Franz Josef Degenhardt
Franz Josef Degenhardt
Franz Josef Degenhardt
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SEL#: 06007 5340001 2 DATE: L/S: TECH:<br />
CYAN MAGENTA<br />
LABEL: Universal Music Strategic Marketing<br />
ARTIST: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
TITLE: Die Liedermacher<br />
TEMPLATE: UMG_CD_BOOK_SADDLE_JUL00.qxt<br />
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Die Liedermacher<br />
<strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
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Die Liedermacher <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
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SEL#: 06007 5340001 2 DATE: L/S: TECH:<br />
CYAN MAGENTA<br />
LABEL: Universal Music Strategic Marketing<br />
ARTIST: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
TITLE: Die Liedermacher<br />
TEMPLATE: UMG_CD_BOOK_SADDLE_JUL00.qxt<br />
01. Spiel nicht mit den Schmuddelkindern 5:01<br />
p 1965 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
02.Väterchen <strong>Franz</strong> 6:40<br />
p 1966 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
03. So sind hier die Leute 4:22<br />
p 1968 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
04. Rumpelstilzchen 4:10<br />
p 1963 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
05. Deutscher Sonntag 6:05<br />
p 1965 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
06. Tonio Schiavo 3:40<br />
p 1966 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
07. Kommt an den Tisch unter Pflaumenbäumen 4:37<br />
p 1973 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
08. Ballade vom verlorenen Sohn 6:43<br />
p 1977 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
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09. Portugal 4:01<br />
p 1974 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
10. Rondo Pastorale 4:40<br />
p 1977 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
11. Sacco und Vanzetti 3:12<br />
p 1972 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
12. Drumherumgerede 6:30<br />
p 1980 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
13. Ich ging im letzten Mai 4:40<br />
p 2000 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
14. Die Ernte droht 3:21<br />
p 2008 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
BONUS:<br />
15. Tango du Midi – Live 6:56<br />
p 1989 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
16. Für Mikis Theodorakis – Live 4:34<br />
p 1968 Koch/Universal Music - a division of Universal Music GmbH<br />
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SEL#: 06007 5340001 2 DATE: L/S: TECH:<br />
CYAN MAGENTA<br />
LABEL: Universal Music Strategic Marketing<br />
ARTIST: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
TITLE: Die Liedermacher<br />
TEMPLATE: UMG_CD_BOOK_SADDLE_JUL00.qxt<br />
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0 1 1 2 2 3 3 4 4 25 25 50 50 75 75 100 100 95 95 97 97 99 99 75 50 25 10 CM MY CY<br />
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Künstler, Intellektueller, Revolutionär<br />
von Ingar Solty<br />
<strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong> wurde 1931 in Schwelm im südöstlichen Teil des Ruhrgebiets geboren<br />
und wuchs in kleinbürgerlich-katholischen Verhältnissen auf. <strong>Degenhardt</strong>s Frühwerk ist<br />
gekennzeichnet durch die intellektuelle Auseinandersetzung und künstlerische Denunziation<br />
dieses als einengend und lebensfeindlich erlebten Milieus. Dabei spielte für <strong>Degenhardt</strong>, der<br />
antifaschistisch erzogen worden und zudem zu jung für die fanatisierte Volkssturmgeneration<br />
gewesen war, insbesondere das Unbehagen angesichts der postfaschistischen<br />
Elitenkontinuität in der BRD eine bedeutende sozialisatorische Rolle. Das kulturelle<br />
Unbehagen angesichts der restaurativen Tendenzen in der Adenauer-Republik und der<br />
Versuch, sich von den spezifischen „gesellschaftlichen Zwängen“ in seiner Klasse zu befreien,<br />
spiegelte sich zunächst in <strong>Degenhardt</strong>s Orientierung an der Jugendbewegung wieder, die im<br />
ausgehenden 19. und bis in die 1950er Jahre in etwa dieselbe (Aussteiger-)Funktion spielte,<br />
wie sie später von Popsubkulturen wie den Hippies oder dem Punk erfüllt worden ist.<br />
Das Zentrum der Jugendbewegten waren in den frühen 1960er Jahren die Chanson-Folklore-<br />
Festivals auf der Burg Waldeck, wo sich Jugendbewegte um Peter Rohland, die Gebrüder Hein<br />
und Oss Kröher und Arno Klönne nicht nur mit der partiellen Vereinnahmung ihrer bündischen<br />
Bewegung durch den Faschismus auseinandersetzten, sondern auch darum bemühten, durch<br />
den Faschismus verschüttete Liedtraditionen (demokratisches und Arbeiterlied,<br />
Internationales etc.) wiederzubeleben.<br />
<strong>Degenhardt</strong>s Rolle auf der Waldeck war ambivalent: Aufgrund seiner literarischen und<br />
musikalischen Qualitäten war der promovierte Rechtswissenschaftler von der Universität<br />
Saarbrücken einerseits hoch angesehen, zumal er durch seinen Erfolg mit „Spiel nicht mit den<br />
Schmuddelkindern“ von 1965 bereits ein Star war, der die Aufmerksamkeit des bürgerlichen<br />
Feuilletons auf das Festival und damit die anderen Liedermacher zog, deren Karrieren hier<br />
begannen: Walter Mossmann, Hannes Wader, Reinhard Mey, Katja Ebstein, Insterburg und Co.<br />
u.v.a. Andererseits traf der bis hierhin im engeren Sinne unpolitische <strong>Degenhardt</strong> auf ein<br />
Umfeld, das ihn stark beeinflussen sollte. Denn auf der Waldeck versammelten sich eine Reihe<br />
von politischen Künstlern, die aus der linken Anti-Atomtod-Bewegung hervorgegangen waren,<br />
und die wie Dieter Süverkrüp, Hannes Stütz, Wolfgang Neuss und später Wolf Biermann und<br />
Rudi Dutschke <strong>Degenhardt</strong>s politisch-ästhetische Vision maßgeblich beeinflussen sollten.<br />
Mit ihrer Hilfe und unter dem Eindruck der zeitgleich entstehenden außerparlamentarischen<br />
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Opposition ab 1966, die mit einer Wiederaneignung des Marxismus einherging, beging<br />
<strong>Degenhardt</strong> in seinem eigenen Verständnis einen „Klassenverrat“, der sich auch in seiner<br />
Kunst niederschlug. An die Stelle der bis dato gepflegten individualistisch-subjektivistischen<br />
Melancholie, die <strong>Degenhardt</strong> nun als einen kulturellen Ausdruck der gesellschaftlichen<br />
Ohnmacht seiner eigenen kleinbürgerlichen Herkunftsklasse begriff, trat nun – im Zuge der<br />
Verknüpfung seiner Befreiungssehnsüchte mit der sozialistischen Arbeiterbewegung – eine<br />
betont politisch-kämpferische Haltung. Dies ging mitunter so weit, dass <strong>Degenhardt</strong> einige<br />
seiner alten Lieder umschrieb: Die Unterdrückten nur als Opfer äußerer Kräfte und Strukturen<br />
darzustellen, wie in seinem Lied über den italienischen Einwanderer „Tonio Schiavo“ (1966),<br />
erschien ihm nun als linksbürgerlich und unmarxistisch. Mit der Hinzunahme einer neuen<br />
Strophe wollte <strong>Degenhardt</strong> signalisieren, dass die Menschen Subjekte ihrer eigenen<br />
Geschichte sind, sich also selbst befreien können. Und während sich <strong>Degenhardt</strong> in einer<br />
kurzen Phase revolutionären Eifers, in denen er seinen Texten eine Brechtsche<br />
„Nutzanwendung“ geben wollte, den von ihm selbst reflektierten und persiflierten Vorwurf<br />
einhandelte, aus seiner Kunst sei „Tendenzliteratur“ oder gar Agitprop ohne „Zwischentöne“<br />
geworden, so behielt <strong>Degenhardt</strong> diese Überzeugung bei, als er nach 1969/70 – auf neuer<br />
Stufe – schon längst wieder zu seinen Zwischentönen zurückgekehrt war.<br />
Als Teil seiner politisch-eingreifenden Lieder entstanden nun u.a. lehrstückartige Porträts von<br />
in konkreten historischen Umfeldern handelnden Revolutionären wie Rudi Schulte (1971),<br />
Natascha Speckenbach (1972) oder Joß Fritz (1973), denen eine Tendenz zum Epischen<br />
innewohnte, weshalb <strong>Degenhardt</strong> sich 1973 mit der teilautobiografischen Erzählung<br />
„Zündschnüre“, der bis 1999 noch sechs literarisch hochwertige Romane und ein Kinderbuch<br />
folgen sollten, auch erfolgreich als Schriftsteller etablierte.<br />
Politisch vertrat <strong>Degenhardt</strong> seit den späten 1960ern eine Strategie eines großen Bündnisses<br />
aller Lohnabhängigen und ihrer Verbündeten und stützte sich dabei auf die Drei-Säulen-<br />
Theorie, der zufolge die Perspektive des Sozialismus in der BRD abhänge von der Stärke der<br />
Arbeiterbewegung im Westen, der nationalen Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt und<br />
der Existenz des realsozialistischen Lagers einschließlich der DDR, das als sogenannter<br />
dritter Tarifverhandlungspartner Einfluss nähme auf die Durchsetzungsfähigkeit der<br />
organisierten Lohnabhängigen im westlichen Kapitalismus. Für <strong>Degenhardt</strong>, der seit 1961<br />
Mitglied der SPD war, bedeutete dies auch eine Zusammenarbeit mit der 1968 in der Tradition<br />
der KPD gegründeten und sich als Arbeiterpartei begreifenden DKP. Unter den Bedingungen<br />
des Kalten Krieges und einer regierenden SPD war dies jedoch riskant, weshalb <strong>Degenhardt</strong><br />
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SEL#: 06007 5340001 2 DATE: L/S: TECH:<br />
CYAN MAGENTA<br />
LABEL: Universal Music Strategic Marketing<br />
ARTIST: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
TITLE: Die Liedermacher<br />
TEMPLATE: UMG_CD_BOOK_SADDLE_JUL00.qxt<br />
FILE NAME:<br />
JOB #:<br />
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0 1 1 2 2 3 3 4 4 25 25 50 50 75 75 100 100 95 95 97 97 99 99 75 50 25 10 CM MY CY<br />
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1971 in einem aufsehenerregenden Parteiverfahren aus der SPD ausgeschlossen wurde.<br />
<strong>Degenhardt</strong>, der wenigstens bis zu seiner offenen Parteinahme für die APO 1967/68 im<br />
Feuilleton als „Deutschlands Chansonnier Nr. 1“ euphorisch gefeiert worden war, wurde nun<br />
zur Persona non grata. Im Rundfunk und der bürgerlichen Presse wurden seine Lieder und<br />
Romane ab jetzt boykottiert, weshalb <strong>Degenhardt</strong> – anders als in Frankreich sein Alter Ego<br />
Georges Brassens – im öffentlichen Leben der BRD nicht mehr stattfand, schon gar nicht, als er<br />
1978 der DKP beitrat.<br />
Nichtsdestotrotz behielt <strong>Degenhardt</strong>, dessen literarische Begabung und bemerkenswerte<br />
Intellektualität niemand bestreiten konnte, seinen großen Anhängerstamm aufrecht, und durch<br />
seine kulturpolitische Bedeutung für die radikale Linke gewann er, dessen Publikum zunächst<br />
rein akademisch-intellektuell geprägt gewesen war, zunehmend auch Anhänger unter<br />
linksorientierten Arbeitern. Seinen Grundüberzeugungen blieb <strong>Degenhardt</strong>, auch wenn die –<br />
von ihm als bürgerliche Konterrevolution verstandenen – Ereignisse von 1989/91 in seinem<br />
ästhetischen Werk tiefe Spuren hinterlassen haben und u.a. zur Rückkehr der melancholischen<br />
Töne aus seinem Frühwerk führte, bis zum Schluss treu. Mit seinem Werk hat <strong>Degenhardt</strong><br />
darum – im Gewand der Ästhetik – eine einzigartige Chronik der an der Arbeiterbewegung<br />
orientierten radikalen Linken und ihrer Sicht auf die deutsche und Weltgeschichte der letzten<br />
rund 50 Jahre hinterlassen.<br />
Die Frage, ob <strong>Degenhardt</strong>s Werk dadurch bloß historisch-dokumentarischen Wert hat, kann<br />
nicht beantwortet werden. Seine Stellung als revolutionärer Dichter wird wie bei allen<br />
Revolutionären in der Literatur vom Standpunkt und von den geschichtlichen Konstellationen<br />
abhängen. Revolutionäre in der Kunst, die wie <strong>Degenhardt</strong> davon ausgehen, dass der<br />
Kapitalismus nicht das letzte Wort der Geschichte sein wird, werden sich von seinem Werk<br />
genauso magisch angezogen fühlen wie <strong>Degenhardt</strong> sich selbst zu Heine, Tucholsky,<br />
Majakowski, Brecht, Peter Weiss u.a. hingezogen fühlte. Andere, die diese Auffassung aus<br />
Interesse oder geschichtspessimistischer Überzeugung nicht teilen, werden ihn als<br />
„Tendenzliteratur“ zu verdammen suchen. Eines scheint jedoch sicher: Solange jene Dinge,<br />
die <strong>Degenhardt</strong> sein Leben lang mit den Mitteln der Kunst bekämpfte – Ausbeutung,<br />
Unterdrückung und Entfremdung – fortbestehen, solange wird auch der Streit um die<br />
literarische Bedeutung und die Kanonisierung des belletristischen und musikalischen Werkes<br />
<strong>Degenhardt</strong>s andauern. Und dieser Streit hat mit seinem Tod am 14. November 2011 inmitten<br />
der größten Krise des Kapitalismus seit den 1930er Jahren erst begonnen.<br />
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SPIEL NICHT MIT DEN<br />
SCHMUDDELKINDERN<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© 1963 Masterphon Musikverlag GmbH, Bergisch Gladbach<br />
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern,<br />
sing nicht ihre Lieder.<br />
Geh doch in die Oberstadt,<br />
mach’s wie deine Brüder!<br />
So sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor.<br />
Er schlich aber immer wieder durch das Gartentor<br />
und in die Kaninchenställe,<br />
wo sie Sechsundsechzig spielten<br />
um Tabak und Rattenfälle,<br />
Mädchen unter Röcke schielten,<br />
wo auf alten Bretterkisten<br />
Katzen in der Sonne dösten,<br />
wo man, wenn der Regen rauschte,<br />
Engelbert, dem Blöden, lauschte,<br />
der auf einen Haarkamm biss,<br />
Rattenfängerlieder blies.<br />
Abends am Familientisch, nach dem Gebet zum Mahl,<br />
hieß es dann: Du riechst schon wieder nach Kaninchenstall.<br />
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern,<br />
sing nicht ihre Lieder.<br />
Geh doch in die Oberstadt,<br />
mach’s wie deine Brüder!<br />
Sie trieben ihn in eine Schule in der Oberstadt,<br />
kämmten ihm die Haare und die krause Sprache glatt.<br />
Lernte Rumpf und Wörter beugen.<br />
Und statt Rattenfängerweisen<br />
musste er das Largo geigen<br />
und vor dürren Tantengreisen<br />
unter roten Rattenwimpern<br />
par coeur Kinderszenen klimpern<br />
und, verklemmt in Viererreihen,<br />
Knochen morsch und morscher schreien,<br />
zwischen Fahnen aufgestellt,<br />
brüllen, dass man Freundschaft hält.<br />
Schlich er abends zum Kaninchenstall davon,<br />
hockten da die Schmuddelkinder, sangen voller Hohn:<br />
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SEL#: 06007 5340001 2 DATE: L/S: TECH:<br />
CYAN MAGENTA<br />
LABEL: Universal Music Strategic Marketing<br />
ARTIST: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
TITLE: Die Liedermacher<br />
TEMPLATE: UMG_CD_BOOK_SADDLE_JUL00.qxt<br />
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern,<br />
sing nicht ihre Lieder.<br />
Geh doch in die Oberstadt,<br />
mach’s wie deine Brüder!<br />
Aus Rache ist er reich geworden. In der Oberstadt<br />
hat er sich ein Haus gebaut, nahm jeden Tag ein Bad.<br />
Roch wie bessre Leute riechen,<br />
lachte fett, wenn alle Ratten<br />
ängstlich in die Gullis wichen,<br />
weil sie ihn gerochen hatten.<br />
Und Kaninchenställe riss er<br />
ab. An ihre Stelle ließ er<br />
Gärten für die Kinder bauen.<br />
Liebte hochgestellte Frauen,<br />
schnelle Wagen und Musik,<br />
blond und laut und honigdick.<br />
Kam sein Sohn, der Nägelbeißer,<br />
abends spät zum Mahl,<br />
roch er an ihm, schlug ihn, schrie:<br />
Stinkst nach Kaninchenstall.<br />
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern,<br />
sing nicht ihre Lieder.<br />
Geh doch in die Oberstadt,<br />
mach’s wie deine Brüder!<br />
Und eines Tages hat er eine Kurve glatt verfehlt.<br />
Man hat ihn aus einem Ei von Schrott herausgepellt.<br />
Als er später durch die Straßen<br />
hinkte, sah man ihn an Tagen<br />
auf nem Haarkamm Lieder blasen,<br />
Rattenfell am Kragen tragen.<br />
Hinkte hüpfend hinter Kindern,<br />
wollte sie am Schulgang hindern<br />
und schlich um Kaninchenställe.<br />
Eines Tags in aller Helle<br />
hat er dann ein Kind betört<br />
und in einen Stall gezerrt.<br />
Seine Leiche fand man,<br />
die im Rattenteich rumschwamm.<br />
Drum herum die Schmuddelkinder<br />
bliesen auf dem Kamm:<br />
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern,<br />
sing nicht ihre Lieder.<br />
Geh doch in die Oberstadt,<br />
mach’s wie deine Brüder!<br />
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SEPARATOR:<br />
0 1 1 2 2 3 3 4 4 25 25 50 50 75 75 100 100 95 95 97 97 99 99 75 50 25 10 CM MY CY<br />
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VÄTERCHEN FRANZ<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© 1967 by Masterphon Musikverlag GmbH, Bergisch Gladbach<br />
He,Väterchen <strong>Franz</strong>, versoffner Chronist,<br />
he,Väterchen <strong>Franz</strong>, sag du, wie es ist.<br />
He,Väterchen <strong>Franz</strong>, he,Väterchen <strong>Franz</strong>,<br />
erzähle die Geschichte, erzähle sie ganz.<br />
Nun gut,Väterchen <strong>Franz</strong> hebt an:<br />
Seht ihr drüben, Mitbewohner, das Hygieneinstitut,<br />
da, wo heut die weißen Riesen die Gehirne waschen?<br />
– Gut, genau bis dorthin reichte damals unsre Vaterstadt,<br />
und da lebten die im Aussatz, die man nicht ertragen hat:<br />
Der SS-Offizier, der nachts nicht schlief, sondern schrie,<br />
und der Zoodirektor, abgehalftert wegen Sodomie,<br />
der schwule Kommunist mit TBC und ohne Pass<br />
und der abgefallne Priester, der noch schwarze Messen las,<br />
das Hasenschartenkind, das biss, wenn’s bitte sagen sollt,<br />
und der Schreiner, der partout so wie Jesus leben wollt.<br />
He,Väterchen <strong>Franz</strong>, versoffner Chronist,<br />
he,Väterchen <strong>Franz</strong>, sag du, wie es ist.<br />
He,Väterchen <strong>Franz</strong>, he,Väterchen <strong>Franz</strong>,<br />
erzähle die Geschichte, erzähle sie ganz.<br />
Nun gut,Väterchen <strong>Franz</strong> fährt fort:<br />
Viele Jahre lebten sie dort<br />
zwischen Trümmern, Schrott und Müll,<br />
aßen Krähen, tranken Wermut,<br />
rauchten Pfefferminz mit Dill.<br />
Ihre Haare waren lang und ihre Bärte kraus und dick<br />
und sie stanken wie die Füchse, jeder hatte seinen Tick:<br />
Der SS-Offizier, der suchte Massengräber und<br />
stach überall mit einer Eisenstange in den Grund.<br />
Der Zoodirektor schuf aus Pappe, Polsterzeug und Draht<br />
ein riesengroßes Tier, das seufzen konnte,wenn man’s trat.<br />
Der Kommunist, der malte rote Sonnen,prophezeite schon<br />
für das nächste Wochenende die Weltrevolution.<br />
He,Väterchen <strong>Franz</strong>, versoffner Chronist,<br />
he,Väterchen <strong>Franz</strong>, sag du, wie es ist.<br />
He,Väterchen <strong>Franz</strong>, he,Väterchen <strong>Franz</strong>,<br />
erzähle die Geschichte, erzähle sie ganz.<br />
Nun gut,Väterchen <strong>Franz</strong> fährt fort:<br />
YELLOW BLACK<br />
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Und der Priester psalmodierte monoton von früh bis spät<br />
ein aus Kurs-, Konzils- und Kriegsbericht<br />
bestehendes Gebet.<br />
Und der Schreiner, der vermehrte<br />
meist den Wermutwein-Vorrat<br />
und das Kind baute den Ratten eine richtige Rattenstadt.<br />
Und so hätten sie gelebt, vielleicht bis heute irgendwann,<br />
doch es fing dann diese peinliche Geschichte plötzlich an:<br />
Töchter und die Söhne aus den allerbesten Familien<br />
zogen, zunächst heimlich, später offen nach dorthin,<br />
sangen rohe Lieder, tranken,<br />
liebten sich die kreuz und quer,<br />
und sie ließen ihre Haare wachsen,<br />
wuschen sich nicht mehr.<br />
He,Väterchen <strong>Franz</strong>, versoffner Chronist,<br />
he,Väterchen <strong>Franz</strong>, sag du, wie es ist.<br />
He,Väterchen <strong>Franz</strong>, he,Väterchen <strong>Franz</strong>,<br />
erzähle die Geschichte, erzähle sie ganz.<br />
Nun gut,Väterchen <strong>Franz</strong> fährt fort:<br />
Viele schlugen sogar mit den Fäusten ihre Erbschaft aus,<br />
schütteten die Mitgift in das Fass voll Saus und Braus.<br />
Sie verbannten - dazu tanzend - gar den Abendlandaltar<br />
und verleugneten ganz öffentlich die rote Gefahr.<br />
Das ging nun freilich weiter als ein Highlife-Schabernack.<br />
Voll Angst verschloss man alle Tempeltüren, auch am Tag.<br />
Doch im Hirtenbrief erklärte unser Zeitungszar zuletzt<br />
das saubere Empfinden unsrer Stadt als grob verletzt,<br />
sprach dem Senat das Misstraun aus, befahl in barschem<br />
Ton dem fetten Polizeichef eine Säuberungsaktion.<br />
He,Väterchen <strong>Franz</strong>, versoffner Chronist,<br />
he,Väterchen <strong>Franz</strong>, sag du, wie es ist.<br />
He,Väterchen <strong>Franz</strong>, he,Väterchen <strong>Franz</strong>,<br />
erzähle die Geschichte, erzähle sie ganz.<br />
Nun gut,Väterchen <strong>Franz</strong> fährt fort:<br />
Es war an einem Montag, als die Säuberung begann.<br />
Zwanzig Bagger robbten sich zum Aussatzrevier ran.<br />
Das Hasenschartenkind, das mit den Ratten spielte, das<br />
bemerkte sie als erstes, brüllte, hüpfte in ein Fass.<br />
Der SS-Offizier, der grade bohrte, hört’ es schrei’n,<br />
gab Alarm, legte die Stange so wie eine Lanze ein,<br />
galoppierte auf die Bagger zu, sang das Horst-Wessel-Lied,<br />
der Baukolonnenführer riss die Hand hoch und sang mit.<br />
Die Baggerrachen – tief am Boden – fauchten, und in ein’<br />
preschte, blind vor Glück und Wut, der SS-Ritter hinein.<br />
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He,Väterchen <strong>Franz</strong>, versoffner Chronist,<br />
he,Väterchen <strong>Franz</strong>, sag du, wie es ist.<br />
He,Väterchen <strong>Franz</strong>, he,Väterchen <strong>Franz</strong>,<br />
erzähle die Geschichte, erzähle sie ganz.<br />
Nun gut,Väterchen <strong>Franz</strong> fährt fort:<br />
Es formierten sich die Bagger dann zu einem offnen Kreis,<br />
rollten vor zu jenem Panzerlied. Der Tag war glühend heiß.<br />
Mit riesengroßen Seufzern fiel das riesengroße Tier<br />
ineinander. Ein paar Eisenraupen knirschten drüber her.<br />
Dann zunächst fing man mit Netzen alle Bürgerkinder ein,<br />
warf den zappeligen Fang in große Waschtröge hinein.<br />
Nur die Aussätzigen ließ man, und die rannten hin und her.<br />
Doch der Kreis wurd enger, schloss sich, und dann sah man<br />
sie nicht mehr. Schließlich spritzte man noch Napalm.<br />
Wollt ihr wissen, was geschah,<br />
wie das Hasenschartenkind zum Beispiel hinterher aussah?<br />
Nee,Väterchen <strong>Franz</strong>, versoffner Chronist,<br />
nee,Väterchen <strong>Franz</strong>, sei’s wie es ist.<br />
Nein,Väterchen <strong>Franz</strong>, nein,Väterchen <strong>Franz</strong>,<br />
hör auf mit der Geschichte, Kunst ist doch Genuss.<br />
Nun gut,Väterchen <strong>Franz</strong> macht Schluss.<br />
HEAD<br />
FOLD<br />
C M<br />
Y B<br />
PAGE 10 PAGE 11<br />
120.5MM<br />
(4.74”) 241MM<br />
(9.49”)<br />
SEL#: 06007 5340001 2 DATE: L/S: TECH:<br />
CYAN MAGENTA<br />
LABEL: Universal Music Strategic Marketing<br />
ARTIST: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
TITLE: Die Liedermacher<br />
TEMPLATE: UMG_CD_BOOK_SADDLE_JUL00.qxt<br />
SO SIND HIER DIE LEUTE<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© Kulturmaschinen Verlag, Liederbuch I + II, Berlin 2013<br />
He, Fremder mit dem Hinkefuß,<br />
ich bin der Wirt. Kommt, tretet ein.<br />
Ich sah, wie Ihr die Kurve nahmt,<br />
Ihr rutschtet in den Graben rein.<br />
Ein hübscher Wagen, schnell und rot,<br />
wir zieh’n ihn morgen früh heraus.<br />
Trinkt einen Schnaps, vielleicht auch zwei.<br />
Ich rat Euch, bleibt in meinem Haus.<br />
Die sind voll Misstraun hier, die Leut,<br />
und haben Hunde scharf gemacht,<br />
die spüren jeden Fremden auf,<br />
und dies ist eine helle Nacht.<br />
Ihr sagt:Wir leben doch heute!<br />
Ja, gewiss – aber so sind hier die Leute.<br />
Die Leute sind verbittert, weil<br />
die Ernte fault und auch das Geld.<br />
Sie suchen den, der schuldig ist<br />
an all dem Unglück in der Welt.<br />
August der Schäfer hat den Mann<br />
im Traum geseh’n. Und in der Tat,<br />
derselbe ist’s, der Papst Johann<br />
und Kennedy ermordet hat.<br />
FILE NAME:<br />
JOB #:<br />
SEPARATOR:<br />
0 1 1 2 2 3 3 4 4 25 25 50 50 75 75 100 100 95 95 97 97 99 99 75 50 25 10 CM MY CY<br />
C M<br />
Y B<br />
Und der hat einen Hinkefuß<br />
wie Ihr und rotes Haar wie Ihr,<br />
fährt einen Wagen, schnell und rot,<br />
trägt einen Kinnbart so wie Ihr.<br />
Ihr sagt:Wir leben doch heute!<br />
Ja, gewiss – aber so sind hier die Leute.<br />
Hört! Ihre Hunde haben die Spur.<br />
Sie kommen.Werft den Mantel um.<br />
Warum ist Euer Wagen auch<br />
so rot? Das spricht sich schnell herum.<br />
Sie haben ihre Forken mit,<br />
der Schulze führt den Haufen an.<br />
Der Mond ist voll. Das ist die Zeit,<br />
wo keiner nachts hier schlafen kann.<br />
Geht raus! Die Flucht hat keinen Zweck,<br />
denkt nur an Euren Hinkefuß.<br />
Und ihre Hunde sind sehr schnell.<br />
Nein, Ihr erreicht nicht mehr den Fluss.<br />
Ihr sagt:Wir leben doch heute!<br />
Ja, gewiss – aber so sind hier die Leute.<br />
Sie haben ihn noch eingeholt,<br />
die Uferböschung war zu hoch,<br />
zu hoch für seinen Hinkefuß,<br />
zu weit – zu hoch. Ich sagt es doch.<br />
An einem Telegrafenmast,<br />
da hängt schon morgen früh ein Mann.<br />
Er hängt an einem Hinkefuß,<br />
am andern hängt ein Zettel dran.<br />
Und wenn die Leute morgen früh<br />
zum Hochamt geh’n, dann lesen sie:<br />
Hier hängt der, der der Mörder war<br />
von Papst Johann und Kennedy.<br />
Ihr sagt:Wir leben doch heute!<br />
Ja, gewiss – aber so sind hier die Leute.<br />
YELLOW BLACK<br />
PMS PMS<br />
TOTAL<br />
NUMBER OF<br />
COLORS<br />
120.5MM<br />
(4.74”)<br />
RUMPELSTILZCHEN<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© 1963 Masterphon Musikverlag GmbH, Bergisch Gladbach<br />
Wenn morgens schon die Schule brennt,<br />
wenn ein Pfarrer aus der Kirche rennt,<br />
ein Schutzmann in die Pfütze fällt,<br />
ein Hund durch ein Museum bellt,<br />
wenn der Friedhofswärter, der niemals trinkt,<br />
noch am offnen Grab an zu lachen fängt,<br />
wenn der Mond sich vor die Sonne schiebt<br />
ein Greis ein Mädchen von siebzehn liebt,<br />
da habe ich, mal kaum, mal viel, die Hand im Spiel.<br />
Ich bin mit jedem blutsverwandt,<br />
doch bleibt mein Name ungenannt.<br />
Es ist gut, dass niemand weiß,<br />
dass ich Rumpelstilzchen heiß.<br />
Hemba – hemba hé<br />
Hemba – hemba hé<br />
Soldaten, wenn sie vor der Schlacht<br />
heimlich rückwärts lauern und ganz sacht<br />
die Waffen von den Schultern zieh’n,<br />
nicht glauben, dass die Feinde flieh’n,<br />
wenn ein Richter vorm Automaten steht,<br />
einen Blechknopf zwischen Fingern dreht,<br />
seine Frau, schon ziemlich angegraut,<br />
verträumt nach Italienern schaut,<br />
die lachend um die Ecke geh’n und stark ausseh’n,<br />
da pfeif ich einen leisen Ton<br />
und flüstre: Na, nun macht doch schon.<br />
Es ist gut, dass niemand weiß,<br />
dass ich Rumpelstilzchen heiß.<br />
Hemba – hemba hé<br />
Hemba – hemba hé<br />
Ich bin es, der so oft bei Nacht<br />
unterm Bett liegt und so hämisch lacht,<br />
und der, der hinterm Spiegel steckt,<br />
der grinst, wenn man das Kinn vorreckt,<br />
der von jeder Geschichte den Schluss verrät,<br />
der beim dritten Mal wie ein Hahn aufkräht,<br />
der auch gnädge Fraun ans Kreischen bringt,<br />
wenn ein Wort fällt, das so glitschig klingt.<br />
Und der Spruch an der Toilettentür stammt auch von mir.<br />
BACK<br />
CTP<br />
TARGET<br />
FRONT<br />
CD BOOK SADDLE STITCH<br />
C M<br />
Y B<br />
SAFETY<br />
TRIM<br />
BLEED<br />
119.5MM<br />
(4.71”)
C M<br />
Y B<br />
Ich beiß auf Glas und knirsche laut<br />
und so entsteht die Gänsehaut.<br />
Es ist gut, dass niemand weiß,<br />
dass ich Rumpelstilzchen heiß.<br />
Hemba – hemba hé<br />
Hemba – hemba hé<br />
Am Bahndamm, wo der Zug verkehrt,<br />
der von Schilda nach Schlaraffia fährt,<br />
wo Kinder ihre Höhlen bau’n,<br />
weil sie sich nicht nach Hause trau’n,<br />
wo der Rattenfänger von Hameln pfeift,<br />
wo der Ziegenjunker der Scheren schleift,<br />
wo der Wind durch tote Autos fegt,<br />
wo der bucklige Oskar die Trommel schlägt,<br />
da zünde ich am Abend dann mein Feuer an.<br />
Ich tanze bis der Mond aufgeht,<br />
und sing dazu mein altes Lied:<br />
Es ist gut, dass niemand weiß,<br />
dass ich Rumpelstilzchen heiß.<br />
Hemba – hemba hé<br />
Hemba – hemba hé<br />
DEUTSCHER SONNTAG<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© 1965 Masterphon Musikverlag GmbH, Bergisch Gladbach<br />
Sonntags in der kleinen Stadt,<br />
sonntags in der kleinen Stadt.<br />
Wenn die Spinne Langeweile<br />
Fäden spinnt und ohne Eile<br />
giftig-grau die Wand hochkriecht,<br />
wenn’s blank und frisch gebadet riecht,<br />
dann bringt mich keiner auf die Straße<br />
und aus Angst und Ärger lasse<br />
ich mein rotes Barthaar steh’n,<br />
und lass den Tag vorübergeh’n,<br />
hock am Fenster, lese meine<br />
Zeitung, decke Bein mit Beine,<br />
seh, hör und rieche nebenbei<br />
das ganze Sonntagseinerlei.<br />
Tada-da-da-dam…<br />
HEAD<br />
FOLD<br />
C M<br />
Y B<br />
PAGE 12 PAGE 13<br />
120.5MM<br />
(4.74”) 241MM<br />
(9.49”)<br />
SEL#: 06007 5340001 2 DATE: L/S: TECH:<br />
CYAN MAGENTA<br />
LABEL: Universal Music Strategic Marketing<br />
ARTIST: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
TITLE: Die Liedermacher<br />
TEMPLATE: UMG_CD_BOOK_SADDLE_JUL00.qxt<br />
Da treten sie zum Kirchgang an,<br />
Familienleittiere voran,<br />
Hütchen, Schühchen, Täschchen passend,<br />
ihre Männer unterfassend,<br />
die sie heimlich vorwärts schieben,<br />
weil die gern zu Hause blieben.<br />
Und dann kommen sie zurück<br />
mit dem gleichen bösen Blick,<br />
Hütchen, Schühchen, Täschchen passend,<br />
ihre Männer unterfassend,<br />
die sie heimlich heimwärts zieh’n,<br />
dass sie nicht in Kneipen flieh’n.<br />
Tada-da-da-dam…<br />
Wenn die Bratendüfte wehen,<br />
Jungfrauen den Kaplan umstehen,<br />
der so nette Witzchen macht,<br />
und wenn es dann so harmlos lacht,<br />
wenn auf allen Fensterbänken<br />
Pudding dampft und aus den Schenken<br />
schallt das Lied vom Wiesengrund<br />
und dass am Bach ein Birklein stund,<br />
alle Glocken läuten mit,<br />
die ganze Stadt kriegt Appetit,<br />
das ist dann genau die Zeit,<br />
da frier ich vor Gemütlichkeit.<br />
Tada-da-da-dam…<br />
Da hockt die ganze Stadt und mampft,<br />
dass Bratenschweiß aus Fenstern dampft.<br />
Durch die fette Stille dringen Gaumenschnalzen,<br />
Schüsselklingen, Messer, die auf Knochen stoßen,<br />
und das Blubbern dicker Soßen.<br />
Hat nicht irgendwas geschrien?<br />
Jetzt nicht aus dem Fenster seh’n,<br />
wo auf Hausvorgärtenmauern<br />
ausgefranste Krähen lauern.<br />
Was nur da geschrien hat?<br />
Ich werd so entsetzlich satt.<br />
Tada-da-da-dam…<br />
Wenn Zigarrenwolken schweben,<br />
aufgeblähte Nüstern beben,<br />
aus Musiktruhn „Donauwellen“<br />
plätschern, über Mägen quellen,<br />
dann hat die Luft sich angestaut,<br />
die ganze Stadt hockt und verdaut.<br />
Woher kam der laute Knall?<br />
FILE NAME:<br />
JOB #:<br />
SEPARATOR:<br />
0 1 1 2 2 3 3 4 4 25 25 50 50 75 75 100 100 95 95 97 97 99 99 75 50 25 10 CM MY CY<br />
C M<br />
Y B<br />
Brach ein Flugzeug durch den Schall?<br />
Oder ob mit 'm Mal die Stadt<br />
ihr Bäuerchen gelassen hat?<br />
Die Luft riecht süß und säuerlich.<br />
Ich glaube, ich erbreche mich.<br />
Tada-da-da-dam…<br />
Dann geht’s zu den Schlachtfeldstätten,<br />
um im Geiste mitzutreten,<br />
mitzuschießen, mitzustechen,<br />
sich für wochentags zu rächen,<br />
um im Chor Worte zu röhren,<br />
die beim Gottesdienst nur stören.<br />
Schinkenspeckgesichter lachen<br />
treuherzig, weil Knochen krachen<br />
werden. Ich verstopf die Ohren<br />
meiner Kinder. Traumverloren<br />
hocken auf den Stadtparkbänken<br />
Greise, die an Sedan denken.<br />
Tada-da-da-dam…<br />
Und dann ist die Spaziergangstunde,<br />
durch die Stadt, zweimal die Runde.<br />
Hüte ziehen, spärlich nicken,<br />
wenn ein Chef kommt, tiefer bücken.<br />
Achtung, dass die Sahneballen<br />
dann nicht in den Rinnstein rollen.<br />
Kinder baumeln, ziehen Hände,<br />
man hat ihnen bunte, fremde<br />
Fliegen – Beine ausgefetzt –<br />
sorgsam an den Hals gesetzt,<br />
dass sie die Kinder beißen soll’n,<br />
wenn die zum Bahndamm fliehen woll’n.<br />
Tada-da-da-dam…<br />
Wenn zur Ruh die Glocken läuten,<br />
Kneipen nur ihr Licht vergeuden,<br />
dann wird’s in Couchecken beschaulich.<br />
Das ist dann die Zeit, da trau ich<br />
mich hinaus um nachzusehen,<br />
ob die Sterne richtig stehen.<br />
Abendstille überall. Bloß<br />
manchmal Lachen wie ein Windstoß<br />
über ein Mattscheibenspäßchen.<br />
Jeder schlürft noch rasch ein Gläschen<br />
und stöhnt über seinen Bauch<br />
und unsern kranken Nachbarn auch.<br />
Tada-da-da-dam…<br />
YELLOW BLACK<br />
PMS PMS<br />
TOTAL<br />
NUMBER OF<br />
COLORS<br />
120.5MM<br />
(4.74”)<br />
TONIO SCHIAVO<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© Kulturmaschinen Verlag, Liederbuch I + II, Berlin 2013<br />
Das ist die Geschichte von Tonio Schiavo,<br />
geboren, verwachsen im Mezzo-giorno.<br />
Frau und acht Kinder, und drei leben kaum,<br />
und zweieinhalb Schwestern in einem Raum.<br />
Tonio Schiavo ist abgehau’n.<br />
Zog in die Ferne, ins Paradies,<br />
und das liegt irgendwo bei Herne.<br />
Im Kumpelhäuschen oben auf dem Speicher<br />
mit zwölf Kameraden vom Mezzo-giorno<br />
für hundert Mark Miete und Licht aus um neun,<br />
da hockte er abends und trank seinen Wein.<br />
Manchmal schienen zum Dachfenster rein<br />
richtige Sterne ins Paradies,<br />
und das liegt irgendwo bei Herne.<br />
Richtiges Geld schickte Tonio nach Hause.<br />
Sie zählten’s und lachten im Mezzo-giorno.<br />
Er schaffte und schaffte für zehn auf dem Bau.<br />
Und dann kam das Richtfest und alle waren blau.<br />
Der Polier, der nannte ihn: Itaker-Sau.<br />
Das hört’ er nicht gerne im Paradies,<br />
und das liegt irgendwo bei Herne.<br />
Tonio Schiavo, der zog sein Messer,<br />
das Schnappmesser wars aus dem Mezzo-giorno.<br />
Er hieb’s in den fetten Bauch vom Polier<br />
und daraus floss sehr viel Blut und viel Bier.<br />
Tonio Schiavo, den schnappten gleich vier.<br />
Er sah unter sich Herne, das Paradies,<br />
und das war gar nicht mehr so ferne.<br />
Und das ist das Ende von Tonio Schiavo,<br />
geboren, verwachsen im Mezzo-giorno:<br />
Sie warfen ihn zwanzig Meter hinab.<br />
Er schlug auf das Pflaster und zwar nur ganz knapp<br />
vor zehn dünne Männer, die waren müde und schlapp,<br />
die kamen grad aus der Ferne – aus dem Mezzo-giorno –<br />
ins Paradies, und das liegt irgendwo bei Herne.<br />
BACK<br />
CTP<br />
TARGET<br />
FRONT<br />
CD BOOK SADDLE STITCH<br />
C M<br />
Y B<br />
SAFETY<br />
TRIM<br />
BLEED<br />
119.5MM<br />
(4.71”)
C M<br />
Y B<br />
KOMMT AN DEN TISCH<br />
UNTER PFLAUMENBÄUMEN<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© Kulturmaschinen Verlag, Liederbuch I + II, Berlin 2013<br />
Kommt an den Tisch unter Pflaumenbäumen,<br />
der Hammel ist gar überm Lauch.<br />
Paprika soll uns im Halse brennen,<br />
der reife Kartoffelschnaps auch.<br />
Lachen wollen wir wieder wie damals,<br />
bis morgens der Nachtvogel schreit.<br />
Wieder gute Geschichten erzählen<br />
von damals und von dieser Zeit,<br />
denn unsere Sache, unsere Sache, die steht nicht schlecht.<br />
Sicher, wir sind ganz schön mitgenommen,<br />
die Stimmen sind heiser vom Schreien.<br />
Töne gibt’s da manchmal im Lachen,<br />
da muss man schon vorsichtig sein.<br />
Misstrauisch sind wir beim Spaß geworden,<br />
nein, machen wir uns da nichts vor,<br />
schmaler Verdacht in den Augenwinkeln,<br />
die Hand am geschlitzten Ohr.<br />
Doch unsere Sache, unsere Sache, die steht nicht schlecht.<br />
Erzählt von euren Fahrten, Genossen,<br />
von Chile und wie man da singt,<br />
Hanoi, von der Großen unbesiegten,<br />
und wie man die Ernte einbringt.<br />
Vom Vollmond über Havanna, der Schönen,<br />
im Schutz von Raketen aus Stahl<br />
vom Donez. Erzählt von georgischen Festen,<br />
erzählt bei unserem Mahl,<br />
denn unsere Sache, unsere Sache, die steht nicht schlecht.<br />
Sicher sind auch unsere Schwierigkeiten.<br />
Das Einfache ist ziemlich schwer.<br />
Vorsicht ist in unsere Träume geschlichen,<br />
die Maultrommel spielen wir nicht mehr.<br />
Erzählt aber von den Streiks und Aktionen,<br />
von den Festen und von unserem Spaß,<br />
und wie allmählich die Steine tanzten,<br />
die Mauern aus Dummheit und Hass.<br />
Und unsere Sache, unsere Sache, die steht nicht schlecht.<br />
HEAD<br />
FOLD<br />
C M<br />
Y B<br />
PAGE 14 PAGE 15<br />
120.5MM<br />
(4.74”) 241MM<br />
(9.49”)<br />
SEL#: 06007 5340001 2 DATE: L/S: TECH:<br />
CYAN MAGENTA<br />
LABEL: Universal Music Strategic Marketing<br />
ARTIST: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
TITLE: Die Liedermacher<br />
TEMPLATE: UMG_CD_BOOK_SADDLE_JUL00.qxt<br />
Also, kommt an den Tisch unter Pflaumenbäumen,<br />
der Hammel ist gar überm Lauch.<br />
Paprika soll uns im Halse brennen,<br />
der reife Kartoffelschnaps auch.<br />
Harmonika spielen wir und Trompeten,<br />
elektrischen Bass und Schalmei,<br />
und werden noch unter den Bäumen liegen,<br />
wenn morgens der Nachtvogel schreit,<br />
denn unsere Sache, unsere Sache, die steht nicht schlecht,<br />
denn unsere Sache, unsere Sache, die steht nicht schlecht.<br />
BALLADE VOM<br />
VERLORENEN SOHN<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© Kulturmaschinen Verlag, Liederbuch I + II, Berlin 2013<br />
An einem Sonntag, so blauweißgestreift,<br />
legten sie ab vom bewimpelten Kai.<br />
Abfallen, killen und Segel fest – los.<br />
Vater und Sohn und ne Katze dabei.<br />
Was dann geschah auf der Kieler Bucht,<br />
außer den dreien hat das niemand geseh’n.<br />
Gab keinen Sturm auf der Kieler Bucht, doch<br />
manchmal da drehen da plötzliche Böen.<br />
Abends im Wind lief das Boot an den Kai.<br />
Fischer war’n da und der Mond schien auch schon.<br />
An Bord saß der Vater, und oben am Top<br />
hockte die Katze. Es fehlte der Sohn.<br />
Der kam nicht mit,<br />
der kam nicht mit.<br />
Crazy, die Katze, die kam nicht vom Top,<br />
schlich aber nachts in das Ferienhaus,<br />
sprang auf den Vater, der saß da und soff,<br />
riss ihm die Halsschlagader fast raus.<br />
Schreien und Weinen. Man hat ihn geliebt,<br />
Hänsel, den Sohn, der war grad sechzehn Jahr,<br />
weil oder trotzdem, das weiß man ja nie,<br />
Hänsel so was wie’n Problemkind war.<br />
Und in der Klasse, in der man so lebt,<br />
diszipliniert und sehr sauber verpackt,<br />
Vater im mittleren Management, da<br />
ist das schon schlimm, wenn man von einem sagt:<br />
Der kommt nicht mit,<br />
der kommt nicht mit.<br />
FILE NAME:<br />
JOB #:<br />
SEPARATOR:<br />
0 1 1 2 2 3 3 4 4 25 25 50 50 75 75 100 100 95 95 97 97 99 99 75 50 25 10 CM MY CY<br />
C M<br />
Y B<br />
Dass was Bedrohliches da heranwuchs,<br />
ahnten sie früh, denn ihr Kind Nummer zwo<br />
lutschte zu gierig und brüllte zu schrill,<br />
saß viel zu glücklich und oft auf dem Klo.<br />
Einige Zeit blieb das alles intern,<br />
auch, dass er katzenverrückt war und log,<br />
bis er im Kindergarten auffiel,<br />
weil er Mädchen und Jungen die Hosen auszog.<br />
Lächelten damals die Nachbarn auch nur,<br />
trösteten die Psychologen auch noch,<br />
blödelten Freunde von saftigem Sex,<br />
in der Familie ahnten sie doch:<br />
Der kommt nicht mit,<br />
der kommt nicht mit.<br />
Ach ja, die Schule, die Schule, ach ja.<br />
Nachmittags saß da die Mutter und schrie<br />
Zahlen und Sätze in Hänsels Gesicht.<br />
Klappte dann noch über „Legasthenie“.<br />
Doch im Gymnasium klappte es nicht,<br />
auch wenn der Vater im Elternbeirat<br />
clever, mit Eifer und Partys und Geld<br />
um seinen Sohn hart gepokert hat.<br />
Der begriff nur, dass er gar nichts begriff,<br />
weil, das hatt man ihm ganz genau beigebracht.<br />
Als man bei ihm Hasch und Pornos fand,<br />
hieß es natürlich auch gleich: Gute Nacht!<br />
Der kommt nicht mit,<br />
der kommt nicht mit.<br />
Lösungen gibt es für alles für Geld:<br />
Kam in ein Zwölfhundert-Mark-Internat.<br />
Schmiss man ihn raus, weil er Nacht und für Nacht<br />
mit Katzen und Jungen geschlafen hat.<br />
Und aus dem zweiten entfernte man ihn,<br />
tauchte dann unter bis nach Amsterdam.<br />
Klaute, hing rum, bis man ihn wieder fing<br />
und er in irgendein drittes reinkam.<br />
Lief aus dem vierten auch gleich wieder weg,<br />
aber das sechste war zu gut bewacht.<br />
Das fing dann Feuer und brannte fast ab.<br />
Da haben auch die Psychologen gesagt:<br />
Der kommt nicht mit,<br />
der kommt nicht mit.<br />
Vater und Mutter warn ziemlich kaputt.<br />
Kamen auch Krise und Teuerung ins Land.<br />
Was soll aus uns werden, sprach er zur Frau,<br />
und der Klassenauftrag war auch beiden bekannt:<br />
YELLOW BLACK<br />
PMS PMS<br />
TOTAL<br />
NUMBER OF<br />
COLORS<br />
120.5MM<br />
(4.74”)<br />
BACK<br />
Vorbild nach unten, nach oben loyal,<br />
dafür ein Leben Marke „Freie Welt“,<br />
sechs braune Riesen im Monat und so,<br />
dieser Deal hält nur, solange er hält.<br />
Dafür steht viel, steht auch Sippenhaft.<br />
Jedenfalls glaubt man das, und das genügt,<br />
wenn Nachbarn, Kollegen und Freunde und Chef<br />
teilnahmsvoll fragen mit hartem Gesicht:<br />
Kommt er nicht mit,<br />
kommt er nicht mit?<br />
Hat man sich öfter Gedanken gemacht:<br />
Wär vielleicht eigentlich besser doch, wenn…<br />
Wer weiß schon, was man zu Ende gedacht.<br />
Jedenfalls fuhr man in Ferien.<br />
Was dann geschah auf der Kieler Bucht –<br />
außer den dreien hat das niemand geseh’n.<br />
Gab keinen Sturm auf der Kieler Bucht, doch<br />
manchmal, da drehen da plötzliche Böen.<br />
Abends im Wind lief das Boot an den Kai.<br />
Fischer war’n da und der Mond schien auch schon.<br />
An Bord saß der Vater, und oben am Top<br />
hockte die Katze. Es fehlte der Sohn.<br />
Der kam nicht mit,<br />
der kam nicht mit.<br />
CTP<br />
TARGET<br />
FRONT<br />
CD BOOK SADDLE STITCH<br />
C M<br />
Y B<br />
SAFETY<br />
TRIM<br />
BLEED<br />
119.5MM<br />
(4.71”)
C M<br />
Y B<br />
PORTUGAL<br />
(FADO TROPICAL)<br />
Musik: Francisco Buarque Holanda / Originaltext: Francisco Buarque<br />
Holanda und Ruy Alexandre / Deutscher Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© 1973 Cara Nova Editora Musical Ltda. (via Arlequim Editora Musical<br />
Ltda., via I.Q. Music Ltd.) / Edition Nordton, Berlin<br />
Wir haben dich geseh’n:<br />
Verschlossenes Gesicht,<br />
zerpflügt in fünfzig Jahrn,<br />
Funken im Augenlicht,<br />
das kahle Trauertuch,<br />
das aus den Händen fiel,<br />
und flatterte im Wind:<br />
Portugiesischer April.<br />
Sagt allen, die im Kampf steh’n,<br />
sagt und singt es überall:<br />
Die rote Nelke blüht,<br />
ist erblüht in Portugal.<br />
Wir haben dich geseh’n:<br />
Die Freiheit, wie sie lacht,<br />
die Freiheit, wie sie tanzt<br />
und wie sie mutig macht,<br />
die Blume im Gewehr,<br />
die Faust, die kämpfen will.<br />
Wir haben dich geseh’n:<br />
Portugiesischer April.<br />
Sagt allen, die im Kampf steh’n,<br />
sagt und singt es überall:<br />
Die rote Nelke blüht,<br />
ist erblüht in Portugal.<br />
Ihr alle, wo ihr seid<br />
und die ihr weitermacht<br />
und oft kein Ende seht<br />
von einer langen Nacht,<br />
ihr alle auf der Flucht,<br />
im Lager, im Exil:<br />
Nur eine Blume – doch:<br />
Portugiesischer April.<br />
Sagt allen, die im Kampf steh’n,<br />
sagt und singt es überall:<br />
Die rote Nelke blüht,<br />
HEAD<br />
FOLD<br />
C M<br />
Y B<br />
PAGE 16 PAGE 17<br />
120.5MM<br />
(4.74”) 241MM<br />
(9.49”)<br />
SEL#: 06007 5340001 2 DATE: L/S: TECH:<br />
CYAN MAGENTA<br />
LABEL: Universal Music Strategic Marketing<br />
ARTIST: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
TITLE: Die Liedermacher<br />
TEMPLATE: UMG_CD_BOOK_SADDLE_JUL00.qxt<br />
ist erblüht in Portugal.<br />
Dass diese Blume brennt<br />
und niemand sie zertritt,<br />
dass einmal glühend rot<br />
die schwarze Erde blüht:<br />
Gieß jetzt die Gläser voll.<br />
Akkordeon komm spiel.<br />
Wir tanzen zu dem Lied:<br />
Portugiesischer April.<br />
Sagt allen, die im Kampf steh’n,<br />
sagt und singt es überall:<br />
Die rote Nelke blüht,<br />
ist erblüht in Portugal.<br />
RONDO PASTORALE<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© Kulturmaschinen Verlag, Liederbuch I + II, Berlin 2013<br />
Ja, war nicht leicht, euch hier zu finden,<br />
weil die Hecke steht sehr hoch und dicht.<br />
Und ein Namensschild an dem kaputten<br />
Törchen gibt es ja auch nicht.<br />
Nein, ihr habt euch nicht verändert,<br />
bisschen dünner seid ihr vielleicht, und<br />
eure selbstgewebten Kleider<br />
steh’n euch gut – nein, ich mein, sind gesund.<br />
Ja, der Garten ist phantastisch,<br />
wuchert wild, ich riech den Thymian.<br />
Nein, eure Hände sind ganz trocken,<br />
fühl’n sich überhaupt nicht fiebrig an.<br />
Ja, das Mädchen am Klavier da<br />
zwischen Fliederbüschen ist Aimée<br />
und ihr Haarkranz ist aus Kresse,<br />
spielt das gleiche Stück wie eh und je.<br />
Ja, euer Haus aus Ziegelsteinen<br />
ist sehr alt und schön das Dach aus Ried.<br />
Eure Tomaten schmecken wirklich<br />
nach Tomaten, so, wie ihr sie zieht.<br />
Nein, die Sonne, die auf unsren Händen<br />
mit dem Schatten spielt, ist nicht zu heiß.<br />
Und ich spüre keine Angst und<br />
keine Kälte hier in eurem Kreis.<br />
FILE NAME:<br />
JOB #:<br />
SEPARATOR:<br />
0 1 1 2 2 3 3 4 4 25 25 50 50 75 75 100 100 95 95 97 97 99 99 75 50 25 10 CM MY CY<br />
C M<br />
Y B<br />
Ja, die Jahre zähl’n nach Jahren,<br />
in den Städten merkt man das nicht mehr.<br />
Ja, unser Kampf ist noch der gleiche<br />
und noch immer ist er ziemlich schwer.<br />
Nein, ihr seid nicht abgehauen,<br />
wie man das so einfach daher quatscht,<br />
und ihr habt auch eure Gründe.<br />
Niemand sagt, ihr wärt reichlich vermatscht.<br />
Ja, ich trinke noch ein Glas von<br />
eurem schwarzen Hagebuttenwein<br />
und ich streichele die Katzen<br />
auf dem Tisch, den Hund an meinem Bein.<br />
Ja, verstreut sind die Genossen,<br />
die von damals, ja, und einige ruh’n.<br />
Aber viele machen weiter,<br />
und sie wissen auch, warum sie’s tun.<br />
Nein, ich weiß nicht, warum Rudi<br />
nichts von der Enzymbedüngung hält.<br />
Ja, das Dach werdet ihr flicken,<br />
eh der große Regen wieder fällt.<br />
Nein, dass Ulrike in Peru bei<br />
Indianern lebt, das glaub ich nicht.<br />
Ja. Aimée spielt wirklich gut. Nein,<br />
ist nicht wichtig, dass sie gar nicht spricht.<br />
Ja, auf Autobahnen wandern<br />
mit den Kindern, das wär wirklich schön.<br />
Nein, aus den Beton-Miethäusern bricht noch<br />
immer nicht das alte, junge Grün.<br />
Ja, eure Weidenflöten klingen<br />
wie wenn Hirtenflöten abends fleh’n.<br />
Nein, lasst mich sitzen, wenn ihr tanzt,<br />
und so allmählich muß ich jetzt auch geh’n.<br />
Ja, vielleicht komm ich mal wieder,<br />
so in sieben Jahren oder zehn.<br />
Und die Rosenhecke wuchert immer weiter.<br />
Ich werd euch nicht sehn.<br />
Ein Klavier hör ich und Flöten,<br />
und ich rat, woher die Töne weh’n.<br />
Und ich werd nochmal versuchen,<br />
ehrlich, euch auch wirklich zu versteh’n.<br />
YELLOW BLACK<br />
PMS PMS<br />
TOTAL<br />
NUMBER OF<br />
COLORS<br />
120.5MM<br />
(4.74”)<br />
SACCO UND VANZETTI<br />
Musik: E. Morricone / Englischer Text: J. Baez<br />
Deutscher Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© 1972 Universal Music Publishing Ricordi Srl. / Musik<br />
Edition Discoton GmbH (Universal Music Publishing Group)<br />
Dieses Lied ist für Nicola Sacco und Bart Vanzetti, zwei<br />
amerikanische Arbeiterführer. Sie hatten Streiks<br />
organisiert und Demonstrationen gegen die Herrschaft<br />
des Kapitals. Deshalb sollten sie beseitigt werden und<br />
man klagte sie an wegen Mord, den sie nie begangen<br />
hatten. Trotzdem wurden sie zum Tode verurteilt.<br />
Hunderttausende in allen Ländern der Welt gingen<br />
gegen dieses Unrechtsurteil auf die Straße, streikten<br />
und forderten die Freilassung von Sacco und Vanzetti.<br />
Zwar konnte der Mord nicht verhindert werden.<br />
Am 22. August 1927 wurden Sacco und Vanzetti auf dem<br />
elektrischen Stuhl zu Tode gefoltert. Aber der Kampf<br />
der internationalen Bewegung zur Befreiung der beiden<br />
Arbeiterführer öffnete Millionen die Augen über<br />
den wahren Charakter des kapitalistischen Systems<br />
und seiner Justiz. Sacco und Vanzetti blieben Kämpfer<br />
bis zum letzten Augenblick. Aus dem Gefängnis heraus<br />
forderten sie zu weiteren Aktionen auf. Sie wussten,<br />
weshalb sie hingerichtet werden sollten, und starben<br />
als Opfer des internationalen Befreiungskampfes.<br />
Euer Kampf, Nicola und Bart,<br />
brannte weit und wurde Fanal.<br />
Brannte rot und wurde zum Schrei:<br />
Gebt Sacco und Vancetti frei!<br />
Und der Schrei lief rund um die Welt.<br />
Und im Kampf hat jeder gefühlt<br />
diese Kraft, die hinter euch steht,<br />
die Kraft der Solidarität.<br />
Diese Kraft, Nicola und Bart,<br />
sie ist heute mächtig und stark<br />
und sie hat Millionen erfasst,<br />
wie blutig auch der Feind sie hasst.<br />
Euer Kampf, Nicola und Bart,<br />
und auch dein Kampf, Angela,<br />
euer Kampf wird weitergeh’n,<br />
weil hinter euch Millionen steh’n.<br />
BACK<br />
CTP<br />
TARGET<br />
FRONT<br />
CD BOOK SADDLE STITCH<br />
C M<br />
Y B<br />
SAFETY<br />
TRIM<br />
BLEED<br />
119.5MM<br />
(4.71”)
C M<br />
Y B<br />
Dieses Lied, Nicola und Bart,<br />
ist für euch und Angela.<br />
Hinter euch steht heute die Welt,<br />
in der das Volk die Macht schon hält.<br />
Dieses Lied, Nicola und Bart,<br />
ist für euch und Angela.<br />
Hinter euch steht heute die Welt,<br />
in der das Volk die Macht schon hält.<br />
DRUMHERUMGEREDE<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© Kulturmaschinen Verlag, Liederbuch I + II, Berlin 2013<br />
Na, was sagen sie denn jetzt.<br />
Der Wind hat sich gedreht im Lande<br />
mit einem Paukenschlag aus Bayern<br />
und damit hätten sie wohl nicht gerechnet wie?<br />
Dass das die ganze Zeit so weiterlaufen würde<br />
haben sie doch geglaubt?<br />
So langsam in den Sozialismus schlittern<br />
und wir, wir steh‘n daneben und sehen einfach zu dabei<br />
und hören uns das an das<br />
Drumherumgerede<br />
Drumherumgelaber<br />
Drumherumgequatsche<br />
Da haben sie sich die ganze Mühe<br />
all die Jahre durch gemacht,<br />
nach dem Zusammenbruch fing das schon an<br />
mit Entnazifizierung.<br />
Die Bescheinigung darüber hab ich heute noch.<br />
Die hängt auf meiner Vorstands-Toilette unter Glas.<br />
Der Aufsichtsrat lacht jedes Mal darüber Tränen.<br />
Dann Umerziehung, Menschenskind,<br />
was haben sie sich dabei bloß gedacht?<br />
Besonders clever war das ja nun nicht.<br />
Zum Beispiel ich, ich hab das drüben<br />
in den Staaten absolviert. Und das war beste Schulung.<br />
Zusammen übrigens mit einem Mann von ihnen,<br />
der sitzt mir bei Tarifverhandlungen<br />
am Tische heute gegenüber.<br />
Na jedenfalls, dass ohne uns nichts läuft,<br />
habt ihr ja ziemlich schnell kapiert.<br />
HEAD<br />
FOLD<br />
C M<br />
Y B<br />
PAGE 18 PAGE 19<br />
120.5MM<br />
(4.74”) 241MM<br />
(9.49”)<br />
SEL#: 06007 5340001 2 DATE: L/S: TECH:<br />
CYAN MAGENTA<br />
LABEL: Universal Music Strategic Marketing<br />
ARTIST: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
TITLE: Die Liedermacher<br />
TEMPLATE: UMG_CD_BOOK_SADDLE_JUL00.qxt<br />
Trotz allem<br />
Drumherumgerede<br />
Drumherumgelaber<br />
Drumherumgequatsche<br />
dass wir so falsch gar nicht gelegen hatten<br />
damals in den tausend Jahren<br />
habt ihr ja ziemlich schnell gespürt im Kalten Krieg.<br />
Da hattet ihr ganz schönes Muffensausen, wie?<br />
Aber die neue Wehrmacht mußten wir dann,<br />
gegen eure geschlossene Phalanx<br />
haben wir die durchgesetzt.<br />
Was hättet ihr denn ohne uns gemacht?<br />
Und dann in all den ruhigen fetten Jahren<br />
mit sozialer Symmetrie und Partnerschaft und pipapo,<br />
wer hat uns denn da vor Systemveränderern geschützt?<br />
Aus euren eigenen Reihen, wir.<br />
Notstandsgesetze beispielsweise,<br />
da haben sich viele doch von euch gedrückt.<br />
Obwohl ihr wußtet, dass es ohne das nicht ging.<br />
Trotz allem<br />
Drumherumgerede<br />
Drumherumgelaber<br />
Drumherumgequatsche<br />
Und wir,<br />
wir mußten dann trotz allem noch den Buhmann spielen.<br />
Unverbesserliche alte Nazis, Kriegsverbrecher.<br />
Sowas mußten wir uns anhör‘n all die Jahre,<br />
so und damit ist nun endlich Schluß.<br />
Den Laden schmeißen,<br />
aber bitte nur in Sack und Asche und im Büßerhemd.<br />
Und jedes Mal sich an die Brust geschlagen<br />
bei Auschwitz Maidanek und Holocaust und pipapo.<br />
Noch nie hat sich ein Volk in der Geschichte so etwas geleistet.<br />
Die eigene Elite 35 Jahre durch den Dreck zu ziehen.<br />
Nun gut, wir haben geschwiegen.<br />
Aber manchmal, kann ich Ihnen sagen,<br />
da ist einem der Kragen schon geplatzt bei diesem<br />
Drumherumgerede<br />
Drumherumgelaber<br />
Drumherumgequatsche<br />
Was ihr aus unserem Land gemacht habt,<br />
unserem Deutschland,<br />
das ist schon eine Sauferei, gelinde ausgedrückt.<br />
FILE NAME:<br />
JOB #:<br />
SEPARATOR:<br />
0 1 1 2 2 3 3 4 4 25 25 50 50 75 75 100 100 95 95 97 97 99 99 75 50 25 10 CM MY CY<br />
C M<br />
Y B<br />
Ich sag nur Ostverträge.<br />
Die Perspektive auf die unser Volk<br />
bei Strafe seines Unterganges<br />
niemals verzichten darf,<br />
habt ihr doch einfach weggedrückt.<br />
Die Linie Chemnitz Krakau Kiew.<br />
Daran zu denken war doch schon verboten.<br />
Und seht euch eure Jugend an,<br />
von wegen Leistung,Weiterkommen, neue Grenzen.<br />
Stattdessen händchenhalten, schmusen, Nabelschau.<br />
Beim ersten Knall, da zittern denen doch die morschen Knochen.<br />
Aber der Wind hat sich gedreht im Lande<br />
mit einem Paukenschlag aus Bayern<br />
und jetzt wird aufgeräumt<br />
bis zur Jahrtausendwende sag ich ihnen.<br />
Und darüber, da ist nun endlich Schluß mit diesem<br />
Drumherumgerede<br />
Drumherumgelaber<br />
Drumherumgequatsche<br />
Na, und was meint ihr dazu das Publikum?<br />
Draußen im Lande<br />
solle mer ne rinlasse mit Paukenschlag<br />
diesen aus Bayern oder<br />
machen wir jetzt endlich Schluß mit seinem<br />
Drumherumgerede<br />
Drumherumgelaber<br />
Drumherumgequatsche<br />
YELLOW BLACK<br />
PMS PMS<br />
TOTAL<br />
NUMBER OF<br />
COLORS<br />
120.5MM<br />
(4.74”)<br />
BACK<br />
CTP<br />
TARGET<br />
ICH GING IM<br />
LETZTEN MAI<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© Kulturmaschinen Verlag, Liederbuch I + II, Berlin 2013<br />
Ich ging im letzten Mai<br />
noch mal spazieren durch Bonn.<br />
Da stand an seinem Platz<br />
noch immer Beethoven.<br />
Und plötzlich sah ich wieder rot.<br />
Ich setzte mich auf eine Bank:<br />
Zigtausend rote Fahnen und<br />
zigtausendstimmiger Gesang.<br />
Auch Beethoven hielt in der Hand<br />
die rote Fahne: A Ia marche!,<br />
rief er, los zur Regierung hin,<br />
reißt ihnen auf den klammen Arsch!<br />
Ja, es war einmal,Väterchen <strong>Franz</strong>,<br />
und wenn sie nicht gestorben sind…<br />
Ja, ja, doch dass es möglich war,<br />
vergiss das nie und nie, mein Kind.<br />
Erwachsen, sagen sie, sei,<br />
wer möglichst bald vergisst,<br />
dass hinterm Horizont<br />
dass möglich Andere ist.<br />
Vor Brockdorf in der Elbmarsch hing<br />
der Horizont zum Beispiel tief,<br />
wie auf den Deichen Trupp auf Trupp<br />
zum Sturm auf die Atomburg lief.<br />
Gerichtsvollzieher zogen mit.<br />
Ein Priester schwang sogar die Axt.<br />
Trotz Tränengas und Rotzgeheul<br />
knirschte die Staatsmacht angeknackst.<br />
Erinner Dich, mon vieux copain,<br />
wie manchem coolen Herrschaftsherrn<br />
die Muffe ging, wenn er bloß sah<br />
die Knarre vor dem Fünfzackstern.<br />
Und paarmal schien uns auch<br />
ein Schein der Möglichkeit<br />
von hinterm Horizont,<br />
der schien uns nicht mehr weit:<br />
Wir stritten, hassten, liebten uns,<br />
und jeder ging im andern Tritt.<br />
FRONT<br />
CD BOOK SADDLE STITCH<br />
C M<br />
Y B<br />
SAFETY<br />
TRIM<br />
BLEED<br />
119.5MM<br />
(4.71”)
C M<br />
Y B<br />
Alles gehörte uns und nichts,<br />
und auch die Kinder stimmten mit.<br />
Wir schafften, was zu schaffen war,<br />
und keiner schaffte dabei an,<br />
und spielten Spiele, einfach so,<br />
bei denen niemand gewann.<br />
Das klappt nicht oft mitten im Fluss,<br />
auf einer Insel vor der Welt,<br />
wo Krokodile warten,<br />
dass man traumverlor’n ins Wasser fällt.<br />
So ganz unmöglich hört<br />
das Mögliche sich an,<br />
dass man zur Zeit davon<br />
eben nur singen kann.<br />
Und dabei flackern ja schon längst<br />
an allen Ecken in der Welt<br />
die Feuer, die Signale sind,<br />
dass bald nichts mehr zusammenhält.<br />
Und im Gedächtnis bleibt ja auch:<br />
Letztmal gelang es siebzig Jahr,<br />
während davor die Kommune schon<br />
nach siebzig Tagen geschlagen war.<br />
Ja, es war einmal,Väterchen <strong>Franz</strong>,<br />
und wenn sie nicht gestorben sind…<br />
Ja, ja, doch dass es möglich war,<br />
vielleicht, dass es nochmal<br />
und besser dann gelingt.<br />
DIE ERNTE DROHT<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© Kulturmaschinen Verlag, Liederbuch I + II, Berlin 2013<br />
Die Ernte droht, es ist die Zeit.<br />
Die letzten Früchte sind so weit,<br />
voll schwerer Süße wie noch nie.<br />
Ein Hauch nur, und dann platzen sie.<br />
Die Arsenale sind gefüllt,<br />
die Herzenswünsche fast gestillt,<br />
die Ziele sind längst ausgesucht,<br />
die Flüge alle schon gebucht,<br />
die dürren Models drängeln sich<br />
um letzte Tickets auf dem Strich.<br />
HEAD<br />
FOLD<br />
C M<br />
Y B<br />
PAGE 20 PAGE 21<br />
120.5MM<br />
(4.74”) 241MM<br />
(9.49”)<br />
SEL#: 06007 5340001 2 DATE: L/S: TECH:<br />
CYAN MAGENTA<br />
LABEL: Universal Music Strategic Marketing<br />
ARTIST: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
TITLE: Die Liedermacher<br />
TEMPLATE: UMG_CD_BOOK_SADDLE_JUL00.qxt<br />
Die Konsumenten lecken sich<br />
die Lippen, und sie glauben nicht,<br />
dass irgendwas sich ändern soll.<br />
Es läuft doch eigentlich alles toll.<br />
„Après nous“, das gilt nicht mehr,<br />
Nachher ist so wie Vorher.<br />
In diesen Popsong der Saison<br />
hallt manchmal ein Gewitterton.<br />
Ein Loser, der sich fürchtet jetzt.<br />
Die Siegertreppchen sind gesetzt.<br />
Talkshow, Pfaffe, Schutzpatron<br />
trainieren den Beruhigungston.<br />
Die Habenichtse warten gern,<br />
bis dass die Zeiten besser wer’n.<br />
Die Spekulanten wetten, dass<br />
nicht überläuft das volle Fass.<br />
Herr Ackermann drückt und probiert,<br />
ob die Verdauung funktioniert.<br />
So schwitzt’s und knistert’s vor sich hin:<br />
Was du verlierst, ist mein Gewinn.<br />
Die Sophie lächelt, „Hinterher“,<br />
sagt sie, „ist alles herrlich leer.“<br />
Der Klapse wieder mal entfloh’n,<br />
sucht sie den absoluten Ton.<br />
Im Kinderwagen, gut versteckt,<br />
mit Dynamitstangen bedeckt,<br />
das Büffelhorn, das wütend brüllt,<br />
weil sich die Welt in Schweigen hüllt,<br />
damit man wieder mal vergisst,<br />
was letztes Mal geschehen ist.<br />
Die Ernte droht, jetzt ist die Zeit<br />
für alle Früchte weit und breit.<br />
Es gärt und tröpfelt überall.<br />
Der Apfel klatscht und matscht im Fall.<br />
Spezialraumschiffe steh’n bereit<br />
für die ganz einflussreichen Leut.<br />
Und auf dem Berge Ararat<br />
die nachgebaute Arche hat<br />
für ganz kostbare Tiere Platz:<br />
Der Milliardäre Hund und Katz.<br />
FILE NAME:<br />
JOB #:<br />
SEPARATOR:<br />
0 1 1 2 2 3 3 4 4 25 25 50 50 75 75 100 100 95 95 97 97 99 99 75 50 25 10 CM MY CY<br />
C M<br />
Y B<br />
TANGO DU MIDI<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© Kulturmaschinen Verlag, Liederbuch I + II, Berlin 2013<br />
Die Place im Dorf um Mittag mitten im Midi:<br />
Das Licht gesprenkelt unter den Platanen<br />
und der Brunnen plätschert<br />
und die Kugeln klacken beim Pétanque.<br />
Das ist ein Film, der ist uralt und der läuft immer noch.<br />
Noch immer hocken sie an Tischen vor der Bar:<br />
Der Bäcker, Schäfer, Lehrer, Garagist,<br />
und alle reden übers Wetter<br />
und den Wein für dieses Jahr<br />
und dass sich auch seit Mitterrand<br />
noch nichts geändert hat.<br />
Die Alte, krumm gebuckelt,<br />
unterm Arm ihr täglich Brot, schleicht in ihr Haus.<br />
Um sie herum fahren die Kinder Tour de France,<br />
der fou d‘ village läuft immer lachend hinterher.<br />
Und ich, ich sitz<br />
beim zweiten Glas Pastis.<br />
Die Flöte aus dem Weinberg bläst mein Bruder Pan.<br />
Zur Sonnenhymne fallen die Zikaden ein.<br />
Die Zeit bewegt sich langsam seitwärts<br />
und nicht mehr nach vorn.<br />
So wird es sein, wenn die Geschichte mal zu Ende ist.<br />
Bis dahin lies die fünfzehn Namen an der Wand,<br />
der Mauerwand, die vor dem Oleander steht.<br />
Die Wand,vor vierzig Jahren war sie vollgespritzt mit Blut,<br />
als die SS hier fünfzehn Männer<br />
und zwei Frauen des Maquis erschoss.<br />
Ob Zeit die Wunden heilt, auch wenn sie steht,<br />
fragt hier kein Mensch, und alle schauen auf den Bus<br />
aus meinem Land, der plötzlich hält.<br />
Auf einmal geht sie wieder los, die alte Zeit.<br />
Und ich trink schnell<br />
ein drittes Glas Pastis.<br />
YELLOW BLACK<br />
PMS PMS<br />
TOTAL<br />
NUMBER OF<br />
COLORS<br />
120.5MM<br />
(4.74”)<br />
Die Place im Dorf um Mittag im Midi wird voll.<br />
Der Reiseleiter gibt nur zehn Minuten für das Knipsen.<br />
Dies hier, sagt er, typisch, sehen wir noch oft.<br />
Man ist gepflegt und ist diskret und ist was Besseres:<br />
Ein Kunstverein, der sucht Romanik mitten im Midi.<br />
Die Kirche hier im Dorf soll karolingisch sein.<br />
Die Witwe sagt es streng und sieht dann über mich hinweg,<br />
und ich denk, sie ist ganz genau der Nazi-Witwe-Typ.<br />
Die reisen auf den Spuren ihrer Männer,<br />
die die Welt in Scherben schlugen.<br />
Dafür kriegen sie Pensionen.<br />
Warum macht bloß die Geschichte,<br />
fragst du, diesen schlechten Witz?<br />
Und ich trink wütend<br />
noch ein Glas Pastis.<br />
Die Place im Dorf um Mittag mitten im Midi wird leer.<br />
Der Kunstverein besichtigt diese Kirche<br />
und die Leute aus dem Dorf begeben sich zu ihrem Mahl.<br />
Der Lehrer bleibt und trinkt und gähnt über der Humanité.<br />
Und über diesen leeren Platz kommt sie allein,<br />
die Witwe, in den Händen rote Rosen. Es sind fünfzehn,<br />
und sie legt die Rosen einzeln an die Wand,<br />
die Wand, an der untereinander fünfzehn Namen steh’n.<br />
Die Stille hat ein Echo, wenn Zikaden plötzlich schweigen,<br />
und die Flöte aus dem Weinberg<br />
bläst auf einmal einen Tango,<br />
diesen wundersamen Tango du Midi.<br />
Und ich trink irritiert<br />
noch ein’ Pastis.<br />
BACK<br />
CTP<br />
TARGET<br />
FRONT<br />
CD BOOK SADDLE STITCH<br />
C M<br />
Y B<br />
SAFETY<br />
TRIM<br />
BLEED<br />
119.5MM<br />
(4.71”)
C M<br />
Y B<br />
FÜR MIKIS THEODORAKIS<br />
Musik und Text: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
© Kulturmaschinen Verlag, Liederbuch I + II, Berlin 2013<br />
Da sind sie, die Konzern- und Landbesitzer,<br />
Generäle, Popen, Panzer,<br />
die bekannte Kumpanei.<br />
Immer wieder wollen sie die Zeit aufhalten<br />
in Athen und Kapstadt, Bogota,<br />
Berlin und Quang Ngai.<br />
Ihre greisen, kalten Hände suchen<br />
jedes heiße Herz, Theodorakis,<br />
und du weißt, wie kalt sie sind.<br />
Doch wir wissen auch, dass sie zu kalt sind,<br />
dass sie viel zu alt sind, dass sie tot sind<br />
dann, wenn unser Tag beginnt.<br />
Jener Tag,<br />
an dem die Sonne tanzt.<br />
Roter Tag der Freiheit in Athen.<br />
Jener Tag,<br />
an dem wir auf den Straßen tanzen<br />
und uns wiederseh’n.<br />
Die Feinde dieser Parasiten – es sind<br />
deine Freunde. Sie sind zahlreich<br />
und sie leben überall.<br />
Deine Lieder sind auf ihrem langen Marsch<br />
die kurze Rast in einem quellenkühlen Tal.<br />
Darum hassen sie die Lieder, unsere Feinde.<br />
Ihre wurmstichigen Ohren<br />
trifft dein Name wie ein Schlag.<br />
Und im Bellen ihrer Stimmen,<br />
in den kurzsichtigen Augen,<br />
in den zitterigen Gesten<br />
ist die Angst vor jenem Tag,<br />
jenem Tag,<br />
an dem die Sonne tanzt.<br />
Roter Tag der Freiheit in Athen.<br />
Jener Tag,<br />
an dem wir auf den Straßen tanzen<br />
und uns wiederseh’n.<br />
HEAD<br />
FOLD<br />
C M<br />
Y B<br />
PAGE 22 PAGE 23<br />
120.5MM<br />
(4.74”) 241MM<br />
(9.49”)<br />
SEL#: 06007 5340001 2 DATE: L/S: TECH:<br />
CYAN MAGENTA<br />
LABEL: Universal Music Strategic Marketing<br />
ARTIST: <strong>Franz</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Degenhardt</strong><br />
TITLE: Die Liedermacher<br />
TEMPLATE: UMG_CD_BOOK_SADDLE_JUL00.qxt<br />
Und sie frieren in den weißen Häusern,<br />
diese alten Männer. Ihre tausendfache Angst<br />
wird tausendfach bewacht.<br />
Wie ihr großer weißer Vater,<br />
dieser Völkermörder Johnson,<br />
löschen sie das Licht nicht mehr bei Nacht.<br />
Denn sie wissen, die, die auf den Morgen<br />
warten, sie sind überall<br />
und sie sind wach.<br />
Seht! Die Nacht geht schon zu Ende.<br />
Ihre Sterne, sie verlöschen.<br />
Bald beginnt der Tag.<br />
Jener Tag,<br />
an dem die Sonne tanzt.<br />
Roter Tag der Freiheit in Athen.<br />
Jener Tag,<br />
an dem wir auf den Straßen tanzen<br />
und uns wiederseh’n.<br />
FILE NAME:<br />
JOB #:<br />
SEPARATOR:<br />
0 1 1 2 2 3 3 4 4 25 25 50 50 75 75 100 100 95 95 97 97 99 99 75 50 25 10 CM MY CY<br />
C M<br />
Y B<br />
YELLOW BLACK<br />
PMS PMS<br />
TOTAL<br />
NUMBER OF<br />
COLORS<br />
120.5MM<br />
(4.74”)<br />
BACK<br />
CTP<br />
TARGET<br />
FRONT<br />
Product Manager: Christina Sas<br />
Design: Stefan Kassel / www.stefankassel.com<br />
Coverfoto: ullstein bild – ADN-Bildarchiv<br />
Foto Seite 4: © Universal Music GmbH<br />
Ein besonderer Dank an die Musikverlage für ihre freundliche Unterstützung<br />
www.universal-music.de<br />
© 2012 Universal Music Strategic Marketing, a division of Universal Music GmbH<br />
CD BOOK SADDLE STITCH<br />
C M<br />
Y B<br />
SAFETY<br />
TRIM<br />
BLEED<br />
119.5MM<br />
(4.71”)