Sprachkontakt III: Skript - Universität Konstanz
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(v) Passivbildung mithilfe von Partizipien:<br />
Die überwiegende Zahl der europäischen Sprachen bildet ein Passiv nur auf analytischem<br />
Weg mithilfe eines Auxiliars (‘sein’ oder ‘werden’) und einem Partizip (s. Bsp. 55a), also so<br />
wie im Deutschen. Andere Arten der Passivbildung sind nur rudimentär vertreten bzw. an den<br />
„Rändern“ des europäischen Sprachraums; so z.B. im Russischen, welches neben dem<br />
analytischen Passiv (55a) auch eine Bildung mit einem Reflexivmarker (55b) kennt:<br />
(55a) Dom byl postroen v prošlom godu.<br />
Haus.NOM.SG.M sein.PAST.SG.M gebaut.NOM.SG.M in letztes Jahr.LOK<br />
,Das Haus wurde im letzten Jahr gebaut.’<br />
(55b) Dom vsё eščё stroit-sja.<br />
Haus.NOM.SG.M immer noch bauen.IPF.PRS.3.SG-RM<br />
,Das Haus wird immer noch gebaut.’<br />
(vi) dominante Ableitung dekausativer Verben von kausativen (anstatt umgekehrt)<br />
mithilfe eines Reflexivmarkers („anticausative prominence“):<br />
Semantisch gibt es eine relativ regelmäßige Beziehung zwischen fremdverursachten<br />
(kausierten) und spontan aufkommenden Ereignissen; vgl. z.B. die semantische Beziehung<br />
zwischen dt. aufwecken (kausiert) und aufwachen (spontan). Das Verb, welches ein von außen<br />
verursachtes Ereignis bezeichnet, nennt sich ‘kausativ’, das andere ‘dekausativ’; solche<br />
Verben unterscheiden sich semantisch im wesentlichen nur im Merkmal [± kausativ].<br />
Morphologisch kann man entweder Kausativa aus Dekausativa ableiten oder umgekehrt<br />
Dekausativa aus Kausativa. In europäischen Sprachen besteht die Tendenz zur Ableitung von<br />
Dekausativa aus Kausativa, und zwar mithilfe eines Reflexivmarkers (dt. sich, franz. se,<br />
tschech. se, poln. się, russ. -sja wie in Bsp. 55b, lit -si-). Dieses Verfahren ist produktiv. Vgl.<br />
ein paar repräsentative Verbpaare:<br />
(56) dt. öffnen ⇒ sich öffnen<br />
franz. casser ,kaputt machen’ ⇒ se casser ,kaputt gehen’<br />
poln. rozbić ,in Stücke schlagen’ ⇒ rozbić się ,in Stücke gehen’<br />
lit. paversti ,zu etwas machen’ ⇒ pasiversti ,zu etwas werden’.<br />
Die mit einem Reflexivmarker abgeleiteten Verben werden als ‘Antikausativa’ bezeichnet<br />
(weil durch den Reflexivmarker das Merkmal [+ kausativ] gewissermaßen „abgezogen“<br />
wird).<br />
(vii) Kodierung eines externen Possessors über den Dativ:<br />
Eine possessive (den Besitz oder die Zugehörigkeit anzeigende) Relation besteht aus einem<br />
Possessee (dem „Besessenen“) und einem Possessor (dem „Besitzenden“). Der Possessee<br />
kann syntaktisch verschieden realisiert werden. Wird er nicht als Attribut einer NP kodiert<br />
(wie etwa in mein-es Bruder-s Haus mit einem Genitiv), sondern über eine syntaktisch<br />
unabhängige NP oder PP (Präpositionalphrase), heißt er ‘extern’. Sprachen des SAE-Typs<br />
neigen dazu, einen solchen externen Possessor im Dativ zu kodieren. Vgl. etwa dt.<br />
(57) Er zog dem Kind den Mantel an.<br />
(58) Sie zog ihm die Hand aus der Schlinge.<br />
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