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Sprachkontakt III: Skript - Universität Konstanz

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• Die Verwendung einer Präposition mit der Bedeutung ‘hinter’ als Basis einer<br />

Komparativ-Konstruktion ist weltweit auffällig. Sie ist auch in Europa ungewöhnlich<br />

und nur im südöstlichen Bereich der ‘Circum Baltic Area’ vertreten; vgl. dazu Bsp.<br />

(11a-d) in Abschnitt 2.1. Innerhalb dieses verhältnismäßig kleinen Areals ist es für<br />

slavische Varietäten, die im Kontakt mit dem Baltischen (Litauischen) stehen (bzw.<br />

gestanden haben), sogar erwartbar, dass sie diese Konstruktion aufweisen. Auf dem<br />

Hintergrund dieses kleinen Areals ist die ‘hinter’-Konstruktion der Komparation also<br />

unmarkiert, erweitert man den arealen Radius wenigstens um die gesamte ‘Circum<br />

Baltic Area’, erweist sie sich bereits als markiert 5 .<br />

Derartige Beispiele ließen sich nahezu beliebig mehren. Das Prinzip besteht darin, dass sich<br />

bei einer Vergrößerung oder einer Verkleinerung des Areals, innerhalb dessen eine jeweils<br />

analysierte Sprache (Varietät) gesprochen wird und Kontakt mit anderen Sprachen aufweist,<br />

die Markiertheits-Verhältnisse umdrehen können. Dabei sollten man berücksichtigen, dass für<br />

die Beschreibung eines bestimmten <strong>Sprachkontakt</strong>s (und die Erklärung seiner Folgen auf<br />

struktureller Ebene) der areale Rahmen nicht beliebig erweitert werden kann; denn für die<br />

Sprecher der betreffenden Varietät spielen weltweite oder auch kontinentweite Bezüge mit<br />

Sicherheit kaum oder gar keine Rolle – auch wenn es zu „Kettenreaktionen“ der<br />

<strong>Sprachkontakt</strong>-Vermittlung kommen kann (s. Ende von 5.4).<br />

Aus analytischer Perspektive geht für einen Linguisten damit einher, dass bei einer<br />

Verringerung des arealen Umfangs der betrachteten Kontaktsprachen sich auch die<br />

strukturellen und funktionalen Kriterien verfeinern lassen, gemäß welcher nach<br />

Konvergenzen in einem Areal gesucht werden kann. So hat Nichols (1992) aufgrund einer<br />

weltweiten typologischen Studie zeigen können, dass selbst relativ „grobe“ Merkmale 6 sich<br />

nicht gleichmäßig auf die Sprachen der Welt verteilen. Mit anderen Worten: es gibt areale<br />

Biase (Abweichungen) von einer Zufallsverteilung, und das lässt auf sehr langwierige und<br />

sehr weiträumige <strong>Sprachkontakt</strong>e schließen. Die genannten Merkmale (s. Fn. 6) sind aber so<br />

grob (und buchstäblich „global“), dass sie auf der Ebene kleinerer Areale zum größten Teil an<br />

Aussagekraft verlieren; sie sind dann nicht mehr differenziell. (Ausführlicher dazu in Wiemer<br />

2003, 2004a.)<br />

Zum Schluß soll noch illustriert werden, wie sich auf europäischer Ebene Gruppierungen nach<br />

Sprachfamilien („genetisch“) und Gruppierungen aufgrund von grammatischen Konvergenzen<br />

(areal) übereinander legen können. Man kann dies von zwei Seiten aus tun. Zum einen indem<br />

man ausgehend von einem geographisch zusammenhängenden Gebiet, in welchem gegenüber<br />

den benachbarten Gebieten dieselbe Erscheinung auftritt, darauf hinweist, welche Sprachen<br />

(Varietäten) verschiedener genetischen Gruppierungen zu diesem Gebiet gehören. Das soll<br />

gleich am Beispiel der Umdeutung des Perfekts zu einem allgemeinen Präteritum gezeigt<br />

werden. Und zum anderen indem man zeigt, wie sehr sich Sprachen, die zu einer<br />

Sprachfamilie gehören, durch Kontaktbeziehungen voneinander wegentwickelt haben und an<br />

unterschiedlichen arealen Verbänden teilhaben. Dies wird gleich abschließend anhand der<br />

Futurbildungen im Slavischen gezeigt werden.<br />

5<br />

Natürlich sind solche Konstruktionen markiert (auffällig) auch gegenüber den jeweiligen Standardvarietäten<br />

(Russisch, Polnisch), welche nicht zu diesem Areal gehören.<br />

6<br />

Es waren dies die folgenden: (a) Alignment, d.i. die Unterscheidung zwischen Nominativ- und Ergativ-<br />

Sprachen (wobei bei Ergativ-Sprachen nur die morphologische Seite betrachtet wird), (b) head vs. dependent<br />

marking, (c) morphologische Komplexität („gemessen“ anhand der Zusammensetzung von Wortformen), (d)<br />

Grundwortstellung (SVO, SOV, VSO etc.).<br />

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