Modernes Schadenmanagement
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cherungspflichten auslösen, sind nicht einzugrenzen. Für einen<br />
Versicherer exemplarisch können aber die für die Schadenbearbeitung<br />
beschäftigungsintensiven Verkehrssicherungspflichten<br />
anhand von wenigen Beispielen dargestellt werden.<br />
Zum Beispiel<br />
Wer eine Baustelle einrichtet, ist dafür verantwortlich, dass von<br />
der Baustelle ausgehenden Gefahren vorgebeugt wird. Der Ausrichter<br />
von Konzerten oder Versammlungen hat den gefahrlosen<br />
Besuch der Veranstaltung sicherzustellen. Ein Arbeitgeber,<br />
der ein Büro- oder Fabrikgebäude unterhält, muss dafür Sorge<br />
tragen, dass Besucher und Lieferanten gefahrlos das Gebäude<br />
betreten können und im Gebäude nicht Gefahr laufen, Sach-<br />
oder Personenschäden zu erleiden. Ein Arbeitgeber hat auch<br />
dafür Sorge zu tragen, dass das Eigentum seiner Beschäftigten<br />
während der Arbeitszeit nicht verletzt wird.<br />
Diese Beispiele nennen bestehende Verkehrssicherungspflichten,<br />
die in der Judikatur Gegenstand zahlloser Prozesse gewesen<br />
und deshalb unstrittig sind. Gestritten werden kann insoweit<br />
nur über die Frage, in welcher Intensität solche Pflichten<br />
wahrzunehmen sind. Wirklich entschieden werden kann dies<br />
letztlich immer nur anhand des Einzelfalles. Bei den genannten<br />
Beispielen lässt sich aber etwas verallgemeinert sagen: Der<br />
Bauunternehmer muss die Baugrube sichern, damit niemand<br />
hineinstürzt, aber auch dafür sorgen, dass kein Nachbargebäude<br />
Senkungsschäden erleidet. Er muss die unbeaufsichtigte<br />
Baustelle einzäunen, um spielende Kinder zu schützen. Er muss<br />
Baumaschinen, mit denen Schäden verursacht werden können,<br />
vor unbefugtem Zugriff sichern.<br />
Der Veranstalter von Saal-, Stadion- oder Zeltveranstaltungen<br />
hat für offene Notausgänge zu sorgen und ist verantwortlich<br />
dafür, dass dort, wo ein entsprechendes Gefährdungspotential<br />
besteht, Besucher keine gefährlichen Gegenstände in die Veranstaltung<br />
mitnehmen, und er hat, insbesondere für Großveranstaltungen,<br />
auch angemessene Kapazitäten für die medizinische<br />
Versorgung Verletzter bereitzustellen.<br />
Ein Arbeitgeber muss die Gehwege zu seinem Firmengebäude<br />
in Ordnung halten, etwa hervorstehende oder eingesunkene<br />
Gehwegplatten richten, die Wege im Winter von Schnee räumen<br />
und streuen. Er muss dafür sorgen, dass Besucher oder<br />
Mitarbeiter sich nicht an schadhaften Büromöbeln oder Pro-<br />
duktionsanlagen verletzen oder ihre Kleidung beschädigen. Er<br />
hat auch darauf zu achten, dass sichere Garderoben zur Verfügung<br />
stehen. Wenn etwa ein Arbeitgeber seinen gewerblichen<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgibt, ausschließlich in<br />
bestimmter Berufskleidung zu arbeiten und keine Taschen oder<br />
sonstige Behältnisse an den Arbeitsplatz mitzunehmen, muss er<br />
auch Gelegenheit geben, die private Habe und Kleidung in verschließbaren<br />
Spinden sicher zu verwahren. Wo tatsächlich nach<br />
Spindaufbrüchen Diebstähle vorkommen, kann die Wahrung<br />
der Verkehrssicherungspflicht sogar den Einsatz eines Wachdienstes<br />
in den Umkleideräumen erfordern.<br />
Vom gesunden Menschenverstand bestimmt<br />
Generell gilt: Die Erforderlichkeit verkehrssichernder Maßnahmen<br />
wird, wenn nicht gerade Gesetze oder Rechtsverordnungen dies<br />
schon regeln, vom gesunden Menschenverstand bestimmt. Dort,<br />
wo einmal in die Welt gesetzte Gefährdungen drohen, zu einem<br />
Schaden zu führen, müssen alle zumutbaren Maßnahmen getroffen<br />
werden, dies zu verhindern. Dazu verpflichtet ist in erster Linie<br />
der „Störer“, der den gefährlichen Zustand herbeigeführt hat.<br />
Da die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, wenn sie<br />
sich realisiert, stets einen Sach- oder Personenschaden darstellt,<br />
gibt es praktisch keinen auf den Allgemeinen Bedingungen für<br />
die Haftpflichtversicherung beruhenden Versicherungsvertrag,<br />
der diesbezüglich Ausschlüsse enthält. Korrektive können aber<br />
für bestimmte Tatbestände von Verkehrssicherungspflichten<br />
über Sublimits oder Selbstbehalte in die Versicherungsverträge<br />
eingebaut werden. Gerade für Underwriting Companys, wie<br />
beispielsweise ACE, ist es wichtig, dieses oft nicht hinreichend<br />
gewürdigte Risiko gebührend zu beachten.<br />
Gleiches gilt natürlich auch für den Versicherungsnehmer, der<br />
es in der Hand hat, gemeinsam mit dem Versicherer im Underwritingprozess<br />
das bestehende Verkehrssicherungsrisiko zu<br />
analysieren und von vornherein zu begrenzen. Die sorgfältige<br />
Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten wird ihm nicht<br />
nur bei der Gestaltung des Versicherungsvertrages, sondern<br />
auch in der Außenwirkung seines Betriebes als ordentlich geführtem<br />
Unternehmen sehr entgegenkommen.<br />
Martin Schultz<br />
martin.schultz@acegroup.com<br />
TITELTHEMA<br />
Ausgabe 1/2013 9