18.07.2013 Aufrufe

Junge Gemeinde und Jugendklub Leo aus Zossen auf Spurensuche

Junge Gemeinde und Jugendklub Leo aus Zossen auf Spurensuche

Junge Gemeinde und Jugendklub Leo aus Zossen auf Spurensuche

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Von Juden <strong>und</strong> Widerständlern - Märkische Allgemeine - Zeitung für d... http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10819300/61939/0?p...<br />

Sie befinden sich hier: » Märkische Allgemeine » Landkreise » Teltow-Fläming » Regionale Nachrichten<br />

17.11.2006 Von Juden <strong>und</strong> Widerständlern<br />

<strong>Junge</strong> <strong>Gemeinde</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendklub</strong> <strong>Leo</strong> <strong>aus</strong> <strong>Zossen</strong> <strong>auf</strong> <strong>Spurensuche</strong><br />

HEIDI BORCHERT<br />

ZOSSEN Seine weiße Weste hat einen Fleck bekommen. Der <strong>Zossen</strong>er Stadtchronist Louis Günther (18681946)<br />

hat 1938, nur wenige Wochen nach der Judenpogromnacht, im Teltower Kreisblatt einen Artikel veröffentlicht.<br />

"Darin hat er versucht, historisch herzuleiten, dass es immer schon Maßnahmen gegen Juden gegeben hat",<br />

berichtet Kurt Liebau.<br />

Günther gehe zwar nicht <strong>auf</strong> die Geschehnisse am 9.November in Deutschland <strong>und</strong> <strong>Zossen</strong> ein. "Aber wir fragen<br />

uns, warum schreibt er am 30. November solch einen Artikel? Die Nacht am 9.November 1938 muss also in<br />

<strong>Zossen</strong> Betroffenheit <strong>aus</strong>gelöst haben. Man brauchte offensichtlich eine Autorität, die <strong>auf</strong> dieses Vorkommnis<br />

indirekt eingeht", so Liebau.<br />

Antisemitismus<br />

ist kein Zufall<br />

Louis Günther hatte die Autorität: Er war Oberstadtinspektor in <strong>Zossen</strong>, ging 1933 in Pension. Sein Verdienst um<br />

die Aufarbeitung der Geschichte der Stadt <strong>und</strong> des Amtes ist unumstritten. "Dass er sich zu Wort meldete ist,<br />

glaube ich, kein Zufall, sondern bewusst geschehen", davon ist Liebau überzeugt. "Man wollte den <strong>Zossen</strong>ern von<br />

einem, der es wissen muss, sagen, regt Euch nicht <strong>auf</strong>, es war ja schon immer so mit den Juden." Kurt Liebau<br />

leitet das Projekt "<strong>Spurensuche</strong> jüdisches Leben in <strong>Zossen</strong> 1925 bis 1945" im Rahmen des Programms<br />

"Zeitensprünge", das vom B<strong>und</strong>esjugendministerium, der Stiftung Demokratische Jugend <strong>und</strong> der Deutschen<br />

Kinder- <strong>und</strong> Jugendstiftung gefördert wird. Es soll Kinder <strong>und</strong> Jugendliche motivieren, sich mit historischen<br />

Ereignissen ihrer unmittelbaren Umgebung <strong>aus</strong>einander zu setzen.<br />

Sowohl der <strong>Jugendklub</strong> <strong>Leo</strong>, in Zusammenarbeit mit der Geschwister-Scholl-Gesamtschule Dabendorf <strong>und</strong> dem<br />

Verein Bildung <strong>und</strong> Aufklärung <strong>Zossen</strong> (Baz) nimmt an diesem Programm teil, als auch die <strong>Junge</strong> <strong>Gemeinde</strong> der<br />

Evangelischen Kirche <strong>Zossen</strong> mit ihrem Projekt "<strong>Zossen</strong>er Akten".<br />

Kurt Liebau <strong>und</strong> seine Mitstreiter die ehemaligen Schülerinnen der Geschwister-Scholl-Gesamtschule Dabendorf<br />

Ulrike Schwarz <strong>und</strong> Sabrina Kunz, die <strong>Zossen</strong>er Stadtchronistin Jutta Melzer <strong>und</strong> Rainer Reinecke sind beim<br />

Quellenstudium für ihr Thema am Teltower Kreisblatt nicht vorbeigekommen. "Uns war nicht nur wichtig,<br />

Schicksale <strong>Zossen</strong>er Juden <strong>auf</strong>zuklären, sondern auch das soziale Umfeld zu beleuchten", erklärt der<br />

Projektleiter.<br />

Es sei vieles deutlich geworden: Wie schnell die NSDAP im Kreis Teltow <strong>und</strong> in <strong>Zossen</strong> entstand, wer die<br />

führenden Köpfe waren, wie zahlreich Aufmärsche der NSDAP <strong>und</strong> ihrer zahlreichen so genannten Gliederungen in<br />

der Stadt stattfanden, wie die Pogromnacht in <strong>Zossen</strong> verlief. "Allerdings haben wir den Gestapoberichten <strong>aus</strong><br />

jener Zeit auch entnehmen können, dass die Herrschaft der Hitlerpartei in <strong>Zossen</strong> immer wieder angefochten<br />

wurde, aber ohne von einem Widerstand sprechen zu können", sagt Liebau.<br />

Viele Erkenntnisse hat die Projektgruppe über die Schicksale jüdischer <strong>Zossen</strong>er Familien ermitteln können. Die<br />

meisten sind in Konzentrationslagern umgekommen. Für die Familien Falk, Cohen <strong>und</strong> Weinberg zum Beispiel<br />

haben <strong>Zossen</strong>er Bürger Stolpersteine gespendet. Die mit Messingplatten versehenen Steine mit den Namen der<br />

jüdischen Familien sollen vor ihren ehemaligen Wohnhäusern ins Pflaster eingelassen werden. Die Ergebnisse<br />

dieser Forschungsarbeit sollen unter anderem in einem Buch veröffentlicht werden.<br />

Die Projektgruppe hat mehrere Facharbeiten an der Gesamtschule Dabendorf zu diesem Thema betreut <strong>und</strong> wird<br />

eine Quellensammlung für den Geschichtsunterricht erarbeiten. Die Jugendlichen der Evangelischen Kirche<br />

<strong>Zossen</strong> haben sich mit den <strong>Zossen</strong>er Akten beschäftigt. Mit ihrem Projekt begaben sie sich <strong>auf</strong> die Spuren der<br />

von 2 15.03.2007 14:54<br />

13ºC


Von Juden <strong>und</strong> Widerständlern - Märkische Allgemeine - Zeitung für d... http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10819300/61939/0?p...<br />

Widerständler des 20.Juli 1944, die auch im Wünsdorfer Oberkommando des Heeres wirkten.<br />

Die <strong>Zossen</strong>er Akten Unterlagen zum Umsturz <strong>und</strong> Beweismittel für die Verbrechen der Nazis, die die Gestapo im<br />

Panzerschrank von Abwehrchef Wilhelm Canaris 1944 in einem Wünsdorfer Bunker fand lieferten Dietrich<br />

Bonhoeffer, Hans von Dohnanyi <strong>und</strong> andere den Hitlerschergen <strong>aus</strong>.<br />

"Als Ergebnis unserer Arbeit können wir zunächst den Weg der <strong>Zossen</strong>er Akten darstellen wir denken zumindest,<br />

das er so verl<strong>auf</strong>en ist", erzählt Wiebke Kunkel. Begonnen habe er zum Beispiel schon 1933 in Berlin, also kurz<br />

nach der Machtübernahme der Nazis. Franz Gürtner, Nazijustizminister, habe von Dohnanyi be<strong>auf</strong>tragt, eine Akte<br />

über die Verbrechen der Nazis anzulegen. "Das war der Gr<strong>und</strong>stock für das, was die <strong>Zossen</strong>er Akten wurden", sind<br />

sich die Jugendlichen sicher. Viele Jahre später wahrscheinlich Anfang 1943 als sich für Deutschland im Zweiten<br />

Weltkrieg das Blatt bereits gewendet hatte <strong>und</strong> Berlin bombardiert wurde, seien die hoch brisanten Unterlagen<br />

nach Wünsdorf <strong>aus</strong>gelagert worden <strong>und</strong> nach ihrem Auffinden irgendwann verschw<strong>und</strong>en.<br />

Erinnerung an<br />

Widerständler<br />

Für die Öffentlichkeit haben die jungen Christen nicht nur eine Ausstellung erarbeitet. Entstehen soll auch ein<br />

Denkmal zur Erinnerung an die Wünsdorfer Widerständler. Ein Modell gibt es bereits, das die <strong>Junge</strong> <strong>Gemeinde</strong> in<br />

Zusammenarbeit mit dem Mellenseer Künstler Sam C. Ahrens angefertigt hat.<br />

Vor dem Gutenbergh<strong>aus</strong> der Wünsdorfer Bücherstadt soll ein Panzerschrank an die Ereignisse vor mehr als 60<br />

Jahren erinnern. "Weitere künstlerisch gestaltete Akten sollen wie Stolpersteine <strong>auf</strong> dem R<strong>und</strong>weg im Wünsdorfer<br />

Bunkerpark die Besucher an jene Zeit erinnern", erläutert Michael Brückmann. Für das Denkmal werden noch<br />

Sponsoren gesucht, zum Beispiel jemand, der einen alten Panzerschrank zur Verfügung stellt <strong>und</strong> eine B<strong>auf</strong>irma,<br />

die ihn in ein F<strong>und</strong>ament einpasst.<br />

Der Einweihungstermin steht schon fest: "Es soll der 9. April kommenden Jahres sein", so Pfarrer Andreas Domke.<br />

An diesem Tag, vor 62 Jahren, wurde Dietrich Bonhoeffer von den Nazis hingerichtet.<br />

Beide Arbeitsgruppen haben gestern in Potsdam die Ergebnisse ihrer Projekte vorgestellt. Heute wird um 16.30<br />

Uhr im <strong>Zossen</strong>er Rath<strong>aus</strong> die Ausstellung zum Jugendprogramm "Zeitensprünge" für Brandenburg eröffnet <strong>und</strong> ist<br />

bis zum 6.Dezember zu sehen. <strong>Zossen</strong> ist die erste Station der Wander<strong>aus</strong>stellung mit r<strong>und</strong> 20 Projekten.<br />

von 2 15.03.2007 14:54

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!