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forum1. transparenz/diskretion<br />
Lars-Christer Olsson, CEO UEFA: Wir können<br />
unsere Legitimität nur bewahren, indem wir als<br />
ordnungsgemäss funktionierende Demokratie<br />
mit transparenten Grundsätzen auftreten.<br />
Der Schwede Lars-Christer Olsson (53) ist<br />
innerhalb der UEFA der höchstrangige<br />
operative Manager. Er ist für das Management<br />
der UEFA-Verwaltung im Hauptquartier<br />
in Nyon verantwortlich und nimmt als<br />
Generaldirektor der UEFA an Versammlungen<br />
des Kongresses, des UEFA-Exekutivkomitees<br />
und anderer UEFA-Komitees teil.<br />
Die Philosophie der UEFA besteht darin,<br />
sich in allen Bereichen ständig zu verbessern<br />
und darüber hinaus in ihrem ganzen<br />
Handeln eine führende Position einzunehmen.<br />
Wir haben keine andere Wahl – sonst<br />
werden andere unsere Legitimität als<br />
Verwaltungsorgan des europäischen Fussballs<br />
in Frage stellen. Aus diesem Grund<br />
streben wir danach, eine sich ständig<br />
verbessernde, moderne und demokratische<br />
Verwaltungsstruktur zu besitzen – und dazu<br />
gehört auch Transparenz. Good Governance<br />
verlangen auch die politischen Institutionen<br />
von uns. So haben zum Beispiel<br />
die Mitgliedsstaaten der Europäischen<br />
Union (die inzwischen gut über die Hälfte<br />
der 52 UEFA-Mitglieder ausmachen) sowohl<br />
die Besonderheiten des Sports als auch die<br />
Autonomie der Sportverwaltungsorgane<br />
anerkannt, doch sie taten dies nur auf der<br />
Grundlage, dass wir uns selbst auf eine<br />
demokratische und transparente Weise<br />
organisieren (EU-Gipfel in Nizza, 2000).<br />
Um die Bedeutung der Transparenz für die<br />
UEFA zu veranschaulichen, möchte ich die<br />
UEFA einmal mit einigen der grössten europäischen<br />
Fussballvereine vergleichen.<br />
Gemäss unserer Rechtsform (ein gemeinnütziger<br />
Verband nach dem schweizerischen<br />
Zivilgesetzbuch) ist die UEFA nicht<br />
06 <strong>ceo</strong>/forum<br />
zur Veröffentlichung finanzieller Informationen<br />
verpflichtet. Dennoch veröffentlicht die<br />
UEFA jedes Jahr in ihrem Jahresbericht und<br />
ihrem Jahresabschluss einen detaillierten<br />
Finanzplan und eine geprüfte Bilanz. Dagegen<br />
drücken sich viele der reichsten europäischen<br />
Vereine, obwohl sie an der Börse<br />
notiert sind, davor, ihre Ausgaben für die<br />
Spielergehälter offen zu legen – und das<br />
sind die einzigen grossen Kosten in ihrem<br />
Geschäft! Die Vereine veröffentlichen zwar<br />
eine Zahl für die Lohn- und Gehaltssumme,<br />
doch in Realität kann diese um 50 bis<br />
100 Prozent höher sein. Im Jahresbericht<br />
und im Jahresabschluss der UEFA ist dagegen<br />
im Detail zu sehen, was wir ausgeben<br />
und was wir einnehmen – bis hin zu Einzelheiten.<br />
Ausserdem sind alle wichtigen<br />
Statuten, Mitteilungen und Bestimmungen<br />
auf unserer Website www.uefa.com frei<br />
zugänglich. Wir sind stolz darauf, als transparente<br />
und offene Organisation angesehen<br />
zu werden – noch nie ist die UEFA der<br />
Korruption beschuldigt worden!<br />
Diskretion stand aus einem anderen Grund<br />
schon immer im Mittelpunkt der UEFA-<br />
Philosophie. Die UEFA ist ein «Verband der<br />
Verbände», und zur Philosophie eines<br />
solchen gehören Subsidiarität, Delegierung<br />
und Ermächtigung der nationalen Fussballverbände<br />
– also eher Föderalismus als<br />
Zentralismus. Diese Überzeugung erfordert<br />
oft Diskretion. So ist es z. B. nicht die<br />
Aufgabe der UEFA, eine Pressemitteilung zu<br />
einem wichtigen Thema in irgendeinem<br />
Fussball-Land herauszugeben – wo ein<br />
solches Thema vor Ort durch den nationalen<br />
Fussballverband behandelt werden<br />
kann. Die UEFA ist immer bereit und darauf<br />
vorbereitet, tätig zu werden, wenn sie von<br />
einem Mitglied darum gebeten wird, doch<br />
sollten Fragen, wo immer möglich, vor Ort<br />
behandelt werden. Schliesslich gehört die<br />
UEFA ihren Mitgliedern und nicht umgekehrt.<br />
Dies kann kurzfristig eine erhöhte<br />
Zurückhaltung bedeuten, bringt aber langfristig<br />
moralischen Respekt und Autorität.<br />
Ein wichtiges Feld der Diskretion ist für die<br />
UEFA die Gewaltenteilung. Wir haben eine<br />
Legislative (den Kongress), eine Exekutive<br />
(das Exekutivkomitee und den Generaldirektor)<br />
und eine unabhängige Judikative<br />
(die Disziplinarorgane). Um diese verschiedenen<br />
Teile der «Fussball-Demokratie»<br />
getrennt zu halten, ist nicht nur Diskretion,<br />
sondern auch eine strikte Trennung nötig.<br />
Demzufolge darf das UEFA-Exekutivkomitee,<br />
der Generaldirektor oder die Administration<br />
die Arbeit der Disziplinarorgane in<br />
keiner Weise beeinflussen oder sich darin<br />
einmischen. Da das Verwaltungsorgan des<br />
europäischen Fussballs zudem als neutraler<br />
Beobachter und Schiedsrichter «in der<br />
Mitte» steht, wurden wir in der Vergangenheit<br />
auch gebeten, Streitfälle zu schlichten.<br />
Es liegt auf der Hand, dass bei dieser Rolle<br />
Diskretion erforderlich ist.<br />
Aus all diesen Gründen folgt, dass Transparenz<br />
und Diskretion nicht nur Teil der UEFA-<br />
Philosophie sind, sondern auch eine<br />
Verpflichtung und eine Notwendigkeit. Der<br />
einzige Weg für uns zur Rechtfertigung<br />
unserer Autonomie und zur Bewahrung<br />
unserer Legitimität als Verwaltungsorgan<br />
des europäischen Fussballs liegt in einer<br />
ordnungsgemäss funktionierenden Demokratie<br />
mit transparenten Grundsätzen für die<br />
Verwaltung unseres Sports. Doch wir<br />
müssen diese Transparenz mit Diskretion<br />
üben. In jedem Fall werden es, wie in jeder<br />
Demokratie, unsere Mitglieder sein, die<br />
letztlich darüber urteilen werden, ob wir<br />
zwischen diesen beiden Werten eine optimale<br />
Balance gefunden haben.<br />
Foto: Mathias Braschler