Kriegsende in und um Rottweil - Vinzenz von Paul Hospital
Kriegsende in und um Rottweil - Vinzenz von Paul Hospital
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Abend des 20. April 1945 läutete die e<strong>in</strong>zige im Dachreiter<br />
verbliebene, aus der Frühzeit des Zisterzienser<strong>in</strong>nenklosters<br />
stammende Glocke, das Ende des »Tausendjährigen Reichs«<br />
e<strong>in</strong>. Diese alte Glocke dürfte auch im Jahr 1648 das Ende des<br />
30-jährigen Krieges e<strong>in</strong>geläutet haben. >><br />
Ordensschwestern auf Kohlenklau<br />
In den ersten Nachkriegstagen wurde viel »improvisiert«<br />
Der Mangel an Heizmaterial führte dazu, dass nur ganz<br />
wenige »Kanonenöfle« <strong>in</strong> Wärmestuben betrieben werden<br />
konnten. Dass dies möglich war, ist Ordensschwestern zu<br />
verdanken. In dieser schwierigen Zeit war improvisieren <strong>und</strong><br />
vor allem organisieren überlebenswichtig. So »befreiten« zu<br />
mitternächtlicher St<strong>und</strong>e e<strong>in</strong> »Hamstertrupp« aus<br />
Ordensschwestern <strong>und</strong> Anstaltspfarrer Zimmermann e<strong>in</strong>en<br />
am Altstädter Bahnhof abgestellten Kohlewaggon <strong>um</strong> e<strong>in</strong>en<br />
Teil se<strong>in</strong>er Ladung mit Braunkohlebriketts. Diese<br />
lebensnotwendige Fracht schleppten sie <strong>in</strong> Tragetaschen,<br />
kle<strong>in</strong>en Koffern <strong>und</strong> Rucksäcken <strong>in</strong>s Rottenmünster. Um die<br />
Lebensmittelversorgung zu verbessern, arbeiteten<br />
Ordensschwestern, Personal <strong>und</strong> Patienten <strong>von</strong> »Sonnenaufbis<br />
Sonnenuntergang « <strong>in</strong> Landwirtschaft <strong>und</strong> Gärtnerei.<br />
Lebensmittel wurden sparsamst, oft auch mehrfach genutzt:<br />
So wurde <strong>in</strong> der Krankenhausküche aus Zuckerrüben Sirup<br />
gekocht. Dann wurden die ausgelaugten Rübenschnitzel <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er gusseisernen Pfanne getrocknet, gemahlen <strong>und</strong> als<br />
Kaffee-Ersatz weiterverwandt. Ältere Ordensschwestern<br />
haben immer wieder <strong>von</strong> diesem »Rottenmünsterischen<br />
Kneipp-Kaffee« erzählt. Unmittelbar vor <strong>Kriegsende</strong><br />
beschützten ehemalige russische Insassen des<br />
»Kriegsgefangenenlazaretts Rottenmünster « das<br />
Krankenhausareal, <strong>in</strong>sbesondere den Wohnbereich der<br />
Ordensschwestern. Sie dankten damit den<br />
Ordensschwestern, dass sie <strong>in</strong> unbewachten Augenblicken<br />
oft e<strong>in</strong> Stück Brot, e<strong>in</strong>en Apfel oder e<strong>in</strong>e gekochte Kartoffel<br />
durch den Stacheldrahtzaun h<strong>in</strong>durch den kriegsgefangenen<br />
Verw<strong>und</strong>eten zugeworfen hatten.<br />
Kriegs-gefangene <strong>und</strong> Zwangsarbeiter, evakuierte K<strong>in</strong>der aus<br />
dem Ruhrgebiet, evakuierte Bewohner e<strong>in</strong>es Dresdner<br />
»Siechenheims«, Mädchen der Haushaltungsschule<br />
Untermarchtal, Patienten e<strong>in</strong>er ausgelagerten Abteilung des<br />
<strong>Rottweil</strong>er Krankenhauses <strong>und</strong> zahlreiche, <strong>von</strong> den Behörden<br />
zugewiesene Flüchtl<strong>in</strong>ge. Noch dazu kamen etwa 170<br />
<strong>Rottweil</strong>er Frauen <strong>und</strong> Mädchen, die sich vor den Übergriffen<br />
marokkanischer Soldaten schützen wollten.<br />
Ehemalige Gefangene gestalten Hochzeitsfeier<br />
<strong>in</strong> St. V<strong>in</strong>zenz<br />
Durch diesen Schutz blieb Rottenmünster <strong>in</strong> den ersten<br />
Wochen nach dem E<strong>in</strong>marsch der Franzosen <strong>von</strong><br />
her<strong>um</strong>ziehenden, teils bewaffneten <strong>und</strong> gewalttätigen Russen<br />
<strong>und</strong> Polen verschont. Dieser Dank zeigte durchaus auch<br />
anhängliche Züge: Unmittelbar nach <strong>Kriegsende</strong> kamen<br />
ehemalige russische Kriegsgefangene aus dem Lazarett<br />
Rottenmünster mit ihren Bräuten aus dem Lager »Stettener<br />
Höhe« bei Zimmern zu den Ordensschwestern, <strong>um</strong> im<br />
Rottenmünster zu heiraten <strong>und</strong> auch dort zu feiern.<br />
Ordensschwestern vom Nähzimmer mussten aus<br />
Le<strong>in</strong>tüchern Hochzeitskleider für die Russen nähen; aus<br />
Verbandmull <strong>und</strong> e<strong>in</strong>igen Textilspitzen aus der Vorkriegszeit<br />
entstanden unter den geschickten Händen der<br />
V<strong>in</strong>zent<strong>in</strong>er<strong>in</strong>nen sogar Brautschleier. Die Hochzeitsfeier fand<br />
im Beise<strong>in</strong> zahlreicher Landsleute im gerä<strong>um</strong>igen Speisesaal<br />
der Ordensschwestern im Gebäude St. V<strong>in</strong>zenz statt. Am 31.<br />
Mai feierte ganz Rottenmünster erstmals seit 1933 wieder<br />
se<strong>in</strong> Fronleichnamsfest <strong>in</strong> traditioneller Weise: Girlanden aus<br />
frischem Tannengrün überspannten den Klosterhof, Fahnen<br />
<strong>in</strong> den Kirchenfarben weiß-gelb <strong>und</strong> farbenprächtige<br />
Bl<strong>um</strong>enteppiche schmückten den Prozessionsweg. Der<br />
große Bl<strong>um</strong>enteppich vor dem Hauptaltar brachte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Schrift aus weißen Blütenköpfen die <strong>in</strong>nerste Empf<strong>in</strong>dung der<br />
Klostergeme<strong>in</strong>de z<strong>um</strong> Ausdruck: »Friede, o sei uns gegrüßt!«