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Dienstag, 09.02.2010<br />
Vom ländlichen Idyll in die City<br />
Stadt legt Wohnungsmarktanalyse vor<br />
und will rasch neue Wohnbauflächen<br />
ausweisen<br />
Von Thomas Stridde Jena (OTZ). Die<br />
recht kleine Wohnungsleerstandsquote<br />
von mittlerweile weniger <strong>als</strong> einem<br />
Prozent mag immer wieder <strong>als</strong> Jenaer<br />
Problem benannt worden sein.<br />
Tatsächlich sei die Situation "nicht so<br />
dramatisch wie dargestellt".<br />
Das sagte gestern Oberbürgermeister<br />
Dr. Albrecht Schröter (SPD), <strong>als</strong> er<br />
Jenaer Wohnbau-Perspektiven<br />
Katrin Schwarz<br />
skizzierte, sekundiert von<br />
Stadtentwicklungsdezernentin Katrin Schwarz, Studentenwerk-<br />
Geschäftsführer Dr. Ralf Schmidt-Röh und Tobias Jacobs von der<br />
Beratungsgesellschaft "<strong>Analyse</strong> & <strong>Konzepte</strong>", die für die Stadt seit 2002<br />
eine Wohnungsmarktanalyse betreibt.<br />
Bei einer seit sieben Jahren steigenden und bei 102 900 angelangten<br />
Einwohnerzahl seien Reduzierung und Abriss wie andernorts überhaupt<br />
kein Thema, sagte Katrin Schwarz. Im Gegenteil: Über die letzten vier<br />
Jahre seien jährlich 200 Wohnungen und damit jede dritte neue Wohnung<br />
in Thüringen in Jena entstanden. Im Moment gebe es "genügend Flächen<br />
und Lücken, um in kurzer Zeit Baugrundstücke zu aktivieren", sagte die<br />
Dezernentin. Tobias Jacobs bezifferte dieses Bau-Potenzial mit je 1500<br />
Wohnungen in Baulücken und auf freien Grundstücken. Nur sei die Stadt<br />
nicht für den Wohnbau, sondern die Wohnbauflächen zuständig, wie<br />
Katrin Schwarz betonte.<br />
Als "relativ zeitnahe" Möglichkeiten der Bestandserweiterung betrachtet<br />
die Dezernentin die Wohnanteile auf Eich- und Inselplatz oder<br />
Geschosswohnbau auf einer an der Camburger Straße gelegenen Fläche,<br />
die der Landesentwicklungsgesellschaft gehört. Nutzen wolle Jena auch<br />
Fördergelder aus einem Innenstadtprogramm".<br />
Katrin Schwarz: "Das hat ein bisschen den Charme, dass es hier um<br />
gestützten Wohnungsbau geht." Also würden so auch Angebote des<br />
Niedrig- und Mittelpreissegments entstehen. "5,30 bis 5,70 Euro Kaltmiete<br />
sind nur mit Förderung möglich." Ohnehin auf gutem Weg sei der<br />
Einfamilienhaus-Markt etwa mit den neuen Gebieten am Forstweg und am<br />
Friedensberg. In den nächsten ein bis zwei Jahren werde auch in einem<br />
Gebiet oberhalb des Burgwegs gebaut.<br />
Tobias Jacobs resümierte, dass das Einwohnerzahl-Plus großteils vom<br />
studentischen Zuzug herrühre und der Tatsache, dass die Geburtenrate<br />
höher <strong>als</strong> die Sterbequote ist. 6000 bis 7000 Umzüge pro Jahr gebe es,<br />
wobei gerade Lobeda und Winzerla Einwohner an die Innenstadt verlören,<br />
gleichwohl die Zahl der Haushalte in beiden Großwohngebieten in etwa<br />
gleich bleibe. Gestoppt sei seit zwei, drei Jahren die nach der Wende<br />
starke Abwanderung in Einfamilienhäuser außerhalb Jenas. "Die Leute<br />
ziehen nicht mehr raus aus der Stadt."<br />
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11.02.2010
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Dass bei Beginn des jüngsten Wintersemesters "Studentenbuden"<br />
besonders knapp waren, sei der Überlagerung mehrerer Probleme<br />
zuzuschreiben, berichtete Ralf Schmidt-Röh: Unter den 5000<br />
Erstsemestern gebe es bis zu einem Drittel weniger Studenten aus<br />
Thüringen. Auf den entsprechend höheren Wohnheimbau-Druck habe die<br />
alte Landesregierung "mit null Euro reagiert". Auch schlage die<br />
Studienstrukturreform durch: Nach drei Jahren Bachelor kämen nun die<br />
Master-Studenten. Deren Zahl steige und so auch der<br />
Wohnqualitätsanspruch. Leider sei im neuen Info-Büro für<br />
Masterstudiengänge manch Hinweis nicht so geflossen wie erhofft.<br />
Das Studentenwerk müsse sich in Jena bei mittlerweile 1400<br />
ausländischen Studenten auf Probleme klassischer Uni-Städte wie<br />
Marburg oder Heidelberg einstellen, die Studenten "integrativ und nicht<br />
ghettoisiert unterbringen", sagte Schmidt-Röh. Hinzu kommen in Jena<br />
acht bis zehn Millionen Euro Sanierungsstau in den Wohnheimen<br />
Schlegelstraße und Karl-Marx-Allee sowie der überfällige Ersatzneubau in<br />
der Naumburger Straße. Panikmache liegt Schmidt-Röh aber fern, der auf<br />
enge Kooperation mit hiesigen Wohnungsgesellschaften setzt.<br />
Mit den jetzt avisierten zwei bis drei Millionen Euro an freistaatlichen<br />
Fördermitteln fürs studentische Wohnen in ganz Thüringen könnten die<br />
Probleme gewiss nicht gelöst werden. Da würden in Bayern und NRW die<br />
Uhren anders laufen, wo ähnliche Probleme mit Sozialwohnungsbau und<br />
"Konjunkturpaket II" angegangen wurden. In Jena plant das<br />
Studentenwerk zwei Neubauten mit je 100 Zimmern. Was Wohnwünsche<br />
der Studenten betrifft, seien die Prioritäten klar: Wie weit habe ich es zur<br />
Hochschule oder zur Kneipenmeile Wagnergasse?<br />
09.02.2010<br />
OTZ - OSTTHÜRINGER Zeitung Verlag GmbH & Co. KG<br />
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