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Sprachkontakt III: Skript - Universität Konstanz

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Mehrzahl der Merkmale zu SAE und bei den Balkanismen zumindest Merkmale (iii)<br />

und (vi). Nicht alle Sprachen dieses Gebiets weisen alle Merkmale auf.<br />

Auch sind das Regelwerk und der Grad der Obligatorik zwischen den beteiligten<br />

Sprachen oft unterschiedlich. Die Gemeinsamkeiten weisen zwar auf die<br />

Kontaktbeziehungen hin (sofern diese Merkmale im direkt umgebenden Gebiet nicht<br />

oder nur schwach vertreten sind), aber man kann eben auch nicht davon ausgehen,<br />

dass ein areales Merkmal gleichmäßig über das jeweilige Areal verteilt (gebräuchlich)<br />

ist.<br />

• Es gibt keine objektive Richtlinie dafür, wie viele Merkmale „ausreichen“, um eine<br />

areal abgegrenzte Zone zu bestimmen. Ebensowenig gibt es einschlägige Kriterien<br />

dafür, welcher Art diese Merkmale sein sollten. Es gilt einfach der Grundsatz ‘je<br />

mehr, desto besser’ und ‘je unabhängiger und vielfältiger, desto besser’. Außerdem<br />

sollte es neben grammatischen Übereinstimmungen auch lexikalisch identische (und<br />

typologisch seltene) „Quellausdrücke“ für Phänomene in der Grammatik geben (s.<br />

5.2).<br />

• Trotz (oder gerade wegen) ansonsten offensichtlicher kontaktbedingter<br />

Übereinstimmungen bleibt man oft den Nachweis schuldig, dass sich eine bestimmte<br />

Entlehnung (oder Calquierung), die Grundlage der Ähnlichkeiten ist, tatsächlich<br />

einmal vollzogen hat. Ein solcher Nachweis ist u.U. erforderlich, um alternative<br />

Grundlagen zur Entstehung arealer Konvergenzen (Verwandtschaft über eine<br />

gemeinsame Vorgängersprache; Kontaktbeziehung, die vorher bestanden haben und<br />

dann unterbrochen wurden, etc.) auszuschließen. Vor allem bei geringer Zeittiefe der<br />

Daten kann man einen solchen Nachweis aber oft gar nicht erbringen.<br />

• Man kann oft nicht ermitteln, welche der beteiligten Sprachen (Varietäten) den Anstoß<br />

der Entwicklung gegeben hat, d.i. von welcher Sprache aus das jeweilige Merkmal<br />

sich ausgebreitet hat. In vielen Fällen liefert gegenseitige Beeinflussung (in<br />

aufeinander folgenden chronologischen Schichten) den wahrscheinlichsten<br />

Erklärungsweg.<br />

• Innerhalb eines Areals brauchen sich nicht alle Sprachen (Varietäten) in einer direkten<br />

(und historisch belegten) Kontaktsituation befunden zu haben. Es ist z.B. durchaus<br />

möglich, dass es in einer Kette von geographisch benachbarten Lekten A – B – C – D<br />

… zwischen Sprechern von A und C, D und zwischen Sprechern von B und D keine<br />

unmittelbaren Berührungen gegeben hat. Die entsprechenden Merkmale, welche in<br />

diesem Areal konvergieren, können aber in einer Art Kettenreaktion weitergegeben<br />

worden sein. Das bedingt zum einen (vor allem bei größeren, durch geographische<br />

Barrieren nicht klar angegrenzten Gebieten) eine zunehmende „Zerfransung“ des<br />

arealen Zusammenhangs, zum anderen erhöht es die Wahrscheinlichkeit, dass sich<br />

hinter den äußerlich identischen Merkmalen verschiedene Regeln in der Verwendung<br />

und Distribution innerhalb der einzelnen beteiligten Sprachen verbergen (s. schon<br />

oben).<br />

6. Makro- und Mikro-Areale / Makro- und Mikro-Effekte<br />

Aufgrund vor allem solcher Erwägungen sind Koptevskaja-Tamm/Wälchli (2001: 624-626)<br />

zu der Überzeugung gelangt, man sollte am besten den Begriff des ‘Sprachbund’ ganz<br />

aufgeben. Anhand der arealen (und typologisch auffälligen) Übereinstimmungen zwischen<br />

Sprachen rund um die Ostsee (‘Circum Baltic Area’) schlagen sie deshalb vor, davon<br />

auszugehen, dass es innerhalb eines größeren Gebiets durch stufenweise Überlagerung von<br />

<strong>Sprachkontakt</strong>-Phänomenen (wiederum vergleichbar mit Isoglossen) zu einer Art Schichtung<br />

kommt (vergleichbar tektonischen Platten):<br />

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