Grußwort Johannes Böcker - AMIDEA
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Sehr geehrter Herr Ministerialdirektor Thomas Halder,<br />
Stuttgart, 27.04.2009<br />
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Landtags von Baden-Württemberg,<br />
sehr geehrte Frau Dressler,<br />
meine sehr geehrten Damen und Herren,<br />
liebe Gäste und Anwesende!<br />
„Lebensqualität und Menschenwürde, das geht alle an“<br />
Als Vorsitzender der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg möchte<br />
ich Sie im Namen aller Organisatoren ganz herzlich zum heutigen zweiten Landes-<br />
psychiatrietag begrüßen.<br />
Ein so volles Haus, wie Sie es heute hier sehen, erfreut selbstredend die Veranstalter<br />
von Herzen. Es sieht so aus, als haben wir mit diesem Tag ein Angebot geschaffen,<br />
das offensichtlich zur richtigen Zeit und mit den passenden Gesprächspartnern ein<br />
Thema von besonderer Relevanz aufgreift.<br />
Wir freuen uns deshalb sehr, dass Frau Sozialministerin Dr. Monika Stolz auch für<br />
diesen zweiten Landespsychiatrietag die Schirmherrschaft übernommen hat.<br />
Wie kommt es zu dieser heutigen Veranstaltung und wer steht dahinter?<br />
Der Landespsychiatrietag geht auf die Idee eines Vertreters der Angehörigen zurück.<br />
Er hatte vor fünf Jahren erstmals einen Landespsychiatrietag für das Land Baden-<br />
Württemberg angeregt. Nach dem Erfolg des ersten Landespsychiatrietages 2006<br />
treffen wir uns heute wieder, um zur Situation psychisch kranker Menschen das<br />
Gespräch fortzusetzen.<br />
Aber auch dieses Mal gibt es eine Premiere: Erstmals würdigen wir die Kunst<br />
psychiatrieerfahrener Künstlerinnen und Künstler.<br />
Hinter dem Landespsychiatrietag stehen folgende landesweit organisierte Verbände<br />
� die Psychiatrie-Erfahrenen<br />
� die Angehörigen psychisch Kranker<br />
� die Gemeindepsychiatrie<br />
� die Nervenärzte<br />
� die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie<br />
� die Liga der freien Wohlfahrtspflege<br />
� und der Verein der Krankenhauspsychiater<br />
Liga der freien Wohlfahrtspflege e.V. Stauffenbergstraße 3, 70173 Stuttgart ...
Diese doch recht heterogene Veranstaltergruppe einte in der Vorbereitungszeit ein<br />
Wunsch und eine Botschaft: Alle finden sich unter dem Motto des Tages wieder:<br />
„Lebensqualität und Menschenwürde, das geht alle an.“<br />
Was erwartet Sie heute?<br />
Wie Sie dem vielfältigen Programm entnehmen können, werden viele (nicht alle!)<br />
aktuelle Themen der Psychiatrie angesprochen. Die Organisatoren haben die Schwer-<br />
punkte auf folgende Bereiche gelegt:<br />
Psychische Erkrankungen sind heute kein Randthema der Gesellschaft mehr, vielleicht<br />
waren sie das noch nie. Das Krankwerden der Psyche hat Auswirkungen auf<br />
viele Lebensbereiche eines Menschen - und das in allen Phasen seiner Biographie.<br />
Lassen Sie mich einige Beispiele aus dem heutigen Programm herausgreifen:<br />
1. Kindheit und Jugend ist aus psychiatrischer Sicht eine wichtige biographische<br />
Phase: Kinder- und Jugendliche werden häufig aus ihrer „normalen“ Schul- oder Aus-<br />
bildungsbiographie durch eine psychische Erkrankung hinaus geworfen. Der Übergang<br />
ins Erwachsenenalter kann sich deutlich schwieriger als bei Altersgenossen gestalten.<br />
Auch in der Lebensphase Alter kann es Probleme geben: Wenn es sich zeigt, dass<br />
neben der psychischen Erkrankung zusätzlich Pflege benötigt wird, dann sehen sich<br />
die betroffenen Menschen häufig einem Dschungel an Rechtslagen oder Bürokratie<br />
ausgesetzt. – Diese sogenannte Versäulung unserer Rechtskreise in den sozialen<br />
Sektoren muss im Interesse der Betroffenen überwunden werden.<br />
2. In unserer aktuellen gesellschaftlichen Situation muss selbstverständlich auf den<br />
Zusammenhang krankheitsfördernder Aspekte der Lebensgestaltung in materieller<br />
Armut und Unsicherheit hingewiesen werden. Wir alle wissen, dass die Startbedin-<br />
gungen in unserer Gesellschaft ausgesprochen unterschiedlich sind. Die Zugänge zu<br />
Hilfen und Leistungen sind für Menschen in prekären Lebenslagen erschwert.<br />
Somatisch Kranken werden selbstverständlich ambulante Pflegeleistungen bewilligt.<br />
Die Umsetzung in der psychiatrisch-häuslichen Pflege ist demgegenüber nach wie vor<br />
völlig offen.<br />
3. Ein weiterer Lebensbereich ist das Thema Arbeit. Die Teilhabe an und die Integra-<br />
tion in Arbeit ist für psychisch Kranke von zentraler Bedeutung. Auch hier muss<br />
Rechtssicherheit gewährleistet sein, die Zu- und Übergänge in den ersten Arbeits-<br />
markt müssen in größerem Umfang als heute geschaffen werden. Auch innerbetrieb-<br />
liche Unterstützungsmöglichkeiten müssten noch ausgebaut werden, denn immerhin<br />
ist psychische Erkrankung laut aktuellen Meldungen der AOK und der BARMER Ersatz-<br />
kasse die Ursache und Nr. 1 für Krankmeldungen.<br />
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Neben diesen drei ausgewählten Themen aus unterschiedlichen Lebensbereichen be-<br />
schäftigt sich der Landespsychiatrietag natürlich auch mit qualitativen Aspekten der<br />
Behandlung:<br />
Die Finanzierung von Therapien, hier insbesondere die Psychotherapie und die Sozio-<br />
therapie stoßen aus finanziellen Gründen immer wieder auf Widerstände bei den<br />
Kostenträgern. Das gleiche gilt für auch andere Behandlungsansätze, wie Soteria,<br />
deren Nutzen für die Organisatoren erwiesen ist. Kommt es dazu noch innerhalb der<br />
Kassen zu unterschiedlichen Handhabungen, so führt dies für Betroffene häufig zu<br />
großen Unsicherheiten.<br />
Aus Sicht der Organisatoren des heutigen Tages müssen die Zugänge zu den unter-<br />
schiedlichen Hilfeformen sowie die allgemein verfügbaren Informationen darüber deut-<br />
lich verbessert werden. Auch damit werden Sie sich im Rahmen des Programms aus-<br />
einandersetzen können.<br />
Ein weiteres Thema war uns wichtig: Unterstützung bei psychischer Erkrankung be-<br />
wegt sich in einem Spannungsfeld zwischen selbstbestimmtem Leben und der Not-<br />
wendigkeit, Hilfe anzunehmen. Deshalb gehört heute auch die Auseinandersetzung<br />
mit der Frage nach der „Hilfe wider Willen“ oder auch dem Zwang in der Psychiatrie<br />
und Einrichtungen der Psychiatrie zu unserem Programm.<br />
Das besondere Anliegen aller Beteiligten dieses Landespsychiatrietages ist das<br />
Engagement gegen Stigmatisierung von psychisch Kranken. So unterstützt der<br />
Landespsychiatrietag besonders die Selbstorganisation psychiatrieerfahrener Men-<br />
schen in Selbsthilfeprojekten, um die Lebensqualität für sich und andere zu stärken.<br />
Ein beeindruckendes Beispiel ist das Projekt EX-IN, das heute vorgestellt wird.<br />
In diesen Kontext möchte ich auch den Kunstpreis des Landespsychiatrietages „so<br />
gesehen …“ stellen, der gleich anschließend von Herrn Ministerialdirektor Thomas<br />
Halder verliehen wird. Dieser Preis wurde erstmalig ausgeschrieben und hat alle be-<br />
teiligten Organisatoren durch ein sehr großes Interesse von insgesamt 340 Einsen-<br />
dungen und vielen Nachfragen aus ganz Baden-Württemberg vollständig überrascht.<br />
Dies zeigt uns, dass es an der Zeit war, in Baden-Württemberg der Kunst psychiatrie-<br />
erfahrener Künstlerinnen und Künstler einen Ort zu geben. Es zeigt uns auch, dass<br />
das Signal der Wertschätzung für ihr Geschaffenes angekommen ist.<br />
Sie sehen, es erwartet Sie ein interessantes und abwechslungsreiches Programm.<br />
Lassen Sie uns gemeinsam<br />
nachdenken über Verbesserungsmöglichkeiten in der Sozialpsychiatrie<br />
uns einmischen und damit ein Zeichen setzen zur Verbesserung der Lebensqualität<br />
und zur Entstigmatisierung psychisch Kranker bzw. seelisch behinderter Menschen.<br />
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Begegnen und austauschen im Sinne einer Plattform für die Selbsthilfe, die<br />
ehrenamtlichen BürgerhelferInnen, die Profis, die Politik, die Verwaltung und die<br />
Wirtschaft,<br />
begleiten im Sinne von vernetzen und<br />
bewegen, um Schwachstellen in der Versorgung aufzuzeigen, aber viel mehr, um<br />
Beispiele aufzuzeigen, wie es denn gehen kann.<br />
An den Schluss stelle ich einen sehr motivierenden Satz von Bertold Brecht, der im<br />
„Guten Menschen von Sezuan“ schrieb: „Keinen verderben zu lassen, auch nicht sich<br />
selber, jeden mit Glück erfüllen, auch sich, das ist gut.“<br />
Nun wünsche ich Ihnen einen Tag mit interessanten Impulsen und Gesprächen<br />
– und der 2. Landespsychiatrietag 2009 ist hiermit eröffnet.<br />
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.<br />
Ich darf nun Herrn Ministerialdirektor Halder um sein <strong>Grußwort</strong> bitten.<br />
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