Lorenz 9 (Page 2) - Stadtentwicklung - Hansestadt LÜBECK
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Historische Schätze auf dem Güterbahnhof<br />
Mitten im Projektgebiet<br />
Soziale Stadt, in einer<br />
zweihundertfünfzig<br />
Meter langen Halle am<br />
Lübecker Güterbahnhof,<br />
stehen wahre Raritäten<br />
deutscher Eisenbahngeschichte.<br />
Von außen sieht er wie ein<br />
gewöhnlicher Güterschuppen<br />
aus. Steigt man aber<br />
die schmale Treppe an einer<br />
Winter 62/63<br />
der Laderampen empor,<br />
reinigt mit einem Taschentuch<br />
die fast blind gewordenen<br />
Scheiben, dann erblickt<br />
man ungeahnte Schätze<br />
deutscher Eisenbahngeschichte:<br />
»Trans Europ Express«<br />
steht in großen<br />
schwarzen Buchstaben auf<br />
dem Triebkopf, der einst als<br />
TEE »Helvetia« oder »Parsifal«<br />
Hamburg mit Zürich<br />
oder Paris verband. Aber<br />
dieser wertvolle Triebkopf,<br />
zwischenzeitlich leider mit<br />
Graffiti beschmiert, ist nur<br />
eines der sensationellen<br />
Eisenbahnfahrzeuge, die<br />
sich in den vergangenen<br />
Jahren still und eher heimlich<br />
in Lübeck eingefunden<br />
haben.<br />
Und so ist es denn auch<br />
verständlich, dass Rolf<br />
Harder sich freut, als er uns<br />
die Halle aufschließt und<br />
die verborgenen Schätze<br />
zeigt. Harder ist selbst<br />
gestandener Eisenbahner,<br />
inzwischen zwar im Ruhestand,<br />
aber überhaupt nicht<br />
zur Ruhe gekommen – was<br />
die alte Liebe Eisenbahn<br />
angeht. Einst fuhr er als<br />
Lokführer von Hamburg und<br />
Lübeck aus die mächtigen<br />
knallroten V 200-Dieselloks<br />
und Triebwagen. Jetzt ist<br />
der stattliche Fast-Zwei-<br />
Meter-Mann Standortbeauftragter<br />
des Verkehrsmuseums<br />
Nürnberg und 1. Vorsitzender<br />
der Museumsgruppe<br />
V200 007/historische Fahrzeuge<br />
Lübeck e. V.<br />
Das »geheime Bahn-Museum«,<br />
wie die Lübecker Nachrichten<br />
Ende des vergangenen<br />
Jahres titelten, verfügt<br />
über eine sehenswerte<br />
Sammlung an Lokomotiven<br />
und Reisezugwagen. An<br />
erster Stelle steht natürlich<br />
der bereits erwähnte<br />
TEE-Triebzug VT11.5, der<br />
übrigens genau in die Halle<br />
passt. Der erste TEE dieser<br />
Bauart ging am 15. Juli<br />
1957 auf seine erste Reise.<br />
Die beiden Triebköpfe mit<br />
jeweils 1350 PS an jedem<br />
Zugende gefallen durch ihr<br />
zeitlos schönes, stromlinienförmiges<br />
Design. Mit einer<br />
Höchstgeschwindigkeit von<br />
bis zu 160 Kilometern in<br />
Rolf Harder, links, und Georg Wollf, vor der vereinseigenen historischen Diesellok<br />
im Güterschuppen<br />
der Stunde konnten die<br />
Fahrgäste die Reise<br />
zwischen den europäischen<br />
Metropolen in komfortablen<br />
1. Klasse-Wagen genießen.<br />
»Die elegante Ausstattung<br />
macht die Fahrt mit ihnen<br />
genussreich und angenehm.<br />
Die TEE-Züge der Deutschen<br />
Bundesbahn haben Klimaanlage,<br />
breite, meist verstellbare<br />
Polstersitze mit<br />
Rückenlehnen und weitem<br />
Sitzabstand, ein gastliches<br />
Speiseabteil, eine nette<br />
Zugbar und Schreibabteil,«<br />
Historische Schätze im Lokschuppen<br />
so die DB in einem<br />
Werbeprospekt des Jahres<br />
1962. Der TEE hat Lübeck<br />
zwecks Restaurierung inzwischen<br />
verlassen, nachdem<br />
Bahnchef Mehdorn grünes<br />
Licht für dieses Sonderprojekt<br />
gegeben hat. Zurück<br />
blieb ein Ersatztriebkopf,<br />
der später ebenfalls wieder<br />
aufgearbeitet werden soll.<br />
Die TEE-Triebzüge verkehrten<br />
bis 1972, fuhren anschließend<br />
als Reisebüro-<br />
Sonderzüge, ehe sie ins<br />
Ausland verkauft oder<br />
verschrottet wurden.<br />
Auf einem benachbarten<br />
Hallengleis steht ein kompletter,<br />
einsatzbereiter<br />
Reisezug mit der Diesellok<br />
V160 003: »Mit dieser<br />
Garnitur sind wir erst neulich<br />
nach Leipzig gefahren«,<br />
erzählt Lokführer Harder.<br />
In einer kleineren Nebenhalle<br />
zeigt er uns noch<br />
den altbekannten Schienenbus,<br />
einen VT95. Innen<br />
bestens erhalten, und auch<br />
außen ist dieser einst als<br />
Retter der Nebenbahnen<br />
titulierte Triebwagen noch<br />
recht gut beieinander.<br />
Mit geringem Aufwand<br />
ließe sich auch dieses<br />
geschichtlich interessante<br />
Gefährt wieder in Fahrt<br />
bringen. »Hier haben wir<br />
die Idee, über Nebenstrecken<br />
zu fahren und<br />
natürlich norddeutsche<br />
Hafengleise zu bereisen«,<br />
so Harder. Doch der alte<br />
Güterschuppen ist nicht<br />
die einzige Schatzkammer<br />
der Lübecker Museumsbahner.<br />
Jenseits der<br />
Streckengleise nach Hamburg<br />
steht in einem ebenfalls<br />
historischen<br />
Lokschuppen die Großdiesellok<br />
V200 007, die in<br />
ganz Deutschland unterwegs<br />
ist und der DB-<br />
Museumszentrale in Nürnberg<br />
gehört. Die eindrucksvolle<br />
Maschine wurde 1956<br />
in Kiel gebaut und ist bereits<br />
seit 1984<br />
in Lübeck. Gleich nebenan<br />
parkt die noch mächtigere,<br />
sechsachsige V180 331.<br />
»Die Lok war schon so gut<br />
TEE-Triebzüge: Gediegen reisen in europäische Metropolen.<br />
wie verschrottet, gehörte<br />
mal der Deutschen Reichsbahn«,<br />
erzählt Rolf Harder.<br />
Jetzt sieht sie aus wie ein<br />
Neubau, ist natürlich voll<br />
betriebsfähig.<br />
Daneben gibt es noch weitere<br />
Fahrzeuge, Ersatzteile,<br />
Ausstellungsstücke. Und<br />
auch genug begeisterte<br />
Mitstreiter, wie Hans-<br />
Joachim Schliesser und<br />
Georg Wolff, die uns bei<br />
dem Rundgang ebenfalls<br />
begleitet haben. Die beiden<br />
kommen von der Seefahrt,<br />
der eine ist Schiffsingenieur.<br />
Sie sind Gold<br />
wert für die Museumsbahner,<br />
weil sie sich bestens<br />
mit den Dieselmotoren<br />
auskennen, egal, ob die<br />
nun in einem Schiff oder in<br />
der V200 007 brummen.<br />
»Die Hauptuntersuchung<br />
unserer V160 003 hat viel<br />
Arbeit gekostet, wir haben<br />
es geschafft«, freuen sich<br />
die Männer. Noch mehr<br />
freuen sie sich, wenn<br />
der historische TEE nach<br />
der Restaurierung endlich<br />
wieder in Lübeck eintrifft.<br />
Rüdiger Dohrendorf