Spanisch: Phonetik und Phonologie - narr-shop.de
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1. Einleitung<br />
1.1 Der Forschungsgegenstand von <strong>Phonetik</strong> <strong>und</strong> <strong>Phonologie</strong><br />
In einem La<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n er nie zuvor betreten hat, richtet ein K<strong>und</strong>e nennen wir ihn<br />
Juan folgen<strong>de</strong> Frage an die Verkäuferin: ¿Tiene mandarinas? Die Antwortet kommt<br />
prompt: ¡Claro que sí! Diese kurze verbale Interaktion ist ein alltäglicher Kommunikationsvorgang,<br />
<strong>de</strong>r in ähnlicher Form immer wie<strong>de</strong>r stattfin<strong>de</strong>n kann: Ein K<strong>und</strong>e hat<br />
mittels sprachlicher Zeichen einer Verkäuferin signalisiert, dass er eine bestimmte<br />
Obstsorte suche (vermutlich, um sie zu kaufen); die Verkäuferin signalisiert ihm,<br />
wie<strong>de</strong>rum mit sprachlichen Zeichen, dass sie ihm diese Obstsorte selbstverständlich<br />
anbieten könne. Sie hätte auch wortlos auf die Kiste mit Mandarinen <strong>de</strong>uten können,<br />
die <strong>de</strong>r K<strong>und</strong>e offensichtlich übersehen hat. Damit wäre zwar das Informationsbedürfnis<br />
<strong>de</strong>s Fragen<strong>de</strong>n erfüllt gewesen, doch hätte er vielleicht <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>n verlassen,<br />
ohne Mandarinen zu kaufen, <strong>und</strong> das Verkaufgespräch wäre erfolglos geblieben.<br />
Alltägliche Gesprächssituationen wie diese scheinen auf <strong>de</strong>n ersten Blick kaum <strong>de</strong>r<br />
Re<strong>de</strong> wert zu sein: Warum soll man auch über eine kommunikative Routine nach<strong>de</strong>nken,<br />
die doch ohne weiteres Überlegen tagtäglich funktioniert? Eine solche Sichtweise<br />
ist als Alltagsperspektive durchaus sinnvoll, <strong>de</strong>nn wür<strong>de</strong>n wir stets darüber<br />
reflektieren, was genau wir sagen wollen <strong>und</strong> wie wir es ausdrücken, kämen wir vor<br />
lauter Nach<strong>de</strong>nken vermutlich kaum zum Sprechen. Aus wissenschaftlicher Perspektive<br />
ist <strong>de</strong>r kleine Verkaufsdialog jedoch unter unterschiedlichen Aspekten interessant:<br />
Man kann ihn inhaltlich-strategisch analysieren <strong>und</strong> sich z.B. fragen, warum die<br />
sprachliche Reaktion <strong>de</strong>r Verkäuferin angemessener ist als eine rein gestische ,<br />
<strong>und</strong> ihn<br />
als einen bestimmten Typus sozialer Interaktion betrachten. Man kann jedoch auch<br />
speziell die von <strong>de</strong>n Gesprächspartnern genutzten sprachlichen Verfahren in <strong>de</strong>n<br />
Blick nehmen <strong>und</strong> diese in Bezug auf Textkohärenz, Satzbau, Wortwahl <strong>und</strong> Aussprache<br />
untersuchen. Mit <strong>de</strong>n lautsprachlichen Aspekten <strong>de</strong>r Kommunikation befassen<br />
sich <strong>Phonetik</strong> <strong>und</strong> die <strong>Phonologie</strong>, zwei sprachwissenschaftliche Teildisziplinen, die<br />
auch mit <strong>de</strong>m Terminus Lautlehre zusammengefasst wer<strong>de</strong>n. Die Tonaufnahme eines<br />
solchen Gesprächs dient dann als Datengr<strong>und</strong>lage zur Untersuchung <strong>de</strong>r Regeln <strong>und</strong><br />
Gesetzmäßigkeiten, die die Lautseite sprachlicher Zeichen in <strong>de</strong>r verwen<strong>de</strong>ten<br />
Sprache hier im <strong>Spanisch</strong>en bestimmen. Nicht lautsprachliche Formen <strong>de</strong>s Zeichenausdrucks<br />
fallen hingegen nicht in <strong>de</strong>n Untersuchungsbereich <strong>de</strong>r Lautlehre: So<br />
wird das uns alltäglich geläufige Nebeneinan<strong>de</strong>r von Sprechen <strong>und</strong> Schreiben (<strong>und</strong><br />
Hören <strong>und</strong> Lesen) ausgeblen<strong>de</strong>t eine berechtigte Einschränkung, <strong>de</strong>nn (sofern wir<br />
nicht hörbehin<strong>de</strong>rt sind) ist die Lautsprache unsere gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong> Ausdrucks- <strong>und</strong><br />
Kommunikationsform, <strong>und</strong> auch beim Erwerb <strong>de</strong>r Muttersprache (L1) wer<strong>de</strong>n wir<br />
zuerst mit <strong>de</strong>r Lautseite von Sprache konfrontiert.<br />
Wie erklärt sich die Aufteilung <strong>de</strong>r Lautlehre in die bei<strong>de</strong>n Subdisziplinen <strong>Phonetik</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Phonologie</strong>? Die Trennung geht zurück auf Nikolaus S. Trubetzkoy (= Nikolaj<br />
S. Trubeckoj, 1890-1938). Dieser bezog sich in seinen 1939 erschienen Gr<strong>und</strong>zügen<br />
<strong>de</strong>r <strong>Phonologie</strong> (Trubetzkoy 1989) auf Ferdinand <strong>de</strong> Saussure (1857-1913), <strong>de</strong>r in<br />
seinem Cours <strong>de</strong> linguistique générale (Saussure 1916) vorgeschlagen hatte, zwischen<br />
<strong>de</strong>r konkreten Sprachverwendung, <strong>de</strong>r sog. parole, <strong>und</strong> <strong>de</strong>m dieser zugr<strong>und</strong>eliegen<strong>de</strong>n<br />
Sprachsystem, <strong>de</strong>r langue, zu differenzieren. Wissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand<br />
ist nach Saussure ausschließlich die langue, verstan<strong>de</strong>n als die Gesamtheit<br />
<strong>de</strong>r Regularitäten, die für alle Mitglie<strong>de</strong>r einer Sprachgemeinschaft gelten <strong>und</strong> die