Polypharmazie im Alter und bei Gebrechlichkeit - Sozialwerk ...
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Vorbemerkungen<br />
<strong>Polypharmazie</strong> <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> <strong>und</strong> <strong>bei</strong> <strong>Gebrechlichkeit</strong><br />
- individualisierte Supervidierte MedikamentenOpt<strong>im</strong>ierung (iSMO) -<br />
Was spricht für „ Medikamente reduzieren“ ?<br />
• Verdacht auf Medikamenten-‐Nebenwirkungen<br />
• Patient fühlt sich trotz vieler Medikamente nicht gut, schlechter Appetit, Gewichtsverlust<br />
• Therapieziele trotz vieler Medikamente nicht erreicht (z.B. Diabeteseinstellung)<br />
• therapeutische Polypragmasie ohne klares, für Patienten relevantes Therapieziel<br />
• stark eingeschränkte Nierenfunktion (eGFR
gehen auf das Konto von NSAR <strong>und</strong> ASS (1)<br />
Herz-‐Kreislauf-‐Medikamente<br />
Antihypertensiva • Die Lehren aus den Hypertoniestudien SHEP<br />
(1991) <strong>und</strong> HYVET (2008) mit Alten treffen zu<br />
(auch Alte profitieren von RR-‐Senkung), aber:<br />
in diesen Studien waren fitte Alte vertreten,<br />
auf Mult<strong>im</strong>orbidität <strong>und</strong> <strong>Gebrechlichkeit</strong> lässt<br />
sich daher nicht rückschließen<br />
• gebrechliche Senioren mit höherem RR leben<br />
länger. Je gebrechlicher, desto größer die Zu-‐<br />
rückhaltung be<strong>im</strong> RR-‐Senken!<br />
• RR-‐Werte
orale<br />
Antikoagulantien<br />
(Phenprocoumon)<br />
orale<br />
Antikoagulantien<br />
(Dabigatran, Rivarox-‐<br />
aban)<br />
Schlaganfall<br />
• auch die pr<strong>im</strong>är präventive Senkung eines<br />
erhöhten Cholesterinspiegels ist be<strong>im</strong> Hoch-‐<br />
altrigen nicht indiziert<br />
• wahrscheinlich haben Statine in dieser Ziel-‐<br />
gruppe keine lebensverlängernde Wirkung<br />
trotz nachweisbarer Effektivität auf kardiovas-‐<br />
kuläre Ereignisse<br />
• muskelschwächender Effekt möglich<br />
• klassische Myositis mit CK ist selten<br />
• Patienten mit „Demenz“ sind in den einschlä-‐<br />
gigen Studien, die den Nutzen einer oralen<br />
Antikoagulation (OAK) <strong>bei</strong> Vorhoffl<strong>im</strong>mern be-‐<br />
legen, oft ausgeschlossen gewesen. Meist ist<br />
aber schlecht definiert, wie schwer die De-‐<br />
menz sein darf <strong>und</strong> wo der „cut off“ liegt.<br />
• Stürze werden als Argument contra Antikoa-‐<br />
gulation wahrscheinlich überbewertet.<br />
• das jährliche Schlaganfallrisiko <strong>bei</strong> Vorhof-‐<br />
fl<strong>im</strong>mern liegt ohne Risikofaktoren (CHADS2-‐<br />
Score=0) <strong>bei</strong> ca. 1% <strong>und</strong> steigt bis zum max.<br />
CHADS2-‐Wert von 6 Punktern auf ca. 15%. Je<br />
eingeschränkter die Restlebenserwartung<br />
durch andere Krankheiten, Mult<strong>im</strong>orbidität<br />
<strong>und</strong> <strong>Gebrechlichkeit</strong>, desto weniger Sinn<br />
macht OAK<br />
• <strong>bei</strong> einem Barthel-‐Index von 80-‐jährigen<br />
• ist die Wirksamkeit von Statinen nicht erwiesen<br />
• nicht geben <strong>bei</strong> Mult<strong>im</strong>orbidität, <strong>Gebrechlichkeit</strong>,<br />
fortgeschrittener Demenz oder Sturzanamnese<br />
• oft schwierige Abwägungen!<br />
• neben CHADS2-‐Score bzw. CHA2DS2-‐VASc-‐Score <strong>und</strong><br />
HAS-‐BLED-‐Score sind alltagspraktische Überlegungen,<br />
„ges<strong>und</strong>es ärztliches Empfinden“ <strong>und</strong> Abst<strong>im</strong>mung mit<br />
Angehörigen <strong>und</strong> Hausarzt besonders wichtig<br />
• das geriatrische Assessment gibt die Gewähr, dass der<br />
gebrechliche Patient insgesamt <strong>und</strong> nicht lediglich sein<br />
Vorhoffl<strong>im</strong>mern <strong>und</strong> sein CHADS2-‐Score behandelt<br />
werden!<br />
• ansonsten gelten die selben Prinzipien wie <strong>bei</strong> Phen-‐<br />
procoumon-‐OAK<br />
• Stürze<br />
• Verwirrtheit<br />
• Rückzug in ein „Leben auf der Couch“<br />
• fortgeschrittene Demenz (z.B. viel Hilfe <strong>bei</strong> einfachen<br />
Alltagstätigkeiten, erkennt Angehörige nicht mehr)<br />
• Angehörige berichten von nicht erkennbarer Wirkung<br />
• psychometrisch fassbarer Krankheitsprogress<br />
Wichtig:<br />
Wer Antidementiva vom Cholinesterase-‐Hemm-‐Typ (Do-‐<br />
nepezil, Rivastigmin, Galantamin) einn<strong>im</strong>mt, sollte keine<br />
anticholinerg wirksamen Inkontinenzmedikamente (z.B.<br />
Oxybutynin, Trospium, Tolterodin, Solifenacin, Darifenacin)<br />
einnehmen, da diese den Effekt der Antidementiva antago-‐<br />
nisieren können.<br />
• keine Besserung der Parkinsonsymptomatik durch<br />
Medikamente<br />
Die Empfehlungen basieren auf medizinischer Fachliteratur sowie auf persönlichen Erfahrungen <strong>und</strong> subjektiven Überzeugungen des Verfassers.<br />
Dr. Joach<strong>im</strong> Zeeh, Geriatrische Fachklinik Georgenhaus, www.sozialwerk-‐meiningen.de, j.zeeh@sozialwerk-‐meiningen.de
L-‐DOPA-‐Agonisten • Nebenwirkungen <strong>und</strong> erwünschte Wirkungen in<br />
ungünstigem Verhältnis („Mobilität vielleicht eine Idee<br />
besser, dafür nun aber verwirrt oder halluzinierend“)<br />
Psychopharmaka<br />
Antidepressiva (AD),<br />
Neuroleptika<br />
Sonstige<br />
Präparate mit zweifel-‐<br />
hafter Indikation (z.B.<br />
Pirazetam, Pentoxifyllin u.v.a.)<br />
• häufig ohne echte Indikation gegeben<br />
• der antidepressive Effekt einer Remobilisie-‐<br />
rung mit Überwindung der Bettlägerigkeit ist<br />
oft größer als der Effekt eines Antidepressi-‐<br />
vums<br />
• Zurückhaltung mit Absetzversuch, wenn<br />
Patient oder Angehörige über positive Reakti-‐<br />
on auf das Medikament berichten!<br />
• alle Psychopharmaka verursachen ein gestei-‐<br />
gertes Sturzrisiko<br />
• oft starke Fixierung der Patienten auf diese Art<br />
von Medikamenten<br />
je mehr dieser Kriterien erfüllt sind, desto gerechtfertigter<br />
ist ein Absetzversuch<br />
• keine überzeugende Wirkung nach 1-‐2 Monaten<br />
Die Daten zur Wirksamkeit von Neuroleptika <strong>bei</strong> Unruhezu-‐<br />
ständen <strong>und</strong> anderen Verhaltensstörungen <strong>bei</strong><br />
Demenzkranken sind nicht überzeugend. Man sollte jedoch<br />
<strong>bei</strong> denjenigen Patienten, die <strong>im</strong> Urteil ihrer Angehörigen<br />
von solchen Medikamenten (z.B. Risperidon, Quetiapin)<br />
profitieren, keinen Absetzversuch machen, sofern keine<br />
zwingenden Gründe (z.B. Vigilanzeinbuße mit Stürzen)<br />
vorliegen!<br />
• Absetzversuch generell gerechtfertigt<br />
Theophyllin • nur noch als Reservemedikament • keine aktuelle Obstruktion<br />
• keine Asthmaanfälle <strong>im</strong> letzten Jahr<br />
• keine Schlafapnoe-‐Symptomatik<br />
COPD-‐ <strong>und</strong> Asthma-‐<br />
therapeutika in Spray-‐<br />
Form<br />
orale Antidiabetika<br />
(OAD)<br />
• <strong>bei</strong> Demenzkranken <strong>und</strong> <strong>bei</strong> kognitiv intakten,<br />
aber feinmotorisch gestörten Patienten nur<br />
sinnvoll, wenn Applikation durch Hilfsperson<br />
• <strong>bei</strong> Patienten, die bereits Insulin bekommen,<br />
können OAD oft reduziert oder abgesetzt<br />
werden<br />
• Metformin ist besonders kritisch zu sehen <strong>bei</strong><br />
schlechtem Appetit, nicht wesentlich erhöh-‐<br />
tem BMI <strong>und</strong> eGFR < 60 ml/min. Ebenso <strong>bei</strong><br />
fortgeschrittener Demenz mit schwieriger<br />
Nahrungsaufnahme<br />
• Glitazone haben keinen Stellenwert in der<br />
antidiabetischen Therapie <strong>im</strong> <strong>Alter</strong>/<strong>bei</strong> Ge-‐<br />
brechlichkeit!<br />
je mehr dieser Kriterien erfüllt sind, desto gerechtfertigter<br />
ist ein ausschleichender Absetzversuch<br />
• offensichtlicher Falschgebrauch ohne dass COPD<br />
exazerbiert wäre<br />
sollten <strong>bei</strong> kognitiven <strong>und</strong> feinmotorischen Defiziten gene-‐<br />
rell von Hilfspersonen verabreicht werden, das Handling ist<br />
manchmal so vertrackt, dass selbst kognitiv intakte Ältere<br />
schwer damit zurechtkommen. Bei gut „eingestellten“<br />
Patienten keine Absetzversuche.<br />
• niedrig-‐normale BZ-‐Werte<br />
• Hypoglykämie-‐Episoden<br />
• unklare „Synkopen“<br />
• unzuverlässig (unregelmäßig) essender, fortgeschrit-‐<br />
ten dementer Patient (für den ist besser geeignet eine<br />
postprandiale Insulingabe je nach gegessener Menge<br />
<strong>und</strong> kein zu großer Ehrgeiz betr. die „Diabeteseinstel-‐<br />
lung“)<br />
• Niereninsuffizienz, eGFR
Monaten mehrfach <strong>im</strong> Krankenhaus war oder wenn eine NYHA 3-‐4 Symptomatik, eine stark eingeschränkte Nierenfunktion oder – <strong>und</strong><br />
besonders -‐ eine höhergradige Demenz vorliegen. In diesen Fällen sollte man das Therapieziel strikt auf Symptomlinderung hin ausrichten,<br />
das sind palliativ (<strong>und</strong> nicht prognoseverbessernd oder kurativ) zu behandelnde Patienten. Auch nach meiner Erfahrung zählen u.A. Nitrate,<br />
Säureblocker, NSAR, Statine, Neuroleptika, Allopurinol, Sulfonylharnstoffe <strong>und</strong> zahlreiche weitere Medikamente zu den Arzneien, die man<br />
oft ungestraft weglassen kann. Auch ein zu scharf (