Ergebnisse, Paul Peghini - AMIDEA
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Landespsychiatrietag Stuttgart – 28 03 09<br />
<strong>Ergebnisse</strong> aus dem Forum 3 „Sucht und psychische Gesundheit“ (Teilnehmerzahl 63)<br />
Das im Forum 3 ausgelegte Handout 3 (kann, wenn nicht vorhanden, per E-Mail bezogen<br />
werden) beschreibt die Fakten der Zunahme komorbider Patienten, vor allem bei<br />
Jugendlichen und fehlenden Behandlungsmöglichkeiten mit Aussicht auf andauernde<br />
Heilung.<br />
Teilnehmer auf dem Podium:<br />
• Dr. Herbert Scheiblich, niedergel. Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in<br />
Altensteig und Vorsitzender des BV niedergel. Psychiater in BW<br />
• Renate Dorsch, Heilbronn, betroffene Angehörige eines Sohns mit Doppeldiagnose,<br />
derzeit symptomfrei und Vorsitzende des BV der Elternkreise suchtgefährdeter und<br />
suchtkranker Söhne und Töchter e.V.<br />
• BV drogengefährdeter Jugendlicher<br />
• <strong>Paul</strong> <strong>Peghini</strong>, Angehöriger einer Tochter mit Doppeldiagnose und Vorsitzender des<br />
LV BW der Angehörigen psych. Kranker e.V.<br />
Dr. Scheiblich eröffnet das Forum mit einem PPT Vortrag „psychisch krank“ und süchtig“,<br />
der auf Ursachen, Krankheitsbilder, Heilungsmöglichkeiten, Schwierigkeiten in der<br />
Behandlung, fehlende Behandlungsmöglichkeiten usw. hinweist. Der Vortrag wird<br />
gleichzeitig mitgesendet bzw. kann angefordert werden.<br />
Renate Dorsch schildert die „Karriere“ ihres Sohns mit allen Höhen und Tiefen sowie die<br />
nahezu ausgestandenen Behinderungen aufgrund einer Doppeldiagnose und immer noch dem<br />
Risiko eines Rückfalls. Fr. Dorsch weist auf die auch in BW vorhandenen Elternkreise<br />
drogengefährdeter und –abhängiger Jugendlicher hin, die sich gegenseitig stützen, beraten<br />
und nach gemeinsamen Lösungen suchen. Auskünfte über redo@wedoarts.de.<br />
<strong>Paul</strong> <strong>Peghini</strong> schildert die gleiche „Karriere“ seiner Tochter, die seit vielen Jahren über die<br />
Suchtmittel in die Schizophrenie stürzte und seit Jahren als chronisch psych. Kranke in einem<br />
Heim lebt. Der LV BW der Angehörigen psychisch Kranker hat nicht nur einen engen<br />
Kontakt mit den Elternkreisen, sondern hat darüber hinaus bereits 2007 im Rahmen des<br />
Lindauer Kreises ein erstes Symposium der Angehörigen aus Deutschland, der Schweiz und<br />
Österreich in Lindau über das Thema „Doppeldiagnose“ mitgestaltet.<br />
Die Kommentare, Fragen und Anregungen der Forumteilnehmer sind nachstehend aufgeführt:<br />
1. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es in BW? Gibt es<br />
Parallelbehandlungsmöglichkeiten, wo beide Krankheitsbilder gleichzeitig behandelt<br />
werden? Die Frage wurde weitgehend verneint. Es gibt wenige Kliniken, so u. a. in<br />
Heiligkreuzsteinach/Eiterbach, Odenwald und die Fachklinik zur Alten Post in<br />
Baiersbronn - Schönmünzach, Schwarzwald.<br />
2. Wirkung beim Drogenentzug: Dr. Scheiblich sagt aus, dass beim Entzug eines<br />
Suchtmittels i. d. R. ein starkes Verlangen nach einer Ersatzdroge (z. B. Nikotin,<br />
Coffein) besteht.<br />
Nicht nur die klassischen „Drogen“, wie Cannabis, Kokain, Heroin, Amphetamine,<br />
LSD, Ecstasy (XTC) usw. sind die Hauptverursacher einer Abhängigkeit und<br />
Verursacher einer psych. Krankheit, sondern ebenso der Alkoholkonsum, der oft
leibende organische Schäden verursacht. Monika K., Mitglied der Al-Anon<br />
Familiengruppen für Angehörige und Freunde von Alkoholikern schildert die<br />
Schicksale der Angehörigen und weist auf die Möglichkeiten hin, sich den<br />
Selbsthilfegruppen der Al Anon anzuschließen.<br />
3. Bereits bei der stationären Behandlungen werden die Patienten mit verschiedenen<br />
Krankheitsbildern und – vor allem – mit gravierenden Altersunterschieden<br />
(Jugendliche in Erwachsenenstationen) konfrontiert. In diesem Klima wird die<br />
Motivation des Patienten geschwächt.<br />
4. Selbst in geschlossenen Abteilungen hat der Patient Möglichkeiten, wieder an „seine“<br />
Droge heranzukommen.<br />
5.<br />
„Mir ist wichtig, den Schwachpunkt in der Betreuung bei Patienten mit<br />
Doppeldiagnose stärker hervorzuheben. Patienten mit diesem Krankheitsbild werden<br />
vom Sozial-Psychiatrischen Dienst ( SPD) zunächst an einen Suchtberater verwiesen,<br />
damit das Alkoholproblem gelöst werden soll, erst danach will der SPD die<br />
Betreuung aufnehmen. Ich bin der Meinung, dass man die Krankheitsbilder nicht<br />
getrennt behandeln kann und darf. Der Mensch trinkt, weil er im Leben nicht zurecht<br />
kommt, weil er überfordert ist, weil er scheitert, weil......... . Die Ursachen sind<br />
überwiegend in der Psyche des Menschen zu suchen. Der Alkohol macht nur die<br />
psychische Erkrankung sichtbar. Beide Krankheitsbilder sind miteinander verzahnt,<br />
daher muss das Heilverfahren parallel beide Krankheitsbilder gleichzeitig<br />
berücksichtigen und abdecken.“ (wörtliches Zitat eines Teilnehmers)<br />
6. Viele psych. Abteilungen entlassen oft sehr schnell die Patienten, wenn diese<br />
Suchtmittel konsumieren und somit nicht krankheitseinsichtig sind.<br />
7. Früh, oft zu früh entlassen, wird der komorbide Patient dem Alltag „überlassen“. Viele<br />
Rückfälle, da einmal nicht alle ambulanten Angebote genutzt werden, und zum<br />
anderen diese nicht überall flächendeckend vorhanden sind.<br />
8. Aussage einer Krankenschwester aus einem psych. Universitätsklinikum: „Man sehnt<br />
sich manchmal nach dem „normalen“ schizophrenen Patienten, da immer mehr<br />
Patienten – mehrheitlich Jugendliche – mit Drogenerfahrung und kriminellem<br />
Hintergrund die Stationen „füllen“. Aggressionen und ein wenig motivierendes<br />
Behandlungsklima machen Erfolge oft zunichte.<br />
9. Eine professionell arbeitende Einrichtung für Mädchen mit Drogenerfahrungen und<br />
psych. Erkrankungen wird häufig von den Krankenkassen abgelehnt und auf<br />
preiswertere Einrichtungen verwiesen. Am falschen Ende gespart?<br />
10. Die ambulante Nachsorge benötigt viele Monate. Risiko, dass der Patient wieder<br />
rückfällig wird.<br />
11. Die Fragen nach einer nachhaltigen und erfolgreichen Behandlung konnte nicht<br />
beantwortet werden.<br />
12. Aufgrund des heute wesentlich höheren Wirkstoffgehalts ist Cannabis-Konsum<br />
erheblich gefährlicher geworden. „Wer heute Cannabis nimmt, spielt mit seinem<br />
Gehirn!“ (Dr. Scheiblich<br />
13. Medikamenteinsatz: Dr. Scheiblich antwortet auf viele Fragen zu diesem Thema: in<br />
der Anfangsphase einer Doppeldiagnose kann auf Medikamenteneinsatz nicht<br />
verzichtet werden. Problem: Hausärzte – manchmal nicht ausreichend qualifiziert für<br />
die Behandlung psych. Krankheiten – verschreiben ein Medikament mit dem Risiko,<br />
dass es nicht „bedürfnisangepasst“ ist. Kliniken und Fachärzte sind da besser geeignet.<br />
Die Fragen nach abhängigmachenden Medikamenten – u. a. Tavor – wurden ebenfalls
Fazit:<br />
diskutiert. Psychopharmaka machen (mit Ausnahme der Tranquilizer, insbes.<br />
Benzodiazepine) nicht abhängig.<br />
14. Der Einfluss der Schule schwindet: Jugendliche sehen weder im Elternhaus noch in<br />
der Schule Vorbilder. Diese werden in eigenen Peergruppen gesucht und gefunden –<br />
mit z. T. verheerenden Folgen.<br />
• Steigende Zahlen von komorbiden Patienten – vor allem Jugendlichen<br />
• Langwierige, teure und z. T. erfolglose Behandlung<br />
• Derzeit praktisch keine gleichzeitige Behandlung der beiden komorbiden<br />
Krankheitsbilder<br />
• Es fehlen Reha- Einrichtungen sowie eine finanziell abgesicherte und fachlich<br />
kompetente Nachsorge über sozialpsychiatrische Einrichtungen, und zwar<br />
flächendeckend und wohnortnah.<br />
Was stimmt optimistisch?<br />
• Ein anwesender Teilnehmer berichtet dass er trotz vieler Jahre mit Doppeldiagnose<br />
wieder völlig stabilisiert werden konnte.<br />
• Das Kultusministerium und das Sozialministerium haben zum ersten Mal Symposien<br />
in Mannheim, Freiburg und Ulm veranstaltet: Für Lehrkräfte mit dem Thema: „Psych.<br />
Erkrankungen für Jugendliche und junge Erwachsene im Schulalltag“. Damit wird die<br />
Schule sensibilisiert, und die Lehrer sind offener für die mit psychischen<br />
Erkrankungen zusammenhängenden Probleme.<br />
• Präventionsveranstaltungen, wo auf die Risiken von Suchtmitteln hingewiesen wird -<br />
bereits durch geführt u. a. in Biberach, Stuttgart, Baden- Baden (DVD Film „ein Tag<br />
wie jeder andere“, zu beziehen bei der Stadt Karlsruhe, Abt. Kinder und Jugendliche,<br />
Frau Pfortner).<br />
Was ist zu tun?<br />
• Krankenhäuser, Fach- und Hausärzte, sozialpsychiatrische Einrichtungen, Schulen und<br />
die Öffentlichkeit sensibilisieren.<br />
• Präventionsveranstaltungen<br />
• Mehr finanzielle Mittel einsetzen = preiswerter als jahrelange – oft erfolglose –<br />
Behandlung<br />
Literaturhinweis:<br />
„Komorbidität – Psychose und Sucht“<br />
von Dr. Gouzoulis-Mayfrank<br />
Verlag Steinkopf, Darmstadt<br />
ISBN 3-7985-1376-7<br />
Broschüre ‚Sucht und psychische Erkrankung - Was tun bei Doppeldiagnose? –<br />
eine Orientierungshilfe von Eltern für Eltern “ Die Broschüren sind als Einzelexemplar bei
der Geschäftsstelle des Bundesverbandes der Elternkreise unter der Mail info@bvek.org - Eine kleine<br />
Spende für die Erstattung der Portokosten ist willkommen.<br />
P. <strong>Peghini</strong>,<br />
Landesverband Bad-Württ. der Angehörigen<br />
Psychisch Kranker e. V.