Heft 2/2010 - Bund der Deutschen Landjugend
Heft 2/2010 - Bund der Deutschen Landjugend
Heft 2/2010 - Bund der Deutschen Landjugend
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Fachmagazin <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> 02/10<br />
Interkulturelle Öffnung
Inhalt<br />
Editorial Seite 3<br />
Bedeutung von interkulturellem Lernen Seite 4<br />
„Keine Nebensache, son<strong>der</strong>n Pflicht“ Seite 5<br />
Dialog zwischen den Kulturen Seite 7<br />
Altes Fahrrad - neue Hoffnung Seite 8<br />
„Auch die <strong>Landjugend</strong> ist gefragt!“ Seite 10<br />
Geduld und diplomatisches Geschick Seite 12<br />
Viehzucht, Ackerbau & russische Gedichte Seite 14<br />
Ein interkulturelles Vergnügen Seite 15<br />
Ein schwedischer Sommertraum Seite 17<br />
Wenn die Ferne ruft ... Seite 18<br />
„Außenseiter im Dorf? - Unmöglich!“ Seite 20<br />
BDL-Report Seite 21<br />
Termine / Impressum Seite 23<br />
Seite 8<br />
Altes Fahrrad - neue Hoffnung<br />
Vor mehr als zehn Jahren startete die Nie<strong>der</strong>sächsische <strong>Landjugend</strong><br />
ihre bekannte Aktion „Fahrrä<strong>der</strong> für Ghana“: <strong>Landjugend</strong>gruppen<br />
sammelten alte Fahrrä<strong>der</strong> und machten sie wie<strong>der</strong> funktionstüchtig.<br />
Das hat nicht nur die Mobilität geför<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n war<br />
ein weiterer Baustein für eine intensive Freundschaft.<br />
Seite 15<br />
Ein interkulturelles Vergnügen<br />
Interkulturelles Lernen bedeutet Chancen und großartige Erfahrungen.<br />
Seit mehr als 40 Jahren för<strong>der</strong>t das Referat Internationales<br />
des <strong>Bund</strong>es <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong> interkulturelle Lernprozesse<br />
bei deutsch-französischen Begegnungen.<br />
Seite 17<br />
Ein schwedischer Sommertraum<br />
Hauke, Katti, Nicole, Anika und Fabian waren die fünf Nordlichter<br />
aus Deutschland bei <strong>der</strong> European Rally in Schweden. Diese Rally,<br />
sozusagen ein „europäisches <strong>Landjugend</strong>treffen“, findet jedes<br />
Jahr eine Woche lang in einem an<strong>der</strong>en europäischen Land statt.<br />
Das Motto <strong>2010</strong>: „think globally, act locally“.
Editorial<br />
Von <strong>der</strong> Haustür in die Welt<br />
Wir alle essen gerne Döner, reisen im Urlaub am liebsten in exotische<br />
Län<strong>der</strong> wie Thailand o<strong>der</strong> zumindest nach Italien. An<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> beeinflussen<br />
uns alltäglich bei <strong>der</strong> Kleidung, die wir tragen, den Filmen, die<br />
wir schauen o<strong>der</strong> den Sprachen, die wir lernen. Aber habt ihr euch schon<br />
einmal mit den an<strong>der</strong>en Kulturen direkt vor <strong>der</strong> Haustür beschäftigt?<br />
Deutschland ist ein Einwan<strong>der</strong>ungsland. Mittlerweile leben die verschiedensten<br />
Menschen bei uns. Aber leben sie auch mit uns? Es wird zunehmend<br />
normal, schon im Kin<strong>der</strong>garten Fremdsprachen zu lernen. Exotische<br />
Kulturen - wie beispielsweise die japanische - scheinen „schick“ zu sein.<br />
Aber was ist mit <strong>der</strong> kulturellen Vielfalt zu Hause?<br />
Wir finden es schade, dass in <strong>der</strong> Schule drei o<strong>der</strong> mehr Fremdsprachen<br />
gelehrt werden, die Muttersprache vieler Schüler aber kaum eine Rolle<br />
in <strong>der</strong>en Schulalltag spielt und ihre Erfahrungen aus den verschiedenen<br />
Kulturkreisen oft nur unzureichend wert geschätzt wird.<br />
Diese Ausgabe des BDL-Fachmagazins berichtet von spannenden Begegnungen<br />
von <strong>Landjugend</strong>lichen mit an<strong>der</strong>en <strong>Landjugend</strong>lichen auf <strong>der</strong> ganzen<br />
Welt, aber auch direkt vor <strong>der</strong> Haustür. Von <strong>der</strong> Autorin Birgit Jagusch<br />
erfahrt ihr, was interkulturelle Öffnung für Jugendverbände bedeutet und<br />
BDL-Referentin Daniela Ruhe hat zusammengefasst, was <strong>Landjugend</strong>gruppen<br />
tun können, wenn sie sich interkulturell öffnen wollen.<br />
In Erlebnisberichten erfahrt ihr von Begegnungen mit russischen <strong>Landjugend</strong>lichen<br />
und von Seminarwochenenden bei <strong>der</strong> Europäischen <strong>Landjugend</strong>,<br />
bei denen <strong>Landjugend</strong>liche aus mehr als 20 Län<strong>der</strong>n aufeinan<strong>der</strong><br />
treffen, zusammen arbeiten und miteinan<strong>der</strong> feiern.<br />
Aber auch vom Engagement <strong>Landjugend</strong>licher wird euch<br />
erzählt: für Menschen im Ausland, wie bei <strong>der</strong> Vorstellung<br />
des Ghana e.V. <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>sächsischen<br />
<strong>Landjugend</strong>, aber auch für die eigene Gruppe<br />
wie bei <strong>der</strong> Erntekronenübergabe an den<br />
<strong>Bund</strong>espräsidenten Christian Wulff.<br />
Ich wünsche euch viel Spaß<br />
beim Lesen dieser Ausgabe,<br />
bei dieser kleinen Reise um<br />
die Welt!<br />
Eure<br />
©leiana - Fotolia.com /Portrait: BDL
Je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s – alle gleich<br />
Aus Fremden Freunde machen – es ist ganz leicht<br />
Laut Definition des Instituts für Interkulturelle<br />
Kompetenz und Didaktik bedeutet <strong>der</strong><br />
Begriff Interkulturelle Öffnung „die interkulturelle<br />
Ausrichtung eines Unternehmens, einer<br />
Einrichtung o<strong>der</strong> Organisation. Dabei werden<br />
verschiedene Bereiche beeinflusst, so zum<br />
Beispiel <strong>der</strong> strukturelle Aufbau, <strong>der</strong> organisatorische<br />
Ablauf und die einzelnen Arbeitsprozesse.<br />
Wichtig ist hierbei, Hin<strong>der</strong>nisse für<br />
kulturelle und ethnische Min<strong>der</strong>heiten abzubauen.<br />
Diese Min<strong>der</strong>heiten können Migranten,<br />
Flüchtlinge, Aussiedler, Angehörige alteingesessener<br />
Min<strong>der</strong>heiten o<strong>der</strong> auch ausländische<br />
Wirtschaftspartner sein.“<br />
Weiter heißt es: „Als Weg <strong>der</strong> Interkulturellen<br />
Öffnung können zum Beispiel Sprachkurse o<strong>der</strong><br />
Kurse für interkulturelle Kompetenz angeboten<br />
werden und Dolmetscher zum Einsatz kommen,<br />
um Sprachbarrieren zu umgehen.“<br />
Aha. Klingt sehr theoretisch, o<strong>der</strong>? Aber eigentlich<br />
bedeutet Interkulturelle Öffnung nur,<br />
offen zu sein für Menschen mit einem an<strong>der</strong>en<br />
kulturellen Hintergrund und mögliche Hin<strong>der</strong>nisse<br />
und Hemmnisse abzubauen, die diese<br />
Menschen davon abhalten, in an<strong>der</strong>en Gruppen<br />
mitzumachen.<br />
Offen sein. Eigentlich ist das für die <strong>Landjugend</strong><br />
nichts Neues. <strong>Landjugend</strong> ist immer<br />
schon vielfältig gewesen. Habt ihr einmal versucht,<br />
euren Freunden, die nicht wissen, was<br />
<strong>Landjugend</strong> ist, in einem Satz die Aktionen<br />
<strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> zu erklären?<br />
So einfach ist das nämlich gar nicht. <strong>Landjugend</strong>gruppen<br />
unternehmen verschiedene<br />
Aktivitäten. Wir machen Sport wie Fußballturniere<br />
o<strong>der</strong> Bowlingabende, aber nicht nur. Wir<br />
machen Kulturprogramme mit Volkstanz und<br />
Theater, aber nicht nur. Wir bilden uns weiter,<br />
mit Computerkursen und Rhetorikseminaren,<br />
aber nicht nur. Wir organisieren Großveranstaltungen<br />
wie Scheunenfeten und Kirmesfeiern,<br />
aber nicht nur.<br />
Wir packen an, reisen, diskutieren, kochen,<br />
kämpfen, bauen und basteln o<strong>der</strong> sitzen einfach<br />
zusammen und tauschen uns aus. Das<br />
<strong>Landjugend</strong>programm ist unterschiedlich und<br />
vielfältig.<br />
Und auch die Mitglie<strong>der</strong>struktur in den Ortsgruppen<br />
ist so bunt. Es gibt Schüler und<br />
Studenten, LandwirtInnen und Bankkaufleute,<br />
VerkäuferInnen und MechatronikerInnen, ErzieherInnen<br />
und Auszubildende. Manche unserer<br />
Mitglie<strong>der</strong> sind eher zurückhaltend, an<strong>der</strong>e im-<br />
mer ganz vorne dabei. Manche wollen zu Hause<br />
den Hof übernehmen, an<strong>der</strong>e warten sehnsüchtig<br />
auf das Studium in <strong>der</strong> großen Stadt.<br />
Und trotz alledem: Wer auf <strong>Landjugend</strong>veranstaltungen<br />
wie beispielsweise im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Internationen Grünen Woche in Berlin<br />
o<strong>der</strong> dem <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong>tag war,<br />
kann bestätigen, dass <strong>Landjugend</strong> trotz aller<br />
Unterschiede in den Gruppen zwischen den<br />
Mitglie<strong>der</strong>n und ihren Meinungen immer ein<br />
Zusammengehörigkeitsgefühl verbindet: Egal,<br />
wohin man kommt, wird man mit offenen<br />
Nr. 02/10<br />
Armen empfangen, entdeckt Gemeinsamkeiten<br />
und fühlt sich als Teil eines großen Ganzen.<br />
Interkulturelle Öffnung bedeutet eigentlich<br />
nur, diese Offenheit, mit <strong>der</strong> wir an<strong>der</strong>e<br />
<strong>Landjugend</strong>liche aufnehmen, allen Menschen<br />
entgegenzubringen. Menschen nicht wegen<br />
einer an<strong>der</strong>en Hautfarbe o<strong>der</strong> eines an<strong>der</strong>en<br />
Herkunftslandes zu beurteilen o<strong>der</strong> sie nur<br />
als „an<strong>der</strong>s“ zu sehen. So wie Studenten und<br />
Bankkaufleute o<strong>der</strong> LandwirtInnen Gemeinsamkeiten<br />
haben, haben auch ein Michael und<br />
ein Medin trotz vielleicht unterschiedlicher<br />
Muttersprachen gemeinsame Hobbys o<strong>der</strong> mögen<br />
die gleiche Musik.<br />
Dass Interkulturelle Öffnung <strong>der</strong>zeit politisch<br />
en vogue ist – egal ob beispielsweise in <strong>der</strong><br />
Rede des <strong>Bund</strong>espräsidenten zur Wie<strong>der</strong>verei-<br />
4 www.landjugend.de
links: © a4stockphotos - Fotolia.com / rechts: © Robert Kneschke - Fotolia.com<br />
Nr. 02/10<br />
nigung o<strong>der</strong> aktuell in den Bestsellerlisten <strong>der</strong><br />
Sachbücher – ist das eine. Was Interkulturelle<br />
Öffnung für deine Ortsgruppe bringt, ist das<br />
an<strong>der</strong>e. Auch im ländlichen Raum gibt es<br />
immer mehr Menschen, die hinzuziehen, und<br />
einige von ihnen kommen aus einem an<strong>der</strong>en<br />
Land.<br />
Indem ihr euch öffnet für alle, könnt ihr neue<br />
Mitglie<strong>der</strong> für die Ortsgruppe gewinnen. Das<br />
bedeutet nicht nur mehr Mitglie<strong>der</strong> auf dem<br />
Papier, son<strong>der</strong>n neue Menschen, die sich mit<br />
Ideen und Erfahrungen in die Verbandsarbeit<br />
einbringen können. Und diese Ideen sind<br />
umso vielfältiger, je vielfältiger die Menschen<br />
sind.<br />
<strong>Landjugend</strong> bewahrt Tradition. Wir feiern<br />
Erntefeste, tragen Trachten und wissen, dass<br />
Kultur ein wichtiger Bestandteil unserer Identität<br />
ist. Gerade weil wir die Kultur und das<br />
Brauchtum unserer Heimat so wertschätzen,<br />
sollten wir die gleiche Wertschätzung <strong>der</strong> Kultur<br />
an<strong>der</strong>er entgegenbringen. Genau wie wir<br />
sind alle Menschen von ihrer Kultur geprägt<br />
und leben sie gern aus. Und genau wie wir alle<br />
eine Kultur haben und trotzdem so völlig unterschiedlich<br />
sind, sind Menschen aus an<strong>der</strong>en<br />
Län<strong>der</strong>n weit mehr als nur Träger ihrer Kultur.<br />
Traut euch, neue Menschen kennen zu lernen,<br />
aus Fremden Freunde zu machen.<br />
Auf einer gemeinsamen Basis, in einer gemeinsamen<br />
Gruppe kann man sich austauschen,<br />
Neues entdecken und voneinan<strong>der</strong> lernen.<br />
Übrigens: nicht nur gegenüber an<strong>der</strong>en Kulturen<br />
lohnt es sich, sich zu öffnen. Egal ob<br />
Menschen mit einer Behin<strong>der</strong>ung, einem<br />
ungewöhnlichen Musik- o<strong>der</strong> Kleidungsstil,<br />
Liebesleben o<strong>der</strong> Lebensentwurf. Es gibt viele<br />
Formen, an<strong>der</strong>s zu sein. Und trotzdem sind<br />
wir alle irgendwie gleich. Denn wir leben in<br />
unseren Regionen und wollen das Leben dort<br />
attraktiv gestalten. Egal wie unterschiedlich<br />
wir alle sind. Wir alle bewegen das Land - zusammen!<br />
Katrin Biebighäuser<br />
Vorsitzende des <strong>Bund</strong>es <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong><br />
„Keine Nebensache, son<strong>der</strong>n Pflicht“<br />
Jugendarbeit, interkulturelle Öffnung o<strong>der</strong> beides? Ein Erklärungsversuch<br />
Interkulturelle Öffnung <strong>der</strong> Jugendarbeit muss<br />
zwei Dimensionen berücksichtigen und vereinen:<br />
die interkulturelle Öffnung von Strukturen<br />
und Angeboten <strong>der</strong> etablierten Jugendarbeit<br />
und das Empowerment von Vereinen von Jugendlichen<br />
mit Migrationshintergrund (VJM) 1 .<br />
Um einen Prozess <strong>der</strong> interkulturellen Öffnung<br />
in Gang zu bringen, ist es zunächst<br />
notwendig, dass sich die einzelnen Akteure<br />
und Akteurinnen <strong>der</strong> Jugendarbeit bewusst<br />
werden, dass die bisherige Jugendarbeit durch<br />
(subtile) Ausschlussmechanismen geprägt ist,<br />
die ein Grund dafür sind, dass Jugendliche mit<br />
Migrationshintergrund nicht adäquat an den<br />
Angeboten <strong>der</strong> Jugendarbeit partizipieren und<br />
in den Gremien <strong>der</strong> Jugendarbeit nicht ausreichend<br />
repräsentiert sind. Dabei stehen diese<br />
Ausschlussmechanismen nicht im Wi<strong>der</strong>spruch<br />
zu <strong>der</strong>, nahezu alle Angebote <strong>der</strong> Jugendarbeit<br />
kennzeichnenden Kernaussage, dass diese<br />
„offen für alle Jugendlichen sein“. Diese Aussage<br />
ist vielmehr ein Indiz für die Subtilität<br />
<strong>der</strong> Ausschlusspraxen. Entsprechend müssen<br />
Akteurinnen und Akteure <strong>der</strong> Jugendarbeit<br />
selbstkritisch ihre Angebote und die Struktu-<br />
1) Für den Bereich <strong>der</strong> Erwachsenenorganisationen hat sich <strong>der</strong> Begriff MSO (MigrantInnenselbstorganisationen)<br />
eingebürgert. Da die meisten <strong>der</strong> Organisationen aber über nach deutschem Recht gültige Vereinsstrukturen<br />
verfügen und sich auch zunehmend bemühen, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um<br />
dem deutschen Vereinsrecht zu entsprechen, wähle ich für die Jugendvereine den Terminus Vereine von<br />
Jugendlichen mit Migrationshintergrund (VJM), um auch begrifflich eine Augenhöhe mit an<strong>der</strong>en Akteuren<br />
<strong>der</strong> Zivilgesellschaft zu erreichen.<br />
ren <strong>der</strong> jeweiligen Institutionen hinterfragen<br />
und nach Indikatoren suchen, die dazu führen,<br />
dass sich Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />
nicht von <strong>der</strong> Jugendarbeit angesprochen<br />
fühlen.<br />
Insgesamt gilt, vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Entwicklung<br />
<strong>der</strong> in <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esrepublik Deutschland<br />
lebenden Bevölkerung und auf <strong>der</strong> Basis<br />
<strong>der</strong> rechtlichen Grundlagen, die sich im 8. Sozialgesetzbuch<br />
im Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfegesetz<br />
(KJHG) manifestieren, dass interkulturelle Öffnung<br />
<strong>der</strong> Jugendarbeit eine <strong>der</strong> Kernaufgaben<br />
<strong>der</strong> Jugendarbeit ist, die nicht als Nebenaufgabe,<br />
son<strong>der</strong>n als Pflicht <strong>der</strong> Jugendarbeit gelten<br />
sollte. Ziel <strong>der</strong> Öffnung ist dabei, dazu beizutragen,<br />
dass alle Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen,<br />
die in <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esrepublik Deutschland leben,<br />
nicht nur theoretisch, son<strong>der</strong>n auch prak-<br />
www.landjugend.de 5
tisch die Möglichkeit haben, sich zu beteiligen<br />
und die Jugendarbeit aktiv mitzugestalten.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> heterogenen Ausrichtung <strong>der</strong><br />
außerschulischen Jugendarbeit, die mit unterschiedlichen<br />
Zielgruppen und zu unterschiedlichen<br />
Themen und Aktionsgebieten arbeiten,<br />
ist es notwendig, dass Konzepte <strong>der</strong> Öffnung<br />
so angelegt sind, dass sie <strong>der</strong> Heterogenität<br />
<strong>der</strong> Jugendlichen, <strong>der</strong> Pluralität <strong>der</strong> Angebotsformen<br />
sowie <strong>der</strong> regionalen und sozialstrukturellen<br />
Unterschiede Rechnung tragen.<br />
Im Zuge <strong>der</strong> interkulturellen Öffnung gilt es zu<br />
berücksichtigen, dass ein Prozess <strong>der</strong> Öffnung<br />
stets unterschiedliche Arbeits- und Organisationsebenen<br />
berücksichtigen und die in den<br />
einzelnen Ebenen implementierten Maßnahmen<br />
miteinan<strong>der</strong> verzahnen muss. Die Triade<br />
<strong>der</strong> interkulturellen Öffnung stellt dabei die<br />
drei wesentlichen Ebenen dar, die angegangen<br />
werden sollten. Auf <strong>der</strong> individuellen Ebene<br />
geht es insbeson<strong>der</strong>e darum, die Angebote,<br />
die ein Träger <strong>der</strong> Jugendarbeit durchführt,<br />
so zu gestalten, dass auch Jugendliche mit<br />
Migrationshintergrund daran teilnehmen. Es<br />
geht also darum, dass beispielsweise die Mitglie<strong>der</strong><br />
eines Jugendverbands sich aus allen<br />
gesellschaftlichen Gruppen zusammensetzen<br />
o<strong>der</strong> internationale Jugendbegegnungen nicht<br />
ausschließlich von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund<br />
wahrgenommen werden. Neben<br />
<strong>der</strong> individuellen Ebene umfasst ein Prozess<br />
<strong>der</strong> interkulturellen Öffnung immer auch Verän<strong>der</strong>ungen<br />
in den Strukturen <strong>der</strong> einzelnen<br />
Institutionen. Auf <strong>der</strong> strukturellen Ebene<br />
kommt es darauf an, sowohl die Zusammensetzung<br />
<strong>der</strong> haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden<br />
einer Institution hinsichtlich <strong>der</strong><br />
Frage nach <strong>der</strong> Einbeziehung von Menschen<br />
mit Migrationshintergrund zu analysieren, als<br />
auch die interne und externe Darstellung <strong>der</strong><br />
Einrichtung hinsichtlich des Anspruchs auf<br />
interkulturelle Öffnung o<strong>der</strong> gesellschaftliche<br />
Gerechtigkeit zu überprüfen. Hier sind die<br />
Verän<strong>der</strong>ungsprozesse, die Nancy Fraser im<br />
Sinne einer participatory parity unter „Umverteilung<br />
und Anerkennung“ subsumiert,<br />
virulent und handlungsleitend (Fraser 1997).<br />
Jugend(politisch) sollte eine Institution, die<br />
sich interkulturell öffnet, öffentlich Stellung<br />
beziehen und den Stellenwert sowie die politischen<br />
Verän<strong>der</strong>ungsfor<strong>der</strong>ungen, die sich<br />
2) Der Artikel ist ein gekürzte Version des Artikels<br />
„Verän<strong>der</strong>ungsprozesse in <strong>der</strong> Jugendarbeit:<br />
Anerkennung und Umverteilung als Maximen <strong>der</strong><br />
interkulturellen Öffnung“ und wurde erstmals<br />
veröffentlicht in: IJAB (Hg.): Forum Jugendarbeit<br />
international. 2006/2007 Qualität zeigt Wirkung<br />
- Entwicklungen und Perspektiven, Bonn 2007,<br />
S. 208-223.<br />
Die Trias <strong>der</strong> Interkulturellen Öffnung<br />
Strukturell<br />
aus einer Öffnung ergeben, auch innerhalb <strong>der</strong><br />
jugend(politischen) Gremien deutlich machen.<br />
Interkulturelle Öffnung <strong>der</strong> Jugendarbeit ist<br />
nicht nur ein Prozess, <strong>der</strong> als Organisationsentwicklungsprozess<br />
verstanden werden kann,<br />
son<strong>der</strong>n beinhaltet auch politisch relevante<br />
Elemente, insofern als eine Einrichtung, die<br />
sich öffnet, den gesellschaftlichen Wandel hin<br />
zu einer Einwan<strong>der</strong>ungsgesellschaft anerkennt<br />
und dementsprechend auch politisch Stellung<br />
bezieht. Notwendig ist es zudem, dass Maßnahmen<br />
<strong>der</strong> Öffnung auf den verschiedenen<br />
horizontalen Institutionsebenen verfolgt und<br />
kommuniziert werden. Ein Jugendverband, <strong>der</strong><br />
sowohl lokal wie auch auf Landes- und <strong>Bund</strong>esebene<br />
agiert, kann nicht ausschließlich auf<br />
lokaler Ebene den Prozess <strong>der</strong> interkulturellen<br />
Öffnung beginnen, wenn die Öffnung langfristig<br />
erfolgreich sein will. Ebenso kann nicht<br />
<strong>der</strong> Vorstand einer Einrichtung den Prozess <strong>der</strong><br />
Öffnung zur Aufgabe <strong>der</strong> Einrichtung erklären,<br />
ohne dies mit den Mitarbeitenden abzustim-<br />
Literatur<br />
Individuell<br />
Jugend<br />
(politisch)<br />
Djo-Deutsche Jugend in Europa (Hg.): Grundsätze.<br />
Positionen und For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> djo-Deutsche Jugend<br />
in Europa, 2004<br />
Fraser, Nancy (1997): Die halbierte Gerechtigkeit.<br />
Schlüsselbegriffe des postindustriellen Sozialstaates,<br />
Frankfurt/M.<br />
Gaitanides, Stefan: Checkliste für die interkulturelle<br />
Öffnung sozialer Dienste (www.fb4.fh-frankfurt.de/<br />
whoiswho/gaitanides/checkliste_interk_oeff.pdf,<br />
Stand vom 10. Mai 2007)<br />
Jagusch, Birgit (2007): Partizipation für die Zukunft.<br />
Bildungsressourcen von Jugendlichen mit<br />
Migrationshintergrund durch Qualifizierung ihrer<br />
Jugendverbände aktivieren, in: deutsche Jugend,<br />
05/2007<br />
Lorde, Audre (1984): Age, Race, Class and Sex:<br />
Women Redefining Difference, in: Sister Outsi<strong>der</strong>:<br />
Essays and Speechs, Trumansburg<br />
Nick, Peter (2005): Kin<strong>der</strong> und Jugendliche mit<br />
nichtdeutscher Staatsangehörigkeit und/o<strong>der</strong> familiärem<br />
Migrationshintergrund in <strong>der</strong> Jugendver-<br />
Nr. 02/10<br />
men und die Notwendigkeit <strong>der</strong> Öffnung in allen<br />
Ebenen im Bewusstsein <strong>der</strong> Mitarbeitenden<br />
zu verankern.<br />
Es wäre jedoch zu kurz gegriffen und im<br />
Sinne einer umfassenden Strategie <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />
Inklusion kontraproduktiv,<br />
interkulturelle Öffnung nur auf die Erhöhung<br />
des quantitativen Anteils von Jugendlichen<br />
mit Migrationshintergrund zu reduzieren, ohne<br />
gleichzeitig die an<strong>der</strong>en, identitätsrelevanten<br />
und gesellschaftsstrukturierenden Differenzlinien<br />
zu berücksichtigen. Neben <strong>der</strong> Frage des<br />
Migrationshintergrundes umfasst interkulturelle<br />
Öffnung also auch an<strong>der</strong>e Indikatoren, wie<br />
beispielsweise Gen<strong>der</strong>, Gesundheit, soziales<br />
Millieu, Religion o<strong>der</strong> Bildungshintergrund.<br />
Gleichzeitig geht es auch um eine qualitative<br />
Öffnung von Einrichtungen. Es ist beispielsweise<br />
nicht egal, welche Positionen Mitarbeitende<br />
einer Einrichtung unter interkulturellen<br />
Gesichtspunkten einnehmen. Eine Institution,<br />
die zwar hauptamtlich Beschäftigte mit Migrationshintergrund<br />
hat, die jedoch in prekären<br />
Beschäftigungsverhältnissen sind – beispielsweise<br />
als Reinigungskräfte o<strong>der</strong> mit befristeten<br />
Arbeitsverträgen – kann nicht als interkulturell<br />
geöffnet gelten. 2<br />
Die Autorin: Birgit Jagusch arbeitete bis Juni<br />
<strong>2010</strong> beim Informations- und Dokumentationszentrum<br />
für Antirassismusarbeit e.V. (IDA e.V.)<br />
und ist <strong>der</strong>zeit wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />
des Instituts für Sozialpädagogische Forschung<br />
Mainz e.V. (ism).<br />
bandsarbeit in Deutschland – Überblick über den<br />
Forschungs- und Diskussionsstand, Expertise für das<br />
Deutsche Jugendinstitut (DJI), München<br />
Rosenstreich, Gabriele Dina (2007): The Mathematics<br />
of Diversity Training: Multiplying Identities, Adding<br />
Categories and Intersecting Discrimination, in: Broden,<br />
Anne/Mecheril, Paul (Hg.): Re-Präsentationen.<br />
Dynamiken <strong>der</strong> Migrationsgesellschaft, IDA-NRW,<br />
Düsseldorf<br />
Thimmel, Andreas: Pädagogik <strong>der</strong> internationalen<br />
Jugendarbeit. Geschichte, Praxis und Konzepte des<br />
interkulturellen Lernens, Schwalbach/Ts. 2001<br />
Weiss, Karin/Thränhardt, Dietrich (Hg.) (2005):<br />
SelbstHilfe. Wie Migranten Netzwerke knüpfen und<br />
soziales Kapital schaffen, Freiburg i. Br.<br />
Yiğit, Nuran/Can, Halil (2006): Politische Bildungs-<br />
und Empowerment-Arbeit gegen Rassismus in People<br />
of Color-Räumen – das Beispiel <strong>der</strong> Projektinitiative<br />
HAKRA, in: Elverich, Gabi/Kalpaka, Annita/Reindlmeier,<br />
Karin (Hg.): Spurensicherung – Reflexion von<br />
Bildungsarbeit in <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>ungsgesellschaft,<br />
Wiesbaden<br />
6 www.landjugend.de
Nr. 02/10<br />
Dialog zwischen den Kulturen<br />
Interkulturelle Öffnung in <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> - Ideen und Ansätze<br />
Der <strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong> beschäftigt<br />
sich mit dem Thema Interkulturelle Öffnung<br />
bereits seit mehreren Jahren. Im Jahr<br />
2005 gab es eine erste Publikation unter dem<br />
Titel „Spurensuche-Migration“, erste Fortbildungsveranstaltungen<br />
wurden durchgeführt.<br />
Darüberhinaus fand <strong>der</strong> fachliche Austausch<br />
von haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen<br />
bei den Bildungswochen <strong>der</strong> letzten Jahre<br />
zur Thematik <strong>der</strong> Interkulturellen Öffnung<br />
statt. Im Frühjahr 2007 wurde im Grundsatzpapier<br />
„Jugendpolitik“ ein Absatz zum Thema<br />
Integration und Extremismus aufgenommen.<br />
Unter an<strong>der</strong>em heißt es darin: „Die <strong>Landjugend</strong><br />
selbst begreift sich als ein Verband, <strong>der</strong><br />
offen ist für alle jungen Menschen, egal mit<br />
welchem Hintergrund. Jugendliche kommen<br />
in <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> mit ihren persönlichen<br />
Geschichten, Erfahrungen und Hintergründen<br />
zusammen und prägen mit dem daraus resultierenden<br />
Aktiv-Werden den Verband. Die<br />
<strong>Landjugend</strong> versteht sich in <strong>der</strong> Folge dessen<br />
auch als Forum für interkulturelles Lernen und<br />
den Dialog zwischen Kulturen.“<br />
Doch <strong>der</strong> Schritt zwischen grundsätzlicher<br />
Positionierung und Umsetzung im Verband<br />
auf den verschiedenen Ebenen ist nicht so<br />
schnell gemacht, zumal interkulturelle Öffnung<br />
nicht von oben „verordnet“ werden kann.<br />
Inzwischen liegen konkrete Erfahrungen in<br />
<strong>der</strong> Umsetzung in den Landesverbänden vor.<br />
Vorreiter im Verband ist dabei <strong>der</strong> <strong>Bund</strong> Badischer<br />
<strong>Landjugend</strong>, <strong>der</strong> mit seinem Projekt „Wir<br />
sind alle <strong>Landjugend</strong>!“ 1 aufgezeigt hat, wie<br />
interkulturelle Öffnung im <strong>Landjugend</strong>verband<br />
funktionieren kann. Die Integrationsoffensive<br />
hatte unter an<strong>der</strong>em das Ziel, für die Themen<br />
Migration, Heimat und Kultur zu sensibilisieren<br />
sowie aber auch konkrete Begegnungen zu<br />
ermöglichen. Dabei zeigte sich, dass gerade<br />
die <strong>Landjugend</strong> sehr gute Anknüpfungspunkte<br />
durch beispielsweise Volkstanzgruppen hat.<br />
Der Arbeitskreis „JumPo - Jugend macht Politik“<br />
des <strong>Bund</strong>es <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong> hat<br />
sich Anfang des Jahres <strong>2010</strong> intensiv mit <strong>der</strong><br />
Frage <strong>der</strong> Umsetzung in <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> be-<br />
schäftigt. Dabei wurden folgende Handlungsmöglichkeiten<br />
zur Interkulturellen Öffnung<br />
identifiziert:<br />
Überprüfung <strong>der</strong> Satzung, des Selbstverständnisses:<br />
• Wie ist <strong>der</strong> Mitgliedsbegriff definiert?<br />
Impulsgeber <strong>Bund</strong>es-/ Landesebene:<br />
• Workshop im Rahmen von bundeszentralen<br />
Veranstaltungen<br />
• Landesversammlungen<br />
• (Teil-)Projekte<br />
• Austausch und Vernetzung auf <strong>Bund</strong>esebene<br />
Kompetenzen aufbauen:<br />
• Bausteine für FreizeitleiterInnenschulung,<br />
GruppenleiterInnenschulungen entwickeln<br />
und umsetzen<br />
Vernetzung/Austausch:<br />
• von an<strong>der</strong>en Erfahrungen profitieren<br />
• externe, fachliche Beratung hinzuziehen<br />
• Fachveranstaltungen besuchen<br />
Der BDL arbeitet beispielsweise im Netzwerk<br />
interkultureller Jugendverbandsarbeit und<br />
–forschung (NiJaf) 2 mit<br />
Sensibilisierung:<br />
• kleine Schritte<br />
• informieren<br />
• kleine Einheiten und Übungen<br />
1) www.bdl.landjugend.info/de/ernst-engelbrecht-greve-preis/eeg-preistraeger-2009<br />
2) www.idaev.de/service/interkulturelle-oeffnung/nijaf<br />
3) Das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit (IDA e.V.) hat hierzu eine Datenbank<br />
aller Vereine in Deutschland aufgebaut. Diese findet sich im Internet unter www.idaev.de/service/<br />
vereine-junger-migranten<br />
Marke „<strong>Landjugend</strong>“ bekannt machen:<br />
• Reichweite von Angeboten analysieren<br />
• Angebotsstruktur: Welche Zielgruppen erreichen<br />
wir damit?<br />
• nach Analyse: gegebenenfalls Angebotserweiterung,<br />
Verän<strong>der</strong>ung<br />
Rahmenbedingungen, Strukturen analysieren:<br />
• Stehen Ressourcen zur Verfügung?<br />
• Sind Strukturen so, dass neue Gruppierungen<br />
sich einbringen können?<br />
Stellungnahmen, Positionen:<br />
• Jugendpolitische Möglichkeit <strong>der</strong> interkulturellen<br />
Öffnung<br />
Begegnungen, Austausch mit Vereinen von<br />
Jugendlichen mit Migrationshintergrund 3 :<br />
• gemeinsame Freizeitinteressen<br />
• Anknüpfungspunkte suchen<br />
Diese Handlungsmöglichkeiten sind mögliche<br />
Schritte, die sich aus den Erfahrungen in <strong>der</strong><br />
Umsetzung bei <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> herauskristallisiert<br />
haben - sie sind we<strong>der</strong> vollständig, abschließend<br />
o<strong>der</strong> als die einzigen Möglichkeiten<br />
zu verstehen. Manchmal sind es die ganz eigenen<br />
Erfahrungen und Zugänge, die plötzlich<br />
Verän<strong>der</strong>ungen mit sich bringen – nicht nur<br />
bei <strong>der</strong> interkulturellen Öffnung von Jugendverbandsarbeit.<br />
Daniela Ruhe<br />
Grundsatzreferentin<br />
Jugendpolitik und Bildung<br />
<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong><br />
www.landjugend.de 7<br />
Foto: DFJW/ Susanna
Altes Fahrrad - neue Hoffnung<br />
Von <strong>der</strong> Theorie zur Praxis: Interkulturelle Öffnung in Afrika<br />
Der Ghana e.V. – Verein zur Unterstützung <strong>der</strong><br />
Rural Youth Association in Ghana und Partner<br />
<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>sächsischen <strong>Landjugend</strong> (NLJ) - wurde<br />
am 5. Juli 1988 offiziell gegründet. Die<br />
ersten Überlegungen wurden aber bereits 1980<br />
während <strong>der</strong> Landesversammlung <strong>der</strong> NLJ angestellt,<br />
da das Thema <strong>der</strong> Landesversammlung<br />
damals „Dritte Welt, zwei Drittel <strong>der</strong> Welt“ war.<br />
Die Idee, sogenannte Mikroprojekte in Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
durchzuführen, wurde erarbeitet:<br />
<strong>Landjugend</strong>gruppen sollten kleine, vor allem<br />
zeitlich und finanziell überschaubare Projekte<br />
im ländlichen Raum in Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
Entwicklungshelferin Theresa Nyarko-Fofie<br />
unterstützen. Durch diese Projekte sollte ein<br />
regelmäßiger Kontakt zwischen den <strong>Landjugend</strong>gruppen<br />
und den Gruppen vor Ort in den<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong>n entstehen, sodass durch<br />
Briefe, Fotos und Besuche die Motivation <strong>der</strong><br />
<strong>Landjugend</strong>lichen aufrecht erhalten wird, die<br />
Projekte weiter zu unterstützen.Über mehrere<br />
Jahre wurde über verschiedene Wege versucht,<br />
Kontakte zu Hilfsempfängern aufzubauen.<br />
1986 kam es zum Kontakt mit Theresa Nyarko-<br />
Fofie, einer einheimischen Entwicklungshelferin<br />
<strong>der</strong> Food and Agriculture Organization <strong>der</strong><br />
Vereinten Nationen (FAO). Zum Start bekam<br />
Theresa rund 380 Euro und hat damit sieben<br />
Frauengruppen über Kleinkredite aufgebaut.<br />
Angesichts <strong>der</strong> relativ hohen Fluktuation in <strong>der</strong><br />
<strong>Landjugend</strong> wurde 1988 schließlich offiziell <strong>der</strong><br />
Ghana e.V. gegründet, um die Projekte langfristig<br />
abzusichern. 1990 konnte mit Hilfe von<br />
Theresa eine Kreditgenossenschaft im Wenchi-<br />
District gegründet werden. Das Startkapital<br />
betrug damals 10.000 DM (umgerechnet rund<br />
5100 Euro). Da<br />
380 Euro für<br />
sieben neue<br />
Existenzen<br />
die Kreditgenossenschaft<br />
sehr<br />
gut angelaufen<br />
war und es viele<br />
Frauengruppen<br />
gab, die weiter<br />
unterstützt<br />
werden mussten, hat sich <strong>der</strong> Ghana e.V. entschlossen,<br />
Theresa ab 1991 für zwei Jahre als<br />
eigene Entwicklungshelferin zu finanzieren,<br />
da sie nicht mehr durch die FAO unterstützt<br />
wurde. In diesen zwei Jahren expandierten die<br />
Aktivitäten auf den benachbarten Nkoranza-<br />
District. 1993 gründete sie im Wenchi- und<br />
Nkoranza-District die Rural Youth Association<br />
(RYA), eine Nicht-Regierungs-Organisation<br />
(NGO), die seitdem Partner <strong>der</strong> NLJ ist.<br />
Das bislang größte Projekt startete 1993, als<br />
es dem Ghana e.V. gelang, von <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>sächsischen<br />
Landesregierung umgerechnet rund<br />
181.000 Euro Projektmittel zu erhalten. Mit<br />
diesem Geld wurden sehr viele Projekte gestartet<br />
und ausgebaut, unter an<strong>der</strong>em wurden<br />
neun Brunnen in Dörfern gebohrt. Ackergeräte<br />
wurden gekauft, es gab ein Ochsenanspannungsprojekt<br />
mit 20 Ochsenpaaren, Baumschul-<br />
und Aufforstungsprogramme, eine Pilz-<br />
und Schneckenzucht, Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />
und die Aufstockung des Kapitals <strong>der</strong> Kredit-<br />
Ghana<br />
Elfenbeinküste<br />
Burkina Faso<br />
Nr. 02/10<br />
genossenschaft wurde finanziert. Das war die<br />
Initialzündung für die weitere Entwicklung.<br />
1997 startete die berühmte Aktion „Fahrrä<strong>der</strong><br />
für Ghana“. <strong>Landjugend</strong>gruppen sammelten<br />
alte Fahrrä<strong>der</strong> und machten sie in diversen<br />
Workshops, unter an<strong>der</strong>em beim Landes Musischen<br />
Fest (LaMuFe) wie<strong>der</strong> funktionstüchtig.<br />
Danach wurden sie in gekauften Seecontainern<br />
zur RYA nach Ghana verschifft und dort zum<br />
Teil verkauft o<strong>der</strong> Bedürftigen zur Verfügung<br />
gestellt. 1999 gab es eine ähnliche Aktion<br />
mit Rollstühlen und Krankenhausbetten. Die<br />
Krankenhausbetten und medizinische Geräte<br />
wurden an das Emil-Memorial-Hospital in Wenchi<br />
übergeben. Als Gegenleistung werden RYA-<br />
Mitglie<strong>der</strong> in dieser Einrichtung zu beson<strong>der</strong>en<br />
Konditionen behandelt. Die verschiedenen<br />
See container wurden umgebaut und dienen<br />
mittlerweile als verschließbare Werkstatt, Kiosk,<br />
Friseursalon, Textilwerkstatt und Restaurant<br />
in Wenchi, Nkoranza und Accra.<br />
Das Angebot, eine Ausbildungspatenschaft für<br />
einen jungen Menschen aus <strong>der</strong> RYA zu übernehmen,<br />
wird auch sehr gut angenommen. In<br />
Ghana ist es nämlich üblich, dass das Werkzeug<br />
selbst vom Lehrling mitgebracht wird<br />
und manchmal muss sogar noch <strong>der</strong> Lehrherr<br />
bezahlt werden. Eine <strong>Landjugend</strong>gruppe o<strong>der</strong><br />
Einzelperson kann für einmalig zu entrichtende<br />
100 Euro einem Jugendlichen eine Ausbildung<br />
ermöglichen. Die Spen<strong>der</strong> werden über<br />
den Fortschritt <strong>der</strong> Ausbildung informiert.<br />
8 www.landjugend.de<br />
Wenchi<br />
Nkoranza<br />
Ghana<br />
Accra<br />
Togo Benin
Nr. 02/10<br />
Auf <strong>der</strong> Gari-Farm werden Rüben geputzt.<br />
Schuhmacher Prince hat eine<br />
Ausbildungspatenschaft erhalten.<br />
In den letzten zwei Jahren wurde wie<strong>der</strong> ein<br />
größeres Projekt vorangetrieben. Seit Juni<br />
2009 befindet sich das berufliche Ausbildungszentrum<br />
für körperbehin<strong>der</strong>te und nichtbehin<strong>der</strong>te<br />
Menschen in Wenchi im Bau. Das<br />
Projekt kostet insgesamt 55.000 Euro und wird<br />
gemeinsam mit ananse – Support of people<br />
with special needs e.V., einem Entwicklungshilfeverein<br />
aus Bielefeld, und dem <strong>Bund</strong>esministerium<br />
für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und Entwicklungshilfe (BMZ) finanziert. Nach<br />
<strong>der</strong> Fertigstellung und Einweihung im Herbst<br />
<strong>2010</strong> bietet das Ausbildungszentrum Lehrplätze<br />
für 25 junge Menschen. Unter an<strong>der</strong>em gibt<br />
es einen Friseursalon, eine Textilwerkstatt für<br />
ghanaische Kleidung mit Batik- und Nähwerkstatt<br />
und eine Metallwerkstatt, in <strong>der</strong> Metalltüren<br />
und –schränke, aber auch Hilfsmittel für<br />
Behin<strong>der</strong>te erstellt werden können. Es gibt ein<br />
Gebäude mit Übernachtungsmöglichkeiten für<br />
die Auszubildenden und ein Gebäude für Physiotherapie<br />
und Seminare.<br />
Der Ghana e.V. präsentiert sich bei den größeren<br />
Veranstaltungen <strong>der</strong> NLJ, wie dem LaMuFe,<br />
<strong>der</strong> Landesversammlung und dem diesjährigen<br />
60jährigen Jubiläum, bei dem unter dem<br />
Motto „Eis schlecken für Ghana“ Eis auf dem<br />
Festgelände verkauft wurde.<br />
Maike Arens<br />
Vorstandsmitglied des Vereins zur Unterstützung<br />
<strong>der</strong> Rural Youth Association in Ghana e.V.<br />
www.landjugend.de 9<br />
Fotos: Ghana e.V.; Karte: http://english.freemap.jp<br />
Info<br />
Der Ghana e.V. hat bundesweit über 120<br />
Mitglie<strong>der</strong> und das Ziel, Projekte weiter zu<br />
unterstützen und auszubauen. Ende <strong>2010</strong>/<br />
Anfang 2011 soll erneut ein Hilfscontainer<br />
Werkstattausrüstung für die Bereiche Metall,<br />
KFZ, Holz und Elektrik, wie zum Beispiel Dreh-<br />
und Drechselbänke, Fräsmaschinen, Kurbelwellenschleifmaschinen,<br />
Hobelbänke und an<strong>der</strong>e<br />
große Geräte nach Ghana bringen.<br />
Der Mindestjahresbeitrag für die Mitgliedschaft<br />
beträgt 20 Euro, auch Ortsgruppen können<br />
Mitglied werden und den Fortbestand und Ausbau<br />
<strong>der</strong> Projekte in Ghana unterstützen.<br />
Weitere Informationen, Spendendaten und<br />
Kontaktdaten <strong>der</strong> Ansprechpartner unter<br />
www.ghana-ev.de.
„Auch die <strong>Landjugend</strong> ist gefragt!“<br />
Sprache, Vertrauen und die „Stimme <strong>der</strong> Jugend“ - ein Integrationsrezept<br />
Wer sich engagiert, gestaltet aktiv die<br />
Zukunft junger Migranten mit, sagt die<br />
Migra tionsbeauftragte <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esregierung<br />
Dr. Maria Böhmer. Im Interview erklärt<br />
sie außerdem, was <strong>Bund</strong>esregierung und<br />
Behörden unternehmen, um Zuwan<strong>der</strong>ern<br />
einen Weg in Deutschland zu ebnen und<br />
begründet, wie Integration auch im ländlichen<br />
Raum funktionieren kann.<br />
Frau Dr. Böhmer, Sie sind die Beauftragte <strong>der</strong><br />
<strong>Bund</strong>esregierung für Integration – was genau<br />
sind Ihre Aufgaben?<br />
Mittlerweile leben 16 Millionen Menschen aus<br />
Zuwan<strong>der</strong>erfamilien in unserem Land. Viele<br />
von ihnen sind gut integriert, sie haben den<br />
sozialen Aufstieg geschafft. Zahlreiche Migranten<br />
haben aber nach wie vor mit Nachteilen<br />
zu kämpfen, beispielsweise im Bildungsbereich<br />
und auf dem Arbeitsmarkt. Ihre För<strong>der</strong>ung und<br />
Unterstützung ist ein Schwerpunkt meiner<br />
Arbeit. Ich möchte, dass alle Menschen, die<br />
dauerhaft in Deutschland leben, die gleichen<br />
Chancen haben. Beson<strong>der</strong>s entscheidend für<br />
eine erfolgreiche Zukunft sind gute Deutschkenntnisse,<br />
ein soli<strong>der</strong> Schulabschluss und<br />
eine fundierte Ausbildung. Der 2007 verabschiedete<br />
Nationale Integrationsplan, den ich<br />
koordiniere, sieht zahlreiche Maßnahmen zur<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Migranten insbeson<strong>der</strong>e<br />
in den Bereichen Sprache, Bildung<br />
und Arbeitsmarkt vor.<br />
Von zentraler Bedeutung ist die Sprachför<strong>der</strong>ung<br />
von Anfang an in den Kin<strong>der</strong>gärten: Junge<br />
Migranten müssen die gleichen Startchancen<br />
wie Kin<strong>der</strong> ohne Migrationshintergrund<br />
haben. In den Schulen muss die individuelle<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Jugendlichen aus Zuwan<strong>der</strong>erfamilien<br />
intensiviert werden. Vielen Migranteneltern<br />
ist unser Bildungssystem fremd. Sie<br />
können ihren Kin<strong>der</strong>n nicht die notwendige<br />
Hilfe geben. Ich setze mich bei den Län<strong>der</strong>n<br />
dafür ein, dass sie die Schulen mit einem hohen<br />
Migrantenanteil stärker unterstützen, das<br />
heißt mehr Lehrer, mehr Schulsozialarbeiter,<br />
mehr Zeit - also mehr Ganztagsschulen.<br />
Im Rahmen des Ausbildungspakts von Politik<br />
und Wirtschaft habe ich erfolgreich dafür<br />
gekämpft, dass junge Migranten beson<strong>der</strong>s<br />
in den Blick genommen werden. Vielfalt ist<br />
eine Chance für unser Land - dafür gibt es<br />
viele Belege wie tüchtige Handwerker, Ärzte,<br />
Polizisten und Sportler. Klar ist aber auch,<br />
dass beide Seiten ihren Beitrag für ein gutes<br />
Miteinan<strong>der</strong> leisten müssen. So sind die Migranten<br />
gefor<strong>der</strong>t, Integrationsangebote auch<br />
anzunehmen.<br />
Welchen Beitrag über Ihre Arbeit hinaus leistet<br />
die <strong>Bund</strong>esregierung, um Migrantinnen<br />
und Migranten zu stärken beziehungsweise zu<br />
för<strong>der</strong>n?<br />
Ganz aktuell haben wir eine gesetzliche Regelung<br />
zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse<br />
auf den Weg gebracht. Dafür habe ich<br />
mich mit allem Nachdruck eingesetzt. Das ist<br />
ein wichtiger Beitrag für die Integration von<br />
vielen qualifizierten Zuwan<strong>der</strong>ern in unserem<br />
Land. Viele von ihnen können ihre Fähigkeiten<br />
im Moment noch nicht einbringen, weil ihr im<br />
Ausland erworbener Abschluss nicht anerkannt<br />
wird. Ingenieure müssen deshalb Taxi fahren,<br />
Zahnärzte als Kellner arbeiten. Mit dem Gesetzesvorhaben<br />
erreichen wir, dass je<strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>er<br />
einen Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren<br />
hat. Das ist ein Riesen-Gewinn für<br />
jeden Einzelnen. Und ein großer Fortschritt<br />
für unser Land, weil wir damit ein Stück weit<br />
den Fachkräftemangel ausgleichen können.<br />
Die vielfältigen Potenziale in unserem Land zu<br />
heben hat für uns oberste Priorität!<br />
Zudem ist die Sprachför<strong>der</strong>ung ein Kernanliegen<br />
<strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esregierung. In den Integrationskursen<br />
des <strong>Bund</strong>es können Migranten die<br />
deutsche Sprache erlernen. Seit 2005 haben<br />
mehr als 600.000 Frauen und Männer an den<br />
Kursen teilgenommen - das ist ein großer Erfolg.<br />
Wegen <strong>der</strong> großen Nachfrage haben wir<br />
in diesem Jahr die Mittel für die Kurse auf die<br />
Rekordsumme von 233 Millionen Euro erhöht.<br />
Wie ist die Situation <strong>der</strong> MigrantInnen in den<br />
ländlichen Räumen?<br />
Pauschal lässt sich die Frage schwer beantworten,<br />
weil ländliche Regionen von ihrer<br />
Struktur sehr unterschiedlich sein können.<br />
97 Prozent <strong>der</strong> Migranten leben in den westlichen<br />
<strong>Bund</strong>eslän<strong>der</strong>n. Sie sind sowohl in Großstädten<br />
als auch in ländlichen Regionen anzutreffen,<br />
sofern es sich um industriell geprägte<br />
Regionen handelt. In <strong>der</strong> Regel ist <strong>der</strong> Anteil<br />
<strong>der</strong> Migranten in mittleren und kleineren Gemeinden<br />
zwar niedriger als in großen Städten.<br />
Aber Integration ist mittlerweile auch für<br />
Nr. 02/10<br />
viele solcher kleinen und mittleren Städte<br />
und Landkreise eine wichtige Aufgabe. Immer<br />
mehr Kommunen, gerade auch in ländlichen<br />
Regionen, entwickeln deshalb Integrationskonzepte<br />
- eine zukunftsorientierte Entwicklung.<br />
Festzuhalten ist: Die berufliche Situation <strong>der</strong><br />
Migranten im ländlichen Raum ist im Schnitt<br />
besser als in Großstädten. In kleinen Städten<br />
ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong>jenigen ohne Berufsabschluss<br />
wesentlich niedriger als in Großstädten mit<br />
mehr als 200.000 Einwohnern.<br />
Gibt es Unterschiede zum urbanen Raum? Wenn<br />
ja, worin sind diese Unterschiede begründet?<br />
Im ländlichen Raum finden Migranten offensichtlich<br />
leichter Kontakte zu ihren Nachbarn<br />
und Arbeitskollegen, zu an<strong>der</strong>en Eltern und im<br />
Verein. Diese Kontakte können sie beispielsweise<br />
bei <strong>der</strong> Suche nach einem Ausbildungs-<br />
o<strong>der</strong> Arbeitsplatz nutzen. Junge Migranten engagieren<br />
sich dort vor allem in Sportvereinen,<br />
wo sie schnell Gleichaltrige kennen lernen können.<br />
Wenn es auf allen Seiten die Bereitschaft<br />
und Offenheit gibt, dann kann Integration im<br />
ländlichen Raum sehr gut gelingen. Für Kin<strong>der</strong><br />
unterschiedlicher Herkunft ist es selbstverständlich,<br />
miteinan<strong>der</strong> aufzuwachsen. Daran<br />
gilt es bei den Jugendlichen anzuknüpfen. In<br />
einem Projekt <strong>der</strong> Scha<strong>der</strong>-Stiftung, für das ich<br />
die Schirmherrschaft übernommen habe, wird<br />
ganz gezielt nach den Integrationspotenzialen<br />
<strong>der</strong> Kleinstädte und Landkreise gefragt. Nachteilig<br />
wirkt sich in ländlichen Regionen aus,<br />
dass es in <strong>der</strong> Regel nur wenige ausdifferenzierte<br />
und spezialisierte Integrationsangebote<br />
gibt, die in Großstädten realisierbar sind. So<br />
ist es allein aufgrund <strong>der</strong> kleineren Zahl an Migranten<br />
oft schwieriger, dass es beispielsweise<br />
die erfor<strong>der</strong>lichen Alphabetisierungskurse für<br />
Frauen o<strong>der</strong> Deutschför<strong>der</strong>ung in Schulen für<br />
neu zugewan<strong>der</strong>te Kin<strong>der</strong> gibt.<br />
Laut einer Definition ist die „Interkulturelle<br />
Kommunikation die Fähigkeit, mit Menschen<br />
aus an<strong>der</strong>en Kulturen situationsadäquat und<br />
zielführend zu kommunizieren“. Wie sieht diese<br />
„zielführende“ Kommunikation im Alltag aus?<br />
Ein Patentrezept für jede Situation gibt es<br />
sicherlich nicht. Entscheidend ist, dass beide<br />
Seiten offen füreinan<strong>der</strong> und dazu bereit<br />
sind, auf den An<strong>der</strong>en zuzugehen. Oft weiß<br />
man ja im ersten Moment gar nicht: Woher<br />
stammt mein Gegenüber, welchen kulturellen<br />
Hintergrund, welche religiösen Überzeugungen<br />
10 www.landjugend.de
Nr. 02/10<br />
bringt er mit? Der gegenseitige Respekt muss<br />
das Miteinan<strong>der</strong> prägen. Dann lässt sich auch<br />
unverkrampft miteinan<strong>der</strong> umgehen. Das gilt<br />
ja grundsätzlich für die Kommunikation und<br />
ein gutes Miteinan<strong>der</strong> - nicht nur zwischen<br />
Menschen mit unterschiedlichen kulturellen<br />
Hintergründen. Hilfreich ist es, mehr über an<strong>der</strong>e<br />
Kulturen und Traditionen zu wissen, um<br />
Missverständnissen vorzubeugen und Vorurteile<br />
abzubauen. Nicht übereinan<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n<br />
miteinan<strong>der</strong> reden - das sollte das Motto sein.<br />
In einem Aufruf <strong>der</strong> <strong>Bund</strong>esregierung heißt<br />
es: „Interkulturelle Öffnung geht alle an“. Nur<br />
wird man „alle“, also alle Bürger, aber nicht<br />
erreichen können beziehungsweise werden sich<br />
alle Menschen nicht mobilisieren lassen. Was<br />
plant dazu die <strong>Bund</strong>esregierung bzw. setzt sie<br />
bereits um zur Mobilisierung „aller“?<br />
Zunächst ist es konkretes Anliegen des <strong>Bund</strong>es,<br />
als Arbeitgeber den Anteil <strong>der</strong> Migranten<br />
im öffentlichen Dienst zu erhöhen - unter<br />
Berücksichtigung von Eignung, Leistung und<br />
Befähigung. Dabei sollen insbeson<strong>der</strong>e ihre<br />
sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen<br />
einbezogen werden. Dies muss Aufgabe<br />
<strong>der</strong> Personalplanung je<strong>der</strong> einzelnen Behörde<br />
sein. Übrigens nicht nur beim <strong>Bund</strong>. Auch die<br />
Län<strong>der</strong> haben sich im Nationalen Integrationsplan<br />
dazu verpflichtet, mehr Migranten zu<br />
beschäftigen. Wir brauchen mehr Menschen<br />
aus Zuwan<strong>der</strong>erfamilien in den Verwaltungen,<br />
aber auch bei <strong>der</strong> Polizei, bei <strong>der</strong> Feuerwehr,<br />
als Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher.<br />
Migranten sind wertvolle Brückenbauer.<br />
Die wachsende Vielfalt in unserem Land geht<br />
aber in <strong>der</strong> Tat alle an. Und das lässt sich nur<br />
vor Ort mit Leben füllen. Unternehmen sind<br />
gleichermaßen gefor<strong>der</strong>t wie Schulen, Sportvereine,<br />
Musikgruppen und natürlich auch die<br />
<strong>Landjugend</strong>. Um die Startschancen von jungen<br />
Migranten zu verbessern, engagieren sich<br />
mittlerweile viele Bildungspaten ehrenamtlich<br />
in ihrer Freizeit. Im Rahmen <strong>der</strong> „Aktion<br />
zusammen wachsen“ helfen sie Kin<strong>der</strong>n und<br />
Jugendlichen aus Zuwan<strong>der</strong>erfamilien bei den<br />
Hausaufgaben o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Suche nach einem<br />
Ausbildungsplatz. Für den Zusammenhalt unserer<br />
Gesellschaft ist es wichtig, dass Migranten<br />
in sämtlichen Bereichen <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
teilhaben können. Dafür müssen die Einheimischen<br />
bereit sein, Vielfalt noch stärker als<br />
Chance zu sehen.<br />
Welchen Beitrag zu diesem Thema erwartet Ihrer<br />
Ansicht nach die <strong>Bund</strong>esregierung von den<br />
Jugendverbänden?<br />
Wir würden es sehr begrüßen, wenn es gelingen<br />
würde, verstärkt Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />
aus Zuwan<strong>der</strong>erfamilien für die Jugendarbeit<br />
zu gewinnen. Jugendverbände bieten attraktive<br />
Freizeitgestaltungsmöglichkeiten und geben<br />
jungen Menschen die Chance, sich aktiv einzubringen,<br />
mitzuentscheiden, Verantwortung<br />
zu übernehmen und Kontakte zu knüpfen. Die<br />
Erfahrung, das Lebensumfeld mitgestalten zu<br />
können, schafft Selbstvertrauen und stärkt<br />
die Identifikation mit dem Gemeinwesen und<br />
seinen Institutionen. Die Mitwirkung in <strong>der</strong><br />
Jugendarbeit kann zur gesellschaftlichen Integration<br />
beitragen. Auch die <strong>Landjugend</strong> ist<br />
gefragt: Wie können Jugendliche aus Zuwan<strong>der</strong>erfamilien<br />
für ein Engagement gewonnen<br />
werden? Erhalten junge Migranten auch in<br />
Leitungspositionen des Verbandes die Möglichkeit,<br />
sich einzubringen? Wichtig ist die<br />
Botschaft: Wer sich engagiert, gestaltet aktiv<br />
die Zukunft <strong>der</strong> Jugend mit.<br />
Interkulturelle Kommunikation scheitert oft<br />
auch an Klischees und vorgefertigten Meinungen<br />
gegenüber den Vertretern an<strong>der</strong>er Kulturen<br />
– und halten sich lei<strong>der</strong> oft hartnäckig. Was<br />
raten Sie in solchen Fällen?<br />
Vorurteile und stereotype Vorstellungen über<br />
an<strong>der</strong>e Kulturen verhin<strong>der</strong>n ein friedliches<br />
Zusammenleben. Toleranz und gegenseitiges<br />
Verständnis sind die Voraussetzung für ein<br />
gutes Miteinan<strong>der</strong>. Je<strong>der</strong> Einzelne kann dabei<br />
helfen, Vorurteile abzubauen und Hürden zu<br />
überwinden. Die Botschaft lautet: „Integration<br />
fängt bei mir an“. Wenn je<strong>der</strong>, Einheimische<br />
und Migranten gleichermaßen, in seinem<br />
Umfeld in <strong>der</strong> Schule, im Verein, am Arbeitsplatz<br />
o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Nachbarschaft mit gutem<br />
Maria Böhmer ist Staatsministerin für Integration<br />
im <strong>Bund</strong>eskanzleramt, seit November 2006<br />
Mitglied des Präsidiums <strong>der</strong> CDU Deutschlands<br />
und <strong>Bund</strong>esvorsitzende <strong>der</strong> Frauenunion. Sie ist<br />
zudem Professorin für Pädagogik in Heidelberg.<br />
Neben ihren politischen Aktivitäten und <strong>der</strong><br />
Lehrtätigkeit engagiert sie sich in mehreren<br />
Beiräten und Stiftungen und ist Mitglied des<br />
Kuratoriums für die FIFA Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft<br />
2011. www.maria-boehmer.de<br />
Beispiel vorangeht, funktioniert Integration.<br />
In Deutschland gelingt die Kommunikation<br />
von Einheimischen und Migranten im Alltag<br />
übrigens in den meisten Fällen gut. Zu dem<br />
Ergebnis kommt das erste Jahresgutachten<br />
des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen<br />
für Integration und Migration. Danach<br />
vertrauen Zuwan<strong>der</strong>er den <strong>Deutschen</strong> zum Teil<br />
sogar mehr als diese sich selbst. Mut macht<br />
auch eine Studie <strong>der</strong> Universität Würzburg,<br />
wonach Jugendliche mit türkischstämmigen<br />
Wurzeln zu zwei Dritteln auch deutsche Freunde<br />
haben.<br />
Frau Dr. Böhmer, Sie sagten einmal, „die Stimme<br />
<strong>der</strong> Jugend ist eine ganz wichtige Stimme,<br />
wenn es um Fragen <strong>der</strong> Integration geht“. Warum<br />
ist das so?<br />
Gerade wenn wir die Situation von jungen<br />
Migranten verbessern wollen, müssen wir<br />
auf die „Stimme <strong>der</strong> Jugend“ hören. Deshalb<br />
haben wir beispielsweise im <strong>Bund</strong>eskanzleramt<br />
Jugendintegrationsgipfel durchgeführt.<br />
Die Diskussionen gaben wichtige Impulse für<br />
unsere Integrationspolitik, speziell zu den<br />
Bereichen Bildung und Ausbildung. Wie wollen<br />
wir in 20 Jahren leben? Wie steht es dann mit<br />
dem Miteinan<strong>der</strong> in unserem Land? Auch darüber<br />
entscheiden die Jugendlichen von heute<br />
wesentlich mit. Es ist wichtig, gemeinsam<br />
Zukunftsvisionen zu entwickeln. Beson<strong>der</strong>s<br />
entscheidend ist das gegenseitige Vertrauen.<br />
So hat mir die erfolgreiche WDR-Fernsehmo<strong>der</strong>atorin<br />
Asli Sevindim von den Gastarbeitern<br />
im Ruhrgebiet berichtet, die dort als Bergleute<br />
gearbeitet haben. Unter Tage habe niemand<br />
gefragt, woher man komme. Entscheidend sei<br />
gewesen, dass man sich aufeinan<strong>der</strong> verlassen<br />
konnte. Gegenseitiges Vertrauen ist das, was<br />
zählt. Vertrauen ist die Voraussetzung für gelingende<br />
Integration.<br />
www.landjugend.de 11
Geduld und diplomatisches Geschick<br />
Die <strong>Landjugend</strong> Oberfranken pflegt seit Jahren eine deutsch-russische Partnerschaft<br />
Die interkulturelle Öffnung eines Verbandes ist<br />
harte Arbeit und nicht mal eben schnell erreicht.<br />
Doch was lange währt, wird ja bekanntlich<br />
gut. Deshalb trägt auch je<strong>der</strong> noch so<br />
kleine Schritt in diese Richtung zur Erreichung<br />
dieses großen Zieles bei. Der <strong>Landjugend</strong>bezirksverband<br />
Oberfranken <strong>der</strong> Bayerischen<br />
Jungbauernschaft e.V. hat einen Seitenweg<br />
des Öffnungsprozesses mit seinem deutschrussischen<br />
<strong>Landjugend</strong>austausch beschritten.<br />
Pro Jahr findet mindestens eine Begegnung<br />
in Russland und eine in Deutschland statt. In<br />
diesen meist acht Tage dauernden Begegnungen<br />
erfahren sowohl die deutschen Jugendlichen<br />
als auch die russischen AustauschteilnehmerInnen<br />
was es heißt, in Kontakt mit<br />
einer an<strong>der</strong>en, ihnen oft fremden Kultur zu<br />
stehen. Für viele von ihnen ist es eine kurze,<br />
aber intensive interkulturelle Lernerfahrung.<br />
Für den <strong>Landjugend</strong>verband ist es ein kleiner<br />
Beitrag zur Entwicklung interkultureller Kompetenz<br />
seiner Mitglie<strong>der</strong>.<br />
Im Jahr <strong>2010</strong> besteht die Partnerschaft seit<br />
fast 20 Jahren. Eine lange Zeit, in <strong>der</strong> sich<br />
viele viele Jugendliche kennen gelernt und<br />
Pensa<br />
Finnland<br />
Estland<br />
Litauen<br />
Polen<br />
Lettland<br />
Weiss-<br />
Russland<br />
russland<br />
Moskau<br />
Moldawien<br />
Ukraine<br />
Türkei<br />
Schweden<br />
Georgien<br />
sich gegenseitig in Pensa o<strong>der</strong> Oberfranken<br />
besucht haben. Begonnen hat die Partnerschaft<br />
mit Wladimir Uchobotov, einem damaligen<br />
russischen Praktikanten im oberfränkischen<br />
Hof, <strong>der</strong> mittlerweile die internationalen<br />
Nr. 02/10<br />
Beziehungen an <strong>der</strong> Staatlichen Landwirtschaftlichen<br />
Akademie in Pensa koordiniert<br />
und unser Ansprechpartner <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> vor<br />
Ort ist. Über ihn, den APOLLO e.V.* und den<br />
damaligen Jugendreferenten Hermann Schiller<br />
sind die Kontakte über Jahre und mit viel<br />
Geduld und Ausdauer sowie „diplomatischem<br />
Geschick“ nach Pensa gewachsen. Seither<br />
haben nicht nur zahlreiche Jugendbegegnungen<br />
stattgefunden, son<strong>der</strong>n auch MultiplikatorInnenaustausche.<br />
Beson<strong>der</strong>s stolz ist <strong>der</strong><br />
Bezirksverband auf die Gründung des <strong>Landjugend</strong>regionalverbandes<br />
Pensa. Er ist aus dieser<br />
Partnerschaft entstanden, noch lange bevor<br />
sich auf russischer Seite <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong>-<br />
Dachverband RSSM gründete. Dieser wurde erst<br />
2009 ins Leben gerufen.<br />
Doch was bedeutet es nun ganz konkret, als<br />
<strong>Landjugend</strong>licher mit einer fremdartigen Kultur,<br />
einem an<strong>der</strong>en Land wie Russland in Kontakt<br />
zu kommen?<br />
Die Vorbereitungsseminare, die Evaluationseinheiten<br />
sowie die Gespräche mit ehemaligen<br />
TeilnehmerInnen machen Erkenntnisse <strong>der</strong><br />
Jugendlichen deutlich:<br />
12 www.landjugend.de<br />
Pensa<br />
Kasachstan<br />
Gemeinsames Basteln verbindet – Christine Göldel, Oksana Gruschina und Alexan<strong>der</strong> Tschigrow (v.l.) üben sich in interkultureller Gruppenarbeit (Bild links).
Fotos: Andreas Steinhäußer, Florian Schaller, Alexandra Krause; Karte: http://english.freemap.jp<br />
Nr. 02/10<br />
Lecker, landestypisch und einfach herzlich - <strong>der</strong> Empfang <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong>lichen auf einem landwirtschaftlichen<br />
Betrieb nahe Pensa.<br />
Dass… einige Bil<strong>der</strong> in ihren Köpfen (Stereotypen)<br />
stimmen, an<strong>der</strong>e aber nicht zutreffen,<br />
… sie nur einen kleinen Teil <strong>der</strong> russischen<br />
Kultur im Vorfeld kannten und auch nur einen<br />
kleinen Ausschnitt dieses großen Landes kennen<br />
gelernt haben,<br />
… sie durch die Besichtigungen, Führungen<br />
und Gespräche viel Neues gehört und gesehen<br />
haben und sich ihr Wissen über Russland erweitert<br />
hat,<br />
… Bekanntes durchaus in einem an<strong>der</strong>en Kontext<br />
steht, was zu Verwirrung führt,<br />
… sie Bekanntes mit dem Erlebten vor Ort<br />
vergleichen und ihre Schlüsse ziehen,<br />
… es die Menschen in Russland sind, die sie<br />
getroffen haben, die das Land für sie liebenswert<br />
macht,<br />
… sie das Programm, mit dem was sie gesehen<br />
und gehört haben, emotional berührt,<br />
… sie noch eine ganze Zeit, wenn nicht sogar<br />
ihr Leben lang von <strong>der</strong> Begegnung begeistert<br />
erzählen werden.<br />
Die russischen Gäste erhalten zudem vor allem<br />
einen Einblick in die allgemeine Jugendarbeit<br />
und die <strong>Landjugend</strong>arbeit im Speziellen. Sie<br />
* Arbeitsgemeinschaft für Projekte in Ökologie,<br />
Landwirtschaft und Landesentwicklung in Osteuropa.<br />
Ziel <strong>der</strong> APOLLO-Mitglie<strong>der</strong> ist die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Entwicklung des Agrarsektors und <strong>der</strong> ländlichen<br />
Räume Osteuropas, denen eine wichtige Rolle für die<br />
wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Entwicklung<br />
in diesen Län<strong>der</strong>n zukommt.<br />
erfahren, was ehrenamtliches Engagement<br />
alles umfassen kann, welche Strukturen dies<br />
ermöglicht und erhalten Anregungen und<br />
praktische Tipps für die Umsetzung in ihrem<br />
eigenen Land. Auch die Landwirtschaft spielt<br />
in den Begegnungen eine große Rolle. Die<br />
deutschen Jugendlichen bekommen in Pensa<br />
und Umgebung ebenfalls einen Einblick in die<br />
russische Landwirtschaft, den Universitäts-<br />
und Schulbetrieb sowie in regionale Firmen,<br />
Organisationen und diverse Ämter. Die Jugendarbeit<br />
ist in Russland an<strong>der</strong>s strukturiert<br />
und bei Weitem nicht so gut entwickelt wie in<br />
Deutschland. Ehrenamtliches Engagement o<strong>der</strong><br />
gar Verbandsarbeit wie wir es kennen, gibt es<br />
kaum. Deshalb ist es <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> Oberfranken<br />
beson<strong>der</strong>s wichtig, die Partnerschaft mit<br />
ihren Zielen weiterzuführen.<br />
Alexandra Krause,<br />
<strong>Bund</strong>esjugendreferentin<br />
bei <strong>der</strong> BayerischenJungbauernschaft<br />
e.V. im <strong>Bund</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong><br />
ist Ansprechpartnerin<br />
für alle Fragen<br />
im internationalen<br />
Bereich. Zusammen<br />
mit Ehrenamtlichen organisiert sie internationale<br />
Begegnungen und weiß, dass man viel über<br />
sich selbst lernen kann, wenn man seinen Blick<br />
anhand von Begegnungen mit an<strong>der</strong>en schärft.<br />
Kultur, interkulturelles Lernen und interkulturelle<br />
Kompetenz - was ist das eigentlich?<br />
Unter interkulturellem Lernen versteht man<br />
das Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen<br />
Kulturen. Kultur kann dabei als Nation,<br />
als alles, was nicht Natur ist, o<strong>der</strong> ganz<br />
allgemein als ein aus Zeichen und Symbolen<br />
bestehendes Orientierungssystem verstanden<br />
werden. Die Definitionen sind vielfältig. Nicht<br />
nur jede Nation hat eine Kultur, son<strong>der</strong>n je<strong>der</strong><br />
Mensch hat seine eigene Kultur. Und abhängig<br />
davon, zu welcher Gruppe man sich selbst<br />
zugehörig fühlt und mit welchem Orientierungssystem<br />
man lebt - also nach welchem<br />
kulturellen Code man lebt - gibt es verschiedene<br />
Kulturen: beispielsweise Esskultur, Diskussionskultur,<br />
Hochkultur (Theater, Tanzen,<br />
Literatur...) Jugendkultur usw. Nicht nur bei<br />
deutsch-russischen <strong>Landjugend</strong>austauschen,<br />
son<strong>der</strong>n auch bei einer Begegnung zwischen<br />
Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Bayerischen Jungbauernschaft<br />
e.V. und <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> Schleswig-Holstein<br />
kann man vom interkulturellen Lernen reden.<br />
Durch interkulturelles Lernen wird unter an<strong>der</strong>em<br />
die Erziehung zu Toleranz, Akzeptanz<br />
und Verständnis gegenüber An<strong>der</strong>sartigem, ja<br />
fremdkulturellen Orientierungssystemen angestrebt.<br />
Auch <strong>der</strong> Abbau von Fremdenfeindlichkeit<br />
gehört dazu. Wenn man folglich gelernt<br />
hat, sich und seine eigenen Verhaltensmuster<br />
selbstkritisch zu reflektieren; bereit ist, seine<br />
bisherige Weltsicht in Teilen zu relativieren<br />
und An<strong>der</strong>sartigkeit akzeptieren kann, dann<br />
verfügt man über interkulturelle Kompetenz.<br />
www.landjugend.de 13<br />
Info
Viehzucht, Ackerbau & russische Gedichte<br />
Viel Land und noch mehr ländliche Räume - ein Erfahrungsbericht<br />
Der erste Kontakt zu unseren Partnern in<br />
Pensa, Russland, ist 2008 über die Hochschule<br />
Neubrandenburg zustande gekommen.<br />
Die Kooperation zwischen <strong>der</strong> Staatlichen<br />
Landwirtschaftlichen Akademie Pensa und <strong>der</strong><br />
Hochschule Neubrandenburg besteht seit langem.<br />
Schnell hat sich aus dem Kontakt eine<br />
Zusammenarbeit im Sinne eines internationalen<br />
Jugendaustausches entwickelt.<br />
Der Austausch begann im August 2008 mit<br />
dem Besuch einer Studentengruppe aus Russland<br />
bei uns. Ziel war es zunächst, sich persönlich<br />
kennenzulernen, unseren Gästen unser<br />
Land näherzubringen und sie mit unseren Verbandsstrukturen<br />
vertraut zu machen. Fachlich<br />
ging es natürlich um die landwirtschaftlichen<br />
Gegebenheiten Mecklenburg-Vorpommerns und<br />
die Vorstellung typischer Agrarbetriebe. So<br />
ermöglichten unter an<strong>der</strong>em die B&S Landtechnik<br />
GmbH in Grabow, die Zuckerfabrik Anklam<br />
und das Gut Darß GmbH & Co. KG - ein<br />
Bio-Fleischerzeuger - uns und unseren Gästen<br />
einen Blick hinter <strong>der</strong>en Kulissen.<br />
Gleich im folgenden Jahr – 2009 – traten wir,<br />
zwölf Mitglie<strong>der</strong> des <strong>Landjugend</strong>verbandes<br />
Mecklenburg-Vorpommern und Agrarstudenten<br />
den Gegenbesuch an - und wurden an einem<br />
kalten Herbsttag herzlich in Moskau in Empfang<br />
genommen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte<br />
niemand, welche Vielfalt an Eindrücken das<br />
riesige Land für uns bereithielt – und wie groß<br />
es ist. Allein die Zugfahrt nach Pensa dauerte<br />
zwölf Stunden.<br />
Die Fahrt war unter dem Motto „Zukunft <strong>der</strong><br />
Landwirtschaft in Russland und Deutschland“<br />
klar agrarökonomisch ausgerichtet. Fachlich<br />
prägten vor allem Betriebsbesichtigungen im<br />
Umland Pensas und <strong>der</strong> bilaterale Fachtag die<br />
Fahrt. Die Gruppe besuchte verschiedene landwirtschaftliche<br />
Betriebe und erfuhr viel über<br />
die Betriebsstrukturen, technischen Abläufe<br />
und die landwirtschaftlichen Ressourcen <strong>der</strong><br />
Region. Unsere Reisegruppe lernte ein großes<br />
Spektrum möglicher landwirtschaftlicher Unternehmensformen<br />
kennen: den fünftgrößten<br />
Geflügelzucht, -schlacht und –zerlegebetrieb<br />
Russlands, einen mittelständischen Betrieb<br />
in Zarewschina, <strong>der</strong> Ölpflanzen anbaut, die in<br />
Pensa zu Nahrungsergänzungsmitteln weiterverarbeitet<br />
werden und einen kleinen Familienhof,<br />
<strong>der</strong> vorweigend Gemüse anbaut und vertreibt.<br />
Reisten durch russische Städte und übers Land -<br />
die Gruppe aus Mecklenburg-Vorpommern.<br />
Der Fachtag gab den Teilnehmern bei<strong>der</strong> Nationalitäten<br />
die Möglichkeit, über die Abläufe<br />
und Strukturen in ihren Betrieben, Anbau- und<br />
Zuchtvarianten und an<strong>der</strong>e landwirtschaftliche<br />
Themen zu referieren. Dank einer fachkundigen<br />
Dolmetscherin und <strong>der</strong> teilweise vorhandenen<br />
Sprachkenntnisse <strong>der</strong> Teilnehmer konnten<br />
sie auch über die verschiedenen Themen<br />
miteinan<strong>der</strong> ins Gespräch kommen. Ein paar<br />
<strong>der</strong> Beiträge wurden sogar in Russland als<br />
Sammelband publiziert.<br />
Trotz <strong>der</strong> fachlichen Ausrichtung war es unseren<br />
Gastgebern ein beson<strong>der</strong>es Anliegen, uns<br />
auch immer wie<strong>der</strong> einen Blick über den landwirtschaftlichen<br />
Tellerrand zu gewähren und<br />
uns auch auf Probleme Russlands aufmerksam<br />
Nr. 02/10<br />
zu machen. Besuche in russischen Familien,<br />
Schulen, Kin<strong>der</strong>tagesstätten, an<strong>der</strong>en sozialen<br />
Einrichtungen und verschieden russischen<br />
Gemeinden ermöglichten uns einen direkten<br />
Einblick in den russischen Alltag. So fanden<br />
wir uns einmal recht unvermittelt in einem<br />
russischen Klassenzimmer wie<strong>der</strong>, umgeben<br />
von Kin<strong>der</strong>n, die sogar ein Programm für uns<br />
vorbereitet hatten. Sie gaben uns die Möglichkeit,<br />
uns selbst ein Bild von <strong>der</strong> Situation<br />
in russischen Familien, Schulen, Kin<strong>der</strong>tagesstätten,<br />
an<strong>der</strong>en sozialen Einrichtungen<br />
und verschiedenen russischen Gemeinden zu<br />
machen.<br />
Durch den Austausch konnten auf beiden<br />
Seiten Vorurteile abgebaut werden. Durch die<br />
offene Art unserer Teilnehmer konnte das Bild<br />
des effizienten, wenig herzlichen deutschen<br />
Arbeitsroboters, das im Ausland nach wie vor<br />
vorherrscht, etwas begradigt werden.<br />
Die deutschen Teilnehmer lernten vor allem,<br />
dass russische Betriebe - landwirtschaftliche<br />
und an<strong>der</strong>e - vielmehr als in Deutschland<br />
finanzielle Verantwortung in ihrer Region<br />
übernehmen. Gemeinden, die allein auf staatliche<br />
Mittel angewiesen sind, können kaum<br />
die Grundversorgung <strong>der</strong> Bevölkerung gewährleisten.<br />
Zusammen mit <strong>der</strong> Staatlichen Agrarakademie<br />
Pensa (Penza State Agricultural Academy)<br />
übernahmen wir die Organisation, die sich<br />
nicht ganz unproblematisch gestaltete. So erfuhren<br />
wir zum Beispiel nur durch Zufall, dass<br />
nur noch maschinell ausgefüllte Visumanträge<br />
akzeptiert werden. We<strong>der</strong> die Homepage <strong>der</strong><br />
russischen Botschaft, noch <strong>der</strong>en Hotline (traditionell<br />
eher nicht besetzt) gaben über diesen<br />
Punkt Auskunft. Auch die sehr guten Deutschkenntnisse<br />
unserer russischen Ansprechpartnerin<br />
in Pensa, Ludmila Besschaposchnikowa,<br />
konnten nicht verhin<strong>der</strong>n, dass es das ein o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>e Missverständnis gab.<br />
In Pensa konnten sich die Teilnehmer von <strong>der</strong><br />
russischen Gastfreundschaft überzeugen. Vor<br />
allem die reichhaltige Kost war für einige - sagen<br />
wir mal - überwältigend. Der Umgang zwischen<br />
Gastgebern und Gästen war freundlich<br />
und wurde im Laufe <strong>der</strong> Fahrt sogar richtig<br />
herzlich. Die russischen Studentinnen und Studenten<br />
zeigten sich vielseitig interessiert und<br />
sehr kommunikativ.<br />
14 www.landjugend.de<br />
Fotos: privat/ S. Köhncke
Nr. 02/10<br />
Eine ganz an<strong>der</strong>e Seite Russlands konnten die<br />
Teilnehmer im Lermontow-Museum kennenlernen.<br />
Die Russen sind sehr stolz auf ihre Dichter<br />
und beschäftigen sich begeistert mit <strong>der</strong>en<br />
Werken und Lebensgeschichten. Diesen Eindruck<br />
vermittelten zumindest das dem romantischen<br />
Dichter Michail Jurjewitsch Lermontow<br />
gewidmete Museum und <strong>der</strong> Enthusiasmus, mit<br />
dem unsere Gastgeber über russische Dichter<br />
Interkulturelles Lernen bedeutet Chancen<br />
und großartige Erfahrungen. Seit mehr als<br />
40 Jahren för<strong>der</strong>t das Referat Internationales<br />
des <strong>Bund</strong>es <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong><br />
interkulturelle Lernprozesse bei deutschfranzösischen<br />
Begegnungen.<br />
Mit <strong>der</strong> Erweiterung und Stabilisierung <strong>der</strong><br />
Europäischen Union wird die Gesellschaft zunehmend<br />
multikulturell. Infolgedessen wird<br />
das gute Miteinan<strong>der</strong> aller immer wichtiger. So<br />
engagieren sich Institutionen wie das Deutsch-<br />
Französische Jugendwerk (DFJW) und seine<br />
Partner wie <strong>der</strong> <strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong><br />
(BDL), um zur Völkerverständigung durch<br />
Organisation von binationalen beziehungsweise<br />
trinationalen Begegnungen und Ausbildungen<br />
beizutragen. Aber mehr als ein bürgerliches<br />
und Dichtung redeten. Insgesamt sind Kultur,<br />
Religion und Geschichte im ländlichen Russland<br />
viel eher Bestandteil des normalen Lebens<br />
als das in Deutschland, als das bei uns in<br />
Mecklenburg-Vorpommern, <strong>der</strong> Fall ist.<br />
Russland entzieht sich, wie jedes an<strong>der</strong>e Land<br />
<strong>der</strong> Welt, einer abschließenden Bewertung<br />
(vor allem nach einer Woche Aufenthalt).<br />
Ein interkulturelles Vergnügen<br />
Gemeinsames Lernen macht Spaß – und manchmal auch süchtig<br />
Frankreich<br />
Großbritannien<br />
Spanien<br />
Belgien<br />
Deutschland<br />
Luxemburg<br />
Paris<br />
Frankreich<br />
Engagement betrachte zumindest ich das Interkulturelle<br />
Lernen lieber als eine Chance. Für<br />
Aber unsere Russlandreisenden zeigten sich<br />
beson<strong>der</strong>s von dem Kontrast zwischen reichen<br />
landwirtschaftlichen Ressourcen und dem Mangel,<br />
an dem ein Teil <strong>der</strong> Bevölkerung leidet,<br />
beeindruckt.<br />
Sowohl unsere Partner in Pensa als auch wir<br />
wollen die Zusammenarbeit unbedingt fortsetzten.<br />
mich bedeutet die Teilnahme an interkulturellen<br />
Kursen dieser Art eine außergewöhnliche<br />
persönliche Bereicherung. Es erlaubt mir, an<strong>der</strong>e<br />
Menschen kennen zu lernen, mich Unbekanntem<br />
und Unverstandenem zu öffnen.<br />
Es ist ein Vergnügen – das Interkulturelle Lernen.<br />
Und oft löst die erste Erfahrung ein beinahe<br />
unersättliches Verlangen nach mehr aus.<br />
Zumindest bei mir war es so. Im Alter von 14<br />
Jahren habe ich an meinem ersten Schüleraustausch<br />
zwischen meinem Gymnasium in einer<br />
elsässischen Kleinstadt und einem Berliner<br />
Gymnasium teilgenommen. Seitdem habe ich<br />
mich immer wie<strong>der</strong> um <strong>der</strong>artigen Begegnungen<br />
bemüht: ein Schüleraustausch mit Wiener<br />
Gymnasiasten, ein Praktikumsjahr in Frankfurt<br />
am Main und so weiter. Heute gehört die Organisation<br />
eben solcher schulischen und<br />
www.landjugend.de 15<br />
Schweiz<br />
Italien<br />
Für Floriane Canton (3.v.r., obere Reihe) - hier mit Teilnehmern des Seminars „Landart“ -<br />
sind interkulturelle Kurse eine „außergewöhnliche persönliche Bereicherung“.<br />
Foto: DFJW/ Susanna; Karte: http://english.freemap.jp
Durch interaktive und spielpädagogische Methoden eine Beziehung zur Natur aufzubauen<br />
und sich für ökologische Zusammenhänge zu sensibilisieren, ist Ziel des Seminars „Land Art“.<br />
außerschulischen deutsch-französischen Gruppenbegegnungen<br />
zu meinem Arbeitsfeld. Seit<br />
mehr als 40 Jahren bemüht sich <strong>der</strong> <strong>Bund</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong> um die Verwirklichung<br />
von Austauschen dieser Art im Schwerpunkt<br />
für junge Landwirte in <strong>der</strong> Berufausbildung.<br />
Darüberhinaus bildet <strong>der</strong> BDL BegleiterInnen<br />
und DolmetscherInnen aus, um Interkulturelle<br />
Lernprozesse in Gang zu setzen. Ziel eines<br />
meiner letzten Seminare war es, die Methoden<br />
„Naturerfahrungsspiele“ und „Landart“ kennen-<br />
zulernen, zu praktizieren und mit interkulturellem<br />
Kompetenz- und Fremdsprachenerwerb<br />
zu verbinden. Interessant war es zudem, die<br />
Anwendung bei<strong>der</strong> Methoden in Frankreich und<br />
in Deutschland miteinan<strong>der</strong> zu vergleichen<br />
und zu erleben, wie durch die Zusammenarbeit<br />
deutscher und französischer Teilnehmer das<br />
Interkulturelle Lernen geför<strong>der</strong>t wird. Es geht<br />
also wirklich!<br />
Kein Wun<strong>der</strong> – <strong>der</strong> Kurs war ja selbst schon<br />
eine interkulturelle Begegnung: Sechs Deut-<br />
Nr. 02/10<br />
sche, sechs Franzosen und ein binationales<br />
Leitungsteam haben während mehrerer Tage<br />
zusammen gearbeitet, gelebt und sich selbst<br />
versorgt. In diesem Rahmen war <strong>der</strong> traditionelle<br />
deutsch-französische Spezialitätenabend<br />
ein Höhepunkt. Denn bei gutem Essen lässt es<br />
sich herrlich über die wechselseitigen Wahrnehmungen<br />
- natürlich auch kontrovers - diskutieren.<br />
Es steht fest: Alltagserfahrungen und<br />
intensive Gespräche ermöglichen manchmal<br />
eher ein gegenseitiges Verstehen als vielleicht<br />
<strong>der</strong> eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e offizielle Vortrag.<br />
Und dann ist es die Aufgabe <strong>der</strong> Multiplikatoren,<br />
interkulturelle Mediationsverfahren in<br />
Gang zu setzen. Seit mehr als zehn Jahren<br />
bietet <strong>der</strong> BDL regelmäßig binationale Ausbildungen<br />
zum Mediator an. Dabei lernen<br />
TeilnehmerInnen wie beispielsweise Konflikte,<br />
insbeson<strong>der</strong>e interkulturelle, statt mit Macht<br />
und Gewalt durch Berücksichtigung <strong>der</strong> Interessen<br />
aller Beteiligten gelöst werden können.<br />
Die Möglichkeiten, die eigenen interkulturellen<br />
Kompetenzen zu entwickeln, sind heutzutage<br />
immer zahlreicher – zum Glück!<br />
Info<br />
Nächste Aus- und Fortbildungen im Bereich<br />
Internationales des BDL<br />
• GruppenleiterInnen-Vorbereitung,<br />
4.- 6. März 2011 in Berlin<br />
• Interkulturelle Mediation in Gruppen und<br />
Teams, Binationales Vertiefungsseminar,<br />
24. März bis 2. April 2011 in Ribeauvillé/<br />
Frankreich<br />
• Deutsch-französische Ausbildung in „Flüster-<br />
Dolmetschen“ in Sanary sur Mer/ Frankreich<br />
• Tanzpädagogik zur För<strong>der</strong>ung des interkulturellen<br />
Gruppenprozesses, 19. - 25. Mai 2011<br />
in Bischofrod (Thüringen)<br />
Weitere Infos auf www.landjugend.de<br />
Floriane Canton hat<br />
am Institut für Politikwissenschaften<br />
in<br />
Straßburg und<br />
„Öffentliche Kommunikation“<br />
in Lille<br />
studiert. Bereits 2007<br />
war sie für ein Jahr<br />
in Frankfurt am Main<br />
und arbeitet <strong>der</strong>zeit<br />
als Assistentin im Referat deutsch-französischer<br />
und internationaler Jugendaustausch beim<br />
<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong>.<br />
16 www.landjugend.de<br />
Fotos: DFJW/ Susanna
Nr. 02/10<br />
Ein schwedischer Sommertraum<br />
Richtung Norden: auf <strong>der</strong> Suche nach neuen Geschäftsideen<br />
Hauke, Katti, Nicole, Anika und Fabian<br />
waren die fünf Nordlichter aus Deutschland<br />
bei <strong>der</strong> diesjährigen European Rally in<br />
Schweden. Diese Rally, sozusagen ein „europäisches<br />
<strong>Landjugend</strong>treffen“, findet jedes<br />
Jahr eine Woche lang in einem an<strong>der</strong>en<br />
europäischen Land statt. Das Motto <strong>2010</strong>:<br />
„think globally, act locally“.<br />
Am 30. Juli haben wir fünf uns in Hamburg<br />
in den Zug gesetzt und waren gespannt auf<br />
die anstehende Woche. Schon die Reise war<br />
ein Erlebnis: Denn wer kann schon von sich<br />
behaupten, dass er mit <strong>der</strong> Bahn in eine Fähre<br />
gefahren ist, sich dann 45 Minuten auf Deck<br />
gesonnt hat und anschließend wie<strong>der</strong> im Zug<br />
in Richtung Kopenhagen saß?<br />
Angekommen in Schweden trafen wir auf rund<br />
100 an<strong>der</strong>e neugierige Jugendliche aus 20 Mitgliedsorganisationen<br />
<strong>der</strong> Rural Youth Europe<br />
und haben bei „Ice-breaking-games“ schnell<br />
die erste in-<br />
Feuerspucken<br />
zwischen<br />
Blumenkränzen<br />
ternationalenBekanntschaften<br />
gemacht.<br />
Sonntagmorgen<br />
war dann die<br />
offizielle Eröffnung<br />
<strong>der</strong> Rally<br />
<strong>2010</strong> mit dem<br />
traditionellen<br />
klingeln <strong>der</strong> „Rally bell“. Ziel des diesjährigen<br />
Treffens war es, die ländliche Jugend für die<br />
Arbeit vor Ort zu sensibilisieren, um beispielsweise<br />
auch <strong>der</strong> in Deutschland bekannten<br />
„Landflucht“ vorzubeugen. Eine ganze Woche<br />
über war dieses Thema präsent und es gab<br />
diverse Workshops und Gruppenarbeiten rund<br />
um das Unternehmertum junger Leute. So<br />
waren wir beispielsweise auf <strong>der</strong> Suche nach<br />
neuen Geschäftsideen, haben örtliche Unternehmen<br />
besucht, <strong>der</strong>en Marketingkonzept<br />
analysiert und haben Verbesserungsvorschläge<br />
abgegeben. Die besten Gruppenarbeiten und<br />
Vorschläge wurden prämiert.<br />
Damit wir uns untereinan<strong>der</strong> besser kennen<br />
lernen konnten, wurden immer wie<strong>der</strong> Spiele<br />
angeboten und die Gruppen dabei neu gemischt.<br />
Dadurch waren wir auch die ganze<br />
Zeit dazu angehalten, miteinan<strong>der</strong> Englisch zu<br />
sprechen. Aber auch die Bewohner <strong>der</strong> Zimmer<br />
sprachen so gut wie nie dieselbe Sprache:<br />
Denn es hat beispielsweise eine Armenierin<br />
mit einer Schwedin und einer Irlän<strong>der</strong>in zusammen<br />
gewohnt. Dies hat die Verständigung<br />
sowie den kulturellen Austausch untereinan<strong>der</strong><br />
enorm geför<strong>der</strong>t und war auch eine spannende<br />
Erfahrung.<br />
Neben den vielen Workshops und Spielen gab<br />
es aber auch immer wie<strong>der</strong> die Chance, seine<br />
Fähigkeiten auszutesten und neue Talente zu<br />
entdecken. Bei einem „Markt <strong>der</strong> kreativen<br />
Möglichkeiten“ konnte jedes Land nach Interesse<br />
seine eigenen Beson<strong>der</strong>heiten präsentieren.<br />
Beispielsweise haben die LettInnen einerseits<br />
„Blumenkranz binden“, an<strong>der</strong>erseits aber<br />
Eine heiße Angelegenheit - Fabian<br />
beim Feuerspucken<br />
das völlige Kontrastprogramm, nämlich „Feuerspucken“<br />
angeboten. Hier konnte je<strong>der</strong> einmal<br />
seinen Mut unter Beweis stellen, was Fabian<br />
auch ganz gut gelungen ist. An an<strong>der</strong>er Stelle<br />
konnten wir slowenisches Theater spielen,<br />
die Haare auf bulgarische Art flechten lassen,<br />
armenische Tänze lernen o<strong>der</strong> Rally-Briefe an<br />
die liebsten Teilnehmer schreiben.<br />
Damit die Abende nicht zu lang wurden, standen<br />
diese jeweils unter einem an<strong>der</strong>en Motto.<br />
So gab es zu Beginn ein internationales Buffet,<br />
wo jedes Team landestypische Spezialitäten<br />
angeboten hat – sehr lecker! Hier konnte<br />
man stundenlang Schlemmen und war selbst<br />
nach drei Stunden noch längst nicht bei jedem<br />
Land angelangt. Am nächsten Abend stand ein<br />
Karaoke-Wettbewerb auf dem Programm, <strong>der</strong><br />
bei allen Teilnehmern auf große Beliebtheit<br />
gestoßen ist. Natürlich durften hier die Songs<br />
von ABBA nicht fehlen. Zusätzlich wurden uns<br />
noch schwedische Tänze beigebracht die auch<br />
wenige Stunden später sofort Anwendung auf<br />
<strong>der</strong> Tanzfläche fanden.<br />
Um aber auch die richtige Kultur Schwedens<br />
hautnah miterleben zu können, stand gegen<br />
Ende <strong>der</strong> Woche ein Gastfamilientag auf dem<br />
Programm. Wir wurden in verschiedene einheimische<br />
Familien einquartiert, die bereit waren,<br />
ihr Haus für 24 Stunden mit uns zu teilen. So<br />
konnten wir das typische Familienleben kennen<br />
lernen. Zusätzlich hat diese Erfahrung den<br />
kulturellen Austausch sowie das Verständnis<br />
für an<strong>der</strong>e Sitten und Bräuche geför<strong>der</strong>t.<br />
Am letzten Abend gab es eine „Closing Ceremony“<br />
die das offizielle Ende <strong>der</strong> Rally <strong>2010</strong><br />
einleitete, aber auch gleichzeitig Vorfreude<br />
auf die Rally in Slowenien im nächsten Jahr<br />
machte. Aber bevor es am Samstagmorgen<br />
auf den Heimweg ging, wurde ein letztes Mal<br />
kräftig mit allen TeilnehmerInnen gefeiert und<br />
große Wie<strong>der</strong>sehenspläne geschmiedet.<br />
So ging eine arbeitsreiche Woche gespickt mit<br />
reichlich Spaß, viel Englisch, leckerem Essen,<br />
intensiven Gesprächen, guten Ideen und neuen<br />
Freunden schnell vorüber. Und wenn keiner<br />
in Schweden vergessen wurde (dem walisischen<br />
Team ist es lei<strong>der</strong> so ergangen), sieht<br />
man den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en bestimmt noch<br />
einmal wie<strong>der</strong>.<br />
Nicole Schrö<strong>der</strong><br />
Nie<strong>der</strong>sächsische <strong>Landjugend</strong><br />
www.landjugend.de 17<br />
Fotos: privat
Wenn die Ferne ruft...<br />
Arbeiten im Ausland – ein Leitfaden<br />
Ein Auslandsaufenthalt ist für neugierige<br />
und unkomplizierte <strong>Landjugend</strong>liche eine<br />
gute Möglichkeit, ein Land authentisch<br />
kennen zu lernen, denn Du arbeitest mit<br />
den Menschen vor Ort und nimmst an <strong>der</strong>en<br />
Leben teil. Wie das geht? Ganz einfach:<br />
Was Du Dir überlegen solltest:<br />
Was ist meine Motivation? (Berufserfahrungen<br />
o<strong>der</strong> Sprachkenntnisse erweitern, Kennenlernen<br />
des Landes...)?<br />
Wie sind meine sprachlichen Fähigkeiten?<br />
Welche Qualifikationen für eine Arbeit im Ausland<br />
habe ich (persönlich und beruflich)?<br />
Was entspricht meinem Wesen (selbständiges<br />
Leben und Arbeiten o<strong>der</strong> organisierte Praktika<br />
und Zusammenleben mit einer internationalen<br />
Praktikantengruppe, Leben in einer Stadt,<br />
Arbeiten in einem kleineren Betrieb mit Familienanschluss<br />
auf einem abgelegenen Hof und<br />
so weiter)?<br />
Welche Kosten bin ich bereit zu tragen? O<strong>der</strong><br />
muss ich arbeiten, um Geld zu verdienen?<br />
Ein Auslandspraktikum<br />
In Deutschland ist ein Praktikum eine freiwillige,<br />
zeitlich begrenzte, praktische, oft<br />
unentgeltliche Mitarbeit in einem Betrieb. In<br />
an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n ist ein solches unentgeltliches<br />
Arbeiten möglicherweise illegal, die Betriebe<br />
sind zum Teil an die Auszahlung eines<br />
Mindestlohnes gebunden. Du solltest Dir Dein<br />
Praktikum über eine Organisation suchen o<strong>der</strong><br />
einen Arbeitsvertrag mit dem Praktikumsbetrieb<br />
abschließen.<br />
Ein Auslandspraktikum über eine Vermittlungsorganisation<br />
Vermittlungsorganisationen arrangieren Dir<br />
Deinen Aufenthalt nach Deinen Bedürfnissen.<br />
Du wirst über Seminare und Sprachkurse vorbereitet,<br />
über Zwischenseminare und/ o<strong>der</strong><br />
Ansprechpartner vor Ort betreut. Du wirst<br />
in <strong>der</strong> Regel ein Taschengeld o<strong>der</strong> kein Geld<br />
verdienen. Allerdings verlangen Praktikumsorganisationen<br />
in <strong>der</strong> Regel Kosten für ihre<br />
Leistungen. Daher ist es wichtig, notwendige<br />
Leistungen und Eigenleistungen genau abzuwägen<br />
(Visum, Aufenthaltsgenehmigungen,<br />
Flugbuchungen, Transfer vom Flughafen usw.)<br />
Vermittlungsorganisationen –<br />
eine Auswahl<br />
Der Internationale Praktikantenaustausch<br />
des <strong>Deutschen</strong> Bauernverbandes vermittelt<br />
beispielsweise berufliche Praktika in landwirtschaftliche<br />
Bereiche. Aufgrund des hohen<br />
fachlichen Niveaus werden berufliche Qualifikationen<br />
vorausgesetzt.<br />
www.bauernverband.de<br />
Europäische Praktikums- und Berufsbildungsprogramme<br />
werden über Träger <strong>der</strong> Leonardoda-Vinci-Programme<br />
geför<strong>der</strong>t - berufliche<br />
Erfahrungen vorausgesetzt. Im Rahmen dieser<br />
Programme ist eine Weiterzahlung ALG I möglich,<br />
da es sich speziell an arbeitslose o<strong>der</strong><br />
arbeitssuchend gemeldete junge Menschen mit<br />
beruflicher Erfahrung richtet, ein Eigenfinanzierungsanteil<br />
ist notwendig.<br />
www.na-bibb.de<br />
www.ba-auslandsvermittlung.de/leonardo<br />
Die Zentrale Auslandsvermittlung <strong>der</strong> Agentur<br />
für Arbeit (ZAV) ist ebenfalls Träger <strong>der</strong><br />
Leonardo-da-Vinci-Programme. Teilweise entstehen<br />
Programmkosten, in <strong>der</strong> Regel ist ein<br />
Eigen finanzierungsanteil notwendig.<br />
www.ba-auslandsvermittlung.de<br />
Es gibt unzählige private Organisationen,<br />
welche Auslandsaufenthalte, „Work and Travel“<br />
und berufliche Praktika im Ausland vermitteln.<br />
Du solltest unbedingt die Leistungen<br />
prüfen. In <strong>der</strong> Regel erhältst Du freie Kost,<br />
Logis und ein Taschengeld und solltest einen<br />
Ansprechpartner vor Ort haben. Adressen und<br />
Ansprechpartner findest Du zum Beispiel auf<br />
www.interswop.de<br />
Internships/ placements<br />
Was wir unter einem Praktikum verstehen, gibt<br />
es natürlich auch im Ausland - oft unter den<br />
Namen Internship/ placements/ trainee. Das<br />
sind in <strong>der</strong> Regel Programme mit festgelegten<br />
Lern- o<strong>der</strong> Arbeitsinhalten ausländischer Arbeitgeber.<br />
Vergütung wie Teilnahmegebühren<br />
Nr. 02/10<br />
stellen sich sehr unterschiedlich dar, in <strong>der</strong><br />
Regel bist Du sozial versichert.<br />
Du kannst im Internet in deinem Arbeitsgebiet<br />
suchen, Anbieter sind oft große und international<br />
arbeitende Firmen o<strong>der</strong> Vermittlungsagenturen.<br />
www.globalplacement.com<br />
Län<strong>der</strong>- und kulturspezifische För<strong>der</strong>ungen:<br />
Län<strong>der</strong>- und kulturspezifische Programme<br />
dienen <strong>der</strong> Umsetzung politischer Ziele und<br />
bedingen daher in <strong>der</strong> Regel eine geringe<br />
Teilnahmegebühr o<strong>der</strong> Programmkosten. Willst<br />
Du mit Deiner <strong>Landjugend</strong>gruppe einen Internationalen<br />
Fachkräfte- o<strong>der</strong> Jugendaustausch<br />
durchführen, können För<strong>der</strong>ungen über bestimmte<br />
Träger - beispielsweise Euern <strong>Landjugend</strong>verband<br />
- erfolgen. Ansprechpartner<br />
für Deutsch-Französische und Internationale<br />
Jugendaustausche beim <strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong><br />
<strong>Landjugend</strong> (BDL) ist beispielsweise Timm<br />
Ueckermann.<br />
Selbstorganisation eines<br />
Auslandspraktikums<br />
Es gibt im europäischen Ausland Erfahrungen<br />
mit dem „deutschen Praktikum“. Dafür musst<br />
Du für den Zeitraum Deines Auslandspraktikums<br />
einen befristeten Arbeitsvertrag abschließen<br />
(Festlegung von Vergütung und sozialen<br />
Absicherung). Geprüft werden muss auch<br />
die Notwendigkeit einer Auslandskrankenversicherung<br />
und Aufenthaltsgenehmigung. Generell<br />
verhält es sich in <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
unkompliziert, aber es gibt Ausnahmen. Seriöse<br />
Arbeitgeber prüfen, ob Du eine Arbeitserlaubnis<br />
benötigst o<strong>der</strong> besitzt. Du kannst Dir<br />
Deinen Praktikumsbetrieb selber aussuchen<br />
und Du musst keine Vermittlungsgebühren<br />
bezahlen. Du bist aber auch eigenverantwortlich,<br />
möglicherweise ohne deutschsprachige<br />
Ansprechpartner, musst Dich in allen Belangen<br />
(Arztbesuche, Mobilität, Kontoeröffnung usw.)<br />
selbst kümmern und mit den Menschen vor Ort<br />
in <strong>der</strong>en Landessprache in Kontakt kommen.<br />
Vermittlung von Arbeitsverhältnissen:<br />
Zu empfehlen sind:<br />
• international agierende Betriebe (diese<br />
Betriebe besitzen Erfahrungen mit Menschen<br />
an<strong>der</strong>er Kulturen und möglicherweise<br />
Sprachkenntnisse in deiner Landessprache)<br />
• Betriebe, welche Ausbildungs-, Traineeo<strong>der</strong><br />
Internship-Programme anbieten (diese<br />
Betriebe sind erfahren in <strong>der</strong> Ausbildung<br />
und eventuell auch im interkulturellen<br />
Austausch, bei <strong>der</strong> Vermittlung von Unterkünften)<br />
• Forschungseinrichtungen und Universitäten,<br />
Ausbildungsstätten und Institutionen<br />
18 www.landjugend.de
Nr. 02/10<br />
• Deutscher Entwicklungsdienst<br />
www.ded.de<br />
• Deutscher Akademischer Austauschdienst<br />
(DAAD) www.daad.de<br />
• Agentur für Arbeit unter > Jobbörse > Art <strong>der</strong><br />
Anfrage än<strong>der</strong>n > Suchkriterien hinzufügen ><br />
Land än<strong>der</strong>n www.arbeitsagentur.de<br />
• Saisonal Arbeitsverhältnisse werden häufig<br />
in <strong>der</strong> Landwirtschaft, Gartenbau, Hotel und<br />
Gastronomie angeboten. Aber: Aufgrund<br />
deiner Anstellung stehst Du mit lokalen<br />
Arbeitnehmern in Konkurrenz. Günstig sind<br />
deswegen Län<strong>der</strong>, <strong>der</strong>en Sprache Du sprichst.<br />
Weitere Kontaktmöglichkeiten sind:<br />
• Dein <strong>Landjugend</strong>verband<br />
• Städtepartnerschaften und Schulpatenschaften<br />
• Botschaften, Konsulate und Handelskammern<br />
des Ziellandes und deutsche Auslandshandelskammern<br />
(AHK)<br />
• internationale Organisationen und Organe<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union<br />
• Zeitarbeitsfirmen mit Filialen im Gastland<br />
• Messen<br />
• gemeinnützige Vereine<br />
• Jobbörsen<br />
www.monster.de www.jobac.co.uk<br />
Absolvieren von Teilen <strong>der</strong> Berufsausbildung<br />
im Ausland o<strong>der</strong> in einem an<strong>der</strong>en<br />
<strong>Bund</strong>esland<br />
Bis zu einem Viertel deiner Ausbildung kannst<br />
Du im Ausland zu absolvieren. Diese Zeit wird<br />
Dir als Ausbildungszeit anerkannt inklusive<br />
Sozialleistungen und Versicherungsschutz. Du<br />
kannst sehr spezielle Berufserfahrungen und<br />
Fachkenntnis gewinnen und „nebenbei“ die<br />
Kultur und Menschen des Gastlandes kennen<br />
lernen und Deine Sprachkenntnisse verbessern.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Komplexität und Vielfalt <strong>der</strong><br />
Berufsbildungssysteme in Europa ist <strong>der</strong> Einstieg<br />
in ein fremdes Ausbildungssystem jedoch<br />
nicht einfach. Die wichtigste Frage, welche Du<br />
Fotos: Wilma Landgraf<br />
Dir stellen solltest: Sind meine sprachlichen<br />
und beruflichen Kenntnisse ausreichend, um<br />
einen Teil meiner Ausbildung im Ausland zu<br />
absolvieren?<br />
Ein Auslandsaufenthalt in <strong>der</strong> Beruflichen Ausbildung<br />
kann mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds<br />
geför<strong>der</strong>t werden. Erkundige Dich in<br />
deiner Berufsschule o<strong>der</strong> Deinem Ausbildungsbetrieb<br />
nach Partnerschaften o<strong>der</strong> setzte Dich<br />
mit deinem <strong>Landjugend</strong>verband in Verbindung.<br />
Freiwilligen Dienste/ Zivildienst<br />
Werden eher als Auslandsaufenthalte bezeichnet,<br />
denn <strong>der</strong> berufliche Erfahrungsgewinn ist<br />
oft hintergründig. Obwohl sich beide nicht<br />
ausschließen. So kann beispielsweise ein<br />
Freiwilligendienst <strong>der</strong> Berufseinstieg in <strong>der</strong><br />
Entwicklungshilfe sein.<br />
Freiwilliges Ökologisches Jahr, Freiwilliges<br />
Soziales Jahr und Freiwilliges Denkmalpflegerisches<br />
Jahr<br />
Diese sind Berufsorientierungsjahre, in welchen<br />
Dir Zuschüsse für Unterkunft und Verpflegung<br />
sowie ein Taschengeld gestellt werden.<br />
Teilweise können diese im Ausland absolviert<br />
werden.<br />
www.foej.de www.pro-fsj.de<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Völkerverständigung<br />
IFYE steht für International Farm Youth<br />
Exchange, also internationaler <strong>Landjugend</strong>austausch.<br />
Das IFYE-Programm ist ein<br />
Austausch-Programm mit dem Ziel, die Völkerverständigung<br />
zu för<strong>der</strong>n. Dabei habt Ihr die<br />
Möglichkeit, an<strong>der</strong>e Lebensweisen und im Beson<strong>der</strong>en<br />
an<strong>der</strong>e Jugendorganisationen kennen<br />
zu lernen. Das Programm erfor<strong>der</strong>t einen Eigenleistungsanteil<br />
und enthält einen Sprachkurs.<br />
Die <strong>Deutschen</strong> Agentur für das EU-Programm<br />
Jugend in Aktion för<strong>der</strong>t Jugendaustausche<br />
o<strong>der</strong> Freiwilligendienste.<br />
www.jugendfuereuropa.de<br />
Go4europe bietet kostenfreie Europäische<br />
Freiwilligendienste. Um daran teilzunehmen<br />
benötigst du eine Entsendeorganisation - zum<br />
Beispiel deinen <strong>Landjugend</strong>verband o<strong>der</strong> einen<br />
an<strong>der</strong>en gemeinnützigen Verein.<br />
www.go4europe.de<br />
Datenbank <strong>der</strong> Europäischen Kommission von<br />
Freiwilligendiensten: http://ec.europa.eu/<br />
youth/evs/aod/hei_en.cfm<br />
Au Pair-Aufenhalte<br />
Die Hauptaufgabe eines Au-pair-Mädchens<br />
o<strong>der</strong> Au-pair-Jungens liegt in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung<br />
<strong>der</strong> Gastfamilie - man geht mit den<br />
Kin<strong>der</strong>n spielen, liest ihnen etwas vor, bringt<br />
sie zur Schule, hilft ihnen beim An- und<br />
Ausziehen und so weiter. Neben <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>betreuung<br />
gehören auch leichte Hausarbeiten<br />
(Staubsaugen, Aufräumen, Mahlzeiten<br />
vorbereiten) zum Au-pair-Alltag. Aus <strong>der</strong><br />
Tatsache heraus, dass die Hauptaufgabe des<br />
Au-pair-Menschen die Betreuung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in<br />
<strong>der</strong> Gastfamilie ist, ergibt sich die wichtigste<br />
Frage, die Du Dir unbedingt stellen solltest:<br />
Magst Du Kin<strong>der</strong> (große und kleine) und<br />
kannst Dir vorstellen, mit ihnen zusammen zu<br />
wohnen und für sie zu sorgen?<br />
In <strong>der</strong> Regel sind Au-Pair-Aufenthalte auf<br />
sechs bis zwölf Monate angelegt. Du wohnst<br />
prinzipiell im Haus <strong>der</strong> Gastfamilie, bist Teil<br />
<strong>der</strong> Familie und bekommst Taschengeld, Unterkunft<br />
und Verpflegung gewährt. Vorausgesetzt<br />
werden Grundkenntnisse <strong>der</strong> Landessprache<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Familie gesprochenen Sprache,<br />
oft ein Führerschein. Im Allgemeinen wird ein<br />
Gesundheitszeugnis verlangt, in dem Deine<br />
physische und psychische Gesundheit von einem<br />
Arzt bestätigt wird.<br />
Die Gütegemeinschaft Au pair e.V. hat für Aupair-Agenturen,<br />
die ausländische Au-pairs in<br />
deutsche Gastfamilien vermitteln (incoming),<br />
Qualitätsstandards festgelegt und Agenturen,<br />
die sich einer Überprüfung ihrer Arbeit unterzogen<br />
haben, ein Gütezeichen vergeben. Diese<br />
Qualitätsstandards gelten zwar noch nicht für<br />
Au-pair-Agenturen, die ins Ausland entsenden<br />
(outgoing). Jedoch kannst Du Dich bei <strong>der</strong><br />
Auswahl einer Au-pair-Agentur an diesen Gütebestimmungen<br />
orientieren. Du kannst also<br />
diese Standards als Hinweise betrachten, worauf<br />
Du bei <strong>der</strong> Auswahl einer Agentur achten<br />
solltest. Es besteht die Möglichkeit, Dir deinen<br />
Au-Pair-Aufenthalt privat zu organisieren und<br />
eine Familie über diverse Internetdatenbanken<br />
zu suchen, empfohlen wird jedoch die Vermittlung<br />
über eine Agentur.<br />
www.guetegemeinschaft-aupair.de<br />
Bleibt zu resümieren:<br />
Ein Auslandsaufenthalt - in welcher Form<br />
auch immer – ist sehr zu empfehlen. Es gibt<br />
Unannehmlichkeiten, weniger richtige Schwierigkeiten,<br />
jedoch überwiegen die positiven<br />
Erfahrungen, wenn Ihr Euch ausreichend Zeit<br />
für die Vorbereitungen nehmt.<br />
Und seid gewarnt: Das Risiko einer lebenslangen<br />
Sehnsucht nach <strong>der</strong> Unabhängigkeit solcher<br />
Lebensreise o<strong>der</strong> nach dem Austauschland<br />
ist hoch - sehr hoch.<br />
Die Autorin Wilma Landgraf ist Diplom-Ingenieurin<br />
für Gartenbau (FH) und zweite Vorstandsvorsitzende<br />
<strong>der</strong> Sächsischen <strong>Landjugend</strong> e.V.<br />
www.landjugend.de 19
„Außenseiter im Dorf? - Unmöglich!“<br />
Redakteur Jörg Paulus (31), <strong>Landjugend</strong><br />
Laisa (Nordhessen)<br />
Habt Ihr in eurer<br />
<strong>Landjugend</strong>gruppe<br />
Mitglie<strong>der</strong> mit Migrationshintergrund?<br />
Wir haben einen<br />
indisch-stämmigen<br />
Tänzer in unserer<br />
Volkstanzgruppe. Er<br />
heißt Jose, ist 17<br />
Jahre alt und wurde<br />
als Kind von einer Familie aus unserem Dorf<br />
adoptiert. Und seit einigen Wochen kommt ein<br />
Au-pair-Mädchen zu uns in die Übungsstunde.<br />
Sie heißt Uno, ist 23 Jahre alt und kommt aus<br />
dem afrikanischen Namibia. Sie kümmert sich<br />
in einer Familie in unserem Dorf um <strong>der</strong>en vier<br />
Kin<strong>der</strong>.<br />
Generell gibt es in den <strong>Landjugend</strong>gruppen in<br />
unserer Region (Waldeck-Frankenberg in Nordhessen)<br />
aber nur wenige Mitglie<strong>der</strong> mit Migrationshintergrund.<br />
Das liegt vor allem daran,<br />
dass unsere Region sehr ländlich geprägt ist<br />
und deshalb hier in den Dörfern relativ wenige<br />
Menschen mit Migrationshintergrund leben.<br />
Die beiden sind bei uns absolut integriert, da<br />
gibt es keine Einschränkungen.<br />
Gab es Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Gruppe?<br />
In unserer Gruppe hat sich durch Jose und<br />
Uno im Prinzip nichts verän<strong>der</strong>t. Da Uno allerdings<br />
nicht fließend Deutsch spricht, muss<br />
man manche Dinge etwas langsamer erklären,<br />
wenn wir zum Beispiel einen neuen Volkstanz<br />
lernen. Da es ihr – und uns – aber nichts<br />
ausmacht, wenn sie mal einen falschen Schritt<br />
tanzt, ist auch das kein Problem. Im Gegenteil:<br />
Sie bringt viel Spaß in die Gruppe.<br />
Gibt es dennoch Beson<strong>der</strong>heiten?<br />
Man merkt ab und zu, dass Zuschauer bei unseren<br />
Volkstanzauftritten „neugierig“ gucken,<br />
wenn ein dunkelhäutiger Junge in einer hessischen<br />
Tracht tanzt. Für uns ist das aber kein<br />
Problem, und ich denke, für Jose auch nicht.<br />
Ist die Situation von MigrantInnen im ländlichen<br />
Raum an<strong>der</strong>s als in <strong>der</strong> Stadt? Was<br />
denkst Du?<br />
Ich denke, dass es da schon Unterschiede<br />
gibt. Wer neu in ein Dorf zieht, fällt dort na-<br />
türlich mehr auf als jemand, <strong>der</strong> als Migrant<br />
„anonym“ in eine Stadt kommt. Ein Migrant<br />
wird also bewusster als fremd und an<strong>der</strong>s<br />
wahrgenommen. Das mag auch daran liegen,<br />
dass es auf dem Land nicht so viele Migranten<br />
gibt, sie sind für die Menschen dort also<br />
prinzipiell etwas Ungewohntes. Das führt aber<br />
nicht zu Ablehnung, son<strong>der</strong>n eher zu Interesse.<br />
Und es ist auf dem Land einfacher für<br />
Migranten sich zu integrieren – in Vereinen, in<br />
Lokalen, auf Festen, durch die Nachbarschaft.<br />
Menschen auf dem Land sind zwar traditionell<br />
und konservativ, aber sie sind deshalb nicht<br />
intolerant. Denn wer heutzutage zum Beispiel<br />
Volkstanz macht und Tracht trägt, weiß, wie<br />
es ist, an<strong>der</strong>s zu sein und komisch angeschaut<br />
zu werden.<br />
Was macht Integration für dich aus?<br />
Integration bedeutet für mich, einen Fremden<br />
so selbstverständlich anzunehmen wie<br />
jeden an<strong>der</strong>en auch. Natürlich ist es für eine<br />
Volkstanzgruppe in einem 600-Einwohner-Dorf<br />
etwas Ungewöhnliches, dass ein indischstämmiger<br />
Junge und ein namibisches Aupair<br />
- Mädchen mittanzen. Denn alle an<strong>der</strong>en<br />
Mitglie<strong>der</strong> stammen fast ausschließlich aus<br />
dem Dorf, ihre Familien wohnen seit mehreren<br />
Generationen dort. Integration ist deshalb<br />
aber kein Problem bei uns. Durch gemeinsame<br />
Aktivitäten, die Geselligkeit und die gute<br />
Dorfgemeinschaft sind Menschen mit Migrationshintergrund<br />
bei uns schnell aufgenommen.<br />
Da in einem kleinen Dorf je<strong>der</strong> jeden kennt,<br />
ist es fast unmöglich, Außenseiter zu sein.<br />
Man gehört dazu, wenn man dazugehören will.<br />
Arzthelferin Julia Lerch (22), <strong>Landjugend</strong><br />
Rosenthal (Nordhessen)<br />
Habt Ihr in eurer<br />
<strong>Landjugend</strong>gruppe<br />
Mitglie<strong>der</strong> mit Migrationshintergrund?<br />
Direkte Mitglie<strong>der</strong><br />
mit Migrationshintergrund<br />
haben wir<br />
nicht. Allerdings<br />
haben wir schon<br />
mehrfach Besuch<br />
von AustauschschülerInnen gehabt, die in<br />
Rosenthal in Gastfamilien für mehrere Monate<br />
Nr. 02/10<br />
MigrantInnen auf dem Land – selten, seltsam o<strong>der</strong> selbstverständlich? Drei Meinungen.<br />
Foto: privat<br />
untergebracht waren. Bis vor kurzem waren<br />
noch ein Amerikaner und eine Französin Teil<br />
unserer Gruppe. Aber wir hatten auch schon<br />
Brasilianer und Russen zu Gast.<br />
Alle sind wun<strong>der</strong>bar und super schnell integriert<br />
worden. Sie haben Interesse an dem Thema<br />
Volkstanz. Für die meisten Jugendlichen<br />
ist es ein völlig neues, aber interessantes<br />
Erlebnis.<br />
Die Gruppe selbst ist sehr aufgeschlossen<br />
und heißt jeden willkommen, egal woher er<br />
kommt. Das Interesse, sich über die Nationalitäten<br />
auszutauschen, ist sehr groß. Viele<br />
hatten noch nicht die Möglichkeit in an<strong>der</strong>e<br />
Län<strong>der</strong> zu reisen. Hier wird durchaus das Interesse<br />
geweckt, selbst diesen Schritt zu wagen<br />
und neue Län<strong>der</strong> und Kulturen kennen zu lernen.<br />
Es ist immer eine sehr lockere Stimmung,<br />
wenn Austauschschüler und-schülerinnen unsere<br />
Übungsstunden besuchen.<br />
Bitte ein Beispiel…<br />
Im Jahr 2007 besuchten uns zwei amerikanische<br />
Austauschschülerinnen. Dies war das<br />
erste Jahr, in dem wir wie<strong>der</strong> am Tanzturnier<br />
teilgenommen haben. Eine <strong>der</strong> Austauschschülerinnen<br />
war begeistert und hat sich sofort<br />
bereit erklärt, uns zu unterstützen - ohne<br />
zu wissen, was das Tanzturnier wirklich ist<br />
und was auf sie zukommt. Das war ein sehr<br />
schönes Erlebnis und wir erzählen heute noch<br />
davon.<br />
In diesem Jahr hatten wir Unterstützung einer<br />
französischen Austauschschülerin für das Filmprojekt<br />
<strong>der</strong> hessischen <strong>Landjugend</strong>.<br />
Haben es MigrantInnen auf dem Land leichter,<br />
sich zu integrieren?<br />
Ich kann mir vorstellen, dass es Migranten<br />
auf dem Land ein bisschen einfacher haben<br />
sich zu integrieren als in <strong>der</strong> Stadt. Auf dem<br />
Land ist es familiärer. Ich kann es selbst nicht<br />
beurteilen, aber meine Erfahrung hat gezeigt,<br />
dass es auf Land so ziemlich egal ist, woher<br />
man kommt. Man wird so angenommen, wie<br />
man ist. Ich denke, dass es in <strong>der</strong> Stadt nicht<br />
so einfach ist.<br />
Was macht Integration für Dich aus?<br />
Es ist immer wie<strong>der</strong> ein neues Erlebnis, wenn<br />
jemand aus dem Ausland zu uns in die Gruppe<br />
stößt. Alle sind neugierig und es gibt viel<br />
zu erzählen. Teilweise entstehen sogar langjährige<br />
Freundschaften. Meine Schwester hat<br />
20 www.landjugend.de<br />
Foto: privat
Nr. 02/10<br />
noch heute Kontakt zu einer amerikanischen<br />
Austauschschülerin. Alle sind super entspannt<br />
und je<strong>der</strong> freut sich, Gelerntes weiterzugeben.<br />
Ich persönlich finde Integration sehr wichtig.<br />
Ich selbst erwarte auch, wenn man in ein<br />
an<strong>der</strong>es Land reist, aufgenommen zu werden.<br />
Letztendlich macht es immer wie<strong>der</strong> Spaß,<br />
ausländische Schüler in die Gruppe aufzunehmen<br />
- man lernt viel dazu.<br />
Stefanie Fuchs (22), Hauswirtschaftsmeisterin<br />
und Landesvorstandsmitglied in <strong>der</strong><br />
<strong>Landjugend</strong> Württemberg-Baden.<br />
Habt Ihr in eurer <strong>Landjugend</strong>gruppe Mitglie<strong>der</strong><br />
mit Migrationshintergrund?<br />
Ja, es gibt vereinzelt Mitglie<strong>der</strong> mit Migrationshintergrund.<br />
Meist sind es Schul- o<strong>der</strong><br />
Studienfreunde unserer Orts- beziehungsweise<br />
Kreisgruppenmitglie<strong>der</strong>. Sie nehmen sowohl an<br />
BDL-Report<br />
Besuch aus dem Osten<br />
jugendpolitischen<br />
als auch an agrarischenThemenabenden<br />
teil, an Freizeiten<br />
und Ausflügen.<br />
Berlin. Die Verbundenheit wächst: Im Spätsommer dieses Jahres begegneten<br />
sich erneut Mitglie<strong>der</strong> des russischen <strong>Landjugend</strong>verbandes<br />
(RSSM) und Vertreter des <strong>Bund</strong>es <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong> (BDL), um<br />
sich über ihre Verbandsarbeit auszutauschen und die Beziehungen bei<strong>der</strong><br />
Organisationen zu stärken. Die RSSM-Vorsitzende Olga Platoschina und<br />
zehn Koordinatorinnen und Koordinatoren lokaler Vertretungen gehörten<br />
<strong>der</strong> Delegation aus Russland an, die im Sommer verschiedene Orte in<br />
Deutschland besuchte.<br />
Die Gruppe machte in Brandenburg und Nie<strong>der</strong>sachsen Station und traf<br />
Bereits während des Besuchs des russischen <strong>Landjugend</strong>verbandes im<br />
Spätsommer <strong>2010</strong> in Berlin war klar - die Partnerschaft von BDL und RSSM<br />
wird weitergehen.<br />
Hat sich etwas in<br />
<strong>der</strong> Gruppe verän<strong>der</strong>t?<br />
Nein, grundsätzlich<br />
nicht. Allerdings muss man sich ab und an<br />
zurückhalten mit dem bei uns gesprochenen<br />
Dialekt, aber sonst eigentlich nicht.<br />
Wie schätzt Du die Situation von MigrantInnen<br />
im ländlichen Raum ein?<br />
Ich denke, dass es mehr Migranten in <strong>der</strong><br />
Stadt gibt als im ländlichen Raum. In <strong>der</strong><br />
Stadt ist es weitaus schwieriger an die Migranten<br />
heranzukommen, da es dort wie<strong>der</strong><br />
Kleingruppierungen und Zusammenschlüsse<br />
gibt. Im ländlichen Raum werden viele Mig-<br />
Foto: Schulz/ BDL<br />
sich mit dort aktiven <strong>Landjugend</strong>lichen. In Berlin wurden die russischen<br />
Gäste von dem BDL-Vorsitzenden Gunther Hiestand und drei VertreterInnen<br />
des Bezirksverbandes Oberfranken empfangen. Der bayerische<br />
Landesverband pflegt seit Jahren einen regen Austausch mit Russland.<br />
Gäste und Gastgeber zeigten sich bei dem Treffen in Berlin neugierig<br />
und diskutierten intensiv über Verbands- und Bildungsstrukturen, Öffentlichkeitsarbeit<br />
sowie über regionale und überregionale Aktionen.<br />
Die russischen BesucherInnen interessierten vor allem die Erfahrungen,<br />
die die deutschen <strong>Landjugend</strong>mitglie<strong>der</strong> auf internationaler Ebene gemacht<br />
haben. Gesprochen wurde zudem über die Ziele des jeweiligen<br />
Verbandes, aber auch über die Probleme junger Menschen im ländlichen<br />
Raum bei<strong>der</strong> Nationen.<br />
Einig waren sich die BDL- und RSSM-VertreterInnen darüber, den Austausch<br />
bei<strong>der</strong> Jugendverbände weiterzuführen und weiterzuentwickeln.<br />
Dafür haben die Vorsitzenden Gunther Hiestand und Olga Platoschina<br />
einen Brief an die Landwirtschaftministerinnen bei<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> unterzeichnet<br />
mit <strong>der</strong> Bitte um Unterstützung beim Ausbau <strong>der</strong> partnerschaftlichen<br />
Beziehungen zwischen den russischen und deutschen<br />
<strong>Landjugend</strong>lichen, beispielsweise im Rahmen des Kooperationsprojektes<br />
„Deutsch-Russischer agrarpolitischer Dialog“. Durch dieses Projekt, welches<br />
sich stark für den Austausch bei<strong>der</strong> Verbände einsetzt, wurde auch<br />
die Reise <strong>der</strong> russischen <strong>Landjugend</strong>vertreterInnen unterstützt.<br />
Die Partnerschaft zwischen dem <strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong> und<br />
dem russischen <strong>Landjugend</strong>verband wurde nach <strong>der</strong> ersten Begegnung<br />
bei<strong>der</strong> Verbände auf <strong>der</strong> Internationalen Grünen Woche <strong>2010</strong> durch<br />
einen Kooperationsvertrag in Moskau nur wenige Wochen später gefestigt.<br />
Der russische <strong>Landjugend</strong>verband wurde 2009 gegründet.<br />
www.landjugend.de 21<br />
Foto: privat<br />
rantenkin<strong>der</strong> schon früh durch Vereine und so<br />
weiter integriert. Zumindest ist das bei uns in<br />
<strong>der</strong> Gegend so.<br />
Was macht Integration für dich aus?<br />
Ich finde es wichtig, dass ein Zusammenleben<br />
verschiedener Kulturen in Deutschland<br />
ermöglicht werden kann. Wichtig ist, dass<br />
die Mitglie<strong>der</strong> sensibilisiert werden, auch<br />
Migranten in die Gruppe aufzunehmen. In<br />
<strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> ist <strong>der</strong> Austausch <strong>der</strong> Interessen<br />
und Erfahrungen sehr för<strong>der</strong>nd. Es ist<br />
sehr gewinnbringend für eine Gruppe, auch<br />
an<strong>der</strong>e Kulturen aufzunehmen, denn <strong>der</strong><br />
Austausch ermöglicht jedem einzelnen auch<br />
„einmal über den Tellerrand hinauszublicken“.<br />
Die Mitglie<strong>der</strong> sollten „so wie sie eben sind“<br />
in die Gruppe aufgenommen und integriert<br />
werden. Natürlich geht es bei <strong>der</strong> Integration<br />
nicht nur um Migranten, son<strong>der</strong>n auch um die<br />
Schwächergestellten, Behin<strong>der</strong>ten und „Außenseiter“.
Neue Kräfte für den ländlichen Raum<br />
Berlin. „Die Übergabe <strong>der</strong> Erntekrone ist immer ein ganz beson<strong>der</strong>es<br />
Ereignis für uns“, betonte Hans-Michael Goldmann, Vorsitzen<strong>der</strong> des<br />
<strong>Bund</strong>estagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />
(ELV). Einer Tradition folgend hat <strong>der</strong> <strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong><br />
<strong>Landjugend</strong> (BDL) im Oktober die Erntekrone an den ELV-Ausschuss<br />
übergeben.<br />
Bereits vor <strong>der</strong> Sitzung hatten sich <strong>der</strong> Ausschussvorsitzende sowie<br />
weitere Ausschussmitglie<strong>der</strong> Zeit für ein Gespräch mit <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong><br />
genommen. Dabei konnten die Vorstandvorsitzenden Katrin Biebighäuser<br />
und Gunther Hiestand sowie die stellvertretende Vorsitzende<br />
Ines Pöhler aktuelle Themen ansprechen und diese in einer kurzen<br />
Diskussion mit den Ausschussmitglie<strong>der</strong>n erörtern. Im Fokus standen<br />
dabei die Themen wie Bildung und Fö<strong>der</strong>alismus, die Hofabgabe sowie<br />
die GAP-Reform 2013. Das dafür vom <strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong><br />
erarbeitete Positionspapier wurde den Ausschussmitglie<strong>der</strong>n übergeben.<br />
Ines Pöhler for<strong>der</strong>te zudem im Ausschuss dazu auf, die Landwirtschaft<br />
und somit auch den ländlichen Raum zu stärken, um vor allem dem<br />
Fachkräftemangel zu begegnen.<br />
Bereits im September hatten die BDL-Vorsitzenden Katrin Biebighäuser<br />
und Gunther Hiestand zusammen mit dem Präsidenten des <strong>Deutschen</strong><br />
Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner und <strong>der</strong> Präsidentin des<br />
<strong>Deutschen</strong> LandFrauenverbandes (dlv), Brigitte Scherb, die Erntekrone<br />
<strong>der</strong> deutschen Landwirtschaft in <strong>der</strong> Friedrichstadtkirche an <strong>Bund</strong>espräsident<br />
Christian Wulff übergeben. Die Krone wurde von <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>sächsischen<br />
<strong>Landjugend</strong> gebunden und nach Berlin gebracht.<br />
Zudem präsentierte die nie<strong>der</strong>sächsische Volkstanzgruppe Hepstedt<br />
zwei Tänze, um auf beson<strong>der</strong>s schwungvolle Art ihre Wertschätzung<br />
gegenüber Lebensmitteln auszudrücken. Das Thema Ernährung war<br />
neben <strong>der</strong> Agrarpolitik auch Inhalt <strong>der</strong> Rede Wulffs. Der <strong>Bund</strong>espräsident<br />
verwies auf die wichtige Aufgabe <strong>der</strong> Landwirtschaft beim Thema<br />
Welternährung. Dass die Erntekrone im Übrigen von <strong>Landjugend</strong>lichen<br />
seines Heimatlandes übergeben wurde, sei Zufall gewesen, betonte <strong>der</strong><br />
<strong>Bund</strong>espräsident.<br />
Nr. 02/10<br />
Die Erntekrone für den <strong>Bund</strong>espräsidenten Christian Wulff wurde von <strong>der</strong><br />
Nie<strong>der</strong>sächsischen <strong>Landjugend</strong> auf einer Veranstaltung des Nie<strong>der</strong>sächsischen<br />
Landesjugendringes in Hannover - <strong>der</strong> Nextkonferenz 2.0 - gebunden.<br />
Sie ist schon längst Tradition geworden: die Erntekrone <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> im<br />
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Ein Jahr<br />
wird sie dort aufgestellt sein und an die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> erinnern.<br />
22 www.landjugend.de<br />
Fotos (alle): Wandel-Sucker/ BDL
Nr. 02/10<br />
Leckerei für den guten Zweck<br />
Berlin. Allerorten gibt es Son<strong>der</strong>angebote: „Bezahlen Sie eines – und<br />
nehmen Sie zwei“. Die <strong>Landjugend</strong> dreht das Motto gemeinsam mit <strong>der</strong><br />
Welthungerhilfe um in: „BUY 1, PAY 2“. Dahinter verbirgt sich eine Kampagne<br />
für die kleine Großzügigkeit im Alltag. Als zukünftige Mitgliedsorganisation<br />
<strong>der</strong> Welthungerhilfe unterstützt <strong>der</strong> <strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong><br />
<strong>Landjugend</strong> diese Aktion als ersten gemeinsamen bundesweiten Auftritt.<br />
Mehr als 100 Muffins durften die Teilnehmer <strong>der</strong> Bildungswoche <strong>2010</strong><br />
beispielsweise im Oktober naschen. Hauptamtliche und Ehrenamtliche<br />
des <strong>Bund</strong>esverbandes hatten mehr als 20 verschiedene Sorten gebacken<br />
und einen Erlös von rund 120 Euro erzielt.<br />
Nachmachen ist ganz einfach.<br />
Ihr krempelt die Ärmel hoch und<br />
backt Muffins. In einem kostenlosen<br />
Aktionskit, zu bestellen<br />
unter www.welthungerhilfe.de/<br />
buy1-pay2.html, findet Ihr ein<br />
Rezept und Muffin-Förmchen.<br />
Verkauft Eure Muffins beim<br />
BuY1<br />
PaY2<br />
Dein kleiner<br />
hunger hilft<br />
Mach Mit! Deine aktion zuM Welternährungstag.<br />
infos unter WWW.Welthungerhilfe.De/aktiv-gegen-hunger<br />
Blz 370 501 98, konto 1115, www.welthungerhilfe.de, Welthungerhilfe – Der anfang einer guten entwicklung<br />
Impressum<br />
bdl-spezial 02/10<br />
Fachmagazin <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong><br />
Herausgeber:<br />
<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong> (BDL)<br />
Claire-Waldoff-Str. 7, 10117 Berlin<br />
Tel.: 030 - 31904-258<br />
Fax: 030 - 31904-206<br />
eMail: info@landjugend.de<br />
Internet: www.landjugend.de<br />
www.wir-fuers-land.de<br />
www.junglandwirte.de<br />
Redaktion: Christina Wandel-Sucker<br />
Erscheinungsform: dreimal jährlich<br />
Titelfoto: © iStockphoto.com/CEFutcher<br />
Rückseite: © iStockphoto.com/apomares<br />
Graphische Gestaltung: SEQUENZ, Berlin<br />
Druck: Druckerei Greschow, Welzow<br />
Das Magazin wird geför<strong>der</strong>t durch das <strong>Bund</strong>esministerium<br />
für Familie, Senioren, Frauen<br />
und Jugend.<br />
Weihnachtsbasar, Gemeindefest<br />
o<strong>der</strong> auf dem Markplatz. Zur<br />
Bewerbung Eurer Aktion könnt<br />
ihr gerne Postkarten und Poster<br />
bestellen. Für die Käufer heißt<br />
es dann am Aktionstag: Dein<br />
kleiner Hunger hilft. Denn für<br />
den Muffin wird getreu dem<br />
Motto „Kauf einen, zahl zwei“<br />
<strong>der</strong> doppelte Betrag gegeben<br />
Kokos mit Ananas, Schokolade mit Rotwein o<strong>der</strong> klassisch marmoriert - die<br />
Auswahl an Muffins war groß, <strong>der</strong> Appetit <strong>der</strong> Teilnehmer an <strong>der</strong> Bildungswoche<br />
in Berlin ebenfalls.<br />
- für den guten Zweck. Der Erlös trägt dazu bei, den Alltag von Menschen<br />
in Entwicklungslän<strong>der</strong>n leichter zu machen, den Hunger zu reduzieren<br />
und für ein Stückchen mehr Gerechtigkeit zu sorgen.<br />
Informationen und Anmeldung bei:<br />
Welthungerhilfe in Bonn<br />
0228-2288-421<br />
info@welthungerhilfe.de<br />
Termine <strong>2010</strong>/11<br />
November <strong>2010</strong><br />
06.11.-07.11. Joomla!-Workshop, Berlin<br />
12.11.-14.11. <strong>Bund</strong>esmitglie<strong>der</strong>versammlung, Berlin<br />
18.11. Young Farmers Day & YFD-Party auf <strong>der</strong> Eurotier, Hannover<br />
26.11.–28.11. AK JumPo – Jugend macht Politik, Nürnberg<br />
27.11.-29.11. Klausurtagung des AK Wein - Deutsche JungwinzerInnen, Baden<br />
Dezember <strong>2010</strong><br />
08.12. AK Agrar - Agrarpolitik, Berlin<br />
<strong>Bund</strong> <strong>der</strong> <strong>Deutschen</strong> <strong>Landjugend</strong><br />
Daniela Ruhe<br />
d.ruhe@landjugend.de<br />
Januar 2011<br />
21.01.-30.01. Internationale Grüne Woche in Berlin mit dem <strong>Landjugend</strong>stand auf dem ErlebnisBauernhof<br />
(Halle 3.2), gestaltet und betreut von <strong>der</strong> Berlin-Brandenburgischen<br />
<strong>Landjugend</strong>, täglich 10 bis 19 Uhr<br />
22.01. 13 Uhr, Junglandwirtekongress GAP nach 2013 mit EU-Agrar-Kommissar Ciolos<br />
(angefragt), ICC-Lounge<br />
20 Uhr, <strong>Landjugend</strong>-Fete, Konzerthalle arena, Berlin Treptow<br />
23.01. 10 Uhr, Jugendveranstaltung mit Verleihung des Ernst-Engelbrecht-Greve-<br />
Preises 2011 & Premiere eines Theaterstückes <strong>der</strong> <strong>Landjugend</strong> Württemberg-<br />
Baden, ICC Saal 1<br />
14 Uhr, Kulturveranstaltung<br />
24.01. 14 Uhr, Jugendforum „Die Zukunft <strong>der</strong> Wehrpflicht“ mit Dr. Karl-Theodor Freiherr<br />
zu Guttenberg, <strong>Bund</strong>esminister <strong>der</strong> Verteidigung, ICC-Lounge<br />
20 Uhr, <strong>Landjugend</strong>ball mit Me & The Beauties, ICC Saal 2<br />
www.landjugend.de 23<br />
Foto: Wandel-Sucker/ BDL