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Tagungsmappe AFK-‐Kolloquium 2012 - Arbeitsgemeinschaft für ...

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<strong>Tagungsmappe</strong><br />

<strong>AFK</strong>-­<strong>‐Kolloquium</strong> <strong>2012</strong><br />

Liebe TeilnehmerInnen des diesjährigen <strong>AFK</strong>-­<strong>‐Kolloquium</strong>s,<br />

anbei finden Sie zu den einzelnen Panels des Kolloquiums<br />

ergänzende Informationen (Abstracts und Kurzlebensläufe) zu<br />

den Papergivern, sofern sie uns rechtzeitig im Vorfeld zugesendet<br />

wurden.


Panel 1<br />

Wer will Peacebuilding? Internationale Interventionen in<br />

Nachkriegskontexte und Widerstand als Teil des Friedensprozesses<br />

• Anne Menzel:<br />

Widerstand auf leeren Magen? Lokale Vorstellungen über die Grundlagen von<br />

Widerstandsfähigkeit und ihrer Abwesenheit in Interventionsdiskursen am<br />

Fallbeispiel Sierra Leone.<br />

• Sarah Riese/ Werner Distler:<br />

Selbstbestimmung oder Widerstand? Konflikte zwischen lokalen und<br />

intervenierenden Akteuren in Bosnien und Kosovo.<br />

• Hannah Neumann/ Joel Gwyn Winckler:<br />

Die Beschäftigung mit sich selbst und der Widerstand gegen andere: Wo<br />

„Ownership“ in Interventionsgesellschaften verloren geht.<br />

• Lisa M. Groß/ Dr. Sonja Grimm:<br />

(Peace)-­‐building Economic Insecurity? Administration Reform and Loca<br />

Resistance Strategies in Croatia.


Widerstand auf leeren Magen? Widerstandsunfähigkeit, Peacebuilding und lokale „ownership“<br />

in Nachkriegs-­‐Sierra Leone<br />

Anne Menzel<br />

Abstract<br />

Ist „Widerstand“, verstanden als Streben danach, sich ungerechten und leidvoll erfahrenen Verhältnissen<br />

mit dem Ziel zu widersetzten, zu ihrer Überwindung beizutragen, eine soziale Selbstverständlichkeit? Reicht<br />

es, dass Menschen von Unrecht unmittelbar betroffen sind und das Erfahrene bewusst als ungerecht<br />

wahrnehmen, damit sie sich zu Widerstand entschließen?<br />

Und falls nicht, welches sind dann die grundlegenden Voraussetzungen <strong>für</strong> Widerstand? Während eines<br />

Feldforschungsaufenthalts in der Stadt Bo im Süden von Sierra Leone von Januar bis Mai 2009 wurden mir<br />

in Interviews und informellen Gesprächen häufig Antworten auf diese Fragen geboten – obwohl ich sie gar<br />

nicht gestellt hatte. Hierzu kam es wohl, weil meine Interview-­‐ und Gesprächspartnerinnen und -­‐Partner<br />

ohnehin mit der Frage ringen, wie sozialer Wandel in ihrem an Bodenschätzen und landwirtschaftlich<br />

nutzbaren Böden reichen Land zustande kommen kann, das nichtsdestotrotz seit der ersten Aufstellung des<br />

Human Development Index Jahr <strong>für</strong> Jahr auf einem der untersten Indexplätze verortet wird und sowohl<br />

einen mehr als zehnjährigen Krieg (1991 bis 2002) als auch Jahrzehnte an Entwicklungshilfe und schließlich<br />

Peacebuilding hinter sich hat. Die Überlegungen, die mir angeboten wurden,liefen meist auf dieselbe<br />

pessimistische Einschätzung hinaus: Es sei wohl notwendig, dass „die Menschen in Sierra Leone“ sich<br />

ändern. Sie müssten aktiv auf sozialen Wandel hinarbeiten und sich vor allem ganz bewusst – aber in jedem<br />

Fall gewaltfrei – Korruption und politischer Manipulation widersetzten, durch die Armut, Ungerechtigkeit<br />

und sozio-­‐ökonomische Perspektivlosigkeit in Sierra Leone immer weiter verlängert werde. Nur bestehe<br />

eben keine Aussicht darauf, dass „die Menschen in Sierra Leone“ sich tatsächlich in dieser Art und Weise<br />

ändern werden. Als Begründungen <strong>für</strong> diese Einschätzung wurden meist Hunger, sozioökonomische<br />

Perspektivlosigkeit und/oder Mangel an formaler Bildung angeführt In meinem Papier beschreibe ich<br />

diesen Diskurs um Widerstandsunfähigkeit, auf den ich während der Feldforschung in Bo-­‐Town gestoßen<br />

bin, sowie Gewaltbereitschaften in Nachkriegs-­‐ Sierra Leone, die sich als bedrohliche „Nebenprodukte“ von<br />

Widerstandsunfähigkeit verstehen lassen. Hier<strong>für</strong> schildere ich zunächst Erfahrungen und Enttäuschungen<br />

aus der Zeit des Krieges und Erfahrungen mit und Enttäuschungen über Peacebuilding in der<br />

Nachkriegszeit, die diesen Diskurs informieren und mit andauernden Erfahrungen von Unsicherheit in allen<br />

Lebensbereichen verknüpft werden. Dann werden aktuelle Gewaltbereitschaften beschrieben, die in letzter<br />

Konsequenz auf eine als alternativlos empfundene „Komplizenschaft“ mit den herrschenden Verhältnissen<br />

hinauslaufen. Im Anschluss daran zeige ich zudem auf, dass Widerstandsunfähigkeit in der Konzeption von<br />

Peacebuilding-­‐Maßnahmen, die Nachkriegsgesellschaften so umgestalten sollen, dass „nachhaltiger“, sich<br />

selbst tragender Frieden möglich wird, als Problemdefinition nicht vorkommt. Vielmehr wird davon<br />

ausgegangen, dass die in Peacebuilding enthaltenen Visionen von Versöhnung, staatlich garantierter<br />

Sicherheit vor Gewalt sowie gesellschaftlicher und institutioneller Demokratisierung bereits <strong>für</strong> sich<br />

genommen ein ausreichendes und universell zustimmungsfähiges Widerstandsprojekt gegen all die<br />

Zustände bereitstellen, die nicht diesen Visionen entsprechen und die aus Peacebuilding-­‐ Perspektive <strong>für</strong><br />

Krieg und Elend verantwortlich gemacht werden. Widerstandsfähigkeit wird deshalb durch das Konzept<br />

lokaler „ownership“ ersetzt, das einen erwünschten Prozess beschreibt, in dem Peacebuilding-­‐<br />

Empfängergesellschaften sich die Ziele von Peacebuilding „zu eigen“ machen sollen.<br />

CV<br />

Aktuelle Tätigkeit: Fertigstellung meiner Dissertation mit dem Titel „Was vom Krieg übrig bleibt. Eine Analyse<br />

des Entstehen unfriedlicher Beziehungen am Beispiel von Bo-­‐Town,Sierra Leone“<br />

Ausbildung: Seit 2007: Promotion am Fachbereich Politik-­‐ undSozialwissenschaften der Freien Universität Berlin<br />

2001-­‐2006 Studium der Politikwissenschaft am Otto-­‐Suhr-­‐Institut der Freien Universität Berlin<br />

Stipendien: 01/2011 bis 08/2011 Promotionsabschlusstipendium der FAZIT-­‐Stiftung<br />

01/2008 bis 12/2010 Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschenVolkes<br />

Feldforschung 01-­‐05/2009 Bo-­‐Distrikt, Sierra Leone<br />

03-­‐07/2005 Mostar, Bosnien und Herzegowina<br />

Aktuelle Veröffentlichungen:<br />

2011 Between “Ex-­‐combatization“ and Opportunities for Peace. The double-­‐edged qualities of motorcycle-­‐<br />

taxi driving in urban post-­‐war Sierra Leone, in: Africa Today 58:2, 97-­‐127<br />

2011 Peacebuilding am Scheideweg – oder in der Sackgasse? In: Politische Vierteljahresschrift 52:3, 504-­‐536<br />

(mit Sven Chojnacki)


Selbstbestimmung oder Widerstand? Konflikte zwischen lokalen und intervenierenden Akteuren<br />

in Bosnien-­‐Herzegowina und Kosovo<br />

Werner Distler und Sarah Riese<br />

Abstract<br />

Interventionen wollen mittels internationaler Aufsicht Friedensprozesse und Staatsaufbau voranbringen.<br />

Die Bevölkerung, denen diese Prozesse zu Gute kommen soll, wird dabei jedoch in den Planungen kaum<br />

einbezogen und sieht sich in der Durchführung vor allem mit internationalen Präferenzen und den<br />

umfangreichen Autoritäts-­‐ und Gestaltungsansprüchen der Intervenierenden konfrontiert. Diese Akteure<br />

sind weder demokratisch legitimiert, noch unterliegen sie einer substantiellen Rechenschaftspflicht<br />

gegenüber der Bevölkerung des intervenierten Landes, kurz: Es fehlt ein ‚Herrschaftsvertrag‘. Für uns wird<br />

insofern politischer Widerstand in Interventionsprozessen erwartbar. Wir argumentieren, dass<br />

Interventionen inhärent politische Prozesse sind, in dem politische Akteure per definitionem konfliktiv<br />

miteinander in Beziehung treten. Dies wird durch die Intervenierenden in ihren Planungen jedoch<br />

weitgehend ignoriert, institutionalisierte Kanäle, die legitime Kritik an der Intervention möglich machen<br />

würden, fehlen. Stattdessen wird politischer Widerstand als „Spoilertum“ delegitimiert. Das Paper<br />

untersucht Formen und Argumentationslinien von Widerstand anhand von Beispielen aus Bosnien-­‐<br />

Herzegovina und Kosovo. In diesem Rahmen verorten wir die Politik des SNSD in Bosnien und der<br />

Bewegung VETËVENDOSJE! im Kosovo. Dabei stellen wir die Anliegen der Intervenierten in den<br />

Vordergrund und fragen in Bezug auf beide Organisationen nach den Formen und Argumentationslinien<br />

von Widerstand als Selbstbestimmung in Interventionsgesellschaften. Wir argumentieren, dass beide<br />

Organisationen in ihrer Programmatik und Verhalten nur im Kontext und in Folge von Intervention und<br />

Interventionsgesellschaft zu verstehen sind, dass ihre Politik durchaus auch integrative Wirkung entfalten<br />

kann, und ihre Beurteilung seitens der Intervenierenden als „Spoiler“ einer weiteren Radikalisierung<br />

Vorschub leisten kann.<br />

Sarah Riese promoviert in Politikwissenschaften an der FU Berlin, wo sie bis Sommer 2008 auch studiert hat. Sie<br />

ist Teil des Projektteams des von Christoph Zürcher geleiteten Projektes zu „Post War Democratic Transitions“<br />

und Mitglied des Netzwerks Interventionskultur. Bis Ende 2011 war sie Mitarbeiterin eines durch die Deutsche<br />

Stiftung Friedensforschung geförderten Kooperationsprojekts der Universität Oldenburg, der FU Berlin und der<br />

University of Ottawa zu „Peacebuilding in Practice“ in Bosnien-­‐Herzegovina. Vor, neben und seit ihrem Studium<br />

hat sie zu Themen aus den Bereichen Peacebuilding und Entwicklung <strong>für</strong> verschiedene NGOs und die GTZ (heute<br />

GIZ) gearbeitet. Ihr Interesse an „Peacebuilding“, an Südosteuropa und vor allem am Verhältnis zwischen<br />

Intervenierenden und Intervenierten geht zurück auf ihre Arbeitserfahrung in der Region. Sie hat von Juli 1999<br />

bis September 2001 in Sarajevo <strong>für</strong> eine deutsche Jugend-­‐NGO gearbeitet und war anschließend immer wieder<br />

im Rahmen kürzerer Projekte in der Region tätig. Die dort gesammelten Erfahrungen und die Fragen, die dabei<br />

aufgeworfen wurden, bestimmen maßgeblich ihre inhaltlichen Schwerpunkte (Konflikt, Peacebuilding,<br />

Entwicklung, und Südosteuropa) und auch den Fokus ihrer Dissertation zu den Interaktionsprozessen zwischen<br />

Intervenierenden und politischen Eliten in Bosnien-­‐Herzegovina.<br />

Werner Distler ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum <strong>für</strong> Konfliktforschung der Philipps-­‐Universität<br />

Marburg. Er hat zwischen 2000 und 2006 an der Ludwig-­‐Maximilians-­‐Universität in München Politische<br />

Wissenschaften, Neuere und Neueste Geschichte und Sozial-­‐ und Wirtschaftsgeschichte studiert und in diesem<br />

Zeitraum Praktika bei u.a. der National Commission for UNESCO (Südafrika), den Lawyers for Human Rights<br />

(Südafrika), der Heinrich-­‐Böll-­‐Stiftung (Büro Thailand und Südostasien) und der Stiftung Wissenschaft und Politik<br />

(Berlin) absolviert. 2007 wurde er Mitglied des Zentrums <strong>für</strong> Konfliktforschung und Doktorand von Prof. Dr.<br />

Thorsten Bonacker zum Thema „Soziale Interaktion im Statebuilding am Beispiel der UNMIK Polizei im Kosovo“.<br />

Auch ist er Mitglied des internationalen Forschungsnetzwerks „Cultures of Intervention“. Seit September 2010<br />

arbeitet er in Marburg im DFG-­‐Forschungsprojekt „Deutungsmacht in Postkonfliktgesellschaften“ unter der<br />

Leitung von Prof. Dr. Thorsten Bonacker und Prof. Dr. André Brodocz (Universität Erfurt) an der Fallstudie Kosovo<br />

über die Genese von politischer Autorität in intervenierten Gesellschaften. Für seine Forschung ist er regelmäßig<br />

im Kosovo. Seine Forschungs-­‐ und Interessenschwerpunkte sind besonders die Bedingungen, Auswirkungen und<br />

die soziale Verfasstheit von anhaltenden Interventionen (Statebuilding, Peacebuilding) – <strong>für</strong> Intervenierenden<br />

und die Intervenierten gleichermaßen. Neben der Untersuchung von politischen Prozessen (wie die<br />

Autoritätsgenese) sind die sozialen Prozesse im Alltag und die dort gemachten Interaktionserfahrungen <strong>für</strong> seine<br />

Arbeit zentral. Neben diesen Schwerpunkten hat er zur Konsolidierung Südafrikas seit dem Ende der Apartheid<br />

gearbeitet und bewahrt sich sein Interesse an den Theorien und Debatten der Internationalen Beziehungen.<br />

Zuletzt erschienen: (2011) Das Militär im Statebuilding interventionssoziologischer Perspektive. In: N. Leonhard,<br />

I.-­‐J. Werkner (Hrsg.), Militärsoziologie – Eine Einführung (pp. 158-­‐175), VS Verlag <strong>für</strong>Sozialwissenschaften:<br />

Wiesbaden. (Zusammen mit Thorsten Bonacker).


Resistance as a Constructive Source of Change in a Post-­‐War Environment? Assessing the<br />

Integration of Resistance by the United Nations Intervention in Liberia<br />

Hannah Neumann und Joel Gwyn Winckler<br />

Abstract<br />

Peace operations intervene in contexts, in which the state is highly fragile and its ability to provide basic<br />

services has failed. Government and administration are weak or non-­‐existent. International organizations,<br />

such as the UN, often find themselves de-­‐facto “taking over” the work of government and public<br />

administration even though their mandate is only to “support the government”. It is no big surprise that<br />

such international dominance provokes resistance. The aim of this paper is to include an analysis of the<br />

disparate forms of resistance in post-­‐conflict intervention settings into the study of peacebuilding along the<br />

case of the United Nations Mission in Liberia (UNMIL). We differentiate between rule abiding (disobedience<br />

and obstruction) and rule breaking (informal parallel structures and violence), and between constructive<br />

(informal parallel structures and disobedience) and destructive (obstruction and violence) forms of<br />

resistance. Our findings indicate that international dominance tends to provoke and react on destructive<br />

forms of resistance. Constructive forms of resistance, such as public protest, are rarely acknowledged, as<br />

long as they do not break the rules and threaten the security of the country and the mission. Shaping<br />

politics in the intervention state often prevails in informal bargaining processes within the bureaucratic<br />

structures of the intervening organizations and the government. The set-­‐up of the international<br />

intervention, intended to build a liberal democracy, fails to build an environment conducive to such a<br />

condition. The peacekeeping environment in Liberia provides few structures to take resistance into account<br />

and use it as constructive force of change.<br />

Hannah Neumann<br />

Hannah Neumann ist Diplom Medienwissenschaftlerin (TU Ilmenau, Ateneo de Manila University)<br />

und hat Politikwissenschaften an der FU Berlin studiert. Sie ist Koordinatorin des internationalen<br />

Forschungsnetzwerkes Cultures of Intervention (CoINet). Sie befindet sich in der Abschlussphase ihrer<br />

Dissertation, die sich mit den gesellschaftlichen Reorganisationsprozessen in Nachkriegsgemeinden<br />

auseinander setzt. Sie unterrichtet an der FU Berlin als freie Lehrkraft in Bachelor und Master. Hannah<br />

Neumann war Projektleiterin des von der DSF geförderten Forschungsprojektes „Peacebuilding auf der<br />

Suche nach dem was ist“ und Teamleiterin der Liberia Feldforschung des Projektes „Contextualizing<br />

Peacebuilding to local circumstances“, durchgeführt von NUPI (Norwegian Institute of Foreign Affairs). Sie<br />

hat weitreichende Feldforschungserfahrung in Liberia und auf den Philippinen (hier insbesondere<br />

Mindanao).<br />

Joel Gwyn Winckler<br />

Joel Gwyn Winckler promoviert in Bereich der Friedens-­‐ und Konfliktforschung an der Freien<br />

Universität Berlin, wo er 2009 auch sein Studium der Politikwissenschaft abschloss. Seine Forschung zu<br />

Organisationsprozessen in Friedensmissionen der Vereinten Nationen wird gefördert durch ein Elsa-­‐<br />

Neumann-­‐Stipendium des Landes Berlin und dem DAAD. Joel Winckler ist Mitglied des<br />

Forschungsnetzwerks Cultures of Intervention (CoI) und seine Arbeit ist zudem eingebettet im Arbeitskreis<br />

Friedens-­‐ und Konfliktforschung an der Freien Universität Berlin. In seinen Studien verbindet Joel Winckler<br />

organisationssoziologische Ansätze mit der Analyse des Friedenskonsolidierungsprozesses in<br />

Nachkriegskontexten, wobei die Organisation von Intervention in den Mittelpunkt des<br />

Forschungsinteresses rückt. Durch Feldforschungsaufenthalte in Liberia und New York hat er hierzu einen<br />

querschnittartigen Einblick in die Arbeitsprozesse der VN-­‐Mission in Liberia und dem Department of<br />

Peacekeeping Operations erhalten.


(Peace-­‐)Building Economic Insecurity? Administration Reform and Local Resistance<br />

Strategies in Croatia<br />

Lisa Groß and Sonja Grimm, Department of Politics and Public Administration, University of<br />

Konstanz<br />

Abstract<br />

This paper takes a closer look at the interplay of international and domestic actors in peacebuilding,<br />

especially at local resistance towards efforts of peacebuilders to push democratic reforms. Even though<br />

peacebuilding missions usually start with an ambitious program to establish democratic institutions in a<br />

post-­‐conflict states, postwar countries are oscillating between the ideal types of autocracy and democracy<br />

and find themselves in a situation of fragile statehood. Just recently, some authors started to point to<br />

various forms of local resistance against externally induced democracy in the aftermath of war (Richmond<br />

2010; Richmond 2011). However, the local strategies of resistance and the motives behind it are largely<br />

neglected. In this study, the goal is to identify domestic strategies of resistance against peacebuilding –<br />

more concretely, specific (so-­‐called) democratic reform initiatives by peacebuilder, and to shed light on the<br />

domestic interpretations of resistance which, as we will show, sharply differ from the interpretation given<br />

by external actors. This is done by taking the process of public administration reform in Croatia as case in<br />

point. Expert interviews with domestic and external actors in Croatia are used to carve out strategies of<br />

external and domestic actors to interact with each other, and to investigate their framing of domestic<br />

resistance.<br />

Richmond, Oliver 2011: Becoming Liberal, Unbecoming Liberalism. The Everyday, Empathy, and Post-­‐Liberal<br />

Peacebuilding, in: Tadjbaksh, S (Hrsg.): Alternatives to the Liberal Peace, New York<br />

Lisa Groß<br />

Lisa Groß arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin in dem Forschungsprojekt „The<br />

European Union as Democracy Promoter in the Western Balkans” an der Universität Konstanz, welches von<br />

Dr. Sonja Grimm am Lehrstuhl <strong>für</strong> Internationale Politik (Prof. Gerald Schneider) geleitet wird. Lisa Groß<br />

studierte Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin sowie an der Universidad Complutense de<br />

Madrid. In ihrer Promotion beschäftigt sie sich mit Peacebuilding und Demokratieförderung auf der<br />

subnationalen Ebene im Kosovo. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Peacebuilding und<br />

Demokratieförderung in Nachkriegsgesellschaften, sowie die Transitions-­‐ und Demokratisierungsforschung.<br />

Ihr regionaler Schwerpunkt liegt in Osteuropa, insbesondere dem Westlichen Balkan.<br />

Dr. Sonja Grimm<br />

Dr. Sonja Grimm ist Akademische Rätin am Fachbereich Politik-­‐ und Verwaltungswissenschaft der<br />

Universität Konstanz. Sie spezialisiert sich auf Transitions-­‐ und Demokratisierungsforschung. Ein<br />

Arbeitsschwerpunkt ist die internationale Demokratieförderung in Postkonfliktgesellschaften. In ihrer<br />

Arbeit verbindet Sonja Forschungsansätze der Vergleichenden Regierungslehre und der Internationalen<br />

Beziehungen. Zur Zeit leitet sie das Forschungsprojekt „The European Union as Democracy Promoter in the<br />

Western Balkans”.<br />

Mehr zu Sonja Grimm findet sich unter www.sonja-­‐grimm.eu.


Panel 3<br />

Widerstand lernen und verstetigen<br />

• Dieter Lünse:<br />

Wirkung von Zivilcourage, gewaltfreies Handeln als Grundlagen im<br />

Widerstand und Umbruch von Gesellschaften.<br />

• Uli Jäger:<br />

(Frieden) Lernen in politischen Umbruch-­‐ und Konfliktsituationen.


„Wirkung von Zivilcourage, gewaltfreies Handeln als Grundlagen im Widerstand und Umbruch<br />

von Gesellschaften in der DDR, Ägypten und Liberia“<br />

Dieter Lünse<br />

Abstract<br />

In den Ländern DDR, Ägypten und Liberia wurde gewaltfreies Handeln zum radikalen Umbruch der<br />

Gesellschaften genutzt. Trotz unterschiedlicher Lage, Zeit und Kontext zeigen sich Parallelen. Der Beitrag<br />

gibt die entscheidenden Faktoren wieder. Aus ihnen folgen eine Reihe von Fragestellungen, die in der<br />

Friedensforschung bislang wenig bearbeitet wurden.<br />

In den 80er Jahren gab es einen demokratischen Aufbruch in der DDR. In Leipzig verließen am 4. September<br />

1989 junge Ausreisewillige die Friedensandacht in der Nikolaikirche und riefen „Wir sind das Volk“. Sie<br />

machten damit deutlich, dass nicht die Staatsregierung das Volk repräsentierte, sondern Oppositionelle. Sie<br />

waren nicht vom Volk gewählt, nur mit ihrer Stimme rissen sie die Massen der Bevölkerung in der DDR mit.<br />

Die Regierung der DDR war wenige Monate zuvor, im Mai, durch Wahlen im Amt bestätigt worden. Die<br />

Wahlen waren gefälscht und das über 40 Jahre aufgebaute Einheitsbild der DDR war zerbrochen. Dies<br />

hatten oppositionelle Gruppen mit westlicher Medienberichterstattung aufgedeckt und damit moralisch die<br />

regierende Staatspartei SED zum Einsturz gebracht. Die Wahlfälschung aufzudecken, die<br />

Einparteienregierung zu kritisieren, überhaupt Kritik in Gruppen zu sammeln war in der DDR sehr schwierig<br />

gewesen. Die große gesellschaftliche Veränderung konnte trotzdem stattfinden und war durch ein hohes<br />

Maß an Zivilcourage gewaltfrei verlaufen.<br />

Neben dem Mut und der Bereitschaft einzugreifen sind weitere Elemente des gewaltfreien Handelns nötig,<br />

um den Veränderungsprozess beständig zu gestalten und aus einer machtlosen Position große<br />

gesellschaftliche Veränderungen durchzuführen. Dazu zählen:<br />

Besetzung und Einnahme von öffentlichem Raum oder öffentlichen Plätzen, um ein Forum <strong>für</strong> die Kritik<br />

aufzubauen. Dies war u.a. durch die Umweltbewegungen in beiden deutschen Ländern in den 80er Jahren<br />

sehr vertraut. Da mit diesen Aktionen Normen und oder Gesetze verletzt werden (bzw. herrschende<br />

Regierungen diese nach ihren Einschätzungen als verletzt auslegen) braucht es beständig Dialog und<br />

Vertrauen. Ansonsten führt es zur Kriminalisierung und Stagnation der Veränderungen oder zur<br />

Konflikteskalation und Gewalt. Dialogbereitschaft war in der DDR möglich wie es auch in anderen Ländern<br />

mit gewaltfreien Umstürzen (Tunesien, Ägypten, Liberia) eine bedeutende Rolle spielte und spielt.<br />

Konstruktive Aktionen und eine Vorstellung wie die Gesellschaft nach einer radikalen Veränderung<br />

aussehen könnte sind weitere Elemente, um u.a. die Gegner der Veränderungen mit in den Prozess<br />

einzubeziehen.<br />

Zusammengefasst sind die Faktoren Kommunikation (Mut, Unrecht öffentlich anzusprechen und viele<br />

Mitstreiter_innen zu gewinnen), Übung, die eigenen Grundlagen der Gewaltfreiheit durchzuhalten (gegen<br />

Verleumdung, Kriminalisierung, Einsatz von Gewaltmitteln) und theoretische Grundlagen (Verständnis und<br />

Wissen über u.a. andere Gesellschaftsmodelle) bedeutend.<br />

Kurzlebenslauf<br />

Dieter Lünse<br />

Dieter Lünse ist Diplom Sozialönom seit 1993. Seither als Friedens-­‐ und Konfliktpädagoge in der<br />

außerschulischen Bildung tätig. Gründer des gemeinnützigen Träger „Institut <strong>für</strong> konstruktive<br />

Konfliktaustragung und Mediation e.V.“ in Hamburg 1998. Seither Leiter des Instituts mit den<br />

Schwerpunkten Zivilcourage, Gewaltprävention, Mediator (BM), Ausbilder in Mediation (BM),<br />

Gewaltprävention im Sozialraum, Friedenspädagogik. Seit 1998 Geschäftsführer des Fachkreises<br />

Gewaltprävention Hamburg und zurzeit einer der beiden Vertreter dieses landesweiten Arbeitskreises aus<br />

Behörden und freien Trägern. Auslandsaufenthalte und Tätigkeiten in Israel, Südafrika und Österreich zu<br />

den genannten Themen. Veröffentlichungen zu Zivilcourage, Interkulturelles lernen, Gewaltprävention,<br />

Mediation. Aktuelles Buch: „Zivilcourage können Alle“, Verlag an der Ruhr 2011. Diverse Radiobeiträge:<br />

zuletzt „Wie versöhne ich mich?“ Redezeit NDR Info am 29.12.2011


Panel 5<br />

Gewalt als Norm? Kulturelle und interreligiöse Deutungsmuster<br />

gesellschaftlicher Gewaltpotenziale<br />

• Prof. Mag. Dr. Werner Wintersteiner/ Dr. Wilfried Graf:<br />

Gewalt, Widerstand, Frieden. Kulturwissenschaftliche Zugänge.<br />

• Leif Seibert:<br />

Theisten in Schützengräben. Religiöse Glaubwürdigkeit im Friedensprozess in<br />

Bosnien und Herzegowina.


Kulturwissenschaft, Gewalt und Widerstand<br />

Prolegomena zu einer kulturwissenschaftlichen Friedensforschung<br />

Werner Wintersteiner/Wilfried Graf<br />

Abstract<br />

Dieser Text versucht, den Platz kulturwissenschaftlicher Forschung innerhalb einer als multidisziplinär und<br />

integrativ gedachten Friedensforschung zu bestimmen. Dabei wird das Tagungsthema „Widerstand –<br />

Gewalt – Umbruch“ als das Prisma genommen, unter dem unsere Frage betrachtet wird. Es handelt sich<br />

aber nicht um eine kulturwissenschaftliche Studie von Gewalt(freiheit) und Widerstand, sondern,<br />

bescheidener, um die Darstellung und teilweise Bewertung möglicher Forschungsansätze <strong>für</strong> so eine Studie.<br />

In einem ersten Schritt wird Kultur als missing link <strong>für</strong> einen Auswege aus den Struktur-­‐Akteurs-­‐Dilemmata<br />

diskutiert. Dabei werden zwei „Metaframes“ miteinander verglichen, Galtungs dreipoliges Schema<br />

„Direkte, strukturelle und kulturelle Gewalt“ (Galtung) sowie Derek Layders vier Quadranten, die Kultur,<br />

Struktur, Aktion und Persönlichkeit umfassen.<br />

Ausgehend von Layders Konzept werden dann drei kulturwissenschaftliche Theorien vorgestellt und<br />

diskutiert: Vamik Volkans Konzept von kultureller Identität als Antwortmechanismus auf kollektive<br />

Traumata, Jan Assmann Theorie von den kulturell abgeschotteten Narrativen als Hindernis <strong>für</strong><br />

Konflikttransformation, sowie Judith Butlers Zugang über die Verletzlichkeit des Körpers, von dem aus sie<br />

einen zivilisatorisch-­‐epistemologischen Raster des Denkens und Fühlens entwirft.<br />

Werner Wintersteiner<br />

Univ.-­‐Prof. Dr. Werner Wintersteiner, Friedenspädagoge und Deutschdidaktiker, ist Gründer und Leiter des<br />

„Zentrums <strong>für</strong> Friedensforschung und Friedenspädagogik“ an der Alpen-­‐Adria-­‐Universität Klagenfurt<br />

Arbeitsschwerpunkte: Friedenspädagogik , Literatur, Politik und Frieden, Kulturwissenschaftliche<br />

Friedensforschung , Interkulturelles und globales Lernen, (Transkulturelle) Literaturdidaktik und literarische<br />

Bildung, literarische Mehrsprachigkeit<br />

Jüngste Buchpublikationen:<br />

• Karl Müller, Werner Wintersteiner (Hg.): „Die Erde will keinen Rauchpilz tragen“. Krieg und Frieden<br />

in der Literatur. Innsbruck: StudienVerlag 2011.<br />

• Viktorija Ratković/Werner Wintersteiner (eds.): Culture of Peace. A Concept and a Campaign<br />

Revisited. Klagenfurt/Celovec: Drava 2010.<br />

Wilfried Graf<br />

Dr. phil. (Soziologie und Pädagogik), Research Fellow am Zentrum <strong>für</strong> Friedensforschung und<br />

Friedenspädagogik der Univ. Klagenfurt.<br />

Arbeitsschwerpunkte: Zivile Konfliktbearbeitung und Friedensförderung in Krisenregionen und<br />

Nachkriegsgesellschaften – Gewaltprävention, Friedensmediation, Transitional Justice / Reconciliation.<br />

Konfliktinterventionen u.a. in Sri Lanka, Israel/Palästina, Kärnten.<br />

Jüngste Buchpublikation:<br />

• Petritsch, Wolfgang / Graf, Wilfried / Kramer, Gudrun (Hg.) (<strong>2012</strong>): Kärnten liegt am Meer.<br />

Konfliktgeschichten über Trauma, Macht und Identität. Drava -­‐ Heyn, Klagenfurt.


Theisten in Schützengräben. Religiöse Glaubwürdigkeit im Friedensprozess in Bosnien und<br />

Herzegowina<br />

Von Leif H. Seibert<br />

Abstract<br />

In der Friedens-­‐ und Konfliktforschung findet das Thema Religion zunehmend größere Beachtung. Die<br />

überwältigende Mehrzahl der Forschungsansätze betrachtet dabei das Verhältnis zwischen Religion und<br />

Krieg bzw. Religion und Frieden in einer Weise, die nach Religion als Bedingung oder Ursache von<br />

eskalativen oder deeskalativen gesellschaftlichen Dynamiken fragt. In meiner Präsentation möchte ich diese<br />

Fragerichtung umkehren und auf der Grundlage von empirischen Daten aus dem Forschungsprojekt „Das<br />

Ethos religiöser Friedenstifter“ am Beispiel der Postkonfliktsituation in Bosnien-­‐Herzegowina zeigen, wie<br />

Krieg auf Religion wirkt. Als roter Faden zur Betrachtung der ‚Theisten in Schützengräben‘ dienen uns der<br />

Begriff der religiösen Glaubwürdigkeit und das an Bourdieu angelehnte Modell des religiösen Felds, die es<br />

uns erlauben zu beschreiben, wie religiöse Funktionäre und Organisationen im Wettkampf um religiöse<br />

Deutungshoheit agieren. Dabei wird deutlich, wie stark die religiöse Praxis in Bosnien und Herzegowina von<br />

den Kriegserfahrungen geprägt ist, weil wir sehen, dass Glaubwürdigkeit – und mithin religiöse Macht – vor<br />

allem über ein spekulatives Missbrauchsargument generiert wird, über das versucht wird, die Vorstellung<br />

eines gütigen Gottes mit den erlebten Kriegsgräuel zu versöhnen.<br />

CV<br />

Leif H. Seibert, Jahrgang 1977. Magisterstudium (Philosophie und Religionswissenschaft), Universität<br />

Hannover. Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Theologie, Universität Bielefeld. Doktorand<br />

(Soziologie) an der Bielefeld Graduate School in History and Sociology, Universität Bielefeld.<br />

Wissenschaftliche Interessen: Religion und Konflikt, Religion und Frieden; Theorien und Methoden der<br />

Religionssoziologie; Deutscher Idealismus.


Panel 6<br />

„Gendered Resistance“: Geschlechterperspektiven auf widerständige<br />

Bewegungen<br />

• Dr. Christiane Leidinger:<br />

Feministischer Widerstand par excellence. Protestformen der<br />

Frauenwiderstandscamps im Hunsrück und Prinzipien einer Konzeption von<br />

Grenzüberschreitungen.<br />

• Maike Majewski:<br />

Wege in den Widerstand -­‐ Motivationen und Lebenswege von Aktivistinnen in<br />

Nordirland 1968-­‐98.<br />

• Dr. Sabine Korstian:<br />

Widerstand und Verletzungsoffenheit -­‐ Palästinenserinnen in den besetzten<br />

Gebieten.


"Wege in den Widerstand –<br />

Motivationen und Lebenswege von Aktivistinnen in Nordirland 1968 -­‐98"<br />

Maike Majewski, Historikerin, Universität Hamburg, mail@maikemajewski.de<br />

Abstract<br />

Bisherige Theorien und historische Darstellungen zum Konflikt in Nordirland basieren auf der<br />

Grundannahme, dass es dort zwei verfeindete ‚Communities’ gegeben habe, die entlang religiös-­‐ethnischer<br />

Grenzen voneinander getrennt gewesen seien. Doch in der Recherche vor Ort zeigte sich, dass die<br />

Lebenswelten und Konflikterfahrungen zwischen Unter-­‐ und Mittelschicht, Stadt und Land<br />

unterschiedlicher kaum hätten sein können. Geringe geographische und gesellschaftliche Mobilität<br />

machten Nordirland zu einem Flickenteppich von sozialen Gruppen, die auch innerhalb ihrer ‚Ethnie’ im<br />

Alltag kaum Kontakt zueinander, wenig Wissen übereinander und dementsprechend viele Vorurteile<br />

hatten. Die Realität der Mehrheit der Bevölkerung und insbesondere der Frauen hatte also wenig gemein<br />

mit der, die durch die meist männlichen Konfliktakteure auf politischer und paramilitärischer Ebene<br />

präsentiert wurde. Ebenso wird die Reduktion des Blickwinkels auf den Konflikt der Bandbreite der<br />

Entwicklungen in der Region nicht gerecht. Während der Konflikt <strong>für</strong> manche ein ‚Krieg’ vor der eigenen<br />

Haustür war, fand er <strong>für</strong> andere nur vermittelt durch die Medien statt. Und Struktur-­‐ und Wertewandel,<br />

Veränderungen der Geschlechterrollen und der Arbeitswelt fanden hier ebenso statt wie im übrigen<br />

Europa. In einem solchen Kontext muss auch ‚Widerstand’ komplexer gedacht werden als es in der Literatur<br />

mit dem gängigen Fokus auf politische Ereignisse und Machtverhältnisse meist der Fall ist. Anhand der<br />

Lebenswege Nordirischer Aktivistinnen wird im Beitrag dargestellt, wie sich der Widerstand von Frauen im<br />

Rahmen gesellschaftlicher Mentalitäten und Rollenerwartungen in einer dynamischen Interaktion mit dem<br />

sozialen Umfeld und dem Verlauf des Konfliktes entwickelt hat. Der Schwerpunkt liegt dabei speziell auf der<br />

Frage nach den Gründen und Anlässen <strong>für</strong> diese Frauen, sich in den vielfältigen Widerstandsbewegungen<br />

dieser Zeit zu engagieren; beginnend mit den Aktivitäten in den Housing Associations und der NICRA (Civil<br />

Rights Movement), in den Bürgerwehren/ Paramilitärischen Gruppen und der Gegenbewegung ‚Peace<br />

People’, über die unterschiedlichsten Grassroots-­‐Gruppen, bis hin zur Rolle der Women’s Coalition (NIWC)<br />

in den Peace Talks. Es geht also nicht nur um die Beteiligung von Frauen an der 'Widerstandsbewegung' der<br />

Republikaner, sondern breiter angelegt um gender-­‐spezifische Formen des Widerstandes gegen die<br />

Dominanz von Gewalt (strukturelle, mentale, physische und psychische) in der Nordirischen Gesellschaft.<br />

Maike Majewski<br />

Historikerin/ Pädagogin, Universität Hamburg<br />

Transition Initiative Berlin<br />

Maike Majewski ist Doktorandin am Institut <strong>für</strong> Europäische Geschichte der Universität Hamburg. Während<br />

der Recherche hat sie drei Jahre in Belfast gelebt. Zuvor hat sie an der Universität Hamburg und der Albert-­‐<br />

Ludwigs-­‐Universität Freiburg studiert. Ihr Hauptinteresse gilt der Interdependenz von Bedingungen,<br />

mentalen Konstrukten, Diskursen und Aktion. Dabei erforscht sie auch das Verhältnis von historischen<br />

Narrativen, Traditionen und Identitätsbildung, sowie die Bedeutung des Nicht-­‐Handelns und der nicht-­‐<br />

involvierten Bevölkerung <strong>für</strong> Konfliktverläufe. Im Bemühen ihren Erkenntnissen praktische Umsetzungen<br />

folgen zu lassen, arbeitet sie derzeit in Berlin in einem Projekt zur Implementierung von Konzepten der<br />

Nachhaltigkeit in den Schulunterricht und am Aufbau einer Transition Initiative.<br />

Kontakt: mail@maikemajewski.de, www.maikemajewski.de


Widerstand und Verletzungsoffenheit – Palästinenserinnen in den besetzten Gebieten<br />

von Sabine Korstian<br />

Abstract<br />

Dieses Paper stellt die Dimensionen weiblicher Verletzungsoffenheit in der palästinensischen Gesellschaft<br />

dar und arbeitet deren Auswirkungen auf Frauen als politische Akteurinnen heraus. Es zeigt auf, wie die<br />

diversen Dimensionen der Verletzungsoffenheit sowie die Grade, in denen Akteurinnen von ihnen<br />

betroffen sind, entscheidend den individuellen Handlungsspielraum beeinflussen und damit politische<br />

Gestaltungsmöglichkeiten von Frauen. Dies geschieht nicht zuletzt, weil die Dimensionen der<br />

Verletzungsoffenheit das Ausmaß von Doppelstandards und Ambivalenzen mitbestimmen, mit denen sich<br />

Akteurinnen auseinandersetzen müssen. Schließlich sollen einige der dabei von ihnen entwickelten<br />

Strategien vorgestellt werden.<br />

Kurzlebenslauf<br />

Dr. phil. Sabine Korstian, M.A. hat an der Universität Siegen ihr Magistrastudium in den Fächern Soziologie,<br />

Politikwissenschaft und Philosophie 1997 abgeschlossen und 2009 an der Philipps-­‐Universität Marburg in<br />

Soziologie mit einer Arbeit promoviert, die unter dem Titel „Akteurinnen asymmetrischer Konflikte. Eine<br />

Studie zur nordirischen und palästinensischen Widerstandsgesellschaft“ 2010 im Centaurus Verlag<br />

erschienen ist. Zurzeit ist sie Lecturer am Institut <strong>für</strong> vergleichende Bildungsforschung und<br />

Sozialwissenschaften der Universität zu Köln, Lehrbeauftragte der Hochschule Bremen sowie in der<br />

Erwachsenenbildung tätig.<br />

Kontakt: sabine.korstian@uni-­‐koeln.de


Panel 8<br />

Gewalt und Widerstand: Zivilgesellschaftliche Akteure<br />

• Katja Muñoz:<br />

Rebellion and Politics – An empirical analysis of variance in agency of non-­‐<br />

state actors.<br />

• Dr. Andréa Vermeer:<br />

Vertrauen und soziale Netzwerke in kollektiv organisierten Gesellschaft am<br />

Beispiel Irak.


Between Rebellion and Politics – An empirical analysis of variance in agency of non-­‐state actors<br />

Katja Muñoz, MPS<br />

Abstract<br />

The increase in intra-­‐state wars after World War II has been identified as one of the main reasons why non-­‐<br />

state actors have come out of the periphery and became the center of attention in the media and public<br />

perception. This development also led to the realization by scholar-­‐practitioners that their incorporation in<br />

conflict resolution efforts is by now crucial. Consequently, scholars, researchers, practitioners, have reacted<br />

by producing a growing body of literature in the study of violence and conflict resolution concerning non-­‐<br />

state actors. Many different questions relating to these areas have already been explored; yet, some<br />

‘spaces’ have yet to be tackled. This paper seeks to counteract the lack of knowledge for one of these ‘gaps’<br />

by asking questions focusing on variance in agency, meaning why or how non-­‐state actor decide on the<br />

nature of the performance (violent or nonviolent) when advancing a claim during contentious politics. The<br />

goal here is to shed light on the corresponding causality of either employing violent or nonviolent means or<br />

a mix of both – variance in agency -­‐ within contentious politics. In other words, why do non-­‐state actors<br />

choose a certain performance during contentious politics to advance their claims? This question is<br />

especially important against the recent development referred to as Arab Spring, or why some other non-­‐<br />

state actors prefer the use of violence to advance their claims at the same time in different contexts.<br />

Against this background, this study analyzes claim-­‐advancing performances by non-­‐state actors within the<br />

given context of contentious politics in the Philippines. The definition of contentious politics is linked to the<br />

conceptual approach proposed by the Dynamics of Contention Program championed by Doug McAdam,<br />

Sidney Tarrow and Charles Tilly, and is defined as involving interactions in which actors make claims bearing<br />

on someone else’s interests, leading to coordinated efforts on behalf of shared interests or programs, in<br />

which governments are involved as targets, initiators of claims, or third parties (McAdam et al. 2001). In<br />

sum, one of two goals here is to identify context-­‐dependent factors influencing the choice of the claim-­‐<br />

advancing performance (violent or nonviolent) to employ during contentious politics. The other goal is to<br />

reveal certain constellations, at which an intervention might potentially influence this decision-­‐making<br />

process constructively.<br />

Citations:<br />

• McAdam, Doug; Tarrow, Sidney G.; Tilly, Charles (2001): Dynamics of contention. Cambridge ;, New<br />

York: Cambridge University Press. Available online at<br />

http://catdir.loc.gov/catdir/description/cam021/2001016172.html.<br />

• Pearlman, Wendy (2010): A composite-­‐actor approach to conflict behavior. In Erica Chenoweth,<br />

Adria Lawrence (Eds.):<br />

Katja Muñoz<br />

Erste einschlägige Kenntnisse der Internationalen Politik und der Konfliktforschung, eignete ich mir durch<br />

mein Studium der Internationalen Beziehung an der American University of Rome in Italien an. Durch ein<br />

Aufbaustudium am Institut <strong>für</strong> Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) an der Universität Hamburg<br />

und am Berghof Forschungszentrum in Berlin vertiefte ich diese in Bezug auf friedenspolitische<br />

Zusammenhänge. Darüber hinaus habe ich im Rahmen meiner bisherigen professionellen Laufbahn<br />

umfangreiche Erfahrungen in unterschiedlichen Firmenkulturen gesammelt (u.a. UNDP in New York, USA<br />

und CONCOPE in Quito, Ecuador). Derzeit promoviere ich extern am IFSH und arbeite am Projekt "From<br />

Violence to Nonviolence" am Berghof Forschungszentrum mit. In meiner Dissertation beschäftige ich mich<br />

sowohl mit strategischer Politikgestaltung auf verschiedenen Handlungs-­‐ und Akteursebenen als auch um<br />

Entscheidungsfindungsmechanismen die einen Einfluss auf nichtstaatlichen Gewaltakteuren haben.


Vertrauen und soziale Netzwerke in kollektiv organisierten Gesellschaft am Beispiel Irak<br />

von Dr. Andréa Vermeer<br />

Abstract<br />

Gesellschaftlicher Wandel im Irak findet derzeit scheinbar ohne zivile Gewaltausbrüche statt. Die Aufstände<br />

und gewaltvollen Umbrüche der Nachbarländer, wie in Syrien oder teilweise kurzatmig in Jordanien,<br />

erreichten den Irak nur zeitweise, und wenn sie organisiert wurden dann nur lokal in Städten und nicht<br />

flächenübergreifend.<br />

Im Rahmen eines Forschungsantrags <strong>für</strong> eine mögliche Habilitation beschäftigt sich dieser Einzelbeitrag mit<br />

dem wichtigen Teilaspekt der zugrunde liegenden normativen sozialen Konflikte, die Einzelakteure<br />

motivieren bzw. veranlassen sich <strong>für</strong> einen gesellschaftlichen Wandel einzusetzen und sich mit normativen<br />

Konflikten auf der Ebene von Wertewandel und Normsetzung auseinanderzusetzen. Dies geschieht auf<br />

Grundlage eines interdisziplinären Ansatzes. Ziel dieser Forschung ist es zum einen mehr Hintergrund zu<br />

bekommen über die Auswirkungen von Sozialkapital auf einen Demokratisierungsprozess, zum anderen die<br />

Frage der Empathie und somit des sogenannten kognitiven Wendepunkts, beides zentrale Kategorien<br />

innerhalb einer Konfliktregulation, die erst die Möglichkeit <strong>für</strong> einen Perspektivenwechsel zulassen.<br />

Empirische Studien haben nachgewiesen, dass mass liberty aspirations einen konkreten Anteil haben zu<br />

„enhance people’s motivation to support, demand and campaign for freedom.“ (Wetzel&Ingelhard 2005).<br />

Eine der möglichen Korrelationen in diesen Untersuchungen war die Rolle von interpersonalen Vertrauen,<br />

Toleranz gegenüber Outsidergruppen, aktive Mitgliedschaft in sozialen Organisationen, Vertrauen in Politik<br />

und öffentliche Bekennung zu demokratischen Werten.<br />

Putnam definiert dieses Sozialkapital von Menschen auch kurz mit Vertrauen, Normen und Bindungen<br />

(trust-­‐norms-­‐ties, tnt).<br />

Der Einzelbeitrag wird ein theoretisches Konzept vorstellen basierend auf den folgenden Thesen:<br />

1. These<br />

Vertrauen, rein deskriptiv, bildet die Grundlage um Normen zu vermitteln und Bindungen<br />

einzugehen. Wenn Vertrauen aber nicht existiert und Normen und Bindungen lediglich über<br />

Zwänge sowohl familiäre wie politische, durchgesetzt werden, dann finden keine Kooperationen<br />

statt und Entwicklung wird blockiert.<br />

2. These<br />

Menschen in kollektiven traditionell orientierten Gesellschaften verfügen über ein starkes soziales<br />

Netzwerk, somit über eine starke Gruppenzugehörigkeit, welche, dominant ausschlaggebend ist <strong>für</strong><br />

die Beziehungen zu anderen Gruppenmitgliedern und Institutionen. Dies basiert auf einer stark<br />

ausgeprägten Normbindung, die die jeweilige Gruppe definiert und die das Vertrauen bestimmt.<br />

Individuen, die ihre Meinung über bestehende Normbindungen ändern, stehen so im ständigen<br />

Konflikt, sich von ihrer in-­‐group rechtfertigen zu müssen bzw. als ‚Nestbeschmutzer‘ dazu stehen<br />

und ihrer persönlichen Überzeugung zum Beispiel <strong>für</strong> einen gesellschaftlichen Wandel.<br />

3. These<br />

Bindungen und Beziehungen bilden eine emotionale und persönliche Vernetzung die <strong>für</strong> Individuen<br />

in einer kollektiven Konfliktgesellschaft wie dem Irak überlebenswichtig sein können. Dies erhöht<br />

den Druck auf Individuen eine Pluralität ihrer persönlichen Beziehungen zu zu lassen.<br />

Basierend auf diesen Thesen soll weiterhin geschaut werden inwieweit Personen (irakische Oppositionelle,<br />

Friedensaktivisten, Unternehmer) mit diesen Konflikten umgehen und welche Rolle hierbei Geschlecht und<br />

Religion spielen. Die folgende Situationsbeschreibung verdeutlicht das Dilemma von Individuen sich auf<br />

einen Normwandel einzulassen:


Phase 1:<br />

The bred is on the floor. (1)<br />

The floor is dirty. (2)<br />

That’s why the bread is dirty. (3)<br />

I should not eat anything dirty. (4)<br />

That’s why I should not eat this bread. (5)<br />

Phase 2:<br />

But I am hungry. (6a)<br />

I need to eat something. (7a)<br />

So even though the bread is dirty, (8a)<br />

I’ll eat it anyway. (9a)<br />

Diesen Konflikt können Individuen theoretisch mit folgenden Mitteln auflösen: Fokussierung auf ein<br />

stärkeres, konkurrierendes Ziel, durch eine persönliche Präferenz, Fokussierung auf eine harmonische<br />

Koexistenz der Bedeutungen, Fokussierung auf semantische Qualitäten (»semantic qualifiers«; »Das Brot ist<br />

nicht so schmutzig...«), durch direkte Handlung (Reinigen des Brotes), durch symbolische Handlungen (z. B.<br />

Küssen des Brotes), durch symbolische Helfer (dekontextualisierende, triviale Phasen), durch<br />

Herausforderung des ›macro organizers‹ durch einen anderen ›macro organizer‹ und schließlich durch die<br />

Einführung von immunisierenden symbolischen ›organizers‹, oberhalb der ›macro organizers‹ anzusiedeln<br />

sind und somit deren Geltung außer Kraft setzen, weil sie die höchste semiotische Konstruktionsleistung<br />

darstellen. (Ingrid E. Josephs, & Jaan Valsiner 1999).<br />

Diese ‚circumvention strategies‘ spielen eine zentrale Rolle <strong>für</strong> die Bewältigung von normativen Konflikten<br />

und beschreiben die unterschiedlichen kognitiven Ebenen bei der Entscheidungsfindung.<br />

Das vorzustellende theoretische Konzept soll einen ersten Beitrag liefern zu Möglichkeiten der gewaltlosen<br />

oder gewaltvollen Normadaption in einer Nachkriegsgesellschaft (!) und ihren Einfluss auf Vertrauen und<br />

soziale Bindungen von Individuen. Besonders berücksichtigt werden Religion und Geschlechterrollen, da sie<br />

gerade im Irak eine erhebliche omnipräsente Bedeutung haben <strong>für</strong> die Einstellung und das Verhalten von<br />

Individuen.<br />

Dr. Andréa Vermeer<br />

Forschung<br />

Wertkonflikte Veränderungen in normativen Ordnungen sowohl <strong>für</strong> Individuen als auch <strong>für</strong> Gesellschaften<br />

Demokratisierungsprozesse in Konfliktregionen wie Irak, Indonesien, Kamerun und Armenien<br />

Herausarbeitung interkultureller Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Konfliktregulationsprozessen,<br />

soziale und politische Konfliktregulation.<br />

Biografische Notiz<br />

Andrea Vermeer ist Projektmanagerin des BMBF Forschungsprojektes PRIVATE Gen. Von 2006-­‐ 2009<br />

promovierte sie am Zentrum <strong>für</strong> Konfliktforschung der Philipps-­‐Universität Marburg mit einer empirisch<br />

qualitativen Forschungsarbeit mit dem Titel: "Peacebuilding in Iraq. Risks and Opportunities of Changing<br />

Normative Orders". Seit 2006 ist Andrea Vermeer Interkulturelle/Friedenspolitische Mediatorin und seit<br />

dem WS 2007/2008 zudem gemeinsam mit Prof. Dr. Wolfgang Nethöfel Mediationsausbilderin nach den<br />

Richtlinien des Bundesverbandes Mediation e.V.<br />

Veröffentlichungen<br />

Mediation als kreative Methode der Konfliktregulation. Von Wahrnehmung zur Emphatie -­‐ auf der Suche<br />

nach dem kognitiven Wendepunkt, in: Dabrock, Peter/ Keil, Siegfried (Hg.), Kreativität verantworten.<br />

Theologisch-­‐sozialethische Zugänge und Handlungsfelder im Umgang mit dem Neuen, Neukirchener,<br />

Neukirchen-­‐Vlyn 2011, 147-­‐157. gemeinsam mit K. Snell, J. Starkbaum, G. Lauß, I. Helen, From Protection of<br />

Privacy to Control of Data Streams: A Focus Group Study on Biobanks in<br />

the Information Society, in: Public Health Genomics


Panel 9<br />

Widerstand und Umbruch in Ägypten<br />

• Prof. Dr. Patricia Bauer/ Dr. Bertold Schweitzer/ Prof. Dr. Michael Berndt:<br />

The Egyptian Revolution of 2011: Mechanisms of Violence and Non-­‐Violence.<br />

• Sina Birkholz:<br />

The lost generation rises up – analyzing the Egyptian revolution from a<br />

“youth”-­‐perspective.<br />

• Nadine Kreitmeyr/ Christoph Sanders:<br />

“The people want to overthrow the Regime!” – Die Radikalisierung von Staat-­‐<br />

und Gesellschaftsbeziehungen in Ägypten am Beispiel der 6. April<br />

Jugendbewegung.


The Egyptian Revolution of 2011:´Mechanisms of Violence and Non-­‐Violence<br />

Patricia Bauer, Michael Berndt. Bertold Schweitzer<br />

Abstract<br />

Our contribution aims at providing a general account of which factors and mechanisms are of key<br />

importance in promoting or containing, respectively, violence in revolutionary situations. In order to<br />

establish and expand this knowledge, it has been recommended to proceed “by adding items to or<br />

improving upon items already present in the toolbox of possible causal mechanisms.” (Hedström & Ylikoski,<br />

2010) As a point of departure for developing such a general account, we will focus not only on existing<br />

historical comparative analyses but also on practical recommendations that have been given in order to<br />

minimize violence in revolutions (see, e.g., Sharp, 1993/2011).<br />

In this context we would like to analyze and discuss (a) the relevance of the “civilizational hexagon” and its<br />

components (see, e.g., Senghaas, 1995, 2008) for conflict resolution in authoritarian regimes, (b) in how far<br />

implementations of approaches of civil conflict management and social defense may be identified (see, e.g.,<br />

Albrecht, 2003; Ebert, 1997; Johansen, 2004; Müller & Schweitzer, 2000; Quack, 2010; Steinweg, 2008;<br />

Truger, 2001), (c) the extent to which Sharp’s theories might have effects on the debate on peace<br />

education (see, e.g., Wintersteiner, 2008, 2011), and (d) whether there are parallels to other forms of<br />

“successful peaceful conflict resolution” (Matthies, 1997).<br />

Hence, we propose to analyze and reconstruct the key mechanisms and causal factors having influenced<br />

the preparation, development, unfolding, and outcome of the Egyptian revolution culminating in the mass<br />

uprisings having started on 25 Jan 2011. We will identify both mechanisms of a certain generality (e.g., the<br />

dynamics connecting social topology, mosque attendance and protest marches on Fridays) and those that<br />

are unique for the Egyptian situation (e.g., theEgyptian population’s exceeding trust in the military).<br />

The Egyptian Revolution came about within the general context of Arab authoritarian rule. Egypt’s political<br />

system and social structures, like many in the Arab world, have widely been described as authoritarian or<br />

neo-­‐patrimonial (Weber, 1921/1972; on the challenge of Arab authoritarianism for democratization policy<br />

see Brumberg, 2002; Jung, 2006; Asseburg & Koepf, 2007; Mattes, 2008; Bicchi, 2009; Youngs, 2006; Zaki,<br />

2008) Central structural features of these systems are: informal influence, bargaining and strong leaders<br />

(Pawelka, 1985). Together with the societal organization along family and patriarchal social structures, this<br />

forms systems of high concentration of political power. In concrete terms, the Egyptian president Hosni<br />

Mubarak as the strong leader figure (Lesch, 1989) was surrounded by a number of competing elite groups,<br />

like military, police and businessmen, who received different forms of privileges directly and informally by<br />

the ruler (such as monopolies, loans, land deals or direct funding). At the same time, the distance between<br />

citizens and elite was assured and kept up by strict control, and complex and hierarchical bureaucracies<br />

(Kreitmeyr & Schlumberger, 2010, pp. 17 sqq.).<br />

The logic of persistence of these systems was the suppression of alternative political movements or<br />

oppositions. is included a lack of democracy with conditions diverging intolerably from the European ideas<br />

of participative democracy, rule of law and protection of human rights (see Council of the European Union,<br />

2008; Cairo Institute for Human Rights Studies, 2009; U. S. Department of State, 2009; Amnesty<br />

International, EU Office, 2006).<br />

The special case of the Egyptian revolution features a combination of growing power as well as<br />

accumulation of wealth in the hands of an ever smaller politico-­‐economic elite with no distributional effect<br />

on the poor, an increasing alienation between the instruments of domestic security and the supply of<br />

security for the population by erratic practices of police violence and torture. Mubarak's miscalculations<br />

concerning the strengths of the ties of loyalty to the population – considerably weakened by the vote-­‐<br />

rigging during the 2010 elections – and to the military in effect led to his rapid loss of power (for a more<br />

comprehensive discussion of causes for the revolution see Lesch, 2011).<br />

This phenomenological description of the Egyptian revolution lacks a substantial grounding on what social<br />

mechanisms exactly were at work. e concept of mechanism, in particular, causal mechanism, is<br />

increasingly perceived as a useful and appropriate instrument for analyzing, explaining, predicting, and<br />

influencing the processes occuring in social systems (see Bunge, 1997; Mayntz, 2004). Instead of pursuing<br />

either purely statistical, e.g., correlational data on one hand (see Mahoney, 2001) or searching for universal<br />

laws roughly analogous to the laws of physics on the other (see Little, 1993), the mechanismic approach<br />

proposes to offer a toolbox of transferrable building blocks in various different social systems which are<br />

generalizable. The mechanismic approach aims at avoiding the limitations of both methodological<br />

individualism and the associated rational choice premiss and holism (with respect to social systems) in<br />

order to focus on the working of mechanisms on the meso-­‐ or macro-­‐level, or situational context which in


an interplay with individual actions shapes the outcome of a social process. In particular, mechanisms<br />

provide the framework to credibly explain events based on the causal relations between an ensemble of<br />

individual actions plus their environment, or context (see Gangl, 2010; Hedström & Ylikoski, 2010; Falleti &<br />

Lynch, 2009).<br />

Most importantly, however, we will attempt an explanation as to which factors and mechanisms were<br />

decisive for the comparatively non-­‐violent course of events in Egypt: Compared with many other uprisings<br />

in the Arab Spring, the Egyptian revolution, whatever its ultimate result will turn out to be, so far has been<br />

remarkably non-­‐violent. Therefore, we intend to focus in particular on trying to identify the key<br />

mechanisms at work at the turning points of this development, the points where different outcomes –<br />

more and less violent ones – were possible, or imaginable. Of course, mechanisms may be regular,<br />

repeatable, and law-­‐like, but also “ephemeral and capricious” (Glennan, 2010; for one specific case study of<br />

revolution see Beissinger, 2011). What we intend to show is that even in a single historical event such as a<br />

revolution, a sufficently interesting number of portable mechanisms may not only be identified but also<br />

contribute significantly to a credible explanation, or reconstruction.<br />

Prof. Dr. Patricia Bauer<br />

European Peace University – Private University<br />

Rochusplatz 1, 7461 Stadtschlaining, Austria<br />

P +43 3355 43987<br />

W http://www.epu.ac.at<br />

E bauer@epu.ac.at<br />

University Education:<br />

1998 Doctorate (Dr. phil.) in Political Science, University of the Federal Armed Forces, Hamburg<br />

1992 Diploma (equiv. MA) in Economics, Hamburg University<br />

1991 Diploma (equiv. MA) in Political Science, Hamburg University / Germany<br />

Teaching, Research, Academic Positions<br />

<strong>2012</strong>-­‐ Professor of Political Science, European Peace University, Stadtschlaining / Austria<br />

2007-­‐<strong>2012</strong> DAAD Guest Professor of Political Science, Faculty of Economics and Political Science, Cairo<br />

University / Egypt<br />

2006-­‐2007 Full-­‐time Project Director of Osnabrück Model United Nations (OsnMUN), Faculty of Social<br />

Sciences, University of Osnabrück / Germany<br />

2005-­‐2006 Interim Professor of International Relations and European Studies, Faculty of Social Sciences,<br />

University of Osnabrück / Germany<br />

1999-­‐2005 Assistant Professor of Political Science, Faculty of Social Sciences, University of Osnabrück /<br />

Germany<br />

1995-­‐1997 NATO Individual Research Fellowship: “Utilities in German defence politics: The rational core of<br />

the German defence debate between 1990 and 1994”<br />

Reserach Interests:<br />

European Integration<br />

European Foreign and Security Policy, External Relations of the European Union<br />

Mediterranean Policy of the European Union<br />

European Regional Policy, European Educational Policy<br />

International and Regional Security<br />

PD Dr. Michael Berndt<br />

PD Dr. Michael Berndt, geb. 1962, Studienrat <strong>für</strong> Politik und Wirtschaft und Musik und Privatdozent <strong>für</strong><br />

Politikwissenschaft. Studium der Fächer Gesellschaftslehre und Musik <strong>für</strong> das Lehramt Sekundarstufe II. 1996<br />

Promotion zum Dr. rer. pol. Im Fach Politikwissenschaft an der Universität Gesamthochschule Kassel. 2007<br />

Habilitation mit der venia legendi <strong>für</strong> Politikwissenschaft am Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität<br />

Osnabrück. Publikationen zu Fragen von Konflikt, Frieden und Sicherheit in den internationalen Beziehungen, mit<br />

Schwerpunkt auf Europa und angrenzende Regionen, zur bundesdeutschen Außen-­‐, Sicherheits-­‐ und<br />

Militärpolitik und zum Bundeswehreinsatz im Innern. Mehr unter: http://www.miel-­‐berndt.de/MB"


A lost generation rising up -­‐ Analysing the Egyptian Revolution from a"youth" perspective<br />

Sina Birkholz, University of Augsburg<br />

ABSTRACT<br />

In this paper I argue that instead of asking "Was the Egyptian revolution a youth revolution?" we should<br />

deconstruct this question and ask instead "What does "youth" mean?, What "youthful"?, What does it<br />

mean in Egypt?", "What does it mean in the context of the Egyptian revolution?".This article is a very<br />

tentative account to approach these questions. I first discuss various understandings and connotations of<br />

youth that are of relevance to the Egyptian context. Two aspects are of specific interest: the image of<br />

youth in Egyptian society, as it has been considerably shaken by the 18 Days in Tahrir, and the importance<br />

of a 'successful' youth for the transition to adulthood, which has been and still is being blocked for many<br />

young Egyptians. Both aspects directly link to the economic, educational, political, ethical grievances of<br />

Egyptian youth that might have contributed to bringing about the revolution. I discuss these grievances in<br />

relation to the structural changes that have marked Egypt in the last 30 years. Also the triggers of the<br />

Egyptian revolution are related to these structural transformations, and resonate in specific ways with<br />

young people. The 18 Days in Tahrir then developed a counter-­‐reality to the "old" regime. New and<br />

youthful protest practices, values and styles gave the Egyptian revolution its special character. Yet, to a<br />

large extent, this might draw on previous protest experience, intentionally marketed by revolutionary<br />

entrepreneurs from Eastern Europe. I discuss these cross-­‐national influences as an example of a global<br />

reservoir of protest culture, tapped by young, connected revolutionaries in order to construct<br />

revolutionary identities. I further argue that, independent of these youthful attributes of the protest,<br />

"youth" suggests itself as a category for political conflict in a patriarchal system. While this patriarchal<br />

system and the respective mentalities have been dealt a blow in the revolution, the revolution has largely<br />

failed to bring about the youth's inclusion in the political process. Nonetheless, it might have ushered in a<br />

change of mind, sustainably transforming the image of youth and inter-­‐generational relationships.


„The People want to overthrow the Regime!“ -­‐ Die Radikalisierung von Staat-­‐<br />

Gesellschaftsbeziehungen in Ägypten am Beispiel der 6. April Jugendbewegung<br />

Christoph Sanders und Nadine Kreitmeyr (Universität Tübingen)<br />

Abstract<br />

Die Intensivierung und Innovation des Aktivismus der Sozialen Bewegungen in Ägypten initiierten<br />

Protestformen, die im Frühling 2011 zum Rücktritt Husni Mubaraks führten. Diese Entwicklungen werfen neue<br />

Fragen zum Verhältnis von Staat und Gesellschaft und zu den Organisationsformen Sozialer Bewegungen auf.<br />

Die Forschung setzt sich seit den 1970er Jahren kontrovers mit der Rolle gesellschaftlicher Akteure in der<br />

Interaktion mit dem Staat auseinander. Ägypten war aufgrund seiner vergleichsweise dynamischen<br />

Zivilgesellschaft sowie seiner strategischen Relevanz schon lange ein regionaler Forschungsschwerpunkt im<br />

Nahen und Mittleren Osten. Aus diesem Grund ist die Analyse der Hintergründe, Akteure, Forderungen sowie<br />

Mobilisierung mit Blick auf den Arabischen Frühling 2011 im ägyptischen Kontext erfolgsversprechend. Diese<br />

Analyse liefert fundierte Erkenntnisse, um die Rolle von gesellschaftlichen Akteuren bei gewaltsamen<br />

systemischen Umbrüchen zu verstehen.<br />

Aus diesem Grund soll in dem vorliegenden Paper beantwortet werden, wie im ägyptischen Fall die politischen<br />

und sozialen Kontexte die Interaktion zwischen autoritären staatlichen Akteuren und Sozialen Bewegungen<br />

beeinflussten. Von Relevanz ist dabei ebenfalls, wie diese Interaktion unter der Bedingung mangelnder<br />

Regimelegitimität bei gleichzeitig stark ausgeprägter Repressionsbereitschaft zur Herausbildung (radikalerer)<br />

innovativer Organisations-­‐ und Protestformen führten.<br />

Diese Fragen werden mit Hilfe von theoretischen Ansätzen aus der Sozialen Bewegungsforschung untersucht<br />

(McAdam et al. 2008; Tilly/Tarrow 2007; Tarrow 2011). Insbesondere dient das Konzept der „political<br />

opportunity structures“ (politische Gelegenheitsstrukturen) dazu, „cycles of contention“ (Auseinandersetzungs-­‐<br />

und Protestzyklen) zu analysieren.<br />

Nachdem in diese theoretischen Ansätze eingeführt wurde, werden anschließend die politischen<br />

Gelegenheitsstrukturen <strong>für</strong> Soziale Bewegungen unter Berücksichtigung der Charakteristika des personalisierten<br />

autoritären Regimes unter Husni Mubarak analysiert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Ausarbeitung von<br />

Partizipationsmöglichkeiten und –Grenzen <strong>für</strong> gesellschaftliche Akteure jenseits von Regimekräften und<br />

kooptierter Opposition seit den frühen 2000er Jahren.<br />

Diese Makro-­‐Analyse der Kontextbedingungen wird auf der Mikro-­‐Ebene durch eine Fallstudie der 6. April-­‐<br />

Jugendbewegung in Ägypten ergänzt. Sie liefert wichtige Erkenntnisse über die Verknüpfung von mangelnder<br />

Legitimität, Repression und Widerstand. Der Aktivismus der 6. April Jugendbewegung macht deutlich wie<br />

Mobilisierung zum gewaltfreien Protest unter den genannten Bedingungen zu einer gewaltsamen<br />

Auseinandersetzung mit gesamtgesellschaftlichen Implikationen werden konnte. Der Einfluss internationaler<br />

Abhängigkeitsstrukturen sowie die staatliche Kontrolle über Repressionsorgane spielt dabei eine nicht zu<br />

unterschätzende Rolle.<br />

Weiterhin beantwortet die Fallstudie die Frage nach der Legitimierung von Protest. Das Erstarken der sozialen<br />

Bewegungslandschaft, <strong>für</strong> die die Jugendbewegung des 6. Aprils als prominentes Beispiel steht, zeigt, wie der<br />

jahrzehntelange Entzug von Partizipationsmöglichkeiten und grundlegenden Menschenrechten extra-­‐legale und<br />

radikale Aktivismusformen aus Sicht der Protestierenden legitimiert.<br />

Die Relevanz des Papers begründet sich durch die innovative Anwendung der Sozialen Bewegungs-­‐Theorien auf<br />

nicht-­‐islamische Akteure in Interaktion mit einem autoritären Regime in der Arabischen Welt. Damit leistet das<br />

Paper einen wichtigen analysegeleiteten Beitrag zur Erforschung der Dynamik von Staat-­‐<br />

Gesellschaftsbeziehungen, die auch gewaltsame Formen annehmen kann, und regt zum Vergleich mit ähnlichen<br />

Fällen aus anderen Regionen an.<br />

Christoph Sanders (Eberhard-­‐Karls-­‐Universität Tübingen)<br />

Wissenschaftliche Schwerpunkte:<br />

Entwicklungspolitik, Vergleichende Regime-­‐ und Autoritarismusforschung im Vorderen Orient und Nordafrika, Soziale<br />

Bewegungsforschung, Postwachstumsökonomie, Globale Gerechtigkeit.<br />

Publikationen:<br />

Sanders, Christoph (<strong>2012</strong>): "Is the Standard of Gender Equity Failing in Fair Trade? The Capability Approach as a Monitoring Tool",<br />

in: Hawa, Bilal; Weidtmann, Nils (Hrsg.): The Capability Approach on Social Order, Münster: LIT Verlag (i.E.).<br />

Lehre:<br />

„Modelle und Praktiken alternativen Wirtschaftens zwischen Theorie und partizipativer Praxis“; Gemeinsame Leitung mit: Severin<br />

Halder; David Bregulla; Felix Wittmann; Studium Professionale, Universität Tübingen, SoSe 2011.<br />

„Gedeiht was wächst? Fluch und Segen des Wirtschaftswachstums“; Gemeinsame Leitung mit: Lange, Steffen; Wittmann, Felix;<br />

Studium Professionale, Universität Tübingen, SoSe <strong>2012</strong><br />

Auslandsaufenthalte:<br />

September 2011 bis Januar <strong>2012</strong>; American University in Cairo (AUC)<br />

September 2006 bis Januar 2007; Université de Provence, Aix en Provence<br />

September 2007 bis Juni 2008; Université de Provence; Sciences Po Aix, Aix en Provence


Panel 10<br />

Gewalt in Transformationsprozessen<br />

• Andreas Jacobs:<br />

Nairobi Burning. Shedding light on the urban dynamics and deeper meaning(s)<br />

of the Kenyan post-­‐election violence.<br />

• Dr. Jonas Wolff:<br />

Demokratische Revolution in Bolivien. Versuch der Erklärung eines friedlichen<br />

Umbruchs.<br />

• Dr. Mirjam Weiberg-­‐Salzmann:<br />

Demokratie als Enttäuschung: Sri Lanka als südasiatisches Exempel von<br />

Gewalt und Gegengewalt.


Nairobi Burning Kenya’s post-­‐election violence from the perspective of the urban poor<br />

PRIF Report No. 110, Dec 2011<br />

Andreas Jacobs, HSFK/PRIF, jacobs@hsfk.de<br />

Abstract<br />

In the aftermath of the elections held in December 2007, Kenya burst into flames. For nearly three months,<br />

the country was unsettled by a wave of ethno-­‐political violence. Among the areas most heavily hit was the<br />

capital city of Nairobi. With Kenya’s political heart, the bulk of the violence took place in the slums. Kenya’s<br />

next elections are scheduled for <strong>2012</strong>, and they are already casting their foreboding shadow. Based on this<br />

background, this report shifts our viewpoint to the perspective of Kenya's urban poor in an effort to<br />

generate empirical insights about the urban characteristics and dynamics of violence that featured in the<br />

city during the fatal period of post-­‐election violence. This is done by drawing from Donald L Horowitz’s<br />

extensive works on ethnic (riot) violence and based on data collected in the slums by ethnographic means.<br />

Finally, the report identifies and deciphers the message(s) inherent in the violence trough structured<br />

analysis and elaborates detailed policy advice. The latter includes political measures that should be the<br />

target of lobbying efforts in an effort to avoid another surge of violence prior to and following the <strong>2012</strong><br />

elections. Furthermore, detailed advice is given concerning the deployment and conduct of riot control<br />

units if violence should erupt again – including advice about which actions should be avoided by all means.<br />

Kurzlebenslauf<br />

seit 2011 Stipendiat der Hessischen Stiftung Friedens-­‐ und Konfliktforschung (HSFK/PRIF)<br />

2010 Diplom-­‐Politologe<br />

2010 Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl <strong>für</strong> Politikwissenschaft, Friedens-­‐ und<br />

Konfliktforschung (Prof. Dr. Christoph Weller, Universität Augsburg)<br />

2009 Forschungsaufenthalt in Nairobi, Kenia<br />

2008 -­‐ 2010 Studentische Hilfskraft am Institut <strong>für</strong> Geographie und am Lehrstuhl <strong>für</strong> Politikwissenschaft,<br />

Friedens-­‐ und Konfliktforschung an der Universität Augsburg<br />

2008 Studium der Internationalen Beziehungen und der Friedens-­‐ und Konfliktforschung an der<br />

Universität Coimbra, Portugal<br />

2006 B.A.(Hons)-­‐Studium der Politikwissenschaft und der Internationalen Beziehungen an der<br />

Universität Stellenbosch, Südafrika<br />

2005 Praktikum bei BORIS in Warschau, Polen BORIS (Biuro Obsługi Ruchu Inicjatyw Społecznych)<br />

widmet sich der Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen in Polen<br />

2004 -­‐ 2010 Freier Kameramann, Produktions-­‐ und Regieassistent des lokalen Fernsehsenders<br />

augsburg.tv<br />

2003 -­‐ 2010 Diplom-­‐Studium der Politikwissenschaft und Sozial-­‐ und Wirtschaftsgeographie an der<br />

Universität Augsburg<br />

1982 geboren


„Demokratie als Enttäuschung: Sri Lanka als südasiatisches Beispiel von Gewalt und<br />

Gegengewalt“<br />

von Dr. Mirjam Weiberg-­‐Salzmann<br />

Abstract<br />

Widerstand und Gewalt gegen das politische Zentrum werden häufig in Zusammenhang mit nicht-­‐<br />

demokratischen Herrschaftssystemen diskutiert. Aber auch in bestehenden Demokratien ist gewaltsamer<br />

Widerstand nicht selten. In Südasien besitzen fast alle Länder eine lange Tradition der Koexistenz von<br />

demokratischer Herrschaft und (gewaltsamen) Widerstand. Sie gehören zur Standartkommunikation<br />

zwischen Herrschern und Beherrschten und sind ein probates Mittel der Konfliktbearbeitung und<br />

Konfliktlösung. Neben ökonomischen Variablen bilden demographische Faktoren und institutionelle<br />

Defizite häufig genannte Begründungen <strong>für</strong> das Aufkommen von Widerstandsbewegungen und deren<br />

Eskalation. Exemplarisch <strong>für</strong> einen dieser demokratischen Gewaltfälle steht Sri Lanka, eine der ältesten<br />

Demokratien der Dritten Welt. Seit der Unabhängigkeit wurde die Insel mehrfach von inner-­‐ und<br />

interethnischen Gewaltkonflikten mit mehreren Hunderttausend Toten und Vertriebenen erschüttert. Die<br />

Konflikte wurden mit massiver Gewalt von Seiten des Staates und der Aufständischen ausgetragen. Ich<br />

nehme an, dass weder ökonomisch-­‐demographische Strukturen noch die formal-­‐institutionelle Ordnung<br />

direkt kausal wirken, sondern dass die Formierung von Widerstandsbewegungen und die Reaktion des<br />

Staates von der jeweiligen Kultur und der in ihr vorherrschenden sozialen Praxen und Ordnungsstrukturen<br />

abhängt. Die Analyse der Widerstandsbewegungen in Sri Lanka versteht sich als Synthese zwischen zwei<br />

Optionen; zum einen die Suche nach den Ursachen von Widerstand als Folge von gesellschaftlichen oder<br />

individuellen Konflikten oder Defiziten und zum anderen die Analyse von Konflikten und Gewalt als Teil der<br />

soziokulturellen Ordnungsmuster.<br />

Dr. Mirjam Weiberg-­‐Salzmann<br />

1995-­‐2002<br />

2002-­‐2005<br />

2005-­‐2008<br />

2008-­‐2009<br />

2009<br />

seit 2009<br />

Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Germanistik an<br />

der Georg-­‐August Universität Göttingen und der Universität Rostock<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hessischen Stiftung Friedens-­‐ und<br />

Konfliktforschung, FB 3 „Demokratisierung und innergesellschaftlicher Frieden“,<br />

Frankfurt a.M.<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl <strong>für</strong> Internationale Politik und<br />

Entwicklungszusammenarbeit, Institut <strong>für</strong> Politik-­‐ und Verwaltungswissenschaften,<br />

Universität Rostock<br />

Lehrbeauftragte am Lehrstuhl <strong>für</strong> Empirische Sozialforschung und Demographie, Institut<br />

<strong>für</strong> Soziologie und Demographie und Stipendiatin im Graduiertenkolleg „Kulturkontakt<br />

und Wissenschaftsdiskurs“ und Gastforscherin am Max Planck Institut <strong>für</strong><br />

demographische Forschung; Rostock<br />

Promotion in Politikwissenschaft (Internationale Politik) mit einer Dissertation zu<br />

Demokratisierungsprozessen, Konflikten und Gewalt in Südasien<br />

Forschungsassistentin im Exzellenzcluster „Religion und Politik in den Kulturen der<br />

Vormoderne und Moderne” an der Westfälischen Wilhelms-­‐Universität Münster<br />

seit 2003 verschiedene Feldforschungsaufenthalte in Sri Lanka und Indien<br />

Arbeits-­‐ und Interessenschwerpunkte<br />

Friedens-­‐ und Konfliktforschung<br />

Religion und Politik/Fundamentalismus<br />

Gewalt und Konflikte in multiethnischen und multireligiösen Staaten<br />

Demokratische Transformationsprozesse<br />

Biopolitik<br />

Regionale Schwerpunkte: Südasien/ USA, Großbritannien, Irland


Demokratische Revolution in Bolivien -­‐ Versuch der Erklärung eines friedlichen Umbruchs<br />

Jonas Wolff, HSFK, wolff@hsfk.de<br />

Abstract<br />

Seit der Jahrtausendwende hat Bolivien einen bemerkenswerten Prozess politischen Wandels durchlaufen.<br />

Eine Phase der Protesteskalation (2000-­‐2005) kulminierte im Dezember 2005 im Wahlsieg von Evo Morales,<br />

der einen tiefgreifenden politischen Umbruch einleitete. Dieser Umbruch war – und ist – dabei überaus<br />

konfliktträchtig, insbesondere die Auseinandersetzun-­‐gen um eine neue Verfassung führten das Land im<br />

September 2008 gar an den Rand eines Bürgerkriegs. Gleichwohl blieb das Ausmaß an Gewalteskalation<br />

gering, so dass der Verän-­‐derungsprozess letztlich sowohl in einem weitgehend friedlichen als auch<br />

grundlegend demo-­‐kratischen Rahmen verlief. Dass die von Morales ausgerufene „demokratische<br />

Revolution“ zumindest bis auf Weiteres als friedlicher Umbruch zu kategorisieren ist, ist einerseits <strong>für</strong><br />

Bolivien ungewöhnlich, bedenkt man die Geschichte gewaltsamer Umstürze in dem südame-­‐rikanischen<br />

Land. Es ist aber andererseits auch aus friedens-­‐ und konflikttheoretischer Sicht erklärungsbedürftig,<br />

bedenkt man das Ausmaß an Umverteilung gesellschaftlicher Machtver-­‐hältnisse in einem politischen<br />

Kontext, in dem in einer Situation ohnehin schwacher demokra-­‐tischer Institutionen die etablierten<br />

Spielregeln, die dem politischen System zugrunde liegen, offen in Frage gestellt werden. Der Beitrag<br />

versucht zu erklären, warum die „demokratische Revolution“ in Bolivien trotz all dieser Risikofaktoren<br />

einen weitgehend friedlichen Verlauf genommen hat. Da<strong>für</strong> kombiniert er theoretische Ansätze und<br />

empirische Erkenntnisse der Demokratie-­‐ sowie der Friedens-­‐ und Konfliktforschung.<br />

Dr. Jonas Wolff<br />

Hessische Stiftung Friedens-­‐ und Konfliktforschung (HSFK)<br />

Baseler Str. 27-­‐31<br />

60329 Frankfurt am Main<br />

Tel. 069-­‐959104-­‐49<br />

wolff@hsfk.de<br />

CV<br />

1975 geboren<br />

1996 – 2002 Studium der Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre, Soziologie sowie<br />

Wirtschaftsentwicklung und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Jo-­‐hann<br />

Wolfgang Goethe-­‐Universität, Frankfurt/Main<br />

1997 – 2002 Freier Journalist in der Lokalredaktion der Frankfurter Rundschau<br />

2002 Diplom<br />

2003 – 2006 Stipendiat der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) an der HSFK<br />

2006 – 2007 Stipendiat der HSFK<br />

2007 Promotion zum Dr. phil. an der Goethe-­‐Universität Frankfurt<br />

seit 2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der HSFK<br />

2008 – 2010 Stellvertretender Vorsitzender des Forschungsrats der HSFK<br />

seit 2011 Vorsitzender des Forschungsrats der HSFK


Panel 11<br />

Inszenierung von Widerstand, Umbruch und Gewalt<br />

• Katrin Oberdorfer:<br />

Der weiße Frauenkörper im 'Krieg gegen den Terror' -­‐ Herausforderung <strong>für</strong><br />

feministische Debatten.<br />

• Dr. Claudia Brunner:<br />

Alte Jungfrauen und Neue Kriege. Zur Funktion der 'Assassinen-­‐Legende' im<br />

gegenwärtigen Terrorismuswissen.


Der weiße Frauenkörper im ‚Krieg gegen den Terror‘: Herausforderung <strong>für</strong> feministische<br />

Debatten<br />

Katrin Oberdorfer<br />

Am Tag nach dem 11. September titelten zahlreiche westliche Medien als Geste der Solidarität mit den Opfern<br />

der Terroranschläge: „Heute sind wir alle Amerikaner“. Doch wo, fragten schwarze Feministinnen, die gegen<br />

einen drohenden Afghanistankrieg protestierten, könnten sich ‚people of colour in diesem ‚wir‘ wieder finden?<br />

Die in den Medien verwendete Form des generischen Maskulinums ‚Amerikaner‘ zeigt an, dass dieses ‚wir‘ durch<br />

stillschweigende Ausschlusspraktiken hergestellt wurde. Es liegt auf der Hand, dass dabei einige Subjekte – nicht<br />

nur im Text – verloren gehen mussten. Am 7. Oktober 2001 fielen die ersten Bomben auf Afghanistan und<br />

leiteten einen Krieg ein, der bis zum heutigen Tage andauert.<br />

Völlig geschockt, dass offenbar auch der mächtigste Staat der Welt verwundbar sei, wurde zur Legitimierung<br />

eines – wie er von nun an genannt wurde – Krieges ‚gegen den Terror‘ zentral auf die Rechte afghanischer<br />

Frauen gesetzt. Präsidentengattinnen erhoben sich zu Fürsprecherinnen ‚des‘ Feminismus und konservative<br />

Politiker wurden zu glühenden Anhängern ‚der‘ Frauenbewegung. Die im generischen Maskulinum verloren<br />

gegangenen Frauen wurden plötzlich zur zentralen Kategorie ‚neuer Kriege‘. So verlautbarte Laura Bush 2002:<br />

„The fight against terrorism is also a fight for the rights and dignity of women.“(US Government, 2002). Für<br />

kritische Feministinnen warf dies die Frage auf, welchen Preis ‚wir’ bereit sind, <strong>für</strong> ‚unseren‘ Subjektstatus zu<br />

zahlen.<br />

Die Frage, warum der verhüllte oder entblößte Frauenkörper als vermeintliches Gütekriterium einer<br />

‚rückständigen‘ oder ‚aufgeklärten‘ Kultur herangezogen wird, führt uns an die diskursiv verschränkte<br />

Herstellung von ‚race‘ und ‚gender‘ in den Debatten rund um den ‚Krieg gegen den Terror‘. Da die Diskussionen,<br />

sowohl in den Medien als auch in der Wissenschaft, zentral darum kreisen, die Unterdrückung muslimischer<br />

Frauen zu be-­‐ oder zu widerlegen, gerät aus dem Blick, welche Spuren Kriege, die nach ‚Außen‘ geführt werden,<br />

in den ‚eigenen‘ Gesellschaften hinterlassen.<br />

Mein Vortrag widmet sich daher der Frage, welche psychologischen Prozesse die diskursive Hervorbringung<br />

weißer Frauenkörper begleiten und in welchem Spannungsfeld diese zu Geschlechter-­‐, Körper-­‐ und<br />

Sexualitätspraktiken stehen. Wie sich die Erfahrungswelten weißer Frauenkörper als stillschweigende Norm –<br />

gerade auch in kritische Diskurse –einschreiben, werde ich entlang dreier zentraler Themenkomplexe näher<br />

anführen. Zuerst werde ich einen kurzen theoretischen Überblick jener Ansätze aus den ‚critical whiteness<br />

studies‘ geben, die Lektürestrategien entwickeln, um ‚whiteness‘ als stillschweigende Norm zu dekonstruieren<br />

und aus wissenssoziologischer und feministischer Perspektive wieder sichtbar zu machen. Damit greife ich die<br />

Kritik schwarzer Feministinnen auf, die davon ausgehen, dass die Universalisierung von Geschlecht als<br />

analytische Kategorie den Blick auf rassifizierte und klassifizierte Herstellungspraktiken unterschiedlicher<br />

Weiblichkeiten versperrt. Wenn im Rahmen feministischer Analysen Geschlecht als analytische Kategorie<br />

universalisiert wird, impliziert dies bereits auf methodischer und methodologischer Ebene eine strukturelle<br />

Ausblendung von Herrschaftsverhältnissen.<br />

Mit den medialen Darstellungen der beiden US-­‐Soldatinnen Lynndie England und Jessica Lynch eröffne ich im<br />

zweiten Teil eine Diskussion über die vergeschlechtlichten Herstellungspraktiken weißer Frauenkörper in<br />

militarisierten Kontexten, die ich entlang der diskursiven Hervorbringung einer zugleich mächtigen und<br />

ohnmächtigen ‚femme fatale‘ erörtere. In Teil drei lege ich die diskursive Verschränkung von ‚whiteness‘ und<br />

‚feminity‘ als Analyseraster an ausgewählte Texte namhafter US-­‐Feministinnen an und entwickle dabei zentrale<br />

Kategorien, wie sich ‚whiteness‘ als stillschweigende Norm in die jeweiligen Texte einschreibt. Anhand der<br />

Untersuchung ausschließender Praktiken weißer Feministinnen, die ihre Körpererfahrungen von Verletzbarkeit<br />

als weiße Frauen aus der Mittelschicht universalisieren, versuche ich sichtbar zu machen, wie – auch innerhalb<br />

kritischer Ansätze – die Geschichten und Erfahrungen von ‚women of colour‘ ausgeblendet werden.<br />

Schließlich werde ich als Conlusio und Ausblick meines Vortrages die Frage feministischer Perspektiven<br />

aufgreifen. Die Konstruktion eines Frauenkörpers, der in seiner universellen Verletzbarkeit konstruiert wird, ist<br />

nicht nur eine epistemologische Leerstelle, sondern auch eine politische Kurzsichtigkeit. Kriege dienten in der<br />

Geschichte immer wieder als Ablenkungsmanöver, um den Kampf marginalisierter Bevölkerungsgruppen <strong>für</strong> ihre<br />

legitimen Rechte zu verhindern und diese <strong>für</strong> ‚gerechte Kriege‘ einzuspannen. ‚Weiße Kriege‘ werden aber<br />

jenseits geschlechtlich markierter Grenzen geführt: ebenso wie nicht dem androzentrischen Ideal entsprechende<br />

Männer gegen die herrschenden Raster des Krieges intervenieren, können auch Frauen, trotz ihrer<br />

marginalisierten Position, Kriege be<strong>für</strong>worten, legitimieren und führen. Feministische Bündnisse jenseits<br />

geschlechtlicher, sexueller und rassifizierter Grenzen sehe ich in diesem Zusammenhang als wesentliche Beiträge<br />

zur Entwicklung friedenspolitische Perspektiven.


Alte Jungfrauen und Neue Kriege.<br />

Zur Funktion der ‚Assassinenlegende‘ im gegenwärtigen Terrorismuswissen.<br />

Claudia Brunner<br />

Zentrum <strong>für</strong> Friedensforschung und Friedenspädagogik, Alpen-­‐Adria Universität Klagenfurt<br />

Kontakt: claudia.brunner@uni-­‐klu.ac.at<br />

Abstract<br />

Die Terrorismusforschung ist sich weitgehend einig darüber, dass es sich bei Selbstmordattentaten um ein<br />

radikal neues Phänomen handle. Theoretisch oft gerahmt vom Konzept ‚Neuer Kriege‘, werden die<br />

Anschläge von vielen Zugängen innerhalb dieses sich als eigenständige Sub-­‐Disziplin etablierenden Feldes<br />

zugleich auf ambivalente Weise historisiert. Der oft hinkende Verweis auf die politische ‚Bewegung‘ der im<br />

11. Jh. im heutigen Iran und Syrien aktiven Assassinen spielt dabei eine wichtige Rolle. Zahlreiche Mythen<br />

ranken sich um die schillernden Figuren, die <strong>für</strong> Handelsreisende, Kreuzfahrer sowie Reisende und<br />

‚OrientforscherInnen‘ aus westlichen Ländern seit Jahrhunderten von besonderem Reiz zu sein scheinen:<br />

eine Führerfigur eines ‚Alten vom Berge‘, seine bis in den Tod getreuen ‚todesmutigen Kämpfer‘ sowie eine<br />

Vielzahl von ‚Jungfrauen‘, die im System organisierter gezielter Tötungen eine wichtige Rolle spielen –<br />

zumindest aus Sicht derer, die mit großem Interesse über die Assassinen schreiben und lesen. Zahlreichen<br />

Widersprüchen und wissenschaftlichen Gepflogenheiten zum Trotz taucht auch im gegenwärtigen<br />

Terrorismuswissen die Figur der ‚72 Jungfrauen‘ (die angeblich auf islamistische Attentäter im Jenseits<br />

warten sollen) immer wieder auf. Mein Beitrag zeigt die Widersprüche und Logiken der nachhaltigen<br />

Bezugnahme auf diese bemerkenswerte Legende aus wissenssoziologischer, feministischer und<br />

postkolonialer Perspektive auf.<br />

Mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung erscheinen derzeit zwei thematisch ähnliche Beiträge:<br />

Unsterbliche Jungfrauen und paradiesische Zustände. Zur Historisierung von Selbstmordattentaten am<br />

Beispiel der Assassinen-­‐Legende, in: Christine Hikel/Sylvia Schraut (Hg.) <strong>2012</strong>: Terrorismus und<br />

Geschlecht. Politische Gewalt in Europa im 19. Jahrhundert. Campus, Frankfurt/Main, S. 37-­‐61.<br />

http://www.palgrave.com/products/title.aspx?pid=496661<br />

Assassins, Virgins, Scholars: Epistemologies and Geopolitics in Scholarly Knowledge on Suicide Bombing, in:<br />

Linda Åhäll/Laura Shepherd (Hg.) <strong>2012</strong>: Gender, Agency and Political Violence. Palgrave MacMillan,<br />

Basingstoke, S. 132-­‐150.<br />

http://www.campus.de/wissenschaft/geschichte/Geschlechtergeschichte.40434.html/Terrorismus+und<br />

+Geschlecht.99552.html<br />

Kurzlebenslauf<br />

Claudia Brunner ist promovierte Politikwissenschaftlerin und arbeitet derzeit als Universitätsassistentin am<br />

Zentrum <strong>für</strong> Friedensforschung und Friedenspädagogik der Alpen-­‐Adria-­‐Universität Klagenfurt. Zuvor<br />

lernte, forschte und lehrte sie an der Universität Wien, an der Université de Paris 1 Panthéon-­‐Sorbonne<br />

sowie an der Humboldt-­‐Universität zu Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte konzentrieren sich auf das<br />

Verhältnis von politischer und epistemischer Gewalt, dem sie aus postkolonialer, feministischer und<br />

wissenssoziologischer Perspektive nachgeht, sowie auf Menschenrechts-­‐Bildung im universitären Kontext.

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