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5.3.3 Spezielle Begriffe für Form- und Lagetoleranzen ... - CAD.de

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<strong>5.3.3</strong> <strong>Spezielle</strong> <strong>Begriffe</strong> <strong>für</strong> <strong>Form</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lagetoleranzen</strong><br />

Maximum-Material-Grenzmaß MML (Maximum Material Limit)<br />

Minimum-Material-Grenzmaß LML (Least Material Limit)<br />

Das Maximum-Material-Grenzmaß „MML“ ist das Grenzmaß, das ein Maximum an Materialvolumen<br />

ergibt. Bei Außenmaßen (Wellen) ist es das Höchstmaß, bei Innenmaßen (Bohrungen)<br />

das Min<strong>de</strong>stmaß. Bei Stufenmaßen ist keine allgemeine Aussage möglich, Abstandsmaße<br />

besitzen kein Maximum-Material-Grenzmaß.<br />

Das Minimum-Material-Grenzmaß „LML“ ist das Grenzmaß, das ein Minimum an Materialvolumen<br />

ergibt. Bei Außenmaßen (Wellen) ist es das Min<strong>de</strong>stmaß, bei Innenmaßen (Bohrungen)<br />

das Höchstmaß. Bei Stufenmaßen ist keine allgemeine Aussage möglich, Abstandsmaße<br />

besitzen kein Minimum-Material-Grenzmaß.<br />

Abbildung 5.8: Material-Grenzmaße bei Außen- <strong>und</strong> Innenmaßen<br />

Wirksames Istmaß VS (Virtual Size)<br />

Als wirksames Istmaß wird das Maß eines geometrisch i<strong>de</strong>alen Gegenstücks bezeichnet, mit<br />

<strong>de</strong>m sich das Geometrieelement gera<strong>de</strong> noch ohne Spiel paaren lässt. <strong>Form</strong>abweichungen<br />

bewirken, dass das wirksame Istmaß vom Istmaß abweicht.<br />

Bei einem Bolzen ist das wirksame Istmaß <strong>de</strong>r Durchmesser einer spielfrei sitzen<strong>de</strong>n Hülse,<br />

bei einer Bohrung <strong>de</strong>r Durchmesser eines Bolzens, <strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> noch eingepasst wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Bei parallelen Flächen ist das wirksame Istmaß <strong>de</strong>r Abstand zweier anliegen<strong>de</strong>r paralleler<br />

Ebenen.<br />

Ø VS<br />

Abbildung 5.9: Wirksames Istmaß<br />

Ø VS<br />

VS


Tolerierungsgr<strong>und</strong>sätze 2<br />

Das wirksame Grenzmaß eines Werkstück an <strong>de</strong>r Maximum-Material-Grenze wird mit „Maximum<br />

Material Virtual Limit“ (MMVL) bezeichnet, das wirksame Grenzmaß eines Werkstücks<br />

an <strong>de</strong>r Minimum-Material-Grenze mit „Least Material Virtual Limit“ (LMVL)<br />

5.4 Tolerierungsgr<strong>und</strong>sätze<br />

5.4.1 Problemstellung<br />

Schon lange vor <strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>r <strong>Form</strong>- <strong>und</strong> <strong>Lagetoleranzen</strong> erkannte man, dass die Passungsfähigkeit<br />

von Bauteilen nicht nur die Einhaltung <strong>de</strong>r Maßtoleranzen verlangt, son<strong>de</strong>rn<br />

dass auch die <strong>Form</strong>abweichungen begrenzt wer<strong>de</strong>n müssen. Dies soll an einem Beispiel erläutert<br />

wer<strong>de</strong>n. Abbildung 5.14 zeigt eine Flachführung, die aus einer Trägerplatte <strong>und</strong> einem<br />

Gleitstein besteht. Um ein Min<strong>de</strong>stspiel von 0,1 mm zu gewährleisten, wur<strong>de</strong>n die Bauteile<br />

wie in <strong>de</strong>r Zeichnung angegeben toleriert.<br />

Abbildung 5.14: Flachführung<br />

Wenn bei<strong>de</strong> Bauteile Maximum-Material-Grenzmaße MML aufweisen, also <strong>de</strong>r Gleitstein<br />

eine Höhe von 25,2 mm besitzt <strong>und</strong> die Trägerplatte eine Nuthöhe von 25,3 mm, ist das Min<strong>de</strong>stspiel<br />

von 0,1 mm gera<strong>de</strong> noch vorhan<strong>de</strong>n (Abbildung 5.15 links). Die Bauteile dürfen<br />

dann allerdings keine zusätzlichen <strong>Form</strong>abweichungen haben.<br />

Hat <strong>de</strong>r Gleitstein zusätzlich <strong>Form</strong>abweichungen, muss seine Höhe geringer sein als das Maximum-Material-Grenzmaß<br />

MML, damit das Min<strong>de</strong>stspiel bei <strong>de</strong>r Paarung mit einer Trägerplatte<br />

mit Maximum-Material-Grenzmaß MML erhalten bleibt. Im Abbildung 5.15 rechts hat<br />

<strong>de</strong>r Gleitstein eine Höhe, die seinem Minimum-Material-Grenzmaß LML (24,8 mm) entspricht.<br />

Da er sein wirksames Maß (VS) 25,2 mm nicht überschreiten darf, um das Min<strong>de</strong>stspiel<br />

zu gewährleisten, ist seine Geradheitsabweichung auf 25,2 mm– 24,8 mm = 0,4 mm<br />

begrenzt.


Tolerierungsgr<strong>und</strong>sätze 3<br />

Abbildung 5.15<br />

An<strong>de</strong>rs ausgedrückt: Die Höhe <strong>de</strong>s Gleitsteins darf an keiner Stelle geringer als 24,8 mm sein<br />

(sonst wird die Maßtoleranz nicht eingehalten) <strong>und</strong> er muss in eine Hülle mit einer Höhe von<br />

25,2 mm passen. Dies entspricht <strong>de</strong>m Taylorschen Prüfgr<strong>und</strong>satz:<br />

Taylorscher Prüfgr<strong>und</strong>satz<br />

Die Gutprüfung ist eine Paarungsprüfung mit einer Lehre, die über das ganze Geometrieelement<br />

geht, die Ausschussprüfung ist eine Einzelprüfung im Zweipunktverfahren.<br />

Die Gutlehre ist das geometrisch i<strong>de</strong>ale Gegenstück zum tolerierten Geometrieelement<br />

mit <strong>de</strong>ssen Maximal-Material-Grenzmaß MML.<br />

(Fre<strong>de</strong>rik Winslow Taylor, USA 1856 – 1915: Ingenieur <strong>und</strong> Arbeitswissenschaftler.)<br />

Gutlehren <strong>für</strong> die Bauteile <strong>de</strong>s Beispiels könnten also wie folgt aussehen:<br />

Abbildung 5.16: Gutlehren <strong>für</strong> die Bauteile aus Abbildung 5.14<br />

Die oben gemachten Ausführungen gelten sinngemäß auch <strong>für</strong> die Paarung einer Trägerplatte<br />

mit einem Gleitstein am Maximum-Material-Grenzmaß.<br />

5.4.2 Aussage <strong>de</strong>s Tolerierungsgr<strong>und</strong>satzes<br />

Der Tolerierungsgr<strong>und</strong>satz gibt an, ob bei einfachen Geometrieelementen (Zylin<strong>de</strong>rmantelflächen,<br />

Planflächenpaare) die zugelassenen <strong>Form</strong>abweichungen von <strong>de</strong>n Maßabweichungen<br />

abhängen o<strong>de</strong>r nicht. Man unterschei<strong>de</strong>t das Hüllprinzip <strong>und</strong> das Unabhängigkeitsprinzip<br />

Hüllprinzip (DIN 7167)<br />

Das Hüllprinzip besagt, dass einfache Geometrieelemente (s.o.) von Hüllen begrenzt wer<strong>de</strong>n,<br />

die <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>algestalt <strong>de</strong>r Geometrieelemente entsprechen <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Maximum-Material-


Tolerierungsgr<strong>und</strong>sätze 4<br />

Grenzmaße MML besitzen. Die Geometrieelemente dürfen die Hülle berühren, aber nicht<br />

durchstoßen. O<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rs ausgedrückt: Das wirksame Istmaß VS eines einfachen Geometrieelements<br />

darf nicht größer sein als <strong>de</strong>ssen Maximum-Material-Grenzmaß MML.<br />

VS ≤ MML<br />

Die maximalen <strong>Form</strong>abweichungen wer<strong>de</strong>n auf diese Weise durch die Hülle begrenzt. Das<br />

be<strong>de</strong>utet, dass ein Geometrieelement mit Maximum-Material-Grenzmaß MML keinerlei<br />

<strong>Form</strong>abweichungen haben darf. Ist das Maß geringer als das Maximum-Material-Grenzmaß<br />

MML (aber nicht geringer als das Minimum-Material-Grenzmaß LML), sind <strong>Form</strong>abweichungen<br />

zulässig.<br />

Unabhängigkeitsprinzip (ISO 8015)<br />

Das Unabhängigkeitsprinzip besagt, dass <strong>Form</strong>toleranzen <strong>und</strong> Maßtoleranzen unabhängig<br />

voneinan<strong>de</strong>r sind. Auch ein Geometrieelement mit Maximum-Material-Grenzmaß MML darf<br />

<strong>Form</strong>abweichungen haben, was beim Hüllprinzip nicht erlaubt ist. Die zulässigen <strong>Form</strong>abweichungen<br />

müssen natürlich in geeigneter Weise angegeben wer<strong>de</strong>n, entwe<strong>de</strong>r mit einzelnen<br />

<strong>Form</strong>toleranzangaben o<strong>de</strong>r durch Angabe von Allgemeintoleranzen.<br />

Um Unklarheiten zu vermei<strong>de</strong>n, sollte <strong>de</strong>r Tolerierungsgr<strong>und</strong>satz immer auf <strong>de</strong>r Zeichnung<br />

angegeben wer<strong>de</strong>n. Steht im Schriftfeld „Tolerierung DIN 7167“, gilt das Hüllprinzip, steht<br />

dort „Tolerierung ISO 8015“, gilt das Unabhängigkeitsprinzip. Fehlen solche Angaben, gilt in<br />

Deutschland automatisch das Hüllprinzip.<br />

5.4.3 Tolerierung nach <strong>de</strong>m Hüllprinzip (DIN 7167)<br />

Das Hüllprinzip lässt sich wie folgt formulieren:<br />

Ein einfaches Geometrieelement (Zylin<strong>de</strong>rmantelfläche, Planflächenpaar) darf eine<br />

Hülle nicht durchstoßen, die <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>algestalt <strong>de</strong>s Geometrieelements entspricht <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>ssen Maximum-Material-Grenzmaß MML besitzt. Die Prüfung erfolgt nach <strong>de</strong>m<br />

Taylorschen Prüfgr<strong>und</strong>satz.<br />

Mit <strong>de</strong>m Hüllprinzip wird die Passungsfähigkeit dieser einfachen Geometrieelemente gewährleistet.<br />

Es erscheint einleuchtend <strong>und</strong> einfach in <strong>de</strong>r Anwendung, aber <strong>de</strong>r Teufel steckt oft im<br />

Detail. Es gibt zum einen immer wie<strong>de</strong>r Fälle, bei <strong>de</strong>nen es unklar ist, ob <strong>und</strong> wie das Hüllprinzip<br />

anzuwen<strong>de</strong>n ist. Zum an<strong>de</strong>ren können <strong>Form</strong>abweichungen nur indirekt über die Maßtoleranzen<br />

eingeschränkt wer<strong>de</strong>n. Das führt manchmal zu unnötig feinen, manchmal auch zu<br />

unzulässig groben <strong>Form</strong>toleranzen.<br />

Bei <strong>de</strong>r Anwendung <strong>de</strong>s Hüllprinzips ist auf Folgen<strong>de</strong>s zu achten:<br />

• Das Hüllprinzip ist nur auf einfache Geometrieelemente (Zylin<strong>de</strong>rmantelflächen, Planflächenpaare,<br />

im Grenzfall auch Kreise <strong>und</strong> parallele Gera<strong>de</strong>n) anzuwen<strong>de</strong>n. Auf nichteinfache<br />

Geometrieelemente wie z.B. Kegel, Kugeln, Steuerkurven, kann das Hüllprinzip nicht<br />

angewandt wer<strong>de</strong>n.


Tolerierungsgr<strong>und</strong>sätze 5<br />

• Das Hüllprinzip schränkt lediglich <strong>Form</strong>abweichungen ein (Unr<strong>und</strong>heit, Unebenheit, Abweichung<br />

von <strong>de</strong>r Geradheit, Zylin<strong>de</strong>rformabweichung). Lageabweichungen wer<strong>de</strong>n durch<br />

das Hüllprinzip generell nicht eingeschränkt. Einzige Ausnahme bil<strong>de</strong>n Parallelitätsabweichungen,<br />

sie wer<strong>de</strong>n indirekt durch das Hüllprinzip eingeschränkt.<br />

• Das Hüllprinzip gilt nur <strong>für</strong> Geometrieelemente, die direkt mit Außen- o<strong>de</strong>r Innenmaßen<br />

bemaßt sind <strong>und</strong> <strong>für</strong> die Maßtoleranzen festgelegt wur<strong>de</strong>n. (Es kann sich dabei auch um<br />

Allgemeintoleranzen han<strong>de</strong>ln.) Das Hüllprinzip kann nicht auf Geometrieelemente angewandt<br />

wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Maße sich durch Berechnung ergeben. Es kann auch nicht auf Stufen-<br />

o<strong>de</strong>r Abstandsmaße angewandt wer<strong>de</strong>n, da diese die Lage <strong>und</strong> nicht die <strong>Form</strong> festlegen.<br />

Die nachfolgen<strong>de</strong>n Beispiele zeigen Fälle, in <strong>de</strong>nen das Hüllprinzip nicht anwendbar ist.<br />

Die Geradheit <strong>de</strong>r schrägen<br />

Kante bzw. die Ebenheit <strong>de</strong>r<br />

schrägen Fläche können mit<br />

<strong>de</strong>m Hüllprinzp nicht festgelegt<br />

wer<strong>de</strong>n, da eine Hülle<br />

da<strong>für</strong> nicht <strong>de</strong>finiert ist.<br />

Die Geradheit <strong>de</strong>r<br />

waagerechten Kanten <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>ren Parallelität können<br />

mit <strong>de</strong>m Hüllprinzp nicht<br />

festgelegt wer<strong>de</strong>n, da sie<br />

sich nicht gegenüberliegen.<br />

Abweichungen von <strong>de</strong>r<br />

Rechtwinkligkeit wer<strong>de</strong>n<br />

durch das Hüllprinzip nicht<br />

eingeschränkt, da es sich<br />

um Lageabweichungen<br />

han<strong>de</strong>lt.<br />

Abbildung 5.17: Einschränkungen beim Hüllprinzip<br />

20h6<br />

40h7<br />

10h6<br />

Das Hüllprinzip kann nicht<br />

auf die Nut angewandt<br />

wer<strong>de</strong>n, da ihre Breite nicht<br />

direkt bemaßt ist.<br />

Die Geradheit <strong>de</strong>r<br />

waagerechten Kanten <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>ren Parallelität könnten mit<br />

<strong>de</strong>m Hüllprinzp nur in im<br />

Überschneidungsbereich<br />

festgelegt wer<strong>de</strong>n. Das ist<br />

nicht praxisgerecht.<br />

Abweichungen von <strong>de</strong>r<br />

Koaxialität wer<strong>de</strong>n durch<br />

das Hüllprinzip nicht<br />

eingeschränkt, da es sich<br />

um Lageabweichungen<br />

han<strong>de</strong>lt.<br />

Beim <strong>de</strong>r untenstehen<strong>de</strong>n Abbildung wird <strong>für</strong> eine Platte mit 1000 mm Kantenlänge eine Dickentoleranz<br />

von 0,1 mm vorgeschrieben. Bei Anwendung <strong>de</strong>s Hüllprinzips wäre beim Maximum-Material-Grenzmaß<br />

von 8 mm keine <strong>und</strong> beim Minimum-Material-Grenzmaß von 7,9<br />

mm eine Ebenheitsabweichung von 0,1 mm zulässig. Das ist nicht herstellbar.<br />

Abbildung 5.18: Hüllprinzip kann zu unerfüllbaren Toleranzvorgaben führen<br />

DIN 7167 erlaubt in solchen Fällen die Aufhebung <strong>de</strong>s Hüllprinzips <strong>für</strong> einzelne Geometrieelemente.<br />

Dazu müsste die Platte mit einer gröberen <strong>Form</strong>toleranz versehen wer<strong>de</strong>n (Abbildung<br />

5.19).<br />

8 -0,1


Tolerierungsgr<strong>und</strong>sätze 6<br />

Abbildung 5.19: Aufhebung <strong>de</strong>s Hüllprinzips <strong>für</strong> ein Geometrieelement<br />

8 -0,1


Tolerierungsgr<strong>und</strong>sätze 7<br />

5.4.4 Tolerierung nach <strong>de</strong>m Unabhängigkeitsprinzip (ISO 8015)<br />

Das Unabhängigkeitsprinzip lässt sich wie folgt formulieren:<br />

Je<strong>de</strong> Toleranz wird <strong>für</strong> sich geprüft. Ein Werkstück ist in Ordnung, wenn alle Toleranzen<br />

eingehalten wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Unabhängigkeit besagt jedoch nicht, dass je<strong>de</strong> einzelne Gestaltabweichung immer voll<br />

ausgeschöpft wer<strong>de</strong>n kann, <strong>de</strong>nn bestimmte Toleranzarten schließen einan<strong>de</strong>r ein. Beim<br />

Unabhängigkeitsprinzip müssen alle Toleranzen (also alle Maßtoleranzen <strong>und</strong> alle <strong>Form</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>Lagetoleranzen</strong>) immer angeben wer<strong>de</strong>n, entwe<strong>de</strong>r explizit o<strong>de</strong>r pauschal mit Allgemeintoleranzen.<br />

Eine Zeichnung ist unvollständig, wenn diese Angaben fehlen. (Beim Hüllprinzip sind<br />

wichtige <strong>Form</strong>toleranzen durch Maßtoleranzen festgelegt. Daraus kann man jedoch nicht<br />

schließen, dass eine Tolerierung nach <strong>de</strong>m Hüllprinzip automatisch zu vollständig tolerierten<br />

Zeichnungen führt.)<br />

ISO 8015 erlaubt es, das Hüllprinzip gezielt auf einzelne Geometrieelemente anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Das ist sinnvoll, da mit <strong>de</strong>m Hüllprinzip die Passungsfähigkeit dieser Elemente auf einfache<br />

Weise gewährleistet wer<strong>de</strong>n kann. Man spricht dann nicht vom Hüllprinzip, son<strong>de</strong>rn von einer<br />

Hüllbedingung.<br />

(Unterschied zwischen Hüllprinzip <strong>und</strong> Hüllbedingung: „Hüllprinzip“ besagt, dass das Prinzip<br />

generell auf alle einfachen Geometrieelemente anzuwen<strong>de</strong>n ist, es sein <strong>de</strong>nn, es wur<strong>de</strong> explizit<br />

durch Angabe einer <strong>Form</strong>toleranz aufgehoben. „Hüllbedingung“ besagt, dass die Bedingung<br />

gezielt auf das Geometrieelement anzuwen<strong>de</strong>n ist, <strong>für</strong> das sie festgelegt wird.)<br />

Die Hüllbedingung wird festgelegt, in<strong>de</strong>m man ein in einem Kreis eingeschlossenes „E“ hinter<br />

das Passmaß setzt. (E = Enevelope = Hülle).<br />

ø25 h11<br />

ø15 h7 E<br />

Abbildung 5.20: Anwendung <strong>de</strong>r Hüllbedingung<br />

Tolerierung ISO 8015<br />

Abbildung 5.21 zeigt <strong>Form</strong>abweichungen <strong>und</strong> Hüllen bei einfachen Geometrieelementen. Die<br />

Hülle schränkt nicht eine einzelne, son<strong>de</strong>rn die resultieren<strong>de</strong> Wirkung mehrerer <strong>Form</strong>abweichungen<br />

ein.


Tolerierungsgr<strong>und</strong>sätze 8<br />

Abbildung 5.21: Hüllen bei einfachen Geometrieelementen<br />

Die Prüfung auf Einhalt <strong>de</strong>r Hüllbedingung erfolgt nach <strong>de</strong>m Taylorschen Prüfgr<strong>und</strong>satz (Abbildung<br />

5.22):<br />

• Maximum-Material-Grenzmaß MML <strong>de</strong>s zu prüfen<strong>de</strong>n Geometrieelements ermitteln<br />

• Hüllfläche bil<strong>de</strong>n (= I<strong>de</strong>algestalt <strong>de</strong>s Geometrieelements mit MML)<br />

• Prüfen, ob das zu prüfen<strong>de</strong> Geometrieelement mit <strong>de</strong>r Hülle gepaart wer<strong>de</strong>n kann, ohne sie<br />

zu durchdringen<br />

• Prüfen, ob das Minimum-Material-Grenzmaß eingehalten wird. Bei Außenmaßen darf es<br />

an keiner Stelle unterschritten, bei Innenmaßen an keiner Stelle überschritten wer<strong>de</strong>n.<br />

Abbildung 5.22: Prüfung <strong>de</strong>r Hüllbedingung<br />

≥ 9,8<br />

ø10±0,2 E MML = ø10,2<br />

≤ 10,2<br />

ø10±0,2 E MML = ø9,2<br />

In Abbildung 5.23 a ist eine Welle mit Minimum-Material-Grenzmaß LML = 9,8 mm dargestellt.<br />

Die <strong>Form</strong>abweichung kann <strong>de</strong>n vollem Betrag <strong>de</strong>r Maßtoleranz T=0,4 mm ausschöpfen,<br />

ohne die Hülle zu durchbrechen. Abbildung 5.23 b zeigt die Welle mit <strong>de</strong>m Mittenmaß


Tolerierungsgr<strong>und</strong>sätze 9<br />

10 mm. Da die halbe Maßtoleranz aufgebraucht wur<strong>de</strong>, stehen <strong>für</strong> die <strong>Form</strong>toleranz nur noch<br />

T/2 = 0,2 mm zur Verfügung. Abbildung 5.23 c zeigt die Welle mit Maximum-Material-<br />

Grenzmaß MML = 10,2 mm. Da die Maßtoleranz vollständig aufgebraucht wur<strong>de</strong>, sind hier<br />

keine <strong>Form</strong>abweichungen mehr zulässig. Weil in <strong>de</strong>r Praxis kein Geometrieelement ohne<br />

<strong>Form</strong>abweichungen hergestellt wer<strong>de</strong>n kann, darf es bei Einhaltung <strong>de</strong>r Hüllbedingung niemals<br />

an allen Stellen das Maximum-Material-Grenzmaß MML aufweisen.<br />

ø10,0<br />

ø10±0,2 E<br />

fG = 0,2<br />

VS = ø10,2<br />

b) c)<br />

LML = ø9,8<br />

a)<br />

fG = 0,4<br />

MML = ø10,2 fG = 0<br />

VS = ø10,2<br />

VS = ø10,2<br />

Abbildung 5.23: Zulässige <strong>Form</strong>abweichung in Abhängigkeit von <strong>de</strong>r ausgeschöpften Maßtoleranz

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