SPECTRES CHASING SHADOWS Kunsthalle Bern - GALERIE HENZE & KETTERER Kirchstrasse 26 3114 Wichtrach/Bern Tel. 031 781 06 01 www.henze-ketterer.ch Vollrad Kutscher ESCAPE Peter Weibel Porträtinstallation Peter Weibel MEDIAPOET Kurator: G. J. Lischka Ausstellungen bis zum 3. Dezember <strong>20</strong>11
Von Eigenständigkeiten und Experimenten Von Gabriel Flückiger ■ Unabhängige Kunsträume unter einen gemeinsamen Nenner zu bringen, fällt nicht leicht. Schon die Bezeichnungen sind äusserst vielgestaltig und reichen von im deutschen Sprachgebiet gebräuchlichen «Off-Space» über den «nichtkommerziellen Ausstellungsraum» bis hin zu den englischen «alternative site» oder «artist-run space». Auch sind in diesen Begriffen jeweils unterschiedliche Örtlichkeiten subsumiert: von Schaufenstern über Privatwohnungen bis hin zur Industriehalle oder dem klassischen White Cube fällt fast alles darunter, was nicht kommerzielle <strong>Galerie</strong> oder etablierte Ausstellungsinstitution (Kunstmuseen, -häuser, -hallen etc.) ist. Im Folgenden eine punktuelle, unfertige Auflistung möglicher Charakteristika unabhängiger Räume. Unabhängige Schweizer Kunsträume sind vor allem aus einer Notwendigkeit der Kunstschaffenden selbst entstanden. Künstler stellten Künstler aus. Off-Spaces boten pragmatische Möglichkeit zur Produktion und zum Ausstellen von Kunst – in Eigenverwaltung und ohne Legitimationsdruck. Mittlerweile sind viele Off- Spaces mit Kuratorium ausgestattet und werden auch von Kunsthistorikern betreut, doch agieren sie in den meisten Fällen immer noch unabhängig von Aufsichtskommissionen oder sonstigen übergeordneten Instanzen. Um diese Eigenständigkeit zu garantieren, wird ein Grossteil der organisatorischen und administrativen Arbeit als ehrenamtliche Eigenleistung erbracht. Denn ein Off-Space ist grundsätzlich nichtkommerziell ausgerichtet und neben ganz seltenen Verkaufsprovisionen stellen kantonale sowie städtische Subventionen oder Gönnerbeiträge die einzigen Finanzierungsquellen dar. Die öffentliche Finanzierung ist dabei im Vergleich zu etablierten grossen Institutionen aber gering und vor allem stellt deren Beantragung für unabhängige Räume ein aufwendiges Verfahren dar. Deshalb fordert beispielsweise Daniel Suter vom Marks Blond Project R.f.z.K. in Bern und offizieller Vertreter der Organisation unabhängiger Kunsträume «OFFOFF», dass alternative Räume projektungebunden und pauschal mit einem jährlichen Beitrag unterstützt werden sollten. Nur so können die Strukturen der Selbstorganisation aufrechterhalten werden. Off-Spaces zeichnen sich häufig durch eine vergleichsweise niedrige, fast schon demokratische Einstiegsschwelle aus. Zwar sind teilweise längerfristige Ausstellungsplanungen seitens der Leitungen vorhanden, doch können Kunstschaffende grundsätzlich vielerorts einfach vorstellig werden und mittels Ehrgeiz und Überzeugungskraft sich eine Ausstellungsmöglichkeit verschaffen. Off-Spaces bieten so vor allem jungen Künstlerinnen und Künstlern, welche keine <strong>Galerie</strong>vertretungen haben, die Chance, ihre Arbeiten einer breiteren Öffentlichkeit zu zeigen. Doch nutzen auch ältere Kunstschaffende unabhängige Räume für Ausstellungen, da sie – nach Absprache mit der Leitung des Raumes – nicht selten eine Carte Blanche bezüglich der konkreten Realisation erhalten. Dies kann im Vergleich zu einer engen Zusammenarbeit mit Kuratoren innerhalb grösserer Ausstellungsinstitutionen gewünschte Freiheiten ermöglichen. Die Niederschwelligkeit rührt auch daher, dass Ausstellungen von eher kürzerer Dauer sind (teilweise nicht länger als ein paar Tage) und in hoher Folgefrequenz abgehalten werden. Das Fehlermachen sowie das Ausprobieren bekommen dadurch anderen Stellenwert. Nicht jede Ausstellung muss das gleiche Qualitätsniveau erfüllen, sondern es wird auch Raum für das Misslingen gelassen. Viele Raum-Projekte haben selber temporären Charakter, sind kurzzeitige Zwischennutzungen und nur auf beschränkte Zeit hin ausgelegt. Aber auch bei Räumen mit bereits jahrelanger Beständigkeit, wie dem Kunstraum Aarau (seit 1990), dem Circuit aus Lausanne (seit 1998), Les Complices in Zürich (seit <strong>20</strong>02) oder dem Berner Marks Blond Project (seit <strong>20</strong>04), treten immer wieder grössere personelle, logistische oder ideelle Änderungen auf, was die Projekte jeweils lebendig hält. Thematische oder kunsttheoretische Ausrichtungen der einzelnen Off-Spaces sind je nach Ort sehr unterschiedlich. Beispielsweise versucht sich Marks Blond R.f.z.K. mit seinen künstlerischen Projekten an der Schnittstelle von Politik, Gesellschaft und Sozialem zu positionieren, der Kunstraum Aarau hingegen interessiert sich explizit für offene Kunstwerke, welche transdisziplinäre Forschungsprozesse beinhalten und immer eigens für die Ausstellung erstellt worden sind. Gemeinsam ist den Arbeiten, welche in unabhängigen Räumen entstehen, wohl, dass sie häufig andere Eigenschaften haben als jene in <strong>Galerie</strong>n und etablierten Museen. Das experimentelle Ausprobieren, das Prozesshafte und der direkte Bezug zur öffentlichen Umgebung stehen oftmals im Vordergrund. Letzteres ist vor allem bei Projekten zu betonen, die sich als Störfaktoren verstehen. Denn Off-Spaces dienen auch als Bühne für Provokationen. Oder wie es der Kunstraum Aarau zusammenfassend ausdrückt: «Der unabhängige Kunstraum ist Laboratorium für Grenzüberschreitungen und Ausweitungen des Kunstbegriffs». artensuite Schweizer Kunstmagazin November <strong>20</strong>11 | 17