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Paper - Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK)

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Solidarität jenseits staatlicher Grenzen? Globale Regulierungen zur Begrenzung von<br />

Gewalt <strong>und</strong> die Rolle von Gerechtigkeitskonflikten<br />

Gregor Hofmann/Simone Wisotzki<br />

1. Einleitung<br />

Längst sind die Handlungsmöglichkeiten von Nationalstaaten angesichts globaler <strong>und</strong> grenz-<br />

überschreitender Problemlagen begrenzt. Armut, Unterentwicklung <strong>und</strong> innerstaatliche Konflikte<br />

lösen Migration <strong>und</strong> Massenflüchtlingsbewegungen aus. Schwere Menschenrechtsver-<br />

letzungen mobilisieren die transnationale Weltöffentlichkeit <strong>und</strong> veranlassen Staaten, auch<br />

ohne die Zustimmung des betroffenen Landes militärisch zu intervenieren. Souveränität im<br />

Sinne der Prinzipien der Nichtintervention, Nichteinmischung <strong>und</strong> territorialen Integrität erscheinen<br />

somit auf realpolitischen Terrain zunehmend umstritten, wenn nicht gar als Ana-<br />

chronismus. Solche Überlegungen finden sich in normativen Ansätzen der Internationalen<br />

Politischen Theorie <strong>und</strong> den Theorien Internationaler Beziehungen. Auch dort wird argumen-<br />

tiert, dass die soziale Realität längst kosmopolitisch geworden sei <strong>und</strong> der Schutz individueller<br />

Menschenrechte höher zu bewerten sei als Staatenrechte <strong>und</strong> f<strong>und</strong>amentale Normen staat-<br />

licher Souveränität (Beck 2004: 217; Pogge 1992). Aus kosmopolitischer Perspektive haben<br />

Staaten (wie Menschen) auch jenseits der eigenen Grenzen eine moralische Verpflichtung,<br />

Leid zu verhindern <strong>und</strong> aktiv gegen Ungerechtigkeit <strong>und</strong> Ungleichheit vorzugehen. Dies ruft<br />

Bedenken bei Staaten des globalen Südens hervor, die die Souveränitätsnorm als postkolonia-<br />

le Errungenschaft begreifen <strong>und</strong> daraus unvermindert Ansprüche der Selbstbestimmung <strong>und</strong><br />

souveränen Gleichheit ableiten. Aus einer solchen postkolonialen Perspektive dienen Men-<br />

schenrechte <strong>und</strong> deren Durchsetzung westlichen Staaten als Legitimation eigener strategischer<br />

Interessen <strong>und</strong> zugleich als Abwehr gegenüber südlichen Forderungen nach globaler Umver-<br />

teilung <strong>und</strong> Realisierung sozialer Gerechtigkeitsstandards. Hier treten also offensichtlich unterschiedliche<br />

Moral- <strong>und</strong> Gerechtigkeitsauffassungen zu Tage, die – so lautet die These des<br />

Papieres – die Entstehungsprozesse globaler Regulierungen <strong>und</strong> normativer Ordnungen entscheidend<br />

prägen.<br />

Mit unserem Projektvorhaben wollen wir ein zentrales Desiderat der Global Governance-<br />

Forschung aufnehmen <strong>und</strong> über die „deskriptive Erfassung neuer Governanceformen <strong>und</strong> der<br />

Überprüfung ihrer Effektivität“ hinaus gehen (Zürn 2008: 577). Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses<br />

steht deshalb die Frage nach dem Stellenwert von Gerechtigkeit als mögli-<br />

1


che Erfolgsbedingung <strong>für</strong> Global Governance. Hierzu wollen wir verschiedene Regulierungen<br />

sowohl in ihrer Entstehung als auch in ihrer Umsetzung daraufhin untersuchen, inwieweit sich<br />

Gerechtigkeitskonflikte zwischen Staaten identifizieren lassen <strong>und</strong> welche Bedeutung ihnen<br />

<strong>für</strong> das Gelingen/Scheitern der Regulierung zukommt. Die These unseres Forschungsprojektes<br />

lautet, dass ungelöste Gerechtigkeitskonflikte in der Entstehungsphase einer Regulierung<br />

in der Implementierungsphase wieder aufbrechen <strong>und</strong> auch die compliance beeinträchtigen.<br />

Die Gerechtigkeitsansprüche von Staaten fassen wir in verschiedenen Dimensionen – zum<br />

einen nach Fraser als Konflikte um Verteilungs-, Verfahrens- <strong>und</strong> Anerkennungsgerechtigkeit,<br />

zum anderen als Konflikt zwischen der Stärkung individueller Menschenrechte versus<br />

der Wahrung traditioneller souveräner Staatenrechte. Für dieses Papier stellen wir erste Ergebnisse<br />

der Fallstudienanalysen nur in Auszügen dar <strong>und</strong> konzentrieren uns dabei auch nur<br />

auf den Zusammenhang der Entstehung der Regulierung <strong>und</strong> der Identifizierung von Gerechtigkeitskonflikten.<br />

Ausgangspunkt <strong>für</strong> das Projekt wie das Papier sind zunächst Überlegungen der Internationa-<br />

len Politischen Theorie oder normativer Theorien der Internationalen Beziehungen. Oftmals<br />

wird dabei die Frage nach der Verantwortlichkeit jenseits der eigenen staatlichen Grenzen<br />

diskutiert – umfasst dies auch eine moralische Verpflichtung zur Hilfeleistung bei Menschenrechtsverletzungen,<br />

also zur extraterritorialen Intervention unter Einsatz von militärischer<br />

Gewalt, notfalls auch ohne UN-Mandat? Im Rahmen des klassischen Völkerrechts gilt dies als<br />

Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates <strong>und</strong> als Verletzung des<br />

Interventionsverbotes. Moralische Rechtfertigungsstrategien sind in jüngster Zeit immer wieder<br />

zur Begründung militärischer Interventionen herangezogen worden. Die Verantwortung<br />

jenseits eigener staatlicher Grenzen – beispielsweise bei schweren Menschenrechtsverletzungen<br />

zu intervenieren – wird als normativer Anspruch sowohl in den IPT wie auch in Theorien<br />

Internationaler Beziehungen diskutiert. Diese Debatte soll zunächst in Kapitel 2 skizziert<br />

werden. Kapitel 3 stellt die methodische Herangehensweise des Forschungsvorhabens vor,<br />

bevor in Kapitel 4 näher auf den Zusammenhang von Normenforschung <strong>und</strong> Gerechtigkeit<br />

eingegangen wird. Die Fallstudien zur Normentstehung der R2P <strong>und</strong> des ATT in Kapitel 5<br />

<strong>und</strong> Kapitel 6 sollen die Relevanz der Fragestellung verdeutlichen.<br />

2


2. Solidarität <strong>und</strong> Verantwortung jenseits staatlicher Grenzen? Perspektiven der<br />

Internationalen Politischen Theorie <strong>und</strong> normativer Theorien internationaler Be-<br />

ziehungen<br />

Kosmopolitismus <strong>und</strong> Kommunitarismus in der internationalen Ethik<br />

Traditionell haben sich die Moralphilosophie <strong>und</strong> die politische Theorie zunächst mit Gerechtigkeitsfragen<br />

im nationalstaatlichen Rahmen befasst. Erst mit der Entstehung der Internatio-<br />

nalen Politischen Theorie (IPT) hat sich der Blick auf Fragen globaler Gerechtigkeit geweitet,<br />

<strong>und</strong> es wird gefragt, inwieweit sich Gerechtigkeitsprinzipien auch im weltpolitischen Maßstab<br />

ableiten lassen. Die Perspektive der internationalen Ethik bildet gleichsam den wissenschaftlichen<br />

Rahmen <strong>für</strong> die Untersuchung moralischer Kategorien <strong>und</strong> Gerechtigkeitsprinzipien auf<br />

globaler Ebene. Broszies/Hahn (2010: 12) sprechen von einem Paradigmenwechsel, den die<br />

Debatte um globale Gerechtigkeit ausgelöst habe. Aus der Perspektive der politischen Theorie<br />

sind Staaten verantwortlich <strong>für</strong> die Realisierung von Gerechtigkeit gegenüber ihrer Bürger.<br />

Demzufolge sind die in der Gerechtigkeitstheorie zur Verfügung stehenden Begrifflichkeiten<br />

<strong>und</strong> Modelle mit dem Blick auf den (liberal-demokratischen) Nationalstaat entwickelt worden<br />

<strong>und</strong> lassen sich von daher nicht ohne Weiteres auf die globale Ebene übertragen.<br />

John Rawls, der Vater der modernen Gerechtigkeitsforschung, zeigte sich selbst zögerlich,<br />

seine auf der nationalstaatlichen Ebene entwickelten liberalen Gerechtigkeitsprinzipien auf<br />

die weltpolitischen Verhältnisse zu übertragen. Während das Wohlergehen der Bevölkerung<br />

<strong>und</strong> damit soziale Gerechtigkeit als partikulare Gerechtigkeitsprinzipien auf nationalstaatlicher<br />

Ebene zu realisieren sind, obliegt es vor allem den demokratischen Staaten, die instituti-<br />

onellen Voraussetzungen in globalem Maßstab zu schaffen. 1 Für die internationale Ebene<br />

identifiziert Rawls nur minimale Gerechtigkeitsprinzipien, wie etwa die wechselseitige Nicht-<br />

einmischung (non-intervention), das Recht auf Selbstverteidigung <strong>und</strong> die Achtung gr<strong>und</strong>legender<br />

Menschenrechte (Rawls 1999: 37; Broszies/Hahn 2010: 43) 2<br />

. Rawls differenziert Staa-<br />

ten bzw. Völkergemeinschaften entlang ihrer politischen Verfasstheit. Liberale Demokratien<br />

können nur solche nicht-liberalen Staaten als gleichwertig anerkennen, die gr<strong>und</strong>legende<br />

1 Da Rawls in seiner Konzeption von Gerechtigkeit als Fairness der politischen Ordnung der Demokratie<br />

Vorrang vor philosophischen Überlegungen der Gerechtigkeit einräumt, ist es <strong>für</strong> das „Recht der Völker“<br />

konsequent, ebenfalls Unterschiede in der politischen Ordnung von Gesellschaften zu berücksichtigen. Siehe<br />

dazu Goldstein 2012: 85.<br />

2 Rawls selbst spricht in seiner Abhandlung bewusst vom Recht der „Völker“ <strong>und</strong> versteht darunter<br />

konstitutionelle Demokratien, die ihre Beziehungen mittels Gerechtigkeitsprinzipien regulieren. Während Bürger<br />

aus seiner Sicht rational handeln, macht er in souveränem staatlichen Handeln expansionistische Bestrebungen<br />

aus – dieses vermag unter Umständen zu hegemonialen Kriegen führen (Rawls 1999: 29).<br />

3


Menschenrechte beachten. 3<br />

zur Hilfeleistung.<br />

Gegenüber den „burdened societies“ besteht die Verpflichtung<br />

Vertreter eines moralischen Kosmopolitismus üben Kritik an Rawls minimaler Konzeption<br />

globaler Gerechtigkeit <strong>und</strong> argumentieren, dass wir eine weitgehende moralische Verpflichtung<br />

jenseits staatlicher Grenzen haben, auch jene Verteilungsungerechtigkeiten, die sich insbesondere<br />

in Gestalt von Armut <strong>und</strong> Unterernährung zeigt, zu beseitigen (Pogge 2007: 134;<br />

Beitz 1979: 128). Rawls wird neben seiner Akzeptanz illiberaler Regime als völkerrechtlich<br />

gleichwertige Subjekte von kosmopolitischer Seite auch vorgehalten, die eigenen auf natio-<br />

nalstaatlicher Ebene in „Theory of Justice“ gewonnen Gerechtigkeitsprinzipien, wie das elementarer<br />

Bürgerrechte der Freiheit <strong>und</strong> Chancengleichheit, in seiner Konzeption globaler Ge-<br />

rechtigkeit außer Acht gelassen zu haben (Moellendorf 2002: 15; Tan 2000: 66).<br />

Der moralische Kosmopolitismus 4<br />

entwickelt auf der Basis der Annahme einer „common<br />

human community“ weitgehende Gerechtigkeitspflichten jenseits nationalstaatlicher Grenzen<br />

(Shapcott 2010: 15). Menschen gelangen auf globaler Ebene zu gemeinsamen Moral- <strong>und</strong><br />

Gerechtigkeitsüberzeugungen, weil sie im Sinne Kants alle gleichermaßen mit Vernunft <strong>und</strong><br />

Rationalität ausgestattet sind. Wenn Individuen aufgr<strong>und</strong> ihrer Staatsangehörigkeit schlechtere<br />

Lebenschancen haben, folgt im Kosmopolitismus eine positive Verpflichtung, die Men-<br />

schen einander mit dem Ziel schulden, Leid zu vermeiden <strong>und</strong> aktiv gegen Unrecht <strong>und</strong> Ungleichheit<br />

vorzugehen (Lu 2000: 263). Individuelle Menschenrechte erhalten Priorität gegenüber<br />

den Prinzipien staatlicher Souveränität (Pogge 1992: 58). Kosmopolitisten sind überzeugt,<br />

dass sich universelle Gerechtigkeitsprinzipien ermitteln lassen, die jedem Menschen<br />

gleichermaßen zustehen. Uneinigkeit besteht jedoch über die Reichweite <strong>und</strong> den Umfang<br />

solcher Menschenrechte (Pogge 2002: 158) – vor allem inwieweit <strong>und</strong> in welchem Umfang<br />

sie ökonomische oder soziale Gerechtigkeit umfassen (Caney 2005: 102-147; Moellendorf<br />

2002: 36).<br />

Die kommunitaristische Kritik am Kosmopolitismus entzündet sich unter anderem auch da-<br />

ran, dass dieser den prof<strong>und</strong>en kulturellen <strong>und</strong> normativen Pluralismus in der Welt übersehe.<br />

3 Rawls bezeichnet diese Gesellschaften als „decent hierarchical societies“ <strong>und</strong> differenziert sie von „outlaw<br />

states“ <strong>und</strong> „burdened societies“ (Rawls 1999: 63).<br />

4 Brock verweist auf die Bandbreite kosmopolitischer Gerechtigkeitsansätze, etwa utilitaristische oder auch<br />

Kantianische Ansätze. Beardsworth differenziert dagegen zwischen dem kulturellen, moralischen, normativen,<br />

institutionellen, politischen <strong>und</strong> rechtlichem Kosmopolitismus. Siehe dazu Brock 2009: 14; Beardsworth 2011:<br />

21ff sowie Brock/Brighouse 2005.<br />

4


Gerade deshalb sei die kosmopolitische Idee der menschlichen Gleichheit eine elementare<br />

Ungerechtigkeit <strong>und</strong> als Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die Annahme globaler Gerechtigkeitspflichten zu<br />

schwach. Gerechtigkeit entsteht im Kontext der jeweiligen Gemeinschaft <strong>und</strong> fällt sehr unter-<br />

schiedlich aus, je nachdem, ob man nach China oder in die Vereinigten Staaten blickt (Walzer<br />

2006; Brown 2002: 92/93; Brown 1992). Kommunitaristen vertreten die Auffassung, dass nur<br />

Menschen einer abgrenzbaren Gemeinschaft Subjekte von Gerechtigkeit sein können, denn<br />

nur dieser Personenkreis lebt in einer <strong>für</strong> Gerechtigkeit konstitutiven Beziehungsform zu-<br />

sammen. Gerechtigkeit ist somit von vornherein kontextual <strong>und</strong> partikular angelegt <strong>und</strong> somit<br />

nicht von globaler Gültigkeit (Miller 2007: 263; Miller 2005; Walzer 1994: 83).<br />

Kommunitaristen verweisen auf die Relevanz von Grenzen, an denen der Anspruch von (sozialer)<br />

Gerechtigkeit endet. Auch lasse sich globale Gerechtigkeit ohne die institutionellen Voraussetzungen<br />

staatlicher Souveränität nicht verwirklichen (Nagel 2005: 113-147). Bei aller<br />

Betonung der Differenzen identifizieren auch Kommunitaristen ein – wenn auch schwaches –<br />

universalistisches Element. Menschen aus verschiedenen Kulturen vollziehen im globalen<br />

Raum eine wechselseitige Annäherung – daraus entsteht eine neue, transnationale Gemeinschaft,<br />

in der sich auch eine gemeinsame, wenngleich auch nur dünne Schicht an Handlungsnormen<br />

herausbilden kann. So lassen sich auch moralische <strong>und</strong> noch konkreter humanitäre,<br />

menschenrechtliche Pflichten jenseits gemeinschaftlicher Grenzen feststellen – in diesem Zusammenhäng<br />

wird auch auf globaler Ebene ein Minimalmoralismus unter anderem in Form<br />

der Schadensvermeidung anerkannt (Shapcott 2010: 59; Miller 1999: 197; Walzer 1994: 103).<br />

Die Debatte in den Internationalen Beziehungen<br />

Eine ähnliche Debatte zur Frage der Reichweite von Gerechtigkeitspflichten jenseits eigener<br />

staatlicher Grenzen lässt sich auch in den Theorien der Internationalen Beziehungen identifizieren.<br />

In der IB-Debatte bildet das Spannungsfeld zwischen individuellen Rech-<br />

ten/Menschenrechten <strong>und</strong> staatlicher Souveränität den Rahmen <strong>für</strong> die Debatte zwischen <strong>und</strong><br />

innerhalb der verschiedenen Denkschulen. Am deutlichsten artikuliert findet sich diese Diffe-<br />

renz in den zwei Ansätzen der Englischen Schule. In der pluralistischen Lesart der Englischen<br />

Schule bilden Staaten Institutionen mit dem Ziel, Krieg <strong>und</strong> Gewalt zwischen ihnen zu minimieren,<br />

nicht aber zu eliminieren. Staatliche Souveränität <strong>und</strong> das Prinzip der Nichteinmi-<br />

schung bleiben ordnungsstiftende Prinzipien – Gerechtigkeit ist im pluralistischen Ansatz<br />

Aufgabe der jeweiligen Nationalstaaten (Bull 1977; Dunne 1998; Jackson 2000; Wheeler<br />

1992: 477). Dennoch kann über moralische <strong>und</strong> rechtliche Normen eine Begrenzung von<br />

menschlichem Leid auch auf internationaler Ebene erreicht werden. Solche Normen sind in<br />

5


gr<strong>und</strong>legenden „harm conventions“, etwa im internationalen Völkerrecht, realisiert. Neuere<br />

Ansätze der Englischen Schule wollen über die universale Definition solcher „Harm“-<br />

Prinzipien eine konsensuale, minimale Gerechtigkeitsethik <strong>für</strong> die internationalen Beziehungen<br />

entwickeln. 5<br />

Die Grenze der Solidarität ist <strong>für</strong> Linklater (2006: 334; 2002: 147) jedoch im<br />

Fall von Gewaltanwendung zum Schutz von Menschenrechten oder bei humanitären Interventionen<br />

erreicht – beides dürfe keine „basic norm of world politics“ werden.<br />

Vertreter des solidarischen Ansatzes der Englischen Schule be<strong>für</strong>worten weitergehende<br />

Gr<strong>und</strong>sätze. 6 Die Konzeption von Ordnung <strong>und</strong> Gerechtigkeit in der pluralistischen Variante<br />

der Englischen Schule sind <strong>für</strong> Solidaristen Ausdruck eines überkommenen weltpolitischen<br />

Verständnisses aus Zeiten des Ost-West-Konflikts (Hurrell 2003: 26). Inzwischen weisen die<br />

normativen Strukturen der internationalen Gemeinschaft deutliche Zeichen größerer Solidarität<br />

<strong>und</strong> geteilter Gerechtigkeitsüberzeugungen auf (Buzan 2004: 141; Wheeler 2000: 12). 7<br />

Das Ordnungsprinzip der staatlichen Souveränität beinhaltet die globale Verantwortung des<br />

Schutzes aller Menschen. Einer solchen kosmopolitischen Moral entspricht als Institution die<br />

humanitäre Intervention, die notfalls auch gegen den Willen der herrschenden Regierung zum<br />

Schutz der Menschen(rechte) veranlasst wird (Roennefeldt 1999: 141-168; Brock 2002: 214).<br />

Die Staatenräson der Nichteinmischung <strong>und</strong> Kriegsverhütung wird somit kosmopolitischen<br />

Gerechtigkeitsüberzeugungen untergeordnet (Dunne/Wheeler 2004: 18).<br />

Liberale Internationalisten argumentieren zunächst ähnlich wie die Solidaristen der Englischen<br />

Schule. 8<br />

Basierend auf der liberalen politischen Philosophie haben Staaten die Ver-<br />

pflichtung, das Wohlergehen, die Rechte <strong>und</strong> Gleichheit der Bürger zu sichern (Bishai 2004:<br />

52). Zugleich hat sich das Prinzip staatlicher Souveränität nach dem Verständnis dieser Denkschule<br />

verändert: Statt staatlicher Autorität steht jetzt die staatliche Verantwortlichkeit <strong>für</strong> den<br />

Schutz der Menschen auch außerhalb der eigenen Grenzen an erster Stelle (Evans/Sahnoun<br />

2002: 101). Der „neue Humanitarismus“ versteht sich als Teil einer liberalen Weltordnung, in<br />

dem der Schutz der Menschenrechte – die Wahrung von Freiheit <strong>und</strong> Rechten der Bürger –<br />

5 Auf diese Weise lässt sich <strong>für</strong> Linklater auch die Differenz zwischen Pluralismus/Solidarismus oder<br />

Kommunitarismus/Kosmopolitismus überwinden. Die Vermeidung menschlichen Leids dient <strong>für</strong> ihn als Prinzip,<br />

über das sich eine Verantwortung jenseits staatlicher Grenzen ableiten <strong>und</strong> gleichsam in eine minimale<br />

Gerechtigkeitsethik überführen lässt.<br />

6<br />

Buzan weist zu Recht darauf hin, dass das Argument des Menschenrechtsschutzes schon in den Anfängen der<br />

Englischen Schule eine wichtige Rolle gespielt hat, beispielsweise bei Vincent (1986; 114; Buzan 2004: 149).<br />

7<br />

In dieser Argumentation finden sich auffällige Übereinstimmungen mit dem von Beardsworth (2011: 29ff)<br />

entwickelten normativen Kosmopolitismus.<br />

8<br />

Ein guter Überblick über die Kriegsbegründungsrhetorik liberaler Internationalisten findet sich auch bei Lang<br />

2010: 329-331.<br />

6


zum starken Argument <strong>für</strong> verschiedene Formen humanitäre Hilfe von Entwicklungszusam-<br />

menarbeit bis hin zur militärischen Intervention wird (Barnett 2005: 733; Mills 2005). In zent-<br />

raler Verantwortung steht dabei eine Koalition demokratischer Staaten, denen aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

inneren Verfasstheit eine besondere „moral reliability“ im Hinblick auf die Durchsetzung<br />

kosmopolitischer Prinzipien zugestanden wird (Buchanan/Keohane 2004: 19). 9<br />

Andere Ver-<br />

treter des liberalen Internationalismus betrachten nicht nur Demokratie, sondern auch den<br />

Großmachtstatus (der Vereinigten Staaten) als entscheidende Legitimation, den Schutz von<br />

Menschenrechten global auch durchzusetzen, da die globalen Institutionen der kollektiven<br />

Entscheidungsfindung noch nicht hinreichend ausgestaltet sind (Elshtain 2003: 74).<br />

Die Bedenken gegenüber solchen Formen des westlichen Imperialismus sind gerade im globa-<br />

len Süden groß (Barnett 2005: 734; Duffield 2001). Im indischen Verständnis sind dem Staat<br />

im Zuge der Dekolonialisierung emanzipatorische Aufgaben zugekommen – staatliche Souve-<br />

ränität <strong>und</strong> die Nichteinmischung werden deshalb als Institutionen freier Menschen <strong>und</strong> als<br />

Gerechtigkeitsprinzipien begriffen (Bajpai 2003: 260). Aus dieser Perspektive dienen Men-<br />

schenrechte <strong>und</strong> deren proaktive Durchsetzung dem Westen als Legitimation von Gewalt <strong>und</strong><br />

Verbrämung eigener strategischer Interessen <strong>und</strong> helfen dabei, sich gegen alle Forderungen<br />

nach globaler Verteilungsgerechtigkeit <strong>und</strong> sozialer Gerechtigkeit zu immunisieren (Hurrell<br />

2003: 41; Mutua 2001).<br />

3. Globale Regulierungen <strong>und</strong> die Frage divergenter staatlicher Gerechtigkeitsansprüche<br />

Die Debatten in den IPT <strong>und</strong> IB aus Kapitel 2 verdeutlichen zunächst zweierlei: Die Frage<br />

globaler Gerechtigkeit <strong>und</strong> die Reichweite möglicher Ansprüche sind schon auf theoretischer<br />

Ebene umstritten. Zudem scheint sich der Streit auch geographisch zu manifestieren. So ist<br />

häufig zu vernehmen, die Konzeptionen globaler Gerechtigkeit fußen auf liberalen Gerechtigkeitsprinzipien,<br />

die individuelle Freiheit, Gleichheit <strong>und</strong> Menschenrechte betonen, während<br />

im globalen Süden Nichteinmischung <strong>und</strong> Selbstbestimmung als Teil des postkolonialen Er-<br />

bes <strong>und</strong> somit als Gerechtigkeitsansprüche begriffen werden. In diesem Kapitel soll nun der<br />

9 Smith <strong>und</strong> andere Vertreter der politischen Theorie verweisen darauf, dass es sich dabei um eine falsch<br />

verstandene Interpretation des Liberalismus handele. Dieser sei gerade im Hinblick auf die Frage des<br />

Interventionismus <strong>und</strong> Prinzipien internationaler Gewaltanwendung bestenfalls ambivalent. Siehe dazu Smith<br />

1992: 212.<br />

7


Zusammenhang zwischen den Ergebnissen der Normenforschung in den Internationalen Be-<br />

ziehungen <strong>und</strong> bisherigen Forschungsergebnissen zu Gerechtigkeit in Verhandlungen verdeutlicht<br />

werden.<br />

Gerechtigkeit <strong>und</strong> Normenforschung<br />

Globale Normen, Regeln <strong>und</strong> Institutionen sind von verschiedenen Theorien <strong>und</strong> Ansätzen<br />

thematisiert worden, unter anderem von der frühen Englischen Schule (vgl. Bull 1977), dem<br />

Neoinstitutionalismus, der Regimetheorie sowie der Global Governance-Forschung, wobei in<br />

den letzten beiden Forschungszweigen rationalistische <strong>und</strong> konstruktivistische Ansätze konkurrieren<br />

(Hasenclever/Mayer/Rittberger 1997; Klotz 1995; Müller 1993; Kratochwil 1989).<br />

Dabei ist der Frage vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit geschenkt worden, welche Rolle<br />

Gerechtigkeitsansprüche der Akteure beim Zustandekommen solcher normativer Ordnungen<br />

spielen. Normen sollen als ein kollektiv geteilter Standard angemessenen Verhaltens auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage gegebener Identitäten einer Gemeinschaft verstanden werden (Finnemore/Sikkink<br />

1998: 891). Gerechtigkeit behandeln wir als Teil des moralischen Systems <strong>und</strong> als Metanorm,<br />

die alle Politikgebiete beeinflusst. Gerecht ist eine Ordnung, wenn alle Akteure das ihnen Zustehende<br />

erhalten (suum cuique-Prinzip) 10<br />

, wobei die einschlägigen Zuschreibungsprinzipien<br />

global streitig sind <strong>und</strong> sich deshalb in widersprüchlichen Gerechtigkeitsansprüchen der Akteure<br />

niederschlagen (Welch 1993).<br />

Im Rahmen der Normenforschung lassen sich zwei Stränge unterscheiden: Während die So-<br />

zialisationsforschung, Normen als stabile Phänomene <strong>und</strong> unabhängige Variablen begreift<br />

<strong>und</strong> sich auf Bedingungen der Normentstehung, Prozesse der Normanwendung sowie auf Un-<br />

tersuchungen über Normenwirkung auf staatliches Verhalten konzentriert (Schimmelfennig et<br />

al. 2006; Checkel 2001, 1999, 1997; Risse et al. 1999; Müller 1993), betont die<br />

Kontestationsforschung deren Umstrittenheit. Die neuere konstruktivistische Forschung konzentriert<br />

sich stärker auf komplexe Prozesse von Normdynamiken, auf die Umstrittenheit <strong>und</strong><br />

das Veränderungspotenzial von Normen bis hin zur Möglichkeit ihrer Degeneration (Wiener<br />

2009; McKeown 2009; Rosert/Schirmbeck 2007; Cortell/Davis 2005, 2000). Normentstehung<br />

<strong>und</strong> Normanwendung werden als fortgesetzter Aushandlungs- <strong>und</strong> Interpretationsprozess ver-<br />

standen, denn nur durch solche konfliktträchtigen Interaktionsprozesse können Normen zu<br />

intersubjektiv geteilten Angemessenheitsstandards werden, dies beinhaltet auch regionale<br />

10 Das suum cuique-Prinzip ist von Platon als Gr<strong>und</strong>satz der Verteilungsgerechtigkeit formuliert worden (Forst<br />

2010: 31). Prinzipiell lässt es sich jedoch auch auf andere Dimensionen der Gerechtigkeit (Anerkennung;<br />

Verfahren) übertragen.<br />

8


oder lokale Anpassungsprozesse (Acharya 2004; 2009; Capie 2008; Sandholtz 2007; Wiener<br />

2008; Elgstrom 2000). Während Normen ihre stabilisierende Funktion als Teil internationaler<br />

Ordnungen nicht gr<strong>und</strong>sätzlich abgesprochen wird, betont dieser Forschungsstrang stärker das<br />

Moment der Umstrittenheit <strong>und</strong> der Differenzen zwischen Staaten, bezüglich Normbefolgung,<br />

-anwendung <strong>und</strong> -auslegung (Wiener/Pütter 2009; Wiener 2007). Je stärker solche Regelungs-<br />

instrumente Veränderungen in den Verhaltenspraktiken von Staaten <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />

Akteuren verlangen, desto stärkerer Widerstand formiert sich (Deitelhoff 2009: 189; Zürn<br />

2008). „F<strong>und</strong>amentale“ Normen wie die staatliche Souveränität können zum Objekt von Reinterpretation<br />

oder zum Streitfall zwischen Staaten werden, wenn sie mit anderen Normen wie<br />

dem Schutz individueller Menschenrechte kollidieren (Sandholtz/Stiles 2009: 330; Wiener<br />

2009). Bislang ist der Frage solcher differenten Gerechtigkeitsansprüche von Staaten als Mo-<br />

tor oder Hindernis gelingender Normgenese <strong>und</strong> -anwendung ein geringer Stellenwert beigemessen<br />

worden.<br />

Innerhalb der Internationalen Beziehungen gibt es nur wenige Arbeiten zu Fragen von Ge-<br />

rechtigkeit in Verhandlungen. Eine ungleich größere Rolle spielt dieser Zusammenhang in<br />

anderen, stark empirisch ausgerichteten Wissenschaftsdisziplinen, etwa der Sozialpsychologie<br />

oder der Kognitionsforschung. Dieser empirischen Gerechtigkeitsforschung geht es darum,<br />

„Gerechtigkeit als ein zentrales Motiv unseres sozialen Handelns zu analysieren“ (Lie-<br />

big/Lengfeld 2002: 8). Im Unterschied zu normativen Ansätzen in der politischen Philosophie<br />

oder auch Theorien Internationaler Beziehungen wird Gerechtigkeit dabei nicht als Maßstab<br />

<strong>für</strong> moralisch richtiges Handeln oder als Gr<strong>und</strong>lage der Gestaltung sozialer Institutionen begriffen.<br />

Vielmehr fragt die empirische Gerechtigkeitsforschung nach den sozialen Bedingun-<br />

gen <strong>für</strong> die Wahl spezifischer Gerechtigkeitsstandpunkte oder auch danach, welche Rolle Gerechtigkeitsüberlegungen<br />

<strong>für</strong> kollektives Handeln spielen. Dies unterstreicht, dass die empiri-<br />

sche Gerechtigkeitsforschung durchaus Gemeinsamkeiten mit konstruktivistischer Normenforschung<br />

aufweist.<br />

Gerechtigkeit in internationalen Verhandlungen<br />

Die wenigen empirischen Arbeiten zur Rolle von Gerechtigkeit in Verhandlungen in den In-<br />

ternationalen Beziehungen knüpfen an die Pionierarbeit von Welch (1993) zum Zusammenhang<br />

von Gerechtigkeitsvorstellungen <strong>und</strong> Kriegsentscheidungen an. Welch kommt zu dem<br />

wichtigen Ergebnis, dass Gerechtigkeitsansprüche der Akteure Verhandlungslösungen erschweren<br />

<strong>und</strong> die Wahrscheinlichkeit von Gewalthandeln steigern. Auch er verweist auf das<br />

9


Spannungsfeld zwischen staatlichen Gerechtigkeitsforderungen <strong>und</strong> einer defizitären interna-<br />

tionalen Ordnung, die solchen Geltungsansprüchen keine Gültigkeit verleiht (Welch 1993:<br />

196). Albin <strong>und</strong> Albin/Druckman identifizieren strittige Gerechtigkeitsansprüche als eine<br />

zentrale Thematik aller untersuchten internationalen Verhandlungen <strong>und</strong> bei <strong>Friedens</strong>verhandlungen<br />

nach innerstaatlichen Konflikten: Konfliktlösungen gelingen um so eher <strong>und</strong> nachhal-<br />

tiger, je gehaltvoller <strong>und</strong> breiter die Einigung ausgehandelte Gerechtigkeitsprinzipien inkorporiert<br />

(Albin 2008; 2001; Albin/Druckman 2009). Sowohl Ansprüche distributiver Gerech-<br />

tigkeit wie auch Aspekte der Fairness verhelfen <strong>Friedens</strong>verträgen dazu, langfristig stabiler zu<br />

sein <strong>und</strong> den Ausbruch neuer Konflikte zu verhindern (Albin/Druckman 2010: 110). Zartman<br />

schließt aus seiner Analyse innerer <strong>und</strong> internationaler Konfliktbearbeitung, dass eine gemeinsame<br />

Gerechtigkeitsformel die notwendige Gr<strong>und</strong>lage jeder Konfliktregelung ist<br />

(Zartman 2007). Dies widerspricht in gewisser Weise der aus einer regimetheoretischen Perspektive<br />

entwickelten Studie Mayers, der nur einen schwachen Zusammenhang zwischen Ge-<br />

rechtigkeit <strong>und</strong> der Robustheit von Regimen findet (Mayer 2006).<br />

In unseren Überlegungen knüpfen wir an die Prämissen der Englischen Schule an <strong>und</strong> hier im<br />

Besonderen an den dort identifizierten Normenkonflikt zwischen individualistischen Gerechtig-<br />

keitsüberzeugungen, wie dem Schutz von Menschenrechten, <strong>und</strong> kollektiven Ordnungsvorstellungen<br />

der Souveränität, denen zufolge die Autonomie der Staaten/Völker vor Einmischung von<br />

außen geschützt werden soll. Entgegen den Annahmen der Englischen Schule folgen wir der<br />

Kontestationsforschung <strong>und</strong> vermuten hinter solchen Disputen in Verhandlungen divergente<br />

staatliche Gerechtigkeitskonzeptionen. So lassen sich Positionen von Staaten identifizieren, die<br />

Prinzipien der Souveränität <strong>und</strong> Nichteinmischung als Anachronismus auf dem Weg zu einem<br />

globalen Werteuniversalismus begreifen; sie finden sich überwiegend in westlichen Demokratien.<br />

Dagegen steht die Auffassung, dass Souveränität als notwendiges Schutzschild <strong>und</strong> Garan-<br />

tie <strong>für</strong> autonome Entwicklung der Völker, staatliche postkoloniale Unabhängigkeit oder wenigstens<br />

formal gleichem Status dient; ein solcher Gerechtigkeitsanspruch ist eher unter den Regierungen<br />

des globalen Südens verbreitet. Beide Seiten schreiben der jeweils anderen strategische<br />

Argumentation zur Durchsetzung von Herrschaftsinteressen zu. Solche Zuschreibungen sind<br />

nicht von der Hand zu weisen, greifen aber zur Erklärung der Kontroverse zu kurz, wenn sie<br />

allein die rational-utilitaristischen oder machtpolitischen Motivationen der Konfliktbeteiligten<br />

untersuchen. Vielmehr lassen sich hinter dieser Kontroverse unterschiedliche Logiken der An-<br />

gemessenheit vermuten, die im Widerspruch zueinander stehen. In dem Projekt geht es darum,<br />

die bislang von der Forschung vernachlässigten Gerechtigkeitsdimensionen empirisch zu unter-<br />

10


suchen. Für eine solche empirische Untersuchung stellt sich von daher vor allem die Frage, ob<br />

<strong>und</strong> inwieweit umstrittene staatliche Gerechtigkeitsansprüche zur Belastungsprobe multilateraler<br />

Verhandlungen werden <strong>und</strong> möglicherweise sogar ihr Scheitern begründen.<br />

4. Methodische Herangehensweise<br />

Zur Untersuchung des Einflusses von Gerechtigkeit soll die Genese der untersuchten Regulierungen<br />

mit Hilfe der Methode der Prozessanalyse zur Identifikation von Kausalmechanismen<br />

(George/Bennett 2005: 211-12) rekonstruiert werden. Eingebettet in diese Prozessanalyse ist<br />

eine qualitative Inhaltsanalyse (Mayring 1997) von Verhandlungsprotokollen, mit deren Hilfe<br />

die Argumentation der staatlichen Akteure erhoben werden soll. Appelle an die Gerechtigkeit<br />

werden dabei als starke Rechtfertigungen <strong>für</strong> Verhandlungspositionen in internationalen Verhandlungen<br />

betrachtet (Müller 2011a.), die eine Qualität jenseits von rhetorischem Handeln<br />

haben (Schimmelfennig 1997). Rationalistische Ansätze können nicht erklären, warum Akteure<br />

auch dann Gerechtigkeitsansprüche in den Diskurs einbringen, wenn dies keinen strategi-<br />

schen Nutzen mit sich bringt (Müller 2011a: 3, Müller 2011b: 283). Unter Bezugnahme auf<br />

die Überlegungen von Antje Wiener (2008) zur Umstrittenheit von Normen ist Gerechtigkeit<br />

demnach als Metanorm zu betrachten, welche Einfluss auf jedes Politikfeld haben kann <strong>und</strong><br />

aus der Perspektive des Akteurs einen Maßstab <strong>für</strong> die Bewertung möglicher Normen bietet<br />

(Müller 2011b:282, 286). Um die verschiedenen Vorstellungen zu erfassen, sprich zur<br />

Operationalisierung des Gerechtigkeitsbegriffs, wird die Konzeption von Welch (1993) her-<br />

angezogen, welche konstatiert, dass Gerechtigkeitsansprüche auf als gerechtfertigt gesehen<br />

Ansprüche eines Akteurs auf ein Gut 11<br />

oder auf Partizipation an einem Prozess basieren, im<br />

Sinne eines „drive to correct a perceived discrepancy between entitlements and benefits“<br />

(Welch 1993: 19). Dies kann als das gr<strong>und</strong>legendste Verständnis von Gerechtigkeit gesehen<br />

werden, welches sich über alle Kulturen <strong>und</strong> Religionen hinweg finden lässt. Eine solche<br />

Konzeptualisierung kann zur empirischen Untersuchung von unterschiedlichen <strong>und</strong><br />

konfligierenden Gerechtigkeitsansprüchen herangezogen, da es als so frei wie möglich von<br />

kultureller Voreingenommenheit zu sehen ist (Müller 2011a; 2011b: 292-94).<br />

Der mit einem Gerechtigkeitsanspruch vollzogene Sprechakt kann, nach Harald Müller, ana-<br />

log zum Konzept der Securitisation (Buzan/de Wilde/Waever 1998) mit dem Justicisation-<br />

Konzept beschrieben werden: Justicisation ist als perlokutionärer Sprechakt zu verstehen,<br />

welcher mit dem Ziel geäußert wird ein Thema aus dem normalen politischen Bereich heraus-<br />

11 Wobei auch Ansprüche auf immaterielle Güter gestellt werden können, wie Sicherheit oder Frieden.<br />

11


zulösen, auf Basis eines normativen Bezugs auf das, was als „das Richtige“ anzusehen ist<br />

(Müller 2011a: 1-3; Müller 2011b: 292-294). Damit kann das Formulieren von<br />

Gerechtigkeitsansprüchen Streitfragen auf eine höhere Ebene der Intensität heben <strong>und</strong><br />

Verhandlungspositionen verhärten: „the mode of reasoning involved in the defense of one’s<br />

entitlements differs f<strong>und</strong>amentally from the mode of reasoning involved in the pursuit of other<br />

goods: it tends to be categorial and deontological rather than utilitarian” (Welch 1993: 21).<br />

Durch Gerechtigkeitsmotive angeleitetes Handeln ist dabei nicht mit strategischem Handeln<br />

zu verwechseln, auch wenn zwischen beiden nicht trennscharf unterschieden werden kann:<br />

„moralisch akzeptable Ergebnisse“ können als wertvolle Güter angesehen werden. Ein Akteur,<br />

welcher unablässig nach Gerechtigkeit strebt könnte als aus Eigeninteresse handelnd<br />

angesehen werden (Welch 1993: 20), auch wenn seine Motivation die Verwirklichung der<br />

eigenen Gerechtigkeitskonzeption ist. Es kann folglich von einer Verwobenheit von Interessen,<br />

Gerechtigkeitsmotiven <strong>und</strong> anderen Normen ausgegangen werden; Interessen existieren<br />

schließlich nicht unabhängig von „höheren Regeln“ (Müller 2004: 413). Bestätigt wird diese<br />

Annahme durch Ergebnisse der experimentellen Ökonomie welche zeigen, dass interessen<strong>und</strong><br />

normbasiertes Verhalten zusammenhängen (Grobe 2011: 731).<br />

Unter Rückgriff auf Fraser untersuchen wir Gerechtigkeit in drei Dimensionen: Verteilungs-<br />

gerechtigkeit, Anerkennungsgerechtigkeit <strong>und</strong> prozedurale Gerechtigkeit (Fraser 2008). Mit<br />

Hilfe einer Typologie sollen die verschiedenen Vorstellungen der Akteure von Gerechtigkeit<br />

zugänglich gemacht werden. Diese wurde im Rahmen des Just Peace Governance Forschungsprogramms<br />

der Hessischen Stiftung <strong>Friedens</strong>- <strong>und</strong> <strong>Konfliktforschung</strong> erarbeitet (Mül-<br />

ler 2011a; Müller/W<strong>und</strong>erlich 2013) <strong>und</strong> durch weitere Kategorien zur Erfassung weiterer<br />

moralischer <strong>und</strong> interessenbasierter Argumente ergänzt, um es an den Untersuchungsgegen-<br />

stand – die Entwicklung von Regelungen im Spannungsfeld zwischen Humanität <strong>und</strong> Souveränität<br />

– anzupassen. Da wir Gerechtigkeits- <strong>und</strong> moralische Ansprüche aus der Perzeption<br />

der Akteure untersuchen, liegt der Inhaltsanalyse ein ausdifferenziertes Kategoriensystem zu<br />

Gr<strong>und</strong>e, welches auf aus der Gerechtigkeitsforschung deduktiv gebildeten Idealtypen basiert,<br />

die anhand der empirischen Ergebnisse induktiv ergänzt werden sollen.<br />

5. Fallstudie „Schutzverantwortung“<br />

Die Debatte über humanitäre Interventionen <strong>und</strong> das Verhältnis von Menschenrechten <strong>und</strong><br />

Souveränität findet an der Grenze zwischen Moral <strong>und</strong> Völkerrecht statt (Foot 2003: 12f. oder<br />

auch Ayoob 2002): Die Verantwortung des Staates <strong>für</strong> seine Bevölkerung (Deng 1995) sowie<br />

12


die postulierte kosmopolitische Verantwortung zur Rettung bedrohter Fremder (Wheeler<br />

2000) treffen auf Ansprüche auf autonome Entwicklung <strong>und</strong> Selbstbestimmung (Jackson<br />

1990; Ayoob 2002; Thakur 2006). Dieser seit den 1990ern andauernde normative Disput über<br />

den Souveränitätsbegriff fand in der Debatte über die Responsibility to Protect (RtoP) 12<br />

einen<br />

Höhepunkt: Kofi Annan betonte in Folge der Kosovo-Intervention der NATO, dass Souverä-<br />

nität auch durch eine Verantwortung <strong>für</strong> die eigene Bevölkerung konstituiert werde <strong>und</strong> dass<br />

die Staatengemeinschaft einen neuen Konsens über die verschiedenen Vorstellungen von nationaler<br />

Souveränität <strong>und</strong> Volkssouveränität sowie der Legitimität von Interventionen finden<br />

müsse (Thakur 2005:181). Daraufhin erarbeitete die von Kanada finanzierte International<br />

Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS) in den Jahren 2000 <strong>und</strong> 2001 das<br />

Konzept der Responsility to Protect. Der Abschlussbericht der ICISS im Jahr 2001 identifizierte<br />

drei miteinander verknüpfte staatliche <strong>und</strong> internationale Verantwortungen in Bezug auf<br />

den Schutz der Zivilbevölkerung vor Massenverbrechen – to prevent, to react, to rebuild<br />

(ICISS 2001: XI) – <strong>und</strong> formulierte eine Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft, in<br />

Fällen von Massenmorden einzugreifen, wenn der betroffene Staat seine Bevölkerung nicht<br />

schützen kann oder will.<br />

Die ICISS versuchte so die verschiedenen Perspektiven in der Staatengemeinschaft zusammenzuführen.<br />

Einerseits die des Westens, der den uneingeschränkten auf die Herstellung von<br />

Ordnung abzielenden Einsatz von Gewalt im Inneren verbieten bzw. beschränken wollte <strong>und</strong><br />

andererseits die der Entwicklungsländer, die der mit der Herstellung von Gerechtigkeit begründeten<br />

Einmischung externer Akteuren in ihre inneren Angelegenheiten ablehnend gegen-<br />

über standen (vgl. Ayoob 2002: 98f). Für viele der letzteren stellte die Nichtinterventionsnorm<br />

in der Debatte einen moralischen Imperativ dar <strong>und</strong> nicht nur eine juristische Unan-<br />

nehmlichkeit, die vom Westen nach Gutdünken außer Kraft gesetzt werden könne (Thakur<br />

2006: 279). Viele Länder des Südens haben eine fast emotionale Beziehung zur Souveräni-<br />

tätsnorm, als Anspruch auf Selbstbestimmung <strong>und</strong> Gleichheit im Gegensatz zur kolonialen<br />

Vergangenheit (Thakur 2006: 266), <strong>und</strong> be<strong>für</strong>chteten nach den humanitären Interventionen in<br />

den 1990er Jahren <strong>und</strong> der Intervention der NATO im Kosovo im Diskurs über eine Schutzverantwortung<br />

die Durchsetzung einer Norm der humanitären Intervention durch den Westen<br />

(Welsh 2010a: 288; Wheeler 2005: 98). Diese Souveränitätsverständnisse scheinen unter<br />

12 Die RtoP wird hier als Norm im Sinne eines Standards angemessenen Verhaltens gesehen, welche zumindest<br />

deklaratorisch breite Anerkennung genießt, wenn sie auch noch nicht von allen Staaten verinnerlicht wurde (vgl.<br />

z.B. Thakur 2011 sowie in Bezug auf den Sicherheitsrat: Loges 2013: 334), nicht aber als völkerrechtliche<br />

Norm. Die Chance, dass sich aus der RtoP eine völkerrechtliche Norm entwickelt, kann angesichts der<br />

Akteurskonstellation <strong>und</strong> der institutionellen Rahmenbedingungen im Sicherheitsrat als gering angesehen<br />

werden (von Arnauld 2012: 87).<br />

13


Rückgriff auf Gerechtigkeitsansprüche rechtfertigt zu werden: erkennbar sind kompensatori-<br />

sche Gerechtigkeitsforderungen, nach einer Wiedergutmachung der in den Zeiten des Kolonialismus<br />

erlittenen Unterdrückung sowie Ansprüche auf ein gleiches Recht auf autonome Entwicklung,<br />

wie es westliche Gesellschaften in der Vergangenheit hatten (vgl. Müller 2011a:<br />

11-12).<br />

Nachdem der ICISS-Bericht von einer Expertenkommission der UN (HLP 2005) <strong>und</strong> von<br />

Kofi Annan in seinem Bericht zur Reform der Vereinten Nationen an die Generalversammlung<br />

2005 aufgegriffen worden war, fand sie in abgeschwächter Form Einzug in das Abschlussdokument<br />

des Weltgipfels (Generalversammlung der Vereinten Nationen 2005: § 138-<br />

139). Dieser Verabschiedung gingen intensive Debatten voraus (vgl. hierzu Hofmann 2011<br />

oder Bellamy 2009: 66-91), in welchen sich die genannten unterschiedlichen Gerechtigkeits-<br />

ansprüche wieder fanden. Die Konfliktlinien verliefen allerdings nicht, wie man vermuten<br />

könnte, zwischen westlichen <strong>und</strong> südlichen Staaten oder zwischen Demokratien <strong>und</strong> Autokra-<br />

tien. Vielmehr erhoben westliche Länder – allen voran Kanada, unterstützt durch Frankreich<br />

<strong>und</strong> Großbritannien – unterstützt durch einige afrikanische Staaten – wie Südafrika 13<br />

, Ruanda<br />

<strong>und</strong> Tansania – Ansprüche auf die Konditionierung von Souveränität in Fällen von Massenverbrechen<br />

<strong>und</strong> die strafrechtliche Verfolgung der Täter, während viele Staaten des Non-<br />

Aligned Movements bzw. der G-77 <strong>und</strong> insbesondere die Demokratie Indien gleiche Souveränität<br />

unter dem Banner der Norm der Nichteinmischung beanspruchten (vgl. auch Bellamy<br />

2009: 88-89).<br />

In einer vorläufigen Inhaltsanalyse der Debatten im Vorfeld des Weltgipfels 2005 wurde sin-<br />

gulär nach der Bedeutung von Gerechtigkeitsansprüchen im Diskurs über die RtoP gesucht<br />

14<br />

(Hofmann 2011) . Diese erste Analyse bestärkte die Vermutung, dass im Diskurs über die<br />

13<br />

Südafrika warnte zwar vor einer Militarisierung des RtoP-Konzepts, war aber im Vorfeld <strong>und</strong> beim Weltgipfel<br />

2005 ein wichtiger Unterstützer (Landsberg 2010; Bellamy 2006: 162).<br />

14<br />

Für die Inhaltsanalyse wurden alle öffentlich zugänglichen Redebeiträge ausgewählter Akteure im Vorfeld des<br />

Weltgipfels mit Bezug zur RtoP auf ihren Gerechtigkeitsgehalt hin analysiert. Untersucht wurden die ständigen<br />

Mitglieder des Sicherheitsrates als mächtigste Staaten, Kanada als Normunternehmer (vgl. Banda 2007), Indien<br />

als wichtiger aufstrebender Staat, das Non-Aligned Movement als B<strong>und</strong> der Staaten des Südens sowie Iran, als<br />

starker Kritiker des Westens. Die Redebeiträge stammen aus den informellen Aussprache der<br />

Generalversammlung zum Bericht des High Level Panel on Threats, Challenges and Change im Februar 2005,<br />

der Aussprache der Generalversammlung zum Bericht des Generalsekretärs (In Larger Freedom) im April 2005,<br />

den Verhandlungen der Generalversammlung zum Entwurf des Abschlussdokuments des Weltgipfels im Juni<br />

<strong>und</strong> Juli 2005 sowie vom Weltgipfel im September 2005 selbst. Zusätzlich wurden Redebeiträge bei der offenen<br />

Sicherheitsratsdebatte zum Schutz von Zivilisten in bewaffneten Konflikten vom Juni 2005 sowie die Debatte<br />

zur Rolle des Sicherheitsrates in humanitären Krisen, im Juli 2005, herangezogen, da diese thematische Nähe zur<br />

RtoP aufweisen <strong>und</strong> sonst zu wenige Dokumente <strong>für</strong> die Inhaltsanalyse <strong>für</strong> Frankreich, Großbritannien, die USA<br />

<strong>und</strong> Russland zur Verfügung gestanden hätten. Für China, Russland <strong>und</strong> das NAM wurde zudem auch jeweils<br />

ein Positionspapier untersucht, <strong>für</strong> die USA wurde ein Brief herangezogen, der als Positionspapier zu sehen ist<br />

(vgl Hofmann 2011).<br />

14


Genese internationaler Normen Gerechtigkeitsansprüche eine wichtige Rolle einnehmen,<br />

vielmehr noch standen im konkreten Fall verschiedene Gerechtigkeitsprinzipien im Konflikt:<br />

Die untersuchten Staaten bezogen sich dabei vorrangig auf das Völkerrecht als Rechtferti-<br />

gungsnarrativ; hier ist ein Konflikt über das Gewicht verschiedener Rechtsgr<strong>und</strong>lagen erkennbar:<br />

Kann das humanitäre Völkerrecht zu einer Konditionierung des von der VN-Charta<br />

geschützten Rechts auf Souveränität <strong>und</strong> Nichteinmischung herangezogen werden <strong>und</strong> welche<br />

Reichweite hat eine solche Konditionierung? Doch auch spezifische Verweise auf bestimmte<br />

Gerechtigkeitstypen finden sich wieder. Auffällig ist dabei, dass vor allem schwächere Staaten<br />

des Südens, wie Iran oder das NAM, häufig auf Gerechtigkeitsansprüche rekurrierten sowie<br />

Kanada, als prominentester Normunternehmer in Bezug auf die RtoP, während die ständigen<br />

Mitglieder des Sicherheitsrates (mit Ausnahme Chinas) sowie Indien deutlich seltener<br />

auf Gerechtigkeitsmotive verwiesen.<br />

Zusammenfassend lassen sich folgende zentralen Ansprüche erkennen: Indien, Iran <strong>und</strong> das<br />

Non-Aligned Movement sowie China <strong>und</strong> Russland forderten Gerechtigkeit zwischen den<br />

Staaten, in Form von souveräner Gleichheit <strong>und</strong> der Achtung von kulturellen Unterschieden<br />

ein – es wurden gerechtigkeitsbasierte Souveränitätsansprüche formuliert. So betonte z.B. der<br />

indische Vertreter in einer informellen Aussprache der Generalversammlung zum Bericht des<br />

Generalsekretärs im April 2005:<br />

We have studied carefully the Secretary-General’s views on the issue of “responsibility to protect”. […]<br />

We do not believe that discussions on the question should be used as a cover for conferring any legitimacy<br />

on the so-called ‘right of humanitarian intervention’ or making it the ideology of some kind of<br />

“military humanism” […] We believe that just as the rule of law should protect the vulnerable in a society,<br />

so also the rule of international law should protect weak and vulnerable States from the arbitrary<br />

exercise of power by the strong. (Indien 2005)<br />

Indien, Iran <strong>und</strong> das NAM erheben in ihren Statements zudem Ansprüche auf Chancengleichheit<br />

auf internationaler Ebene, insbesondere forderten Sie eine faire Teilhabe am völkerrechtlichen<br />

Diskurs ein. Ebenso verwies Iran in dieser Debatte unter Verweis auf das Prinzip der<br />

Gleichbehandlung zudem auf die Gefahren einer Neudefinition von Souveränität:<br />

“We must demystify this concept and apply the same standards of modernization in its interpretation. In<br />

other words, sovereignty cannot be restricted, <strong>und</strong>er the guise of conforming to the needs of 21st century,<br />

to allow intervention, while at the same time the same sovereignty is expanded to its 19th century<br />

parameters to relax the restrictions on the use of force.” (Iran 2005)<br />

15


Vertreter des Non-Aligned Movement (NAM) teilten die Einschätzung Indiens, betonten das<br />

Bekenntnis des NAM zur Charta der Vereinten Nationen <strong>und</strong> unterstrichen "[…] the need to<br />

preserve and promote its principles and purposes, including the principles of respect for the<br />

sovereignty, territorial integrity and non-interference in the internal affairs of States” sowie<br />

die “rejection by the Movement of the so-called ‘right’ of humanitarian intervention, which<br />

has no basis either in the Charter or in international law”; Unter Verweis auf “similarities between<br />

the new expression ‘responsibility to protect’ and ‘humanitarian intervention’“, verwies<br />

das NAM auf weiteren Bedarf zur Diskussion des Konzepts (NAM 2005).<br />

Vor allem Kanada aber auch Frankreich <strong>und</strong> Großbritannien forderten dagegen stärker Gerechtigkeit<br />

<strong>für</strong> Individuen, in Form des Schutzes der individuellen physischen Unversehrtheit<br />

sowie durch Bestrafung bzw. Beendigung von schweren Menschenrechtsverletzungen. 15<br />

Da-<br />

mit einher ging eine Forderung nach einer Neudefinition von Souveränität. In der oben genannten<br />

Aussprache betonte z.B. der kanadische Vertreter, dass<br />

“[…] we contend that in the Responsibility to Protect, the concept of sovereignty is strengthened, not<br />

weakened, since the basis for intervention by the international community is narrowly limited to a failure<br />

to uphold the very obligations inherent in sovereignty itself. In this sense, Mr. President, the protection<br />

of civilians, and the concept of state sovereignty are mutually reinforcing”. (Kanada 2005)<br />

Im Laufe der Verhandlungen änderten sich die Ansprüche der Akteure unwesentlich. Lediglich<br />

Russland ließ seine prinzipielle Opposition 16<br />

gegen das Konzept der R2P fallen, in Folge<br />

einer Aussprache mit dem kanadischen Botschafter (Bellamy 2009: 87).<br />

Als Kompromiss dieser konfligierenden Gerechtigkeitsansprüche war in den Verhandlungen<br />

eine dreisäulige Schutzverantwortung <strong>für</strong> die Zivilbevölkerung formuliert worden, die die<br />

Verantwortung vorrangig beim Einzelstaat belässt <strong>und</strong> den Geltungsbereich auf Genozid,<br />

Kriegsverbrechen, ethnische Säuberungen <strong>und</strong> Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschränkt.<br />

Zweite Säule ist das Versprechen der internationalen Gemeinschaft den Einzelstaat<br />

15 Die USA saßen prinzipiell mit ihren westlichen Verbündeten in einem Boot, formulieren dies aber auf Gr<strong>und</strong><br />

von Vorbehalten gegenüber einer damit einhergehenden Verpflichtung zur Intervention – ein Anspruch, der<br />

während des Weltgipfels nur von den USA eingebracht wurde – weniger deutlich: „we agree that the host state<br />

has a responsibility to protect its populations from such atrocities, and we agree in a more general and moral<br />

sense that the international community has a responsibility to act when the host state allows such atrocities. But<br />

the responsibility of the other countries in the international community is not of the same character as the<br />

responsibility of the host, and we thus want to avoid formulations that suggest that the other countries are<br />

inheriting the same responsibility that the host state has” (USA 2005).<br />

16 So betonte Russland in den Aussprachen zum Bericht des Generalsekretärs noch, dass es keine breite<br />

Unterstützung <strong>für</strong> die R2P gebe (Russland 2005a), forderte direkt vor dem Weltgipfel (Russland 2005b) dann<br />

schließlich eine strikte Bindung aller Entscheidungen über dein Einsatz von Gewalt an den Sicherheitsrat, ohne<br />

die R2P offen abzulehnen.<br />

16


ei der Erfüllung seiner Verantwortung zu unterstützen. Nur in Fällen in denen der Einzel-<br />

staat sich unwillig oder unfähig zeigt seiner Verantwortung nachzukommen, soll die dritte<br />

Säule, die schnelle <strong>und</strong> entschiedene Reaktion der internationalen Gemeinschaft durch den<br />

Sicherheitsrat, zum Tragen kommen (Ban Ki-Moon 2009). Da die verabschiedete RtoP im<br />

Vergleich zu den Empfehlungen der ICISS, aber auch den Vorschlägen des High Level Panels<br />

<strong>und</strong> Kofi Annans, deutlich schwächer war <strong>und</strong> keine Verpflichtung zum Eingreifen in Fällen<br />

von Massenverbrechen enthielt, wurde sie von Kommentatoren auch als R2P-Lite bezeichnet<br />

(Weiss 2006: 750; vgl. auch Wheeler 2005). So war die Einführung von Kriterien anhand<br />

derer der Sicherheitsrat über den Einsatz von Gewalt entscheiden solle – eine Forderung der<br />

ICISS <strong>und</strong> Kanadas – von den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates einhellig abgelehnt<br />

worden <strong>und</strong> fand somit nicht Eingang in das Abschlussdokument. Das Verbleiben der RtoP<br />

im Gipfeldokument ist daher eher als kleinster gemeinsamer Nenner zu sehen, nicht als Absicht<br />

eine neue völkerrechtliche Norm zu etablieren 17<br />

.<br />

Die weitere Entwicklung nach 2005 – insbesondere die Debatte in der Generalversammlung<br />

2009 – zeigte, dass der gef<strong>und</strong>ene kleinste gemeinsame Nenner <strong>und</strong> die der RtoP zu Gr<strong>und</strong>e<br />

liegenden Prinzipien von nahezu allen in der Staatengesellschaft unterstützt werden, die breite<br />

Unterstützung <strong>für</strong> die Norm aber nicht sonderlich tief gehe (Thakur 2011: 44; Loges 2013:<br />

334). So wurde sie vom VN Sicherheitsrat in den Resolutionen 1674 (2006) <strong>und</strong> 1894 (2009)<br />

zum Schutz von Zivilisten in bewaffneten Konflikten sowie seitdem auch in Resolutionen zu<br />

18<br />

mehreren innerstaatlichen Konflikten aufgegriffen. Gerade in den Disputen über ihre Anwendung<br />

zeigt sich aber die andauernde Umstrittenheit der Bedeutung der R2P <strong>und</strong> besonders<br />

der unter der dritten Säule verfügbaren Instrumente. Offensichtlich wird dies in der lähmenden<br />

Debatte zur sudanesischen Region Darfur (de Waal 2007) <strong>und</strong> in den unterschiedlichen<br />

Bewertungen der NATO-Intervention in Libyen in Folge der Sicherheitsratsresolution 1973<br />

(Dembinski/Reinold 2011).<br />

Am Beispiel der RtoP wird deutlich, dass Gerechtigkeitsansprüche zur Rechtfertigung von<br />

Verhandlungspositionen herangezogen werden. Gr<strong>und</strong>legenden Gerechtigkeitskonflikte darü-<br />

17 Zudem die von der RtoP abgedeckten Verbrechen bereits als völkerrechtlich geächtet angesehen werden<br />

können: Die Genozid Konvention von 1948 verpflichtet alle Staaten dazu Völkermord vorzubeugen <strong>und</strong> ihn als<br />

Straftatbestand zu verfolgen; dies ist nach einem Urteil des Internationale Gerichtshof im Jahr 1996 als erga<br />

omnes-Regel, als <strong>für</strong> alle Staaten gültiges Völkergewohnheitsrecht zu sehen ist <strong>und</strong> daher alle Staaten dazu<br />

verpflichtet sind Völkermord zu verhindern (International Court of Justice 1996). Das römische Statut des<br />

Internationalen Strafgerichtshofes aus dem Jahr 1998 bezeichnet zudem Völkermord, Verbrechen gegen die<br />

Menschlichkeit <strong>und</strong> Kriegsverbrechen als internationale Straftatbestände, welche durch die Unterzeichnerstaaten<br />

zu verfolgen <strong>und</strong> zu bestrafen sind (Vereinte Nationen 1998).<br />

18 Resolutionen 1706 (2006, Darfur), Resolution 1970 (2011, Libyen), Resolution 1973 (2011, Libyen),<br />

Resolution 1975 (2011, Elfenbeinküste); Resolution 2085 (2012, Mali).<br />

17


er, ob die VN-Charta oder das humanitäre Völkerrecht schwerer wiegen sowie darüber, ob<br />

Gerechtigkeit zwischen den Staaten in Form von souveräner Gleichheit oder Gerechtigkeit <strong>für</strong><br />

Individuen, in Form des Schutzes der individuellen physischen Unversehrtheit, wichtiger sind,<br />

konnten in der Verhandlungsphase nicht aufgelöst werden <strong>und</strong> bestehen nach wie vor. Eben<br />

diese ungelösten Dispute scheinen in Fällen der Normumsetzung wieder aufzubrechen <strong>und</strong><br />

eine Anwendung der Norm zu erschweren, wie es derzeit auch in der Debatte über den Syrienkonflikt<br />

beobachtbar ist. Eine weitergehende Forschung zum Einfluss ungelöster Gerechtigkeitskonflikte<br />

in der Entstehungsphase auf die spätere Anwendung einer internationalen<br />

Norm erscheint im Lichte dieser Ergebnisse vielversprechend.<br />

6. Fallstudie „Arms Trade Treaty“<br />

Der Fall der „Schutzverantwortung“ erscheint naheliegend, will man der Frage nachgehen,<br />

inwieweit divergente staatliche Gerechtigkeitsvorstellungen – <strong>und</strong> hier insbesondere das<br />

Spannungsfeld zwischen Menschenrechten <strong>und</strong> Souveränität – die Entstehung globaler Regu-<br />

lierungen beeinflussen. In diesem Fall war der Streit um die Interpretation der f<strong>und</strong>amentalen<br />

Norm der Souveränität konstitutiv <strong>für</strong> die Normgenese. Doch auch in der humanitären Rüs-<br />

tungskontrolle 19<br />

stellen Unterschiede in Gerechtigkeitsvorstellungen zwischen Staaten die<br />

Verhandlungsdelegationen vor erhebliche Herausforderungen <strong>und</strong> haben Auswirkungen auf<br />

Verhandlungslösungen. Dies zeigt sich insbesondere auch in Verhandlungen zur Rüstungskontrolle<br />

<strong>und</strong> Nichtverbreitung (Müller/W<strong>und</strong>erlich 2013; Becker-Jakob 2011). Im Fall des<br />

Kleinwaffenaktionsprogrammes bedeutet dies, dass ungelöste Gerechtigkeitskonflikte in der<br />

Umsetzungsphase der politisch-verbindlichen Regulierung immer wieder aufbrechen <strong>und</strong> die<br />

Implementierung erheblich erschweren. Dies gilt insbesondere <strong>für</strong> die Frage der Regulierung<br />

des staatlichen Kleinwaffenhandels sowie <strong>für</strong> die Begrenzung des zivilen Waffenbesitzes <strong>und</strong><br />

den Transfer von Kleinwaffen an nicht-staatliche Akteure (Wisotzki 2013; 2009; 2009a).<br />

Mit dem Fokus auf „menschliche Sicherheit“ ist ein veränderter normativer Rahmen geschaffen<br />

worden, der ethische Aspekte des menschlichen Wohlergehens sowie die Realisierung<br />

19 Die humanitäre Rüstungskontrolle entstand als Folge des Waffenmissbrauchs an der Zivilbevölkerung in<br />

innerstaatlichen Konflikten. Ihren Ausgang nahm sie in den frühen 1990er Jahren mit der transnationalen<br />

Kampagne von Nichtregierungsorganisationen zum Verbot von Anti-Personenminen, die schließlich in<br />

Verhandlungen zum Mine Ban Treaty (MBT) von 1997 mündeten. Weitere Abkommen der humanitären<br />

Rüstungskontrolle sind das Streumunitionsverbot sowie das Kleinwaffenaktionsprogramm. Gemeinsam ist<br />

diesen Abkommen/Aktionsprogramm, menschliches Leid durch ein vollständiges Verbot bzw. verbesserte<br />

Kontrollmechanismen zu verringern <strong>und</strong> menschliche Sicherheit zu verbessern. Siehe dazu Wisotzki 2009:1.<br />

18


von entwicklungspolitischen Zielen <strong>und</strong> Menschenrechten in den Blickpunkt der Weltgemein-<br />

schaft gerückt hat. 1994 hat UNDP mit dem Begriff der „menschlichen Sicherheit“ ein Um-<br />

denken in der globalen Sicherheitspolitik eingeleitet. Nicht mehr staatliche Sicherheit allein,<br />

also die Unverletzbarkeit der äußeren Grenzen <strong>und</strong> das Prinzip der Nicht-Einmischung in die<br />

inneren Angelegenheiten von Staaten, sondern die individuelle, menschliche Sicherheit sollten<br />

Ziel globaler Politik sein. Dies zeigt sich auf der Ebene der Normentwicklung auch in der<br />

rasanten Entwicklung der humanitären Rüstungskontrolle. 1997 konnte mit dem Anti-<br />

Personenminenverbot eine konventionelle Waffenkategorie vertraglich verboten werden. Ihr<br />

folgten 2001 Bemühungen, mit dem Kleinwaffenaktionsprogramm den unkontrollierten <strong>und</strong><br />

illegalen Handel mit kleinen <strong>und</strong> leichten Waffen (also von Pistolen bis hin zu tragbaren Raketenwaffen)<br />

einzudämmen. 2008 gelang es schließlich, ein Verbot von Clustermunition auf<br />

den Weg zu bringen. Von einem sicherheitspolitischen Paradigmenwechsel zu sprechen, erscheint<br />

jedoch verfrüht, weil in der Tat dieses von manchen Experten schon als „neuer<br />

Humanitarismus“ bezeichnete kosmopolitische Engagement von Staaten <strong>und</strong> transnational<br />

engagierter Zivilgesellschaft, Menschenrechte auch jenseits staatlicher Grenzen zu schützen,<br />

durch jenes traditionelle Denken <strong>und</strong> Handeln konterkariert wird, dass die staatliche Sicherheit<br />

<strong>und</strong> Stabilität in den Mittelpunkt stellt. Dieses Souveränitätsverständnis findet sich als<br />

Ideenkonstrukt auch auf Ebene der Vereinten Nationen, etwa im Rahmen der VN-Charta,<br />

beispielsweise im Rahmen von Artikel 2(7), dem Recht auf territoriale Integrität <strong>und</strong> Nicht-<br />

einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten oder mit Artikel 51, dem Recht auf<br />

Selbstverteidigung im Fall eines erfolgten Angriffs.<br />

In den Verhandlungen zum Vertrag zur Kontrolle des globalen Waffenhandels (Arms Trade<br />

Treaty/ATT) waren die die oben genannten Gegensätze bestimmend <strong>für</strong> die Auseinandersetzung<br />

zwischen verschiedenen Staatengruppen. 20 Der Vertrag, der in der ersten Verhandlungs-<br />

r<strong>und</strong>e im Juli 2012 am Widerstand der Vereinigten Staaten <strong>und</strong> Russlands gescheitert war,<br />

soll in einer zweiten Verhandlungsr<strong>und</strong>e im März 2013 zum erfolgreichen Abschluss gebracht<br />

werden. Der Vertrag zielt darauf ab, menschliches Leid, verursacht durch „irresponsible arms<br />

trade“ zu verringern, indem auf globaler Ebene Kriterien <strong>für</strong> eine Regulierung des staatlichen<br />

Handels mit konventionellen Waffen vereinbart werden. 21<br />

Auch ging es darum, eine „over-<br />

whelming norm against transferring arms when there is a risk of violation of human rights and<br />

20 Diese Ausführungen basieren zunächst allein auf eigenen Mitschriften der Statements verschiedener Staaten<br />

während der Verhandlungen sowie Interviews <strong>und</strong> teilnehmender Beobachtung während der ATT-<br />

Verhandlungen im Juli 2012 in New York.<br />

21 Solche Kriterien gibt es schon auf der regionaler Ebene, beispielsweise in Form des gemeinsamen EU-<br />

Standpunktes <strong>für</strong> Waffenausfuhren von 2008. Siehe dazu GKKE 2012.<br />

19


international humanitarian law, including acts of gender-based violence“ zu schaffen. Zwar<br />

zeigte sich in den Verhandlungen zunächst ein breiter Konsens zwischen den Staaten, huma-<br />

nitäres Völkerrecht <strong>und</strong> Menschenrechte als Gr<strong>und</strong>lagen <strong>für</strong> einen verantwortungsvollen staat-<br />

lichen Waffenhandel zu verankern, doch regte sich schnell Widerspruch gegen eine als zu<br />

weit oder zu liberal verstandene Auslegung von Menschenrechte. Insbesondere der Iran, aber<br />

auch arabische Staaten, wie Ägypten, wehrten sich wiederholt gegen die Betonung von Frauenmenschenrechten<br />

im Vertragstext <strong>und</strong> verwiesen auf ihre jeweiligen kulturell-religiösen<br />

Besonderheiten.<br />

Insgesamt fand sich eine große Staatenmehrheit, die sich <strong>für</strong> die Verankerung humanitärer<br />

Prinzipien stark machte. Dabei ging es nicht nur um das Kriterium der Menschenrechte, sondern<br />

etwa auch um Kooperation <strong>und</strong> Hilfeleistung bei der Umsetzung etwaiger neuer Vertragsregelungen<br />

in nationale Gesetzgebung, gerade auch <strong>für</strong> Länder des globalen Südens. Die<br />

Bedeutsamkeit von Menschenrechten bzw. deren Missbrauch als Kriterium <strong>für</strong> eine Verweigerung<br />

von Rüstungsexporten wurde von Staaten des Westens, allen voran der EU, aber auch<br />

von Ländern des globalen Südens, beispielsweise der Staaten Sub-Sahara Afrikas, stark gemacht.<br />

Solche Bemühungen stießen jedoch durchaus <strong>und</strong> oftmals auf Widerstand bei solchen<br />

Staaten, die ihre souveränen Staatenrechte betonten. Am deutlichsten artikulierte China jenen<br />

Antagonismus, indem es darauf hinwies, dass es erstmals humanitäres Völkerrecht <strong>und</strong> Men-<br />

schenrechte als Bewertungsgr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> Waffenexporte unterstütze, gleichzeitig aber auch<br />

auf die normative Verankerung des Prinzips der Nicht-Einmischung in die inneren Angele-<br />

genheiten von Staaten pochte. Arabische Staaten, wie Ägypten <strong>und</strong> Algerien, drängten auf das<br />

Recht der staatlichen Selbstverteidigung nach Artikel 51, das in einer weiten Interpretation<br />

auch die Selbstbewaffnung von Staaten einschlösse. Diese Bedenken wurden in einer mehrmaligen<br />

Revision der Präambel des Vertrages stärker Rechnung getragen. Überhaupt war die<br />

Sorge des globalen Südens spürbar, der ATT könne als hegemoniales Instrument der mächtigen<br />

Industrienationen <strong>und</strong> Waffenexporteure diskriminierend gegen sie gerichtet sein <strong>und</strong> sie<br />

am technologischen Fortschritt hindern. Verschiedene Staaten des globalen Südens forderten<br />

die Einrichtung einer Schiedsgerichtsstelle, in der Fragen des Rüstungstransfers beraten werden,<br />

die zwischen exportierendem <strong>und</strong> importierendem Staat strittig sind. Diese Forderung<br />

konnte sich letztlich nicht durchsetzen.<br />

Blickt man auf den nahezu vollständig ausgehandelten Vertragstext des ATT, so finden sich<br />

insbesondere in der Präambel <strong>und</strong> den Prinzipien Hinweise auf souveräne Staatenrechte. Auch<br />

20


in den Zielen <strong>und</strong> Absichten des Vertrages findet sich die Ambivalenz zwischen der Wahrung<br />

individueller, menschlicher Sicherheit <strong>und</strong> einem möglichen Beitrag von Rüstungstransfers,<br />

die Sicherheit <strong>und</strong> Stabilität von Staaten zu wahren <strong>und</strong> somit Teil souveräner Staatenrechte<br />

zu sein, wieder. Dieser Streit vor allem zwischen den großen Rüstungsexporteuren (US, RUS)<br />

<strong>und</strong> betroffenen afrikanischen Staaten brach in den Verhandlungen zu den Kriterien zur Regulierung<br />

staatlicher Waffenexporteure wieder auf. Dort einigte man sich schließlich auf einen<br />

Kompromiss in der Formulierung („arms exports contribute to and <strong>und</strong>ermine peace and security“).<br />

Umstritten war aber beispielsweise auch die Reichweite des Vertrages: Geht es darum,<br />

vor allem zu verhindern, dass legale gehandelte Waffen nicht in den illegalen Kreislauf gelangen<br />

oder geht es insgesamt um eine Reglementierung <strong>und</strong> Neugestaltung des weltweiten<br />

Handels mit Rüstungsgütern entlang spezifischer Kriterien, die neben Völkerrecht <strong>und</strong> Men-<br />

schenrechten etwa auch die Korruption <strong>und</strong> die nachhaltige Entwicklung des Empfängerlandes<br />

bewerten. Als einer der „neuen Gestaltungsmächte“ in der Weltpolitik machte auch Indien<br />

seine Souveränitätsrechte geltend, indem es auf Ausnahmeregelungen bei Waffentransfers<br />

pochte, sollten zwischen Staaten Verteidigungsabkommen <strong>und</strong> –kooperationen bestehen. 22<br />

Dieser Antagonismus zwischen humanitären Prinzipien <strong>und</strong> Souveränitätsansprüchen hat den<br />

Aushandlungsprozess zwischen den Staaten erheblich belastet <strong>und</strong> trug mit dazu bei, dass die<br />

Verhandlungen zum ATT vorläufig gescheitert sind. Dabei wäre es zu einfach, zu sagen, es<br />

habe sich dabei allein um einen Streit zwischen dem „Westen <strong>und</strong> dem Rest“ gehandelt –<br />

vielmehr zeigt der Blick auf die Gerechtigkeitskonflikte, dass der Stellenwert, den westliche<br />

Staaten dem Kriterium der Menschenrechte einräumen, stark schwankt, je nachdem, ob <strong>und</strong><br />

inwieweit sie mit der Frage der Rüstungsexporte auch sicherheitspolitische oder wirtschaftli-<br />

che Interessen verbinden. Doch nicht nur allein die Gerechtigkeitskonflikte um die f<strong>und</strong>amentalen<br />

Normen belasteten die Verhandlungen, auch Fairnessfragen <strong>und</strong> Konflikte um Teilnah-<br />

megerechtigkeit waren virulent. So hielt das ägyptische Ersuchen um „full voting rights“ <strong>für</strong><br />

die palästinensische Delegation die Verhandlungen zwei Tage in Atem. China widersetzte<br />

sich dem Ersuchen der EU-Delegation, als regionale Organisation einen ATT unterzeichnen<br />

zu können.<br />

Gescheitert sind die Verhandlungen letztlich am ambivalenten Verhalten der Vereinigten<br />

Staaten von Amerika. Hier hat vor allem die innerstaatliche Waffenlobby, die National Rifle<br />

Association, mit Hilfe von 51 US-Senatoren wirkungsvoll Stimmung gegen einen ATT ge-<br />

22 Indien hat seit 2005 ein Verteidigungsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika.<br />

21


macht. Am Ende gab es kein grünes Licht aus der Obama-Administration, was wohl auch<br />

dem Vorwahlkampf geschuldet war. Auch Russland meldete Zweifel daran an, dass den vorliegenden<br />

Vertrag mittragen könne. Der offenen artikulierte Widerstand der beiden Staaten<br />

am letzten Tag der Verhandlungen sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem<br />

Konsens der 193 Staaten der Vereinten Nationen noch eine Reihe ungelöster Gerechtigkeits-<br />

konflikte entgegen stehen, die die weiteren Verhandlungen im März diesen Jahres erheblich<br />

belasten dürften.<br />

7. Fazit<br />

Unterschiedliche Gerechtigkeitsauffassungen prägen die Verhandlungen zu globalen Regulie-<br />

rungen <strong>und</strong> lassen zumindest teilweise einzelne Normen scheitern. Während aus der kosmopolitischen<br />

Perspektive sich ein Trend in Richtung Weltgesellschaft in der internationalen<br />

Politik abzeichnet, mahnt der Blick auf die von Staaten dominierten multilateralen Verhandlungsprozesse<br />

zu einer vorsichtigeren Perspektive. So erscheinen Souveränität <strong>und</strong> die damit<br />

verb<strong>und</strong>en Prinzipien der territorialen Integrität <strong>und</strong> Selbstbestimmung längst nicht als vermuteter<br />

Anachronismus, sondern vielmehr als realpolitischer Anspruch an eine gerechte norma-<br />

tive Ordnung. Auch zeigt ein erster kursorischer Blick auf die beiden Fallstudien der R2P <strong>und</strong><br />

des ATT, dass die Relevanz staatlicher Grenzen, an denen globale Normen enden oder schei-<br />

tern, längst nicht nur vom globalen Süden als Geltungsanspruch eingefordert wird – vielmehr<br />

finden sich auch unter den westlichen Staaten einige, die ihre souveränen Staatenrechte nach<br />

außen hin betonen <strong>und</strong> darauf in Verhandlungen insistieren. Dagegen finden sich unter den<br />

Staaten des globalen Südens zahlreiche Stimmen, die eine stärkere Verantwortung der inter-<br />

nationalen Staatengemeinschaft <strong>für</strong> die individuelle Sicherheit <strong>und</strong> die Wahrung von Menschenrechten<br />

jenseits der eigenen staatlichen Grenzen anerkennen <strong>und</strong> in Normbildungsprozessen<br />

auch einfordern.<br />

An den Verhandlungen zur R2P wird deutlich, dass besonders die USA, aber auch Frankreich<br />

<strong>und</strong> Großbritannien sehr wohl ihre souveränen Rechte als ständige Mitglieder des Sicherheitsrates<br />

geschützt wissen wollen. Auf der anderen Seite leisteten in den Verhandlungen zur R2P<br />

Staaten wie Südafrika <strong>und</strong> Tansania gemeinsam mit Kanada wichtige Überzeugungsarbeit auf<br />

Seiten der Staaten des globalen Südens (Bellamy 2009). Am Ende der Verhandlungen konnte<br />

22


ein Minimalkonsens erreicht werden, welcher, trotz aller Kritik an dessen Schwäche im Ver-<br />

gleich zu den ursprünglichen Zielen der ICISS, sehr wohl eine Verantwortung über staatliche<br />

Grenzen hinweg feststellt. Dieser adressiert die in den Verhandlungen artikulierten Gerech-<br />

tigkeitsansprüche der untersuchten Akteure: Substantiell, wird im Falle der vier benannten<br />

Verbrechen, ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft zum Schutz bedrohter Bevölke-<br />

rungsgruppen ermöglicht, was eine gewisse Stärkung des liberalen Verständnisses vom Indi-<br />

viduum als Bezugspunkt von Sicherheit bedeutet, welches mit dem Konzept menschlicher<br />

Sicherheit in den 1990ern Einzug in die internationale Politik gehalten hatte (Newman 2001),<br />

<strong>und</strong> somit den Ansprüchen der westlichen Normunternehmer gerecht wird. Andererseits wurden<br />

die Bedenken der Kritiker auf der prozeduralen Ebene aufgegriffen, in der Bindung der<br />

Entscheidung an den Sicherheitsrat, um unilaterale Interventionen zu verhindern. Dieser soll<br />

schließlich seine Entscheidung darüber, ob ein Staat in seiner Verantwortung versagt hat <strong>und</strong><br />

darüber, welche Mittel zum Einsatz kommen, abhängig von der jeweiligen Situation, von Fall<br />

zu Fall, treffen. So konnte in intensiven Verhandlungen ein vorläufiger Konsens gef<strong>und</strong>en<br />

werden, welcher im Gegensatz zum Konzept der humanitären Intervention <strong>für</strong> alle Beteiligten<br />

als annehmbar bezeichnet werden kann. Wie sich aber in der Inhaltsanalyse gezeigt hat, konnten<br />

die zu Gr<strong>und</strong>e liegenden Gerechtigkeitskonflikte nicht aufgelöst werden. Inzwischen<br />

zeichnet sich ab, dass dies zu einer hohen Umstrittenheit der Interpretation der Norm <strong>und</strong> der<br />

Bedingungen ihrer Umsetzung zu führen scheint.<br />

Auch die Fälle der humanitären Rüstungskontrolle zeigen den Zusammenhang ungelöster<br />

Gerechtigkeitskonflikte der Entstehungsphase <strong>und</strong> wieder aufbrechender Konflikte in der<br />

Umsetzungsphase der Regulierung. In der Bewertung des ATT ist es zu früh, eine solche Bewertung<br />

vorzunehmen, sind die bisherigen Verhandlungsbemühungen in der ersten R<strong>und</strong>e<br />

vorläufig gescheitert. Dennoch ist er <strong>für</strong> die Untersuchung ein besonders interessanter Fall, da<br />

eine rechtlich verbindliche, globale Regulierung konventioneller Waffenexporte tiefe Eingriffe<br />

in die innere Souveränität von Staaten verlangen würde. Dennoch zeichnet sich auch hier<br />

ein Minimalkonsens universeller Gerechtigkeitsvorstellungen ab, der zeigt, dass sich auch in<br />

der Staatenwelt so etwas wie eine Verantwortung jenseits staatlicher Grenzen abzeichnet. Im<br />

Fall des ATTs besteht diese Verantwortung primär darin, bestehende Normen des internatio-<br />

nalen Völkerrechts <strong>und</strong> der Menschenrechte prinzipiell Geltung auch im Hinblick auf nationale<br />

Entscheidungen zu Waffenexporten zu verleihen. Umstritten bleibt dagegen die Reichweite<br />

von Menschenrechten, beispielsweise in der Form der Frage, welche Geltungskraft Frauenmenschenrechte<br />

<strong>für</strong> diesen Regulierungsfall haben. Für den ATT zeigt sich jedoch ebenso,<br />

23


dass die Konfliktlinien im Hinblick auf das Spannungsfeld Menschenrechte – Souveränität<br />

nicht nur zwischen dem „Westen <strong>und</strong> den Anderen“ verlaufen. Vielmehr schwankt auch bei<br />

den westlichen Staaten der Stellenwert, den diese den Menschenrechten als Kriterium ein-<br />

räumen – je nachdem, ob <strong>und</strong> inwieweit sie mit der Frage der Rüstungsexporte auch macht-<br />

<strong>und</strong> sicherheitspolitische oder wirtschaftliche Interessen verbinden. Solche Kategorien werden<br />

im Rahmen des Forschungsprojektes ebenfalls berücksichtigt, um den Stellenwert der Gerechtigkeitsforderungen,<br />

aber auch die möglicherweise strategische Verwendung solcher Argu-<br />

mentationslinien identifizieren zu können.<br />

Unsere Ergebnisse bestätigen die Vermutung der Normen- <strong>und</strong> Gerechtigkeitsforschung in<br />

den Internationalen Beziehungen. Die Kontestationsforschung verweist darauf, dass insbesondere<br />

f<strong>und</strong>amentale Normen, wie Menschenrechte oder Souveränität, zum Streitfall zwischen<br />

den Staaten werden können. Die Gerechtigkeitsforschung verweist darauf, dass strittige<br />

Gerechtigkeitsansprüche zwischen Akteuren nachhaltige Verhandlungslösungen erschweren.<br />

Von zentraler Bedeutung werden solche ungelösten Gerechtigkeitskonflikte möglicherweise<br />

in der Anwendung <strong>und</strong> Umsetzung der globalen Regulierungen. Dies zeigt sich deutlich im<br />

Fall der Schutzverantwortung, aber auch in der humanitären Rüstungskontrolle. In den An-<br />

wendungsdebatten, so zeigen erste empirische Untersuchungen, brechen zuvor ungelöste Gerechtigkeitskonflikte<br />

wieder auf. Und doch zeichnet sich in der internationalen Staatenge-<br />

meinschaft ein vorsichtiger Minimalkonsens in Fragen der moralischen Verpflichtung jenseits<br />

staatlicher Grenzen ab. Zunächst sind die Staaten selbst <strong>für</strong> die Sicherheit <strong>und</strong> den Schutz<br />

ihrer Bürger verantwortlich, doch werden Prämissen der menschlichen Sicherheit zunehmend<br />

handlungsbestimmend. Ungleich umstrittener bleibt die Frage der äußeren Verantwortung<br />

(external responsibility) von Staaten, wenn Länder die Schutzverantwortung gegenüber ihren<br />

Bürgern nicht wahrnehmen. Im Outcome Document des Weltgipfels 2005 haben sich die<br />

Staaten im Hinblick auf die Schutzverantwortung nur zu einem Minimalkompromiss durchringen<br />

können, der diese äußere Verantwortung mit Vorsicht formuliert. Neben der Schutz-<br />

verantwortung der Staatengemeinschaft, wird auch die Verantwortung <strong>für</strong> die Prävention von<br />

Konflikten <strong>und</strong> die Verantwortung des Wiederaufbaus nach Beendigung von Konflikten betont.<br />

Schwere Menschenrechtsverletzungen sind der Extremfall, mit denen sich die internatio-<br />

nale Staatengemeinschaft dennoch regelmäßig auseinanderzusetzen hat, doch unterhalb dieser<br />

Ebene übernehmen Staaten beispielsweise in Programmen der Entwicklungszusammenarbeit<br />

oder der Sicherheitssektorreform eine Vielzahl von Funktionen <strong>und</strong> Aufgaben, die moralischen<br />

Prinzipien der Verantwortung oder Solidarität jenseits eigener staatlicher Grenzen ent-<br />

24


sprechen. Menschliche Sicherheit zu stärken, war auch <strong>für</strong> die humanitäre Rüstungskontrolle<br />

ein konstitutives Element, was in den Entstehungsprozessen der verschiedenen globalen Re-<br />

gulierungen von Staaten immer wieder in Anschlag gebracht wurde.<br />

Moralische Geltungsansprüche werden nicht nur von Seiten der IPT oder der IB formuliert –<br />

ausgerechnet der ansonsten als Hardliner oder „Realist“ bezeichnete ehemalige US Botschafter<br />

John Bolton verwies auf die „moral responsibility“ von Staaten, bei schweren Menschen-<br />

rechtsverletzungen zu handeln. Zugleich wählte er diesen Ausweg unter dem Hinweis, dass<br />

sich aus bestehendem internationalem Völkerrecht keine solchen rechtlichen Verpflichtungen<br />

ableiten lassen <strong>und</strong> die Vereinigten Staaten von Amerika dies auch nicht wünschten (Stahn<br />

2008: 108). Doch ein solcher „moralischer Ausweg“ öffnet zugleich Ermessensspielräume der<br />

Rechtfertigung unilateralen Handelns <strong>und</strong> unterstreicht den Vorwurf seitens des globalen Südens<br />

der strategischen Inanspruchnahme moralischer Prinzipien. Ähnliche Vorwürfe müssen<br />

sich auch normative Theorien der IPT sowie IB gefallen lassen. Sowohl im Kosmopolitismus<br />

als auch im liberalen Internationalismus zeichnet sich eine Tendenz der argumentativen<br />

Entgrenzung von Gewalthandeln <strong>und</strong> militärischer Interventionen ab. Krieg wird moralisch<br />

gerechtfertigt <strong>und</strong> legitim, um einen gerechteren Staat im Sinne der Gewährleistung bürgerli-<br />

cher Gr<strong>und</strong>freiheiten zu schaffen oder der kommenden Institutionalisierung von Weltbürgerrechten<br />

vorzugreifen. Anstelle des rechtlichen tritt das moralische Argumentieren – gefragt<br />

wird dann nicht mehr, ob ein Krieg legal ist, sondern ob er moralisch vertretbar ist. Doch damit<br />

wird das Projekt der Aufklärung der Herrschaft eines durch praktische Vernunft gebän-<br />

digten Rechts zugunsten von Gerechtigkeitsprinzipien aufgegeben (Brock 2011;<br />

Koskienniemi 2009). Wenn liberale Internationalisten auf die Verantwortung von Demokra-<br />

tien <strong>für</strong> eine notfalls gewaltsame Zivilisierung von Unrechtsregimen verweisen, verdeutlichen<br />

sie damit die Idiosynkrasien moralischer gerechtfertigter Weltordnungspolitik <strong>und</strong> bestätigen<br />

die Sorge nicht-westlicher Staaten vor westlich dominierten, universalistischen Herrschaftsansprüchen<br />

– derartige Überlegungen konterkarieren neuere Ansätze der Gerechtigkeitsforschung,<br />

die dem Diskurs über umstrittene Geltungsansprüche von Normen – <strong>und</strong> somit auch<br />

Gerechtigkeitsansprüchen – eine zentrale Bedeutung zuschreibt. Die Frage nach der Verantwortung<br />

jenseits staatlicher Grenzen unterstreicht im Hinblick auf die Reichweite der moralischen<br />

Verpflichtungen die Notwendigkeit einer stärker empirisch ausgerichteten Gerechtigkeitsforschung,<br />

die sich am Ist-Zustand orientiert <strong>und</strong> ermittelt, ob <strong>und</strong> inwieweit sich auch in<br />

der Gemeinschaft der Staaten universelle Gerechtigkeitsüberzeugungen abzeichnen <strong>und</strong> wo<br />

Differenzen, Friktionen <strong>und</strong> weiterer Aushandlungsbedarf besteht.<br />

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