirne -<br />

seitdem ward mir so schwindelig:<br />

Erwartung wabert mir im Hirne,<br />

denn schwärm´ ich auch zu allem gerne,<br />

genas ich, - Stein im Mosaik?<br />

Doch schüttelst Du nur mit dem Kopfe,<br />

bedeutest mir in leisem Zug<br />

- als Hauch des Himmels - wer da klopfe,<br />

<strong>und</strong>, weil das Wachs nur manchmal tropfe,<br />

blieb´ Zeit noch bis zum Himmelsflug!<br />

Das soll mich trösten in dem Bangen,<br />

indes die Zeit mir vorgestellt,<br />

was ich euphorisch angefangen<br />

<strong>und</strong> was den Toren nicht gefällt!<br />

Nur was mich hier in Wahrheit hält,<br />

treibt Lebensglut mir in die Wangen...


www.grabbe-contacts.conne.net 56<br />

Erlöste Welt<br />

<br />

Das Tor, das Du mir aufgetan,<br />

das Licht aus Deinem Auge,<br />

das heller als der trock´ne Span,<br />

friedvoller als die Friedenstaube,<br />

ist mir der Tag!<br />

Du musst die Welt wohl nicht erlösen,<br />

sie ist es längst, wo Euresgleichen<br />

als ew´ge Kräfte jedem zeitlich Bösen<br />

statt Hass die Hand der Liebe reichen.<br />

Das ist mein Tag!<br />

Sektierer- wie auch Kirchensünder<br />

befrachten sich mit Schuld <strong>und</strong> Schmach,<br />

<strong>und</strong> schreien nicht die Sündenmünder<br />

den Höllenweg entlang: „Gemach!“-?<br />

Ihr Tag ist lang:<br />

Sie wollen erst noch missionieren,<br />

dass Gott die <strong>Aus</strong>erwählten schont. -<br />

Ich trug nur Dich, dem inne wohnt<br />

das Wesen, das wir nie verlieren!<br />

Dein Tag ist heiter!<br />

Und seit wir miteinander schreiten,<br />

mehrt sich der lichte Himmelschor,<br />

der Kinder Seelen treten vor,<br />

wird Zeit zu Räumen, die sich weiten,<br />

der Tag als Tor!<br />

Ich seh´ Euch aneinander schmiegen<br />

<strong>und</strong> küssen alle Tränen fort,<br />

so steht Ihr auf von düst´rem Ort<br />

<strong>und</strong> zeigt Euch neu im Kreis der Lieben<br />

als Unvergänglichkeit!


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Meinem besten Religionsschüler<br />

am 9. April zum 14. Geburtstage<br />

Welch´ St<strong>und</strong>e Dir, (hier ungenannt!),<br />

zu gratulieren, Glück zu wünschen!<br />

Dank Dir! Was Du an mir getan,<br />

das reichte ich den and´ren Menschen.<br />

Und höhnt man mir, Du wüsst´ von nichts:<br />

Es sind nur Stimmen des Gerichts,<br />

das mich der Irrlehr´ jüngst verklagt,<br />

den Weg den Seelen abzuschneiden.<br />

Wohl! Was ich recht durch Dich gesagt,<br />

wird in der Hut des Höchsten bleiben.<br />

Verderben, wer Dein Herz verstrickt,<br />

damit sich´s vor Verrätern bückt!<br />

Nun bleibt nicht sicher festgemacht,<br />

dass ich, wie heut´, in künft´gen Jahren<br />

Dir zum Geburtstag´ dargebracht<br />

den Segenswunsch, zu offenbaren:<br />

Die Jahre soll´n uns nicht entzweien:<br />

- wohl eint ein Gott, uns zu befreien!<br />

09.04.2002


www.grabbe-contacts.conne.net 58<br />

Ostern 2002<br />

<br />

Zum Fest der Eier <strong>und</strong> der Hasen<br />

genügt es nicht, nur brav zu sein:<br />

Fruchtbarkeitskult <strong>und</strong> Heidenschein<br />

sind Glaubensgut der „langen Nasen“.<br />

Zum Nestbau wie zum Eierfärben<br />

wird Kinderschlafenszeit genutzt,<br />

es wird gewuschelt <strong>und</strong> geputzt,<br />

um es am Ende zu verbergen.<br />

Am Ostersonntagmorgen wachen<br />

die Kleinen auf, ihr Nest zu seh´n,<br />

<strong>und</strong> was sie finden, ist so schön:<br />

„Das kann nur Osterhäschen machen!“<br />

Doch Kinder müssen weiter wachsen,<br />

<strong>und</strong> irgendwann zerbricht der Trug,<br />

entsetzt entdecken sie den Lug<br />

von Weihnachts-, Osterhasenfaxen<br />

<strong>und</strong> was Erwachs´ne sonst noch machen<br />

aus ihrer Überlegenheit:<br />

Den Glauben ihrer Kinderzeit<br />

lehrt man sie zynisch zu verlachen!<br />

Zu lustigen Betrügereien<br />

ist solche Welt sich klug genug,<br />

wohl aber nicht genügend klug,<br />

sich selbst von Zweifeln zu befreien.<br />

Gründonnerstag fand sich in Fluten<br />

ein wahres Auferstehungsei.<br />

Damit es uns verborgen sei,<br />

lässt man versteckt es weiterbrüten.<br />

Denn schlüpft uns je dies W<strong>und</strong>erwesen,<br />

wüsst´ man nicht nur, wer es versteckt:<br />

Man hätte just die Kraft entdeckt,<br />

die weiß, die Hasenspur zu lesen!


www.grabbe-contacts.conne.net 59<br />

Der alte Aberglaube fiele,<br />

der Hase hätt´ das Ei versteckt,<br />

nein! - warnt auch den, der Kinder neckt<br />

<strong>und</strong> sie missbraucht - als Pädophile!<br />

So mancher feine Herr im Zwirne<br />

wär´ angstvoll nächtens sehr aktiv,<br />

sein „Ei“ zu bergen, das naiv<br />

vermodert hinter seiner Stirne.<br />

Die böse Mär woll´n wir nicht schützen,<br />

die Lüge war umsonst zu Gast.<br />

Was du an deinen Kindern hast,<br />

sollst du zum Spielen nicht benützen!<br />

Dies Osterfest erklärt die Lehre:<br />

Wer dieses junge Mädchen fand,<br />

lebt in Gefahr; er lebt verbannt<br />

<strong>und</strong> rette seine Bürgerehre,<br />

dass ihn der Mörderb<strong>und</strong> nicht fälle<br />

<strong>und</strong> hämisch nicht Intrigen spinnt,<br />

damit nicht der, der Eier find´t,<br />

als Hase trägt die Narrenschelle!


www.grabbe-contacts.conne.net 60<br />

Medusas Kopfschütteln<br />

< 08.04.02 ><br />

Es reiste einst in Expedition<br />

ein Tross durch Raum <strong>und</strong> Zeiten,<br />

durchquerte, welche Sensation,<br />

mit Kindern Wüstenweiten<br />

<strong>und</strong> hatte sich zu guter Letzt<br />

verirrt <strong>und</strong> saß gar kläglich fest.<br />

Es gab kein Wasser - welche Not!<br />

Man hörte Schreien, Klagen,<br />

sie wimmerten sich in den Tod,<br />

die armen Kleinen! - Soll ich sagen,<br />

wem dieses Sterben sinnlos wär´,<br />

hätt´ man vertraut der süßen Mär?<br />

Ein Geologe war dabei,<br />

der Wünschelrute k<strong>und</strong>ig,<br />

der schritt im Sande, ei, ei, ei,<br />

er wurde plötzlich fündig:<br />

Das Plastik dreht´ ihm in der Hand,<br />

die Spitze wies hinab zum Sand´.<br />

Das war doch Hoffnung - Spaten her,<br />

schon fing man an zu graben!<br />

Doch die Gelehrsamkeit schoss quer,<br />

erhob sich, um zu sagen:<br />

„Die Rute da, die findet nicht,<br />

weil´s an Beweisen ihr gebricht!“<br />

Und alsobald gab man es auf,<br />

ließ matt die Köpfe hängen,<br />

man nahm den bitter´n Tod in kauf<br />

in grausig greller Sonne Sengen. - - -<br />

Mich dauern hier die Kinder nur;<br />

der Wind verweht´ auch ihre Spur. –<br />

* * * *<br />

Gelockt, geraubt, gequält, verschollen,<br />

das ist bei Kindern schlimm genug!<br />

Borniert - das Labyrinth der Tollen -<br />

nennt selbst ein Einfaltstropf nicht klug!<br />

- Wer Rettung sucht <strong>und</strong> findet sie,<br />

ist unerwünscht, rett´ sich <strong>und</strong> flieh´!


www.grabbe-contacts.conne.net 61<br />

Des Lebens Wert ist aufgekündigt ....<br />

<br />

Ein Urteil hat das Land entstellt,<br />

ein junger Mensch sich aufgegeben,<br />

<strong>und</strong> dass er nicht alleine fällt,<br />

vernichtet er verhasstes Leben<br />

<strong>und</strong> mordet, als Verlierer eben,<br />

damit sein Opfer vielfach zählt.<br />

Johannes Ratlos steht am Zaun<br />

<strong>und</strong> tünchte gern des Volkes Grauen.<br />

Der Mächtige mocht´ müßig schau´n,<br />

der Politik war nicht zu trauen,<br />

auf Materialismus nicht zu bauen:<br />

Die Hoffnung platzt als Seifenschaum!<br />

Die krasse Raffgier aufzugeben,<br />

gilt dieser Welt als harter Klotz:<br />

Globalisierung sei ein Segen,<br />

dem Unterliegen gelte Trotz!<br />

Nur Looser fleh´n das Heil des Gott´s! -<br />

Der Sieger sich´re sich den Segen!<br />

Familienbande, fest <strong>und</strong> gut,<br />

sind aufgelöst, die Welt im Taumel,<br />

wer Arbeit hatt´, war guten Mut´s,<br />

jetzt existiert, wer hilflos baumelt<br />

als Sklave am Verbrechenssaum. Grell<br />

springt Einzelnot in Rampenflut<br />

des Publikums, das gierig starrt<br />

auf seine Welt der frechen Sieger<br />

<strong>und</strong> des Verlierers, der stumm harrt<br />

<strong>und</strong> kehrt, verbannt, uns auch nicht wieder<br />

zurück in Würde! Man brüllt nieder<br />

die <strong>Jugend</strong>, die man hämisch narrt!<br />

Im Wettkampf steht sie eingespannt,<br />

sie wird gelehrt, sie lebt gefangen,<br />

Begabung gilt als unbekannt,<br />

Verstand schreit in Zensurenzangen,<br />

der <strong>Kindheit</strong> Welt zerquält in Bangen -:<br />

Nun sind die Rächer ausgesandt!<br />

Der Rettungsring Verlässlichkeit<br />

für Liebe, Treue, Muttersorgen,<br />

das Band fre<strong>und</strong>licher Stetigkeit<br />

versprach beruhigendes Morgen.<br />

Jetzt will der <strong>Jugend</strong> niemand borgen,<br />

was eig´ner „Schwäche“ nichts verzeiht.


www.grabbe-contacts.conne.net 62<br />

Ihr hieltet Köstliches in Händen,<br />

ihr durftet mit der Sonne seh´n! -<br />

Ihr wollt die Schulden nicht mehr wenden,<br />

die auf der Enkel Konten steh´n?<br />

Wem Perspektiven untergeh´n,<br />

kann jetzt die Hoffnungen verschwenden!<br />

Den Fatalismus heißt man lehren,<br />

man züchtet frech das Nein heran,<br />

Entwertendes nicht gern entbehren<br />

meint, wer mit Hegel wetten kann.<br />

Die Folgen kündigte ich an! 1) -<br />

- Wer weiß der Opfer sich zu wehren?<br />

Weißer Sonntag<br />

Weint die Wahrheit fern im Kerker,<br />

hält das Recht im Atem still.<br />

Weil das Böse handeln will,<br />

dünkt der Übermut sich stärker,<br />

schweigt Erlösung in Verbannung,<br />

fördert Unrecht, Schmach <strong>und</strong> Not,<br />

wünscht der Redlichkeit den Tod,<br />

hält sein Mörderhaus in Schwung,<br />

doch die Gottheit setzt ein Ende,<br />

weil des Übels Kraft erschöpft:<br />

Hört das Schicksal, wie es klopft,<br />

offenbarend, wen es sende!<br />

Ketten brechen! Schwarze St<strong>und</strong>e:<br />

Keiner riet es je genau,<br />

doch was schwor geheim <strong>und</strong> schlau,<br />

ist alsbald in aller M<strong>und</strong>e!<br />

06.04.2000


www.grabbe-contacts.conne.net 63<br />

Pascal<br />

Da gibt es Leute, die den Himmel sehen möchten,<br />

<strong>und</strong> trau´n dem eig´nen Spiegelbilde nicht,<br />

die streiten, wie sie sich auf Logenplätze brächten,<br />

- das Los der and´ren wäre Schemelpflicht!<br />

Weißt du, mein Bruder, was ich lieber täte?<br />

ich setzt´ mich auf mein gelb-blau-schnelles Rad<br />

<strong>und</strong> führ´, worum mich niemand jemals bäte:<br />

als Friedensbote auf des Schöpfers Pfad!<br />

Ich seh´s euch an: Sie möchten gern mich liegen lassen,<br />

denn solche Boten sieht man hier nicht gern,<br />

doch, halt´ ich inne, pfeilschnell die Gedanken fassend,<br />

flieg´ ich auf frischer Bahn zu allem Kern.<br />

Soll ich vermodern um des Schutz´ des Bösen,<br />

weckt mich mein Bruder, sprengt mir auf die Gruft!<br />

- Wir wandeln nicht, Konflikte euch zu lösen:<br />

Was schlief, gehört in schöpfungsklare Luft!<br />

Peggy<br />

Pascal, mein kleiner Bruder, hält<br />

sich im Bedenken, im Fixieren still,<br />

doch wenn die Schranke des Besinnens fällt,<br />

bestimmt er pfeilschnell, was er will.<br />

Er liebt mich als Juwel des Lebens,<br />

ins frühe Kindsein sorgend eingefasst,<br />

durchflutet von dem blauen Licht des Schwebens,<br />

worin mein Lächeln eingepasst,<br />

als Zauberstein, den Schmerz zu sprengen,<br />

hat er den Ring der Liebe angesteckt,<br />

der alten Dummheit Bärte zu versengen,<br />

ist´s ihm schon recht, womit er neckt!<br />

Du sollst uns wecken! Diese Glut<br />

glüht als ein heilig´ Feuer ihm von innen!<br />

Und hindert ihr den Bruder uns: Dem Mut<br />

zum Leben könnt ihr nichts entwinden!


www.grabbe-contacts.conne.net 64<br />

1) „Weißer Sonntag“<br />

(„Das Schwarze Brett“ = Sommer 2002<br />

Mein Zeugnis - ein Bekennerschreiben<br />

(Junge, der sein Zeugnis in Händen hält <strong>und</strong> ratlos <strong>und</strong> voller Kummer keinen <strong>Aus</strong>weg kennt)<br />

Die Schule<br />

Wer bist du? - Willst du wissen, wie du warst<br />

im Schuljahr, das mit diesem Zeugnis endet?<br />

Die Fre<strong>und</strong>e, die du heckend um dich scharst,<br />

hast du zu Tändelspielen nur verwendet.


www.grabbe-contacts.conne.net 65<br />

Der Junge<br />

Du schaust mit Tränen, ja? - bist tief getroffen?<br />

So höre, was die Schule dir beweist:<br />

Abstrakt zu lernen, stand die niemals offen;<br />

mit Händen zu begreifen, trieb´s den Geist,<br />

der dämmernd durch jedneuen Lernstoff irrte<br />

<strong>und</strong>, wie dein Aug´, den Zweck nach innen maß;<br />

dich konnten Lehrmarotten leicht verwirren,<br />

wie manche Lehrperson sie wohl besaß.<br />

Das neue Schuljahr wird sie wiederbringen:<br />

- so manche Nebensächlichkeit, die stört.<br />

Wirst du dich dann zu größ´rer Leistung zwingen<br />

<strong>und</strong> an dir wirken, wie es sich gehört?<br />

Ihr lehrt mich streng, Verstand nur zu gebrauchen,<br />

wie ihr verlangt, dass er sich äußern soll,<br />

ihr stopft mich täglich nur mit Wissen voll<br />

<strong>und</strong> zwingt die ander´n Gaben, abzutauchen.<br />

Was meine Hand geschickt vollbringen könnte,<br />

wie sich im Auge Form <strong>und</strong> Farbe mischt,<br />

wie Fre<strong>und</strong>schaft Lebensmüdigkeit erfrischt,<br />

dass neidlos Fre<strong>und</strong> dem Fre<strong>und</strong>e Vorrang gönnte,<br />

dass ich in stiller St<strong>und</strong>e gerne läse,<br />

wohin die Phantasie erregt mich trägt,<br />

- ich helfen kann mit uns´rer Gartenfräse,<br />

erlernt - vom Vater in die Hand gelegt,<br />

dass ich die Pflanzen uns´rer Heimat kenne,<br />

das ist euch keine werte Kinderpflicht,<br />

dass ich am Vogelsang die St<strong>und</strong>e kenne,<br />

das, dürre Schule, lehrst du leider nicht!


www.grabbe-contacts.conne.net 66<br />

Die Seele<br />

<strong>Aus</strong> großen Fenstern in den Raum gerichtet,<br />

weht dir der Kummer in die Kinderzeit;<br />

doch bleibt dein Sinn dem Wachsenden verpflichtet<br />

<strong>und</strong> dehnt die Räume der Gesinnung weit:<br />

Du sorge nicht - auch wenn sie dich verspotten:<br />

Warum du bist, entscheidet Schule nie<br />

noch jede Lehrmethode mit Marotten,<br />

schon gar nicht die Zensuren-Lotterie:<br />

Die <strong>Kindheit</strong> ist der Schöpfung gültig´ Siegel,<br />

dass alles, was im Stofflichen erscheint,<br />

fernab von allem sinnenden Geklügel<br />

als Kind dem Göttlichen zunächst vereint.<br />

So küss´ ich deine tränennassen Lider,<br />

ich hauch´ dich an zu neuem Lebensmut<br />

<strong>und</strong> bringe so dem Schöpfungsvater wieder<br />

den Bruder! Sieh: Du wachst in höchster Hut!<br />

Zwei Feststellungen<br />

– als Trost für die älteren Kinder:<br />

(aus den Märzgedichten 2002)<br />

Schweigen, statt auf liebe Gedanken zu<br />

antworten,<br />

ist die sprachlose Opposition<br />

der Inkompetenz.


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Gedichte 2007<br />

Besänftigung<br />

Das Weltall dort – der Erden Krume hier,<br />

auf der des Wachstums kühner Sinn gegründet?<br />

- So strebt, der hat <strong>und</strong> nirgend sich verlier´,<br />

<strong>und</strong> rettet, heilt – zum Altern stets ges<strong>und</strong>et.<br />

Die Ferne untersucht der Mensch geschwind,<br />

das Nahe, ihm zum Ebenbild, in Ängsten<br />

zu meiden, forschet er zum Allerbängsten<br />

<strong>und</strong> schämt des Gruselns sich wie schon als<br />

Kind.<br />

Wär´s Sehnsucht doch! – die arge Neugier<br />

nicht,<br />

in Ursprungs Schattenhain des Tag´s zu treten,<br />

fühlt´ sie der Quelle Kühlung, still zu beten,<br />

so küsste Schöpfernähe uns das Angesicht!<br />

Und Weltenferne, Sternennähe Schar<br />

begrüßten uns´rer Wanderschaften Ende.<br />

Und alles Streben, wo man Wahres fände,<br />

durchleuchtet jetzt, umkreist uns w<strong>und</strong>erbar.<br />

Der Hierarchien B<strong>und</strong> versinkt in Schatten,<br />

<strong>und</strong> was uns ja zur Ewigkeit gebar,<br />

das offenbart sich uns als Engelsschar,<br />

die unser Gastspiel hier begleitet hatten.<br />

13.03.2007


www.grabbe-contacts.conne.net 68<br />

Natur <strong>und</strong> Mensch<br />

Der Frühling senke sich dir ein ins Herz,<br />

dass er den ew´gen Bruder wiedertreffe,<br />

der dir in dunkler Zeit dein Haus bestellt!<br />

Was die Natur sodann dir deutet, dir gefällt,<br />

gleicht deiner Botschaft: - dass sie schaffe<br />

aus Winters Immergrün des Hoffens März!<br />

Nichts bleibt, so kalt es irgend uns bedroht,<br />

so wärmt das Licht, dass nah´ die Quelle plaudert<br />

<strong>und</strong> sich aus Kindertagen <strong>Jugend</strong> neigt,<br />

ihr zuckend´ Ebenbild zu schauen in der Zeit:<br />

Was bleibt <strong>und</strong> tropfen macht, erhitzt <strong>und</strong><br />

zaudert,<br />

das leidet mit des Bruders Küssen nirgend Not!<br />

18.03.2007


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Was bleibt – was ist?<br />

Ermattet in die Federgruft gesenkt,<br />

des Tag´s auf Mühens Rücken fortgetragen,<br />

des Lebens Übermut, wie Angst, befragen:<br />

So schachtelt uns der Erde Stolz beengt.<br />

In jeder Lade kauert so ein Zwerg;<br />

Hervorgezogen, auf der Hand getragen,<br />

herumgezeigt, zurückgelegt: So nagen<br />

Vergessenheit <strong>und</strong> Fremde unser´n Wert.<br />

Was einzig uns ins Leben ruft <strong>und</strong> hält,<br />

ist die Gewissheit, dass wir nicht vergebens<br />

auf Zeichen treffen des geheimen Wesens,<br />

das ist, wenn die Materie zerfällt.<br />

Was uns´rer <strong>Kindheit</strong>, <strong>Jugend</strong> Sinnen treibt,<br />

erglüht im Zukunftsleuchten allenthalben,<br />

<strong>und</strong> sind´s die kleinen Hände, die uns salben,<br />

so steht gewiss, was uns in Wahrheit bleibt.<br />

22.03.2007


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Willkommen – auch hier!<br />

Nicht bloß ein Lehrer! – sind mir alle Kinder<br />

Geschwistern gleich, so jung, so rein.<br />

Der Herzen <strong>und</strong> des Wesens Himmelsschein<br />

bin ich der glücklichste der Finder.<br />

Was gabt ihr mir, dem irdisch tastend´ Blinden,<br />

verliehet mir ein leuchtend´ Licht!<br />

<strong>Aus</strong> Finsternis <strong>und</strong> ängstlichem Empfinden<br />

ward ich dem Amte zugericht´t.<br />

Der eine, den ich schmerzend einst verloren,<br />

um dessen Tod ich ständig litt,<br />

hat endlich sich erhoben, mich erkoren,<br />

weil er in eurem Kreise schritt.<br />

Mein Bruderkind aus Milliarden Seelen,<br />

in eurem Herzen wohl verwahrt,<br />

Du bist´s! Ich muss mich nicht mehr quälen.<br />

Tritt in den Kreis der ewig gleichen Art.<br />

Nach dir die Sehnsucht ließ mich nimmer ruhen.<br />

Begleitet´t ich doch vieler Kinder Weg,<br />

umschritt mein Geist dein Grab mit wehem Glühen:<br />

Du bist´s, der sehnend sich geregt!<br />

04. November 2007


www.grabbe-contacts.conne.net 71<br />

Weihnachtsgedichte verschiedener Autoren<br />

St. Niklas zieht den Schlafrock aus,<br />

klopft seine lange Pfeife aus<br />

<strong>und</strong> sagt zur heiligen Kathrein:<br />

„Öl´ mir die Wasserstiefel ein,<br />

bitte, hol´ auch den Knotenstock<br />

vom Boden <strong>und</strong> den Fuchspelzrock;<br />

die Mütze lege oben d´rauf<br />

<strong>und</strong> schütt´ dem Esel tüchtig auf,<br />

halt´ auch sein Sattelzeug bereit;<br />

wir reisen, es ist Weihnachtszeit.<br />

Und dass ich´s nicht vergess´, ein Loch<br />

ist vorn im Sack, das stopfe noch!<br />

Ich geh´derweil´ zum Gottessohn<br />

Und hol´ mir meine Instruktion.“<br />

St. Niklas´ <strong>Aus</strong>zug<br />

Die heil´ge Käthe, sanft <strong>und</strong> still,<br />

tut alles, was St. Niklas will.<br />

Der klopft indes beim Herrgott an;<br />

St. Peter hat ihm aufgetan<br />

<strong>und</strong> sagt: „Grüß Gott! Wie schaut´s denn aus?“<br />

<strong>und</strong> führt ihn ins himmlische Werkstättenhaus.<br />

Da sitzen die Englein an langen Tischen,<br />

ab <strong>und</strong> zu Feen dazwischen,<br />

die den Kleinsten zeigen, wie´s zu machen,<br />

<strong>und</strong> weben <strong>und</strong> kleben die niedlichsten Sachen,<br />

hämmern <strong>und</strong> häkeln, schnitzen <strong>und</strong> schneidern,<br />

fälteln die Stoffe zu zierlichen Kleidern,<br />

packen die Schachteln, binden sie zu<br />

<strong>und</strong> haben so glühende Bäckchen wie du!<br />

Herr Jesus sitzt an seinem Pult<br />

<strong>und</strong> schreibt mit Liebe <strong>und</strong> Geduld<br />

eine lange Liste. Potz Element,<br />

wieviel artige Kinder Herr Jesus kennt!<br />

Die sollen die schönen Engelsgaben<br />

zu Weihnachten haben.<br />

Was fertig ist, wird eingesackt<br />

Und auf das Eselchen gepackt.<br />

St. Niklas zieht sich recht warm an –<br />

Kinder, er ist ein alter Mann,<br />

<strong>und</strong> es fängt tüchtig an zu schnei´n,<br />

da muss er schon vorsichtig sein!


www.grabbe-contacts.conne.net 72<br />

So geht es durch die Wälder im Schritt,<br />

manch´ Tannenbäumchen nimmt er mit,<br />

<strong>und</strong> wo er wandert, bleibt im Schnee<br />

manch´ Futterkörnchen für Hase <strong>und</strong> Reh. –<br />

<strong>Aus</strong> Haus <strong>und</strong> Hütte strahlt es hell.<br />

Da nimmt er dem Esel den Sack vom Fell,<br />

stapft durch den Flur, klopft vernehmlich an:<br />

„Ich bin es, ich, der Weihnachtsmann!“<br />

Gleich fliegen alle Türen auf;<br />

jubelnd umdrängt ihn der kleine Hauf´:<br />

„St. Niklas, St. Niklas,<br />

was hast du gebracht?<br />

Was haben die Englein<br />

für uns gemacht?“<br />

„Schön´ Ding! Gut´ Ding! aus dem himmlischen Haus!<br />

Langt in den Sack! Holt euch ´was ´raus!“<br />

(Paula Dehmel)<br />

St. Niklas<br />

(Der Vater am Telefon mit seiner kleinen Tochter):<br />

Vater:<br />

Es wird aus den Zeitungen vernommen,<br />

dass der heil´ge Sankt Niklas werde kommen<br />

aus Moskau, wo er gehalten wert<br />

<strong>und</strong> als Heiliger wird geehrt;<br />

er ist bereits schon auf der Fahrt,<br />

zu besuchen die Schuljugend zart,<br />

zu seh´n, was die kleinen Mägdlein <strong>und</strong> Knaben<br />

in diesem Jahre gelernet haben<br />

in Beten, Schreiben, Singen, Lesen,<br />

auch, ob sie hübsch fromm gewesen.<br />

Er hat auch in seinen Sack verschlossen<br />

schöne Puppen, aus Zucker gegossen,<br />

den Kindern, welche hübsch fromm wären,<br />

will er solche schönen Sachen verehren.<br />

Kind:<br />

Ich bitte dich, Sankt Niklas, sehr,<br />

in meinem Hause auch einkehr´,<br />

bring´ Bücher, Kleider <strong>und</strong> auch Schuh`<br />

únd noch viel gute Sachen dazu,<br />

so will ich lernen wohl<br />

<strong>und</strong> fromm sein, wie ich soll. – Amen.


www.grabbe-contacts.conne.net 73<br />

Knecht Ruprecht<br />

Von drauß´ vom Walde komm´ ich her;<br />

ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!<br />

Allüberall auf den Tannenspitzen<br />

sah ich gold´ne Lichtlein sitzen;<br />

<strong>und</strong> droben, aus dem Himmeltor,<br />

sah mit großen Augen das Christkind hervor,<br />

<strong>und</strong> wie ich so strolcht´ durch den finstern´ Tann,<br />

da rief´s mich mit heller Stimme an:<br />

„Knecht Ruprecht,“ rief es, „alter Gesell,<br />

hebe die Beine <strong>und</strong> spute dich schnell!<br />

Die Kerzen fangen zu brennen an,<br />

das Himmelstor ist aufgetan,<br />

Alt´ <strong>und</strong> Junge sollen nun<br />

von der Jagd des Lebens einmal ruh´n;<br />

<strong>und</strong> morgen flieg´ ich hinab zur Erden,<br />

denn es soll wieder Weihnachten werden!“<br />

Ich sprach: „O lieber Herre Christ,<br />

meine Reise fast zu Ende ist;<br />

ich soll nur noch in diese Stadt,<br />

wo´s eitel gute Kinder hat.!<br />

- „Hast denn das Säcklein auch bei dir?“<br />

Ich sprach: „Das Säcklein, das ist hier:<br />

Denn Äpfel, Nuss <strong>und</strong> Mandelkern<br />

essen fromme Kinder gern.“<br />

- Hast denn die Rute auch bei dir?“<br />

Ich sprach: „Die Rute, die ist hier:<br />

Doch für die Kinder nur, die schlechten,<br />

die trifft sie auf den Teil, den rechten.“<br />

Christkindlein sprach: „So ist es recht,<br />

so geh´ mit Gott, mein treuer Knecht!“<br />

Von drauß´ vom Walde komm´ ich her;<br />

Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!<br />

Nun sprecht, wie ich´s hierinnen find´!<br />

Sind´s gute Kind´, sind´s böse Kind´?<br />

(Theodor Storm)


www.grabbe-contacts.conne.net 74<br />

Weihnachten<br />

Gesegnet sei die heil´ge Nacht,<br />

die uns das Licht der Welt gebracht!<br />

Wohl unter´m lieben Himmelszelt<br />

die Hirten lagen auf dem Feld.<br />

Ein Engel Gottes, licht <strong>und</strong> klar,<br />

mit seinem Gruß tritt auf sie dar.<br />

Vor Angst sie decken ihr Angesicht.<br />

Da spricht der Engel: „Fürcht´t euch nicht!<br />

Denn ich verkünd´ euch große Freud´:<br />

Der Heiland ist euch geboren heut´.“<br />

Vom Himmel hoch der Engel Heer<br />

frohlockt: „Gott in der Höh´ sei Ehr´!“<br />

Da geh´n die Hirten hin in Eil´,<br />

zu schau´n mit Augen das ew´ge Heil;<br />

zu singen dem süßen Gast Willkomm´,<br />

zu bringen ihm ein Lämmlein fromm.<br />

Bald kommen auch gezogen fern<br />

die Himmelsdeuter mit ihrem Stern.<br />

Sie knien vor dem Kindlein hold,<br />

schenken ihm Myrrhen, Weihrauch, Gold.<br />

(nach Eduard Mörike)<br />

Kleine Bettler<br />

Bitte, bitte, fleht der Spatz,<br />

leer ist, ach, mein Futterplatz!<br />

Küchenreste, Semmelbrocken<br />

liegen tief jetzt unter Flocken,<br />

selbst der Pferdedung, o weh,<br />

ist begraben tief im Schnee.<br />

Bitte, bitte!<br />

Einst, da noch nicht Winter war,<br />

saß hier froh der Vögel Schar.<br />

Ammer, Zeisig, Fink <strong>und</strong> Meise<br />

fanden täglich reiche Speise.<br />

Aber jetzt ist harte Zeit,<br />

alles, alles eingeschneit!<br />

Bitte, bitte!


www.grabbe-contacts.conne.net 75<br />

Gebt uns, wir verhungern fast,<br />

das nur, was ihr übrig lasst!<br />

Vöglein werden Dank euch bringen –<br />

die mit Zwitschern, die mit Singen,<br />

<strong>und</strong> euch rühmen voller Freud´,<br />

dass ihr Futter ausgestreut.<br />

Bitte, bitte!<br />

(Rudolf Löwenstein)<br />

Der Rätselmann<br />

Die Rätsel, mit denen das Volk sich neckt,<br />

hab´ ich in meinen Sack gesteckt.<br />

Heran, ihr Kinder, alle heran;<br />

Es rate, wer da raten kann!<br />

Wer baut uns Brücken <strong>und</strong> braucht kein Holz?<br />

`Der Baumeister ist der Winter stolz.<br />

Wer kennt den schwersten Stab im Land?<br />

Der Stecken ist´s in des Bettlers Hand.<br />

Wie lange schläft der Esel zur Nacht?<br />

Nicht länger, als bis er aufgewacht.<br />

Wie lange trägt man Wasser im Sieb?<br />

So lang´ nur, als es gefroren blieb.<br />

Was mag das teuerste Wasser sein?<br />

Das ist das Wasser des Wirts im Wein.<br />

Wie tief ist das Meer? Weißt du´s vielleicht?<br />

Das weiß der Stein, der den Gr<strong>und</strong> erreicht.<br />

Wann ist die beste Essenszeit?<br />

Wann für den Hunger ein Mahl bereit.<br />

Was geht durch Hecken <strong>und</strong> raschelt nicht?<br />

Das tut der Sonne gold´nes Licht.<br />

Rat´, welches Tier wird schöner im Tod?<br />

Der braune Krebs, der färbt sich rot.<br />

Wer hat sein Haus auf Felsen gebaut?<br />

Der Bauherr, der auf Gott vertraut.<br />

Wer maust <strong>und</strong> bleibt von Strafe frei?<br />

Ich meine, dass dies das Kätzlein sein.


www.grabbe-contacts.conne.net 76<br />

Nun sag´, wann der Narr dem Weisen gleicht?<br />

Dann, wenn er, statt zu reden, schweigt.<br />

Für heut´ ist nun mein Säcklein leer,<br />

doch bald bring´ ich der Rätsel mehr.<br />

Lebt wohl <strong>und</strong> haltet zur rechten Zeit<br />

zum Nüsseknacken die Zähne bereit!<br />

(Julius Sturm)<br />

Weihnachten<br />

Von hohen Himmelsfernen<br />

auf einem blauen Band<br />

im Glanz von tausend Sternen<br />

kam stilles Glück in´s Land<br />

<strong>und</strong> hat in dunkeln Herzen<br />

ein Lichtlein angesteckt,<br />

hat Sorgen, Grm <strong>und</strong> Schmerzen<br />

ganz leise zugedeckt.<br />

Die Kinder im Schnee<br />

Ein Winterabend, still <strong>und</strong> kalt;<br />

drei Kinder wandern durch den Wald.<br />

Sie gingen schon oft den Weg allein;<br />

heut´ flimmert der Mond mit irrem Schein.<br />

Der Pfad, der sonst so kurz nach Haus,<br />

heut´ mündet er nimmer zum Wald hinaus.<br />

Die kleinen Beinchen schreiten voran;<br />

da ragt empor der finst´re Tann.<br />

Sie laufen zurück <strong>und</strong> hin <strong>und</strong> her;<br />

sie finden im Schnee den Weg nicht mehr.<br />

Es weinten die Kleinsten, wohl irrten sie weit;<br />

kalt ist die Nacht <strong>und</strong> Schlafenszeit.<br />

Sieh dort, unter Wurzeln ein trockenes Hohl!<br />

Da bettet das Schwesterchen beide wohl,<br />

trägt Moos <strong>und</strong> Laub zu ihrer Ruh´<br />

<strong>und</strong> deckt mit dem eigenen Tüchlein sie zu.<br />

Die Nacht ist kalt, vom Mond erhellt;<br />

es funkeln die Sterne am Himmelszelt. –<br />

(Richard Schaukal)


www.grabbe-contacts.conne.net 77<br />

Man hat sie gesucht mit Rufen <strong>und</strong> Schrei´n,<br />

man hat sie gef<strong>und</strong>en beim Morgenschein.<br />

Die beiden Kleinen, sie schlafen fest,<br />

aneinander geschmiegt im warmen Nest..<br />

Den Arm gerafft voll Laub <strong>und</strong> Moos,<br />

so fand man die and´re bewegungslos.<br />

So lag sie im Schnee, die Wangen rot;<br />

die hatte geküsst der eisige Tod.<br />

Gebet an den heiligen Christ<br />

Du lieber, heil´ger, frommer Christ,<br />

der für uns Kinder kommen ist,<br />

damit wir sollen weiß <strong>und</strong> rein<br />

<strong>und</strong> rechte Kinder Gottes sein!<br />

Du Licht, vom lieben Gott gesandt<br />

in unser dunkles Erdenland,<br />

Du Himmelskind <strong>und</strong> Himmelsschein,<br />

damit wir sollen himmlisch sein!<br />

Du lieber, heil´ger, frommer Christ,<br />

weil heute Dein Geburtstag ist,<br />

d´rum ist auf Erden weit <strong>und</strong> breit<br />

bei allen Kindern frohe Zeit.<br />

Du segnest mich, ich bin noch klein,<br />

erhalte mir das Herze rein<br />

<strong>und</strong> bade mir die Seele, hell,<br />

in Deinem reichen Himmelsquell!<br />

Dass ich wie Engel Gottes sei<br />

in Demut <strong>und</strong> in Liebe treu,<br />

dass ich Dein bleibe für <strong>und</strong> für,<br />

Du heil´ger Christ, das schenke mir!<br />

(Heinrich Seidel)<br />

(nach Ernst Moritz Arndt)


www.grabbe-contacts.conne.net 78<br />

Wintertag<br />

Es kracht der Schnee, der Wagen knarrt,<br />

mit langen Zapfen steht <strong>und</strong> starrt<br />

der Tannenwald so silberweiß,<br />

die Zweige dicht behängt mit Eis.<br />

Es flimmt <strong>und</strong> flirrt, es blinkt <strong>und</strong> blitzt;<br />

die langen Zapfen wohlgespitzt,<br />

die feinen Nadeln ohne Zahl,<br />

sie funkeln hell im Sonnenstrahl.<br />

Der schwarze Rabe tappt im Schnee;<br />

Die Kälte tut ihm gar nicht weh.<br />

Der arme Sperling seufzt <strong>und</strong> denkt:<br />

O wär´ ein Körnlein mir geschenkt!<br />

Ein einzig´ Körnlein such´ ich nur<br />

vergebens auf der Winterflur.<br />

An´s Fenster pickt sein Schnäblein fein;<br />

O macht ihm auf <strong>und</strong> lasst ihn ein!<br />

Wie blinkt die Abendsonne schön!<br />

In weißem Dampf die Hügel steh´n;<br />

Schon dunkel wird der lichte Wald,<br />

der Mond am Himmel glänzet bald.<br />

Der schöne Tag vorüber ging,<br />

der Mond sein helles Licht empfing;<br />

mit Sternlein füllt der Himmel sich:<br />

Herr Gott, Herr Gott, wir loben Dich!<br />

Winternacht<br />

Verschneit liegt rings die ganze Welt,<br />

ich hab´ nichts, was mich freuet,<br />

verlassen steht der Baum im Feld,<br />

hat längst sein Laub verstreuet.<br />

Der Wind nur geht bei stiller Nacht<br />

<strong>und</strong> rüttelt an dem Baume,<br />

da rührt er seine Wipfel sacht<br />

<strong>und</strong> redet wie im Traume.<br />

Er träumt von künft´ger Frühlingszeit,<br />

von Grün <strong>und</strong> Quellenrauschen,<br />

wo er im neuen Blütenkleid<br />

zu Gottes Lob wird rauschen.<br />

(Joseph v. Eichendorff)<br />

(Hermann Kletke)


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Advent<br />

Es treibt der Wind im Winterwalde<br />

die Flockenherde wie ein Hirt,<br />

<strong>und</strong> manche Tanne ahnt, wie balde<br />

sie fromm <strong>und</strong> lichterheilig wird,<br />

<strong>und</strong> lauscht hinaus. Den weißen Wegen<br />

streckt sie die Zweige hin – bereit,<br />

<strong>und</strong> wehrt dem Wind <strong>und</strong> wächst entgegen<br />

der einen Nacht der Herrlichkeit!<br />

Das Jahr<br />

Mit Vogelsang verschwand das Jahr,<br />

nun brennen die Lichter w<strong>und</strong>erbar.<br />

Mein Kind, nun kommt die frohe Zeit,<br />

das Licht, die große Innenheit.<br />

Im Schnee beginnt das Leben weit,<br />

mein Kind, nun kommt die Fröhlichkeit.<br />

Das ist die Mär, die jedes Jahr<br />

erblüht: Dass Nacht das Licht gebar.<br />

(Volksgut)<br />

Drei Könige<br />

(Peter Cornelius)<br />

Drei Könige wandern aus Morgenland;<br />

ein Sternlein führt sie zum Jordanstrand,<br />

in Juda fragen <strong>und</strong> forschen die drei,<br />

wo der neugeborene König sei.<br />

Sie wollen Weihrauch, Myrrhen <strong>und</strong> Gold<br />

dem Kinde spenden zum Opfersold.<br />

Und hell erglänzet des Sternes Schein,<br />

zum Stalle ziehen die Könige ein,<br />

das Knäblein schauen sie wonniglich,<br />

anbetend neigen die Könige sich.<br />

Sie bringen Weihrauch, Myrrhen <strong>und</strong> Gold<br />

zum Opfer dar dem Knäblein hold.<br />

O Menschenkind, halte treulich Schritt,<br />

die Könige wandern, o wand´re mit!<br />

Der Stern der Liebe, der Gnade Stern<br />

erhellt dein Ziel, so du suchst den Herrn.<br />

Und fehlen Weihrauch, Myrrhen <strong>und</strong> Gold,<br />

schenke dein Herz dem Knäblein hold!<br />

(Rainer Maria Rilke)


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Friede auf Erden<br />

Da die Hirten ihre Herde<br />

ließen <strong>und</strong> des Engels Worte<br />

trugen durch die nied´re Pforte<br />

zu der Mutter <strong>und</strong> dem Kind,<br />

fuhr das himmlische Gesind´<br />

fort, im Sternenraum zu singen,<br />

fuhr der Himmel fort zu klingen:<br />

„Friede, Friede auf der Erde!“<br />

Seit die Engel so geraten,<br />

o wie viele blut´ge Taten<br />

hat der Streit auf wildem Pferde,<br />

der geharnischte, vollbracht!<br />

In wie mancher heil´gen Nacht<br />

sang der Chor der Geister zagend,<br />

dringlich flehend, leis wehklagend:<br />

„Friede, Friede ... auf der Erde!“<br />

Doch es ist ein ew´ger Glaube,<br />

dass der Schwache nicht zum Raube<br />

jeder frechen Mordgebärde<br />

werde fallen allezeit!<br />

Etwas wie Gerechtigkeit<br />

weht <strong>und</strong> wirkt in Mord <strong>und</strong> Grauen,<br />

<strong>und</strong> ein Reich will sich erbauen,<br />

das den Frieden sucht der Erde.<br />

Mählich wird es sich gestalten,<br />

seines heil´gen Amtes walten,<br />

Waffen schmieden ohne Fährde,<br />

Flammenschwerter für das Recht,<br />

<strong>und</strong> ein königlich Geschlecht<br />

wird erblüh´n mit starken Söhnen,<br />

dessen helle Tuben dröhnen:<br />

„Friede, Friede auf der Erde!“<br />

Heilige Tage<br />

Bist du in Öde <strong>und</strong> Alltagsstaub<br />

das liebe Jahr lang gegangen?<br />

Lag deine Seele wie blind <strong>und</strong> taub<br />

in tausend Sorgen gefangen?<br />

Hast du von Morgen bis Mitternacht<br />

nichts als Klage <strong>und</strong> Plage?<br />

Arme Seele, nimm dich in acht,<br />

es kommen seltsame Tage!<br />

Du spürst ihr Nahen schon w<strong>und</strong>erbar,<br />

ein holdes himmlisches Treiben.<br />

Die Sterne winken dir groß <strong>und</strong> klar<br />

Von oben her durch die Scheiben.<br />

Und Englein huschen am Gartenzaun,


www.grabbe-contacts.conne.net 81<br />

krausköpfig´ Flügelgesindel,<br />

<strong>und</strong> tuscheln leise im Abendgrau´n<br />

von Christkinds Krippe <strong>und</strong> Windel.<br />

Verstohlen steigt es wie Tannenduft<br />

dir nach auf Treppen <strong>und</strong> Gängen,<br />

ein Singen geht durch die Winterlauft,<br />

das bleibt im Ohre dir hängen.<br />

Ach, alte Lieder von liebem Klang –<br />

die Mutter sang sie vor Zeit –<br />

<strong>und</strong> es pocht das Herz dir so selig bang –<br />

als müsse das Christkind läuten.<br />

Und die Glocken dringen von jedem Turm<br />

über den Schnee der Gassen;<br />

da wird der heilige Liebestraum<br />

auch dir die Seele erfassen, -<br />

<strong>und</strong> der Schrei der schluchzenden Sehnsucht bricht<br />

dir heiß von zuckender Lippe:<br />

Zünde auch mir dein Himmelslicht,<br />

heiliges Kind in der Krippe!<br />

(Lulu v. Strauß <strong>und</strong> Torney)<br />

An den Abendstern<br />

Abendstern, der Tag erblasst,<br />

tritt hervor in´s Blau,<br />

dass ich über meiner Last<br />

die Verheißung schau´.<br />

Bote, brüderlich gesandt,<br />

Sternes Ingesind,<br />

der den Drei´n aus Morgenland<br />

Krippe wies <strong>und</strong> Kind!<br />

Über meinem armen Zelt<br />

halt´ ein Weilchen Rast,<br />

sei der immer dunkleren Welt<br />

immer lichter Gast.<br />

Wächter, walte deiner Pflicht,<br />

es ist Schlafenszeit;<br />

sammle vor dein Angesicht,<br />

was der Tag entzweit.<br />

Den, der jetzt noch wandern muss,<br />

mach´ des Weg´s gewiss,<br />

wenn sein Aug´ das deine grüßt<br />

durch die Finsternis.<br />

(Rudolf Alexander Schröder


www.grabbe-contacts.conne.net 82<br />

Zum Advent<br />

Zweitausend Jahre kommst du schon,<br />

dass Fried´ <strong>und</strong> Freud´ auf Erden sei;<br />

<strong>und</strong> immer geht dein Jahr vorbei,<br />

<strong>und</strong> immer sprach die Welt dir Hohn.<br />

Spielt immer noch ihr altes Spiel,<br />

d´rin einer um den ander´n lost.<br />

Du gehst vorbei, blickst ernst <strong>und</strong> still<br />

<strong>und</strong> sprichst <strong>und</strong> lächelst: „Seid getrost.<br />

Wenn Finsternis euch rings umstellt,<br />

da jeder Steig <strong>und</strong> Stern gebricht:<br />

Noch führt ein Weg aus Licht in Licht.<br />

Ich bin´s. Ich überwand die Welt.“<br />

(Rudolf Alexander Schröder)<br />

Wenn die ersten Fröste knistern<br />

in dem Wald bei Bayrisch Moos,<br />

geht ein Wispern <strong>und</strong> ein Flüstern<br />

in den Tannenbäumen los,<br />

ein Gekicher <strong>und</strong> Gesumm<br />

ringsherum.<br />

Tannengeflüster<br />

Eine Tanne lernt Gedichte,<br />

eine Lärche hört ihr zu.<br />

Eine dicke, alte Fichte<br />

sagt verdrießlich: Gebt doch Ruh´!<br />

Kerzenlicht <strong>und</strong> Weihnachtszeit<br />

sind noch weit!<br />

Vier<strong>und</strong>zwanzig lange Tage<br />

wird gekräuselt <strong>und</strong> gestutzt<br />

<strong>und</strong> das Wäldchen ohne Frage<br />

w<strong>und</strong>erhübsch herausgeputzt.<br />

Wer noch fragt: Wieso? Warum?<br />

Der ist dumm.<br />

Was das Flüstern hier bedeutet,<br />

weiß man selbst im Spatzennest:<br />

Jeder Tannenbaum bereitet<br />

sich nun vor auf´s Weihnachtsfest.<br />

Denn ein Weihnachtsbaum zu sein:<br />

Das ist fein!<br />

(James Krüss)


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Marienkind<br />

Nächtlich im Stalle bei Schnee <strong>und</strong> bei Wind –<br />

Mutter Maria, wie arm ist Dein Kind!<br />

Wiegst Du es leise, so lächelt es lind –<br />

Mutter Maria, wie schön ist Dein Kind!<br />

Engel <strong>und</strong> Könige Diener ihm sind –<br />

Mutter Maria, wie reich ist Dein Kind!<br />

(Olga Stückrath-Stawitz)<br />

Die Weihnachtsbäume<br />

Nun kommen die vielen Weihnachtsbäume<br />

aus dem Wald in die Stadt herein.<br />

Träumen sie ihre Waldesträume<br />

weiter beim Laternenschein?<br />

Könnten sie sprechen! Die holden Geschichten<br />

von der Waldfrau, die Märchen webt;<br />

Was wir uns alles erst erdichten,<br />

sie haben das alles wirklich erlebt.<br />

Da steh´n sie nun an den Straßen <strong>und</strong> schauen<br />

w<strong>und</strong>erlich <strong>und</strong> fremd darein,<br />

als ob sie der Zukunft nicht recht trauen;<br />

es muss da was im Werke sein.<br />

Freilich, wenn sie dann in den Stuben<br />

im Schmuck der hellen Kerzen steh´n<br />

<strong>und</strong> den kleinen Mädchen <strong>und</strong> Buben<br />

in die glänzenden Augen seh´n,<br />

dann ist ihnen auf einmal, als hätte<br />

ihnen das alles schon mal geträumt,<br />

als sie noch im Wurzelbette<br />

den stillen Waldweg eingesäumt<br />

Dann stehen sie da, so still <strong>und</strong> selig,<br />

als wäre ihr heimlichstes Wünschen erfüllt,<br />

als hätte sich ihnen doch allmählich<br />

ihres Lebens Sinn enthüllt;<br />

als wären sie für Konfekt <strong>und</strong> Lichter<br />

vorherbestimmt, <strong>und</strong> es müsste so sein.<br />

Und ihre spitzen Nadelgesichter<br />

blicken ganz verklärt darein.


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Auf Eis gelegt<br />

(Kuno)<br />

Ach, wie ist es kalt geworden,<br />

seit der Winter sich bemüht,<br />

uns klimatisch aufzunorden,<br />

dass das Eis am Fenster blüht!<br />

Klirren lässt er es <strong>und</strong> krachen,<br />

keiner hat mehr was zu lachen,<br />

alle Welt ist reifgeweißt,<br />

selbst der Fuß im Schuh vereist!<br />

Alle Wünsche suchen südlich<br />

warme Luft <strong>und</strong> Sonnenbrand.<br />

Ja, da hätte man´s gemütlich,<br />

hingestreckt im heißen Sand.<br />

Warum ward man nicht geboren<br />

am Äquator bei den Mohren,<br />

wo´s am heißen Sonnenrost<br />

weder Schneefall gibt noch Frost!<br />

Nur am Ofen ist´s erträglich<br />

oder auch im warmen Bett.<br />

Draußen aber geht´s uns kläglich,<br />

schützt nicht Wolle uns <strong>und</strong> Fett.<br />

Alle Schönheit geht verloren,<br />

rote Nasen, rote Ohren,<br />

selbst das Herz wird eisig kalt –<br />

lieber Frühling, komm doch bald!<br />

Großvater als Weihnachtsmann am Telefon<br />

(Adolf Ey)<br />

Auf der Weihnachtsmärchenwiese<br />

stapft jetzt täglich uns´re Liese.<br />

Ihre großen Augen seh´n<br />

nur noch Christkindflitter weh´n,<br />

<strong>und</strong> sie späht in jede Ecke,<br />

hebt behutsam jede Decke,<br />

überall riecht´s schon nach Tann.<br />

Kommt denn nicht der Weihnachtsmann?<br />

Horch, mit welch´ besond´rem Tone<br />

klingelt´s da am Telephone?<br />

Schnell die Fußbank! Und das Ohr<br />

hält die Kleine an das Rohr,<br />

stottert: „Liese hier – <strong>und</strong> dorten ?“<br />

Und wie von des Himmels Pforten<br />

tönt es tief <strong>und</strong> feierlich:<br />

„Kind, der Weihnachtsmann bin ich!“<br />

O, wie zittern da die Beinchen!<br />

O, wie knickst da unser Kleinchen,


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ruft verschämt, als hätte sie<br />

schon die Frage irgendwie<br />

von den Lippen ihm gelesen:<br />

„Artig bin ich sehr gewesen!“<br />

„Gut, dass ich das hör´, mein Kind!<br />

Weiter muss ich wie der Wind.<br />

Hab´ noch vieles zu besorgen,<br />

komme zu dir übermorgen.“<br />

Schluss! – Ach Gott! wie da in Hast<br />

Sie sich an das Köpfchen fasst!<br />

Dieser Schrecken! Dieser Kummer!<br />

„Ach, ich hab´nach seiner Nummer<br />

nicht gefragt!“ Sie klingelt an.<br />

„Bitte, Fräulein, Weihnachtsmann!“<br />

Rauhreif vor Weihnachten<br />

(Anna Ritter)<br />

Das Christkind ist durch den Wald gegangen,<br />

sein Schleier blieb an den Zweigen hangen.<br />

Da fror er fest in der Winterluft<br />

<strong>und</strong> glänzt heut´ morgen wie lauter Duft.<br />

Ich gehe still durch des Christkinds Garten.<br />

Im Herzen regt sich ein süß´ Erwarten:<br />

Ist schon die Erde so reich bedacht,<br />

was hat es mir da erst mitgebracht!<br />

Was das Christkind dazu sagt<br />

(Volksgut)<br />

Das Christkindlein bin ich genannt,<br />

den frommen Kindern wohlbekannt,<br />

die ihren Eltern gehorsam sei´n,<br />

die früh aufsteh´n <strong>und</strong> beten gern,<br />

denen will ich alles bescher´n.<br />

Die aber solche Holzblöck´ sein,<br />

die schlagen ihre Schwesterlein<br />

<strong>und</strong> necken ihre Brüderlein,<br />

steckt Ruprecht in den Sack hinein.


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Engel ihr habt es fein<br />

(Max Schmerler)<br />

Engel, ihr habt es fein!<br />

Dürft stets beim Christkind sein<br />

<strong>und</strong> beim Knecht Ruprecht.<br />

Lest ihm die Briefe vor,<br />

macht Ruprecht auf das Tor,<br />

wenn er müd´ heimkommt.<br />

Zieht ihm die Stiefel ab,<br />

schleppt Filzschuh´ her im Trab,<br />

stopft ihm die Pfeife.<br />

Langt ihm das Spielzeug zu,<br />

das er in aller Ruh´<br />

tief in den Sack steckt.<br />

Ist er dann wieder fort,<br />

nehmt ihr vom Spielzeug dort,<br />

was noch herumliegt.<br />

Der reitet Steckenpferd,<br />

der mit dem Bahnzug fährt,<br />

der trommelt laut.<br />

Und mit dem Heil´gen Christ<br />

Fliegt ihr, wenn Weihnacht ist,<br />

nieder zur Erde.<br />

Wär´ ich ein Engelein!<br />

Will brav <strong>und</strong> fromm stets sein,<br />

dass ich eins werde.<br />

Vom Christkind<br />

(Anna Ritter)<br />

Denkt euch – ich habe das Christkind geseh´n!<br />

Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee,<br />

mit rot gefrorenem Näschen.<br />

Die kleinen Hände taten ihm weh;<br />

denn es trug einen Sack, der war gar schwer,<br />

schleppte <strong>und</strong> polterte hinter ihm her. –<br />

Was d´rin war, möchtet ihr wissen?<br />

Ihr Naseweise, ihr Schelmenpack –<br />

meint ihr, er wäre offen, der Sack?<br />

Zugeb<strong>und</strong>en bis oben hin!<br />

Doch war gewiss was Schönes d´rin:<br />

Es roch so nach Äpfeln <strong>und</strong> Nüssen.


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Weihnachten<br />

(Albert Sergel)<br />

Über die Hütte weht der Wind,<br />

wo Joseph <strong>und</strong> Maria sind.<br />

In den Ritzen Heu <strong>und</strong> Stroh<br />

<strong>und</strong> die beiden w<strong>und</strong>erfroh.<br />

In dem allerärmsten Haus<br />

geht ein Glanz von dem Kinde aus,<br />

das in dieser sel´gen Nacht<br />

in der Krippe liegt <strong>und</strong> lacht.<br />

Engel kommen <strong>und</strong> wiegen es ein,<br />

das ist das süße Jesulein.<br />

Ganz allein<br />

(Heinrich Scharrelmann)<br />

Ich bin ganz allein zu Hause,<br />

Mutter ging zum Weihnachtsmann!<br />

Hat ihm vieles zu erzählen,<br />

was sie mir nicht sagen kann.<br />

Pussi schläft beim warmen Ofen,<br />

<strong>und</strong> sie träumt <strong>und</strong> schnarcht <strong>und</strong> spinnt,<br />

leise tickt die alte Wanduhr,<br />

ich ich wieg´ mein Puppenkind.<br />

Dunkel wird es schon am Himmel,<br />

da ist schon ein großer Stern. –<br />

Peitschen knallen, Mädchen singen,<br />

Räder rollen in der Fern´.<br />

Sieh nur, auf der ander´n Seite<br />

uns´rer Straße steht ein Haus,<br />

darin stöhnen Dampfmaschinen,<br />

Menschen gehen ein <strong>und</strong> aus.<br />

<strong>Aus</strong> dem hohen Schornstein fliegen<br />

helle Funken in die Nacht. –<br />

Ei, wer kommt? – Es ist die Mutter!<br />

- - - - -<br />

Hast du mir was mitgebracht?


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Im Kaufhaus der Erwachsenen<br />

I.<br />

So tritt man ein:<br />

Die Welt ist mein!<br />

Das Auge schweift in Majestät,<br />

(scheckkartengroß Probleme des Bezahlens), -<br />

so eilt man nicht, vielmehr, man geht<br />

<strong>und</strong> kontrolliert, vergleicht die Preise,<br />

man defiliert in alter Weise;<br />

Regale werden musternd abgeschritten,<br />

der Feldherr lässt sich Zeit. In Ganges Mitten<br />

bestaunt, durchprüft <strong>und</strong> kritisiert er,<br />

erinnernd sich von ungefähr,<br />

belädt den Wagen, schiebt die Schätze,<br />

errüpelt sich die besten Plätze,<br />

macht an der Kasse endlich Halt;<br />

dass and´re warten, lässt ihn kalt,<br />

zückt gravitätisch einen Scheck,<br />

hebt an, gemächlich auszufüllen,<br />

steckt alles sorgsam wieder weg,<br />

erfüllt der Dame ihren Willen<br />

<strong>und</strong> räumt am Ende missgelaunt den Gang der Kasse,<br />

indes nachrückend drängt die zorn´ge Masse.<br />

Spitzbübisch pfeifend trollt sich, was missfällt -:<br />

Ihn stört das nicht. ER ist der Held!<br />

• * * * * *


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II.<br />

Im Kaufhaus der Erwachsenenwelt<br />

durchwandert man dieWarengänge,<br />

<strong>und</strong> manches schwer verdiente Geld<br />

bringt sie hernach in Zahlungszwänge<br />

Man will so viel <strong>und</strong> braucht so wenig,<br />

man „richtet sich das Leben ein“<br />

<strong>und</strong> fühlt sich noch als Kaufhauskönig<br />

<strong>und</strong> freut sich seines Herrscherscheins.<br />

Die nichts verdienen, schauen ärmlich,<br />

sind wunschgeplagt: Wohlstands-Statisten.<br />

Zwar dauern uns, die so erbärmlich,<br />

doch müssen sie ihr Dasein fristen!<br />

Willst du den Reichtum frech genießen,<br />

so spare mit Verschwendung nicht:<br />

Sobald bei and´ren Tränen fließen,<br />

mach´ Selbstgerechtigkeit zur Pflicht.<br />

Entdeckst du große Kinderaugen,<br />

wenn du genüsslich Eis beschleckst,<br />

so wisse oder magst es glauben,<br />

dass deren Appetit nur wächst!<br />

Entwurf: Model<br />

* * * *<br />

<strong>Aus</strong> dem Muster-Katalog einer Model-Agentur<br />

Nur schön - haut-dekorativ,<br />

ohne zu wissen, wem er / sie lebt,<br />

geklontes Lächeln,<br />

getünchte Schönheitsindustrie,<br />

kaufhausgestylte Unberührbarkeit,<br />

kritisches Ich-Überprüfen,<br />

Tapetenwärme; Naturerleben als Kulisse,<br />

herbeigewünschte Hintergründigkeit,<br />

gestelzter Überkreuz-Gang,<br />

gespielte Koketterie,<br />

Suggestiv-Frivolität zwecks<br />

identitätsgehöhlter Abhol-Garderobe.<br />

Und was steht auf dem Friedhofs-Kreuz?

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