Wir unternehmen etwas gegen Krebs. - Antisense Pharma
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BIOTECH-FORSCHUNG how to earn it<br />
E<br />
s war ein sehr bewegender Moment.“ Harpreet<br />
Singh, <strong>Krebs</strong>forscher, Gründer und wissenschaftlicher<br />
Leiter des Tübinger Biotechnologie-Unternehmens<br />
Immatics Biotechnologies erinnert sich gut an den<br />
Tag im Jahr 2006, als zum ersten Mal Ergebnisse klinischer<br />
Versuche mit dem neuartigen <strong>Krebs</strong>impfstoff des Unternehmens<br />
auf seinem Schreibtisch landeten.<br />
Wie hatten die Patienten den Impfstoff vertragen? Wie hatten<br />
sie reagiert? „Die Ergebnisse zeigten nicht nur, dass der Impfstoff<br />
sicher und gut verträglich war, sondern auch, dass mehr<br />
als 70 Prozent der Patienten weiße Blutkörperchen gebildet<br />
hatten, die sich spezifisch <strong>gegen</strong> ihre <strong>Krebs</strong>zellen richteten. Bei<br />
etwa einem Drittel der Patienten, deren Immunantwort besonders<br />
ausgeprägt war, konnten wir sogar feststellen, dass die<br />
Erkrankung zum Stillstand gekommen oder der Tumor zurückgegangen<br />
war. <strong>Wir</strong> waren überglücklich.“<br />
Ein Impfstoff <strong>gegen</strong> <strong>Krebs</strong>. Damit das eigene Immunsystem<br />
den Tumor bekämpfen kann. Ohne die Nebenwirkungen der<br />
Chemotherapie. Welch eine Idee!<br />
„Schon als Student wollte ich – auch weil die eigene Familie<br />
betroffen war – alles über die Bedeutung des Immunsystems<br />
für <strong>Krebs</strong> wissen“, erzählt der in Deutschland geborene Singh,<br />
der zunächst Chemie in Darmstadt, danach Biochemie in Tübingen<br />
studierte. „Damals strebte ich noch eine akademische<br />
Karriere an. Doch dann wurde in der Abteilung für Immunologie<br />
der Uni Tübingen unter der Leitung von Prof. Hans-<br />
Georg Rammensee eine Entdeckung gemacht, mit der sich<br />
Tumore auf völlig neue Weise charakterisieren ließen. Uns war<br />
klar, dass damit das Tor zu einer besseren Diagnose und<br />
Therapie von <strong>Krebs</strong> aufgestoßen war.“<br />
<strong>Krebs</strong> kann heute zwar früher erkannt und erfolgreicher behandelt<br />
werden – die <strong>Krebs</strong>sterblichkeit ging von 1980 bis<br />
2006 um mehr als 20 Prozent zurück –, aber noch immer ist<br />
die Erkrankung mit über 200 000 Toten pro Jahr die zweithäufigste<br />
Todesursache in Deutschland. Dabei sterben die<br />
meisten <strong>Krebs</strong>patienten nicht am sogenannten Primärtumor,<br />
sondern an Metastasen, die sich Monate oder Jahre nach der<br />
operativen Entfernung des Tumors irgendwo im Körper bilden.<br />
Unentdeckt und unbehelligt vom eigenen Immunsystem.<br />
Hier setzt die Tübinger Erfindung an. „<strong>Wir</strong> waren überzeugt,<br />
dass wir <strong>etwas</strong> wirklich Wichtiges entdeckt hatten – <strong>etwas</strong>, das<br />
Patienten ganz konkret helfen kann, aber das musste natürlich<br />
klinisch überprüft werden.“ Nun ging es darum, eine wirksame<br />
Therapie, einen Impfstoff zu generieren. „Viele Menschen<br />
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glauben ja, dass neue Medikamente an Universitäten oder<br />
staatlichen Forschungseinrichtungen entwickelt werden“, erläutert<br />
Singh, „aber dort gibt es weder das dafür nötige Geld<br />
noch die entsprechenden Ressourcen.“<br />
An der Uni geht alles viel zu langsam. Bei der ersten klinischen<br />
Studie, die Singh noch dort durchführte, vergingen zwei Jahre,<br />
bis die benötigten 20 Patienten gefunden wurden. „Raschen<br />
Fortschritt“, macht Singh klar, „schaffen nur Unternehmer.<br />
Als Unternehmen konnten wir zum Beispiel 30 Patienten in<br />
weniger als drei Monaten für die nächste Studie rekrutieren.“<br />
Also gründet Singh mit seinen Kollegen Toni Weinschenk und<br />
Niels Emmerich die Firma Immatics, die 2002 die Rechte an<br />
der Erfindung von der Universität übernimmt und eine Reihe<br />
von eigenen Patenten anmeldet. Das Geld für die Gründung<br />
bringen die drei aus eigenen Mitteln auf. „Ich habe damals<br />
noch als Student mein gesamtes bescheidenes Vermögen und<br />
das meiner Freundin, die mittlerweile meine Ehefrau ist, investiert“,<br />
so Singh. „Außerdem stieg noch der Kinderbuchverleger<br />
Hansjörg Weitbrecht als Business Angel ein.“<br />
So ähnlich beginnen viele Gründerstorys. Ambitionierte Forscher<br />
machen sich auf einen langen Weg auf völlig unbekanntes<br />
Terrain. In der Biotechnologie gehen diese Geschichten<br />
allerdings <strong>etwas</strong> anders weiter als in anderen Tech-Sektoren.<br />
Die Produktentwicklung dauert Jahre, ist riskant und kostet<br />
sehr viel Geld. Biotech-Entrepreneure behalten darum auch<br />
nicht auf ewig die Kontrolle über ihr Unternehmen. Weil viele<br />
Finanzierungsrunden ihren Anteil verwässern, gehen die Gründer<br />
der ersten Stunde oft wieder in die Forschungsabteilung ihres<br />
Unternehmens zurück – oder gründen immer wieder neu.<br />
„Natürlich kann das Ergebnis am Ende auch lukrativ sein“,<br />
sagt Singh, „aber für uns stand zunächst einmal im Vordergrund,<br />
die universitäre Erfindung in ein Produkt zu verwandeln,<br />
das einen klaren Nutzen für <strong>Krebs</strong>patienten bringt. Das<br />
ist auch heute noch unser wichtigstes Anliegen.“<br />
Menschen wie Harpreet Singh gibt es einige in Deutschland.<br />
Sie heißen Karl-Hermann Schlingensiepen, Patrick Baeuerle<br />
oder Özlem Türeci. Sie alle kommen aus universitärem Umfeld,<br />
gründeten Firmen wie <strong>Antisense</strong> <strong>Pharma</strong>, Micromet oder<br />
Ganymed. Und haben dadurch Deutschland bei der Entwicklung<br />
von Immuntherapien <strong>gegen</strong> <strong>Krebs</strong> mit an die Weltspitze<br />
katapultiert. „Deutschland hat traditionell eine sehr starke immunologische<br />
Grundlagenforschung, die Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
mit Paul Ehrlich begann“, erklärt Stefan Endres, Immunologe<br />
an der Ludwig-Maximilians-Universität München.