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20 Jahre Galerie Rigassi: Georg Baselitz - Ensuite

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artensuite Schweizer Kunstmagazin November <strong>20</strong>11 | 8<br />

Bild oben:<br />

Pier Paolo<br />

Pasolini, Filmstill<br />

aus: Il Vangelo<br />

secondo Matteo,<br />

1964, schwarzweiss,<br />

142 Min.,<br />

Produktion: Alfredo<br />

Bini-Arco Film<br />

(Rom)/Lux C.ie<br />

Cinematographique<br />

de France (Paris)<br />

Bild rechts:<br />

Lucas Cranach d.Ä.,<br />

Schmerzensmann,<br />

um 1515 oder<br />

1535, Rotbuchenholz,<br />

56,9 x 39,6<br />

cm, Evangelische<br />

Kirchengemeinde<br />

Wörlitz. © KSDW,<br />

Bildarchiv, Heinz<br />

Fräßdorf, 1999<br />

einen fulminanten Ausgangspunkt<br />

für den intendierten Dialog über die<br />

Auseinandersetzung und das Sich-<br />

Einlassen auf den Leidensaspekt der<br />

Existenz. War das Leid in Cranachs<br />

Zeit im Rahmen der Heilsgeschichte<br />

noch funktional eingebunden, wie<br />

es auch die weiteren gezeigten Holzschnitte<br />

von seiner Hand demonstrieren,<br />

so scheint das körperliche Leid<br />

heute an den Rand der fortschrittlichen<br />

Gesellschaft verbannt, die<br />

Frage nach seinem Sinn zunehmend<br />

unergründlicher. Cranachs Darstellung<br />

zeigt Christus in einer zuvor<br />

nicht dagewesenen Menschlichkeit<br />

und vermittelt in einer für De Bruyckere<br />

inspirierenden Weise gerade<br />

über den zunehmenden Realismus<br />

eine spürbare Geistigkeit des Körperlichen.<br />

Diese Menschlichkeit des<br />

Gottessohnes war es, die auch den<br />

Filmemacher Pier Paolo Pasolini bei<br />

seiner Ergründung der menschlichen<br />

Natur besonders umtrieb. Fortdauernd<br />

und leidenschaftlich setzte er<br />

sich mit Fragen der Existenz auseinander<br />

und damit, wie Menschen an-<br />

gesichts des allgegenwärtigen Leids<br />

überhaupt überleben können. Seine<br />

dies betreffenden Filme «Il Vangelo<br />

secondo Matteo» von 1964 und<br />

«Teorema / Geometrie der Liebe» von<br />

1968 waren und sind als beissende<br />

Kritik der modernen, konsumorientierten<br />

Gesellschaft zu verstehen. In<br />

ebenfalls meist deutlichen, brutalen<br />

und körperlich orientierten Bildern<br />

versuchte Pasolini darin dem Mysterium<br />

der Wirklichkeit auf die Spur<br />

zu kommen.<br />

Die nun in Bern zu sehende<br />

Ausstellung demonstriert eine referentielle<br />

und hommageartige Anlehnung<br />

der belgischen Künstlerin<br />

an diese beiden nur auf den ersten<br />

Blick gegensätzlich erscheinenden<br />

Künstler und schärft den Blick für<br />

die tief- und zugleich weit zurückgreifenden<br />

Ansätze ihres Werkes.<br />

Ihre eindrückliche Vermischung von<br />

religiösen, mythologischen und aktualitätsbezogenen<br />

Elementen erhält<br />

nicht zuletzt einen anschaulichen<br />

Charakter in ihrem Zyklus «Romeu,<br />

‹my deer›». Diese Darstellungen um<br />

die Gestalt eines Hirsches, der lange<br />

als Symbol für Christus galt und<br />

ebenso in mythologischen Zusammenhängen<br />

eine wichtige Funktion<br />

hatte, bekommt darin den Charakter<br />

von Schlachtvieh verliehen. Sein<br />

Geweih, das als Ausdruck von Leben<br />

interpretiert wurde, da es Stärke und<br />

Sexualität demonstriert, wendet sich<br />

nun gegen ihn selbst und steht damit<br />

für die eigene Zerstörung.<br />

In einer klar strukturierten und<br />

reduzierten Ausstellungssituation<br />

präsentiert das Kunstmuseum derzeit<br />

die bisher grösste Schau der<br />

Werke De Bruyckeres. Mit einer<br />

Auswahl von sechs Skulpturen aus<br />

den <strong>Jahre</strong>n <strong>20</strong>06 bis <strong>20</strong>10 und insgesamt<br />

32 Arbeiten auf Papier wird den<br />

schwer daherkommenden Arbeiten<br />

Raum gegeben, ihre Aura und den<br />

intendierten Dialog mit Teilen der<br />

Passionsgeschichte und büssenden<br />

Heiligen Cranachs sowie Pasolinis<br />

Filmen sinngebunden zu entfalten.

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