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Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft

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Inhalt<br />

Vorwort ........................................................................................................................... VII<br />

Typographische Konventionen und Abkürzungen ......................................................... IX<br />

1. Gegenstand und grammatiktheoretische Grundlagen .................................................. 1<br />

1.1 Der Untersuchungsgegenstand: Die Verb-Zweit-Stellung ..................................... 1<br />

1.2 Die grammatiktheoretischen Grundlagen: Die generative<br />

Prinzipien- und Parametertheorie ............................................................................ 7<br />

1.2.1 Grundlagen und Zielsetzungen der Prinzipien- und<br />

Parametertheorie ..................................................................................... 9<br />

1.2.2 Die Prinzipien- und Parametertheorie und die historische<br />

Syntaxforschung ................................................................................................... 11<br />

2. Die Verb-Zweit-Stellung in den germanischen und romanischen Sprachen .............. 16<br />

2.1 Die strenge Verb-Zweit-Stellung in den germanischen Sprachen .......................... 16<br />

2.1.1 Die Verbstellung in Verb-Zweit-Sprachen mit strenger<br />

Asymmetrie ............................................................................................ 16<br />

2.1.2 Die Verbstellung in Verb-Zweit-Sprachen mit eingeschränkter<br />

Asymmetrie ............................................................................................ 25<br />

2.1.3 Die Verbstellung in symmetrischen Verb-Zweit-Sprachen ......................... 30<br />

2.2 Verb-Zweit-Stellungseffekte in den modernen romanischen Sprachen ........... 33<br />

2.2.1 Verb-Zweit-Stellungseffekte in Interrogativsätzen .................................... 35<br />

2.2.2 Verb-Zweit-Stellungseffekte in Deklarativsätzen ....................................... 48<br />

3. Verbstellungswandel in den romanischen Sprachen. Ein Forschungsüberblick ............ 53<br />

3.1 Einleitung .............................................................................................................. 53<br />

3.2 Verbstellungswandel in den romanischen Sprachen:<br />

Gesamtromanische Studien ............................................................................... 55<br />

3.3 Verbstellungswandel im Französischen .................................................................. 58<br />

3.3.1 Deskriptive Ergebnisse ................................................................................. 58<br />

3.3.1.1 Die Verbstellung in Matrixsätzen .......................................... 63<br />

3.3.1.2 Die Verbstellung in Nebensätzen .......................................... 70<br />

3.3.2 Quantitative und statistische Ergebnisse ...................................................... 72<br />

3.3.3 Traditionelle Erklärungsansätze ................................................................. 79<br />

3.3.3.1 Psychologische Faktoren ........................................................ 81<br />

3.3.3.2 Rhythmische Faktoren .................................................................... 82<br />

3.3.3.3 Logisch-grammatische Faktoren ................................................ 85<br />

3.3.3.4 Morphosyntaktische Faktoren ........................................................ 88<br />

3.3.4 Generative Erklärungsansätze .................................................................. 89<br />

3.3.4.1 Prosodische und rhythmische Faktoren .................................... 93<br />

3.3.4.2 Morphophonologische Faktoren ................................................ 95<br />

3.3.4.3 Konkurrenz zwischen Verb-Zweit-Stellung und<br />

Freier Inversion ........................................................................................ 99


VI<br />

3.3.4.4 Symmetrie oder Asymmetrie? Verb-Zweit-Stellung<br />

im Nebensatz ............................................................................. 102<br />

3.4 Verbstellungswandel in anderen romanischen Sprachen ....................................... 105<br />

4. Verb-Zweit-Stellungswandel als Parameterwechsel .................................................. 108<br />

4.1 Verb-Zweit-Stellung als parametrisierte Eigenschaft ........................................ 109<br />

4.1.1 Implikationen für den Spracherwerb ....................................................... 109<br />

4.1.2 Implikationen für den Sprachwandel .......................................................<br />

4.1.2.1 Quantitative Veränderungen in der Erwachsenen-<br />

114<br />

sprache ......................................................................................<br />

4.1.2.2 Strukturelle Veränderungen in der Erwachsenen-<br />

114<br />

sprache ...................................................................................... 119<br />

4.2 Parameterwechsel durch Dialekt- oder Sprachkontakt? ...................................... 124<br />

5. Verbstellungswandel in den romanischen Sprachen. Eine empirische<br />

Untersuchung ............................................................................................................. 129<br />

5.1 Die Datenbasis ................................................................................................. 129<br />

5.2 Das Altfranzösische als Verb-Zweit-Sprache? .................................................. 133<br />

5.2.1 Verb-Zweit-Stellungseffekte in altfranzösischen Matrixsätzen ........ 133<br />

5.2.2 Verb-Zweit-Stellungseffekte in altfranzösischen Nebensätzen ........ 143<br />

5.2.3 Verlust der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Französischen ........ 146<br />

5.3 Entwicklung der Verb-Zweit-Stellung im Iberoromanischen ............................ 154<br />

5.4 Entwicklung der Verb-Zweit-Stellung im Rätoromanischen ............................ 161<br />

6. Schlussbetrachtung .................................................................................................... 165<br />

7. Quellen- und Literaturverzeichnis ......................................................................... 169<br />

7.1 Quellen ........................................................................................................... 169<br />

7.2 Sekundärliteratur zu den Quellen .................................................................... 171<br />

7.3 <strong>Sprachwissenschaft</strong>liche Literatur .................................................................... 172<br />

8. Autorenregister ...................................................................................................... 191


Vorwort<br />

Die Wortstellung der meisten modernen romanischen Sprachen ist dadurch gekennzeichnet,<br />

dass das Subjekt des Satzes in der Regel vor dem finiten Verb erscheint. In bestimmten<br />

Kontexten – insbesondere in Interrogativsätzen – ist allerdings die umgekehrte Reihenfolge<br />

von Subjekt und Verb die Regel. Diese Subjekt-Verb-Inversion war in den frühromanischen<br />

Sprachen, insbesondere im Alt- und Mittelfranzösischen, wesentlich häufiger und<br />

nicht nur auf wenige Kontexte beschränkt. Diese Beobachtung hat zu der Annahme geführt,<br />

dass die romanischen Sprachen ursprünglich über die Eigenschaft der 'germanischen Inversion'<br />

verfügt haben, d.h. über die für alle germanischen Sprachen – mit Ausnahme des Englischen<br />

– charakteristische Eigenschaft, wonach das finite Verb in deklarativen Matrixsätzen<br />

unabhängig von der Stellung des Subjekts stets in der zweiten Position erscheint. Die<br />

Annahme lautet, dass die romanischen Sprachen diese Eigenschaft der Verb-Zweit-Stellung<br />

im Laufe ihrer Entwicklung verloren und nur noch einige Relikte davon erhalten haben.<br />

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist eine kritische Auseinandersetzung mit dieser<br />

vielfach vertretenen Annahme und mit den damit verbundenen Konsequenzen. Es geht darum<br />

zu überprüfen, ob und inwiefern es gerechtfertigt ist, die in den frühen und in den modernen<br />

romanischen Sprachen zu beobachtenden Verb-Zweit-Stellungseffekte in ähnlicher<br />

Weise wie die strenge Verb-Zweit-Stellung der germanischen Sprachen zu erfassen. Ausgehend<br />

von der im Rahmen der generativen Grammatiktheorie vertretenen Annahme, wonach<br />

die Verb-Zweit-Stellungseigenschaft eine parametrisch festgelegte Eigenschaft darstellt,<br />

folgt, dass deren Verlust als ein parametrischer Wandel beschrieben werden muss.<br />

Daraus ergibt sich eine Reihe theoretischer Konsequenzen, die im Rahmen dieser Arbeit<br />

ausführlich diskutiert werden. In dieser Diskussion wird deutlich, dass die bisherigen generativen<br />

Analysen diese Konsequenzen gar nicht oder nur teilweise beachten. Es gelingt<br />

ihnen daher nicht, den in den romanischen Sprachen zu beobachtenden Wandel der Stellung<br />

des Verbs als einen parametrischen Wandel zu belegen. Auch in empirischer Hinsicht liefern<br />

diese Analysen keine Bestätigung für diese Annahme. Dies zeigt zum einen ein Vergleich<br />

mit den Ergebnissen der zahlreichen deskriptiven vorgenerativen Untersuchungen<br />

zum Wortstellungswandel in den romanischen Sprachen und zum anderen eine umfangreiche<br />

eigene empirische Untersuchung, die auf dem diachronischen Vergleich von Übersetzungen<br />

eines Bibelabschnittes aus dem Alten Testament basiert. Die Daten dieser Untersuchungen<br />

enthalten zahlreiche Sätze, die nicht mit der Annahme der Existenz einer strengen<br />

Verb-Zweit-Stellungseigenschaft in den frühromanischen Sprachen vereinbar sind und<br />

somit gegen die Annahme eines parametrischen Wandels dieser Eigenschaft sprechen. Entscheidend<br />

ist hierbei die Beobachtung, dass in bestimmten Kontexten diese Nicht-Verb-<br />

Zweit-Sätze in den frühromanischen Sprachen regelmäßig auftreten. Basierend auf dieser<br />

Beobachtung, wird die These vertreten, dass diese Sätze die ausschlaggebende Information<br />

für die parametrische Festlegung dieser Sprachen als Nicht-Verb-Zweit-Sprachen bilden.<br />

Dies hat zur Folge, dass alle frühen und modernen romanischen Sprachen als Nicht-Verb-<br />

Zweit-Sprachen angesehen werden müssen. Die einzige Ausnahme bilden das Bündnerromanische<br />

und einige regionale Varietäten des Dolomitenladinischen.


VIII<br />

Die vorliegende Arbeit ist die vollständig überarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift,<br />

die im Mai 1999 vom <strong>Fachbereich</strong> <strong>Sprachwissenschaft</strong>en der Universität Hamburg angenommen<br />

worden ist. Zu ihrer Entstehung und Fertigstellung haben viele Freunde und Kollegen<br />

mit Rat und Tat beigetragen. Ihnen allen möchte ich herzlich danken.<br />

Mein allererster Dank gilt meinem Lehrer Jürgen M. Meisel. Er hat mich nicht nur in der<br />

Zeit der Entstehung dieser Arbeit, sondern auch in den vielen Jahren davor stets kritisch<br />

unterstützt und freundschaftlich begleitet. Ich danke auch sehr Wolfgang J. Meyer, dessen<br />

Kommentare mir sehr geholfen und mich vor Fehlern bewahrt haben. Andolin Eguzkitza,<br />

Maria L. Goldbach, Esther Rinke und Giampaolo Salvi verdanke ich ebenfalls wertvolle<br />

Hilfen und vielfältige Anregungen.<br />

Bedanken möchte ich mich auch bei Peter Blumenthal, Werner Carigiet, Susanne E.<br />

Carroll, Cornelius Hasselblatt, Mary A. Kato, Carmen Kelling, Cecilia Poletto, Wolfgang<br />

Settekorn und Povl Skårup für hilfreiche Tipps und Hinweise. Florian Freitag, Annemarie<br />

Kastelsky, Regina Köppe, Hanna Reich und meiner Frau danke ich für wertvolle Unterstützung<br />

bei den Korrekturarbeiten und der Erstellung der Druckvorlage dieses Buches. Für<br />

Grammatikalitätsbeurteilungen und Hilfe bei den Übersetzungen der Sprachbeispiele danke<br />

ich Ana Maria Brito, Werner Carigiet, Sibrand van Coillie, Otília Dias, Thórhallur<br />

Eythórsson, Rudolf Harneit, Françoise Hasenclever, Unnur Klütsch, Nikolaus Schpak-Dolt,<br />

Gisela Villanueva, Marianne Vogel, Fred Weerman und Maarten de Wind.<br />

Mein ganz besonders herzlicher Dank gilt meiner Frau und meinen beiden Kindern, da<br />

sie mir in den vielen Jahren der Arbeit an diesem Buch den notwendigen Freiraum dafür<br />

gegeben haben. Gleichzeitig waren sie auch der ständige Ansporn dazu, sie zum Abschluss<br />

zu bringen.<br />

Konstanz, im März 2002 Georg A. Kaiser


Typographische Konventionen und Abkürzungen<br />

Abkürzungen der verwendeten Sprachen und Dialekte:<br />

afr. Altfranzösisch<br />

ait. Altitalienisch<br />

alt. Altlateinisch<br />

apg. Altportugiesisch<br />

asp. Altspanisch<br />

asur. Älteres Surselvisch<br />

bai. Bairisch<br />

bk. Baskisch<br />

bpg. Brasilianisches Portugiesisch<br />

dä. Dänisch<br />

dt. Deutsch<br />

en. Englisch<br />

fr. Französisch<br />

fs. Friesisch<br />

ipg. Iberisches Portugiesisch<br />

is. Isländisch<br />

it. Italienisch<br />

jd. Jiddisch<br />

lt. Lateinisch<br />

mfr. Mittelfranzösisch<br />

nfr. Neufranzösisch<br />

nl. Niederländisch<br />

npg. Neuportugiesisch<br />

nsur. Neusurselvisch<br />

pg. Portugiesisch<br />

pr. Provenzalisch<br />

psp. Puertorikanisches Spanisch<br />

sp. Spanisch<br />

sur. Surselvisch<br />

sw. Schwedisch<br />

tri. Triestinisch<br />

wfl. Westflämisch<br />

Typographische Kennzeichnungen in den Beispielsätzen:<br />

- fett = Subjekt<br />

- kursiv = finites Verb<br />

- einfach unterstrichen = dem finiten Verb voranstehende Konstituente<br />

- gestrichelt unterstrichen = dem finiten Verb voranstehendes Element, das nicht als<br />

Konstituente zählt<br />

- doppelt unterstrichen = nebensatzeinleitende Konjunktion oder andere außerhalb<br />

des Satzrahmens stehende Konstituente<br />

- gewellt unterstrichen: = sonstiges hervorzuhebendes Element


Numa visão superficial, o tema poderá parecer estranho, árido e<br />

destituído de interesse. Mas depois que o estudámos, cremos que<br />

essa opinião nasce do desconhecimento do assunto, poucas vezes<br />

abordado entre nós. Quando nos dedicamos a ele, mesmo que seja<br />

apenas a um aspecto restrito, reconhecemos, bem ràpidamente, a riqueza<br />

que possui e que só espera por ser descoberta. Com a continuação<br />

do trabalho, surgem constantemente novos aspectos a estudar,<br />

novas observações a fazer, novos pontos a meditar; e no<br />

próprio momento em que limitamos o âmbito da nossa actividade,<br />

desenha-se, com maior nitidez, a vastidão de tanto que fica por<br />

esclarecer e que quase surpreende. Só o caminhar, lento mas progressivo,<br />

dentro do próprio trabalho, dá esta consciência e esta revelação<br />

– como só a subida, talvez penosa, de qualquer encosta,<br />

desvenda a cada novo passo, a perspectiva de horizontes inesperados.<br />

(M. de Pádua 1960:1)


1. Gegenstand und grammatiktheoretische Grundlagen<br />

1.1 Der Untersuchungsgegenstand: Die Verb-Zweit-Stellung<br />

Eine der markantesten syntaktischen Eigenschaften aller germanischen Sprachen mit Ausnahme<br />

des Englischen besteht darin, dass das finite Verb in deklarativen Matrixsätzen stets<br />

in der zweiten Position, d.h. unmittelbar hinter der ersten Satzkonstituente, auftreten muss.<br />

Anders als bei sehr vielen anderen Wortstellungsphänomenen ist diese Stellungseigenschaft<br />

des Verbs rein syntaktischer Natur. Sie ist vollkommen unabhängig von prosodischen, semantischen,<br />

pragmatischen und/oder stilistischen Faktoren sowie von der syntaktischen<br />

Funktion oder Kategorie der satzinitialen Konstituente. Die folgenden Beispiele aus dem<br />

Deutschen und dem Niederländischen veranschaulichen deutlich, dass beide Sprachen über<br />

diese strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft verfügen:<br />

(1) dt. (a) Die Frau hat das Buch mit Vergnügen gelesen.<br />

(b) Das Buch hat die Frau mit Vergnügen gelesen.<br />

(c) Mit Vergnügen hat die Frau das Buch gelesen.<br />

(d) Gelesen hat die Frau das Buch mit Vergnügen.<br />

(e) Wenn sie Zeit gehabt hätte, hätte die Frau das Buch gelesen.<br />

(2) nl. (a) De vrouw heeft het boek met plezier gelezen.<br />

(b) Het boek heeft de vrouw met plezier gelezen.<br />

(c) Met plezier heeft de vrouw het boek gelezen.<br />

(d) Gelezen heeft de vrouw het boek met plezier.<br />

(e) Als ze tijd gehad had, had de vrouw het boek gelezen.<br />

In der Literatur wird diese besondere Eigenschaft der germanischen Sprachen häufig als<br />

'germanische Inversion' bezeichnet (Rohlfs 1982, Adams 1987a, de Bakker 1997). Meist ist<br />

nur allgemein von 'Inversion' oder 'Subjekt-(Verb-)Inversion' die Rede. Dieser Begriff ist<br />

allerdings zur exakten Kennzeichnung der Verb-Zweit-Stellung ungeeignet, da dadurch<br />

lediglich die "Umstellung einer als Normalform geltenden Wort- oder Satzgliedfolge [...],<br />

häufig bezogen auf die Stellung von Subjekt und Prädikat" beschrieben wird (Glück (Hg.)<br />

2000:316). Dabei kommt jedoch nicht die Obligatheit der Zweit-Stellung des finiten Verbs<br />

zum Ausdruck. Wie die Beispiele in (3)-(4) zeigen, ist die Verb-Zweit-Stellung im Deutschen<br />

und Niederländischen unabhängig von der Umstellung von Subjekt und Verb, d.h.<br />

sie ist auch dann obligatorisch, wenn das Subjekt dem finiten Verb vorangeht:<br />

(3) dt. (a) *Die Frau das Buch hat mit Vergnügen gelesen.<br />

(b) *Mit Vergnügen die Frau hat das Buch gelesen.<br />

(c) *Wenn sie Zeit gehabt hätte, die Frau hätte das Buch gelesen.<br />

(4) nl. (a) *De vrouw het boek heeft met plezier gelezen.<br />

(b) *Met plezier de vrouw heeft het boek gelezen.<br />

(c) *Als ze tijd gehad had, de vrouw had het boek gelezen.


2<br />

Außerdem lässt sich mit dem Begriff 'Inversion' nicht die Ungrammatikalität der Sätze wie<br />

(5)-(6) erfassen, in denen Subjekt und Verb zwar in invertierter Stellung erscheinen, dem<br />

Verb aber mehrere Konstituenten voranstehen:<br />

(5) dt. (a) *Das Buch mit Vergnügen hat die Frau gelesen.<br />

(b) *Wenn sie Zeit gehabt hätte, das Buch hätte die Frau gelesen.<br />

(6) nl. (a) *Het boek met plezier heeft de vrouw gelezen.<br />

(b) *Als ze tijd gehad had, het boek had de vrouw gelezen.<br />

Auch die Bezeichnung 'germanisch' zur Charakterisierung der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

ist nicht ganz zutreffend, da diese Eigenschaft auch in einigen nicht germanischen<br />

Sprachen anzutreffen ist. Insbesondere ist hier das Rätoromanische zu nennen. Die folgende<br />

Übersetzung der deutschen bzw. niederländischen Sätze in (1) und (2) in das Surselvische,<br />

eine der fünf regionalen Varietäten des Bündnerromanischen, belegt das Vorhandensein<br />

einer strengen Verb-Zweit-Stellung in dieser Sprache:<br />

(7) sur. (a) La dunna ha legiu il cudisch cun plascher.<br />

(b) Il cudisch ha la dunna legiu cun plascher.<br />

(c) Cun plascher ha la dunna legiu il cudisch.<br />

(d) Legiu ha la dunna il cudisch cun plascher.<br />

(e) Sche ella havess giu temps, havess la dunna legiu il cudisch.<br />

Die strenge Verb-Zweit-Eigenschaft zeigt sich auch darin, dass im Surselvischen ebenso<br />

wie im Deutschen und Niederländischen Sätze, die mehr als eine präverbale Konstituente<br />

enthalten, grundsätzlich ungrammatisch sind:<br />

(8) sur. (a) *La dunna il cudisch ha legiu cun plascher.<br />

die Frau das Buch hat gelesen mit Vergnügen<br />

(b) *Cun plascher la dunna ha legiu il cudisch.<br />

mit Vergnügen die Frau hat gelesen das Buch<br />

(c) *Sche ella havess giu temps, la dunna havess legiu il cudisch.<br />

wenn sie hätte gehabt Zeit die Frau hätte gelesen das Buch<br />

(d) *Il cudisch cun plascher ha la dunna legiu.<br />

das Buch mit Vergnügen hat die Frau gelesen<br />

(e) *Sche ella havess giu temps, il cudisch havess la dunna legiu.<br />

wenn sie hätte gehabt Zeit das Buch hätte die Frau gelesen<br />

Das Rätoromanische unterscheidet sich damit in syntaktischer Hinsicht deutlich von allen<br />

übrigen romanischen Sprachen. Allerdings gibt es innerhalb der sehr heterogenen Gruppe<br />

der dem Rätoromanischen zugerechneten Dialekte große Unterschiede hinsichtlich der<br />

Verb-Zweit-Stellungseigenschaft. Lediglich die bündnerromanischen Mundarten sind ausnahmslos<br />

durch eine strenge Verb-Zweit-Stellungsregel gekennzeichnet. Im Dolomitenladinischen<br />

gilt sie nur in einigen Dialekten und im Friaulischen überhaupt nicht (Salvi<br />

1997:297f., Poletto 2000:Kap.4, Kaiser / Carigiet / Evans 2001:201f.). 1<br />

1 Typologisch gesehen ist die strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft äußerst selten. Neben den<br />

germanischen Verb-Zweit-Sprachen und dem Bündnerromanischen werden bisweilen unter anderem<br />

auch Bretonisch und Kashmiri zur Gruppe der Verb-Zweit-Sprachen gerechnet (Schafer 1995,<br />

Bhatt 1999). Inwiefern dies gerechtfertigt ist, muss hier offen bleiben. Zumindest für das Bretonische<br />

gibt es starke Einwände gegen eine solche Charakterisierung (Borsley / Kathol 2000). Für die


In allen anderen romanischen Sprachen gibt es keinerlei Evidenz für die Existenz einer<br />

strengen Verb-Zweit-Stellungsregel. Die entsprechenden Übersetzungen der Sätze (1) und<br />

(2) zeigen, dass in französischen, spanischen und italienischen deklarativen Matrixsätzen<br />

die Zweit-Stellung des finiten Verbs offenbar nur dann grammatisch ist, wenn die satzinitiale<br />

Konstituente die grammatische Funktion des Subjekts innehat:<br />

(9) fr. (a) La femme a lu le livre avec plaisir.<br />

(b) *Le livre a la femme lu avec plaisir.<br />

(c) *Avec plaisir a la femme lu le livre.<br />

(d) *Lu a la femme le livre avec plaisir.<br />

(e) *Si elle avait eu le temps, aurait la femme lu le livre.<br />

(10) sp. (a) La mujer ha leído el libro con placer.<br />

(b) *El libro ha la mujer leído con placer.<br />

(c) *Con placer ha la mujer leído el libro.<br />

(d) *Leído ha la mujer el libro con placer.<br />

(e) *Si ella hubiera tenido tiempo, hubiera la mujer leído el libro.<br />

(11) it. (a) La donna ha letto il libro con piacere.<br />

(b) *Il libro ha la donna letto con piacere.<br />

(c) *Con piacere ha la donna letto il libro.<br />

(d) *Letto ha la donna il libro con piacere.<br />

(e) *Se ella avesse avuto tempo, avrebbe la donna letto il libro.<br />

Eine genauere Betrachtung dieser Sprachen macht jedoch deutlich, dass die Stellung des<br />

finiten Verbs in der zweiten Position keineswegs ausschließlich auf Kontexte beschränkt<br />

ist, in denen das Subjekt satzinitial steht. Unter bestimmten Bedingungen ist sie auch dann<br />

möglich, wenn ein Nicht-Subjekt den Satz einleitet. Dies ist im Spanischen und Italienischen<br />

etwa in Sätzen der Fall, die mit einer präpositionalen Ergänzung eingeleitet werden,<br />

allerdings – im Gegensatz zu den Sprachen mit einer strengen Verb-Zweit-Stellung – nur<br />

dann, wenn das Subjekt nicht zwischen dem Auxiliar und dem Partizip auftritt:<br />

(12) sp. (a) Con placer ha leído el libro la mujer.<br />

(b) Con placer ha leído la mujer el libro.<br />

(13) it. (a) Con piacere ha letto il libro la donna.<br />

(b) Con piacere ha letto la donna il libro.<br />

Diejenigen Sätze, in denen das Subjekt hinter dem Objekt steht, sind jedoch in beiden Sprachen<br />

markiert und i.d.R. nur möglich, wenn auf dem Subjekt eine besondere Betonung<br />

liegt. Dies gilt auch für solche Sätze des Spanischen und Italienischen wie in (14) oder (15),<br />

in denen das Objekt satzinitial erscheint. Es kann dort nur auftreten, wenn es gesondert<br />

betont ist und/oder in Kontrast zu anderen Konstituenten steht:<br />

(14) sp. UN LIBRO ha leído la mujer (y no un periódico).<br />

ein Buch hat gelesen die Frau und nicht eine Zeitung<br />

(15) it. UN LIBRO ha letto la donna (e non un giornale).<br />

ein Buch hat gelesen die Frau und nicht eine Zeitung<br />

von Koopman (1984) als Verb-Zweit-Sprachen analysierten afrikanischen Kru-Sprachen hat Haider<br />

(1993:72) nachgewiesen, dass diese Analyse nicht zutreffend ist.<br />

3


4<br />

Das Französische verhält sich deutlich anders als das Italienische und Spanische. Hier ist zu<br />

beobachten, dass sich die Ungrammatikalität der durch ein Nicht-Subjekt eingeleiteten<br />

Sätze in (9) weder durch eine Umstellung des postverbalen Subjekts noch durch eine gesonderte,<br />

kontrastive Betonung der satzinitialen Konstituenten ändert:<br />

(16) fr. (a) *Avec plaisir a lu la femme le livre.<br />

mit Vergnügen hat gelesen die Frau das Buch<br />

(b) *Avec plaisir a lu le livre la femme.<br />

mit Vergnügen hat gelesen das Buch die Frau<br />

(c) *UN LIVRE a lu la femme (et pas un journal).<br />

ein Buch hat gelesen die Frau und nicht eine Zeitung<br />

Dennoch ist im Französischen die Zweit-Stellung des finiten Verbs in Sätzen mit einem<br />

satzinitialen Nicht-Subjekt keineswegs kategorisch ausgeschlossen. Sie ist beispielsweise in<br />

Sätzen mit bestimmten satzeinleitenden Adverbien, wie z.B. peut-être oder ainsi, möglich.<br />

In diesem Fall muss das Subjekt allerdings pronominal sein. Außerdem besteht in Sätzen<br />

mit einem unakkusativischen oder sonstigen intransitiven Verb die Möglichkeit zur Verb-<br />

Zweit-Stellung, wobei es sich bei dem postverbalen Subjekt i.d.R. um eine indefinite Nominalphrase<br />

handelt. Ein pronominales Subjekt ist hier ausgeschlossen:<br />

(17) fr. (a) Peut-être a-t-elle lu le livre.<br />

vielleicht hat sie gelesen das Buch<br />

(b) *Peut-être a la femme lu le livre.<br />

vielleicht hat die Frau gelesen das Buch<br />

(18) fr. (a) Un jour est arrivé une femme avec un livre.<br />

eines Tages ist angekommen eine Frau mit einem Buch<br />

(b) *Un jour est-elle arrivée avec un livre.<br />

eines Tages ist sie angekommen mit einem Buch<br />

Ein kurzer Blick auf das Portugiesische zeigt, dass auch hier Verb-Zweit-Stellungseffekte<br />

zu beobachten sind. Ähnlich wie im Spanischen und Italienischen ist die Voranstellung<br />

eines Objektes i.d.R. dann möglich, wenn diesem eine besondere kontrastive Betonung zukommt.<br />

Der Unterschied zum Italienischen und Spanischen allerdings besteht darin, dass<br />

im Portugiesischen dabei das Subjekt adjazent zum Auxiliar stehen kann:<br />

(19) pg. (a) A mulher tem lido o livro com prazer.<br />

die Frau hat gelesen das Buch mit Vergnügen<br />

(b) UM LIVRO tem a mulher lido com prazer (e não um jornal).<br />

ein Buch hat die Frau gelesen mit Vergnügen und nicht eine Zeitung<br />

(c) Com prazer tem a mulher lido o livro.<br />

mit Vergnügen hat die Frau gelesen das Buch<br />

Ausgeschlossen ist im Portugiesischen hingegen – ähnlich wie im Französischen, Spanischen<br />

und Italienischen – die Verb-Zweit-Stellung nach einem satzinital stehenden Partizip,<br />

wobei die Ungrammatikalität dieser Konstruktion unabhängig von der Betonung des Partizips<br />

oder der Stellung des Subjekts ist. Ungrammatisch ist außerdem die Subjekt-Verb-Inversion<br />

nach einem satzeinleitenden Nebensatz:<br />

(20) pg. (a) *Lido tem a mulher o livro com prazer.<br />

gelesen hat die Frau das Buch mit Vergnügen<br />

(b) *Se ela tivesse tido tempo, teria a mulher lido o livro.<br />

wenn sie hätte gehabt Zeit hätte die Frau gelesen das Buch


Die Beispiele machen deutlich, dass in den vier hier betrachteten romanischen Sprachen<br />

Stellungsmöglichkeiten des finiten Verbs zu beobachten sind, die denen der Sprachen mit<br />

einer strengen Verb-Zweit-Stellung sehr ähnlich sind. Gleichzeitig zeigen die Beispiele<br />

aber auch, dass das Auftreten dieser Verb-Zweit-Stellung je nach Einzelsprache sehr unterschiedlichen<br />

Beschränkungen unterliegt und von unterschiedlichen Faktoren abhängig ist.<br />

Damit unterscheiden sich diese romanischen Sprachen deutlich von den germanischen<br />

Verb-Zweit-Sprachen und vom Bündnerromanischen, in denen solche Unterschiede nicht<br />

zu beobachten sind. Sie verfügen folglich nicht über eine strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft,<br />

die festlegt, dass das finite Verb in deklarativen Matrixsätzen stets und unabhängig<br />

von prosodischen, semantischen, pragmatischen oder stilistischen Faktoren die zweite<br />

Position im Satz einnehmen muss.<br />

Dieser Unterschied zwischen den germanischen Sprachen und dem Bündnerromanischen<br />

einerseits und den übrigen romanischen Sprachen andererseits fällt allerdings dann weniger<br />

deutlich aus, wenn man die frühromanischen Sprachen zum Vergleich heranzieht. Hier<br />

zeigt sich, dass insbesondere das Altfranzösische große Ähnlichkeiten zu den Verb-Zweit-<br />

Sprachen aufweist. Im Altfranzösischen unterliegt die Zweit-Stellung des finiten Verbs wesentlich<br />

geringeren Beschränkungen, als dies im Neufranzösischen der Fall ist. Wie die<br />

Beispiele in (21) veranschaulichen, gibt es im Altfranzösischen Belege für das Auftreten<br />

der Verb-Zweit-Stellung in allen typischen Kontexten, in denen in den germanischen Verb-<br />

Zweit-Sprachen und im Bündnerromanischen die Verb-Zweit-Stellung zu beobachten ist:<br />

(21) afr. (a) Et li baron regardent les letres<br />

und die Edelmänner betrachten die Buchstaben (=Brief)<br />

(que S.5,22) 2<br />

(b) les deniers prenderons nos<br />

die Geldstücke nehmen-werden wir<br />

(auc 18,37) (Thurneysen 1892:291)<br />

(c) Dunc prent li pedre de se(s) meilurs serjanz<br />

dann nimmt der Vater (einige) von seinen besten Dienern<br />

(ale 111)<br />

(d) Bu(e)ns fut li s(i)ecles al tens anciënur<br />

gut war die Welt zur Zeit (der) Vorfahren<br />

(ale 1)<br />

(e) É cume en la terrse Suph vindrent é nule nuvele nen<br />

und als in das Land Zuf (sie)-kamen und keine Nachricht nicht-darüber<br />

oïrent, fist Saül á sun serjant: 'Returnum! ...'<br />

hörten machte (=sagte) Saul zu seinem Diener kehren-wir-um<br />

(qlr 17: 1 Sam 9,5 ) (Haarhoff 1936:43)<br />

2 Die Abkürzungen der Quellen sind im Quellenverzeichnis aufgeführt. Sofern dies möglich war,<br />

sind alle Beispielsätze, die anderen Untersuchungen entnommen sind, von mir überprüft worden.<br />

Bei denjenigen Beispielen, deren Quellen mir nicht zugänglich waren oder von mir nicht ermittelt<br />

werden konnten, übernehme ich jeweils die Angaben der Untersuchung, der das Beispiel entnommen<br />

wurde. Für die Beispiele aus Texten der neuromanischen Sprachen verzichte ich auf eine<br />

Quellenangabe. Da die syntaktische Stellung der Konstituenten Gegenstand der vorliegenden Untersuchung<br />

ist, wird in der Regel nur eine Wort-für-Wort-Übersetzung der Beispiele gegeben. Eine<br />

sinngemäße Übersetzung wird nur dann geliefert, wenn sie zum Verständnis der syntaktischen<br />

Konstruktion notwendig erscheint.<br />

5


6<br />

Im Altspanischen und Altportugiesischen ist ebenso wie im Altfranzösischen die Verb-<br />

Zweit-Stellung wesentlich häufiger als in den modernen Varietäten zu beobachten. Außerdem<br />

tritt sie auch in Kontexten auf, in denen sie im modernen Spanischen bzw. modernen<br />

Portugiesischen gar nicht oder nur selten vorkommt:<br />

(22) asp. (a) Muça avia vn fijo<br />

Muça hatte einen Sohn<br />

(alf 152,1)<br />

(b) mas mis pecados propios devo traer delante de mi<br />

aber meine Sünden eigene (ich)-muss tragen vor PRÄP mir<br />

(abc 58-59) (England 1980:8)<br />

(c) E entonces le dixo Muget:<br />

und dann ihm sagte Muget<br />

(alf 137,76)<br />

(d) tan prieta et tan luzia es aquella pretura<br />

so schwarz und so glänzend ist dieses Amt<br />

(luc 5, S.80,13) (England 1984:388)<br />

(e) Si el vna vez en su poder me touiesse, non sería yo bien<br />

wenn er einmal in seiner Macht mich halten-würde nicht wäre ich wohl<br />

seguro de la vida<br />

sicher von dem Lebens<br />

(luc 9, S.89,17-19)<br />

(23) apg. (a) Esseu padre Panunçio deu todo oqui avia ao moesteiro<br />

und-ihr Vater Panunçio gab alles was (er)-hatte dem Kloster<br />

(euf S.365,32-33)<br />

(b) Esto dizia oabbade de Eufrosina quesse chamava Asmarado<br />

dies sagte der-Abt von Eufrosina die-sich nannte Asmarado<br />

(euf S.362,40-41)<br />

(c) E emtom chamou oabbade h u mõge<br />

und dann rief der-Abt einen Mönch<br />

(euf S.361,5-6)<br />

(d) Bem aventurados ssom estes baroões<br />

sehr glücklich sind diese Männer<br />

(euf S.358,23)<br />

(e) Depois queo monge disse estas cousas e outras semelhavees<br />

nachdem dass-der Mönch sagte diese Sachen und andere ähnliche<br />

a Eufrosina, veo Paununçio sseu padre<br />

zu Eufrosina kam Paununçio ihr Vater<br />

(euf S.359,24-25)<br />

Ähnliche Beobachtungen lassen sich auch hinsichtlich des Italienischen machen. So liefert<br />

Benincà (1983/84) Belege aus den Testi di Lio Mazor, einem norditalienischen – möglicherweise<br />

venezianischen – Text aus dem 14. Jhdt., für die Verb-Zweit-Stellung in allen<br />

hier beobachteten Kontexten mit Ausnahme des Falls, bei dem ein Nebensatz den Satz<br />

einleitet:<br />

(24) ait. (a) Piçol Pare levà un runchun<br />

Piçol Pare aufgehoben -hat eine Hippe<br />

(Lio Mazor 6r,19) (zitiert nach Benincà 1983/84:182)<br />

(b) questo avrò- e<br />

dieses haben-werde ich<br />

(Lio Mazor 14r,7) (zitiert nach Benincà 1983/84:181)


(c) E così vogà eli fina ala punta del canal<br />

und so ruderten sie bis zum Ende des Kanals<br />

(Lio Mazor 21r,24) (zitiert nach Benincà 1983/84:181)<br />

(d) Condanà fo ser Nicholò<br />

verurteilt wurde Herr Nicholò<br />

(Lio Mazor 2t,27) (zitiert nach Benincà 1983/84:181)<br />

Diese Belege deuten darauf hin, dass die altromanischen Sprachen offenbar in ähnlicher<br />

Weise wie die germanischen Sprachen durch eine strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

charakterisiert waren und somit möglicherweise als Verb-Zweit-Sprachen analysiert werden<br />

können. Aus diesem Grund werden die in den modernen Varietäten dieser Sprachen zu<br />

beobachtenden Verb-Zweit-Stellungsmuster sehr häufig als ein 'Überbleibsel' einer ursprünglich<br />

generell gültigen Verb-Zweit-Stellungsregel betrachtet. Stellvertretend für diese<br />

Auffassung kann Foulets Bemerkung über den Status adverbial eingeleiteter Inversionskonstruktionen<br />

im modernen Französischen gesehen werden (cf. auch Goldsmith 1981:547,<br />

Rohlfs 1982:241, Rizzi 1990b, 1990c):<br />

De nos jours, l'inversion après quelques adverbes ou locutions adverbiales est un héritage de la<br />

vieille langue et tout ce qui reste d'une construction autrefois si répandue et si familière. (Foulet<br />

1928:315)<br />

Den Gegenstand der vorliegenden Arbeit bilden die hier beobachteten Verb-Zweit-Stellungs-<br />

oder Inversionskonstruktionen der frühen und der modernen romanischen Sprachen.<br />

Dabei geht es primär darum zu klären, ob und auf welche Weise diesen Konstruktionen<br />

tatsächlich eine Verb-Zweit-Struktur zugeordnet werden kann. Zunächst soll im Kapitel 2<br />

in einem Vergleich mit den germanischen Verb-Zweit-Sprachen der Frage nachgegangen<br />

werden, ob die in den modernen romanischen Sprachen auftretenden Verb-Zweit-Stellungsmuster<br />

in gleicher Weise analysiert werden können wie die strenge Verb-Zweit-Stellung<br />

der germanischen Sprachen und inwiefern somit deren Charakterisierung als "héritage<br />

de la vieille langue" gerechtfertigt ist. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die daran anschließende<br />

Untersuchung der diachronischen Entwicklung der Verbstellung in den romanischen<br />

Sprachen, wobei die Entwicklung im Französischen den Schwerpunkt bildet, da hier die<br />

gravierendsten Veränderungen eingetreten sind. Die zentrale, empirisch zu überprüfende<br />

Frage lautet, ob diese Sprachen eine ursprüngliche strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

verloren haben und wie der zu beobachtende Wandel im Rahmen der hier gewählten generativen<br />

Prinzipien- und Parameter-Theorie erklärt werden kann.<br />

1.2 Die grammatiktheoretischen Grundlagen: Die generative Prinzipien- und<br />

Parametertheorie<br />

Für die Untersuchung eines Phänomens, das rein syntaktischer Natur ist, liegt es nahe, als<br />

theoretischen Rahmen ein Grammatikmodell zu wählen, das von der Annahme ausgeht,<br />

dass jede menschliche Sprache über ein autonomes mentales System verfügt, dessen Prinzipien<br />

und Regularitäten nicht auf semantische oder pragmatische Gesetzmäßigkeiten zurückgeführt<br />

werden können, sondern ausschließlich auf syntaktischen Kategorien und Be-<br />

7


8<br />

grifflichkeiten aufgebaut sind. Auf dieser Annahme basiert bekanntlich die generative<br />

Grammatiktheorie, deren Ziel es ist, dieses autonome System der menschlichen Sprache zu<br />

beschreiben und dessen Regularitäten zu erfassen. Es darf vermutet werden, dass die rein<br />

syntaktisch motivierten Regeln der Verb-Zweit-Stellung ein Bestandteil dieses Systems<br />

sind (Fanselow / Felix 1987:71f.). Daher sollte zu erwarten sein, dass die generative Grammatiktheorie<br />

eine angemessene Grundlage für die Untersuchung des Verb-Zweit-Stellungsphänomens<br />

und dessen historische Entwicklung liefert.<br />

Hinter der Entscheidung für diese Grammatiktheorie steht zunächst natürlich auch die<br />

Überzeugung, dass eine solche Untersuchung nur dann zu angemessenen und aussagekräftigen<br />

Ergebnissen gelangen kann, wenn sie in eine Theorie eingebettet ist, die über ein fundiertes<br />

und detailliert ausgearbeitetes Grammatikmodell zur Beschreibung menschlicher<br />

Sprachen und darüber hinausgehend über ein umfangreiches Forschungsprogramm zur Klärung<br />

weiter reichender Fragen über die menschliche Sprachfähigkeit verfügt. Beide Voraussetzungen<br />

sind meiner Überzeugung nach in der generativen Grammatiktheorie erfüllt. Sie<br />

legt als kognitionswissenschaftlich zu verstehender Ansatz für alle Erklärungsversuche und<br />

deren Bewertungen einen spezifischen Rahmen fest, nämlich insofern als diese mit den derzeit<br />

akzeptierten Hypothesen über die Repräsentation von Sprache, die Modalitäten ihrer<br />

Verarbeitung und ihres Erwerbs vereinbar sein müssen. Betont werden muss, dass der Untersuchungsgegenstand<br />

der generativen Grammatiktheorie die interne, jedem kompetenten<br />

Sprecher internalisierte Sprache (I-Sprache) ist, deren Grammatik ein mental repräsentiertes<br />

System von Regeln und Prinzipien darstellt. Ziel der generativen Grammatiktheorie ist<br />

es, die Strukturen dieser Grammatik zu erfassen und zu beschreiben. Dabei können auch<br />

Beschreibungen verschiedener historischer Zustände einer Sprache geliefert und somit<br />

Aussagen über die Grammatiksysteme von Sprechern einer Sprache zu verschiedenen Zeiten<br />

gemacht werden. Dementsprechend geht es in einer generativen Theorie des Sprachwandels<br />

darum, "Sprachwandel durch die Unterschiede zwischen verschiedenen grammatischen<br />

Regelsystemen zu beschreiben und diese Unterschiede formal zu definieren" (Lenerz<br />

1993:1167), d.h. dahingehend zu betrachten, ob und inwiefern die interne Grammatik der<br />

Sprache Veränderungen erfahren hat.<br />

Die Entscheidung für diese Theorie impliziert nicht, dass sie als die einzige angesehen<br />

wird, die es ermöglichen würde, adäquate Aussagen über den hier behandelten Untersuchungsgegenstand<br />

zu machen. Vielmehr stellt die generative Grammatiktheorie nur eine der<br />

verschiedenen Möglichkeiten der linguistischen Beschreibung dar. Allein auf Grund der<br />

Tatsache, dass bereits vor der Entwicklung der generativen Grammatiktheorie umfangreiche<br />

Studien zur Wortstellung und Wortstellungsentwicklung in den romanischen Sprachen<br />

betrieben worden sind, basiert der weitaus größte Teil dieser Untersuchungen auf nicht<br />

generativen Theorien. Eines der Ziele einer generativen Untersuchung könnte daher darin<br />

gesehen werden, komplementäre Ergebnisse zu diesen nicht generativen Arbeiten zu liefern.<br />

Dies setzt eine gründliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen dieser Untersuchungen<br />

voraus. In den bisherigen generativen Arbeiten ist dies allerdings kaum geschehen.<br />

In der Regel werden dort nicht generative Arbeiten nur marginal zur Kenntnis genommen.<br />

Dies hängt wohl auch damit zusammen, dass die generative Syntaxforschung sehr mit sich<br />

selbst und der internen Theorieentwicklung beschäftigt ist. Die intensive interne Diskussion<br />

hat zur Folge, dass die Theorie eine sehr rasche Entwicklung genommen hat, die durch<br />

mehrere, mitunter sehr radikale Veränderungen geprägt ist und zur Herausbildung verschiedener,<br />

teilweise miteinander konkurrierender Modellansätze geführt hat. Diese Ent-


wicklung hat natürlich auch Auswirkungen auf eine generative historische Syntaxforschung:<br />

Unfortunately for the historical linguist, however, generative syntax is characterized by a great variety<br />

of often radically different theoretical approaches and practical concerns. Moreover, generative<br />

syntax exhibits great variability not only 'synchronically', but also 'diachronically', in that – it<br />

seems – every five years or so, at least one radically new theory appears on the scene. (Hock<br />

1991:309)<br />

In der Tat stellen diese rasanten Entwicklungen und Veränderungen in der generativen<br />

Grammatiktheorie jeden historisch arbeitenden Linguisten, der sich an dieser Grammatiktheorie<br />

orientiert, vor das Problem, bis zu welchem Punkt der Entwicklung der Theorie<br />

gefolgt werden soll, um schließlich mit der eigenen Untersuchung zu beginnen. Hier kann<br />

nur eine pragmatische Lösung gewählt werden. Sie besteht darin, dasjenige Modell auszuwählen,<br />

das einerseits geeignet ist, den zentralen Fragen des Sprachwandels gerecht zu werden,<br />

und das andererseits eine adäquate Grundlage dafür liefert, die bisherigen generativen<br />

Untersuchungen zum Sprachwandel und zum Untersuchungsgegenstand der eigenen Arbeit<br />

diskutieren und miteinander vergleichen zu können. Auf Grund dieser Vorgaben fällt die<br />

Entscheidung eindeutig zu Gunsten der in den 80er-Jahren entwickelten Prinzipien- und<br />

Parametertheorie aus (Chomsky 1981, 1982, 1986a, 1986b). Insbesondere die darin entworfene<br />

Theorie der Parameter liefert den Rahmen für ein vielversprechendes Programm<br />

zur Erforschung der historischen Syntax, das mittlerweile Eingang in eine generative Theorie<br />

des Sprachwandels gefunden hat (Lightfoot 1991, 1993a, Roberts 1992, 1993). Gleichzeitig<br />

bildet die Prinzipien- und Parametertheorie auch die theoretische Grundlage für eine<br />

zu Beginn der 80er-Jahre einsetzende sehr intensive Diskussion der Verb-Zweit-Stellungseffekte<br />

in den germanischen sowie in den (früh-)romanischen Sprachen.<br />

1.2.1 Grundlagen und Zielsetzungen der Prinzipien- und Parametertheorie<br />

Die zentrale Motivation für die Entwicklung der Prinzipien- und Parametertheorie basiert<br />

auf der für die generative Sprachtheorie fundamentalen Hypothese, die besagt, dass es nicht<br />

möglich ist, komplexe und systematische grammatische Eigenschaften natürlicher Sprachen<br />

durch allgemeine Lernstrategien oder induktive Verfahrensweisen zu erwerben, so dass die<br />

genetische und damit vorgegebene Determination der Sprachfähigkeit an eine sprachspezifische<br />

Komponente geknüpft ist. Diese Hypothese leitet sich aus Beobachtungen des kindlichen<br />

Erstspracherwerbs ab, die deutlich machen, dass alle Kinder ihre Muttersprache prinzipiell<br />

in gleicher Weise und unter normalen Voraussetzungen stets erfolgreich und innerhalb<br />

einer relativ kurzen Zeitspanne erwerben. Das Bemerkenswerte daran ist vor allem,<br />

dass dies der Fall ist, obwohl die Regeln und Gesetzmäßigkeiten der zu erwerbenden Sprache<br />

sehr komplexer Natur sind und vielfach an den oberflächlichen Struktureigenschaften<br />

der sprachlichen Daten nicht erkennbar sind. Mit anderen Worten, die Daten, denen ein<br />

Kind während des Spracherwerbs ausgesetzt ist, sind unterdeterminiert, d.h. sie reichen<br />

nicht aus, um den Erwerb derart komplexer Regeln und Prinzipien zu ermöglichen. Kinder<br />

können den Daten nur entnehmen, welche Sätze in ihrer Muttersprache möglich sind (positive<br />

Evidenz). Dabei hören sie allerdings keineswegs alle möglichen Sätze ihrer Muttersprache<br />

und erhalten außerdem keine – zumindest keine regelmäßige und eine individuell sehr<br />

verschiedene – Information darüber, welche Sätze in ihrer Muttersprache ausgeschlossen<br />

9


10<br />

sind (negative Evidenz). Dennoch sind sie innerhalb kurzer Zeit in der Lage, korrekte Sätze<br />

in ihrer Muttersprache zu bilden und zu verstehen und nicht korrekte Sätze als ungrammatisch<br />

zu beurteilen.<br />

Erklärtes Ziel der generativen Grammatik ist es, eine Erklärung für dieses 'logische Problem<br />

des Spracherwerbs' zu finden. 3 Es geht also darum, diejenigen Regeln und Prinzipien<br />

zu formulieren, die den kindlichen Erwerb jeder menschlichen Sprache gewährleisten. Auf<br />

Grund der beschriebenen Spracherwerbsproblematik muss die Vielfalt dieser Regeln und<br />

Prinzipien möglichst restriktiv gehalten werden. Sie muss aber gleichzeitig groß genug sein,<br />

um die grammatischen Gemeinsamkeiten aller Sprachen zu erfassen. Neben diesen universalgrammatischen<br />

Regeln und Prinzipien gibt es darüber hinaus auch grammatische Eigenschaften<br />

von Sprachen, durch die nicht alle, jedoch mehrere Sprachen gekennzeichnet sind.<br />

Um dies zu erfassen, wird angenommen, dass die Universalgrammatik neben den besagten<br />

Regeln und Prinzipien Strukturoptionen ('Parameter') zur Verfügung stellt, deren Wert für<br />

jede Einzelsprache gesondert festgelegt ist. Dieser Wert besagt, ob eine Sprache eine (oder<br />

mehrere) bestimmte Eigenschaft(en) besitzt oder nicht. Im Verlauf des Spracherwerbs muss<br />

das Kind auf Grund der ihm zugänglichen Sprachdaten ('Input') für die verschiedenen Parameter<br />

den jeweiligen Wert, der für seine Muttersprache in Frage kommt, festlegen. Entscheidend<br />

ist hierbei vor allem die Annahme, dass diese Parameterfixierung den Erwerb<br />

mehrerer Eigenschaften, die gebündelt mit einem Parameterwert verbunden sind, impliziert.<br />

Das bedeutet, dass Kinder diese Eigenschaften nicht separat und nacheinander erlernen<br />

müssen, sondern dass diese mit der Festlegung des betreffenden Parameters auf einen<br />

bestimmten Wert gleichzeitig und 'automatisch' in die Grammatik integriert werden.<br />

Im Zusammenhang mit dem von Chomsky (1995) entworfenen 'Minimalistischen Programm'<br />

ist die Diskussion der Parameter stark in den Hintergrund getreten. Da jedoch das<br />

Minimalistische Programm in die generative Prinzipien- und Parametertheorie eingebettet<br />

ist, bedeutet dies keineswegs eine Aufgabe der Parametertheorie, sondern lediglich eine<br />

Verschiebung des Schwerpunkts der aktuellen generativen Grammatikdiskussion. Im Zentrum<br />

stehen gegenwärtig vorwiegend technische Fragen bzgl. des Aufbaus und der Funktionsweise<br />

universal- und einzelsprachlicher Regeln und Prinzipien. Ausgelöst durch die<br />

Arbeiten von Pollock (1989) und Chomsky (1991) ist eine intensive Diskussion über Art<br />

und Anzahl funktionaler Kategorien entstanden. Obwohl gegen die Einführung zusätzlicher<br />

funktionaler Kategorien neben den Kategorien INFL und COMP zahlreiche und gut begründete<br />

Einwände vorgebracht wurden (Iatridou 1990, Abeillé / Godard 1994, Meisel<br />

1994), ist die Annahme der INFL-Aufspaltung in mehrere funktionale Kategorien sowie die<br />

Einführung einer Neg(ations)-Phrase oder einer D(eterminierer)-Phrase weitgehend akzeptiert<br />

worden. Etwas umstrittener ist die Annahme einer in mehrere funktionale Kategorien<br />

unterteilten CP (Müller / Sternefeld 1993, Rizzi 1997).<br />

In der vorliegenden Untersuchung wird dennoch davon ausgegangen, dass auf die Annahme<br />

solcher zusätzlicher funktionaler Kategorien verzichtet werden kann, um die hier<br />

untersuchten Verb-Zweit-Stellungseffekte zu erfassen. Es wird angenommen, dass es möglich<br />

ist, auf der Grundlage eines Phrasenstrukturbaums, der lediglich die beiden funktiona-<br />

3 Chomsky (1986b:xxvii) sieht darin einen Sonderfall von 'Platons Problem', das darin besteht zu<br />

erklären, "how we know so much, given that the evidence available to us is so sparse".


len Phrasen CP und IP enthält (Chomsky 1986a), eine adäquate Verb-Zweit-Stellungsanalyse<br />

zu erarbeiten: 4<br />

(25) CP<br />

SpezCP C'<br />

COMP IP<br />

SpezIP I'<br />

INFL VP<br />

SpezVP V'<br />

V 0 NP<br />

Diese Auffassung steht im Einklang mit der Mehrzahl der bisherigen generativen Verb-<br />

Zweit-Stellungsanalysen, die mehrheitlich im vorminimalistischen Rahmen entworfen worden<br />

sind. Insbesondere, was die Struktur der CP betrifft, die für die generative Analyse der<br />

Verb-Zweit-Stellung von zentraler Bedeutung ist, konnte auch in minimalistischen Untersuchungen<br />

gezeigt werden, dass eine Aufspaltung dieser funktionalen Kategorie nicht notwendig<br />

ist (Abraham 1997). Die Annahme des Strukturbaums (25) impliziert allerdings<br />

keine grundsätzliche Ablehnung komplexerer Strukturbäume. Sie gibt lediglich die Auffassung<br />

wieder, wonach die Annahme weniger komplexer Strukturbäume immer dann wünschenswert<br />

ist, wenn diese zur Formulierung der notwendigen Generalisierungen ausreichend<br />

sind. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass der Strukturbaum (25) für die<br />

adäquate Bestimmung der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft und der damit verbundenen<br />

Generalisierungen geeignet ist.<br />

1.2.2 Die Prinzipien- und Parametertheorie und die historische Syntaxforschung<br />

Eine der Grundannahmen vieler moderner Sprachwandeltheorien besagt, dass die Vorgänge<br />

beim kindlichen Erstspracherwerb eine zentrale Rolle für den Wandel von Sprachen spie-<br />

4 Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwiefern es überhaupt gerechtfertigt ist, die im Rahmen der<br />

Prinzipien- und Parametertheorie ursprünglich erarbeiteten und gut begründeten Annahmen über<br />

Satz- und Grammatikstrukturen aufzugeben. Bislang ist es nicht gelungen, in überzeugender Weise<br />

den Nachweis für die größere Erklärungsadäquatheit des Minimalistischen Modells gegenüber<br />

dem ursprünglichen rektions- und bindungstheoretischen Ansatz zu erbringen:<br />

"What is altogether mysterious from a purely scientific point of view is the rapidity with which a<br />

substantial number of investigators, who had significant research commitments in the Government-Binding<br />

framework, have abandoned that framework and much of its conceptual inventory,<br />

virtually overnight. In its place they have adopted an approch which, as far as we can tell, is in no<br />

way superior with respect to either predictive capabilities nor explanatory power." (Lappin /<br />

Levine / Johnson 2000:267)<br />

11


12<br />

len. Sie geht auf den Junggrammatiker Hermann Paul zurück, der als einer der ersten auf<br />

die Bedeutung des Spracherwerbs für den Sprachwandel aufmerksam gemacht hat:<br />

Es liegt auf der Hand, dass die Vorgänge bei der Spracherlernung von der allerhöchsten<br />

W ichtigkeit für die Erklärung der Veränderung des Sprachusus sind, dass<br />

sie die wichtigste Ursache für diese Veränderungen abgeben. Wenn wir, zwei durch einen längeren<br />

Zwischenraum von einander getrennte Epochen vergleichend, sagen, die Sprache habe sich in den<br />

Punkten verändert, so geben wir ja damit nicht den wirklichen Tatbestand an, sondern es verhält<br />

sich vielmehr so: die Sprache hat sich ganz neu erzeugt und diese Neuschöpfung ist nicht völlig<br />

übereinstimmend mit dem Früheren, jetzt Untergegangenen ausgefallen. (Paul 1920:34)<br />

Nach Auffassung von Paul (1920:34) können diese Vorgänge im Spracherwerb "entweder<br />

positiv oder negativ sein, d.h. sie bestehen entweder in der Schöpfung von etwas Neuem<br />

oder in dem Untergang von etwas Altem, oder endlich drittens sie bestehen in einer Unterschiebung,<br />

d.h. der Untergang des Alten und das Auftreten des Neuen erfolgt durch den<br />

selben Akt". Paul macht allerdings keinerlei konkrete Angaben über das Funktionieren<br />

dieser Spracherwerbsmechanismen und lässt die Frage offen, warum es dabei zu Veränderungen<br />

der Muttersprache kommen kann (cf. Weinreich / Labov / Herzog 1968:109).<br />

Einen Versuch, diese Frage zu beantworten, stellt das von Andersen (1973) entwickelte<br />

Sprachwandelmodell dar. Dieses Modell, das weitgehend in alle modernen Sprachwandeltheorien<br />

Eingang gefunden hat 5 , basiert auf der Annahme, dass Kinder keinen direkten Zugang<br />

zur "internalized grammar" der erwachsenen Sprecher ihrer Muttersprache haben.<br />

Stattdessen muss das Kind auf der Grundlage des erwachsenensprachlichen Inputs ("Output<br />

1") und unter Mitwirkung der von der Universalgrammatik vorgegebenen Regeln und<br />

Prinzipien die Grammatik der Erwachsenensprache rekonstruieren (Andersen 1973:767,<br />

Anttila 1989:197):<br />

(26)<br />

Universalgrammatik<br />

Grammatik der Erwachsenen Grammatik der Kinder<br />

Erwachsenensprache ('Output 1') Kindersprache ('Output 2')<br />

Zu einem Wandel des grammatischen Systems einer Sprache kann es diesem Modell zufolge<br />

dann kommen, wenn Kinder die Daten des erwachsenensprachlichen Inputs in einer<br />

anderen Weise interpretieren als in der im Grammatiksystem der Erwachsenen vorgegebenen<br />

Weise. Das heißt, "eine von den bisher üblichen Grammatiken abweichende neue<br />

Grammatik wird konstruiert", wobei "die sich aus ihr ergebende Sprechtätigkeit [...] von<br />

der bisherigen Sprechtätigkeit verschieden sein [kann], [...] es aber nicht [muß]" (Bechert<br />

1982:207). Gemäß der klassischen Definition von Reanalyse, die auf Langacker (1977:58)<br />

5 Andersens Modell diente ursprünglich nur der Erklärung von phonologischem Wandel (in einem<br />

tschechischen Dialekt in Nordostböhmen). Es wurde erst später zur Erklärung von syntaktischem<br />

Wandel herangezogen (für eine kritische Darstellung des Andersen'schen Modells cf. Bechert<br />

1982 und Anttila 1989:196ff.).


zurückgeht, wird sogar explizit davon ausgegangen, dass diese Neuerung zunächst keine<br />

Auswirkungen auf die "Sprechtätigkeit" hat, sondern erst später zu Veränderungen der<br />

Oberflächenstruktur führen kann:<br />

I will define "reanalysis" as change in the structure of an expression or class of expressions that<br />

does not involve any immediate or intrinsic modification of its surface manifestation. Reanalysis<br />

may lead to changes at the surface level [...], but these surface changes can be viewed as the natural<br />

and expected result of functionally prior modifications in rules and underlying representations.<br />

(Langacker 1977:58)<br />

Eine solche Auffassung von Sprachwandel, in der die Existenz von mindestens zwei Repräsentationsebenen<br />

für Sprache postuliert wird, impliziert, wie Abraham (1992:7) zu Recht<br />

betont, eine Theorieorientierung, d.h. sie ist "in einem naturwissenschaftlichen Sinne absolut<br />

theorieverpflichtet":<br />

Reanalyse oder Restrukturierung setzen, wollen sie nicht zu trivialen Werkzeugen linguistischer<br />

Intuitionsbestätigung werden, eine typologisch leistungsfähige, abstrakte und formalisierte Syntax-<br />

und Morphosyntaxtheorie voraus, eine gesunde Mischung aus empirisch gut gesicherten Generalisierungen,<br />

gespeist aus Erscheinungen aus dem linguistischen Kernbereich, sowie ein theoretisches<br />

Konstrukt, das einerseits weitmaschig genug gebaut ist, alle Erscheinungsformen der Sprache<br />

zu erfassen, und das andererseits in seinen Konstruktformen eng genug vernetzt ist, soda[ß]<br />

weitläufige, Voraussagen erlaubende Zusammenhänge innerhalb der Theoriekomponenten sichtbar<br />

werden. Solche formalen Theorien legen ihrerseits den methodischen Experimentier- und [Ü]berprüfungsrahmen<br />

relativ fest aus (Distributionstests; relativ hohe Gewichtung von Wortstellungsbeobachtungen;<br />

Einengung des abzuprüfenden Erscheinungsbereichs auf minimale Unterschiede unter<br />

Fixierung aller anderer potentieller Einflu[ß]faktoren; deutliche Konzepte von semantisch-logischem<br />

Skopus; Fragestellungen aus dem Erst- und Zweitspracherwerb, deren Phänomene in die<br />

Zuspitzung der theoretischen Modellfragen miteingehen; etc.). (Abraham 1992:18f.)<br />

Für Abraham (1992:19) steht außer Frage, dass "die syntaktische Schule der Universalgrammatik"<br />

und damit die generative Prinzipien- und Parametertheorie diese hier geforderten<br />

Voraussetzungen erfüllt und somit ein adäquates Modell zur Erfassung diachronischer<br />

Restrukturierungsprozesse darstellt. Diese Theorie stellt nicht nur den notwendigen<br />

methodischen Experimentier- und Überprüfungsrahmen zur Verfügung, sondern liefert<br />

auch die Möglichkeit, unterschiedliche Sprachwandelphänomene als grundsätzlich verschiedene<br />

Prozesse zu beschreiben, die auf unterschiedlichen Ebenen der Grammatik operieren<br />

und unterschiedliche Module betreffen.<br />

Allmähliche, langwierige Sprachwandelprozesse können als Prozesse betrachtet werden,<br />

die ausschließlich oberflächliche Strukturen betreffen. Hierbei handelt es sich um Prozesse<br />

wie etwa der Grammatikalisierung oder der lexikalischen Entlehnung (Abraham 1992:8).<br />

Ein solcher Vorgang, den Roberts (1992:158) als "step" bezeichnet, führt i.d.R. zu einer<br />

Zunahme der Häufigkeit bestimmter Konstruktionen in der Sprache, d.h. der Gebrauch<br />

einer bestimmten Konstruktion hat einen Wandel erfahren, während deren zugrunde liegende<br />

Struktur unverändert bleibt. Es wird angenommen, dass dieser Wandel in der Erwachsenensprache<br />

dazu führen kann, dass die Kinder einer oder mehrerer Generationen<br />

damit beginnen, diesen Konstruktionen eine andere zugrunde liegende Struktur als in der<br />

Erwachsenengrammatik zuzuordnen, d.h. sie zu reanalysieren.<br />

Sehr umstritten ist in der gesamten Reanalyse-Diskussion vor allem, ob diese Veränderungen<br />

der zugrunde liegenden Struktur abrupt eintreten müssen (Lightfoot 1979, 1991,<br />

Haspelmath 1998) oder ob es sich hierbei vielmehr um langwierige Prozesse handeln kann<br />

13


14<br />

(Harris / Campbell 1995, Roberts 1993). Grundlegend für die generative Sprachwandelanalyse<br />

ist die Annahme, dass es Sprachwandelerscheinungen gibt, die plötzlich und abrupt<br />

eintreten ("catastrophic changes", Lightfoot 1991, 1997a). Sie werden entweder als das unmittelbare<br />

Resultat einer 'radikalen' Reanalyse erfasst oder als Folge einer Reanalyse, die<br />

erst später in eine abrupte Änderung, d.h. in die endgültige Aufgabe einer ursprünglichen<br />

Konstruktion, mündet. In beiden Fällen wird angenommen, dass einzelne Parameterwerte<br />

eine Umfixierung erfahren, wodurch eine Änderung des gesamten grammatischen Systems<br />

ausgelöst wird:<br />

[...] we have seen that in generative work on change, the emphasis is on abrupt change. This is<br />

primarily a consequence of the theoretical framework. Since parameter settings are typically an<br />

all-or-nothing phenomenon, a new parameter setting will represent an abrupt change in the I-language<br />

of the speaker with respect to those of the speakers in her language environment. (Kemenade<br />

/ Vincent 1997:4)<br />

Somit kann ein Vorteil einer auf der generativen Prinzipien- und Parametertheorie basierenden<br />

Sprachwandeltheorie darin gesehen werden, dass bestimmte Phänomene der diachronen<br />

Variation auf eine grundsätzlich andere Weise als in bisherigen Sprachwandeltheorien<br />

erfasst werden können. Die Attraktivität der Prinzipien- und Parameter-Theorie für eine<br />

Theorie des Sprachwandels, die Sprachwandelphänomene Vorgängen im kindlichen<br />

Spracherwerb zuschreibt, liegt außerdem insbesondere darin, dass sie auf Beobachtungen<br />

aus dem Erstspracherwerb beruht und diese zu erklären versucht. Damit besteht für eine<br />

generative Sprachwandelforschung auch die Möglichkeit, selbst einen Beitrag zur Erforschung<br />

des logischen Problems des Spracherwerbs zu leisten, da auf Grund der Ergebnisse<br />

aus der Sprachwandelforschung möglicherweise Rückschlüsse auf Prozesse des kindlichen<br />

Spracherwerbs gezogen werden können. Dies gilt auch im Hinblick auf die Theorie der<br />

Parameter, deren Funktionsweise noch weitgehend ungeklärt ist, da einerseits bislang<br />

"[g]rundsätzliche Überlegungen zur Natur solcher Parameter [...] weitgehend [fehlen]"<br />

(Lenerz 1993:1173) und andererseits die konkrete Ausformulierung einzelner Parameter –<br />

auch des hier betrachteten Verb-Zweit-Parameters – bislang nur in Ansätzen gelungen ist.<br />

Eine generative Untersuchung des Wandels von Parametern könnte hier einen zentralen<br />

Beitrag für die Weiterentwicklung der Parametertheorie liefern:<br />

Diachrone Untersuchungen könnten hier entscheidende Evidenz erbringen, so daß durch weitere<br />

diachrone Forschung sowohl das Verständnis des Sprachwandels wie der Grammatiktheorie zu<br />

fördern wäre. (Lenerz 1993:1173)<br />

Lenerz stellt allerdings fest, dass die historische generative Syntax bislang nur wenig zu einem<br />

tieferen Verständnis von Sprachwandel und Parametern beigetragen hat und äußert die<br />

Befürchtung, dass dieser "Dornröschenschlaf" der diachronen generativen Syntax noch längere<br />

Zeit anhalten wird. Seine Skepsis führt Lenerz (1993:1173) auf die "fehlende diachrone<br />

Ausbildung der meisten generativen" Linguisten zurück. Von den diachron geschulten<br />

Linguisten erwartet Lenerz (1993:1173) aber auch "kaum [...] eine baldige durchgreifende<br />

Änderung", da diese über eine "mangelnde generative Ausbildung" verfügen. 6<br />

6 Noch pessimistischer ist die Sichtweise von Werner (1993). In einer profunden Kritik bisheriger<br />

Sprachwandeltheorien stellt er fest, dass diese Theorien u.a. deshalb als inadäquat anzusehen sind,<br />

weil sie auf linguistischen Modellen basieren, die nicht in der Lage sind, in angemessener Weise


In der vorliegenden generativen Studie wird versucht, diesem Manko entgegenzutreten,<br />

indem hier auch ausführlich nicht generative Literatur berücksichtigt wird. Ich schließe<br />

mich dabei der Vorgehensweise von Janßen (1993:4) an, der die "wesentlichen Grundlagen<br />

und Methoden" der generativen Grammatiktheorie verwendet, dennoch "nicht die formalen<br />

generativen Mechanismen im Forschungsinteresse" sieht, sondern "die Eigenschaften der<br />

zu beschreibenden sprachlichen Strukturen". Ziel ist es daher, nicht nur einen Beitrag zu<br />

einem besseren Verständnis des Funktionierens von Parametern im Allgemeinen und des<br />

Verb-Zweit-Parameters im Besonderen zu leisten, sondern auch zu zeigen, dass eine<br />

Sprachwandelanalyse auf der Grundlage der generativen Grammatiktheorie keineswegs nur<br />

theorieinterne Ergebnisse liefern, sondern auch Ergebnisse erzielen kann, die "auch in<br />

anderen Theorieansätzen sinnvolle und notwendige Bausteine sein können [...]" (Janßen<br />

1993:4). Gleichzeitig muss aber klar sein, dass es ohne eine theoretische Grundlage gar<br />

nicht möglich wäre, die hier untersuchten Sprachdaten zu interpretieren und neue Erkenntnisse<br />

über den Untersuchungsgegenstand zu gewinnen:<br />

It can be maintained [...] that there is no relevant raw syntactic data independent of interpretation<br />

and analysis, and that any account of syntactic history must be firmly rooted in a theory of syntactic<br />

structure. (Posner 1997:347)<br />

Im folgenden Kapitel soll daher zunächst diskutiert werden, wie im Rahmen der generativen<br />

Grammatiktheorie die strenge Verb-Zweit-Stellung der germanischen Sprachen am<br />

adäquatesten erfasst werden kann. Im Anschluss daran wird auf dieser Grundlage überprüft,<br />

ob und inwiefern die in den modernen romanischen Sprachen zu beobachtenden Verb-<br />

Zweit-Stellungseffekte in der gleichen Weise analysiert werden können.<br />

Das Ergebnis wird sein, dass dies – ausgenommen im Bündnerromanischen – nicht der<br />

Fall ist, sondern dass es sich bei diesen Verb-Stellungsmustern lediglich um scheinbare<br />

Verb-Zweit-Stellungseffekte handelt, die in einer grundsätzlich anderen Weise analysiert<br />

werden müssen als in den Sprachen, die über eine strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

verfügen.<br />

der Komplexität natürlicher Sprachen gerecht zu werden. Resignierend konstatiert Werner<br />

(1993:126), dass man bislang noch weit entfernt ist von einem "successful modelling of the complexitiy<br />

of natural languages with formal means". Folglich gibt es für Werner gegenwärtig kein<br />

linguistisches Modell, das als theoretische Grundlage für eine Untersuchung von Sprachwandel<br />

geeignet wäre.<br />

15


2. Die Verb-Zweit-Stellung in den germanischen und romanischen<br />

Sprachen<br />

2.1 Die strenge Verb-Zweit-Stellung in den germanischen Sprachen<br />

2.1.1 Die Verbstellung in Verb-Zweit-Sprachen mit strenger Asymmetrie<br />

Ausgehend von den Arbeiten von Thiersch (1978) und den Besten (1983) ist den meisten<br />

generativen Verb-Zweit-Analysen des Deutschen und Niederländischen die Annahme gemeinsam,<br />

dass die Verb-Zweit-Stellung das Resultat einer Bewegung des finiten Verbs in<br />

die Komplementierer-Position ist. Diese Annahme basiert auf der Beobachtung, dass in<br />

diesen Sprachen die Zweit-Stellung des finiten Verbs in den Sätzen ausgeschlossen ist, die<br />

einen Komplementierer enthalten. Während im Matrixsatz das finite Verb obligatorisch in<br />

der zweiten Position auftritt, kann es in einem durch eine Konjunktion eingeleiteten Nebensatz<br />

diese Position nicht einnehmen (Thiersch 1978:12f., den Besten 1983:54f.):<br />

(1) dt. (a) Die Frau hat ein Buch gelesen.<br />

(b) *Die Frau ein Buch gelesen hat.<br />

(c) *Ich glaube, dass die Frau hat ein Buch gelesen.<br />

(d) Ich glaube, dass die Frau ein Buch gelesen hat.<br />

(2) nl. (a) De vrouw heeft een boek gelezen.<br />

(b) *De vrouw een boek gelezen heeft.<br />

(c) *Ik geloof dat de vrouw heeft een boek gelezen.<br />

(d) Ik geloof dat de vrouw een boek gelezen heeft.<br />

Die gleiche komplementäre Verteilung zwischen finitem Verb und Konjunktion ist in Nebensätzen<br />

zu beobachten, die einen Matrixsatz einleiten. Am Beispiel satzeinleitender Konditionalsätze<br />

wird deutlich, dass entweder nur das finite Verb oder nur eine Konjunktion<br />

satzinitial stehen können. Das gleichzeitige Auftreten von finitem Verb und Konjunktion in<br />

satzinitialer Position ist ausgeschlossen (cf. Vikner 1995:43):<br />

(3) dt. (a) Wenn die Frau Zeit gehabt hätte, hätte sie ein Buch gelesen.<br />

(b) *Wenn hätte die Frau Zeit gehabt, hätte sie ein Buch gelesen.<br />

(c) Hätte die Frau Zeit gehabt, hätte sie ein Buch gelesen.<br />

(d) *Hätte wenn die Frau Zeit gehabt, hätte sie ein Buch gelesen.<br />

(4) nl. (a) Als de vrouw tijd gehad had, had ze een boek gelezen.<br />

(b) *Als had de vrouw tijd gehad, had ze een boek gelezen.<br />

(c) Had de vrouw tijd gehad, had ze een boek gelezen.<br />

(d) *Had als de vrouw tijd gehad, had ze een boek gelezen.<br />

Eine weitere Beobachtung, die darauf hindeutet, dass finites Verb und Konjunktion die<br />

gleiche Position im Satz einnehmen, ist die, dass die unbetonten Pronomen im Matrixsatz<br />

bevorzugt unmittelbar rechts vom finiten Verb und im Nebensatz bevorzugt unmittelbar<br />

hinter der Konjunktion auftreten (Tomaselli 1990:25):


(5) dt. (a) Gestern hat ihm die Frau ein Buch geschenkt.<br />

(b) Gestern hat es die Frau dem Mann geschenkt.<br />

(c) Gestern hat es ihm die Frau schon gesagt.<br />

(6) dt. (a) ..., dass ihm die Frau ein Buch geschenkt hat.<br />

(b) ..., ob es die Frau dem Mann geschenkt hat.<br />

(c) ..., dass es ihm die Frau schon gesagt hat.<br />

Thiersch (1978) und den Besten (1983) sowie die meisten anderen daran anknüpfenden generativen<br />

Analysen versuchen diesen Beobachtungen durch die Annahme Rechnung zu tragen,<br />

dass das finite Verb in Sprachen mit einer Verb-Zweit-Stellung im Matrixsatz in die<br />

COMP-Position angehoben wird, d.h. in die Position, in der im Nebensatz die subordinierende<br />

Konjunktion generiert wird.<br />

Die entscheidende Frage, die auf Grund einer solchen Analyse der Verb-Zweit-Sprachen<br />

gestellt werden muss, ist die nach dem Auslöser (Trigger), der diese Bewegung des Verbs<br />

bewirkt. Hierzu sind zahlreiche Vorschläge gemacht worden, die fast alle darin übereinstimmen,<br />

dass in den Verb-Zweit-Sprachen die COMP-Position mit besonderen Eigenschaften<br />

bzw. Merkmalen ausgestattet ist, wodurch die Verbanhebung ausgelöst wird. In<br />

den meisten Analysen wird angenommen, dass es sich dabei um Finitheits- und/oder Tempus-<br />

und Kongruenzmerkmale handelt, die in der COMP-Position generiert werden. 1 Unabhängige<br />

Evidenz für diese Annahme wird in der Tatsache gesehen, dass in (süd)deutschen<br />

und niederländischen Dialekten subordinierende Konjunktionen morphologische Merkmale<br />

tragen können, die offenbar zur Markierung der Kongruenz mit dem Verb dienen. Diese so<br />

genannte 'Komplementiererkongruenz' ist beispielsweise im Bairischen (den Besten<br />

1983:120, Bayer 1983/84:233, Hoekstra / Marácz 1989:77f.) oder Westflämischen zu beobachten<br />

(Haegeman 1992:49):<br />

(7) bai. (a) I woaß, dasst (du) a Spitzbua bist.<br />

(b) I woaß, dassts (ihr) Spitzbuam seits.<br />

(8) wfl. (a) Kpeinzen da Valère morgen goat.<br />

ich-denke dass Valère morgen geht<br />

(b) Kpeinzen dan Valère en Pol morgen goan.<br />

ich-denke dass Valère und Pol morgen gehen<br />

Dieses Auftreten von Kongruenzaffixen in der COMP-Position deutet auf deren besonderen<br />

Status als Träger von Kongruenzmerkmalen hin. Wenn auch in diesen Dialekten nicht in<br />

allen Personen die Konjunktion Kongruenzaffixe tragen kann, so kann dennoch angenommen<br />

werden, dass die Finitheits- und Kongruenzmerkmale in dieser Position basisgeneriert<br />

sind und die V- bzw. INFL-nach-COMP-Bewegung bewirken:<br />

1 Die Anzahl der verschiedenen Ansätze ist derart groß, dass sie hier nicht im einzelnen aufgeführt<br />

und diskutiert werden können. Sie unterscheiden sich meist nur durch technische und theoretische<br />

Details, die für die vorliegende Studie nicht relevant sind. Mittlerweile liegen auch zahlreiche Arbeiten<br />

vor, in denen verschiedenen Ansätze dargestellt und miteinander verglichen werden. Einen<br />

detaillierten Überblick liefert v.a. Vikner (1995:51-64), der insgesamt sieben Analysen der Vnach-COMP-Bewegung<br />

gegenüberstellt (cf. auch Koopman 1984:Kap.7, Platzack 1985, Haider<br />

1993:Kap.4). Für Analysen im Rahmen des minimalistischen Programms, in denen angenommen<br />

wird, dass die Verb-Bewegung in die CP-Ebene dadurch ausgelöst wird, dass 'starke' V-Merkmale<br />

dort überprüft werden müssen, cf. Zwart (1997), Laenzlinger (1998:301f.) oder Haider (2001:289).<br />

17


18<br />

[...] it cannot be the case that INFL-to-COMP takes place if and only if overt complementizer<br />

agreement is present, because this would lead to the conclusion that in certain dialects INFL-to-<br />

COMP takes place in certain persons of the inflectional paradigm only. [...] the link between complementizer<br />

agreement and parametric choice must be indirect. If a language has complementizer<br />

agreement in some specific person, then it has independent INFL-to-COMP. (Zwart 1993a:261)<br />

Diese Beobachtung führt zu der Annahme, dass diese Bewegung auch in den Standardvarietäten<br />

dieser Dialekte sowie in allen anderen Verb-Zweit-Sprachen, in denen diese Komplementiererkongruenz<br />

niemals morphologisch sichtbar ist, stattfindet. Hierfür spricht, dass<br />

sich diese Sprachen in syntaktischer Hinsicht identisch verhalten wie die Dialekte, in denen<br />

es offene Komplementiererkongruenz gibt. Die offene Komplementiererkongruenz ist demnach<br />

"just a morphological reflex of abstract functional head movement, which happens to<br />

be suppressed in the standard varieties of Dutch and German [...]" (Zwart 1997:153). Mit<br />

anderen Worten, diese Verbbewegungsregel hat allgemeine Gültigkeit für alle diejenigen<br />

Sprachen, die syntaktisch durch die in (1) und (2) illustrierte Hauptsatz-Nebensatz-Asymmetrie<br />

charakterisiert sind:<br />

We can only conclude that if AgrS-to-C movement takes place in the complementizer agreement<br />

dialects of Germanic, it also takes place in those languages and dialects of Germanic that show exactly<br />

the same behavior but for the overt complementizer agreement morphology. Thus, there is no<br />

reason to suppose that AgrS-to-C movement is present in the Dutch South Hollandic dialect, but<br />

not in Standard Dutch. This conclusion is important, because the AgrS-to-C hypothesis provides<br />

an explanation for the verb movement asymmetry illustrated in [(1)-(2)]. (Zwart 1993a:263f.)<br />

Ein weiterer Beleg dafür, dass die COMP-Position Flexions- und Kongruenzmerkmale enthält,<br />

wird im bereits angesprochenen Stellungs- und Bindungsverhalten klitischer Pronomina<br />

einiger Verb-Zweit-Sprachen gesehen. Den Besten (1983:56) macht die Beobachtung,<br />

dass klitische Subjektspronomina in niederländischen Nebensätzen stets enklitisch zur Konjunktion<br />

stehen müssen, während für nicht klitische Subjekte diese Restriktion nicht gilt:<br />

(9) nl. (a) ... dat ze gisteren ziek was.<br />

dass sie gestern krank war<br />

(b) *.... dat gisteren ze ziek was.<br />

dass gestern sie krank war<br />

(c) ... dat zij / mijn oom gisteren ziek was.<br />

dass sie mein Onkel gestern krank war<br />

(d) ... dat gisteren zij / mijn oom ziek was.<br />

dass gestern sie mein Onkel krank war<br />

In Matrixsätzen ist zu beobachten, dass sich die klitischen Pronomina enklitisch an das finite<br />

Verb binden. Nichtklitische Subjekte hingegen können vom Verb getrennt erscheinen<br />

(den Besten 1983:56f.):<br />

(10) nl. (a) Was ze gisteren ziek?<br />

war sie gestern krank<br />

(b) *Was gisteren ze ziek?<br />

war gestern sie krank<br />

(c) Was zij / je oom gisteren ziek?<br />

war sie dein Onkel gestern krank<br />

(d) Was gisteren zij / je oom ziek?<br />

war gestern sie dein Onkel krank<br />

Diese Daten veranschaulichen nicht nur, wie bereits in (5)-(6) gesehen, das gemeinsame<br />

Stellungsverhalten von Konjunktion und finitem Verb, sondern illustrieren darüber hinaus


eine weitere Gemeinsamkeit dieser beiden Elemente. Sie zeigen nämlich, dass beide offenbar<br />

als Partner ("host") für klitische Pronomina dienen können (den Besten 1983:56). Diese<br />

Fähigkeit, Klitika an sich zu binden, wird als weiteres Indiz für die Existenz von Kongruenz-<br />

und Flexionsmerkmalen in der COMP-Position angesehen. In Anlehnung an Rizzi<br />

(1982) nimmt Tomaselli (1990:216-228) an, dass dies mit der Eigenschaft zusammenhängt,<br />

leere Subjekte zu lizensieren. Diese Eigenschaft kommt nach Ansicht von Tomaselli<br />

(1990:217f.) etwa im Deutschen in unpersönlichen Passivkonstruktionen zur Geltung, in<br />

denen das expletive Subjekt offenbar genau dann nicht lexikalisch realisiert wird, wenn es<br />

rechts adjazent zum finiten Verb in einem Matrixsatz oder zu einer nebensatzeinleitenden<br />

Konjunktion steht: 2<br />

(11) dt. (a) Es wurde mir geholfen<br />

(b) Mir wurde pro geholfen.<br />

(c) ... dass pro mir geholfen wurde.<br />

(12) dt. (a) Es wurde getanzt.<br />

(b) Hier wurde pro getanzt.<br />

(c) ... dass pro getanzt wurde.<br />

Tomaselli (1990) sieht hierin eine Parallele zu 'echten' Null-Subjekt-Sprachen wie dem Italienischen,<br />

in denen nicht nur expletive, sondern auch thematische Null-Subjekte lizensiert<br />

sind. Rizzi (1982:131) zufolge ist ein Lizensierer von Null-Subjekten dadurch charakterisiert,<br />

dass er "(pro-)nominal properties, specified with respect to such grammatical features<br />

as person and number" besitzt. Für Tomaselli (1990:222) liefern somit die Daten in (9) -<br />

(10) und (11) - (12) Evidenz für die "natura pronominale di COMP 0 in tedesco". Der Unterschied<br />

der germanischen Verb-Zweit-Sprachen zu den Null-Subjekt-Sprachen besteht für<br />

sie darin, dass nicht die Kategorie INFL, sondern die Kategorie COMP mit diesen Merkmalen<br />

ausgestattet ist. Einer Zusatzannahme von Tomaselli (1990:224) zufolge kann<br />

COMP allerdings nur dann Nullsubjekte in der Subjektsposition lizensieren, wenn dieser<br />

Position keine thematische Rolle (θ-Rolle) zugewiesen wird. Damit erklärt sich ihrer Ansicht<br />

nach, dass im Deutschen das Subjekt in Satz (13) stets realisiert werden muss (Tomaselli<br />

1990:225):<br />

(13) ... [COMP dass [IP Johann [VP angerufen ti [INFL hati]]]]<br />

+θ<br />

+ΝΟΜ<br />

2 Tomaselli (1990:217) spricht zwar von einer "possibilità di lasciare inespresso il soggetto" (meine<br />

Hervorhebung, GAK), zeigt aber mit ihren Daten, dass es sich hier um eine obligatorische Auslassung<br />

handelt:<br />

(i) dt. (a) *Mir wurde es geholfen.<br />

(b) *... dass es mir geholfen wurde.<br />

(ii) dt. (a) *Hier wurde es getanzt.<br />

(b) *... dass es hier getanzt wurde.<br />

Eine Erklärung dafür, warum in diesen Kontexten die lexikalische Realisierung des Expletivums<br />

ausgeschlossen ist, liefert sie allerdings nicht.<br />

19


20<br />

Obwohl durch diese Zusatzannahme Tomasellis Ansatz geschwächt wird und er außerdem<br />

offenbar auch empirische Inadäquatheiten aufweist 3 , können die von Tomaselli herausgestellten<br />

besonderen Eigenschaften von COMP als zusätzliche empirische Evidenz für die<br />

Annahme angesehen werden, dass in den Verb-Zweit-Sprachen Finitheits- und Kongruenzmerkmale<br />

in der COMP-Position basisgeneriert werden: 4<br />

[...] there is a well-known correlation between the possibility of a given head to host clitics and its<br />

ability to license pro (cf. Rizzi 1986[...]). Both properties can arguably be viewed as the reflex of<br />

the presence of Agr. If so, then the data in [(9)-(10)] further indicate that C contains Agr in German,<br />

Dutch and other V2 languages [...]. (Roberts 1993:55)<br />

Die Annahme lautet also, dass Verb-Zweit-Sprachen dadurch gekennzeichnet sind, dass das<br />

finite Verb nach COMP bewegt werden muss, um die notwendigen Flexions- und Kongruenzmerkmale<br />

zu erhalten. Die Anhebung erfolgt stets dann, wenn die COMP-Position nicht<br />

lexikalisch gefüllt ist. 5 Demzufolge kann beispielsweise einem deutschen Matrixsatz mit einem<br />

präverbalen Objekt die folgende Struktur zugewiesen werden:<br />

3 Vikner (1995:60) kritisiert an Tomasellis Ansatz, dass er die Möglichkeit ausschließt, dass eine<br />

Verb-Zweit-Sprache leere thematische Subjekte erlaubt. Damit kann dieser Ansatz nicht dem Altnordischen<br />

und Altdänischen gerecht werden, da diese Sprachen neben der Verb-Zweit-Eigenschaft<br />

auch die Null-Subjekt-Eigenschaft besaßen. Auch im Altfranzösischen, das allgemein als<br />

Verb-Zweit-Sprache angesehen wird, waren thematische Null-Subjekte möglich. Eine weitere<br />

Schwäche der Analyse von Tomaselli sieht Vikner (1995:61) darin, dass angenommen werden<br />

muss, dass für Sätze mit thematischem Subjekt der Nominativ-Kasus von INFL (cf. (13)), in Sätzen<br />

mit nicht referentiellem pro hingegen von COMP zugewiesen wird.<br />

4 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die minimalistische Analyse von Solà (1996), in der die<br />

pronominale Enklise an den Komplementierer als ein Morphem angesehen wird, das ein starkes<br />

Merkmal bildet und durch das finite Verb überprüft werden muss.<br />

5 Eine Ausnahme bilden eingebettete Fragesätze und Relativsätze. Hier bleibt das Verb in seiner basisgenerierten<br />

Position, obwohl die COMP-Position nicht lexikalisch besetzt ist und somit – wie<br />

im Matrixsatz – als Landeposition zur Verfügung stünde:<br />

(i) dt. (a) [CP Wer [C' hat [IP das gemacht]]]?<br />

(b) Ich weiß nicht [CP wer [C' ø [IP das gemacht hat]]]<br />

(ii) dt. (a) [CP Mit wem [C' hast [IP du geredet]]]?<br />

(b) Ich weiß nicht [CP mit wem [C' ø [IP du geredet hast]]]<br />

Ein Vorschlag für dieses – in Anlehnung an Reis (1985) – als 'Reis'sches Dilemma' bezeichnete<br />

Problem lautet, dass in den eingebetteten Fragesätzen bzw. Relativsätzen ein leerer Komplementierer<br />

die Verbbewegung blockiert. Evidenz für das Vorhandensein eines solchen Komplementierers<br />

liefern süddeutsche Dialekte, wie z.B. das Bairische, in denen die COMP-Position fakultativ<br />

durch einen lexikalischen Komplementierer besetzt sein kann (Grewendorf 1988:250):<br />

(iii) bai. (a) I woaß net [CP wer [C' dass [IP des gmacht hot]]]<br />

(b) I woaß net [CP mit wem [C' dass [IP i gredt hab]]]<br />

Einem Vorschlag von Lalande (1997:Kap.3) zufolge ist die V-nach-COMP-Bewegung in Nebensätzen<br />

deshalb ausgeschlossen, weil diese zu einer Substitution der CP führt, wodurch sich deren<br />

kategorialer Status verändert, da "deren Kopf nicht mehr C 0 , sondern C 0 + I 0 ist" (Lalande<br />

1997:103). Dies hat zur Folge, dass auf Grund des Projektionsprinzips, wonach die Selektionseigenschaften<br />

eines Kopfes auf allen Repräsentationsebenen vorhanden bleiben müssen (Chomsky /<br />

Lasnik 1993:54f.), das finite Verb nur dann nach COMP bewegt werden kann, wenn die CP nicht<br />

durch ein Matrixverb selegiert ist.


(14) CP<br />

SpezCP C'<br />

COMP IP<br />

SpezIP I'<br />

SpezVP V'<br />

VP INFL<br />

NP V 0<br />

Ein Buchj hati die Frauk tk tj gelesen ti<br />

Diese Analyse führt zu der Frage, wie in eingebetteten Sätzen, in denen die Verb-nach-<br />

COMP-Anhebung durch die Präsenz einer Konjunktion blockiert ist, das Verb die notwendigen<br />

Kongruenz- und Finitheitsmerkmale erhalten kann. Die wenigen Lösungsansätze<br />

hierzu bestehen vielfach darin, dass lexikalische Komplementierer als Expletiva angesehen<br />

werden. Da Expletiva als semantisch leere Elemente auf der Ebene der Logischen Form<br />

(LF) getilgt werden müssen, kann das finite Verb durch LF-Anhebung nach COMP bewegt<br />

werden (cf. Law 1991, Platzack 1992:84,Fn.3, Zwart 1993a:266,Fn.8). Law (1991:259) gelangt<br />

daher für einen eingebetteten Satz des Westflämischen zu folgender Ableitung:<br />

(15) wfl. S-Struktur: K weten [CP da [IP Jan [VP Marie gezien ti] heeti + INFL]]<br />

ich weiß dass-3.Sg. Jan Marie gesehen hat-3.Sg.<br />

Logische Form: K weten [CP [heet + INFL]j [IP Jan [VP Marie gezien] tj]]<br />

Anderen Analysen zufolge sind subordinierende Konjunktionen in der Lage, die Kongruenz-<br />

und Finitheitsmerkmale zu realisieren ("spell out") (Müller / Penner 1996:140) oder<br />

"to remove the V-features on C 0 " (Laenzlinger 1998:302). In diesen Analysen bleibt allerdings<br />

offen, wie auf diese Weise die morphophonologische Realisierung der Kongruenz-<br />

und Finitheitsmerkmale am Verb gewährleistet werden kann, da das finite Verb entweder<br />

überhaupt nicht oder erst auf einer Ebene, die für die phonologische Realisierung irrelevant<br />

ist, mit den Merkmalen zusammengeführt wird. 6<br />

6 Im Rahmen des Minimalistischen Programms wird dies nicht als Problem gesehen. Hier wird<br />

angenommen, dass das finite Verb bereits im Lexikon in seiner flektierten Form eingesetzt wird.<br />

Es muss daher nicht nach COMP bewegt werden, um die Finitheits- und Kongruenzmerkmale zu<br />

erhalten, sondern um die abstrakten Merkmale, mit denen es ausgestattet ist, zu überprüfen:<br />

"Thus, inflectional morphemes are not generated in functional heads. Rather, functional heads are<br />

bundles of abstract features corresponding to the features of the inflected elements. Movement<br />

takes place to check these features off. Therefore, what moves from AgrS to C is not a morpheme,<br />

but an abstract feature associated with AgrS." (Zwart 1993a:267,Fn.21)<br />

Bewegungen und deren Realiserung auf der Phonetischen Form hängen davon ab, ob die zu überprüfenden<br />

Merkmale 'stark' oder 'schwach' sind. Die Bestimmung der 'Stärke' und 'Schwäche' von<br />

Merkmalen ist dabei vollkommen unabhängig von deren morphologischer Ausprägung und erfolgt<br />

21


22<br />

Ein anderes Problem der generativen Verb-Zweit-Analysen besteht darin, dass die Vnach-COMP-Anhebung<br />

in finiten Matrixsätzen mit einer weiteren Bewegung verbunden<br />

ist, nämlich der einer satzinitialen Konstituente nach SpezCP. Häufig wird auf diese XP-<br />

Bewegung nicht gesondert eingegangen (z.B. Vikner 1995). Bisweilen wird lediglich ein<br />

"independent constraint" formuliert, wonach in Verb-Zweit-Sprachen die Topikposition,<br />

d.h. SpezCP, immer besetzt sein muss (Koopman 1983:197) oder wonach ein Kopf, der das<br />

Merkmal [+Agr] oder ein "strong specifier feature" enthält, einen gefüllten Spezifizierer<br />

haben muss (Roberts 1993:56, Haegeman 1996:143f.). Diese Beschränkungen sind allerdings<br />

völlig ad hoc, da keinerlei unabhängige Evidenz vorgelegt wird. Es handelt sich hierbei,<br />

wie Zwart (1993a:250) zu Recht betont, um eine bloße Beschreibung der Fakten,<br />

"namely that when the verb moves to C [...] something has to precede the verb (for instance,<br />

the subject [...], or the topic [...])".<br />

Der Versuch, diese XP-Bewegung in einer adäquateren Weise zu erfassen, hat zu dem<br />

viel diskutierten Ansatz geführt, wonach satzinitiale Konstituenten nur in solchen Fällen<br />

nach SpezCP angehoben werden, wenn es sich dabei um 'Operatoren' handelt, d.h. um Konstituenten,<br />

die entweder das Merkmal [+wh] tragen oder in irgendeiner Weise topikalisiert<br />

sind. Nichttopikalisierte Subjekte hingegen sind keine Operatoren. In der u.a. von Travis<br />

(1984, 1991) und Zwart (1993b, 1997) vorgeschlagenen 'asymmetrischen V2-Analyse'<br />

(Schwartz / Vikner 1996) wird daher angenommen, dass satzinitiale nicht topikalisierte<br />

Subjekte in Verb-Zweit-Sätzen nicht nach SpezCP angehoben werden, sondern in SpezIP<br />

verbleiben. Somit haben Sätze mit satzinitialen Subjekten eine andere Struktur als Sätze,<br />

die nicht durch ein Subjekt eingeleitet sind (cf. Travis 1991:359):<br />

(16) dt. (a) [IP Die Kinder [I' habeni [VP das Brot heute gegessen ti]]]<br />

(b) [CP Heutej [C' habeni [IP die Kinder [I' ti [VP das Brot tj gegessen ti]]]]]<br />

(c) [CP Wasj [C' habeni [IP die Kinder [I' ti [VP tj heute gegessen ti]]]]]<br />

Nach der 'minimalistischen' Analyse von Zwart (1993b) sind für die Anhebung der satzinitialen<br />

Konstituenten in (16)(b) und (16)(c) [+Topik]- bzw. [+wh]-Merkmale verantwortlich.<br />

Zwart (1993b:276f.) zufolge handelt es sich hierbei um "starke N-Merkmale", die<br />

nicht mit einem lexikalischen Kopf verbunden, d.h. "nonL-related", sind. Dies hat zur<br />

Folge, dass die Überprüfung dieser Merkmale außerhalb des IP-Systems, also im CP-System,<br />

stattfinden muss (Chomsky 1993:196). Da in Sätzen mit einem satzinitialen Subjekt<br />

hingegen solche Merkmale nicht vorhanden sind, ist dessen Anhebung nach CP ausgeschlossen.<br />

7<br />

Diese Analyse liefert damit einen möglicherweise adäquateren Erklärungsansatz für die<br />

XP-nach-CP-Anhebung als die bisherigen Ansätze, da eine gewisse unabhängige Evidenz<br />

für diese Bewegung vorgelegt wird. Dennoch halten viele Kritiker diese Analyse für nicht<br />

nur auf Grund theorieinterner Argumente (Gärtner / Steinbach 1994, Chomsky 1995:230ff., Wilder<br />

1995).<br />

7 Nach Zwart (1993b:242) ist die CP "gesplittet", d.h. in eine WhP und eine TopP unterteilt. Demzufolge<br />

haben wh-Operatoren und Topik-Phrasen unterschiedliche Landepositionen (cf. auch Müller<br />

/ Sternefeld 1993).


ausreichend motiviert. 8 Außerdem beinhaltet sie eine Reihe negativer Konsequenzen. Die<br />

gravierendste ist zweifelsohne, dass die Generalisierung, wonach in Verb-Zweit-Sätzen das<br />

finite Verb obligatorisch nach COMP bewegt werden muss, um die Finitheits- und Kongruenzmerkmale<br />

zu erhalten, aufgegeben werden muss. Das heißt, die Konsequenz der Analyse<br />

von Travis und Zwart ist die, dass genau auf die Generalisierung verzichtet werden<br />

muss, für die die stärkste empirische Evidenz vorliegt. Mit anderen Worten, trotz der von<br />

Travis und Zwart vorgebrachten Einwände gegen eine symmetrische Verb-Zweit-Analyse<br />

muss diese immer noch als die angemessenste angesehen werden: 9<br />

[...] there is no reason to mistrust a general "Constituent Preposing Rule" (den Besten [...] 1983)<br />

for the V2-languages. Indeed, the difference between subject- vs. operator-initial V2-clauses has<br />

been found to be insufficiently motivated. Complementizer-agreement and fronted reduced or<br />

unstressed pronouns cannot be considered to support the asymmetry-analysis. [...]<br />

8 Ein zentrales Argument für die unterschiedliche strukturelle Behandlung von Subjekten und Nicht-<br />

Subjekten bzw. topikalisierten Phrasen basiert auf der Annahme, dass im Deutschen unbetonte<br />

Pronomina nur dann satzinitial auftreten können, wenn sie als Subjekte fungieren (Travis 1984:121<br />

u. 168, 1991:359):<br />

(i) dt. (a) Das Kind hat das Brot gegessen.<br />

(b) Es hat das Brot gegessen.<br />

(c) Das Brot hat der Hund gefressen.<br />

(d) *Es hat der Hund gefressen.<br />

Travis schließt aus dieser Beobachtung, dass Subjekte generell in einer Nicht-Topik-Position<br />

(SpezIP) erscheinen, während satzinitiale Objekte nur einer Topik-Position auftreten können und<br />

daher stets betont sein müssen.<br />

Diese Generalisierung lässt sich jedoch in dieser Form empirisch nicht aufrechterhalten. Wie die<br />

folgenden Beispiele belegen, sind im Deutschen durchaus sowohl unbetonte als auch nicht topikalisierte<br />

Objekte in satzinitialer Position möglich (Lenerz 1994:162, Gärtner / Steinbach 1994:37,<br />

Fn.61):<br />

(ii) dt. (a) Ihr Geld ist ja nicht weg, meine Damen und Herren. Es haben jetzt nur andere.<br />

(b) Einem wird hier alles geklaut.<br />

Ein anderer empirischer Einwand stammt von Schwartz / Vikner (1996:19ff.). Die beiden Autoren<br />

zeigen, dass die Analyse von Travis und Zwart dem Auftreten lexikalischer Expletiva in Unakkusativkonstruktionen<br />

des Deutschen nicht in adäquater Weise gerecht wird:<br />

(iii) dt. (a) Es ist ein Junge gekommen.<br />

(b) *pro ist ein Junge gekommen.<br />

(c) *Gestern ist es ein Junge gekommen.<br />

(d) Gestern ist pro ein Junge gekommen.<br />

In den zahlreichen Ansätzen, die diesen Fakten gerecht zu werden versuchen, wird deutlich, dass<br />

sich das Expletivum in (iii)(a) in SpezCP befinden muss. Die Analysen unterscheiden sich lediglich<br />

hinsichtlich der Frage, ob es dort basisgeneriert ist (Tomaselli 1990:141, Eguzkitza / Kaiser<br />

1999) oder dorthin bewegt werden muss (Cardinaletti 1990).<br />

9 Eine weitere Konsequenz einer asymmetrischen Verb-Zweit-Analyse besteht darin, dass angenommen<br />

werden muss, dass in Verb-Zweit-Sprachen wie dem Deutschen oder Holländischen –<br />

anders als generell angenommen (Bach 1962, Thiersch 1978:Kap.1, Koster 1975) – INFL bzw. das<br />

Komplement links von der VP bzw. dem Verb steht, um die Wortstellung in einem einfachen<br />

SVO-Satz erklären zu können (Zwart 1993b:Kap.4, 1997:Kap.3). Cf. Schwartz / Tomaselli (1990),<br />

Gärtner / Steinbach (1994:50ff.) oder Schwartz / Vikner (1996) für eine Kritik dieser Annahme.<br />

23


24<br />

If this is correct, the central argument for an asymmetry-analysis of V2 which implies the IPstatus<br />

of subject-initial V2-clauses can no longer be maintained. (Gärtner / Steinbach 1994:39)<br />

Ein anderes Problem, das sich sowohl für eine asymmetrische als auch für eine symmetrische<br />

Verb-Zweit-Analyse stellt, betrifft die in den Verb-Zweit-Sprachen auftretenden Verb-<br />

Erst-Sätze. Nach Roberts (1993:56f.) lassen sich im Wesentlichen vier Typen von Verb-<br />

Erst-Sätzen unterscheiden: Entscheidungsfragesätze (cf. (17)(a)), Konditionalsätze (cf.<br />

(17)(b)) sowie Sätze des umgangssprachlichen gesprochenen Deutschen oder Holländischen,<br />

in denen ein satzinitiales Pronomen ausgelassen ist (cf. (17)(c))(cf. Haider 1986:67)<br />

oder deren Verb-Erst-Stellung auf bestimmte Diskursstrategien, etwa zur Eröffnung einer<br />

Erzählung ("narrative inversion"), zurückgeführt werden kann (cf. (17)(d))(den Besten<br />

1983:62):<br />

(17) dt. (a) [CP Q [C' Kommt][IP dein Bruder heute]]?<br />

(b) [CP [CP Op[modal] [C' Käme][IP dein Bruder heute]][C' würde][IP ich mich freuen]]<br />

(c) [CP Op[diskurs] [C' Hab´][IP ich schon erledigt]]<br />

nl. (d) [CP Op[diskurs] [C' Ging [IP ik laatst naar De Swart]] ...]<br />

ging ich kürzlich zu De Swart ...<br />

In verschiedenen Studien wird versucht, diese Satztypen einheitlich durch die Annahme zu<br />

erfassen, dass die SpezCP-Position durch einen leeren Operator besetzt ist. Im Falle der<br />

Interrogativ- und Konditionalsätze wird vermutet, dass es sich um einen wh-Operator ('Q')<br />

bzw. Modal-Operator ('Op') handelt. Für die beiden letzten Sätze nimmt Roberts (1993:57)<br />

"tentatively" die Existenz eines "discourse or illocutionary operator of some kind" in der<br />

SpezCP-Position an (cf. auch Huang 1984, Cardinaletti 1990:78, Zwart 1993b:201-205,<br />

1997:217-221). 10<br />

Auf der Grundlage dieser Analyse lassen sich somit alle Matrixsätze des Deutschen und<br />

Niederländischen als Konstruktionen mit einer festen Position für das finite Verb erfassen,<br />

die von Weerman (1989:26) als "Vf2-position" bezeichnet wird:<br />

[...] there is at least one constant verbal position: the Vf2-position. It is very remarkable how the<br />

V2-effects that arise by means of this position look alike: the verb is in first or second position, independent<br />

of the first constituent, finite, in complementary distribution with a complementizer and<br />

in a root clause.<br />

Wie bereits gesehen, wird angenommen, dass es sich bei dieser 'Verb-Zweit-Position' um<br />

die COMP-Position handelt. Es gibt unabhängige, morphophonologische Evidenz für die<br />

Annahme, dass in Verb-Zweit-Sprachen COMP als Position für die Basisgenerierung der<br />

verbalen Finitheits- und Kongruenzmerkmale fungiert, d.h. mit Merkmalen ausgestattet ist,<br />

die die Anhebung des finiten Verbs in diese Position bewirken. Diese Anhebung erfolgt im<br />

10 In ähnlicher Weise kann auch die Verb-Erst-Stellung in Imperativsätzen, die bei Roberts unerwähnt<br />

bleiben, erklärt werden (Zwart 1993b:77f.). Verschiedentlich ist allerdings auch der Vorschlag<br />

gemacht worden, die Imperative der germanischen Sprachen als V-nach-INFL-Bewegung<br />

zu analysieren (Fries 1992, Platzack 1992:106f.).<br />

Zusätzliche Evidenz für die Korrektheit der Struktur von Satz (17)(c) liefert die Beobachtung, dass<br />

die Objektsauslassung nur mit invertierter Subjekt-Verb-Stellung zulässig ist, also nur dann, wenn<br />

das Verb vor das Subjekt bewegt worden ist und das ausgelassene Element eine Topik-Position<br />

einnimmt (Huang 1984:546f.):<br />

(i) dt. *Ich hab' schon erledigt.


Zusammenhang mit der Anhebung einer XP-Konstituente in die SpezCP-Position, deren<br />

Kategorie und (syntaktische) Funktion beliebig ist und die unter bestimmten Umständen<br />

auch lexikalisch leer sein kann:<br />

[...] the preferable analysis of V2 in main clauses is that V2 involves both movement of the finite<br />

verb into C 0 and movement of some maximal projection into CP-spec, although this maximal projection<br />

is not necessarily an overt element, in that no overt element precedes the finite verb in, e.g.,<br />

yes/no-questions. (Vikner 1995:131)<br />

Die Annahme lautet nun, dass die Basisgenerierung der Finitheits- und Kongruenzmerkmale<br />

in COMP parametrisch festgelegt ist. Damit wird versucht, die typologische Gemeinsamkeit<br />

der Verb-Zweit-Sprachen und deren grundlegenden Unterschied zu Nicht-Verb-<br />

Zweit-Sprachen als eine parametrisch festgelegte Eigenschaft zu erfassen. Die Frage, die im<br />

Folgenden diskutiert werden soll, ist die, ob alle Sprachen, die durch die typologische Gemeinsamkeit<br />

der Verb-Zweit-Stellung gekennzeichnet sind, sich hinsichtlich der Fixierung<br />

dieses Parameters einheitlich verhalten.<br />

2.1.2 Die Verbstellung in Verb-Zweit-Sprachen mit eingeschränkter Asymmetrie<br />

Die Annahme der V-nach-COMP-Bewegung in den bisher betrachteten Verb-Zweit-Sprachen<br />

basiert vor allem auf der Asymmetrie, die hinsichtlich der Wortstellung in Hauptsatz<br />

und konjunktional eingeleitetem Nebensatz existiert. Ein Blick auf das Deutsche zeigt, dass<br />

in eingebetteten Sätzen, die keine Konjunktion enthalten, hingegen die gleiche Wortstellung<br />

wie in einem Matrixsatz herrscht: 11<br />

(18) dt. (a) Ich behaupte, der Mann hat das Buch gelesen.<br />

(b) *Ich behaupte, der Mann das Buch gelesen hat.<br />

Die Möglichkeit zur Auslassung der nebensatzeinleitenden Konjunktion – und damit zur<br />

Verb-Zweit-Stellung im Nebensatz – ist im Deutschen allerdings nur in bestimmten Konstruktionstypen<br />

gegeben (Reis 1997, Frank 2000). Hierzu gehören vor allem Konstruktionen<br />

wie in (18), in denen ein so genanntes 'Brückenverb' den Nebensatz einleitet. 12 Ist<br />

11 Eine Ausnahme bilden im Deutschen durch weil und obwohl (obschon) eingeleitete Nebensätze, in<br />

denen in der gesprochenen Umgangssprache auch die Verb-Zweit-Stellung möglich ist (Abraham<br />

1992:20f., Günthner 1993, Uhmann 1998). Zahlreiche Argumente sprechen dafür, dass weil in diesen<br />

Fällen "in der Umgangssprache genau die Position füllt, die in der Standardsprache denn innehat"<br />

(Uhmann 1998:130).<br />

12 Verben wie z.B. behaupten sind im Gegensatz zu Verben wie z.B. bedauern dadurch gekennzeichnet,<br />

dass aus ihren finiten Satzkomplementen extrahiert werden kann (cf. Bußmann<br />

1990:142f., Vikner 1995:70ff.):<br />

(i) dt. (a) Welchen Filmi hast du behauptet [haben die Kinder ti gesehen]?<br />

(a') Welchen Filmi hast du behauptet [dass die Kinder ti gesehen haben]?<br />

(b) *Welchen Filmi hast du bedauert [haben die Kinder ti nicht gesehen]?<br />

(b') *Welchen Filmi hast du bedauert [dass die Kinder ti nicht gesehen haben]?<br />

Haider (1993:73) weist allerdings darauf hin, dass die Charakterisierung der Verben, die konjunktionslose<br />

Nebensätze erlauben, als Brückenverben zwar "eine gute Faustregel" ist, aber nicht in<br />

25


26<br />

das Brückenverb jedoch negiert (cf. (19)(a)-(b)) oder enthält der Matrixsatz ein Nicht-<br />

Brückenverb, wie z.B. bedauern (cf. (19)(c)-(d)), ist die Auslassung der Konjunktion im<br />

Nebensatz nicht möglich: 13<br />

(19) dt. (a) *Ich behaupte nicht, der Mann hat das Buch gelesen.<br />

(b) Ich behaupte nicht, dass der Mann das Buch gelesen hat.<br />

(c) *Ich bedaure, der Mann hat das Buch gelesen.<br />

(d) Ich bedaure, dass der Mann das Buch gelesen hat.<br />

Ein Vergleich mit den festlandskandinavischen Sprachen und dem Friesischen zeigt nun,<br />

dass diese Verb-Zweit-Sprachen in einem von einem affirmativen Brückenmatrixverb abhängigen<br />

Nebensatz auch dann die Verb-Zweit-Stellung aufweisen können, wenn dieser<br />

durch eine Konjunktion eingeleitet ist (cf. Pintzuk 1993:8f. für das Dänische, deHaan /<br />

Weerman 1986:84 und Iatridou / Kroch 1992:4 für das Friesische):<br />

(20) dä. (a) Hun sagde at Peter drikker ikke kaffe.<br />

sie sagte dass Peter trinkt nicht Kaffee<br />

(b) Hun sagde at kaffe drikker Peter ikke.<br />

sie sagte dass Kaffee trinkt Peter nicht<br />

(21) fs. (a) Pyt sei dat hy my sjoen hie.<br />

Pyt sagte dass er mich gesehen hat<br />

(b) Pyt sei dat hy hie my sjoen.<br />

Pyt sagte dass er hat mich gesehen<br />

(c) Pyt sei dat my hie er sjoen.<br />

Pyt sagte dass mich hat er gesehen<br />

Diese Beobachtung, die laut Zwart (1997:234) auch im umgangssprachlichen Niederländisch<br />

gemacht werden kann, scheint nun gegen eine Analyse der Verb-Zweit-Stellung als<br />

eine generelle V-nach-COMP-Bewegung zu sprechen, da hier offensichtlich keine Asymmetrie<br />

zwischen Hauptsatz und eingeleitetem Nebensatz hinsichtlich des Verb-Zweit-<br />

Effektes existiert. In vielen Studien dieser Sprachen wird dennoch versucht, die Annahme<br />

der V-nach-COMP-Bewegung für Verb-Zweit-Effekte aufrechtzuerhalten. Ein Versuch<br />

besteht darin anzunehmen, dass in diesen Sprachen die Möglichkeit einer CP-Rekursion<br />

besteht, d.h. dass zusätzlich zu der nebensatzeinleitenden CP eine weitere CP generiert<br />

werden kann. Somit kann in einem Satz wie (21)(c) das eingebettete finite Verb nach<br />

COMP und die vorangehende XP nach SpezCP bewegt werden (Iatridou / Kroch 1992:7,<br />

Vikner 1995:129):<br />

(22) fs. Pyt sei [CP dat [CP myj [C' hiei [IP er tj sjoen ti]]].<br />

Eine wichtige Beobachtung hinsichtlich der Annahme einer solchen CP-Rekursion ist die,<br />

dass die Möglichkeit der eingebetteten Verb-Zweit-Stellung im Friesischen einer Reihe von<br />

allen Fällen Gültigkeit hat. So gibt es beispielsweise, wie Haider mit den Sätzen in (ii) belegt,<br />

Brückenverben, die keine Verb-Zweit-Komplemente aufweisen:<br />

(ii) dt. (a) Weni will sie, [dass ich ti anrufe]?<br />

(b) *Sie will, ich rufe ihn an.<br />

13 Im Standardniederländischen ist die Verb-Zweit-Stellung in Nebensätzen generell ungrammatisch,<br />

unabhängig davon, ob der Nebensatz durch ein Brückenverb eingeleitet ist oder nicht (cf. Vikner<br />

1995:66, Fn.3).


Beschränkungen unterliegt. So ist die eingebettete Verb-Zweit-Stellung dann ausgeschlossen,<br />

wenn das Verb des Matrixsatzes ein Nicht-Brückenverb, wie z.B. bedauern oder bezweifeln,<br />

ist. Das Gleiche gilt auch für den Fall, dass der Matrixsatz, der den Nebensatz einleitet,<br />

ein negiertes Brückenverb enthält (Iatridou / Kroch 1992:4):<br />

(23) fs. (a) Pyt betreuret dat er my sjoen hie.<br />

Pyt bedauert dass er mich gesehen hat<br />

(b) *Pyt betreuret dat hy hie my sjoen.<br />

Pyt bedauert dass er hat mich gesehen<br />

(24) fs. (a) Ik leau net dat hy him wol rede kin.<br />

ich glaube nicht dass er ihn wohl retten kann<br />

(b) *Ik leau net dat hy kin him wol rede.<br />

ich glaube nicht dass er kann ihn wohl retten<br />

Diese Beschränkungen bezüglich des Auftretens von Verb-Zweit-Effekten in eingebetteten<br />

Nebensätzen gelten in ähnlicher Weise auch für das Dänische und alle anderen festlandskandinavischen<br />

Sprachen (Pintzuk 1993:9, Vikner 1995:72). 14 Vikner (1995:72) betont allerdings,<br />

dass es in diesen Sprachen schwieriger ist, eine klare Grenze zwischen den Verben<br />

zu ziehen, die eine Verb-Zweit-Stellung in abhängigen Nebensätzen erlauben und solchen,<br />

die dies nicht tun (cf. auch Haider 1993:73). Generell lassen sich die Daten jedoch dahingehend<br />

interpretieren, dass in diesen Sprachen nur solche Nebensätze eine Verb-Zweit-Stellung<br />

aufweisen, in denen die Auslassung des Komplementierers erlaubt ist. Iatridou / Kroch<br />

(1992) versuchen im Rahmen einer generativen Analyse diese Beobachtung durch die Annahme<br />

zu erfassen, dass Nebensätze, in denen eine Verb-Zweit-Stellung möglich ist, durch<br />

ein lexikalisches Verb, genauer gesagt durch ein "local L-marking verb", regiert sein müssen.<br />

Sie berufen sich hierbei auf Stowell (1981), wonach Komplementierer nur dann getilgt<br />

werden können, wenn sie auf diese Weise regiert sind. Ihre Analyse sehen Iatridou / Kroch<br />

(1992:5) darin bestätigt, dass im Friesischen die Verb-Zweit-Stellung in eingebetteten Adjunkt-<br />

oder Subjektsätzen, d.h. in solchen Nebensätzen, die nicht durch ein lexikalisches<br />

Verb regiert sind, ausgeschlossen ist:<br />

(25) fs. (a) Ik sil fuortgean, at jo dizze film net sjen wolle.<br />

ich werde fortgehen wenn du diesen Film nicht sehen willst<br />

(b) *Ik sil fuortgean, at jo wolle dizze film net sjen.<br />

ich werde fortgehen wenn du willst diesen Film nicht sehen<br />

(26) fs. (a) Dat jo dizze film net sjen wolle, fernuvert my.<br />

dass du diesen Film nicht sehen willst verwundert mich<br />

(b) *Dat jo wolle dizze film net sjen, fernuvert my.<br />

dass du willst diesen Film nicht sehen verwundert mich<br />

Iatridou / Kroch (1992:17) postulieren daher, dass eine CP-Rekursion nur in den Fällen erlaubt<br />

ist, in denen der Nebensatz durch ein lexikalisches Verb regiert wird (cf. auch Authier<br />

1992). Diese Restriktion erklärt allerdings nicht, warum in Nebensätzen, die von einem<br />

Nicht-Brückenverb oder einem negierten Verb abhängig und somit regiert sind, die Verb-<br />

Zweit-Stellung ausgeschlossen ist (cf. (23)-(24)). Nach Ansicht von Iatridou / Kroch<br />

14 Vikner (1995:84f.) weist darauf hin, dass auch im Englischen, der einzigen germanischen Nicht-<br />

Verb-Zweit-Sprache, ähnliche Effekte zu beobachten sind (cf. auch Authier 1992: 331):<br />

(i) en. (a) She has often said that under no circumstancesi wouldj she ti tj vote for Quayle.<br />

(b) *John doubts that under no circumstancesi willj Mary ti tj get up early.<br />

27


28<br />

(1992:20f.) könnte die Besonderheit dieser Sätze darin liegen, dass in diesen Fällen der<br />

Komplementierer einen semantischen Gehalt hat. Ein solcher Komplementierer müsste, so<br />

die Annahme, den Selektionsbeschränkungen des Matrixverbs genügen, die auf der Ebene<br />

der Logischen Form überprüft werden. Folglich könnte der Komplementierer nicht auf<br />

dieser Ebene getilgt werden, wodurch wiederum die Lizensierung einer niedrigeren CP<br />

verhindert würde. Weitgehend ungeklärt bleibt bei dieser Analyse allerdings die Frage,<br />

warum negierte Verben und Nicht-Brückenverben einerseits eine gemeinsame Klasse bilden<br />

und warum anderseits die Komplementierer von affirmativen Matrixverben keinen<br />

bzw. einen anderen semantischen Gehalt haben sollten. 15<br />

Auch wenn die genauen Restriktionsbeschränkungen für die CP-Rekursion daher sicherlich<br />

noch exakt(er) formuliert werden müssen, besteht der entscheidende Vorteil der Analyse<br />

von Iatridou / Kroch (1992) darin, dass eine Beschränkung für eine generelle CP-Rekursion<br />

formuliert wird. Sie ist vor allem deshalb notwendig, um der strengen Verb-Zweit-<br />

Eigenschaft aller bisher betrachteten Verb-Zweit-Sprachen gerecht zu werden und damit<br />

der Tatsache, dass in den Matrixsätzen dieser Sprachen die Verb-Dritt-Stellung grundsätzlich<br />

nicht möglich ist. Die Ungrammatikalität der deutschen Sätze in (27) kann somit durch<br />

die Annahme erfasst werden, dass eine CP-Rekursion ausgeschlossen ist (Schwartz /<br />

Vikner 1996:13):<br />

(27) dt. (a) *[CP Letzte Woche [CP ein Buch hat [IP Peter [VP tatsächlich gelesen]]]]<br />

(b) *[CP Letzte Woche [CP Peter hat [IP [VP tatsächlich ein Buch gelesen]]]]<br />

Wie die Sätze in (28) zeigen, unterliegt hingegen die Adjunktion an eine IP nicht dieser Beschränkung<br />

(Schwartz / Vikner 1996:12): 16<br />

(28) dt. (a) Ich weiß, [CP dass [IP letzte Woche [IP Peter [VP tatsächlich ein Buch gelesen hat]]]]<br />

(b) [CP Hat [IP letzte Woche [IP Peter [VP tatsächlich ein Buch gelesen]]]]?<br />

(c) [CP Dieses Buch [C' hat [IP letzte Woche [IP Peter [VP tatsächlich gelesen]]]]]<br />

Im Deutschen beispielsweise ist eine CP-Rekursion nur in ganz wenigen, sehr markierten<br />

und deutlich abgegrenzten Kontexten erlaubt. Sie muss für Sätze wie (29) angenommen<br />

werden, in denen dem eigentlichen Satz eine satzeinleitende Phrase voransteht, die mit<br />

einer unmittelbar vor dem finiten Verb stehenden Konstituente koindiziert ist. Bei einer<br />

15 Empirische Evidenz für eine Unterscheidung zwischen 'affirmativen' und 'negativen' Komplementierern<br />

liefern nach Ansicht von Iatridou / Kroch (1992:18) Sprachen, in denen dieser Unterschied<br />

lexikalisch zum Ausdruck kommt. Dies ist beispielsweise im Baskischen der Fall (cf. Laka<br />

1994:129ff.):<br />

(i) bk. (a) Jonek uste du Mirenek Peru ikusi duela.<br />

Jon glauben AUX Miren Peru gesehen hat<br />

'Jon glaubt, dass Miren Peru gesehen hat'<br />

(b) Jonek ez du uste Mirenek Peru ikusi duenik.<br />

Jon nicht AUX glauben Miren Peru gesehen hat<br />

'Jon glaubt nicht, dass Miren Peru gesehen hat'<br />

Diese Analyse von Iatridou / Kroch (1992) impliziert, dass Nicht-Brückenverben als negative<br />

Verben interpretiert werden müssen.<br />

16 Dies gilt zumindest für Sätze mit nominalem Subjekt. Vikner (1995:103f.) weist darauf hin, dass<br />

eine Adjunktion an IP dann ausgeschlossen ist, wenn das Subjekt pronominal ist:<br />

(i) dt. *[CP Dieses Buchj [C' hati [IP gestern [IP er tj gelesen ti]]]]


solchen satzeinleitenden Phrase kann es sich um eine dislozierte NP oder um einen ganzen<br />

Satz, wie in wenn-dann-Sätzen, handeln (Iatridou / Kroch 1992:14, Kroch / Taylor<br />

1997:304, Laenzlinger 1998:304):<br />

(29) dt. (a) [CP [Diesen Mann]i, [CP deni kennej [IP ich ti nicht tj]]]<br />

(b) [CP [Wenn du kommst]i, [CP danni amüsierenj [IP wir uns ti tj]]<br />

Des Weiteren steht im Deutschen das finite Verb in solchen Matrixsätzen in der Drittposition,<br />

die durch die koordinierende Konjunktion denn oder aber eingeleitet sind: 17<br />

(30) dt. (a) [CP Denn [CP ichj kennei [IP tj diesen Mann nicht ti]]]<br />

(b) [CP Aber [CP ichj kennei [IP tj diesen Mann nicht ti]]]]<br />

Ähnlich wie im Deutschen ist auch in allen anderen Verb-Zweit-Sprachen die Dritt-Stellung<br />

des finiten Verbs in Matrixsätzen auf wenige, streng reglementierte Kontexte beschränkt<br />

(cf. Schwartz / Vikner 1996). Eine unbeschränkte, generell gültige Möglichkeit<br />

der CP-Adjunktion könnte diesen Sachverhalt nicht erfassen (cf. auch Chomsky 1986a:6):<br />

There is independent evidence that adjunction to IP is allowed and that adjunction to CP is not.<br />

The fact that adjunction to a subject-initial V2 clause is impossible is therefore a natural consequence<br />

of the V2-outside-IP approach but left unexplained within the asymmetry approach.<br />

(Schwartz / Vikner 1996:13)<br />

Mit anderen Worten, trotz der Beobachtung, dass es Sprachen gibt, in denen die im Deutschen<br />

und Niederländischen hinsichtlich der Verb-Zweit-Stellung zu beobachtende Haupt-<br />

Nebensatz-Asymmetrie nicht in vollem Umfang Gültigkeit hat, muss die bisher angenommene<br />

Verb-Zweit-Stellungsanalyse nicht aufgegeben werden. Es ist plausibel, auch für diese<br />

Sprachen anzunehmen, dass das Verb in finiten Matrixsätzen stets nach COMP bewegt<br />

werden muss, um die notwendigen Finitheits- und Kongruenzmerkmale zu erhalten. In Nebensätzen<br />

findet eine solche Anhebung nur dann statt, wenn die COMP-Position nicht belegt<br />

ist oder wenn auf Grund einzelsprachlich streng festgelegter Bedingungen die Rekursion<br />

des CP-Knotens möglich ist, die zur Bildung einer weiteren COMP-Position führt.<br />

17<br />

In ähnlicher Weise verhalten sich auch die Adverbien allein bzw. nur und nun, wenn sie satzeinleitend<br />

auftreten:<br />

(i) dt. (a) Allein, es fehlt mir der Glaube.<br />

(b) Nun, ich kann singen.<br />

Auf letzteres Beispiel wird von Fodor (1998:2,Fn.2) hingewiesen. Bemerkenswerterweise wird<br />

dabei allerdings nun mit 'now' – anstatt mit 'well' – übersetzt. In dieser Bedeutung ist die Verb-<br />

Dritt-Stellung jedoch vollkommen ausgeschlossen:<br />

(ii) dt. *Nun (=jetzt) ich kann singen.<br />

Dürscheid (1989) diskutiert eine Vielzahl von Verb-Dritt-Stellungsmustern, wie beispielsweise in<br />

(iii), die auf den ersten Blick gegen eine Beschränkung der CP-Rekursion in Verb-Zweit-Sprachen<br />

sprechen:<br />

(iii) dt. (a) Mit Vergnügen gelesen hat die Frau das Buch.<br />

(b) Gestern am Strand hat die Frau das Buch gelesen.<br />

Dürscheid (1989:136) kann aber überzeugend nachweisen, dass solche "Konstituenten, die zusammen<br />

im V[or]F[eld] stehen, [...] ein- und derselben maximalen Projektion" angehören und somit<br />

nicht als Ausnahmen bzgl. der Verb-Zweit-Stellungsregel behandelt werden müssen.<br />

29


30<br />

Im Anschluss an diese Feststellung muss nun gefragt werden, wie Verb-Zweit-Sprachen<br />

erfasst werden können, die durch ein "general embedded V2" (Vikner 1995:72) charakterisiert<br />

sind.<br />

2.1.3 Die Verbstellung in symmetrischen Verb-Zweit-Sprachen<br />

Mit dem Isländischen und dem Jiddischen existieren zwei Sprachen, die dadurch gekennzeichnet<br />

sind, dass sie eine generelle Verb-Zweit-Stellung in Nebensätzen aufweisen. Das<br />

heißt, anders als im Friesischen oder in den festlandskandinavischen Sprachen ist in diesen<br />

beiden Sprachen die Zweitstellung des finiten Verbs nicht nur in solchen Nebensätzen zu<br />

beobachten, deren Matrixsatz ein Brückenverb enthält ((31)(a) und (32)(a)), sondern auch<br />

in anderen Nebensätzen, wie z.B. in solchen, die von einem Nicht-Brückenverb ((31)(b)<br />

und (32)(b)), einem negierten Brückenverb ((31)(c) und (32)(c)) oder einem Subjektsatz<br />

((31)(d) und (32)(d)) abhängig sind (Vikner 1995:72f., Iatridou / Kroch 1992:8f.):<br />

(31) is. (a) Ég veit, að þessa bók skuli ég hafa lesið.<br />

ich weiß dass dieses Buch habe ich gelesen<br />

(b) Ég harma, að þessa bók skuli ég hafa lesið.<br />

ich bedaure dass dieses Buch habe ich gelesen<br />

(c) Ég sagði ekki, að á morgun mundi María fara snemma á fætur.<br />

ich sagte nicht dass am morgen würde Maria gehen früh auf Fuss<br />

(d) Að Maríu hafi hann aldrei seð, er kannski líklegt.<br />

dass Maria hat er nie gesehen ist vielleicht wahrscheinlich<br />

(32) jd. (a) Ikh veys, az dos bukh hob ikh geleyent.<br />

ich weiß dass dieses Buch habe ich gelesen<br />

(b) Ikh bedoyer, az dos bukh hob ikh geleyent.<br />

ich bedaure dass dieses Buch habe ich gelesen<br />

(c) Ikh meyn nit, az morgn zol er kumen tsu der khasene.<br />

ich denke nicht dass morgen soll er kommen zu der Hochzeit<br />

(d) Dos vos nekhtn iz gekumen aza groyser oylem, hot undz<br />

dass wo gestern ist gekommen so-eine große Zuhörerschaft hat uns<br />

alemen gekhidesht.<br />

alle verwirrt<br />

Diese Daten belegen deutlich, dass in diesen beiden Sprachen das Auftreten eingebetteter<br />

Verb-Zweit-Effekte nicht auf eine bestimmte Gruppe von Nebensätzen beschränkt ist, sondern<br />

dass es in diesen Sprachen generell keine komplementäre Distribution zwischen Verb-<br />

Zweit-Stellung und Komplementierer gibt.<br />

Die Diskussion dieser Fakten hat zu einer Vielzahl von Vorschlägen geführt, die hier im<br />

einzelnen nicht erörtert werden können. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Analysen<br />

sind oft sehr subtil und für die hier vorgelegte Untersuchung von Verb-Zweit-Effekten<br />

in den romanischen Sprachen nicht relevant. Die Frage, die im Mittelpunkt der Diskussion<br />

steht, ist die, ob und inwiefern diese Fakten mit einer einheitlichen Analyse der Verb-<br />

Zweit-Sprachen vereinbar sind, wonach Verb-Zweit-Effekte als V-nach-COMP-Bewegung<br />

beschrieben werden. In einer Reihe von Untersuchungen wird diese Frage negativ beantwortet<br />

und vorgeschlagen, die Verb-Zweit-Effekte im Isländischen und Jiddischen auf<br />

grundsätzlich andere Weise zu erfassen. Ein Analysevorschlag, der v.a. auf Arbeiten von<br />

Santorini (1992) und Rögnvaldsson / Thráinsson (1990) sowie von Diesing (1988, 1990)<br />

zurückgeht, lautet, dass das finite Verb in diesen Sprachen nicht nach COMP, sondern regelmäßig<br />

nur nach INFL bewegt wird. Dies hat die Annahme zur Konsequenz, dass die


SpezIP-Position nicht nur als A(rgument)-Position, sondern auch als A'-Position fungieren<br />

kann und damit als Landeposition für Nicht-Argumente, wie z.B. für Adverbiale oder sonstige<br />

topikalisierte Phrasen, zur Verfügung steht. Mit anderen Worten, das Isländische und<br />

Jiddische werden auf grundsätzlich andere Weise als die anderen Verb-Zweit-Sprachen<br />

analysiert.<br />

Eine solche Analyse wird zwar der Symmetrie zwischen Haupt- und Nebensatz in diesen<br />

beiden Sprachen gerecht, gleichzeitig bleibt jedoch nun die Gemeinsamkeit mit anderen<br />

germanischen Verb-Zweit-Sprachen unberücksichtigt, nämlich die für diese Sprachen charakteristische<br />

Eigenschaft der obligatorischen Verb-Zweit-Stellung in Matrixsätzen:<br />

If [...] main clause V2 is topicalisation to IP-spec in Icelandic/Yiddish but to CP-spec in the other<br />

V2 languages, the question is whether such a difference is motivated, given that there would seem<br />

to be no relevant structural differences between the two groups at all with respect to main clauses<br />

(as opposed to embedded clauses in the two groups [...]). In other words, although it is true that the<br />

topicalisation to IP-spec analysis avoids postulating a difference that is not motivated by the evidence<br />

(i.e., between main and embedded clauses in Icelandic and Yiddish), as claimed for example,<br />

by Rögnvaldsson / Thráinsson (1990:4), the topicalisation to IP-spec analysis on the other<br />

hand necessitates postulating another difference which is not motivated by the evidence, either –<br />

namely, one between main clauses in Icelandic and Yiddish and main clauses in the other V2 languages.<br />

(Vikner 1995:83)<br />

Als eine Möglichkeit, dieses Dilemma zu vermeiden, könnte der Ansatz von Reinholtz<br />

(1989) angesehen werden, wonach es in allen festlandskandinavischen Sprachen in deklarativen<br />

Matrixsätzen zu keiner V-nach-COMP-Bewegung kommt, sondern der Landeplatz für<br />

das finite Verb die INFL-Position ist. Ein ähnlicher Vorschlag wird auch für das Deutsche<br />

und Niederländische gemacht (Kathol 1990, Haider 1993, Kayne 1994, Zwart 1997). Dies<br />

bedeutet, dass alle Verb-Zweit-Sprachen in der gleichen Weise wie das Isländische und<br />

Jiddische analysiert werden. Eine solche einheitliche Analyse der Verb-Zweit-Sprachen<br />

wirft allerdings die Frage auf, wodurch sich die Verb-Zweit-Sprachen dann von Nicht-<br />

Verb-Zweit-Sprachen unterscheiden. Das gravierendste Problem besteht hierbei vor allem<br />

darin, dass die Ungrammatikalität von Verb-Dritt-Sätzen nicht mehr auf eine universal<br />

gültige CP-Rekursionsbeschränkung zurückgeführt werden kann. Kayne (1994:28) beispielsweise<br />

muss daher postulieren, dass sich Verb-Zweit-Sprachen von Nicht-Verb-Zweit-<br />

Sprachen dadurch unterscheiden, dass die Adjunktion einer funktionalen Projektion überhalb<br />

von IP/AgrSP in Verb-Zweit-Sprachen ausgeschlossen ist. Ansichts der eben betrachteten<br />

Daten in (28), die deutlich gegen eine solche Beschränkung für eine IP-Rekursion<br />

sprechen, erscheint diese Annahme jedoch empirisch nicht haltbar (cf. Donati / Tomaselli<br />

1997).<br />

Auf Grund dieser Beobachtung schlagen Kroch / Taylor (1997:305) vor, eine IP-Analyse<br />

nur für solche Sprachen anzunehmen, die zwar auch Verb-Zweit-Effekte aufweisen, allerdings<br />

nicht über eine strenge Verb-Zweit-Stellungsregel verfügen. In vielen diachronischen<br />

Untersuchungen des Englischen wird angenommen, dass es sich beim Altenglischen um<br />

eine solche Sprache handelt (cf. auch Haeberli 1999, Tappe 2000):<br />

If O[ld] E[nglish] main clauses were IPs unless CP was required by the presences of wh or some<br />

other focus element, then O[ld] E[nglish] may never have been a strict V2 language in the Dutch /<br />

German / Scandinavian sense (Stockwell 1984; Swan 1994; Weerman 1989:234); Pintzuk [1993];<br />

Kroch / Taylor [1997]). At any rate, it permits both V1 and V3 declarative main clauses, and V2<br />

clauses arise in at least two distinct configurations: (1) a focussed element in Spec, CP, with the<br />

31


32<br />

verb in C position after it, (2) a subject (or, in sentences without an external argument, some other<br />

constituent) in Spec,IP, with the verb in I position after it, a possibility clearly evinced in subordinate<br />

clauses (van Kemenade [1997]). Adjoining an adverbial or PP to these two structures in turn<br />

yields two distinct types of V3 order. (Kiparsky 1997:469f.)<br />

Daraus folgt, dass für Sprachen mit einer strengen Verb-Zweit-Stellung, die dadurch gekennzeichnet<br />

sind, dass Sätze mit einer Verb-Dritt-Stellung generell ausgeschlossen sind,<br />

die Annahme einer IP-Rekursion ungeeignet ist. 18 Wesentlich adäquater ist daher der Vorschlag<br />

von Vikner (1995), die eingebetteten Verb-Zweit-Effekte im Isländischen und Jiddischen<br />

durch eine CP-Rekursion zu erfassen. Unabhängige Evidenz sieht Vikner<br />

(1995:119f.) hierfür u.a. darin, dass in vielen Sprachen bzw. Dialekten, wie z.B. im Bairischen<br />

oder Westflämischen, die Möglichkeit existiert, in eingebetteten Fragesätzen zusätzlich<br />

zur nebensatzeinleitenden wh-Phrase einen Komplementierer zu verwenden:<br />

(33) bai. I woaß net, wann dass da Xaver kummt.<br />

(Bayer 1983/84:212)<br />

(34) wfl. Kweten nie, wannièr da Valère goa werekommen.<br />

ich-weiß nicht wann dass Valère geht wiederkommen<br />

(Haegeman 1992:57)<br />

In den meisten Analysen dieser Sätze wird davon ausgegangen, dass in diesen Sprachen die<br />

Möglichkeit zu einer doppelten CP-Besetzung – und damit zu einer Verletzung des sog.<br />

'Doubly Filled COMP-Filters' – besteht (Grewendorf 1988:250). Es wird angenommen,<br />

dass der Komplementierer in diesen Sprachen das Merkmal [+wh] besitzt und daher in der<br />

[+wh]-markierten COMP-Position auftreten kann. Vikner (1995:120) wendet dagegen allerdings<br />

ein, dass diese Analyse nicht erklären kann, warum in anderen Kontexten, in denen<br />

die COMP-Position ebenfalls mit dem Merkmal [+wh] markiert ist, das Auftreten des<br />

Komplementierers ausgeschlossen ist:<br />

(35) dt. (a) *Ich frage mich, dass Peter das Buch gelesen hat.<br />

(b) Ich frage mich, ob Peter das Buch gelesen hat.<br />

(36) dä. (a) *Jeg gad vide, at Peter har læst bogen.<br />

(b) Jeg gad vide, om Peter har læst bogen.<br />

Aus diesem Grund schlägt Vikner (1995:120) für einen Satz wie (33) eine Struktur mit<br />

einer CP-Rekursion vor:<br />

(37) I woaß net [CP wanni [C' [COMP[+wh]] [CP ti [C' dass [IP da Xaver kumt]]]]]<br />

Vikner (1995:121f.) sieht diese Analyse zusätzlich unter anderem dadurch bestätigt, dass in<br />

einigen Sprachen oder Dialekten gleichzeitig zwei nebensatzeinleitende Elemente, die sich<br />

in COMP befinden, auftreten können:<br />

(38) wfl. Kweten nie of da Valère dienen boek a gelezen eet.<br />

ich-weiß nicht ob dass Valère dieses Buch schon gelesen hat<br />

(Haegeman 1992:50)<br />

18 Verwunderlich ist, dass A. Kroch in seinem Aufsatz mit S. Iatridou (Iatridou / Kroch 1992) genau<br />

diese IP-Analyse für eine Sprache mit strenger Verb-Zweit-Stellung, nämlich für das Jiddische,<br />

vorschlägt.


(39) is. Ég veit ekki hvort að þetta er í lagi.<br />

ich weiß nicht ob dass das ist alles richtig<br />

(Vikner 1995:122)<br />

Nach Ansicht von Vikner liefern diese Daten unabhängige Evidenz für die Annahme einer<br />

CP-Rekursion in eingebetteten Sätzen. Er schlägt daher vor, dass auch die eingebetteten<br />

Verb-Zweit-Sätze im Isländischen und Jiddischen auf ähnliche Weise erfasst werden können.<br />

Demzufolge würde man beispielsweise für den jiddischen Satz in (32)(b) folgende<br />

Struktur erhalten:<br />

(40) Ikh bedoyer [CP [C' az [CP dos bukh [C' hob [IP ikh geleyent]]]]]<br />

Dieser Analyse zufolge besteht die Besonderheit des Jiddischen und Isländischen im Unterschied<br />

zu den anderen germanischen Verb-Zweit-Sprachen darin, dass das finite Verb nicht<br />

nur im Matrixsatz, sondern auch im Nebensatz stets nach COMP angehoben wird. Die<br />

Verb-Zweit-Stellung im Nebensatz wird demzufolge in der gleichen Weise erfasst wie die<br />

Verb-Zweit-Stellung im Hauptsatz. Damit erfahren alle Verb-Zweit-Sprachen eine einheitliche<br />

Behandlung hinsichtlich der für diese Sprachen charakteristischen Verb-Zweit-Stellungseigenschaft.<br />

Eine solche Analyse erweist sich als wesentlich attraktiver als eine Analyse,<br />

die diese Gemeinsamkeiten unberücksichtigt lässt:<br />

Given the goals of generative grammar, [...] it is very attractive to adopt a research strategy in<br />

which one defends as long as possible that all these Vf2 phenomena are caused by essentially the<br />

same rules of grammar, the differences resulting from subtle and reasonable differences in the<br />

grammar. (Weerman 1989:26)<br />

Auf der Grundlage dieser Annahme kann somit als Ergebnis der Diskussion der Verb-<br />

Zweit-Stellungseigenschaft in den germanischen Sprachen und im Rätoromanischen festgehalten<br />

werden, dass alle Verb-Zweit-Sprachen dadurch gekennzeichnet sind, dass die<br />

Kongruenz- und Finitheitsmerkmale in COMP basisgeneriert sind. Diese Basisgenerierung<br />

ist parametrisch festgelegt. Das heißt, in allen Matrixsätzen dieser Sprachen ist stets die<br />

CP-Ebene aktiviert, da das finite Verb stets nach COMP bewegt werden muss. Die Bildung<br />

von Verb-Dritt-Matrixsätzen ist dadurch ausgeschlossen, dass die Möglichkeit einer CP-<br />

Rekursion generell ausgeschlossen bzw. nur auf wenige, durch einzelsprachliche Bedingungen<br />

streng festgelegte Kontexte beschränkt ist. Für das Jiddische und Isländische kann<br />

in Anlehnung an Authier (1992) angenommen werden, dass eine dieser Bedingungen für<br />

eine CP-Rekursion die ist, dass die CP regiert sein muss. Damit besteht in diesen Sprachen<br />

die Möglichkeit der CP-Rekursion in Nebensätzen.<br />

Ausgehend von dieser Analyse von Verb-Zweit-Sprachen sollen nun die romanischen<br />

Sprachen dahingehend geprüft werden, ob die dort zu beobachtenden Verb-Zweit-Stellungseffekte<br />

in ähnlicher Weise beschrieben werden können.<br />

2.2 Verb-Zweit-Stellungseffekte in den modernen romanischen Sprachen<br />

Verb-Zweit-Stellungseffekte sind, wie bereits in Kapitel 1 gezeigt, keineswegs ausschließlich<br />

in Verb-Zweit-Sprachen, sondern auch in solchen Sprachen anzutreffen, die über keine<br />

33


34<br />

strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft verfügen. Einer der entscheidenden Unterschiede<br />

zu den Verb-Zweit-Sprachen besteht darin, dass die Verb-Zweit-Stellung hier auf bestimmte<br />

Kontexte beschränkt ist. Im Englischen beispielsweise sind dies vorwiegend Interrogativsätze<br />

oder Konstruktionen, in denen bestimmte topikalisierte oder negierte Elemente satzinitial<br />

stehen (Rochemont / Cullicover 1990:Kap.3, Levin / Rappaport Hovav 1995:Kap.6).<br />

In einigen dieser Fälle ist, wie die Beispiele von Rizzi (1990b:63) und Vikner (1995:48)<br />

illustrieren, die Subjekt-Verb-Inversion sogar obligatorisch:<br />

(41) en. (a) *What Mary has said?<br />

(b) What has Mary said?<br />

(42) en. (a) *Never the children have seen such a bad film.<br />

(b) Never have the children seen such a bad film.<br />

(43) en. (a) *Only in Switzerland such a thing could happen.<br />

(b) Only in Switzerland could such a thing happen.<br />

Parallel dazu existieren im Englischen jedoch viele Kontexte, in denen die Verb-Zweit-<br />

Stellung kategorisch ausgeschlossen ist. Ein Vergleich mit den in Kapitel 1 betrachteten<br />

deutschen und niederländischen Sätzen (1)-(2) zeigt, dass die englischen Entsprechungen –<br />

ebenso wie die der romanischen Sprachen – stets dann ungrammatisch sind, wenn das<br />

Subjekt postverbal erscheint:<br />

(44) en. (a) The woman has read the book with pleasure.<br />

(b) *The book has the woman read with pleasure.<br />

(c) *With pleasure has the woman read the book.<br />

(d) *Read has the woman the book with pleasure.<br />

(e) *If the woman had had time, would she read the book.<br />

Somit bestehen auch im Englischen deutliche Unterschiede zu den übrigen germanischen<br />

Sprachen hinsichtlich der Verb-Zweit-Stellung. Ähnlich wie in den romanischen Sprachen<br />

wird die in Sätzen (41) - (43) zu beobachtende Stellung des finiten Verbs als Indiz dafür angesehen,<br />

dass das Englische ursprünglich durch eine generelle Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

charakterisiert war, die es im Laufe seiner historischen Entwicklung weitgehend<br />

aufgegeben und nur noch in bestimmten Kontexten erhalten hat. Das Englische wird daher<br />

ebenso wie die meisten romanischen Sprachen als eine 'residuale' Verb-Zweit-Sprache<br />

angesehen (Rizzi 1990b, 1990c). In den folgenden beiden Abschnitten soll nun überprüft<br />

werden, inwiefern eine solche Charakterisierung der romanischen Sprachen gerechtfertigt<br />

ist. Dabei werden das Französische und Spanische im Mittelpunkt der Diskussion stehen.<br />

Was das Rätoromanische betrifft, so haben wir bereits gesehen, dass im Bündnerromanischen<br />

– ebenso wie in einigen dolomitenladinischen Dialekten – die Verb-Zweit-Stellung<br />

nicht kontextuell beschränkt, sondern generell in allen deklarativen Matrixsätzen gültig ist.<br />

Da das Rätoromanische eine zugrunde liegende SVO-Stellung hat, weist es – anders als das<br />

Deutsche und Niederländische – keine Haupt-Nebensatz-Asymmetrie auf und liefert somit<br />

– ähnlich wie die festlandskandinavischen Sprachen – keine deutliche empirische Evidenz<br />

für eine Verb-nach-COMP-Bewegung. Auf Grund der Gemeinsamkeiten zum Deutschen<br />

und Niederländischen hinsichtlich der Verb-Zweit-Stellungseffekte gibt es jedoch keinen<br />

Grund dafür, die Verb-Zweit-Stellung des Bündnerromanischen in anderer Weise zu analysieren<br />

als in den germanischen Verb-Zweit-Sprachen. Im Folgenden wird daher nicht eigens<br />

auf das Rätoromanische eingegangen.


2.2.1 Verb-Zweit-Stellungseffekte in Interrogativsätzen<br />

Nach Ansicht vieler Autoren ist diese vermeintliche 'residuale' Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

in den romanischen Sprachen am deutlichsten in den Interrogativsätzen erkennbar.<br />

So wird in vielen Untersuchungen der Wortstellung in diesen Sprachen darauf hingewiesen,<br />

dass in einem dem englischen Interrogativsatz in (41) entsprechenden Fragesatz die Verb-<br />

Zweit-Stellung in verschiedenen romanischen Sprachen nicht nur möglich, sondern sogar<br />

obligatorisch ist (cf. Kayne 1972:71, Rizzi 1990b:63 u. 78f., Torrego 1984:103 u. 105):<br />

(45) fr. (a) *Que Marie a dit?<br />

(b) *Qu'a Marie dit?<br />

(c) Qu'a dit Marie?<br />

(46) it. (a) *(Che) cosa Maria ha detto?<br />

(b) *(Che) cosa ha Maria detto?<br />

(c) (Che) cosa ha detto Maria?<br />

(47) sp. (a) *¿Qué María ha dicho?<br />

(b) *¿Qué ha María dicho?<br />

(c) ¿Qué ha dicho María?<br />

Wie die Beispiele zeigen, unterscheiden sich das Französische, Italienische und Spanische<br />

vom Englischen lediglich darin, dass das Subjektsnomen nicht zwischen finitem Verb und<br />

Partizip auftreten kann. Im Französischen besteht allerdings die Besonderheit, dass das<br />

Subjekt diese Position genau dann einnimmt, wenn es pronominal ist (Kayne 1972:71): 19<br />

(48) fr. (a) Qu'a-t-elle dit?<br />

(b) *Qu'a dit elle?<br />

Das iberische Portugiesisch, in dem im entsprechenden Interrogativsatz ebenfalls die postverbale<br />

Stellung des Subjekts obligatorisch ist, erlaubt beide Stellungsmöglichkeiten des<br />

postverbalen Subjekts (Ambar 1992:58 u. 62):<br />

(49) ipg. (a) *(O) Que a Maria tem dito?<br />

(b) (O) Que tem a Maria dito?<br />

(c) (O) Que tem dito a Maria?<br />

Ebenso wie für die Verb-Zweit-Stellung in den Matrixsätzen von Verb-Zweit-Sprachen<br />

muss nun hier die Frage gestellt werden, wodurch die Zweit-Stellung des finiten Verbs in<br />

diesen Konstruktionen ausgelöst wird. Eine von Rizzi (1990b, 1990c) vorgeschlagene<br />

Analyse macht hierfür das so genannte 'wh-Kriterium' verantwortlich. Diesem Kriterium<br />

zufolge, das Rizzi in Anlehnung an May (1985) formuliert, muss der Kopf einer Phrase, in<br />

deren Spezifiziererposition sich ein wh-Operator befindet, das Merkmal [+wh] enthalten,<br />

und umgekehrt muss in jeder Spezifiziererposition einer Phrase, deren Kopf [+wh]-markiert<br />

ist, ein wh-Operator auftreten:<br />

19 In Anlehnung an Kayne (1972:71) wird diese Art der Inversion i.d.R. als 'Subjektsklitikon-Inversion'<br />

bezeichnet, während die Inversion mit einem nominalen Subjekt 'Stilistische Inversion' genannt<br />

wird.<br />

35


36<br />

(50) wh-Kriterium (Rizzi 1990b:64):<br />

(a) Ein wh-Operator muss in einer Spezifizierer-Kopf-Beziehung zu einem X 0 [+wh]<br />

stehen.<br />

(b) Ein X 0 [+wh] muss in einer Spezifizierer-Kopf-Beziehung zu einem wh-Operator<br />

stehen.<br />

Nach Ansicht von Rizzi handelt es sich bei diesem Kriterium um ein universales Prinzip,<br />

das je nach Einzelsprache entweder auf der S-Struktur oder auf der Ebene der Logischen<br />

Form (LF) erfüllt werden muss. Für das Englische und Französische nimmt Rizzi an, dass<br />

die durch das wh-Kriterium geforderte Spezifizierer-Kopf-Beziehung bereits auf der S-<br />

Struktur hergestellt sein muss. Damit will er der Tatsache Rechnung tragen, dass in diesen<br />

Sprachen die wh-Phrase in eingebetteten Interrogativsätzen nicht in situ bleiben kann, d.h.<br />

noch vor der LF-Ebene aus ihrer Basisposition herausbewegt werden muss (Rizzi<br />

1990b:65ff. u.75, 1990c:378):<br />

(51) en. (a) *I wonder [CP [C' [COMP[+wh]] [IP Mary has seen who]]].<br />

(b) I wonder [CP whoi [C' [COMP[+wh]] [IP Mary has seen t ]]].<br />

i<br />

(52) fr. (a) *Je ne sais pas [CP [C' [COMP[+wh]] [ elle a rencontré qui]]].<br />

ich NEG weiß nicht sie hat getroffen wen<br />

(b) Je ne sais pas [CP quii [C' [COMP[+wh]] [ elle a rencontré ti]]].<br />

ich NEG weiß nicht wen sie hat getroffen<br />

Rizzi führt die Grammatikalitätsunterschiede in (51) und (52) darauf zurück, dass die<br />

COMP-Position auf Grund der Selektionseigenschaften des Matrixverbs mit dem Merkmal<br />

[+wh] spezifiziert ist. Durch die Annahme, dass das wh-Kriterium bereits auf der S-Struktur<br />

erfüllt werden muss, wird die overte Anhebung der wh-Phrase in die SpezCP-Position verlangt.<br />

Dort fungiert sie als wh-Operator und kongruiert mit dem [+wh]-markierten Kopf. 20<br />

Diese Analyse wirft die Frage auf, wie in Matrix-Interrogativsätzen, in denen COMP<br />

nicht durch Selektion eines regierenden Matrixverbs [+wh]-markiert ist, das wh-Kriterium<br />

erfüllt wird. Rizzis Analyse zufolge ist in diesen Sätzen INFL der Träger des Merkmals<br />

[+wh], d.h. Träger eines "substantive feature whose interpr[e]tation is 'the carrier of this<br />

feature designates a question'" (Rizzi 1990c:378). Unabhängige Evidenz für diese Annahme<br />

sieht er darin, dass in verschiedenen Sprachen Interrogation durch eine besondere Verbmorphologie<br />

ausgedrückt werden kann. 21 Die [+wh]-Markierung von INFL bewirkt, dass<br />

20 Rizzi (1990b:73) geht dabei von der Annahme aus, dass eine wh-Phrase erst dann zum Operator<br />

wird, wenn sie in einer Skopusposition, d.h. in einer linksperipheren Nicht-Argument-Position<br />

(z.B. SpezCP) erscheint. Damit gilt das wh-Kriterium für wh-Phrasen erst dann, wenn sie sich<br />

nicht mehr in ihrer Basisposition innerhalb der VP oder in einer rechtsperipheren Position befinden.<br />

In Sprachen wie z.B. Chinesisch oder Japanisch, in denen das wh-Kriterium erst auf der LF-Ebene<br />

erfüllt sein muss, können die wh-Phrasen auf der S-Struktur in situ bleiben. Daher sind Sätze, die<br />

den ungrammatischen Beispielen in (51) und (52) entsprechen, in diesen Sprachen grammatisch<br />

(Friedemann 1997:189).<br />

21 Rizzi (1990b:66) nennt als Beispiele für solche Sprachen Hausa und das westaustronesische<br />

Palauan (cf. Haïk 1990 und Georgopoulos 1991). Bemerkenswerterweise ist auch für das Französische<br />

vorgeschlagen worden, dass es eine derartige Verbmorphologie aufweist. Noonan (1989) beispielsweise<br />

interpretiert das in umgangssprachlichen Interrogativsätzen des Québec-Französischen<br />

häufig verwendete enklitische tu als offenes [+wh]-Merkmal, das in INFL basisgeneriert ist.


das finite Verb nach COMP angehoben werden muss, um dort in eine Spezifizierer-Kopf-<br />

Beziehung mit der nach SpezCP angehobenen wh-Phrase treten zu können. Ausgehend von<br />

der Annahme, dass in einer Sprache wie dem Englischen diese Beziehung bereits auf der S-<br />

Struktur bestehen muss, gelangt Rizzi (1990b:66f.) somit zu folgender Ableitung für den<br />

englischen Interrogativsatz in (41)(b): 22<br />

(53) D-Struktur: [CP [IP Mary has[+wh] said what]]?<br />

S-Struktur: [CP Whati [C' has[+wh]j] [IP Mary tj said ti]]?<br />

Der Versuch, diese Analyse der englischen Interrogativsätze auf die romanischen Sprachen<br />

zu übertragen, erweist sich jedoch in verschiedener Hinsicht als problematisch. Eines der<br />

Probleme besteht darin, dass die in den Sätzen (45)-(49) beobachtete Obligatheit der Subjekt-Verb-Inversion<br />

keineswegs kategorisch für alle Interrogativsätze dieser Sprachen gilt.<br />

Wie die Beispiele in (54) belegen, ist bei dieser Art von Interrogativsätzen im (umgangssprachlichen)<br />

Französischen neben der Nachstellung auch die Voranstellung eines nominalen<br />

oder pronominalen Subjekts zu beobachten (cf. Rizzi 1990b:75, Friedemann<br />

1997:165f.):<br />

(54) fr. (a) À quelle heure est parti Paul?<br />

um wieviel Uhr ist gegangen Paul<br />

(b) À quelle heure est-il parti?<br />

um wieviel Uhr ist er gegangen<br />

(c) À quelle heure Paul est parti?<br />

um wieviel Uhr Paul ist gegangen<br />

(d) À quelle heure il est parti?<br />

um wieviel Uhr er ist gegangen<br />

Damit stellt sich nun die Frage, wie diese Variation der Stellung des finiten Verbs im Rahmen<br />

des von Rizzi entworfenen Modells des wh-Kriteriums erfasst werden kann. Nach<br />

Ansicht von Rizzi ist dies nur durch die Einführung eines zusätzlichen Mechanismus, der so<br />

genannten 'Dynamischen Kongruenz' ("Dynamic Agreement"), möglich. Dieser Mechanismus<br />

bewirkt, dass ein wh-Operator seinem Kopf das Merkmal [+wh] übertragen kann:<br />

(55) Dynamische Kongruenz (Rizzi 1990b:76):<br />

[CP wh-Operator X 0 ] => [CP wh-Operator X 0 [+wh]]<br />

Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, dass das wh-Kriterium in Matrixsätzen auch dann erfüllt<br />

werden kann, wenn kein ([+wh]-markiertes) Verb nach COMP angehoben wird. Die<br />

Verbbewegung schließt Rizzi durch die Zusatzannahme aus, dass in Sätzen wie (54)(c) oder<br />

(54)(d) INFL nicht mit dem Merkmal [+wh] spezifiziert ist. Andernfalls müsste das finite<br />

Verb zur Erfüllung des wh-Kriteriums nach COMP angehoben werden.<br />

Nach Ansicht von Rizzi kann mit Hilfe des Mechanismus der Dynamischen Kongruenz<br />

eine weitere Besonderheit französischer Interrogativsätze erklärt werden. Es handelt sich<br />

darum, dass im umgangssprachlichen Französisch die Anhebung der wh-Phrase fakultativ<br />

22 Rizzis Analyse beschränkt sich auf eine Erklärung für die Verb-Zweit-Stellung in Interrogativsätzen.<br />

Andere "residuale" Verb-Zweit-Effekte des Englischen, wie sie etwa in (42) - (43) illustriert<br />

sind, bleiben unberücksichtigt.<br />

37


38<br />

ist. Die entscheidende Beobachtung hierbei ist die, dass die wh-Phrase auch dann in situ<br />

verbleiben kann, wenn es sich nicht um eine Echo-Frage handelt: 23<br />

(56) fr. Paul est parti à quelle heure?<br />

Paul ist gegangen um wieviel Uhr<br />

Rizzi postuliert auch für diesen Satz, dass INFL keine [+wh]-Merkmale trägt. Dies hat zur<br />

Folge, dass es auf der S-Struktur zu keiner Verletzung des wh-Kriteriums kommt, da das in<br />

situ stehende wh-Element nicht als wh-Operator fungiert (cf. Fußnote 20). Zur Erfüllung<br />

des wh-Kriteriums muss es daher erst auf der LF-Ebene kommen, wenn die wh-Phrase nach<br />

SpezCP angehoben wird. Dies geschieht dadurch, dass der wh-Operator mittels Dynamischer<br />

Kongruenz das [+wh]-Merkmal an den Kopf der CP zuweist.<br />

Es dürfte klar sein, dass Rizzis Analyse durch diese zusätzlichen Annahmen sehr stark<br />

an Erklärungsadäquatheit verliert (cf. auch Hulk 1993, Kaiser 1996, 1998). Zum einen ist<br />

die Annahme, dass in Sätzen, in denen das wh-Kriterium durch Dynamische Kongruenz<br />

erfüllt wird, INFL nicht mit dem Merkmal [+wh] markiert ist, vollkommen ad hoc. Zum<br />

anderen bleibt auf Grund der Einführung des zusätzlichen Mechanismus der Dynamischen<br />

Kongruenz nun wieder völlig offen, wie in Sätzen mit einer Subjekt-Verb-Inversion, wie in<br />

(45)(c) und (48)(a), die Verb-Anhebung erklärt werden kann. Prinzipiell besteht nämlich<br />

nun keine Notwendigkeit mehr dazu, da die Möglichkeit gegeben ist, das wh-Kriterium<br />

auch ohne Verb-nach-COMP-Bewegung zu erfüllen:<br />

In other words, by assuming the existence of Dynamic Agreement a redundancy has been introduced<br />

into the theory, for in sentences such as [(48)(a)] the wh-criterion may now be satisfied<br />

either by finite verb movement to C (V2) or by Dynamic Agreement. (Hulk 1993:129)<br />

Eine Möglichkeit, diese Redundanz aufzulösen, könnte darin bestehen, dass eine klare<br />

Unterscheidung zwischen dem Standardfranzösischen (français soutenu) einerseits und<br />

dem umgangssprachlichen Französischen gezogen wird (Kaiser 1996, 1998). Obwohl eine<br />

solche Einteilung stark vereinfachend ist, bestätigen zahlreiche soziolinguistische Untersuchungen,<br />

dass insbesondere hinsichtlich der Inversion in den französischen Interrogativsätzen<br />

ein deutlicher Unterschied zwischen dem Standardfranzösischen und den umgangssprachlichen<br />

Varietäten besteht. Abgesehen von einigen festen Redewendungen, wie z.B.<br />

vois-tu oder penses-tu, liefern diese Studien nur wenige Belege für invertierte Interrogativsätze<br />

in der Umgangssprache (cf. z.B. Behnstedt 1973, Ashby 1977, Coveney 1990). Im<br />

Standardfranzösischen hingegen ist die Subjekt-Verb-Inversion in allen wh-Interrogativkontexten<br />

obligatorisch – ausgenommen in den periphrastischen Fragesätzen, die die Fragepartikel<br />

est-ce que enthalten (Blinkenberg 1928:145, Renchon 1969). Mit anderen Worten,<br />

die Beispielsätze in (54)(a)-(b) gehören einer anderen Varietät an als die Beispielsätze<br />

in (54)(c)-(d).<br />

23 Im Standardspanischen und Standarditalienischen ist das Verbleiben der wh-Phrase in situ i.d.R.<br />

nur in Echo-Fragen möglich (cf. Hernanz / Brucart 1987:100 für das Spanische, Poletto 1993:247,<br />

Fn.3 für das Italienische). In regionalen Varietäten gilt diese Beschränkung allerdings nicht (cf.<br />

Poletto 1993:236ff. für das Venezianische). Im Portugiesischen, insbesondere im brasilianischen<br />

Portugiesischen, sind wh-in-situ-Fragen regelmäßig als Nicht-Echo-Fragen möglich (cf. Mateus /<br />

Brito / Duarte / Faria 1989:244 bzw. Kato 1987 und Rossi 1993).


Eine solche Analyse ermöglicht es, den Auslöser für die V-nach-COMP-Anhebung in<br />

Sätzen wie (45)(c) oder (48)(a) zu benennen: Im Standardfranzösischen existiert nicht die<br />

Möglichkeit, das wh-Kriterium durch Dynamische Kongruenz zu erfüllen. Auf Grund der<br />

Bedingung, dass es stets bereits auf der S-Struktur erfüllt sein muss, muss folglich das finite<br />

Verb stets dann noch vor der Ebene der Logischen Form nach COMP bewegt werden, wenn<br />

in der SpezCP-Position ein wh-Operator vorhanden ist. Der Unterschied zum umgangssprachlichen<br />

Französisch besteht darin, dass dort das wh-Kriterium durch Dynamische<br />

Kongruenz erfüllt werden kann. Dadurch entfällt in dieser Varietät die Notwendigkeit der<br />

V-nach-COMP-Anhebung zur Erfüllung des wh-Kriteriums. 24<br />

In anderen neueren Untersuchungen französischer Interrogativsätze werden die Beobachtungen<br />

hinsichtlich der möglichen Wortstellungsmuster dahingehend interpretiert, dass<br />

in diesen Sätzen generell keine V-nach-COMP-Anhebung stattfindet (cf. Noonan 1989,<br />

Drijkoningen 1990, Hulk 1993, Wind 1994, 1995, Friedemann 1997, Dekkers 1997). Ein<br />

empirisches Argument für diese Annahme liefert die Beobachtung, dass in Entscheidungsfragen<br />

die Stilistische Inversion ausgeschlossen ist, d.h. dass ein Subjektsnomen nicht postverbal<br />

stehen kann, wenn das finite Verb satzinitial erscheint:<br />

(57) fr. *Est Jean à Paris?<br />

ist Jean in Paris<br />

Ausgehend von der Annahme, dass derartige Entscheidungsfragesätze die Präsenz eines<br />

leeren Operators in der SpezCP-Position und die des finiten Verbs in der COMP-Position<br />

erfordern, weist Kayne (1994:44) – in Anlehnung an Sportiche (1993) – darauf hin, dass die<br />

Ungrammatikalität von (57) erklärt werden kann, wenn angenommen wird, dass im Französischen<br />

eine (overte) V-nach-COMP-Bewegung generell ausgeschlossen ist. 25 In einer Analyse<br />

hingegen, die davon ausgeht, dass eine solche Art der Bewegung im Französischen<br />

existiert, müßte eine zusätzliche Restriktion formuliert werden, die die Bildung von Sätzen<br />

wie (57) ausschließt.<br />

Zusätzliche Evidenz gegen die Annahme einer V-nach-COMP-Bewegung in französischen<br />

Interrogativsätzen liefert die so genannte 'Komplexe Inversion'. Diese Konstruktion<br />

24 Eine solche Analyse kommt allerdings nicht umhin, für das umgangssprachliche Französisch<br />

anzunehmen, dass INFL nicht durch ein [+wh]-Merkmal markiert ist. Dies scheint allerdings den<br />

empirischen Fakten zu widersprechen. Denn, wie bereits in Fußnote 21 erwähnt, können im umgangssprachlichen<br />

Französischen Interrogativsätze durch die Fragepartikel ti (bzw. tu) markiert<br />

werden. Dies wird in einigen Analysen als Evidenz für eine [+wh]-Markierung von INFL interpretiert<br />

(Noonan 1989):<br />

(i) fr. (a) T' as-ti bu?<br />

du hast getrunken<br />

(Paris 1877:442)<br />

(b) Il habite-ti Paris ou Lyon?<br />

er (be)wohnt Paris oder Lyon<br />

(Foulet 1921:278)<br />

25 Ein Problem dieser Generalisierung besteht allerdings darin, dass erklärt werden muss, warum die<br />

Verb-Erst-Stellung dann möglich ist, wenn das Subjekt ein Klitikon ist:<br />

(i) fr. Est-il à Paris?<br />

ist er in Paris<br />

Hier muss Kayne (1994:139,Fn.15) die – wenig plausible – Annahme machen, dass das Verb<br />

"möglicherweise" links an das Klitikon adjungiert wird.<br />

39


40<br />

ist dadurch gekennzeichnet, dass zusätzlich zu einem postverbalen Subjektsklitikon ein<br />

präverbales Subjektsnomen auftritt: 26<br />

(58) fr. À quelle heure Paul est-t-il parti?<br />

um wieviel Uhr Paul ist er gegangen<br />

In der Analyse von Rizzi / Roberts (1989) wird diese Konstruktion als ein Sonderfall der<br />

einfachen Subjektsklitik-Inversion behandelt. Beiden Autoren zufolge wird in diesen Konstruktionen<br />

das finite Verb nach COMP angehoben und das – in SpezIP basisgenerierte –<br />

Subjektsklitikon enklitisch in das Verb inkorporiert. Auf diese Weise wird das Subjektsklitikon<br />

mit den Merkmalen des kasuszuweisenden Verbs assoziiert. Dadurch können im Falle<br />

der Komplexen Inversion der – in SpezVP basisgenerierten und in eine an C' adjungierte<br />

Spezifiziererposition angehobenen – Subjekt-NP die notwendigen Kasusmerkmale vom<br />

Verb zugewiesen werden (Rizzi / Roberts 1989:12):<br />

(59) [CP À quelle heurel [C' Paulk [C' [COMP estj-t-ili] [IP ti tj [VP tk parti tl]]]]]?<br />

Eine solche Möglichkeit der C'-Adjunktion ist in theoretischer Hinsicht allerdings sehr problematisch,<br />

da die Adjunktion einer maximalen Projektion generell nur an eine andere maximale<br />

Projektion möglich ist (Chomsky 1986a:6). Rizzi / Roberts (1989:15) versuchen<br />

ihre Analyse zu 'retten', indem sie eine Zusatzbedingung formulieren, die eine derartige<br />

Adjunktionsmöglichkeit ausschließlich auf die Subjekt-NP beschränkt und damit eine<br />

"overgeneration" dieser Adjunktion verhindert.<br />

Ein empirisches Problem der Analyse von Rizzi / Roberts (1989) besteht darin, dass die<br />

Autoren davon ausgehen müssen, dass es sich bei dem postverbalen Subjektsklitikon in<br />

(59) um ein Expletivum handelt. Die Notwendigkeit dieser Annahme ergibt sich für Rizzi /<br />

Roberts (1989:11) dadurch, dass andernfalls zwei Argumenten, der Subjekt-NP und dem<br />

Subjektsklitikon, nur eine θ-Rolle zur Verfügung stünde. Dies hätte eine Verletzung des<br />

θ-Kriteriums zur Folge. Um dies zu vermeiden, postulieren sie, dass das Klitikon einen<br />

Nicht-Argument-Status hat (cf. auch Kayne 1983). Eine solche Annahme scheint jedoch<br />

unvereinbar mit der Tatsache zu sein, dass das postverbale Klitikon eigene Merkmale für<br />

Person, Numerus und Genus trägt (Muller 1984, Kaiser 1992:95, Friedemann 1997:163). 27<br />

26 Für eine umfangreiche empirische Untersuchung dieses Fragetyps cf. Buchmüller (1975).<br />

27 Kayne (1983:128) sieht ein zusätzliches Argument für die Analyse von il in (59) als "a non-argument<br />

agreeing with its predecessor" darin, dass seiner Ansicht nach die Komplexe Inversion mit<br />

Pronomina der 1. und 2. Person ausgeschlossen ist. Er nimmt an, dass diese Pronomina stets Argumentstatus<br />

haben müssen, so dass deren Auftreten in einer Komplexen Inversionskonstruktion<br />

zu einer Verletzung des θ-Kriteriums führen würde. Die Möglichkeit des Auftretens eines Pronomens<br />

der 3. Person in diesen Konstruktionen ist für Kayne folglich nur dadurch erklärbar, dass es<br />

auch einen Nicht-Argument-Status haben kann.<br />

Friedemann (1997:164) weist darauf hin, dass diese Argumentation Kaynes empirisch nicht haltbar<br />

ist, da die Komplexe Inversion mit Pronomina der 1. und 2. Person – wie Kayne<br />

(1983:129,Fn.25) im Übrigen selbst einräumt – durchaus grammatisch ist:<br />

(i) fr. (a) Pourquoi ta femme et toi ne viendriez- vous pas à la fête?<br />

warum deine Frau und du NEG kommen-würdet ihr nicht auf das Fest<br />

(b) Où moi et mes enfants sommes-nous invités?<br />

wo ich und meine Kinder sind wir eingeladen


Ein weiteres empirisches Problem für die von Rizzi / Roberts (1989) vorgeschlagene<br />

Analyse der Komplexen Inversion stellt die Tatsache dar, dass Inversionsstrukturen wie in<br />

(60) grammatisch sind (Cardinaletti 1994:73, Laenzlinger / Musolino 1995:85, Friedemann<br />

1997:175, Laenzlinger 1998:115ff.):<br />

(60) fr. (a) Où Jean, finalement, est-il allé?<br />

wohin Jean schließlich ist er gegangen<br />

(b) Où, finalement, Jean est-il allé?<br />

wohin schließlich Jean ist er gegangen<br />

(Laenzlinger / Musolino 1995:85)<br />

In einer V-nach-COMP-Analyse müßte zur Erklärung der Grammatikalität dieser Sätze<br />

eine zusätzliche C'-Adjunktion angenommen werden. Wie bereits erwähnt, wird diese Option<br />

von Rizzi / Roberts (1989:15) selbst allein aus prinzipiellen Überlegungen heraus explizit<br />

ausgeschlossen. Da eine CP-Rekursion, wie bereits diskutiert, ebenfalls nicht in Betracht<br />

kommen kann, scheint folglich eine Analyse, wonach das Verb in (60) nur nach<br />

INFL bewegt wird, besser geeignet zu sein, die sprachlichen Fakten zu erfassen. Dementsprechend<br />

nimmt auch die Subjekt-NP in der Komplexen Inversion eine IP-interne Position<br />

ein. Durch die Möglichkeit der IP-Rekursion ist das Auftreten mehrerer präverbaler Konstituenten<br />

gewährleistet (cf. Friedemann 1997:175): 28<br />

(61) (a) [CP Oùi [IP Jean [IP finalement [I' est-il allé ti]]]]?<br />

(b) [CP Oùi [IP finalement [IP Jean [I' est-il allé ti]]]]?<br />

Friedemann (1997:192-200) nimmt an, dass die Anhebung des finiten Verbs nach COMP<br />

erst auf der LF-Ebene erforderlich ist, d.h. dass das wh-Kriterium im Französischen erst auf<br />

dieser Ebene erfüllt werden muss. Seiner Analyse zufolge sind die [+wh]-Merkmale, die im<br />

Matrixsatz in INFL generiert sind, 'schwach', so dass es keine Notwendigkeit für eine<br />

overte Anhebung des finiten Verbs gibt. Die [+wh]-Merkmale der wh-Phrase hingegen<br />

werden von Friedemann als 'stark' angesehen, so dass die wh-Phrase noch auf der S-Struktur,<br />

d.h. overt, nach SpezCP angehoben werden muss. Friedemann (1997:193) macht allerdings<br />

dabei die Einschränkung, dass die [+wh]-Merkmale der wh-Phrase im umgangssprachlichen<br />

Französisch optional 'schwach' sein können, um der Möglichkeit Rechnung zu<br />

tragen, dass die wh-Phrase auch in ihrer Basisposition verbleiben kann (cf.(56)). Für alle<br />

sonstigen Interrogativsätze ergibt sich nach Friedemann jedoch eine identische Ableitung.<br />

Der Unterschied zwischen Standard- und umgangssprachlichem Französisch besteht lediglich<br />

darin, dass im ersteren die [+wh]-Merkmale in Form des Subjektklitikons als ein "morphème<br />

phonétiquement réalisé" generiert sind, das in der Lage ist, ein leeres Subjektspronomen<br />

zu lizensieren (Friedemann 1997:194f.): 29<br />

28 Auf der Grundlage einer 'Split-COMP'-Hypothese (cf. Shlonsky 1994, Rizzi 1997) bestünde auch<br />

die Möglichkeit, einem Satz wie (60)(a) folgende Struktur zuzuweisen, wie von Laenzlinger / Musolino<br />

(1995:87) und Laenzlinger (1998:117) vorgeschlagen wird:<br />

(i) [FocP Où [AgrTopP Jean [TopP finalement [Top' esti][CP OP[+wh] ti [IP il allé]]]]]?<br />

Da ich mich – wie in Kapitel 1 dargelegt – in der vorliegenden Untersuchung vorwiegend auf das<br />

'traditionelle' Modell der Prinzipien- und Parametertheorie nach Chomsky (1981, 1982, 1986a)<br />

stütze, möchte ich diese Möglichkeit hier nicht weiterverfolgen.<br />

29 Friedemann äußert sich nicht explizit zur Struktur von Sätzen mit einer Stilistischen Inversion (cf.<br />

(54)(a)). Es ist aber anzunehmen, dass er auch für diese Sätze eine IP-Struktur annimmt. Friede-<br />

41


42<br />

(62) (a) S-Struktur: [CP À quelle heurei [IP Paul est-il[+wh] parti ti]]?<br />

(b) S-Struktur: [CP À quelle heurei [IP pro est-il[+wh] parti ti]]?<br />

(c) S-Struktur: [CP À quelle heurei [IP Paul est parti ti]]?<br />

(d) S-Struktur: [CP À quelle heurei [IP il est parti ti]]?<br />

(63) (a) Logische Form: [CP À quelle heurei est-ilj [IP Paul tj parti ti]]?<br />

(b) Logische Form: [CP À quelle heurei est-ilj [IP pro tj parti ti]]?<br />

(c) Logische Form: [CP À quelle heurei estj [IP Paul tj parti ti]]?<br />

(d) Logische Form: [CP À quelle heurei estj [IP il tj parti ti]]?<br />

Ein Vergleich mit den anderen bisher betrachteten romanischen Sprachen zeigt, dass es<br />

auch hier Evidenz dafür gibt, die Interrogativsätze dieser Sprachen in ganz ähnlicher Weise,<br />

d.h. ebenfalls ohne overte V-nach-COMP-Bewegung, zu analysieren. Die Evidenz besteht<br />

unter anderem darin, dass auch in diesen Sprachen die Subjekt-Verb-Inversion in den Interrogativsätzen<br />

fakultativ sein kann. Wie die Untersuchungen von Torrego (1984:106) für das<br />

Spanische und Ambar (1992:60) für das iberische Portugiesische zeigen, ist dies dann der<br />

Fall, wenn es sich bei der wh-Phrase nicht um ein Argument des Verbs handelt:<br />

(64) sp. (a) ¿En qué medida ha la constitución contribuido a eso?<br />

in welcher Weise hat die Verfassung beigetragen dazu<br />

(b) ¿En qué medida la constitución ha contribuido a eso?<br />

in welcher Weise die Verfassung hat beigetragen dazu<br />

(65) ipg. (a) Por que razão saiu a Rita?<br />

aus welchem Grund weggegangen-ist die Rita<br />

(b) Por que razão a Rita saiu?<br />

aus welchem Grund die Rita weggegangen-ist<br />

Die präverbale Stellung des Subjekts in diesen Sätzen kann als klare Evidenz gegen eine Vnach-COMP-Bewegung<br />

angesehen werden. Umstritten ist allerdings, ob daraus gefolgert<br />

werden muss, dass diese Bewegung in diesen Sprachen generell, d.h. auch in den Interrogativsätzen,<br />

in denen das Subjekt obligatorisch postverbal erscheint, keine Anwendung<br />

findet. Als ein Argument gegen diese Annahme führt Zubizarreta (1999:246) für das Spanische<br />

an, dass in Interrogativsätzen mit obligatorischer Subjekt-Verb-Inversion – im Gegensatz<br />

zu Deklarativsätzen – offenbar nicht die Möglichkeit besteht, Nicht-Subjekte in präverbaler<br />

Position zu adjungieren:<br />

(66) sp. (a) *¿Qué a María le envió Juan?<br />

was an Maria ihr geschickt-hat Juan<br />

(b) ¿Qué le envió Juan a María?<br />

was ihr geschickt-hat Juan an Maria<br />

(67) sp. (a) *¿Qué ayer compró Juan?<br />

was gestern gekauft-hat Juan<br />

(b) ¿Qué compró Juan ayer?<br />

was gekauft-hat Juan gestern<br />

mann (1997:198, Fn.35) betont lediglich, dass auch in dieser Konstruktion das finite Verb [+wh]-<br />

Merkmale tragen muss, die dessen (nicht overte) Anhebung nach COMP bewirken. Dies folgt, wie<br />

er zu Recht betont, aus den Forderungen des wh-Kriteriums (cf. auch Kaiser 1996, 1998).<br />

Eine Erklärung für die Ungrammatikalität der Stilistischen Inversion in Entscheidungs- und Ergänzungsfragen<br />

mit bestimmten wh-Phrasen (z.B. pourquoi) liefert seine Analyse allerdings nicht.


Zubizarreta (1999:245) folgert aus diesen Beobachtungen, dass in diesen Sätzen das finite<br />

Verb stets adjazent zum wh-Operator stehen muss, der dessen Anhebung nach COMP bewirkt<br />

(cf. auch Torrego 1984:106f., Mallén 1993:463). Sie führt die Notwendigkeit dieser<br />

Anhebung in Anlehnung an Rizzis wh-Kriterium darauf zurück, dass das finite Verb [+wh]-<br />

Merkmale trägt und daher in eine Spezifizierer-Kopf-Beziehung mit dem wh-Operator treten<br />

muss).<br />

Eine andere Begründung für die V-nach-COMP-Anhebung liefert Ambar (1992) in ihrer<br />

Analyse der portugiesischen Interrogativsätze. Sie nimmt an, dass die nach SpezCP angehobene<br />

wh-Phrase zusätzlich eine leere Kategorie enthalten kann. Dies ist ihrer Analyse zufolge<br />

dann der Fall, wenn die wh-Phrase nicht thematisches Argument des Verbs ist. Damit<br />

versucht sie den Unterschied zwischen Sätzen, in denen die Subjekt-Verb-Inversion obligatorisch<br />

(cf.(49)), und solchen, in denen sie fakultativ ist (cf. (65)), zu erklären. Die Obligatheit<br />

der Inversion in Sätzen wie (49)(b) oder (49)(c) führt Ambar (1992:188) darauf<br />

zurück, dass die in SpezCP vorhandene leere Kategorie auf Grund des Prinzips der Leeren<br />

Kategorie (ECP) streng, d.h. lexikalisch, regiert sein muss. Dies wird dadurch gewährleistet,<br />

dass das finite Verb nach COMP bewegt wird. Demzufolge hat ein Satz wie (49)(b)<br />

folgende S-Struktur (cf. Ambar 1992:188):<br />

(68) [CP [Que [e]]i [C' temj [IP a Maria [I' tj] [VP dito ti]]]]?<br />

Ambar (1992:188) sieht in ihrer Analyse eine Erklärung für die Obligatheit der Subjekt-<br />

Verb-Inversion in diesen Sätzen:<br />

Com esta análise encontra-se uma resposta ao porquê do carácter obrigatório deste tipo de inversão:<br />

o verbo sobe, ou em outros termos, há ISV obrigatória, porque existe em Espec de COMP<br />

uma categoria vazia que precisa de ser regida.<br />

In Sätzen wie (65) hingegen ist Ambars Analyse zufolge keine V-nach-COMP-Anhebung<br />

erforderlich, weil in der SpezCP-Position statt der leeren Kategorie ein lexikalisches Nomen<br />

auftritt.<br />

Eine andere Schlussfolgerung aus der Existenz von Interrogativsätzen ohne Subjekt-<br />

Verb-Inversion, wie in (64)-(65), zieht hingegen Suñer (1994). Ihrer Ansicht nach deutet<br />

die Möglichkeit der präverbalen Stellung des Subjekts in Interrogativsätzen darauf hin, dass<br />

die V-nach-COMP-Anhebung im Spanischen generell ausgeschlossen ist:<br />

It is obvious that V is not in C 0 in examples [(64)] above because the subject is in SpecIP, between<br />

the head of CP and the V in I 0 . Since movement of V to C 0 does not take place in interrogatives<br />

with nonargument Wh-phrases, the null hypothesis is for V to occupy I 0 but not C 0 with argument<br />

Wh-phrases as well. (Suñer 1994:349)<br />

In einer sehr detaillierten Diskussion führt Suñer (1994:360-367) die Obligatheit der Subjekt-Verb-Inversion<br />

in spanischen Interrogativsätzen mit einer Argument-wh-Phrase auf<br />

eine strenge Lokalitätsbeschränkung zurück, die zwischen dem Verb und dem nach SpezCP<br />

angehobenen Argument bestehen muss. Dies hat zur Folge, dass kein anderes Argument,<br />

wie etwa das Subjekt, zwischen beiden erscheinen kann, obwohl die SpezIP-Position als<br />

möglicher Landeplatz für das Subjekt zur Verfügung stünde (Suñer 1994:361). Suñers<br />

Analyse zufolge dürfte also der spanische Satz in (47)(c) folgende Struktur haben:<br />

(69) [CP Quéi [C' [IP [I' ha [VP dicho ti María]]]]]?<br />

43


44<br />

In vielen neueren Untersuchungen werden die spanischen Interrogativsätze in ähnlicher<br />

Weise analysiert. Wichtig für die Diskussion der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft ist, dass<br />

diesen Analysen die Annahme gemeinsam ist, dass das Verb nicht nach COMP bewegt<br />

wird (Goodall 1993, Mallén 1993, Ordoñez 1997, Ordoñez / Trevino 1999). 30 Die Analysen<br />

unterscheiden sich lediglich darin, welche (Lande-)Positionen der wh-Phrase und dem postverbalen<br />

Subjekt zugeordnet werden und auf welche Weise dem postverbalen Subjekt Kasus<br />

zugewiesen wird.<br />

Ein zusätzliches Argument gegen eine Verb-nach-COMP-Bewegung in spanischen Interrogativsätzen<br />

wird von Goodall (1993:201) und Suñer (1994:344f.) angeführt. Es basiert<br />

auf der Beobachtung, dass bestimmte Adverbien im Interrogativsatz ebenso wie im deklarativen<br />

Matrixsatz i.d.R. die gleiche präverbale Position einnehmen (cf. auch Ordoñez /<br />

Treviño 1999:45 und 49):<br />

(70) sp. (a) Las mujeres regularmente sonríen más que los hombres.<br />

die Frauen regelmäßig lächeln mehr als die Männer<br />

(b) ¿Por qué regularmente sonríen más las mujeres?<br />

warum regelmäßig lächeln mehr die Frauen<br />

(Goodall 1993:201)<br />

(71) sp. (a) Bri todavía estudia historia del arte.<br />

Bri immer noch studiert Kunstgeschichte<br />

(b) ¿Qué idioma todavía estudia Pepita en su tiempo libre?<br />

welche Sprache immer noch studiert Pepita in ihrer Freizeit<br />

(Suñer 1994:344 u. 345)<br />

Beide Autoren betonen zu Recht, dass bei einer V-nach-COMP-Bewegung zu erwarten<br />

wäre, dass das Verb im Interrogativsatz vor dem Adverb erscheint. Goodall (1993:202)<br />

weist darauf hin, dass dies im Englischen der Fall ist und dass dieser Stellungsunterschied<br />

des Adverbials im Vergleich zum Deklarativsatz als Evidenz für eine solche Bewegung<br />

interpretiert wird:<br />

(72) en. (a) Women usually are smiling.<br />

(b) *Why usually are women smiling?<br />

(c) Why are women usually smiling?<br />

Auf Grund dieser Beobachtung und ausgehend von der Annahme, dass das Adverbial an IP<br />

adjungiert ist, ist somit anzunehmen, dass sich das Verb in den Interrogativsätzen in (70)(b)<br />

und (71)(b) in INFL befinden muss.<br />

Zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt auch Guasti (1996) in ihrer Analyse italienischer<br />

Interrogativsätze. Eines ihrer Argumente basiert auf der Beobachtung, dass in italienischen<br />

Interrogativsätzen parenthetische Ausdrücke zwischen der wh-Phrase und dem Auxiliar,<br />

nicht aber dahinter auftreten können:<br />

30 Bemerkenswert ist, dass auch Zubizarreta (1998:150) diese Annahme vertritt. Sie gibt damit ihre<br />

ursprüngliche, aber erst später erschienene Analyse spanischer Interrogativsätze auf (Zubizarreta<br />

1999:245f.). Baauw (1998) nimmt an, dass für einen Satz wie (47)(c) beide Ableitungen – sowohl<br />

diejenige mit als auch diejenige ohne V-nach-COMP-Bewegung – möglich sind.


(73) it. (a) Quando, secondo te, ha telefonato Gianni?<br />

wann gemäß dir hat telefoniert Gianni<br />

(b) ??*Quando ha, secondo te, telefonato Gianni?<br />

(Guasti 1996:172)<br />

Sie weist darauf hin, dass die englischen Entsprechungen dieser Sätze eine entgegengesetzte<br />

Grammatikalitätsbeurteilung erfahren würden. Ihre – in Anlehnung an Cardinaletti<br />

(1994) formulierte – Erklärung dieses Unterschieds basiert auf der Annahme, dass sich<br />

parenthetische Ausdrücke stets unterhalb der CP befinden. Im Englischen kann demnach<br />

das finite Verb über diese Ausdrücke hinweg in den Kopf der CP bewegt werden, während<br />

im Italienischen diese Bewegung ausgeschlossen ist. In Übereinstimmung mit Friedemanns<br />

Analyse französischer Interrogativsätze kommt Guasti (1996:173) daher zu dem Schluss,<br />

"that overt movement of the verb to C does not take place in Italian questions".<br />

Was das iberische Portugiesisch betrifft, so scheint diese Art der Adjunktion von Adverbialen<br />

oder parenthetischen Ausdrücken, wie sie im Spanischen und Italienischen zu beobachten<br />

ist, kaum oder nur sehr beschränkt möglich zu sein. Allerdings existiert im Portugiesischen<br />

eine deutliche regionale Variation hinsichtlich der Verbstellung in Interrogativsätzen.<br />

Im Gegensatz zum europäischen Portugiesisch ist im Portugiesischen Brasiliens die<br />

präverbale Stellung des Subjekts in diesen Sätzen grundsätzlich die Regel, während die<br />

postverbale Stellung i.d.R. ausgeschlossen ist. Somit erhält man in Brasilien eine vollkommen<br />

entgegengesetzte Grammatikalitätsbeurteilung der Sätze in (49) (Silva 1996:121):<br />

(74) bpg. (a) Que a Maria tem dito?<br />

was die Maria hat gesagt<br />

(b) *Que tem a Maria dito?<br />

(c) *Que tem dito a Maria?<br />

Dieser Unterschied zwischen dem brasilianischen und europäischen Portugiesisch wird in<br />

allen Untersuchungen zur Interrogation in Brasilien bestätigt (Duarte 1992, Kato 1987,<br />

Rossi 1993). Rossi (1993:332) nimmt an, dass es einen parametrischen Unterschied zwischen<br />

beiden Varietäten gibt, der darin besteht, dass im brasilianischen Portugiesischen das<br />

wh-Kriterium erst auf der Ebene der Logischen Form erfüllt werden muss.<br />

Interessanterweise lassen sich auch in anderen romanischen Sprachen regional bedingte<br />

Unterschiede hinsichtlich der Verbstellung in Interrogativsätzen beobachten. Suñer<br />

(1994:352 u. 366f.) weist auf das puertorikanische Spanisch hin, in dem die Möglichkeit<br />

zur Subjekt-Verb-Stellung auch dann besteht, wenn die satzeinleitende wh-Phrase ein Argument<br />

des Verbs ist. 31 Den Angaben von Suñer (1994:352) zufolge ist diese Stellung so-<br />

31 Auf eine andere Möglichkeit der Nicht-Inversion nach argumentalen wh-Phrasen wird von<br />

Ordoñez (1997:160) hingewiesen. Seinen Beobachtungen zufolge erlauben Sprecher des iberischen<br />

Spanisch die präverbale Subjektstellung nach argumentalen wh-Phrasen dann, wenn diese<br />

komplex sind:<br />

(i) sp. (a) *¿A quién tu hermana visitó?<br />

wen deine Schwester besucht-hat<br />

(b) ¿A cuál de las chicas que vinieron tu hermana (la) había visitado?<br />

welches von den Mädchen die kamen deine Schwester es hatte besucht<br />

Eine ähnliche Beobachtung macht Calabrese (1982:3 u. 53) für das Italienische:<br />

45


46<br />

gar die Regel, wenn das Subjekt pronominal ist (cf. auch Davis 1971, Quirk 1972, Núñez<br />

Cedeño 1983):<br />

(75) psp. (a) ¿Quién tú eres?<br />

wer du bist<br />

(b) ¿Qué Iván dijo de eso?<br />

was Iván sagte dazu<br />

Auch in einigen nord- bzw. mittelitalienischen Dialekten scheint die präverbale Subjektsstellung<br />

in Interrogativsätzen die Regel zu sein (Poletto 1993:230, Giorgi / Pianesi<br />

1996:156, Fn.29). Laut Poletto (1993:230) ist dies beispielsweise in der Mundart von Triest<br />

der Fall:<br />

(76) tri. Cosa la mamma dise?<br />

was die Mama sagt<br />

Poletto (1993:231) nimmt an, dass sich diese Varietäten vom Standarditalienischen und<br />

denjenigen Varietäten, die eine obligatorische Subjekt-Verb-Inversion in Interrogativsätzen<br />

aufweisen, dadurch unterscheiden, dass das finite Verb nicht das Merkmal [+wh] besitzt.<br />

Sie vermutet, dass im Triestinischen ein Parameterwechsel eingetreten ist, der sich dadurch<br />

auszeichnet, dass nun nicht mehr das finite Verb, sondern der Kopf der CP mit dem [+wh]-<br />

Merkmal markiert ist. Dies hat zur Folge, dass das finite Verb in diesen Konstruktionen<br />

nicht mehr nach COMP angehoben werden muss bzw. kann. Damit hat nach Ansicht von<br />

Poletto (1993:231) diese Varietät des Italienischen die letzten Reste einer Verb-Zweit-<br />

Stellungseigenschaft endgültig verloren:<br />

If we consider the movement of the verb to C in direct questions as a residual verb second phenomenon,<br />

as Rizzi (1990[b]) does, then we have to state that Northern Italian Dialects are eliminating<br />

the last verb second context [...].<br />

Mit anderen Worten, diese Beobachtungen zeigen, dass einige regionale Varietäten der romanischen<br />

Sprachen existieren, in denen es keinerlei empirische Evidenz (mehr) für eine<br />

Verb-Zweit-Stellungseigenschaft in Interrogativsätzen gibt. Gleichzeitig hat die Diskussion<br />

der Standardvarietäten dieser Sprachen gezeigt, dass auch hier Zweifel an der Annahme<br />

angebracht sind, wonach die Wortstellung in den Interrogativsätzen dieser Sprachen einer<br />

Verb-Zweit-Stellungsregel unterliegt. Vielmehr sprechen die Daten der hier betrachteten<br />

romanischen Sprachen für die Annahme, dass Interrogativsätze generell, d.h. unabhängig<br />

davon, ob das Verb die Zweitstellung einnimmt oder nicht, durch eine V-nach-INFL- statt<br />

durch eine V-nach-COMP-Bewegung gebildet werden. Die hier zu beobachtenden Verb-<br />

Zweit-Stellungseffekte sind folglich grundsätzlich anderer Natur als die entsprechenden<br />

Stellungsmuster in den germanischen Sprachen und somit lediglich scheinbare Verb-Zweit-<br />

Phänomene. Diese Beobachtung führt zu der Feststellung, dass die Annahme als inadäquat<br />

zurückgewiesen werden muss, derzufolge das Auftreten des finiten Verbs in der zweiten<br />

(ii) it. (a) *Chi Mario ha visto?<br />

wen Mario hat gesehen<br />

(b) Quale delle ragazze che abbiamo incontrato, Mario ha conosciuto<br />

welches der Mädchen die (wir)-haben getroffen Mario hat kennengelernt<br />

in Sicilia?<br />

in Sizilien


Position in den Interrogativsätzen der romanischen Sprachen als 'residuales' Verb-Zweit-<br />

Stellungsphänomen anzusehen und damit dahingehend zu interpretieren ist, dass diese<br />

Sprachen in einer früheren Epoche durch eine strenge Verb-Zweit-Stellungsregel gekennzeichnet<br />

waren.<br />

Es muss betont werden, dass diese Schlussfolgerung allerdings auch unabhängig von<br />

den gemachten empirischen Beobachtungen hinsichtlich der romanischen Interrogativsätze<br />

gezogen werden muss. Sie ergibt sich auch aus theoretischen Gründen, zumindest dann,<br />

wenn davon ausgegangen wird, dass die Stellung von wh-Phrase und finitem Verb in Interrogativsätzen<br />

durch das wh-Kriterium festgelegt ist. Dieser Analyse zufolge ist die Verbbewegung<br />

in Interrogativsätzen grundsätzlich anderer Natur als die entsprechenden Bewegungsoperationen<br />

in deklarativen Matrixsätzen einer Sprache mit obligatorischer Verb-<br />

Zweit-Stellung. Der Unterschied liegt darin, dass die Bewegung durch andere Faktoren ausgelöst<br />

wird. Somit gibt es keinen Grund dafür anzunehmen, dass eine Sprache, die in Interrogativsätzen<br />

eine (obligatorische) Verb-Zweit-Stellung aufweist, ursprünglich auch in Deklarativsätzen<br />

über die gleiche Wortstellung verfügt hat. Wie Rizzi (1990b, 1990c) selbst<br />

betont, handelt es sich bei dem von ihm formulierten wh-Kriterium um ein universales<br />

Prinzip, das – anders als im Fall der V-nach-COMP-Bewegung in den Deklarativsätzen der<br />

Verb-Zweit-Sprachen – in allen Sprachen die V-nach-COMP-Bewegung bewirkt. Der Unterschied<br />

zwischen den einzelnen Sprachen besteht lediglich darin, auf welcher Ebene diese<br />

Anhebung ausgeführt wird bzw. ausgeführt werden muss. Mit anderen Worten, der angenommene<br />

Zusammenhang zwischen Verb-Zweit-Stellung in Interrogativsätzen und der<br />

Verb-Zweit-Stellung in Deklarativsätzen in Verb-Zweit-Sprachen ist nicht nur unbegründet,<br />

sondern auch unvereinbar mit der von Rizzi postulierten universalen Gültigkeit des wh-<br />

Kriteriums.<br />

Angesichts dieser Feststellung ist es kaum verwunderlich, dass auch in Sprachen, die typologisch<br />

sehr weit von den romanischen Sprachen entfernt sind, ähnliche Verb-Stellungseffekte<br />

in Interrogativsätzen zu beobachten sind. So gilt beispielsweise für das Baskische,<br />

das eine zugrunde liegende Verb-Endstellung besitzt, dass in Interrogativsätzen das finite<br />

Auxiliar – i.d.R. zusammen mit dem Verb 32 – obligatorisch in die Zweitpositon bewegt<br />

werden muss (Eguzkitza 1986, Ortiz de Urbina 1992, 1995):<br />

(77) bk. (a) Emakumeak gizonari liburua bidali dio.<br />

Frau-die Mann-dem Buch-das geschickt hat<br />

'Die Frau hat dem Mann das Buch geschickt'<br />

(b) Nori bidali dio emakumeak liburua?<br />

wem geschickt hat Frau-die Buch-das<br />

(b') *Nori emakumeak liburua bidali dio?<br />

wem Frau-die Buch-das geschickt hat<br />

'Wem hat die Frau das Buch geschickt?'<br />

Interessanterweise spricht Ortiz de Urbina (1992, 1995) hier von einem residualen Verb-<br />

Zweit-Phänomen im Baskischen. Er liefert allerdings keine Belege für die Existenz einer<br />

32 Ortiz de Urbina (1995:105f.) weist darauf hin, dass in Dialekten des Nordbaskischen nur das<br />

Auxiliar angehoben wird:<br />

(i) bk. (a) Nork du Jon ikusi?<br />

wer hat Jon gesehen<br />

(b) Nor du Jonek ikusi?<br />

wen hat Jon gesehen<br />

47


48<br />

allgemein gültigen Verb-Zweit-Stellungsregel im früheren Baskischen. Ganz offensichtlich<br />

gibt es hierfür keinerlei Evidenz. Ähnliches dürfte auch für die meisten der 79 Sprachen<br />

gelten, die von Ultan (1978) in einem typologischen Vergleich hinsichtlich ihrer Interrogationsmechanismen<br />

untersucht worden sind. Er beobachtet dabei, dass in sehr vielen Sprachen<br />

"of all basic order types" die Inversion als Mittel zur Markierung von Ergänzungsfragen<br />

verwendet wird (Ultan 1978:231). 33 Es ist wohl wenig wahrscheinlich, dass es sich<br />

hierbei um 'residuale' Verb-Zweit-Phänomene handelt und dass alle diese Sprachen ursprünglich<br />

über eine generelle Verb-Zweit-Stellungseigenschaft verfügt haben.<br />

Mit anderen Worten, die in sehr vielen Sprachen zu beobachtende Inversion in Interrogativsätzen<br />

steht ganz offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der generellen Verb-<br />

Zweit-Stellungseigenschaft, wie sie in den germanischen Sprachen mit Ausnahme des Englischen<br />

und im Bündnerromanischen zu beobachten ist. Selbst wenn es gelingen sollte,<br />

überzeugend nachzuweisen, dass die Inversion in den Interrogativsätzen der hier betrachteten<br />

romanischen Sprachen als Resultat einer Verb-nach-COMP-Bewegung zu analysieren<br />

ist, kann dies nicht als Evidenz für eine 'residuale' Verb-Zweit-Stellungseigenschaft angesehen<br />

werden. Die in Interrogativsätzen zu beobachtenden Verb-Zweit-Stellungsmuster<br />

sind auf eine universal gültige Regel zurückzuführen, die eine Verb-nach-COMP-Bewegung<br />

aus anderen Gründen hervorruft als die parametrisch festgelegte Verb-Zweit-Stellungsregel<br />

der Verb-Zweit-Sprachen. Daraus folgt, dass 'residuale' Verb-Zweit-Effekte, d.h.<br />

Verb-Zweit-Stellungsmuster, die aus einer ursprünglich generell gültigen Verb-Zweit-<br />

Stellungseigenschaft resultieren, sich allenfalls in Deklarativsätzen manifestieren.<br />

2.2.2 Verb-Zweit-Stellungseffekte in Deklarativsätzen<br />

Im Kapitel 1 wurde bereits kurz gezeigt, dass – abgesehen vom Bündnerromanischen – in<br />

den modernen romanischen Sprachen die Möglichkeit zur Verb-Zweit-Stellung in Deklarativsätzen<br />

zwar existiert, sie allerdings von zahlreichen und einzelsprachlich sehr unterschiedlichen<br />

Faktoren abhängig ist.<br />

Im Französischen ist einer dieser Faktoren das Auftreten bestimmter Adverbiale, wie<br />

z.B. peut-être, aussi, à peine, ainsi oder bestimmter – meist präpositionaler – Komplemente<br />

in satzinitialer Position. Dabei ist zu beobachten, dass die Inversion im ersten Fall vorwiegend<br />

nur mit Subjektspronomen ('Subjektsklitik-Inversion'), im zweiten Fall ausschließlich<br />

mit einem – meist indefiniten – nominalen Subjekt ('Stilistische Inversion') möglich ist:<br />

(78) fr. (a) Peut-être craignait-elle pour sa voix.<br />

vielleicht fürchtete sie um ihre Stimme<br />

(Guimier 1997:44)<br />

(b) Aussi ne crut- il pas une seconde que Blanche avait éventé<br />

daher NEG glaubte er nicht eine Sekunde dass Blanche hatte gelüftet<br />

son secret.<br />

ihr Geheimnis<br />

(Guimier 1997:45)<br />

33 Die Inversion in Entscheidungsfragen hingegen ist der Studie von Ultan (1978:222) zufolge ein<br />

"rather uncommon interrogative device".


(79) fr. (a) Au bout de la table était assis un vieil homme.<br />

am Ende des Tisches war gesessen ein alter Mann<br />

(b) Dans la salle à manger brillent deux lampes à essence.<br />

in dem Esszimmer leuchten zwei Benzinlampen<br />

(Fournier 1997:118)<br />

In den meisten generativen Analysen zur Inversion im Französischen wird auf solche<br />

Strukturen nur sehr selten Bezug genommen und es finden sich nur wenige Angaben über<br />

die mögliche Struktur dieser Sätze. 34 Rizzi / Roberts (1989:9) nehmen an, dass die Wortstellung<br />

in diesen Sätzen – zumindest in Sätzen wie (78) – aus einer V-nach-COMP-Anhebung<br />

resultiert, die dadurch ausgelöst wird, dass die CP-Ebene durch "the presence of some<br />

appropriate element" aktiviert ist. Sie machen allerdings keinerlei Angaben über die spezifischen<br />

Eigenschaften eines solchen Elementes. In der Tat dürfte es sehr schwierig sein, die<br />

genauen Eigenschaften dieses Elementes zu bestimmen. Selbst wenn dies gelingen sollte,<br />

gibt es eine Reihe von Beobachtungen, die grundsätzlich dagegen sprechen, die Inversionsstrukturen<br />

in französischen Deklarativsätzen auf diese Weise, d.h. als das Resultat einer Vnach-COMP-Bewegung,<br />

zu erfassen.<br />

Ein Problem für eine solche Analyse besteht vor allem darin, dass die Inversion in diesen<br />

Konstruktionen nicht obligatorisch ist: 35<br />

(80) fr. (a) Peut-être vous serez content de savoir cela.<br />

vielleicht Sie sind zufrieden zu wissen das<br />

(Guimier 1997:57)<br />

(b) aussi je ne veux pas me battre au couteau avec toi.<br />

daher ich NEG will nicht mich schlagen mit-dem Messer mit dir<br />

(Guimier 1997:76)<br />

(81) fr. (a) Au bout de la table un vieil homme était assis.<br />

am Ende des Tisches ein alter Mann war gesessen<br />

(b) Dans la salle à manger deux lampes à essence brillent.<br />

im Esszimmer zwei Benzinlampen leuchten<br />

(Fournier 1997:118)<br />

Alle deskriptiven Untersuchungen von Sätzen wie (78)-(79) und (80)-(81) stimmen darin<br />

überein, dass die Subjekt-Verb-Inversion in den seltensten Fällen ausschließlich auf die<br />

34 Erst in jüngerer Zeit wird vereinzelt in generativen Arbeiten auch die Inversion in französischen<br />

Deklarativsätzen untersucht (Laenzlinger 1998, Dekkers 1997). Demgegenüber gibt es hierzu eine<br />

Vielzahl nicht generativer Studien. Bei den meisten dieser Untersuchungen handelt es sich um –<br />

teilweise sehr umfangreiche – deskriptive Arbeiten (Le Bidois 1952, Atkinson 1973, Buchmüller<br />

1975, Jonare 1976) oder um eher semantisch oder pragmatisch orientierte Analysen (Fournier<br />

1997, Guimier 1997, Hobæk Haff 2000).<br />

35 In den adverbial eingeleiteten Deklarativsätzen ist im Übrigen – ebenso wie bei den Interrogativsätzen<br />

– die Möglichkeit zur Komplexen Inversion gegeben, bei der ein präverbales Subjektsnomen<br />

zusammen mit einem postverbalen Subjektsklitikon erscheint:<br />

(i) fr. (a) Peut-être la vie existe-t- elle ailleurs?<br />

vielleicht das Leben existiert es anderswo<br />

(Guimier 1997:55)<br />

(b) Aussi, les camions allemands peuvent-ils charger sans souci leurs<br />

daher die Lastwagen deutsche können- sie laden unbesorgt ihre<br />

tonnes de brochets.<br />

Tonnen von Hechten<br />

(Guimier 1997:75)<br />

49


50<br />

Voranstellung des Adverbs oder Komplements zurückgeführt werden kann. Als stellvertretend<br />

für die meisten Analysen dieser Sätze können die Anmerkungen von Guimier<br />

(1997:44) zur Rolle des Adverbs für das Auslösen der Inversion von Subjektsklitikon und<br />

Verb gesehen werden:<br />

L'adverbe est dit conditionner la postposition du sujet clitique lorsque celle-ci est obligatoire si<br />

l'adverbe est en position initiale dans la phrase. Ce cas est peu représenté. La plupart des adverbes<br />

autorisent seulement la postposition du sujet clitique lorsqu'ils sont en position initiale, ce qui ne<br />

signifie pas que les deux constructions (avec postposition ou avec antéposition du sujet) sont utilisées<br />

dans les mêmes conditions.<br />

Die Subjekt-Verb-Stellung in Sätzen wie (78)-(79) und (80)-(81) unterliegt demnach einer<br />

Vielzahl von sehr unterschiedlichen und komplexen Bedingungen. Hierzu gehören neben<br />

morphologischen Faktoren, wie die Art des Subjekts oder dessen Länge, und semantischen<br />

Faktoren, wie die Bedeutung des Verbs oder dessen semantische Beziehung zum Subjekt,<br />

auch pragmatische Faktoren und Faktoren der Thema-Rhema-Struktur. Es besteht somit<br />

kein Zweifel, dass hier "une pluralité de facteurs" und "leur interaction" eine Rolle spielen<br />

und dass die Rolle der syntaktischen Faktoren eher untergeordneter Natur zu sein scheint<br />

(Fournier 1997:98). Mit anderen Worten, eine Analyse, die versucht, die Inversion in französischen<br />

Deklarativsätzen wie z.B. (78) und (79) auf das Vorhandensein eines "geeigneten<br />

Elements" in CP zurückzuführen, muss als inadäquat zurückgewiesen werden.<br />

Ein Blick auf andere romanische Sprachen macht deutlich, dass diese Feststellung offenbar<br />

auch für diese Sprachen Gültigkeit hat. Wie die Beispiele in (82)-(85) zeigen, ist beispielsweise<br />

auch im Spanischen und Portugiesischen die Subjekt-Verb-Inversion in Sätzen<br />

möglich, die durch ein Adverb oder ein (präpositionales) Komplement eingeleitet sind.<br />

Auch hier ist jedoch zu konstatieren, dass die Inversion nicht obligatorisch ist:<br />

(82) sp. (a) Temprano salía Julia de casa.<br />

früh ging Julia aus-dem Haus<br />

(b) Temprano, Julia salía de casa.<br />

früh Julia ging aus-dem Haus<br />

(Piera 1987:151)<br />

(83) sp. (a) Con poco dinero salía Julia de casa.<br />

Mit wenig Geld ging Julia aus-dem Haus<br />

(b) Con poco dinero, Julia salía de casa.<br />

Mit wenig Geld Julia ging aus-dem Haus<br />

(Piera 1987:151)<br />

(84) ipg. (a) Talvez tenha ele posto em prática o plano de ataque à<br />

vielleicht habe er ausgeführt den Plan des Angriffs auf-die<br />

fábrica de chocolates.<br />

Schokoladenfabrik<br />

(b) Talvez tenha posto ele em prática o plano de ataque à fábrica de chocolates.<br />

(c) Talvez ele tenha posto em prática o plano de ataque à fábrica de chocolates.<br />

(Ambar 1992:102)<br />

(85) ipg. (a) Nesse restaurante comem os meus amigos.<br />

in-diesem Restaurant essen die meine Freunde<br />

(b) Nesse restaurante, os meus amigos comeram.<br />

in-diesem Restaurant die meinen Freunde gegessen-haben<br />

(c) Nesse restaurante, os meus amigos comem muitas vezes.<br />

in-diesem Restaurant die meinen Freunde essen viele Male<br />

(Ambar 1992:78ff.)


Bemerkenswerterweise ist vielfach für diese beiden Sprachen vorgeschlagen worden, dass<br />

in diesen Konstruktionen die Sätze, in denen das Subjekt in invertierter Position erscheint,<br />

den unmarkierten Fall darstellen (z.B. Terker 1984). Piera (1987:151) und Ambar<br />

(1992:73-86) betonen, dass die präverbale Stellung des Subjekts in diesen Fällen häufig nur<br />

möglich ist, wenn zusätzliche Faktoren gegeben sind (cf. auch Duarte 1987, Costa<br />

1998:Kap.3, Zubizarreta 1999:239). Hierbei kann es sich, wie durch die Kommata angedeutet,<br />

entweder um eine Intonationspause, die Änderung des Tempus (cf. (85)(b)) oder um<br />

die Anfügung einer zusätzlichen Konstituente (cf. (85)(c)) handeln. Mit anderen Worten, es<br />

gibt in spanischen und portugiesischen Deklarativsätzen keine kategorische Anwendung der<br />

Subjekt-Verb-Inversion.<br />

Die gleiche Beobachtung lässt sich auch für das Italienische machen. Auch hier ist die<br />

postverbale Stellung des Subjekts nach einer satzinitial stehenden Präpositionalphrase zwar<br />

möglich, doch keineswegs obligatorisch:<br />

(86) it. (a) In questa stanza dorme Piero.<br />

in diesem Zimmer schläft Piero<br />

(b) In questa stanza Piero dorme.<br />

in diesem Zimmer Piero schläft<br />

(c) In questa stanza Piero dorme molto male.<br />

in diesem Zimmer Piero schläft sehr schlecht<br />

Es kann somit für alle hier betrachteten romanischen Sprachen konstatiert werden, dass in<br />

den Deklarativsätzen Verb-Zweit-Stellungseffekte vor allem dann auftreten, wenn ein Adverbial<br />

oder eine Präpositionalphrase satzinital stehen. Allerdings ist in keinem dieser<br />

Kontexte die Zweitstellung des finiten Verbs obligatorisch, sondern hängt entscheidend von<br />

prosodischen, semantischen oder pragmatischen Faktoren ab. Damit weisen diese Verb-<br />

Zweit-Sätze einen entscheidenden Unterschied zu den Inversionsstrukturen in einer Verb-<br />

Zweit-Sprache auf.<br />

Ein weiterer Unterschied, der schon bei den Interrogativsätzen zu beobachten war, besteht<br />

darin, dass im Falle einer Subjekt-Verb-Inversion dem finiten Verb auch mehr als eine<br />

Konstituente voranstehen kann. Dies belegen die beiden folgenden Beispiele aus dem Französischen<br />

und Spanischen:<br />

(87) fr. Le 22 décembre dernier, dans un hôpital de Nice, mourait<br />

am 22. Dezember vergangenen in einem Krankenhaus von Nizza starb<br />

plus discrètement qu' il n' a vécu André B., dit «Java», qui fut l' un<br />

unauffälliger als er NEG hat gelebt André B. genannt Java der war der eine<br />

des héros du Journal du voleur.<br />

von-den Helden des Journal du voleur<br />

(Fournier 1997:126)<br />

(88) sp. Todas las noches, con Juana sale Pedro de juerga.<br />

alle die Nächte mit Juana geht-aus Pedro zum Vergnügen<br />

(Zubizarreta 1999:245)<br />

Somit kann als Fazit dieser Betrachtungen festgehalten werden, dass massive empirische<br />

Evidenz dagegen spricht, die Inversionskonstruktionen in den Deklarativsätzen der romanischen<br />

Sprachen auf ähnliche Weise zu analysieren wie die in den germanischen Sprachen<br />

zu beobachtenden Verb-Zweit-Stellungseffekte. Trotz einiger oberflächlicher Ähnlichkeiten<br />

ist unverkennbar, dass es sich bei diesen Sätzen mit Subjekt-Verb-Inversion nur um scheinbare<br />

Verb-Zweit-Stellungseffekte handeln kann. Die Subjekt-Verb-Inversion ist weder<br />

obligatorisch noch auf solche Kontexte beschränkt, in denen lediglich eine Konstituente<br />

51


52<br />

dem Verb voransteht. Sie kann somit nicht als das Ergebnis einer Verb-nach-COMP-Bewegung<br />

analysiert werden, wie für Sprachen mit einer strengen Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

angenommen werden kann. Mit anderen Worten, in den Deklarativsätzen der romanischen<br />

Sprachen gibt es keine Evidenz für die Existenz 'residualer' Verb-Zweit-Konstruktionen,<br />

die auf eine ursprüngliche strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft zurückgeführt<br />

werden können.<br />

Diese Feststellung schließt natürlich nicht die Möglichkeit aus, dass die romanischen<br />

Sprachen ursprünglich Verb-Zweit-Sprachen gewesen sind. In den verbleibenden Kapiteln<br />

dieses Buches soll diese Möglichkeit ausführlich erörtert werden.


3. Verbstellungswandel in den romanischen Sprachen.<br />

Ein Forschungsüberblick<br />

3.1 Einleitung<br />

Eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für eine adäquate Beschäftigung mit einem<br />

wissenschaftlichen Gegenstand ist zweifelsohne eine fundierte Kenntnis der bisherigen<br />

diesbezüglichen Forschung. Erst auf dieser Grundlage ist es überhaupt möglich, in dem<br />

jeweiligen Forschungsgebiet neue Vorschläge und Denkanstöße zur Lösung bislang ungelöster<br />

Probleme zu unterbreiten. Vor einer Diskussion der in den vorangegangenen Kapiteln<br />

aufgeworfenen Fragen und einer Analyse der hier auszuwertenden empirischen Daten ist es<br />

daher unerlässlich, sich zunächst einen Überblick über die bisherige Forschungstätigkeit<br />

und den aktuellen Stand der Forschung über Wortstellungsphänomene der romanischen<br />

Sprachen, insbesondere über die Stellung des finiten Verbs und deren diachronischer Entwicklung,<br />

zu verschaffen.<br />

Die große Schwierigkeit besteht darin, dass es sich hierbei um ein sehr umfangreiches<br />

und für einen Einzelnen kaum zu bewältigendes Unterfangen handelt. Bereits 1957 konstatiert<br />

Ernst Gamillscheg zum Abschluss der Einleitung zu seiner umfangreichen Historischen<br />

Französischen Syntax, dass es – trotz einer "fünfzigjährigen liebevollen Beschäftigung<br />

mit der französischen Philologie" – "heute kaum mehr möglich [ist], daß ein einzelner<br />

alles das kennenlernt und verwertet, was im Laufe des letzten halben Jahrhunderts auf dem<br />

Gebiet der französischen Syntax geschrieben wurde" (Gamillscheg 1957:VIII). Diese Feststellung<br />

gilt fast fünfzig Jahre später freilich um so mehr. Bekanntlich erscheinen im gleichen<br />

Jahr der Veröffentlichung von Gamillschegs Syntax-Monographie Noam Chomskys<br />

Syntactic Structures (Chomsky 1957), die den Grundstein für die generative Syntaxtheorie<br />

legen und zu einem enormen Aufschwung in der Syntaxforschung führen. Ein weiterer<br />

neuer Impuls hierfür geht wenige Jahre später von Joseph H. Greenbergs Aufsatz über<br />

grammatische Universalien (Greenberg 1963) aus, der richtungsweisend für die sprachtypologische<br />

Forschung wird. Innerhalb beider Syntaxmodelle gilt schon früh den romanischen<br />

Sprachen ein besonderes Forschungsinteresse (Kayne 1975, Harris (ed.) 1976, 1978).<br />

Außerdem entwickelt sich auch bald ein verstärktes Interesse für historische Fragestellungen,<br />

das sich zunächst vor allem in den Arbeiten von Lightfoot (1979) sowie von Lehmann<br />

(1973) und Vennemann (1974) niederschlägt. Einen weiteren Anstoß erfährt die Sprachwandelforschung<br />

der romanischen Sprachen, wenn auch weniger im Bereich der Syntax, im<br />

Rahmen des Sprachwandelmodells von Eugenio Coseriu, dessen grundlegende Überlegungen<br />

ebenfalls im Jahr 1957 erstmals veröffentlicht werden (Coseriu 1958).<br />

Das Jahr 1957 markiert damit nicht nur einen Wendepunkt in der Forschung auf dem<br />

Gebiet der allgemeinen und theoretischen Syntax, sondern es leitet auch einen Neubeginn<br />

in der Untersuchung der modernen und historischen Syntax des Französischen und anderer<br />

romanischer Sprachen ein. Seither sind in diesem Bereich nicht nur innerhalb der eben genannten<br />

linguistischen Modelle, sondern auch im Rahmen anderer Ansätze und Fragestel-


54<br />

lungen zahlreiche theoretische und empirische Untersuchungen angefertigt worden. 1 Es<br />

kann nun nicht Ziel eines Forschungsüberblicks sein, diese Literatur möglichst exhaustiv zu<br />

erfassen und darzustellen. Eine solche Zusammenstellung wäre schon deshalb wenig sinnvoll,<br />

weil die Untersuchungen in verschiedene Syntax- und/oder Sprachwandel-Modelle<br />

mit sehr unterschiedlichen Zielsetzungen eingebettet und daher nur in sehr beschränktem<br />

Maße miteinander vergleichbar sind.<br />

Ein Forschungsüberblick muss demzufolge eine Auswahl treffen, und zwar dahingehend,<br />

dass einerseits alle grundlegenden Untersuchungen berücksichtigt und andererseits<br />

möglichst umfassend diejenige Literatur in Betracht gezogen wird, die in dem Grammatikmodell<br />

angefertigt ist, in dem die eigene Studie eingeordnet ist. Entsprechend dem theoretischen<br />

Rahmen dieser Arbeit liegt folglich ein Schwerpunkt des Forschungsüberblicks auf<br />

Arbeiten, die im generativen Grammatikmodell angesiedelt sind, d.h. in denen die Entwicklung<br />

der Verb-Stellung in den romanischen Sprachen als ein primär grammatisches<br />

Phänomen betrachtet wird. Andere moderne nicht generative Studien werden hier nur am<br />

Rande berücksichtigt. Es wird nur auf sie eingegangen, sofern in deren Mittelpunkt die<br />

Untersuchung der Position des finiten Verbs steht und dadurch ein essentieller Beitrag zur<br />

Frage der Verbstellungsentwicklung in den romanischen Sprachen geleistet wird. Wie wir<br />

sehen werden, spielt diese Frage in den meisten – aber keineswegs in allen – nicht generativen<br />

Arbeiten eine eher untergeordnete Rolle.<br />

Ein zweiter Schwerpunkt dieses Forschungsüberblicks liegt auf den romanistischen<br />

Wortstellungsuntersuchungen, die vor dem Beginn der modernen Syntaxforschung, also vor<br />

1957, entstanden sind. In der Auswertung und Aufarbeitung dieser Untersuchungen besteht<br />

ein großes Desiderat, da deren Ergebnisse sowohl in der neueren 'traditionellen' Romanistik<br />

als auch in der generativen historischen Syntaxforschung bislang weitgehend unberücksichtigt<br />

geblieben sind. Wie das folgende Zitat von Lightfoot (1988:305) aus einem Überblicksartikel<br />

über den Stand der historischen Syntaxforschung illustriert, herrscht vor allem<br />

unter den Generativisten die Auffassung vor, dass erst ab dem letzten Drittel des 20. Jhdts.<br />

begonnen wurde, sich mit historischer Syntax intensiver zu befassen:<br />

Certainly there was no tradition of work on syntactic change, and, despite isolated discussions, it<br />

was not until the 1970s that syntactic change became an area of communal work among linguistics.<br />

Zweifelsohne ist es in den 70er Jahren zu einer Neuentwicklung in der Erforschung des<br />

syntaktischen Wandels gekommen, die vor allem mit der Studie von Lightfoot (1979) verbunden<br />

ist. Diese Arbeit kann vor allem deshalb als eine Pionierarbeit auf dem Gebiet der<br />

historischen Syntax gelten, weil darin zum ersten Mal versucht wird, eine "fully-fledged<br />

theory of syntatic change" (Aitchison 1980:137) zu entwerfen, die in einer eigenständigen<br />

und gut entwickelten Syntaxtheorie eingebettet ist. Die Auffassung allerdings, dass die vorangehende<br />

Erforschung der historischen Syntax nur auf vereinzelte, isolierte Arbeiten beschränkt<br />

ist (cf. auch McMahon 1994:107, de Bakker 1997:11), ist vollkommen unzutreffend<br />

und zeugt von einer erstaunlichen Ignoranz hinsichtlich der Geschichte der eigenen<br />

1 Besonders zu erwähnen sind hier die zahlreichen soziolinguistisch bzw. sprachtypologisch orientierten<br />

Arbeiten. Cf. unter anderem die – nicht auf die Syntax beschränkten – umfangreichen diachronischen<br />

Untersuchungen von Marchello-Nizia (1995) und Posner (1997) für das Französische<br />

sowie Wright (1993) für das Spanische.


Disziplin. Vielmehr gibt es hier – nicht nur in der Romanistik – eine lange Tradition, die bis<br />

in das frühe Mittelalter zurückverfolgt werden kann (cf. Scaglione 1981:7-96, Martinez<br />

Moreno 1993:37-49, Harris / Campbell 1995:15-24). Einen entscheidenden Durchbruch<br />

erhält die historische Syntaxforschung im 19. Jhdt. mit der Entstehung der historischen<br />

<strong>Sprachwissenschaft</strong>, die auch nach der Hinwendung zur synchronen <strong>Sprachwissenschaft</strong> zu<br />

Beginn des 20. Jhdts. eine Fortsetzung findet. Trotz der – im Zusammenhang mit der Klitikforschung<br />

erfolgten – Wiederentdeckung der Arbeit von Wackernagel (1892) für die moderne<br />

Syntax (cf. Anderson 1993) und der damit verbundenen Erkenntnis, dass die Beschäftigung<br />

mit historischer Syntax ihren Anfang nicht erst in der zweiten Hälfte des 20.<br />

Jhdts. genommen hat, sind die meisten dieser Arbeiten in der modernen Syntaxforschung<br />

bislang weitgehend unberücksichtigt geblieben.<br />

Auf Grund dieses Tatbestandes wird im Folgenden zunächst ein Überblick über die romanistischen<br />

Wortstellungsuntersuchungen, die in der Zeit vor der modernen Syntaxforschung<br />

entstanden sind, gegeben. Dies geschieht nicht deshalb, um ein möglichst vollständiges<br />

Bild über diese Literatur zu liefern, sondern aus der Überzeugung heraus, dass eine<br />

Beschäftigung mit "at least some of that work", die Hock (1991:312) allen "students of<br />

diachronic syntax" unbedingt empfiehlt, fruchtbringend für die eigene Forschung ist und<br />

vermeiden helfen kann, "to spend much of their time on reinventing the wheel".<br />

Im Mittelpunkt des Forschungsüberblicks stehen die Untersuchungen zur Wortstellungsentwicklung<br />

im Französischen. Sie übertreffen in zahlenmäßiger Hinsicht bei Weitem die<br />

Anzahl der Studien zu anderen romanischen Sprachen. Dies liegt vermutlich daran, dass<br />

das Französische im Vergleich zu den anderen romanischen Sprachen die größten Veränderungen<br />

in diesem Bereich erfahren hat. Im Folgenden wird vorwiegend auf diejenigen Ergebnisse<br />

eingegangen, die die uns hier interessierende Stellung des finiten Verbs betreffen.<br />

Im Gegensatz zu generativen Untersuchungen wird in den meisten traditionellen Arbeiten<br />

i.d.R. hierauf nicht gesondert eingegangen. Außerdem wird nur die Verbstellung in Deklarativsätzen<br />

betrachtet, da – wie bereits dargelegt – das Charakteristische der strengen Verb-<br />

Zweit-Stellungseigenschaft deren Auftreten in dieser Art von Sätzen ist.<br />

3.2 Verbstellungswandel in den romanischen Sprachen:<br />

Gesamtromanische Studien<br />

Die ersten (umfangreichen) Beobachtungen zur Wortstellung in den romanischen Sprachen<br />

und deren Wandel macht Friedrich Diez in seiner zwischen 1836 und 1843 erstmals erschienenen<br />

'Grammatik der romanischen Sprachen'. Darin beschreibt er verschiedene Wortstellungsmuster<br />

in den sechs von ihm als 'romanisch' klassifizierten Sprachen 2 und die diesbezüglichen<br />

sprachgeschichtlichen Veränderungen (Diez 1882:1092-1114). Dabei stellt er<br />

2 Cf. Diez (1882:1): "Sechs romanische Sprachen ziehen von Seiten grammatischer Eigenthümlichkeit<br />

oder litterärischer Bedeutung unsre Aufmerksamkeit auf sich: zwei östliche, die italienische<br />

und walachische; zwei südwestliche, die spanische und portugiesische; zwei nordwestliche, die<br />

provenzalische und französische."<br />

55


56<br />

zunächst fest, dass die romanischen Sprachen im Vergleich zum Lateinischen eine geringere<br />

Wortstellungsfreiheit aufweisen, was er auf den Verlust der Kasusflexion zurückführt.<br />

Diez (1882:1092) betont jedoch gleichzeitig, dass "sie der Inversion immer noch in ziemlich<br />

hohem Grade mächtig [sind], in höherm gewiss als die neuern germanischen Sprachen".<br />

Er konstatiert eine "mehr oder minder streng vorgeschriebene Umstellung des<br />

Subjects, vermöge welcher es, sofern andre Satztheile vorangehen, seinen Platz nach dem<br />

Verbum einnimmt" (Diez 1882:1104). Seinen Beobachtungen zufolge tritt diese Umstellung<br />

in "Zwischensätzen" auf und in Matrixsätzen, die durch "andre Glieder" als das Subjekt<br />

eingeleitet werden. Im letzteren Fall "gebietet" seiner Ansicht nach zwar "keine Regel<br />

wie im Deutschen, aber eine Neigung zu der bemerkten Wortstellung lässt sich in einigen<br />

Sprachen nicht verkennen, zumal wenn der Satz mit einem Adv. anhebt" (Diez<br />

1882:1104f.). Den Grund für die Umstellung sieht Diez (1882:1105) in der Tendenz zur<br />

'logischen' Anordnung der Satzglieder:<br />

Es ist hier die vorherrschende Wortstellung, die eigentlich auf einer Umdrehung des Satzes beruht:<br />

denn wird ein vom Verbum abhängiger Satztheil vorangeschickt, so steht das Subj., um den logischen<br />

Zusammenhang jenes Satztheiles mit dem Verbum nicht zu stören, schicklicher Weise dem<br />

letzteren nach: aus [pr.] ieu sai ara wird ara sai ieu.<br />

Diez weist darauf hin, dass das Französische diesbezüglich einen Wandel erfahren hat, da<br />

die Umstellung des Subjekts im Neufranzösischen nur noch dann eintritt, wenn der Satz<br />

durch bestimmte Adverbien oder Adverbialkonstruktionen eingeleitet wird. Demgegenüber<br />

zeigt er an Hand von zahlreichen Belegen, dass im modernen Provenzalischen, Spanischen<br />

und im Italienischen diese Einschränkung nicht im gleichen Maße gilt. Gleichzeitig findet<br />

er aber auch derart viele Belege für die Nicht-Umstellung in diesem Kontext, dass er<br />

schließlich zu dem Schluss gelangt, "dass ein Gefühl für dieselbe, durch welches die pr.<br />

Sprache sich mit der deutschen näher befreundet, nicht angenommen werden dürfte" (Diez<br />

1882:1106).<br />

Abgesehen von dieser Pionierarbeit von Diez gibt es nur sehr wenige Untersuchungen<br />

der gesamtromanischen Syntax bzw. Wortstellung. Besonders zu erwähnen sind aus der<br />

Zeit der vorstrukturalistischen Romanistik die Arbeiten von Meyer-Lübke (1899) und<br />

Richter (1903). Als markantesten Unterschied aller romanischer Sprachen zum Lateinischen<br />

lässt sich nach Meyer-Lübke (1899:804) die "Neigung beobachten, das Verbum vom<br />

Satzende weg und in das Innere des Satzes zu ziehen, ihm die zweite Stelle zu geben". Am<br />

meisten ausgeprägt ist diese Neigung im Altfranzösischen und im Provenzalischen sowie<br />

im Rätoromanischen, bei dem "sich starker deutscher Einfluss namentlich darin geltend<br />

macht, dass das Subjekt unter all den Bedingungen dem Verbum folgen kann, in denen dies<br />

im Deutschen der Fall ist" (Meyer-Lübke 1899:805). In den anderen romanischen Sprachen<br />

findet Meyer-Lübke (1899:803) allerdings nicht "[s]o wohlthuend regelmässige Verhältnisse".<br />

So existiert im Alt- und auch Neuspanischen seiner Ansicht nach eine große Wortstellungsfreiheit,<br />

die "es fast unmöglich macht, allgemeinere Regeln aufzustellen" (Meyer-<br />

Lübke 1899:805). Als einzige Wortstellungsregel, die gemeinromanisch Gültigkeit hat,<br />

konstatiert Meyer-Lübke (1899:804) "die Inversion bei eingeschobenem Verbum des Sagens".<br />

Ebenso wie Diez beobachtet Meyer-Lübke den deutlichsten innerromanischen Wandel<br />

im Französischen. Dort geht die Regelhaftigkeit der Verb-Zweit-Stellung verloren, weil


sie nach Meyer-Lübke (1899:797) durch eine zweite Regel "gekreuzt [wird], wonach in der<br />

Aussage unter allen Umständen das Subjekt dem Verbum voranzugehen hat".<br />

In Richters Untersuchung geht es weniger um die Entwicklung innerhalb der romanischen<br />

Sprachen als primär – wie der Titel sagt – um die Entwicklung der Wortstellung der<br />

romanischen Sprachen aus dem Lateinischen. Richter (1903:1) weist zunächst darauf hin,<br />

dass bei einem Vergleich der romanischen Wortstellung mit der des klassischen Lateins<br />

"als Hauptunterschied ihre grössere Einfachheit, ihre übersichtlichere Anordnung der<br />

logisch zusammengehörigen Teile" auffällt. Ihre zentrale Beobachtung und These, die sie<br />

an Hand umfangreichen Beispielmaterials belegt, ist allerdings die, dass bereits innerhalb<br />

des frühesten Lateins die 'einfachere' romanische Wortstellung existierte:<br />

Gehen wir aber den Belegen für R[omanische] W[ortstellung] in ihrer ganzen Ausdehnung nach,<br />

so zeigt es sich, dass sie sich nicht erst in Texten findet, die in romanischer Zeit geschrieben, bereits<br />

den Wiederschein des Romanischen geben, auch nicht erst in solchen, die das Lateinische im<br />

Stadium der Auflösung zeigen, sondern in Texten, die ein lautlich und formell tadelloses Latein<br />

aufweisen, und die daher geeignet sind, den Beweis zu geben, dass die R[omanische] W[ortstellung]<br />

sich tief aus der L[ateinischen] heraus entwickelt hat. (Richter 1903:3)<br />

Richter (1903:12) unterscheidet vier lateinische Wortstellungstypen, die sich "bis in die Gegenwart<br />

oder wenigstens bis an den Beginn der neusprachlichen Periode" erhalten haben:<br />

Adverb – Verb, Objekt – Verb, Prädikat – Verb und Verbum infinitum – Verbum finitum.<br />

Die in den romanischen Sprachen zu beobachtende Inversion von Subjekt und Verb, auf die<br />

Richter (1903:134-157) in einem gesonderten Kapitel eingeht, kann nach Richter<br />

(1903:150) nicht auf das Lateinische zurückgeführt werden, da dort "das Verb immer am<br />

Ende steht, die anderen Glieder mögen beliebig geordnet sein, je nach der Betonung, die sie<br />

haben sollen". Erst die allmähliche Verschiebung der Position des Verbs von der Endstellung<br />

zur Satzmitte hin, die nach Ansicht von Richter (1903:45) auf einem "inneren –<br />

psychologischen – Gesetz" beruht, und die damit verbundene "Auffassung Subjekt-<br />

Verb-Übriges, ermöglicht eine Inversion im romanischen Sinne, und sie erklärt sich wohl<br />

am einfachsten aus der Umkehrung des ganzen Satzes [...]" (Richter 1903:150):<br />

[...] wenn eines der Satzglieder von seinem gewöhnlichen Platze genommen wird, so ist die Reihenfolge<br />

der übrigen auch gestört; die erste Verschiebung zieht noch andere nach sich: Wird das<br />

Subjekt aus irgend einem rhetorischen oder psychologischen Grunde von der ersten Satzstelle gerückt,<br />

so kann es nicht mehr vor dem Verb stehen, wenn das nun den Satz eröffnende Wort – Adverb,<br />

Objekt oder Prädikat – mit dem Verb begrifflich zu eng verbunden ist, als dass es vom Verb<br />

getrennt werden könnte. Folglich rückt das Subjekt in so einem Falle an die Stelle nach dem<br />

Verb. (Richter 1903:140)<br />

Die meisten anderen traditionellen romanistischen Wortstellungsuntersuchungen widmen<br />

sich ausschließlich einer Einzelsprache, und zwar vorwiegend dem Französischen. Allenfalls<br />

werden Vergleiche zwischen zwei romanischen Sprachen angestellt (Crabb 1955).<br />

Auch in der modernen, generativen Sprachwandelforschung wird die Wortstellung romanischer<br />

Sprachen vorwiegend unter einzelsprachlichen Aspekten untersucht, wobei auch hier<br />

die Untersuchung des Französischen deutlich im Vordergrund steht. Eine Ausnahme bilden<br />

vor allem die Arbeiten aus der Schule um Lorenzo Renzi, in denen das Italienische und<br />

auch das Gesamtromanische im Mittelpunkt stehen (cf. Vanelli / Renzi / Benincà 1985,<br />

Benincà 1994 oder Salvi 1993, 2001).<br />

57


58<br />

3.3 Verbstellungswandel im Französischen<br />

3.3.1 Deskriptive Ergebnisse<br />

Wie bereits erwähnt, liegt zur Wortstellung des Französischen eine sehr große Anzahl von<br />

Spezialuntersuchungen vor. Bei den meisten Arbeiten, die vor 1957 entstanden sind, handelt<br />

es sich um Dissertationen, in denen vorwiegend synchronisch ein oder mehrere Werke<br />

eines oder mehrerer Autoren oder einer bestimmten Epoche untersucht werden. Dabei lassen<br />

sich, wie die nebenstehende Tabelle (1) veranschaulicht, drei große Zeiträume unterscheiden,<br />

in denen diese Wortstellungsuntersuchungen entstanden sind. 3 Die Tabelle macht<br />

deutlich, dass das letzte Viertel des 19. Jhdts. und der Anfang des 20. Jhdts. in quantitativer<br />

Hinsicht die produktivste Zeit für die Erforschung der Wortstellung im Französischen gewesen<br />

ist. Allerdings sind die meisten Studien aus dieser Zeit für eine heutige Untersuchung<br />

der französischen Wortstellung nur von begrenztem Wert. Bereits Schulze<br />

(1888:158) konstatiert völlig zu Recht, dass es "nun freilich irrig [wäre], zu meinen, dass<br />

das Gebiet der französischen Wortstellung ebenso erfolgreich als häufig untersucht worden<br />

sei":<br />

Die Nachfolger Morfs [(1878)] begnügen sich zum allergrössten Teil damit, die vor ihnen gewonnenen<br />

Resultate mit grösserer oder geringerer Genauigkeit zusammenzustellen und denselben nach<br />

dem Morfschen Schema einige weitere aus einem neuen Denkmal hinzuzufügen. Die Spur einer<br />

kritischen Betrachtung des von den Vorgängern Ermittelten findet sich kaum jemals [...].<br />

Viele dieser Arbeiten enthalten lediglich umfangreiche, oftmals nur sehr knapp kommentierte<br />

Auflistungen von Beispielen für bestimmte Wortstellungsmuster, die mit Beispielsätzen<br />

ergänzt werden, in denen von diesen Mustern abgewichen wird. Die Kriterien zur Klassifizierung<br />

der Beispiele sind nicht einheitlich und sehr häufig nicht explizit formuliert.<br />

Statistische Angaben sind, sofern sie vorhanden sind, kaum brauchbar, da meist unklar ist,<br />

auf welcher Grundlage die gemachten Angaben beruhen. In den meist sehr kurz gehaltenen<br />

Einleitungen wird i.d.R. das untersuchte Textmaterial lediglich knapp vorgestellt und die<br />

verwendete Literatur aufgeführt. Zusammenfassungen der Ergebnisse oder Schlussbemerkungen<br />

fehlen meist völlig oder sind nur sehr knapp. Oft gibt es nicht einmal ein Inhaltsverzeichnis,<br />

so dass es schwer ist, sich einen Überblick über die Analysen und Ergebnisse<br />

3 Diese Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll lediglich als Überblick dienen<br />

und die lange romanistische Tradition der Wortstellungsdebatte dokumentieren. Sie enthält alle<br />

mir bekannten synchronen Untersuchungen zur Wortstellung einzelner oder mehrerer französischer<br />

Werke aus dem angegebenen Zeitraum, d.h. Abhandlungen, in denen die Entwicklung der<br />

französischen Wortstellung über mehrere Epochen hinweg untersucht wird, sind nicht enthalten.<br />

Auf diese Arbeiten wird im Folgenden gesondert eingegangen. Die zahlreichen 'syntaktischen Studien'<br />

oder Abhandlungen zur 'Syntax des Verbums', die insbesondere im 19. Jhdt. angefertigt worden<br />

sind, sind nur dann aufgeführt, wenn sie – was eher selten ist – einen gesonderten Abschnitt<br />

oder Anhang zur Stellung von Satzgliedern enthalten (z.B. Zimmermann 1915:72-76). In aller Regel<br />

behandeln diese Studien nur Phänomene wie Partizipialkongruenz oder Tempora- und Modigebrauch,<br />

d.h. sie beziehen sich auf syntaktische Phänomene "mit Ausschluss der Wortstellung"<br />

(Eder 1889:5).


Entstehungs-/<br />

Lebenszeit<br />

Untersuchte(r) Text(e)<br />

Untersuchungen<br />

(Autor, Titel) 1875-1920 1935-1950 1950-1957<br />

Frühes Altfranzösisch (842-1100)<br />

842 Les Serments de Strasbourg Völcker 1882<br />

um 881 Cantilène de Sainte Eulalie Völcker 1882<br />

um 920 Fragment de Valenciennes Völcker 1882 Herman 1954<br />

975-1000 La Passion du Christ Völcker 1882<br />

975-1000 Vie de Saint Léger Völcker 1882<br />

um 1050 La vie de Saint Alexis Völcker 1882<br />

um 1070 Chanson de Roland Morf 1878, Völcker 1882<br />

um 1080 Chanson de Guillelme Schad 1911<br />

1100-1130 Le Livre des Psaumes Herman 1954<br />

Spätes Altfranzösisch (1100-1300)<br />

um 1120 Chanson de Rainoart Schad 1911<br />

um 1140 S. de Nantuil, Salomon. Sprüche Hilgers 1910<br />

1150-1200 Chrétien de Troyes Le Coultre 1875<br />

1170 Li Quatre livre des Reis Bartels 1886 Haarhoff 1936 Herman 1954,<br />

Crabb 1955<br />

1200-1220 Aucassin et Nicolete Schlickum 1882, Thurneysen<br />

1892<br />

13. Jhdt. G. de Villehardouin (u. andere<br />

Autoren)<br />

Krüger 1876, Haase 1884 Siepmann<br />

1937<br />

Mittelfranzösisch (1300-1500)<br />

1304-1309 J. Joinville, L'histoire de S t Louis Marx 1881, Haase 1884 Crabb 1955<br />

1337-1400 Jean Froissart Ebering 1881<br />

1375-1400 J. d'Outremeuse, Ly Myreur... Nissen 1943<br />

1375-1400 Berinus Lewinsky 1949<br />

1460-1462 Cent Nouvelles Nouvelles Dill 1935 Crabb 1955<br />

1385-1430 Alain Chartier Höpfner 1883<br />

1363-1429 Jean Charlier de Gerson Höpfner 1883<br />

Frühes Neufranzösisch (16. Jhdt.)<br />

1490-1553 François Rablais Orlopp 1888, Huguet<br />

1894<br />

1509-1564 Jean Calvin Grosse 1888<br />

1510-1589 Bernard Palissy Zimmermann 1915<br />

1524-1585 Pierre de Ronsard Schönfelder 1906<br />

1533-1592 Michel de Montaigne Blasberg 1937<br />

Klassisches und modernes Neufranzösisch (17.-20. Jhdt.)<br />

1621-1695 Jean de Lafontaine Wespy 1884<br />

1850-1893 Guy de Maupassant Pietrkowski 1913<br />

19. Jhdt. verschiedene Werke Rabe 1910<br />

1900-1950 Marcel Proust u. andere Autoren Le Bidois 1952<br />

1928 A. Maurois, Voyage au pays des<br />

Articoles<br />

Kellenberger<br />

1932<br />

Tabelle (1): Zusammenstellung synchroner Einzeluntersuchungen zur französischen Wortstellung<br />

aus der Zeit von 1875-1957<br />

59


60<br />

dieser Arbeiten zu verschaffen. Es ist daher kaum verwunderlich, dass die wissenschaftliche<br />

Wirkung dieser Arbeiten als sehr gering einzustufen ist:<br />

Wir glauben, daß die Wirkungslosigkeit der älteren Arbeiten auf die Entwicklung der Wissenschaft<br />

daran liegt, daß sie durch die gleichwertende Zusammenstellung wichtiger und unwichtiger<br />

Fälle das Typische nicht erkennen konnten; damit vermochten sie auch keine bestimmten Stellungsregeln<br />

der alten Sprache [...] und erst recht kein einheitliches Stilgesetz zu ermitteln. (Siepmann<br />

1937:2)<br />

Von etwas größerem Wert sind diejenigen Arbeiten, in denen versucht wird, die Wortstellung<br />

einer oder mehrerer Epochen oder die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen zusammen-<br />

und gegenüberzustellen (Krüger 1876, Völcker 1882, Wespy 1884, Philippsthal 1886,<br />

Koopmann 1910, Rabe 1910, Foulet 1928:Kap.IV, Koch 1934, Le Bidois 1952). Obwohl<br />

einige dieser Arbeiten das explizite Ziel verfolgen, einen "Überblick über die Wandlungen<br />

zu geben, denen die Wortstellung im Laufe der Entwicklung der französischen Sprache<br />

unterworfen war" (Koch 1934:1), erweist es sich allerdings als sehr schwierig, deren Ergebnisse<br />

zusammenzufassen. Denn auch diese Arbeiten enthalten größtenteils lediglich<br />

umfangreiche Beleglisten und sehr viele Detailangaben. Hinzu kommt, dass die Präsentation<br />

der Belege nach unterschiedlichen Kriterien erfolgt. Während Krüger (1876) sich bei<br />

der Anordnung der Belege an Diez (1882:1092ff.) orientiert, übernehmen Völcker (1882),<br />

Wespy (1884) und Koopmann (1910) weitgehend die Gliederung von Morf (1878).<br />

Philippsthal (1886), Rabe (1910), Koch (1934) und Le Bidois (1952) wiederum klassifizieren<br />

ihre Beispiele nach teilweise vollkommen anderen Einteilungskriterien. Nur wenige<br />

Arbeiten unterscheiden bei der Gliederung der Beispiele streng danach, ob das Subjekt<br />

nominal oder pronominal ist (Rabe 1910, Koch 1934), meist wird nur in Einzelfällen auf<br />

diesen Unterschied hingewiesen. Ebenfalls uneinheitlich ist die Handhabung bei der Berücksichtigung<br />

der unterschiedlichen Textsorten. Koopmann (1910) beispielsweise macht<br />

keinerlei Unterscheidung zwischen poetischen und prosaischen Texten. Wespy (1884)<br />

trennt nur bei seiner Auswertung der Texte von Lafontaine streng zwischen Prosa und Poesie,<br />

macht aber bei den Texten, die er zum Vergleich heranzieht, diese Trennung nicht.<br />

(Völcker 1882) muss auf diese Trennung ganz verzichten, da es sich bei den von ihm untersuchten<br />

Texten des frühen Altfranzösischen fast ausschließlich um poetische Texte handelt.<br />

Gleichwohl macht er die – nicht immer unproblematische – Unterscheidung zwischen metrisch<br />

freien und metrisch unfreien Beispielen, wobei er die letzteren "häufig unberücksichtigt"<br />

lässt (Völcker 1882:2; auch Wespy 1884:154). Er begründet dies damit, dass "eine<br />

durch metrischen Zwang veranlasste Wortstellung eben häufig eine dem Geiste und der natürlichen<br />

Tendenz der Sprache nicht entsprechende ist" (Völcker 1882:2). In Anlehnung an<br />

Tobler (1879:144) vermutet Völcker (1882:3) allerdings, dass eine solche durch die Metrik<br />

hervorgerufene Abweichung von der üblichen Wortstellung "durch die nothwendige Rücksicht<br />

auf die Verständlichkeit beschränkt war" und daher die Ausnahme bildete. Er folgert<br />

daher, dass eine mehrfach an metrisch unfreien Stellen gefundene "auffällige Wortstellung"<br />

in der Auswertung zu berücksichtigen ist (Völcker 1882:3).<br />

Es dürfte klar sein, dass diese unterschiedlichen Behandlungsweisen der Daten den Versuch,<br />

die Ergebnisse dieser Arbeiten zu einem einheitlichen Bild zusammenzufassen, sehr<br />

erschweren. Eine weitere Schwierigkeit entsteht dadurch, dass der Vergleich der vielen<br />

Detailangaben immer wieder Widersprüche offenbart, die oft erst nach langwieriger Recherche<br />

geklärt werden können. So schreibt beispielsweise Koopmann (1910:33), dass<br />

"aussi [...] bei Lafontaine meist die gerade Folge nach sich [hat]". Diese Feststellung gilt


aber nur für Fälle mit nominalem Subjekt in poetischen Texten, was von Koopmann nicht<br />

explizit erwähnt wird. Dies kann nur indirekt aus den angeführten Beispielsätzen oder aus<br />

der Tatsache geschlossen werden, dass Koopmann (1910:35) später Beispiele aus der Prosa<br />

Lafontaines aufführt, in der nach aussi das pronominale Subjekt invertiert erscheint. Bei<br />

Wespy (1884:170f.) hingegen wird der Unterschied klar, da dort bei den Daten Lafontaines<br />

explizit zwischen Prosa und Lyrik sowie hinsichtlich der Inversion mit nominalem und<br />

pronominalem Subjekt unterschieden wird.<br />

Andererseits sind aber auch Wespys Ausführungen über die Wortstellung bei Lafontaine<br />

nicht ohne weiteres zu verstehen. So ist es zunächst sehr verwirrend, dass Wespy<br />

(1884:160) bei der Diskussion von Sätzen mit 'echten' oder 'unechten unpersönlichen' Verben,<br />

in denen das 'neutrale' il ausgelassen wird, solche Sätze – trotz der Auslassung des<br />

Subjekts – als Beleg für eine Subjekt-Verb-Inversion anführt:<br />

(1) nfr. (a) Faut que tels cas aux gens surviennent<br />

(es) ist-nötig dass solche Fälle den Leuten geschehen<br />

(Wespy 1884:160)<br />

(b) Avint qu' un jour,<br />

(es) geschah dass eines Tages<br />

en un bourg arrêté,<br />

in einem Marktflecken festgehalten<br />

Il vit passer une dame jolie,<br />

er sah vorübergehen eine Dame schöne<br />

(Wespy 1884:160)<br />

Diese Klassifizierung der Beispiele in (1) wird nur dann verständlich, wenn man weiß, dass<br />

Wespy den eingebetteten Nebensatz als das 'logische Subjekt' des Satzes ansieht. Diese<br />

Behandlung von unpersönlichen Konstruktionen ist aber keineswegs unüblich. Dies zeigt<br />

die Tatsache, dass auch in anderen Arbeiten, wie etwa bei Koopmann (1910:15), solche<br />

Sätze als Beleg für eine Subjekt-Verb-Inversion angeführt werden: 4<br />

(2) afr. Acordé fu que le roy descenderoit à terre<br />

vereinbart wurde dass der König hinabsteigen-würde auf-(die) Erde<br />

(joi S.47,21-22) (Koopmann 1910:15)<br />

Bemerkenswert – und verwirrend – ist an diesem Beispiel Koopmanns außerdem, dass es<br />

als Beleg für eine Inversion in einem uneingeleiteten Matrixsatz dient. Das heißt, das dem<br />

finiten Verb voranstehende Partizip wird nicht als satzeinleitende Konstituente gewertet.<br />

Auch diese Verfahrensweise scheint durchaus üblich zu sein (cf. auch Rabe 1910:53). Sie<br />

wird allerdings – ebensowenig wie die Klassifizierung der Beispiele in (1) – an keiner<br />

Stelle explizit dargestellt.<br />

Diese Beispiele illustrieren deutlich, dass die in diesen Arbeiten gemachten Angaben mit<br />

großer Sorgfalt und Vorsicht betrachtet werden müssen. Sie verdeutlichen außerdem einmal<br />

mehr, dass die unter dem Begriff '(Subjekt-Verb)-Inversion' klassifizierten Daten sehr unterschiedlicher<br />

Art sind und nicht ohne genauere Überpüfung mit der hier untersuchten<br />

4 Auch in modernen syntaktischen Untersuchungen ist diese Klassifikation des Nebensatzes unpersönlicher<br />

Konstruktionen als Subjekt anzutreffen. Cf. z.B. Stein (1997:39):<br />

"Bei unpersönlichen Konstruktionen wie il arrive que... usw. gilt das unpersönliche Pronomen<br />

ebenso als Subjekt wie der que-Satz; entsprechendes gilt für die Sprachen, in denen das Subjektpronomen<br />

unausgedrückt bleibt. Der que-Satz wird als Subjekt(neben)satz interpretiert."<br />

61


62<br />

Zweit-Stellung des finiten Verbs gleichgesetzt werden können. Wichtig ist auch, dass<br />

'Nicht-Inversion' nicht notwendigerweise bedeutet, dass Verb-Zweit-Stellung vorliegt. Dies<br />

wird an folgendem Beispiel deutlich, das von Koopmann (1910:9) als Beleg für einen Satz<br />

mit 'gerader' Stellung angeführt wird (cf. auch Völcker 1882:9):<br />

(3) afr. Il cio li dist et adunat<br />

er das ihm sagte und mitteilte<br />

(leo 16a) (Koopmann 1910:9)<br />

Mit 'gerader' Wortstellung ist daher nur gemeint, dass das Subjekt vor dem finiten Verb<br />

steht, unabhängig davon, ob weitere Konstituenten dazwischen stehen.<br />

Angesichts einer derart unpräzisen und "idiosyncratic classification of many of the examples"<br />

(Clifford 1973:9) ist es äußerst schwierig, die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen<br />

miteinander zu vergleichen und diejenigen Ergebnisse herauszuarbeiten, die für<br />

eine generative Studie der Verb-Zweit-Stellung im Französischen relevant sind. Dennoch<br />

scheint mir ein solches Unterfangen durchaus lohnend, weil bislang nur wenige umfangreichere<br />

empirische Untersuchungen zur französischen Verbstellungsentwicklung im Rahmen<br />

des generativen Grammatikmodells vorliegen. In den meisten generativen Studien hierzu<br />

wird ohne weitere Diskussion davon ausgegangen, dass das Altfranzösische eine Verb-<br />

Zweit-Sprache gewesen ist. Häufig beruft man sich hierbei, wie beispielsweise Roberts<br />

(1993:94), auf einige wenige Arbeiten der traditionellen Romanistik:<br />

It is a well-known fact that O[ld]F[rench] was a V2 language (Thurneysen 1892, Foulet [1928],<br />

von Wartburg 1934, Price 1971, Vanelli et al. [1985], Benincà [1983/84], [...] Adams 1987a,b).<br />

Eine eingehendere Auseinandersetzung mit den zitierten traditionellen Studien findet in<br />

keiner der generativen Arbeiten statt. 5 In aller Regel beschränkt sich die Begründung für<br />

die Annahme, wonach das Altfranzösische durch eine strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

gekennzeichnet war, auf die Beobachtung, dass Sätze mit einer Verb-Zweit-Stellung<br />

im Altfranzösischen "certainly ubiquitous" waren (Roberts 1993:94). Zur Untermauerung<br />

dieser Beobachtung werden meist einige altfranzösische Verb-Zweit-Sätze angeführt, in<br />

denen die Erstposition durch eine beliebige Konstituente mit unterschiedlicher grammatischer<br />

Funktion besetzt ist. Roberts (1993:95) beispielsweise illustriert dies an Hand eines<br />

Textstücks aus Le Charroi de Nimes, einer Chanson de geste aus der ersten Hälfte des 12.<br />

Jhdts.:<br />

(4) afr. Muetes de chiens font avec els mener.<br />

Hundemeuten (sie)-ließen mit ihnen führen<br />

Par Petit Pont sont en Paris entré.<br />

über Petit Pont (sie)-sind in Paris eingetreten.<br />

Li cuens Guillelmes fu molt gentix et ber:<br />

der Graf Guillelme war sehr tapfer und gut<br />

5 Symptomatisch hierfür ist beispielsweise die Tatsache, dass es sich bei dem obigen Zitat von<br />

Roberts (1993) um die einzige Stelle in dessen Buch handelt, in der der für die Verb-Zweit-Diskussion<br />

des Altfranzösischen zentrale Aufsatz von Thurneysen (1892) Erwähnung findet. Die für<br />

diese Diskussion ebenfalls bahnbrechende Arbeit von Herman (1954) wird bei Roberts überhaupt<br />

nicht zitiert.


Sa venoison fist a l' ostel porter<br />

sein Wildbret (er)-ließ zu dem Hotel tragen<br />

en mi sa voie a Bertran encontré.<br />

inmitten seines Weges (er)-hat Bertran getroffen<br />

(cha 27-31) (Roberts 1993:95)<br />

Bemerkenswert ist an diesem Textbeispiel, dass alle diejenigen Sätze, in denen ein Nicht-<br />

Subjekt satzinitial steht, kein Subjekt enthalten. Die Beispiele belegen damit zwar den bereits<br />

von Foulet (1928:313) beobachteten "point fondamental de la syntaxe du vieux<br />

français", wonach Null-Subjekte "extremely common in matrix V2 clauses" sind (Roberts<br />

1993:95), sie liefern aber keinen empirischen Beleg für die Existenz der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

im Altfranzösischen. Das finite Verb erscheint in diesen Sätzen zwar<br />

oberflächlich in der zweiten Position, die Annahme, dass es sich hierbei um die Position<br />

vor dem leeren Subjekt, und zwar um die durch die Verb-Zweit-Stellungsregel geforderte<br />

COMP-Position, handelt, basiert allein auf der theoretischen Annahme, wonach sich das<br />

leere Subjekt in einer postverbalen Position, also in der SpezIP- oder SpezAgrP-Position,<br />

befindet. Allerdings sind die Argumente, die für eine solche Annahme sprechen könnten,<br />

nicht sehr überzeugend, wie bereits Clifford (1973:8) in ihrer Betrachtung früherer Arbeiten<br />

beobachtet:<br />

Not infrequently non-expression of the subject in Old French is equated with inversion, and the arguments<br />

put forward to support the contention that if the subject were present it would be inverted,<br />

are generally unconvincing.<br />

Dieses Beispiel zeigt, dass die Analysen, die als Erklärung für die Verbstellungsentwicklung<br />

im Französischen geliefert werden, häufig nicht ausreichend durch die empirischen<br />

Daten gestützt sind. Aus diesem Grund ist eine gründliche Betrachtung dieser Daten und<br />

eine Auseinandersetzung mit denjenigen Arbeiten, die vorwiegend empirisch ausgerichtet<br />

sind, eine notwendige Voraussetzung für eine adäquate Analyse dieser Entwicklung.<br />

3.3.1.1 Die Verbstellung in Matrixsätzen<br />

Eines der übereinstimmenden Ergebnisse, das allen hier ausgewerteten Studien entnommen<br />

werden kann, betrifft die Tatsache, dass in deklarativen Matrixsätzen, die ein Verbum<br />

dicendi enthalten und entweder zwischen einer direkten Rede eingefügt sind oder ihr nachstehen,<br />

gesondert betrachtet werden müssen. Für diesen Fall der so genannten "Zwischensätze"<br />

(Diez 1882:1104) (fr. incises) liefern die Studien für alle Epochen fast ausnahmslos<br />

Belege für das Auftreten der Subjekt-Verb-Inversion, und zwar unabhängig davon, ob das<br />

Subjekt nominal oder pronominal ist: 6<br />

6 Die einzige Ausnahme aus dem Altfranzösischen wird von Völcker (1882:8) angeführt. Er vermutet,<br />

dass die präverbale Stellung des Subjekts hier auf das Metrum zurückzuführen ist:<br />

63


64<br />

(5) afr. (a) Tu eps l' as deit, respon ihs<br />

du selbst es hast gesagt antwortet Jesus<br />

(pas 46a) (Völcker 1882:8)<br />

(b) “C(h)ambre”, dist ele, “ja mais n' estras parede, [...]”<br />

Zimmer sagte sie niemals NEG sein-wirst geschmückt<br />

(ale 29a) (Völcker 1882:8)<br />

(6) nfr. (a) «Vous chassez beaucoup, Monsieur? dit Mme Verdurin avec mépris [...]»<br />

Sie jagen viel Monsieur sagte Mme Verdurin mit Verachtung<br />

(Le Bidois 1952:192)<br />

(b) « Je te jure, lui disait-il [...]»<br />

ich dir schwöre ihm sagte er<br />

(Le Bidois 1952:192)<br />

Unterschiedliche Wortstellung wird in den Fällen beobachtet, in denen dem Matrixsatz, der<br />

ein Verbum dicendi enthält, die direkte Rede unmittelbar folgt. Laut Völcker (1882:8) befindet<br />

sich hier im Altfranzösischen "das Subject beim Verbum des Sagens gewöhnlich in<br />

Inversion", wobei er ausschließlich Belege mit nominalem Subjekt anführt (cf. auch Koopmann<br />

1910:8f.):<br />

(7) afr. (a) Respont la medre: “ Lasse! qe(ed) est devenut?”<br />

antwortet die Mutter ach was ist geworden<br />

(ale 22b) (Koopmann 1910:8)<br />

(b) e dist Gormonz, cist d' Orïente<br />

und sagte Gormont dieser vom Orient<br />

(gor 78) (Völcker 1882:15)<br />

Völcker (1882:9) und Koopmann (1910:8ff.) liefern aber auch zahlreiche altfranzösische<br />

Beispiele für die 'gerade' Stellung in diesen Fällen. Koopmann (1910:9) beobachtet bereits<br />

im Rolandslied ein "Schwanken", d.h. "dem Dichter des Rol. ist die ger[ade] Folge schon<br />

nicht mehr sprachwidrig erschienen" (cf. auch Tobler 1879:145):<br />

(8) afr. (a) Charles respunt: “Uncor(e) purrat guarir.”<br />

Charles antwortet noch (er)-können -wird genesen<br />

(rol 156) (Koopmann 1910:9)<br />

(i) afr. « Sainte Marie, genitrix<br />

heilige Maria Erzeugerin<br />

mere Deu, dame, » Isembarz dist<br />

Mutter Gottes Frau Isembart sagte<br />

(gor 635) (Völcker 1882:8)<br />

Le Bidois (1952:200-203) findet in den von ihm untersuchten neufranzösischen Texten ebenfalls<br />

einige Gegenbelege (ausnahmlos mit Subjektspronomen), betont aber gleichzeitig, dass die Inversion<br />

in diesen Fällen in der neufranzösischen Schriftsprache "absolument obligatoire" sei (Le<br />

Bidois 1952:192):<br />

(ii) nfr. (a) Allez, mon petit, elle dit<br />

gehen-Sie mein Kleiner sie sagt<br />

(Le Bidois 1952:202)<br />

(b) Vous êtes amoureux? il me demanda en réponse<br />

Sie sind verliebt er mich fragte als Antwort<br />

(Le Bidois 1952:203)


(b) Il dist al rei: “ Ja mar crerez Marsilie! [...].”<br />

er sagte zum König zu Unrecht (ihr)-glauben-würdet Marsilie<br />

(rol 196) (Koopmann 1910:9)<br />

Ab dem 15. Jhdt. ist die Inversion in diesen Fällen nur noch selten (Koopmann 1910:11f.)<br />

und ab dem 17. Jhdt. überhaupt nicht mehr zu beobachten (Wespy 1884).<br />

Anders hingegen verhält es sich mit Sätzen, die ein anderes Verb als ein Verbum dicendi<br />

enthalten. Hier liefern alle Studien Belege aus allen Epochen für die Inversion in den Fällen,<br />

in denen das Verb satzinitial steht:<br />

(9) afr. (a) Revint li costre a l' imagine el mustier<br />

zurück-kam der Messner zu dem Bild in-dem Kloster<br />

(ale 36a) (Völcker 1882:9)<br />

(b) Et assemblerent li baron et li dux de Venise en un<br />

und sich-versammelten der Baron und der Herzog von Venedig in einem<br />

palais où li dux ere à ostel<br />

Palast wo der Herzog war zu Gast<br />

(con 91) (Krüger 1876:36)<br />

(10) nfr. (a) Vint une servante qui prononça quelques mots<br />

kam ein Dienstmädchen das sagte einige Worte<br />

(Le Bidois 1952:22)<br />

(b) Et suivait le récit d' un accident<br />

und folgte der Bericht von einem Unfall<br />

(Rabe 1910:23)<br />

In Anlehnung an Morf (1878) wird diese Art der Inversion oft 'unbedingte Inversion' genannt,<br />

womit nach Morf (1878:205) gemeint ist, dass sie "durch keinen einleitenden<br />

Satztheil veranlasst [...]" ist. Eine andere von Le Bidois (1941) und anderen verwendete Bezeichnung<br />

ist die der 'inversion absolue'. Wie bereits das Beispiel (2) gezeigt hat, herrscht<br />

allerdings große Uneinigkeit darüber, welche Bestandteile als einleitende bzw. inversionsauslösende<br />

Konstituenten anzusehen sind und welche nicht. Spitzer (1941:1150) verwendet<br />

inversion absolue für die Art von Inversion „qui n’est pas conditionnée par un adverbe en<br />

tête de phrase“. Damit fallen aber, wie Le Bidois (1952:19,Fn1) zu Recht kritisiert, "tous<br />

les autres types d’inversion", also auch solche, die durch eine – nicht adverbiale – Konstituente<br />

eingeleitet sind, unter den Begriff der inversion absolue. Eine sehr unterschiedliche,<br />

meist nicht explizit gemachte Behandlung erfahren auch die satzeinleitenden koordinierenden<br />

Konjunktionen wie et, si, car oder mais, wodurch sich in den einzelnen Untersuchungen<br />

eine sehr stark voneinander abweichende Klassifizierung der Belege ergibt. 7<br />

7 Völcker (1882:15f.) und Rabe (1910:23f.) behandeln Inversionen in Sätzen mit einleitenden koordinierenden<br />

Konjunktionen gesondert, da sie den Konjunktionen einen Einfluss auf die Inversion<br />

zugestehen. Für Krüger (1876:36) hingegen stehen bei der "Umstellung des Subjects [...] coordinirende<br />

Conjunctionen sowie tonlose Partikeln [...] ausser Betracht". Koopmann (1910:15) rechnet<br />

zumindest die mit et eingeleiteten Matrixsätze zu den uneingeleiteten Hauptsätzen. Bestätigung<br />

findet er bei Tobler (1879:145), der in seiner Rezension von Morf (1878) an einigen Beispielen<br />

nachweist, dass die Inversion in durch et eingeleiteten Matrixsätzen nicht auf die Konjunktion,<br />

sondern auf die Inversion im vorangehenden Teilsatz zurückzuführen ist (cf. auch Foulet<br />

1928:310). Anders verhält es sich mit si, das Toblers Beobachtungen zufolge stets Inversion nach<br />

sich zieht. Mais (ebenso die Entsprechungen ainz und ainçois) und car treten i.d.R. ohne Inversion<br />

auf (Morf 1878:209, Foulet 1928:309).<br />

65


66<br />

Bemerkenswert an den Beispielen in (10) ist, dass sie ausnahmslos ein intransitives Verb<br />

der Bewegung wie venir, arriver, suivre oder das Verb rester enthalten (Rabe 1910:15). 8<br />

Das Subjekt ist in allen Fällen nominal (Koopmann 1910:13). Es wird betont, dass diese<br />

Art der Inversion verhältnismäßig selten und im Altfranzösischen "in nicht höherem Grade"<br />

nachweisbar ist als im Neufranzösischen (Wespy 1884:159).<br />

Von diesen Fällen der 'unbedingten Inversion' werden in den traditionellen Arbeiten 'eingeleitete<br />

isolierte Hauptsätze' unterschieden, d.h. Sätze, die von "adverbialen, präpositionalen<br />

und Objektsbestimmungen" eingeleitet werden (Rabe 1910:14). Hier<br />

besteht Übereinstimmung darin, dass die "[..] Inversion des [nominalen und pronominalen]<br />

Subjekts in der alten Sprache das Gewöhnliche" ist (Rabe1910:14):<br />

(11) afr. (a) Dunc perdreit Carles le destre braz del cors 9<br />

also verlieren-würde Charles den rechten Arm des Körpers<br />

(rol 597) (Koopmann 1910:20)<br />

(b) Entre les povres se sist danz Alexis<br />

zwischen die Armen sich setzte Herr Alexis<br />

(ale 20b) (Koopmann 1910:18)<br />

(c) Plus dolorose novele ne lor peüst- on conter<br />

schmerzhaftere Nachricht nicht ihnen könnte man erzählen<br />

(con 371) (Krüger 1876:37)<br />

(12) mfr. (a) Après recommença ledict Morvillier<br />

danach wieder-begann besagter Morvillier<br />

(com 6,5) (Koopmann 1910:27)<br />

(b) et pour ce ai- je appelé ses freres<br />

und für das habe ich gerufen seine Brüder<br />

(joi 7,13) (Koopmann 1910:26)<br />

8 Blinkenberg (1928:81-94) bezeichnet diese Art von Verben als "verbes introducteurs". Le Bidois<br />

(1952:30) beobachtet, dass diesen Verben häufig ein "adverbe de liaison" folgt, das "die Folge<br />

oder den Anschluß an Voraufgehendes" bezeichnet (Koopmann 1910:17):<br />

(i) nfr. (a) Viennent ensuite les députés de la Grèce<br />

kommen nun die Abgeordneten aus Griechenland<br />

(Koopmann 1910:17)<br />

(b) Car se posait alors [...] ce dilemme<br />

denn sich stellte dann dieses Dilemma<br />

(Le Bidois 1952:33)<br />

9 Dieser Satz wird hier von Koopmann unvollständig zitiert. Allerdings führt er ihn unter der Rubrik<br />

'eingeleitete Nachsätze' nochmals auf, wobei deutlich wird, dass er durch einen Nebensatz eingeleitet<br />

ist und folglich nicht zu den 'eingeleiteten isolierten Hauptsätzen' gezählt werden kann:<br />

(i) afr. Chi purreit feire que Rollant i fust mort,<br />

wer könnte machen dass Roland dort wäre tot<br />

Dunc perdreit Carles le destre braz del cors<br />

dann verlieren-würde Charles den rechten Arm des Körpers<br />

(rol 596-597) (Koopmann 1910:86)<br />

Die unvollständige Angabe von Beispielen ist nicht untypisch für viele traditionelle Arbeiten.<br />

Kaiser (1980:18f.) konstatiert in traditionellen Untersuchungen französischer Interrogativsätze<br />

ebenfalls eine solche "sparsame" Zitierweise und zeigt dabei, zu welchen eklatanten Fehlinterpretationen<br />

dies führen kann. Die gleiche Beobachtung kann auch für Untersuchungen im generativen<br />

Rahmen gemacht werden (cf. auch Fußnote 4 in Kapitel 4).


(c) Et ces parolles m' a compté le roy<br />

und diese Worte mir hat erzählt der König<br />

(com 22,1) (Koopmann 1910:40)<br />

Die meisten Untersuchungen machen deutlich, dass im Laufe der historischen Entwicklung<br />

des Französischen die Inversion in diesen Fällen immer seltener zur Anwendung kommt. Es<br />

wird aber vielfach darauf hingewiesen, dass auch im Altfranzösischen die Inversion hier<br />

keineswegs obligatorisch war, denn die "Gesetze sind in der alten Sprache keineswegs so<br />

genau durchgeführt, dass sie nicht zahlreiche Ausnahmen erlitten hätten" (Krüger 1876:39).<br />

Im frühen Altfranzösischen sind Belege für solche Ausnahmen noch relativ selten und<br />

werden meist auf das Metrum zurückgeführt (Völcker 1882:10, Koopmann 1910:19):<br />

(13) afr. (a) Puis ad escole li bons pedre le mist<br />

dann in-die Schule der gute Vater ihn gab<br />

(ale 7c) (Völcker 1882:10)<br />

(b) lengues nuoves il parlaran<br />

Sprachen neue sie sprechen-werden<br />

(pas 115c) (Völcker 1882:11)<br />

Aber bereits im Rolandslied zeigt sich, dass die Inversion ein "so durchgehendes Gesetz<br />

[...] nicht mehr" ist (Völcker 1882:11). Koopmann (1910:19) stellt fest, dass die 'gerade<br />

Folge' auch ohne metrische Zwänge auftreten kann, insbesondere "bei zusammengesetzten<br />

(präpositionalen) adv. Bestimmungen, die sich leichter als ein selbständiges Ganzes absonderten,<br />

so daß auch der nachfolgende Satz unabhängiger in seiner Wortfolge wurde [...]". In<br />

diesen Fällen wird die Inversion weniger streng durchgeführt als nach anderen einleitenden<br />

Adverbien (Morf 1878:211), sie ist zwar "das Gewöhnliche, aber nicht Regel" (Koopmann<br />

1910:21):<br />

(14) afr. (a) A icest colp cil de France s' escrient<br />

bei diesem Schlag die von Frankreich sich ausrufen<br />

(rol 3365) (Koopmann 1910:22)<br />

(b) A icest mot paien venent avant<br />

bei diesem Wort Heiden kommen hervor<br />

(rol 3379) (Koopmann 1910:22)<br />

Foulet (1928:311f.) weist an Hand zahlreicher Beispiele aus der Queste del Saint Graal<br />

(1220) darauf hin, dass im Zusammenhang mit den Adverbien bzw. adverbialen Verbindungen<br />

neporquant 'trotzdem', neporec 'doch', onques 'nie', certes 'sicherlich' und sanz<br />

faille 'ganz sicher' fast ausschließlich die Nicht-Inversion zu beobachten ist (cf. auch<br />

Moignet 1976:361f, Vance 1997:62, de Bakker 1997:46f.):<br />

(15) afr. (a) Certes vos paroles me plaisent tant<br />

sicherlich eure Worte mir gefallen so sehr<br />

(que 104,12) (Vance 1997:62)<br />

(b) Et neporec il le diroit volentiers<br />

und doch er es sagen-würde gern<br />

(que 66,1) (Foulet 1928:311)<br />

Nach Koopmann (1910:26) bleibt die Inversion in eingeleiteten Matrixsätzen bis ins 15.<br />

Jhdt. hinein "noch immer vorherrschend". Erst ab dem 16. Jhdt. konstatiert er nur noch eine<br />

"ziemlich beschränkte" Anwendung (Koopmann 1910:36). Die historische Entwicklung der<br />

adverbial sowie der durch ein Objekt oder Attribut eingeleiteten Sätze verdeutlicht daher<br />

67


68<br />

für Koopmann (1910:36) "einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen der alten und<br />

neuen Zeit: dort war die Inversion entschieden das Regelmäßige, hier die gerade Wortfolge".<br />

Demgegenüber betonen Rabe (1910) und Le Bidois (1952), dass die Inversion in diesen<br />

Fällen im Neufranzösischen keineswegs ungewöhnlich geworden ist:<br />

(16) nfr. (a) Hier, a été célébré à Saint-Cloud le mariage de ...<br />

gestern hat gewesen gefeiert in Saint-Cloud die Hochzeit von ...<br />

(Rabe 1910:28)<br />

(b) Avec le silence s' est perdue la concentration de l' esprit<br />

mit dem Schweigen sich ist verloren die Konzentration von dem Geist<br />

(Le Bidois 1952:156)<br />

(c) Une chose ai- je à dire:<br />

eine Sache habe ich zu sagen<br />

(Wespy 1884:174)<br />

Rabe (1910:24ff.) kommt in einer Auszählung von Werken von acht Schriftstellern des 19.<br />

Jhdts. sogar zu dem Ergebnis, dass in über 45% der Sätze mit einleitendem Adverb das<br />

Subjekt invertiert auftritt. Er folgert daher, dass sich eine "Entwicklung in dem Sinne, daß<br />

in neuerer Zeit weniger häufig Inversion einträte, [...] aus dieser Zusammenstellung nicht<br />

ersehen" lasse. Allerdings basiert seine Auswertung nur auf Sätzen mit Verben "ohne Objekt<br />

oder umfangreichere nähere Bestimmung, durch welche die Inversion unmöglich<br />

würde" (Rabe 1910:24), d.h. eine Reihe anderer – im Altfranzösischen möglicher – Inversionskontexte<br />

bleibt dabei unberücksichtigt. Hierzu gehört vor allem die Inversion nach<br />

vorangestelltem Objekt, die laut Koopmann (1910:42) im 16. Jhdt. "rasch zurückgegangen<br />

und später geschwunden" ist. Sie ist im Neufranzösischen i.d.R. nur noch in Sprichwörtern<br />

(Rabe 1910:38) oder in poetischen Texten, wie das Beispiel (16)(c) von Lafontaine zeigt,<br />

zu finden. In der Prosa Lafontaines findet Wespy (1884:174) keinen einzigen Beleg für die<br />

Inversion nach vorangestelltem Objekt.<br />

Von den bisher betrachteten Konstruktionen werden in den traditionellen Arbeiten i.d.R.<br />

so genannte 'uneingeleitete Nachsätze' unterschieden. Damit sind solche Sätze gemeint, die<br />

durch einen Nebensatz eingeleitet sind. Hier zeigen die Untersuchungen übereinstimmend,<br />

dass bereits im frühen Altfranzösischen die Inversion "nicht das Gewöhnliche, sondern<br />

ziemlich selten" und im 14. und 15. Jhdt. "nur noch archaistisch" ist (Koopmann 1910:84f.).<br />

Die wenigen Inversionsbelege sind meist auf das Metrum zurückzuführen (cf. (17)(b)). Rabe<br />

(1910:53) liefert zwar einige Belege aus dem 19. Jhdt. für die Inversion in diesem Kontext,<br />

betont aber, dass sie "recht selten auf[tritt], da die Verbindung zwischen dem Nebensatz<br />

und dem Verb des folgenden Hauptsatzes keine so enge ist wie zwischen Adverb und<br />

Verb". Auffallend ist, dass in den wenigen Fällen, in denen das Subjekt postverbal steht,<br />

der jeweilige Matrixsatz i.d.R. entweder ein Verbum dicendi, ein "[i]ntransitives Zeitwort"<br />

(Rabe1910:53) oder ein Verb der Bewegung enthält:<br />

(17) afr. (a) Quant li quens Garins de Biaucare vit qu' il ne poroit Aucassin<br />

als der Graf Garin de Biaucare sah dass er nicht konnte Aucassin<br />

son fil retraire des amors Nicolete, il traist au<br />

seinen Sohn zurückziehen von-der Liebe Nicoletes er begab-sich zum<br />

visconte de le vile<br />

Vicomte von der Stadt<br />

(auc 4,1-3) (Koopmann 1910:82)


(b) Cum jo serai a Eis, em ma chapele,<br />

wenn ich werde-sein in Aix in meiner Kapelle<br />

Vendrunt li hume, demanderunt noveles:<br />

kommen-werden die Menschen fragen-werden Neuigkeiten<br />

(rol 2917-18) (Koopmann 1910:81)<br />

(18) nfr. Pendant que Didier se plonge de plus en plus dans ses pensées,<br />

während dass Didier sich taucht von mehr zu mehr in seine Gedanken<br />

entrent par la brèche du fond Marion et le geôlier<br />

eintreten durch die Lücke des Bodens Marion und der Kerkermeister<br />

(Rabe 1910:53)<br />

Von den wenigen modernen Untersuchungen, in denen auf diesen Konstruktionstyp näher<br />

eingegangen wird, ist vor allem die generative Arbeit von Vance (1997) zu nennen (cf.<br />

auch Kok 1985:100-102, de Bakker 1997:47f.). In ihrer Untersuchung der Queste del Saint<br />

Graal (um 1220) beobachtet Vance (1997:64), dass in Sätzen mit "certain fronted clauses"<br />

die Subjekt-Verb-Inversion mit der SV(O)-Stellung variiert. Ihren Beobachtungen zufolge<br />

ist dies dann der Fall, wenn der Nebensatz mit der Konjunktion si tost com 'sobald' beginnt:<br />

(19) afr. (a) Mes si tost come tu eus receu le seel Jhesuchrist, ce est le<br />

aber sobald wie du hast erhalten das Siegel (von) Jhesuchrist das ist das<br />

sainte cresme et la sainte uncion, eus tu renoié l' anemi et<br />

heilige Öl und die heilige Salbung hast du abgeschwört dem Teufel und<br />

fus fors de sa baillie<br />

wärst außerhalb von seiner Macht<br />

(que 104,4-6) (Vance 1997:64)<br />

(b) mes si tost com nos cuiderons qu' il en soit lex et<br />

aber sobald wie wir glauben-werden dass es dafür ist passend und<br />

mestiers, nos l' i envoierons<br />

notwendig wir ihn dorthin schicken-werden<br />

(que 3,18-19) (Vance 1997:64)<br />

In Sätzen, in denen ein durch se 'wenn', quant 'wenn' und puis que 'weil' eingeleiteter Nebensatz<br />

satzinitial steht, beobachtet Vance (1997:65) hingegen fast ausschließlich Subjekt-<br />

Verb-Stellung (cf. (20)(a)). Inversion tritt ihren Auswertungen zufolge nur dann auf, wenn<br />

ein nachfolgendes "resumptive adverbial" den Nebensatz wieder aufnimmt (cf. (20)(b)):<br />

(20) afr. (a) Et quant il fu bien ajorné, li rois se leva de son lit<br />

und als es war gut Tag-angebrochen der König sich erhob von seinem Bett<br />

(que 21,15-16) (Vance 1997:65)<br />

(b) Et quant il les voldrent departir, si monta ire et mautalenz entr' ax<br />

und als sie sie wollten teilen da stieg-auf Wut und Unwillen unter ihnen<br />

(que 75,14-15) (Vance 1997:65)<br />

Die Verwendung eines Resumptivadverbs wie in (20)(b) ist, wie bereits Diez (1882:1015f.)<br />

konstatiert, in solchen Nachsätzen sehr häufig zu beobachten:<br />

Indessen pflegte die ältere Zeit um des Nachdrucks willen bei temporellen, causalen oder conditionalen<br />

Vordersätzen dem Nachsatze gewisse Partikeln voranzustellen.<br />

Es ist klar, dass solche Sätze wie (20)(b) nicht zu den 'uneingeleiteten Nachsätzen' gerechnet<br />

werden können, da die Inversion hier offensichtlich nicht durch den Nebensatz, sondern<br />

das folgende Adverb ausgelöst wird. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für zahlreiche andere<br />

Beispielsätze, die häufig als Beleg für die Inversion nach einleitendem Nebensatz<br />

angeführt werden. So weist Koopmann (1910:81) zurecht darauf hin, dass der von Völcker<br />

69


70<br />

(1882:17) als 'uneingeleiteter Nachsatz' aufgeführte Beispielsatz (21) zur Gruppe der eingeleiteten<br />

Nachsätze gerechnet werden muss, "weil die Inv. von der an der Spitze stehenden<br />

adv. Bestimmung, nicht vom Temporalsatz, abhängig ist":<br />

(21) afr. An tant dementres cum il iloec unt sis,<br />

währenddessen als sie dort haben (sich)-gesetzt<br />

Deseivret l' aneme del cors sainz Alexis<br />

(sich)-trennt die Seele vom Körper (des) Heiligen Alexius<br />

(ale 67a-b) (Koopmann 1910:81)<br />

Auch das von Rabe (1910:53) für eine Inversion nach einem einleitenden Nebensatz aufgeführte<br />

Beispiele (22) gehört nicht zu diesem Konstruktionstyp, da hier ein Prädikatsadjektiv<br />

der Kopula vorausgeht und somit den Nachsatz einleitet:<br />

(22) nfr. Et quand je me levai, tout rouge était l' herbe<br />

und als ich mich erhob ganz rot war der Rasen<br />

(Rabe 1910:53)<br />

Somit kann als Ergebnis der empirischen Untersuchungen zur Entwicklung der Verbstellung<br />

in französischen Matrixsätzen festgehalten werden, dass es lediglich zwei Arten von<br />

Konstruktionen gibt, in denen es zu keinem Wandel der Stellung von Subjekt und Verb<br />

gekommen ist. Hierbei handelt es sich zum einen um die so genannten Zwischensätze, die<br />

immer Subjekt-Verb-Inversion aufweisen. Zum anderen sind es die durch einen Nebensatz<br />

eingeleiteten Sätze, in denen zu allen Epochen das Subjekt fast ausschließlich in präverbaler<br />

Stellung erscheint, insbesondere dann, wenn der Matrixsatz kein resumptives Adverb<br />

enthält, das auf den Nebensatz Bezug nimmt. Für alle übrigen Konstruktionen ist ein zunehmender<br />

Rückgang der Inversion von Subjekt und Verb zu beobachten.<br />

3.3.1.2 Die Verbstellung in Nebensätzen<br />

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der hier betrachteten Untersuchungen bezüglich der<br />

Inversion in (eingeleiteten) Nebensätzen erweist sich als besonders schwierig, weil die einzelnen<br />

Untersuchungen bei der Einteilung der Belege sowie bei den Angaben über die Häufigkeit<br />

der Inversion stark voneinander abweichen. Die in den traditionellen Arbeiten gemachten<br />

Angaben für die Ermittlung der Stellung des finiten Verbs im Satzgefüge sind<br />

meist nur wenig hilfreich, weil die Nebensätze i.d.R. nicht danach unterschieden werden,<br />

ob dem nebensatzeinleitenden Element eine Konstituente folgt oder nicht. Subjekt-Verb-Inversion<br />

kann bedeuten, dass das Verb in der Erstposition steht, d.h. adjazent zu Konjunktion<br />

oder Relativ- bzw. Interrogativpronomen, oder eine Position hinter einer oder mehreren<br />

Konstituenten einnimmt. Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse traditioneller Arbeiten mit<br />

denen generativer Analysen wird dadurch erschwert, dass in generativen Arbeiten i.d.R.<br />

kein Unterschied zwischen konjunktional eingeleiteten Nebensätzen und solchen Nebensätzen<br />

gemacht wird, die durch ein Relativ- oder Interrogativpronomen eingeleitet sind.<br />

Für die Relativsätze kann eine "merkwürdige Verschiedenheit zwischen der neuen und<br />

alten Sprache" konstatiert werden (Völcker 1882:20). Die Untersuchungen stimmen darin<br />

überein, dass hier "eine bedeutende Zunahme der Inversion von der afr. zur nfr. Periode" zu<br />

beobachten ist (Koopmann 1910:103). In den neufranzösischen Relativsätzen ist nach


Zählungen von Rabe (1910:80) die Inversion häufiger als die "gerade Wortfolge", vor allem<br />

bei "umfangreichem Subjekt und einfachem Verb" (Koopmann 1910:105):<br />

(23) nfr. (a) Suivez les pas de celle de qui dépend votre destinée<br />

folgen-Sie den Schritten von derjenigen von der abhängt ihr Schicksal<br />

(Rabe 1910:81)<br />

(b) Je suis les conseils que me donna mon père, qui m' a toujours<br />

ich folge den Ratschlägen die mir gab mein Vater der mich hat immer<br />

guidé dans ma jeunesse<br />

geführt in meiner Jugend<br />

(Koopmann 1910:107)<br />

Ähnlich wie in den Relativsätzen ist auch in den eingebetteten Interrogativsätzen des Altfranzösischen<br />

die Inversion sehr selten zu beobachten. Erst in Texten ab dem 15. Jhdt. kann<br />

eine zunehmende Verwendung der Inversion des nominalen Subjekts konstatiert werden.<br />

Sie ist dann "obligatorisch, wenn die fragenden Fürwörter quel, qui, que als prädikative<br />

Bestimmungen im Satze stehen," und "gestattet, wo ein fragendes Fürwort oder Adverb als<br />

adverbiale Bestimmung steht" (Koopmann 1910:109):<br />

(24) mfr. (a) et cherchoit l'on dont pouvoit venir ce feu<br />

und suchte man wovon konnte kommen dieses Feuer<br />

(com 42,15/16) (Koopmann 1910:108)<br />

(b) Jadis ung Roy demanda à ung Philosophe [...], quelle chose estoit Dieu<br />

einst ein König fragte PRÄP einen Philosophen welche Sache war Gott<br />

(Gerson III, 1593 A) (zitiert nach Höpfner 1883:13)<br />

Was die konjunktional eingeleiteten Nebensätze betrifft, so kann als generelles Ergebnis<br />

aller Untersuchungen festgehalten werden, dass die Subjekt-Verb-Inversion in diesen Sätzen<br />

zu allen Epochen wesentlich seltener ist als im Matrixsatz (Völcker 1882:17, Wespy<br />

1884:196, Hirschbühler 1989:171f., Lemieux / Dupuis 1995:99). Vance (1995:176) findet<br />

in der Queste del Saint Graal nur zehn Belege für eine Subjekt-Verb-Inversion im Nebensatz.<br />

Anders als die traditionellen Untersuchungen, die dieses Wortstellungsmuster ebenfalls<br />

belegen, bezieht sie sich hierbei offensichtlich ausschließlich auf Sätze, in denen zwischen<br />

Konjunktion und Verb eine zusätzliche Konstituente auftritt:<br />

(25) afr. (a) Et il me dist tot maintenant<br />

und er mir sagt gleich jetzt<br />

Plus de çant fois an un tenant<br />

mehr als hundert Mal in einem Zug<br />

que beneoite fust la voie<br />

dass gesegnet sei der Weg<br />

(löw 205-207) (Koopmann 1910:92)<br />

(b) ... si dist que molt ert liez quant en si haute bonté et<br />

so (er)-sagte dass sehr sein-wird glücklich wenn in so hoher Güte und<br />

en si haute chevalerie seroit fichiee la bosne de son lignage<br />

in so hoher Ritterlichkeit wäre gefestigt das Ende von seinem Geschlecht<br />

(que 221,15f.) (Vance 1995:181)<br />

Auch für das Mittel- und Neufranzösische sind nur wenige Sätze mit dieser Art der Wortstellung<br />

in eingebetteten Sätzen belegt:<br />

(26) mfr. (a) Or disons donc que grant grace nous fist Dieu le toutpuissant<br />

jetzt sagen-wir nun dass große Gnade uns machte Gott der Allmächtige<br />

(joi 51,26-27) (Koopmann 1910:93)<br />

71


72<br />

(b) et il dirent que non feroient- il<br />

und sie sagten dass nicht würden-machen sie<br />

(joi 11,14) (Koopmann 1910:93)<br />

(27) nfr. (a) Je venais de comprendre enfin que là cessait le monologue<br />

ich kam zu verstehen endlich dass da endete der Monolog<br />

(Le Bidois 1952:237)<br />

(b) Elle avait tant à leur dire qu' à peine leur laissait-elle le<br />

sie hatte so viel zu ihnen sagen dass kaum ihnen ließ sie die<br />

temps de répondre<br />

Zeit zu antworten<br />

(Le Bidois 1952:237)<br />

Abschließend kann als einziges deutliches Ergebnis der sehr uneinheitlich klassifizierenden<br />

Untersuchungen konstatiert werden, dass es in eingebetteten Relativ- und Interrogativsätzen<br />

im Laufe der Entwicklung des Französischen zu einer Zunahme der Inversion gekommen<br />

ist. In konjunktional eingeleiteten Nebensätzen hingegen ist das Auftreten der Inversion<br />

weitgehend konstant niedrig geblieben. Allerdings erlauben es die in den Untersuchungen<br />

gemachten Angaben nicht, Rückschlüsse über mögliche Verb-Zweit-Stellungseffekte in<br />

diesen Sätzen zu ziehen, da genauere Angaben darüber fehlen, ob und inwiefern das Auftreten<br />

der Inversion abhängig vom Vorhandensein einer nebensatzinitialen Konstituente ist.<br />

3.3.2 Quantitative und statistische Ergebnisse<br />

Als ein den meisten Arbeiten des 19. und frühen 20. Jhdts. gemeinsames Ergebnis kann<br />

festgehalten werden, dass es im Französischen "im Laufe der Jahrhunderte immer mehr<br />

üblich wurde, das Subjekt des Hauptsatzes vor das Prädikat zu setzen" (Wespy 1884:153),<br />

d.h. dass "fast überall [...] die im Afr. so verbreitete Inversion zurückgedrängt" wurde<br />

(Koopmann 1910:7). In Rabes Studie des 19. Jhdts. wird dieses Ergebnis jedoch etwas<br />

relativiert. Rabe (1910:96) kommt zu dem Ergebnis, dass in neueren Werken des Französischen,<br />

d.h. des 19. Jhdts., "die Inversion manchmal häufiger" auftritt. Diese Beobachtung<br />

beruht allerdings auf Auszählungen, die – wie bereits erwähnt – nur mit adverbial eingeleiteten<br />

Sätzen und mit Sätzen einer bestimmten Klasse von Verben durchgeführt wurden.<br />

Rabe (1910:107) räumt daher resümierend ein, dass im "Satztyp der erklärenden Aussage"<br />

die Häufigkeit der Inversion zurückgegangen sei. Gleichzeitig betont er aber gleichzeitig,<br />

dass "das Französische des XIX. Jahrhunderts die Stellung Prädikat – Subjekt, wenn auch<br />

in gewissen Schranken oder manchmal verhüllt, auch außerhalb der Frage immer noch – ja<br />

in mehreren Fällen mehr als die alte Sprache – da anwenden kann, wo Rücksichten auf den<br />

Charakter des Darzustellenden, auf Deutlichkeit, auf Rhythmus und harmonischen Bau des<br />

Satzes dies rätlich erscheinen lassen" (Rabe 1910:107).<br />

Eine Bestätigung finden die Ergebnisse Rabes in mehreren Wortstellungsstudien, die ab<br />

den 30er Jahren angefertigt werden (cf. Tabelle (1)). Einer der Anlässe für die meisten<br />

dieser Studien ist die Unzufriedenheit mit der Forschungsweise der bisherigen Untersuchungen,<br />

"die mit komplizierten, aber unlogischen Einteilungen sowie mit zahlreichen, aber<br />

untypischen Beispielen arbeitet und in ihren Schwächen auf dem ersten Blick nicht zu erkennen<br />

ist" (Siepmann 1937:2). Diesem deskriptiv unbefriedigenden Verfahren wird eine<br />

Vorgehensweise entgegengesetzt, die sämliche Belegstellen des zu untersuchenden Textmaterials<br />

erfassen und einer statistischen Auswertung unterziehen will. Die Verfasser die-


ser Untersuchungen wollen sich nicht mehr nur damit begnügen, "von einer Erscheinung zu<br />

behaupten, daß sie 'selten' oder 'verhältnismäßig häufig' vorkomme, und sie dann mit einigen<br />

Beispielen belegen", weil man dadurch "sich erstens kein genaues Bild über den Stand<br />

der Dinge machen und zweitens die gezogenen Schlüsse und gemachten Behauptungen<br />

nicht auf ihr tatsächliches Zutreffen überprüfen" kann (Dill 1935:5,Fn.1).<br />

Eine Reihe dieser Autoren stellt auf Grund dieser präziseren Auswertungsweise fest,<br />

dass die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen revidiert werden müssen. So konstatiert beispielsweise<br />

Siepmann (1937:86) als Gesamtergebnis ihrer Auswertung der Wortstellung in<br />

der 'Conquête de Constantinople' von Villehardouin (= con), dass "der Unterschied<br />

zwischen der alten und der modernen Sprache hinsichtlich der Wortstellung<br />

[...] bei weitem nicht so beträchtlich [ist] wie die früheren Arbeiten<br />

ihn darstellen". Zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangt auch Lewinsky (1949:182),<br />

derzufolge "les grandes tendances qui charactérisent la langue actuelle se trouvent déjà dans<br />

le français du XIV e siècle".<br />

In ähnlicher Weise lassen sich die Ergebnisse von Le Bidois (1952) interpretieren, die<br />

sogar auf eine Zunahme beim Gebrauch von Inversionen im modernen Französischen hindeuten.<br />

Leider lassen sich für eine linguistische Analyse aus der Studie von Le Bidois nur<br />

wenige brauchbare Schlüsse ziehen. Denn obwohl es sich hierbei um eine der umfangreichsten<br />

Untersuchungen zur Subjekt-Verb-Inversion im Französischen handelt, stellt sie sowohl<br />

in der methodischen Vorgehensweise als auch in der Darstellung der Ergebnisse einen<br />

großen Rückschritt im Vergleich zu den Arbeiten der 30er- und 40er-Jahre dar. Sie enthält<br />

letztendlich nur eine riesige Sammlung von Belegen für Konstruktionen mit (oder ohne)<br />

Subjekt-Verb-Inversion, die der Autor in den Werken Marcel Prousts oder anderer französischer<br />

Schriftsteller oder Journalisten der ersten Hälfte des 20. Jhdts. gefunden hat. Eine<br />

statistische Auswertung der Ergebnisse wird nicht geliefert. Die Kommentare von Le<br />

Bidois zu den Daten können eher als die "eines gebildeten Zeitgenossen" (Rogger<br />

1956:239) als die eines Linguisten angesehen werden. Seine Arbeit ist daher "eher stilistischer<br />

als linguistischer Art [...], obschon sie für den Linguisten, und besonders den Linguisten<br />

der Zukunft, von unschätzbarem Werte ist" (Rogger 1956:239). Primäres und offensichtlich<br />

einziges Ziel dieser Studie scheint darin zu bestehen, die Häufigkeit der Verwendung<br />

der Inversion im modernen Französischen und damit dessen "étonnante vitalité" (Le<br />

Bidois 1952:415) zu dokumentieren:<br />

Nos relevés chez les écrivains de 1900 à 1950 ont fourni une moisson d'exemples si abondante et<br />

si variée que les affirmations des grammairiens paraissent de peu de poids en comparaison. Or ces<br />

exemples, que nous aurions pu multiplier sans peine, montrent à l'évidence qu'en français, l'inversion<br />

du sujet, loin d'être en recul, est de plus en plus fréquente dans la langue écrite et jouit même,<br />

auprès de certains auteurs, d'une faveur quelque peu inquiétante. Ainsi, nous avons constaté que<br />

Proust fait un usage incessant du tour inverti, tant en phrase principale qu'en subordonnée [...].<br />

(Le Bidois 1952:410)<br />

Le Bidois (1952:3) sieht sich als Kämpfer gegen "certains préjugés classiques dont quelques<br />

grands écrivains français n'ont pas su se garder", denen zufolge das moderne Französische<br />

einer starren SVO-Stellung unterliegt. Diese Vorurteile findet Le Bidois (1952:3) auch<br />

bei zeitgenössischen Grammatikern und Romanisten, wie etwa bei Wartburg (1934:221),<br />

demzufolge "[t]out le monde sait que la structure de la phrase française, en particulier<br />

73


74<br />

l'ordre des mots, est d'une rigidité absolue". Diese "vues vraiment excessives [...] sur l'ordre<br />

des mots en français" gilt es für Le Bidois (1941:111, Fn.1) zu widerlegen. 10<br />

Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis wie Le Bidois kommt eine andere ebenfalls quantitativ<br />

sehr umfangreiche Untersuchung der Inversion im (modernen) Französischen, nämlich<br />

die Studie von Clifford (1973). Ziel dieser Studie ist es – auf der Grundlage einer sehr detaillierten<br />

statistischen Auswertung von Daten des 16.-20. Jhdts. – ebenfalls zu zeigen,<br />

"how conservative have been the estimates of grammarians and theorists from the 16th<br />

century onwards regarding the use of inverted order in French" (Clifford 1973:436). 11 Ein<br />

für Clifford allerdings selbst überraschendes Ergebnis ihrer Analyse ist die Beobachtung,<br />

dass die Inversion nicht nur in der Literatursprache bzw. 'gehobenen' Schriftsprache sehr<br />

häufig sei, sondern auch in der gesprochenen Umgangssprache:<br />

Yet inversion is not only common in literary works or in novels written in a récit parlé style [...]. It<br />

is frequently to be heard in everyday speech of both a colloquial and a more elevated nature.<br />

(Clifford 1973: 437)<br />

Le Bidois (1952:411) registriert demgegenüber in der modernen gesprochenen Umgangssprache<br />

vielmehr das Bestreben "à se libérer de l'inversion, qui constitue pour l'usager ordinaire<br />

une construction artificielle ou prétentieuse". Sowohl Clifford als auch Le Bidois<br />

bleiben den Beweis für ihre Beobachtungen allerdings schuldig, da sich ihre Untersuchungen<br />

– ebenso wie alle bisher betrachteten Studien zur Wortstellung im Französischen –<br />

(fast) ausschließlich auf literarisches oder sonstiges schriftsprachliches Datenmaterial stützen.<br />

Somit bleibt auch die Frage unbeantwortet, ob und inwiefern in der gesprochenen<br />

französischen Umgangssprache eine Entwicklung dahingehend stattgefunden hat, dass es<br />

im Verlauf seiner Geschichte zu einem (allmählichen) Verlust der Inversion gekommen ist.<br />

Denkbar ist es durchaus auch, wie etwa Koopmann (1910:1) vermutet, dass "jene Umstellungen<br />

[...] wohl nie im Volke recht lebendig gewesen" sind.<br />

Dieser Vermutung Koopmanns steht eine weit verbreitete Ansicht gegenüber, die indirekt<br />

im obigen Zitat von Wartburg zum Ausdruck kommt. Hinter der Auffassung von einer<br />

'streng festgelegten' Wortstellung des Neufranzösischen steht nämlich die Annahme, dass<br />

das frühere Französische diese strenge Wortstellung noch nicht hatte und stattdessen durch<br />

eine "très grande liberté dans la construction des phrases" ausgezeichnet war (Wartburg<br />

1946:103). Nicht selten wird diese Freiheit mit einer (gewissen) Regellosigkeit gleichgesetzt:<br />

Vergleicht man das Altfranzösische mit dem Neufranzösischen, so ist man erstaunt, festzustellen,<br />

mit welcher Freiheit das Altfranzösische die Wörter anordnete. Da die altfranzösische Wortstellung<br />

nicht durch mehr oder weniger willkürliche Regeln "fixiert" war, konnte der Schriftsteller die<br />

10 Zur Verteidigung Wartburgs sei hier darauf hingewiesen, dass bereits in der zweiten Auflage seines<br />

Buches nur noch von einer "grande rigidité" der französischen Wortstellung die Rede ist<br />

(Wartburg 1937:253). Dies scheint Le Bidois jedoch nicht bemerkt zu haben. Denn obwohl Le<br />

Bidois (1952) in seiner Bibliographie Wartburgs Buch nach der dritten Auflage zitiert (Wartburg<br />

1946), stammt das Zitat, das er verwendet, aus der ersten Ausgabe (Wartburg 1934).<br />

11 Ebenso wie Le Bidois ist Clifford primär an der stilistischen Verwendung der Inversion interessiert.<br />

Der generative (transformationalistische) Ansatz wird explizit zurückgewiesen, was mit "its<br />

inevitable complexity as regards syntax, and its unproductiveness in the field of style" begründet<br />

wird (Clifford 1973:19).


Worte entsprechend seiner Vorstellungsfolge anordnen und den unmittelbaren Eindruck wiedergeben.<br />

Keine Regel hinderte ihn, die Satzglieder nach seinem Geschmack anzuordnen. Der Altfranzose<br />

hatte ein eigenes Stilideal, das er bald bewußt, bald unbewußt befolgte. (Blasberg 1937:1)<br />

Andere Autoren hingegen kommen zu einer grundsätzlich anderen Einschätzung der altfranzösischen<br />

Wortstellung. So kritisiert bereits Thurneysen (1892) die zahlreichen Studien<br />

zur Wortstellung im Altfranzösischen, die fast ausnahmslos dessen Wortstellungsfreiheit<br />

konstatieren. Demgegenüber kommt er an Hand einer Auswertung des Prosateils der<br />

Chantefable Aucassin et Nicolette zu dem Ergebnis, dass die altfranzösischen "Satztypen<br />

den neufranzösischen an Einförmigkeit eher voran- als nachstehen" (Thurneysen<br />

1892:289). Diese Diskrepanz seiner Ergebnisse zu denen der anderen Studien führt Thurneysen<br />

nicht auf Unterschiede der untersuchten Texte oder der Auszählungsmethoden zurück,<br />

sondern vielmehr darauf, dass der Schwerpunkt der meisten Untersuchungen darin<br />

besteht, die Stellung des finiten Verbs in Bezug auf andere Satzglieder zu betrachten, ohne<br />

dabei aber "auf den Platz, den es im Satze überhaupt einnimmt" zu achten (Thurneysen<br />

1892:289). 12 Betrachtet man nämlich die Stellung des finiten Verbs im Satz, so kann nach<br />

Ansicht von Thurneysen von einer Stellungsfreiheit oder gar Regellosigkeit keine Rede<br />

sein. Vielmehr konstatiert Thurneysen (1892:289) als Ergebnis seiner Studie, dass "im Prosatexte<br />

von ,Aucassin und Nicolete‘ [...] die Stellung des Verbum finitum sozusagen völlig<br />

fest ist und einheitlichen Prinzipien folgt".<br />

Damit gebührt Thurneysen zweifelsohne "[d]as Verdienst, die feste Stellung des Verbums<br />

und infolgedessen seine Wichtigkeit für den Gesamtbau des Satzes erkannt zu haben"<br />

(Meyer-Lübke 1899:798). Thurneysens Studie muss als die Pionierarbeit zur Stellung des<br />

finiten Verbs in den frühromanischen Sprachen angesehen werden. Für eine Untersuchung,<br />

wie die hier vorgelegte, die die Stellung des finiten Verbs innerhalb des Satzgefüges zum<br />

Thema hat, ist sie von immenser Wichtigkeit. Auch in anderer Hinsicht hebt sich Thurneysens<br />

Studie von den meisten anderen ab. Sie ist nämlich eine der wenigen traditionellen<br />

Wortstellungsuntersuchungen, die nicht lediglich umfangreiche Beispiellisten zur Illustration<br />

verschiedener Wortstellungsmuster enthält. Vielmehr werden an Hand eines kurzen<br />

Textausschnittes die Wortstellungsverhältnisse exemplarisch dargestellt und die Beispiele<br />

in – lediglich drei – klar definierte Klassen unterteilt. Die Beispiele dienen nicht zur Illustration<br />

der angeblichen Vielseitigkeit des Altfranzösischen, sondern dazu, eine eingangs<br />

explizit formulierte These zu belegen. Damit unterscheidet sich Thurneysens Argumentationsweise<br />

sehr stark von derjenigen der meisten anderen bisher besprochenen Arbeiten.<br />

Dieser radikale Unterschied in der Forschungs- und Argumentationsweise dürfte auch<br />

ein Grund dafür sein, dass sich die Hoffnung von Thurneysen (1892:289), dass seine –<br />

durch Wackernagels Aufsatz von 1892 angeregte – Studie "dem einen oder dem anderen<br />

bei weiteren Forschungen dienen möge", offenbar nur in sehr begrenztem Maße erfüllt hat.<br />

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wie etwa Meyer-Lübke (1899), Richter (1903), bleibt<br />

seine Arbeit in den nachfolgenden Wortstellungsuntersuchungen weitgehend unberücksichtigt.<br />

13<br />

12 Weitere Gründe für die Unterschiede sieht Thurneysen (1892:289) darin, dass viele Studien auf<br />

poetischen Texten basieren oder Haupt- und Nebensätze getrennt behandeln und dadurch "so eng<br />

zusammengehörendes" auseinanderreißen.<br />

13 Zu den wenigen, die Thurneysens Arbeit würdigend erwähnen, gehört auch Wartburg (1946).<br />

Obwohl er, wie bereits gesehen, von einer großen Freiheit der altfranzösischen Wortstellung<br />

75


76<br />

Eine eingehende Auseinandersetzung erfährt Thurneysens Untersuchung erst in den 50er<br />

Jahren durch Herman (1954). Hermans Studie ist nach der von Thurneysen (1892) zweifellos<br />

die wichtigste und beste traditionelle Arbeit zur Stellung des finiten Verbs im Altfranzösischen<br />

(cf. Vanelli / Renzi / Benincà 1985:168). In einer detaillierten Analyse der<br />

frühesten Prosatexte des Französischen – u.a. auch der im Rahmen der vorliegenden Arbeit<br />

untersuchten Quatre livre des Reis (= qlr) – beobachtet Herman (1954:259) in ähnlicher<br />

Weise wie Thurneysen seit dem frühesten Altfranzösischen "une tendance à faire du verbe<br />

le deuxième membre de la proposition". Herman (1954:269) sieht im finiten Verb des Altfranzösischen<br />

eine Art Bindeglied zwischen einer beliebigen satzinitialen, betonten Konstituente<br />

und dem übrigen Teil des Satzes:<br />

Quoiqu'il en soit, le verbe se plaçait d'habitude, dès les débuts de l'ancien français, en seconde<br />

place dans la proposition, dans ce sens qu'il suivait le premier terme syntaxique, la première unité<br />

«fonctionnelle» (sujet, complément, attribut), même si cette unité était composée de plusieurs mots<br />

ou de plusieurs groupes rythmiques. Quelles que fussent les origines de cette tendance, il en est<br />

résulté qu'au verbe échut le rôle d'indiquer la relation entre un terme initial et un ou plusieurs<br />

autres termes, ce terme initial étant un terme placé sous un accent de phrase.<br />

Ce qu'on appelle l'inversion du sujet n'était qu'une conséquence secondaire de cet état de<br />

choses: dès que le premier terme était autre chose que le sujet, force était de placer le sujet après le<br />

verbe, puisque ce dernier devait se joindre au terme initial.<br />

Herman räumt allerdings ein, dass diese Regel der Verb-Zweit-Stellung nicht ausnahmslos<br />

eingehalten wird. Bei seiner Auswertung der von ihm untersuchten Abschnitte der Quatre<br />

Livre des Reis konstatiert Herman (1954:269) zwei Gruppen von Abweichungen. Die eine<br />

Gruppe bilden Sätze, in denen das finite Verb – meist unmittelbar hinter der Konjunktion é<br />

– in der Erstposition steht. Den Beobachtungen von Herman (1954:277) zufolge kommt es<br />

zu dieser Stellung, wenn das Verb entweder hervorgehoben wird – wie etwa in Imperativsätzen<br />

– oder einen "terme de rappel" bildet, was nach Herman vor allem für respundre<br />

zutrifft, oder – wie im Fall der "proposition complémentaire" – unmittelbar an den vorangehenden<br />

Satz anknüpft. Die zweite Gruppe der Ausnahmen bilden Verb-Dritt-Sätze, d.h.<br />

Sätze, in denen dem finiten Verb "deux termes accentués" (Herman 1954:269) vorausgehen.<br />

Herman (1956:271) führt "une bonne partie de ces cas" darauf zurück, dass sie in gereimten<br />

Textstellen auftreten. In diesen Fällen steht das finite Verb meist am Ende eines<br />

Satzes oder Satzteils und bildet einen Reim mit einer oder mehreren anderen Verbformen.<br />

Diejenigen Verb-Dritt-Sätze, die nicht in Reimversen auftreten, versucht Herman<br />

(1954:269f.) als Ausnahmen zur oben genannten Regel zu erfassen. Unter Berufung auf<br />

Haarhoff (1936) nimmt er an, dass in einem Teil dieser Sätze die satzinitialen Konstituenten<br />

"schwere Einleitungen" bilden, die durch eine Pause vom übrigen Satz getrennt sind:<br />

spricht, betont er gleichzeitg unter Berufung auf Thurneysen (1892), dass das Altfranzösische in<br />

der Prosa diese "liberté presque illimitée que lui offre sa déclinaison" nicht "missbraucht", sondern<br />

vielmehr einer strengen Gesetzmäßigkeit folgt (Wartburg 1946:103):<br />

"La prose, c'est-à-dire la langue de tous les jours, obéit à cette loi: on réserve au verbe la deuxième<br />

place dans la phrase. Ex. je ne quit mie (svr), les deniers prendrons nos (rvs), biaus estoit et gens<br />

(préd. v. préd), or dient (circonstanciel verbe) [...]. Il en résulte une position exceptionnelle du<br />

verbe. Les autres éléments sont comme ses vassaux. La notion verbale domine la phrase, elle en<br />

est le point fixe, le pivot, et les autres éléments tournent autour d'elle."


(28) afr. (a) Én cel tens Ahiel de Bethel edefiad é relevad Jericó<br />

in dieser Zeit Hiël aus Bet-El baute und wieder-errichtete Jericho<br />

(qlr 155: 1 Kön 16,34) (Herman 1954:269)<br />

(b) Pur çó li reis Asa prist tut l' or é l' argent<br />

für das der König Asa nahm all das Gold und das Silber<br />

(qlr 152: 1 Kön 15,18) (Herman 1954:269)<br />

Einen anderen Teil der Gruppe der Verb-Dritt-Sätze, die nicht durch Reimzwänge erklärt<br />

werden können, illustriert Herman (1954:270) mit folgendem Beispiel:<br />

(29) afr. É li prohetes Helyes par la force é la volented nostre Seignur curút<br />

und der Prophet Elija durch die Kraft und den Willen unseres Herrn lief<br />

devant lu réi jesque il vínt en Jezraél<br />

vor dem König bis er kam nach Jesreel<br />

(qlr 160: 1 Kön 18,46) (Herman 1954:270)<br />

Hier vermutet Herman (1954:270f.), dass die Wortstellung vom lateinischen Original beeinflusst<br />

sein könnte:<br />

Nous estimons qu'on peut voir dans ces exemples des vestiges du type SCV très courant en latin,<br />

vestiges soutenus par des facteurs d'emphase, par les intentions stylistiques de l'auteur (et ça et là,<br />

par une influence directe de l'original); dans l'exemple que nous venons de citer, la position du<br />

complément entre le sujet et le verbe donne à la proposition une allure solennelle, pathétique.<br />

Mit anderen Worten, nach Ansicht von Herman (1954) bilden die von ihm gefundenen<br />

Verb-Erst- und Verb-Dritt-Sätze lediglich Ausnahmen zu einer allgemein gültigen Regel<br />

des Altfranzösischen, wonach das finite Verb stets in der zweiten Position erscheint.<br />

Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Roberts (1993), der eine der wenigen generativen<br />

Arbeiten vorlegt, in der versucht wird, die These der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft des<br />

Altfranzösischen durch eine statistische Analyse zu untermauern. Hierfür wertet er in sechs<br />

altfranzösischen Werken die ersten 100 Matrixsätze aus, die ein lexikalisches Subjekt enthalten.<br />

Er gelangt dabei zu folgenden Prozentzahlen für die Stellung des finiten Verbs:<br />

Text V1 V2 V>2<br />

(= V3 oder mehr)<br />

Subj V Kompl V PE V Adv V<br />

La Chanson de Roland 5% 31% 15% 5% 40% 4%<br />

Le Charroi de Nîmes 13% 23% 12% 4% 48% 0%<br />

Tristan 3% 30% 7% 2% 55% 3%<br />

Perceval 2% 41% 11% 2% 28% 16%<br />

Aucassin et Nicolete 2% 50% 6% 4% 32% 6%<br />

Merlin 0% 28% 3% 0% 65% 4%<br />

Tabelle (2): Prozentualer Anteil der Verbstellungsmuster der ersten 100 Matrixsätze mit realisiertem<br />

Subjekt (nach Roberts 1993:95)<br />

Für Roberts (1993:95) bestätigen diese Auszählungsergebnisse die strenge Gültigkeit der<br />

Verb-Zweit-Stellungsregel im Altfranzösischen, die vor allem an den "generally low proportions<br />

of V1 and especially V > 2 sentences [...]" deutlich wird. Hier muss allerdings<br />

gefragt werden, inwiefern es gerechtfertigt ist, bei einem 13%igen Anteil an V1-Konstruktionen<br />

im Charroi de Nîmes und einem 16%igen Anteil von V>2-Konstruktionen im<br />

Perceval-Roman von "low proportions" zu sprechen. An einer späteren Stelle räumt<br />

77


78<br />

Roberts (1993:144) zwar ein, dass Perceval eine "larger proportion of V > 2 orders" als die<br />

anderen von ihm untersuchten Werke aufweist, dennoch ist er davon überzeugt, dass "the<br />

optimal assumption" für das Altfranzösische die ist, dass es eine Verb-Zweit-Grammatik<br />

besaß, "in the sense that C 0 bore the feature [Agr]". Abgesehen davon, dass diese Schlussfolgerung,<br />

wie weiter unten versucht wird zu zeigen, in theoretischer Hinsicht in Frage<br />

gestellt werden muss, erweist sie sich auch als empirisch nicht adäquat. Für Roberts scheinen<br />

nämlich die von ihm gefundenen Sätze mit einer V>2-Stellung keine Belege zu sein,<br />

die gegen eine Verb-Zweit-Analyse sprechen, sondern vielmehr Evidenz für eine solche<br />

Analyse zu liefern. Dies wird deutlich aus der folgenden Interpretation, die Roberts seinen<br />

Daten zukommen lässt:<br />

These data show that the subject had to be analysed as Case-marked under government in 69% of<br />

sentences in Roland, 77% of those in Le Charroi de Nîmes, 70% of those in Tristan, 59% of those<br />

in Perceval, 48% of those in Aucassin et Nicolette, and 72% of those in Merlin. (Roberts 1993:95).<br />

Entsprechend dieser Prozentangaben rechnet Roberts also nicht nur Verb-Erst- und XVS-<br />

Sätze, sondern auch alle V>2-Sätze zu denjenigen Sätzen, in denen das Subjekt in postverbaler<br />

Position auftritt und das Verb – entsprechend der von ihm angenommenen Theorie<br />

der Kasuszuweisung (cf. Roberts 1993:85f.) – nach COMP angehoben wird. Dass diese<br />

Analyse von V>2-Konstruktionen jedoch nicht adäquat sein kann, zeigt ein Blick in die von<br />

Roberts ausgewerteten Daten. Bemerkenswerterweise ist bereits der erste Satz des Rolandliedes<br />

ein klarer Gegenbeleg. Hierbei handelt es sich um einen Verb-Dritt-Satz, in dem das<br />

Subjekt dem finiten Verb vorausgeht. Auch in den anderen von Roberts untersuchten Textausschnitten,<br />

wie z.B. in Aucassin et Nicolete, finden sich zahlreiche ähnliche Belege für<br />

das präverbale Auftreten des Subjekts in Verb-Dritt-Sätzen:<br />

(30) afr. (a) Charles li reis, nostre empere magnes,<br />

Charles der König unser Kaiser großer<br />

Set anz tuz pleins ad ested en Espaigne<br />

sieben Jahre ganz volle hat gewesen in Spanien<br />

(rol 1)<br />

(b) Et se tu fenme vix avoir, je te donrai le file a un<br />

und wenn du Frau willst haben ich dir geben-werde die Tochter von einem<br />

roi<br />

König<br />

(auc 2,35-36)<br />

Das Beispiel aus Aucassin et Nicolete illustriert gleichzeitig die bereits erwähnte Besonderheit<br />

des Altfranzösischen, dass nach satzeinleitenden Nebensätzen i.d.R. keine Subjekt-<br />

Verb-Inversion auftritt. In Roberts Analyse bleibt dieser Tatbestand offenbar vollkommen<br />

unberücksichtigt, weil in seiner Auswertung die Daten diesbezüglich nicht ausreichend<br />

differenziert werden.<br />

Auf Grund dieser Unzulänglichkeiten bei der Auswertung der Daten ist es kaum verwunderlich,<br />

dass eine Überprüfung der von Roberts analysierten Daten zu ganz anderen Ergebnissen<br />

führt. So kommt eine von mir durchgeführte Analyse der ersten 100 Matrixsätzen<br />

mit realisiertem Subjekt im Rolandslied zu folgenden Prozentzahlen:


Text V1 V2 V>2<br />

SV(X) XVS<br />

rol 11% 54% 20% 15%<br />

Tabelle (3): Prozentualer Anteil der Verbstellungsmuster der ersten 100 Matrixsätze mit realisiertem<br />

Subjekt (nach Kaiser 2000:16f.)<br />

Diese von der Roberts'schen Auszählung teilweise sehr stark divergierenden Ergebnisse<br />

lassen sich meiner Ansicht nach nur dadurch erklären, dass Roberts entsprechend der von<br />

ihm gegebenen Interpretation der Daten offenbar nur solche Fälle als V>2 Sätze rechnet, in<br />

denen das Subjekt dem Verb (unmittelbar) folgt. Solche Sätze wie in (30), in denen das<br />

Subjekt – zusammen mit einer oder mehreren weiteren Konstituenten – dem Verb voransteht,<br />

werden offensichtlich nicht berücksichtigt.<br />

Ein weiteres empirisches Manko der Analyse von Roberts besteht darin, dass keine Unterscheidung<br />

zwischen Prosa- und Nicht-Prosa-Texten vorgenommen wird. Wie bereits<br />

erwähnt, entspricht dies der üblichen Praxis vieler – insbesondere generativer – Untersuchungen<br />

des syntaktischen Wandels. Auffallend ist, dass Roberts offensichtlich auch bei<br />

der Analyse von Aucassin et Nicolete nicht zwischen den prosaischen und lyrischen Kapiteln<br />

unterscheidet. Dies ist vor allem deshalb zu kritisieren, weil – wie bereits Thurneysen<br />

(1892:296) in seiner Untersuchung dieses Textes überzeugend nachweist – gerade der<br />

Vorteil in der Analyse dieser Chantefable darin besteht, dass sich dabei "die seltene Gelegenheit<br />

[bietet] zu konstatieren, wie sich die poetische Sprache eines mittelalterlichen<br />

Dichters zu den herrschenden Sprachgewohnheiten verhielt". Thurneysens Beobachtungen<br />

zufolge zeigt sich deutlich, dass in den poetischen Abschnitten des Textes "sämtliche<br />

Hauptregeln der Verbalstellung ohne Scheu bei Seite geworfen werden" (Thurneysen<br />

1892:296). Folglich ist eine Analyse, die diese Abschnitte nicht gesondert betrachtet, weder<br />

in der Lage, diesen Tatbestand überhaupt zu erkennen, noch geeignet, die "herrschenden<br />

Sprachgewohnheiten" herauszuarbeiten.<br />

Es sollte also klar geworden sein, dass eine empirische Datenanalyse, wie sie von Roberts<br />

(1993) vorgelegt und wie sie in vielen anderen generativen Untersuchungen in ähnlicher<br />

Weise vorgenommen wird, nicht geeignet sein kann, eine adäquate Antwort auf die<br />

Frage nach der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft des Altfranzösischen sowie anderer altromanischer<br />

Sprachen zu finden. Bevor eine solche Analyse vorgelegt wird, die diesen Anforderungen<br />

gerecht zu werden versucht, sollen im Folgenden zunächst die hier vorgestellten<br />

Untersuchungen dahingegehend betrachtet werden, wie der Wandel der Verbstellung im<br />

Französischen zu erklären versucht wird.<br />

3.3.3 Traditionelle Erklärungsansätze<br />

Die bisherige Darstellung der traditionellen Wortstellungsanalysen hat gezeigt, dass die Untersuchungen<br />

des 19. Jhdts. und des frühen 20. Jhdts. zur Wortstellung im Französischen<br />

primär deskriptiv ausgerichtet sind. Erst in den Arbeiten aus den 30er und 40er Jahren werden<br />

verstärkt mögliche Gründe der Entstehung und der Entwicklung der französischen<br />

Wortstellung und insbesondere der Subjekt-Verb-Inversion erörtert. Viele der dabei vorgeschlagenen<br />

Erklärungsansätze sind eingebettet in den theoretischen Rahmen des – an Wilhelm<br />

von Humboldt anknüpfenden – Idealismus von Karl Voßler oder der Völkerpsycholo-<br />

79


80<br />

gie von Wilhelm Wundt. Die früheren Analysen und Erklärungsversuche orientieren sich<br />

größtenteils an den Prinzipien und theoretischen Grundannahmen der vor allem die<br />

<strong>Sprachwissenschaft</strong> des 19. Jhdts. dominierenden positivistischen Schule der Jungrammatiker,<br />

deren wichtigster romanistischer Vertreter Wilhelm Meyer-Lübke war.<br />

Beide Schulen gehen von einer grundsätzlich verschiedenen Konzeption von <strong>Sprachwissenschaft</strong><br />

aus, die daher resultiert, dass der Untersuchungsgegenstand, die menschliche<br />

Sprache, vollkommen unterschiedlich aufgefasst wird. In klarer Abgrenzung zu den Junggrammatikern<br />

wird in den idealistischen und psychologischen Theorieansätzen Sprache<br />

nicht als ein "durch ausnahmelose Naturgesetze starr gebundenes System" angesehen, sondern<br />

als etwas, das "in das Gebiet freier, vom Willen sprachbildender Individuen abhängiger<br />

Schöpfung gehört" (Haarhoff 1936:5). Sprachliche Strukturen werden nach dieser Auffassung<br />

als Spiegelbild der 'Psyche' oder psychischen Verfassung des Menschen, d.h. des<br />

Sprechers, angesehen. Es wird behauptet, dass sie den 'Geist' und die 'Begabung' des Volkes<br />

des jeweiligen Sprechers erkennen lassen und ihre "mannigfachen Veränderungen [...]<br />

dem Wandel in Geistesart und Denkweise der Völker unterworfen" sind (Haarhoff<br />

1936:5). 14 Es ist heute – zu Recht – vollkommen undenkbar, diese Begriffe vorbehaltlos zu<br />

gebrauchen, geschweige denn sie in einer wissenschaftlichen Argumentation zu übernehmen.<br />

Da die Völkerpsychologie und der Idealismus aber vor allem in der ersten Hälfte des<br />

20. Jhdts. die Wortstellungsdebatte in der deutschen Romanistik sehr stark prägten, sollen<br />

die Erklärungsversuche im Rahmen dieser Theorien hier kurz vorgestellt werden. 15<br />

Die bei weitem umfassendste Darstellung dieser und anderer Erklärungsansätze der<br />

Wortstellung im Französischen gibt Lerch (1934) im dritten Band seiner umfangreichen<br />

'Historischen französischen Syntax'. Er referiert hierbei neben seinen eigenen Arbeiten<br />

(Lerch 1922) vor allem die Untersuchungen von Richter (1903, 1920), Blinkenberg (1928)<br />

und Kuttner (1929). 16 Die diesen Arbeiten gemeinsame Grundannahme ist die, dass die<br />

Wortstellung innerhalb eines Satzes (in einer gegebenen Sprache) durch verschiedene Faktoren<br />

bestimmt wird, die nebeneinander und teilweise auch gegeneinander wirken (Lerch<br />

1934:249). Der Sprecher hat demnach bei der Äußerung eines Satzes prinzipiell die Möglichkeit,<br />

sich zwischen diesen Faktoren zu entscheiden, was entsprechende Auswirkungen<br />

14 Diese enge Verknüpfung zwischen 'Sprache' und 'Volk' wird außerdem noch qualitativ bewertet,<br />

wie das Zitat aus Voßlers "umwälzender Kampfschrift" (Siepmann 1937:2) gegen die "Afterwissenschaft<br />

des radikalen Positivismus" (Voßler 1904:4) belegt:<br />

"Die Erfahrung lehrt [...]: je begabter und je zivilisierter ein Volk, desto vollkommener seine Sprache,<br />

desto klarer und sicherer seine Grammatik, desto schärfer und feiner nuanciert sein Lexikon.<br />

Zweifellos!" (Voßler 1904:90)<br />

15 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass diese Ansätze keineswegs nur von (späteren) Anhängern<br />

oder Mitläufern der nationalsozialistischen Ideologie vertreten wurden, sondern auch von<br />

solchen, die von den Nationalsozialisten verfolgt oder sogar umgebracht wurden (z.B. Victor<br />

Klemperer, Max Kuttner oder Elise Richter). Erschreckend ist freilich, dass es für manche erst der<br />

Katastrophe bedurfte, um zu merken, wie unsinnig (und gefährlich) die "Wisssenschaft" war, die<br />

sie vertraten:<br />

"Ich glaube nicht mehr an die Völkerpsychologie. Alles, was ich für undeutsch gehalten habe,<br />

Brutalität, Ungerechtigkeit, Heuchelei, Massensuggestion bis zur Besoffenheit, alles das floriert<br />

hier." (Victor Klemperer, Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1941. Hrsg.<br />

v. W. Nowojski, Berlin: Aufbau-Verlag 1995, S.18, Tagebucheintrag vom 3.4.1933).<br />

16 Einen sehr guten Überblick über diese Wortstellungsdiskussion liefert auch Kellenberger (1932).


auf die Wortstellung im Satz hat. Insofern ist die Wortstellung "frei" (Lerch 1934:249). Es<br />

wird allerdings angenommen, dass bestimmte Faktoren im Laufe der geschichtlichen Entwicklung<br />

einer Sprache eine dermaßen dominierende Bedeutung erfahren, dass diese Entscheidungsfreiheit<br />

des Sprechers immer stärker eingeschränkt wird. Für das Neufranzösische<br />

wird im Allgemeinen postuliert, dass die 'logisch-grammatischen' Faktoren diese dominierende<br />

Funktion übernommen haben, während im Altfranzösischen die 'psychologischen'<br />

und 'rhythmischen' Faktoren im Vordergrund gestanden haben. Abgesehen von diesen<br />

Faktoren ist noch eine Vielzahl anderer Faktoren, und damit unterschiedlicher Wortstellungstypen,<br />

vorgeschlagen worden. Die Unterscheidung zwischen diesen Faktoren ist jedoch<br />

sehr subtil und häufig letztendlich nur terminologischer Natur. Daher sollen hier lediglich<br />

die drei als zentral angesehenen Faktoren, d.h. die psychologischen, rhythmischen<br />

und logisch-grammatischen Faktoren, eingehender dargestellt werden. Darüber hinaus müssen<br />

die morphosyntaktischen Faktoren betrachtet werden.<br />

3.3.3.1 Psychologische Faktoren<br />

Hinsichtlich der psychologischen Faktoren wird danach unterschieden, ob die Anordnung<br />

der Satzglieder am "Sprechbedürfnis" des Sprechers orientiert ist oder nicht (Richter<br />

1920:11). Ist ersteres der Fall, wird von einer 'impulsiven' Wortstellung gesprochen. Sie ist<br />

dadurch gekennzeichnet, dass der Sprecher die eigentliche Mitteilung, also das Wichtigste<br />

und Neue 17 , an den Satzanfang stellt. Diese Art der Wortstellung wird als "rücksichtslose"<br />

oder "persönliche" angesehen (Richter 1920:17), weil der Sprecher, das, was "ihn am stärksten<br />

beherrscht und bedrängt [...], zuerst herausschleuder[t], gleichsam mit der Tür ins Haus<br />

[fällt]" (Lerch 1934:252). Ein weniger impulsiver Sprecher hingegen verhält sich dem Hörer<br />

gegenüber "rücksichtsvoll", sogar auch dann, wenn er im Affekt spricht. Er denkt in<br />

erster Linie an den Hörer, indem er an das im Gespräch Vorhergehende anknüpft und das<br />

dem Hörer bereits Bekannte zuerst nennt, bevor er ihm das Neue, das "sachlich Wichtigste"<br />

mitteilt (Richter 1920:18).<br />

Ausgehend von dieser Definition weisen nach Lerch (1934:253ff.) das Lateinische und<br />

das (frühe) Altfranzösische eine stärkere impulsive Wortstellung auf als das moderne Französisch.<br />

Im Altfranzösischen wird dies seiner Ansicht nach deutlich an der noch häufig<br />

anzutreffenden Genitiv- und Dativvoranstellung und vor allem an der Objekt-Verb-Stellung.<br />

Auch die in den ältesten altfranzösischen Dichtungen noch vorhandene Verb-Endstellung<br />

sei als die implusive und volkstümliche anzusehen. Evidenz hierfür sieht Lerch<br />

(1934:262) darin, dass in der Kindersprache die Verb-Endstellung "das Übliche (z.B. Papa<br />

Hund haut)" ist und daher "der Denk- und Sprechweise des schlichten Mannes" eher entspricht.<br />

18<br />

17 Dies entspricht weitgehend dem, was in der funktionalen Grammatik 'Rhema' genannt wird. In der<br />

traditionellen <strong>Sprachwissenschaft</strong> werden hierfür sehr verschiedene, mehr oder weniger umstrittene<br />

Termini gebraucht. Paul (1920:124f.) beispielsweise spricht – in Anlehnung an von der Gabelentz<br />

(1869) – von 'psychologischem Subjekt' und Lerch (1934:253) vom 'Start' bzw. 'Ausgangspunkt<br />

der Mitteilung' (cf. auch Kuttner 1929:5).<br />

18 Lerch übersieht hier allerdings völlig, dass die Verbendstellung ein typisches Kennzeichen der<br />

deutschen Kindersprache ist, nicht aber der französischen oder der anderer romanischer Sprachen.<br />

81


82<br />

Auch für einige Änderungen in der Wortstellung im Übergang vom Alt- zum Neufranzösischen<br />

macht Lerch psychologische Gründe verantwortlich. Eine diese Änderungen besteht<br />

nach Ansicht von Lerch (1934:263) darin, dass sich die "Zwischenstellung des Verbums<br />

(die romanische, auf den Hörer eingestellte Wortfolge)" im Altfranzösischen allmählich<br />

durchsetzte, d.h. "volkstümlich" wurde. Er führt dies auf die Zunahme christlicher<br />

Literatur zurück, in der, wie er behauptet, die impulsive Stellung seltener ist als in nicht<br />

christlichen Texten. 19 Lerch (1934:264) vermutet, dass "die Änderung der Wortstellung [...]<br />

mit der Lehre des Christentums zusammen[hängt], deren Imperativ lautete: 'Liebe deinen<br />

Nächsten wie die selbst', und die die Überwindung der egoistischen Triebe, der unbesonnenen<br />

Impulsivität verlangte". Die Folge ist zwar keine völlige Aufgabe, jedoch eine starke<br />

Einschränkung der impulsiven Voranstellung von Satzgliedern, insbesondere von Objekten,<br />

im Neufranzösischen.<br />

3.3.3.2 Rhythmische Faktoren<br />

Neben den psychologischen werden vor allem rhythmische Faktoren für die Wortstellungsveränderungen<br />

bei der Entwicklung des Französischen aus dem Lateinischen verantwortlich<br />

gemacht. Richter (1920:24) geht davon aus, dass im Neufranzösischen der "gewohnheitsmäßige<br />

Rhythmus" steigend ist, während er im Altlateinischen hingegen fallend war. Dies<br />

hat nach Richter (1920:24) zur Konsequenz, dass im Neufranzösischen "die gewohnheitsmäßige<br />

Stellung der Wörter innerhalb der Vorstellungsglieder so [ist], daß das Bestimmende<br />

nach dem Bestimmten" geäußert wird, während im Altlateinischen das "Bestimmende<br />

vor dem Bestimmten" steht:<br />

(31) (a) fr.: fille adorable (b) alt.: pulcra puella<br />

l'amour du père patris amor<br />

j'aime beaucoup valde amo<br />

Richter (1920:34) zufolge spiegelt der unterschiedliche Rhythmus den "Denkvorgang der<br />

Volksseele" wider. Bei Sprachen mit fallendem Rhythmus "erscheint nicht nur die Hauptvorstellung<br />

zuerst im Bewußtsein und wird also nicht nur in rücksichtloser Rede an den<br />

Anfang gesetzt, sondern es erweist sich als Denkgepflogenheit überhaupt, vom Besonderen<br />

zum Allgemeinen fortzuschreiten" (Richter 1920:34f.). Dies ist nach Ansicht Richters nicht<br />

nur ein Kennzeichen ältester und älterer Sprachzustände. Zu einem Wandel dieser Zustände<br />

kommt es dadurch, dass "der Einzelne überhaupt daran geht, rücksichtsvolle Reden zu<br />

bilden" (Richter 1920:36). Dabei passt der Sprecher nach Ansicht von Richter (1920:36)<br />

seine Rede zunächst der ursprünglichen Rhythmuslinie an, d.h. "er bildet also auch die<br />

rücksichtsvolle Rede mit der Hauptvorstellung voran". Dies führt jedoch zu einer einheitli-<br />

19 Lerch (1934:263) beruft sich hier auf die Angaben von Völcker (1882:30), wonach in der "spezifisch-geistlichen<br />

Dichtung" des Alexius-Liedes 34% – meiner Nachrechnung zufolge 33% – aller<br />

Beispiele mit nominalem Objekt die "impulsive" OV-Stellung aufweisen. Die anderen, nicht "spezifisch-geistlichen"<br />

Texte des Altfranzösischen, wie die frühesten altfranzösischen Denkmäler<br />

oder das zeitlich spätere Rolandslied, weisen hingegen eine höhere Frequenz der OV-Stellung auf<br />

(cf. auch Meyer-Lübke 1899:799).


chen Rhythmuslinie "sowohl für die gefühlsmäßige als für die berichtende Rede" (Richter<br />

1920:36). Die Folge ist die, dass dem ursprünglich fallenden Rhythmus nun die "psychologisch<br />

steigende Anordnung" entgegengestellt wird (Richter 1920:37). Damit ist offenbar<br />

gemeint, dass aus dem "Bedürfnis nach gefühlserregender Heraushebung" es zur<br />

"Anwendung neuer Stellungen" kommt, die wiederum "neue Rhythmuslinien" hervorbringen<br />

(Richter 1920:37). Unklar ist, inwiefern diese Schlussfolgerung die tatsächliche Ansicht<br />

Richters wiedergibt. Ihre Ausführungen sind derart unpräzise und teilweise auch widersprüchlich,<br />

dass es kaum möglich ist, die Grundaussagen klar herauszuarbeiten. Auch<br />

Lerch weist auf einige Widersprüche in Richters Aussagen hin. Für ihn stellt sich die Frage,<br />

wie es überhaupt zur Bildung eines steigenden Rhythmus kommen konnte, "da doch nach<br />

ihrer Meinung der fallende Rhythmus schon fest eingeprägt ist, bevor der Einzelne überhaupt<br />

beginnt, rücksichtsvolle Reden zu bilden" (Lerch 1934:282). Nach Ansicht von<br />

Lerch (1934:282) kann es hier eine 'rücksichtsvolle' Rede, die mit der Hauptvorstellung<br />

beginnt, gar nicht geben, denn dann wäre sie "eben keine rücksichtsvolle Rede mehr, sondern<br />

impulsive".<br />

Aber auch Lerchs Analyse ist nicht frei von Widersprüchen. In der Diskussion der Analyse<br />

Richters kritisiert er heftig deren Annahme, dass bereits das Altfranzösische einen "fast<br />

ganz steigenden Rhythmus" aufwies (Richter 1920:34). Dagegen führt Lerch (1934:283)<br />

eine Reihe von Belegen aus dem Altfranzösischen mit fallendem Rhythmus an und betont,<br />

dass "im Altfranzösischen [...] die fallenden Stellungen zahlreicher als im Neufranzösischen<br />

und im neuesten Französisch" sind. Gleichzeitig betont er jedoch, dass "im Französischen<br />

von Anfang an der steigende" Rhythmus vorherrschte (Lerch 1934:286). Evidenz<br />

für diese Annahme sieht er darin, dass die 'druckschwachen' Objektspronomina bereits im<br />

Altfranzösischen normalerweise unmittelbar vor dem finiten Verb standen (Le père<br />

m'aime), im Lateinischen hingegen meist dahinter am Satzende (Pater amat me). Lerch<br />

wendet sich in diesem Zusammenhang gegen die so genannte 'Enklisentheorie', die besagt,<br />

dass in den frühromanischen Sprachen die schwachtonigen Elemente regelmäßig die zweite<br />

Position im Satz einnehmen und enklitisch an das vorstehende Element gebunden sind<br />

(Meyer-Lübke 1897, Melander 1936). Damit wird versucht, der von Tobler (1912:400) und<br />

Mussafia (1896) konstatierten Tatsache gerecht zu werden, dass in allen frühromanischen<br />

Sprachen unbetonte Elemente nicht an der Spitze des Satzes stehen können ('Tobler-<br />

Mussafia-Gesetz'). Der Analyse von Meyer-Lübke (1897) zufolge kommt es im Altfranzösischen<br />

erst allmählich ab dem 13. Jhdt. zur Aufgabe dieser Beschränkung. Dies wurde<br />

seiner Ansicht nach zum einen "dadurch ermöglicht [...], daß auf verschiedene Weise schon<br />

andere Wörter, die Präpositionen, die Subjektspronomina, der Artikel u.a., proklitisch geworden<br />

waren" und zum anderen dadurch, dass "der Satzrhythmus bis auf einen gewissen<br />

Grad crescendo, nicht mehr decrescendo oder nicht mehr trochäisch-daktylisch, sondern<br />

jambisch-anapästisch war" (Meyer-Lübke 1897:334). Lerch hingegen kann im Rahmen<br />

seiner Analyse, in der er nicht von einem solchen Rhythmuswandel ausgeht, die Klitika-<br />

Stellung im Altfranzösischen nur durch eine ad hoc-Annahme erklären. Er nimmt an, dass<br />

man es im Altfranzösischen "[o]ffenbar liebte [...], den Satz mit einem druckstarken Wort<br />

zu eröffnen", obwohl "der Vers als Ganzes schon im Altfranzösischen steigenden Rhythmus"<br />

hat (Lerch 1934:299).<br />

Thurneysen (1892) knüpft ebenfalls an die Enklisentheorie an, um die seiner Ansicht<br />

nach feste Verbstellung des Altfranzösischen zu begründen. Seine These lautet, dass das<br />

von Wackernagel (1892:428) beobachtete enklitische Stellungsverhalten der schwachtoni-<br />

83


84<br />

gen lateinischen Kopula auch für die Kopula des Altfranzösischen Gültigkeit hatte (cf. auch<br />

Meyer-Lübke 1899:773) und allmählich auch auf Verben mit stärkerer Betonung übertragen<br />

worden ist:<br />

Im Altfranzösischen steht das Verbum finitum unmittelbar hinter dem ersten Satzgliede, wenn dieses<br />

vollbetont ist (oder in einer älteren Sprachperiode vollen Ton tragen konnte); sonst reiht es sich<br />

dem nächsten volltonigen Satzgliede an. (Thurneysen 1892:300)<br />

Evidenz für diese Annahme der ursprünglichen enklitischen Bindung der finiten Verben<br />

sieht Thurneysen (1892:303) in der heutigen engen Bindung zwischen finitem Verb und<br />

klitischen (Objekts-)Pronomina. Dadurch nämlich, dass Objektsklitikon und Verb diesselbe<br />

Stelle anstrebten, konnten seiner Ansicht nach "die zufällig neben einander gerathenen<br />

Pronomina und Verba so eng mit einander verwachsen [...], daß, so oft das Verbum diesen<br />

seinen Platz verläßt, es das Pronomen an andere Satzstellen mit sich fortreißt". Meyer-<br />

Lübke (1899:798) hält diesen Hinweis auf die unbetonten Objektspronomina jedoch nicht<br />

für überzeugend, "denn bei ihnen hält das Romanische nur fest, was schon lateinischer<br />

Brauch war, macht sich sogar allmählich davon frei, wogegen die Stellung des Verbums<br />

eine Neuerung ist". Thurneysen (1892:305) räumt ein, dass die von ihm formulierte Regel,<br />

"im Altfranzösischen stelle sich das Verbum hinter den ersten betonten Satzteil, nicht genau<br />

ist, auch in keiner Periode für alle Sätze gegolten hat, sondern nur auf den Grundstock von<br />

Satztypen passt, welcher dem Bau der andern als Muster diente". Rhythmische Faktoren<br />

waren seiner Ansicht nach lediglich der Auslöser für die Entstehung der festen Verbstellung<br />

im Altfranzösischen, wo "der Rhythmus aufgehört [hatte] die bestimmende Rolle zu spielen"<br />

(Thurneysen 1892:304). 20<br />

Auch Herman (1954) weist diese Analogieerklärung Thurneysens zurück. Sie ist seiner<br />

Ansicht nach "nullement confirmée par les textes" (Herman 1954:250,Fn.15). Außerdem<br />

hält Herman (1954:250,Fn.15) es für "peu vraisemblable que les règles de position valables<br />

pour le seul verbe copule aient pu s'étendre à des verbes accentués et à sémantisme plein".<br />

In diesem Zusammenhang weist Herman auf ein gravierendes Problem bei der Übernahme<br />

des Wackernagel'schen Gesetzes zur Erklärung der Verbstellung im Altfranzösischen hin.<br />

Denn anders als die schwachtonigen Klitika steht das finite Verb nicht unmittelbar hinter<br />

dem ersten betonten Wort, sondern hinter dem ersten Satzglied:<br />

Il faut dire aussi que le premier terme de la proposition (Thurneysen, en effet, parle de «Satzglied»<br />

et non pas de mots) peut être composé lui-même de plusieurs mots accentués; dans ces cas, le<br />

verbe suit le groupe tout entier et non pas le premier mot accentué du groupe: il est clair que la<br />

phonétique syntaxique n'explique pas en elle-même sa position. (Hermann 1954:250,Fn.15)<br />

Obwohl somit die Rolle der rhythmischen Faktoren in den verschiedenen traditionellen Arbeiten<br />

sehr unterschiedlich bewertet wird, besteht weitgehend Übereinstimmung in der Einschätzung,<br />

dass diese Faktoren für die altfranzösische Wortstellung von großer Relevanz<br />

waren. Einigkeit herrscht vor allem in der Auffassung, dass im Altfranzösischen die Wörter<br />

20 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Biener (1922, 1926) eine ähnliche Erklärung für<br />

die Entstehung der Verb-Zweit-Stellung im Deutschen liefert. Ebenso wie Thurneysen für das<br />

Französische annimmt, geht Biener (1926:256) davon aus, dass die deutsche Verb-Zweit-Stellung<br />

auf "verbenklise" beruht, wobei "später [...] analogische ausbreitung eine wichtige rolle" spielt.<br />

Die endgültige Durchsetzung dieser Stellungsregel ist allerdings, so vermutet Biener (1922:177),<br />

"erst durch die theoretische grammatik und die strenge schulzucht erreicht worden".


und Satzglieder sehr häufig "ohne Rücksicht auf ihre logische Zusammengehörigkeit, lediglich<br />

nach rhythmischen Prinzipien geordnet" sind (Lerch 1934:349). Das heißt, die Anordnung<br />

erfolgt im alternierenden Wechsel zwischen druckstarken und druckschwachen<br />

Silben, Wörtern oder Satzteilen. Im Neufranzösischen ist Lerch (1934:352) zufolge eine<br />

solche spezifisch-rhythmische Anordnung von Satzgliedern weitgehend auf die Poesie<br />

beschränkt und "im allgemeinen nur statthaft, wenn sie nicht in allzu auffälligem Widerspruch<br />

mit der logischen Anordnung steh[t]".<br />

3.3.3.3 Logisch-grammatische Faktoren<br />

Diese Schlussfolgerung Lerchs steht stellvertretend für die in sehr vielen traditionellen Arbeiten<br />

verbreitete Auffassung, wonach so genannten 'logisch-grammatischen' Faktoren die<br />

ausschlaggebende Rolle für den Wortstellungswandel im Französischen zugestanden wird.<br />

Dahinter steht die Ansicht, dass durch die Übernahme einer angeblich logisch-reflektierten<br />

Denkweise das Französische seine "Periode der Primitivität" überwinden konnte, in der<br />

sich "[d]er Geist [...] noch auf einer [...] tiefen Entwicklungsstufe" befand und der "Einfluß<br />

der impulsiven, aber auch der rhythmischen Wortstellung" im Vordergrund stand (Koch<br />

1934:82). Entscheidender Anteil daran, dass sich diese Denkweise durchsetzen konnte, wird<br />

den Grammatikern und Sprachpuristen des 16. und insbesondere 17. Jhdts., wie Malherbe<br />

oder Vaugelas, zugestanden. Geprägt war deren Arbeit durch das Bemühen, die französische<br />

Sprache zu standardisieren und zu normieren. 21 Hierzu gehörte auch der Versuch, die<br />

Wortstellung zu fixieren. Diesem Versuch liegt die Annahme zugrunde, dass "eine geregelte<br />

Wortstellung [...] eine große Erleichterung für den Hörer oder Leser" bedeutet, weil<br />

der Sprecher seinen "individuellen Ausdruckswillen" nicht mehr so stark entfalten kann und<br />

damit automatisch mehr Rücksicht auf den Hörer bzw. Leser nimmt (Lerch 1934:250f.).<br />

Wichtigstes Ziel war das Erreichen einer größtmöglichen "clarté de la langue" (Ling<br />

1866:II), die unter anderem auch durch die 'logische' Anordnung der Satzglieder erreicht<br />

werden sollte:<br />

Il est évident que [...] l'ordre logique est la construction qui favorise le plus la clarté, ou plutôt, que<br />

la langue dont la construction s'en rapproche le plus, est aussi la plus claire de toutes. (Ling<br />

1866:III)<br />

Die genaue Bestimmung dieser 'logischen' Anordnung erweist sich allerdings als sehr problematisch<br />

und widersprüchlich. Generell wird davon ausgegangen, dass sich die Zusammenknüpfung<br />

des 'Logisch-Zusammengehörigen' in der Subjekt-Verb-Objekt-Stellung<br />

manifestiert:<br />

21 Wartburg (1946:170f.) beispielsweise spricht davon, dass es Malherbe darum ging, die französische<br />

Sprache zu "dégasconner" und zu "débarasser [...] de ses scories". In seiner ihm eigenen pathetischen<br />

Sprache bezeichnet er Malherbe gar als den Mann "dont la France avait besoin à ce<br />

moment-là", um schließlich zu folgendem Schluss zu gelangen:<br />

"La nation désirait que quelqu'un lui donnât une norme pour sa langue; elle était toute préparée à<br />

recevoir une loi en fait de grammaire. Plus que la personne de Malherbe c'était le génie du peuple<br />

français qui se donnait à lui-même les nouvelles règles." (Wartburg 1946:171)<br />

85


86<br />

[...] comme la clarté relève à un haut degré de l'ordre des mots, on peut demander: comment doit<br />

être qualifié cet ordre pour ne point troubler la clarté? Pour être capable d'y faire une réponse satisfaisante,<br />

il faut chercher un modèle pour toutes les langues à cet égard. Il est donc nécessaire que<br />

celui-ci soit une construction et, de plus, une telle qui puisse être l'unité de toutes les constructions<br />

des diverses langues. Or, quelle est cette construction sinon l'ordre logique?<br />

Si l'on veut se rendre compte de ce que veut dire ce terme, on n'a qu'à se rappeler que chaque<br />

proposition renferme un jugement, où une idée est jointe à une autre par la copule intermédiaire.<br />

Ainsi, nous plaçons, selon l'ordre logique, d'abord le sujet, ensuite l'attribut, et le verbe, qui les<br />

joint, entre eux. En général, on peut dire que, d'après cette règle, le mot qui détermine, qualifie,<br />

complète un autre, est placé après lui. (Ling 1866:IIf.)<br />

Dieser Definition zufolge läuft jede von der SVO-Anordnung abweichende Wortstellung<br />

der logischen Denkweise zuwider. Das heißt, insbesondere die Inversion von Subjekt und<br />

Verb entspräche nicht der logischen Anordnung der Satzglieder. 22 Dieser Feststellung steht<br />

jedoch die ebenfalls auf 'logischen' Überlegungen beruhende Forderung gegenüber, wonach<br />

das Verb nicht von den von ihm abhängigen Satzgliedern, wie z.B. direktes und indirektes<br />

Objekt sowie adverbiale Bestimmung und Prädikatsnomen, getrennt werden darf (Lerch<br />

1934:377). 23 Rogger (1956:226) erläutert diesen Konflikt zwischen SV(O)-Stellung und<br />

Subjekt-Verb-Inversion sehr anschaulich an folgendem Beispiel:<br />

Stellen wir die beiden möglichen Formen eines Hauptsatzes – in gerader und invertierter Folge –<br />

einander gegenüber:<br />

Peu à peu // la campagne d'Egypte se dessinait.<br />

Peu à peu – se dessinait – la campagne d'Egypte.<br />

Der erste Satz weist, zwischen Adverbiale und Subjekt, einen Hiatus auf, der übrigens ohne ersichtliche<br />

Regel durch die Interpunktion markiert oder übergangen werden kann. Der zweite Satz<br />

reiht die Satzteile in fließender Weise so aneinander, daß ein organisches Kontinuum entsteht. Wer<br />

aus Gründen der Logik jegliche Inversion ablehnen möchte, bedenkt zu wenig, daß hier dem Verb<br />

ein Platz zugewiesen ist, der dem 'Verbindungs-Charakter' entspricht, welcher, nach Bally, naturgemäß<br />

seinen – primären – Agens-Charakter kumuliert.<br />

Die Verb-Subjekt-Abfolge in diesem Beispiel läuft folglich keineswegs dem 'logischen'<br />

Denken zuwider, sondern entspricht ihm sogar mehr als die Subjekt-Verb-Abfolge, da das<br />

ad-verbum (Nissen 1943:5) und das Verb innerhalb eines Satzes ein "natürliches Ganzes"<br />

bilden, d.h. "sie sind eine organische Einheit, die erst bei der sprachlichen Gestaltung der<br />

Gesamtvorstellung in mehrere Worte zerfallen" (Haarhoff 1936:8). Nach Haarhoff (1936)<br />

hat dieses Prinzip des "natürlichen Kontakts", das in gleicher Weise auch für die Einheit<br />

von Objekt und Verb gilt, im Altfranzösischen weitgehende Gültigkeit. Die Folge war, dass<br />

im Fall der satzinitialen Stellung von Adverb oder Objekt das Altfranzösische "die sinngemäße<br />

Zusammengehörigkeit von Adverb [oder Objekt] und Verb nicht durch Dazwischen-<br />

22 Ling (1866:III) drückt es umgekehrt aus:<br />

"[...] toute tournure qui n'est pas rigoureusement conforme à l'ordre logique est une inversion [...]."<br />

23 Auf eine Auflistung dessen, was nach Meinung der französischen Grammatiker als logisch zusammengehörig<br />

angesehen wird, muss hier verzichtet werden. Cf. Lerch (1934:366-379) für eine<br />

detaillierte Zusammenstellung und Diskussion.


stellen eines anderen Satzgliedes trennen [mochte] und [...] daher gehalten [war], das Subjekt<br />

dem Prädikat folgen zu lassen" (Haarhoff 1936:8). 24<br />

Trotz dieser Beobachtung macht Haarhoff (1936:8) "logische Prinzipien" für die "Zerstörung<br />

der Kontaktstellung" im Französischen verantwortlich. Sie begründet dies mit einem<br />

– durch die Grammatiker forcierten – Streben "nach einem Satzbau, der von rationalistischer<br />

Ordnung beherrscht war" (Haarhoff 1936:8). Auch nach Ansicht von Lerch<br />

(1934:268) ist der Rückgang der Inversion im Französischen das "Werk bewußter Überlegung"<br />

durch die Grammatiker. Seinen Beobachtungen zufolge setzt sich die Entwicklung<br />

zur Subjekt-Verb-Stellung vor allem in Sätzen mit transitiven Verben durch, da die Inversion<br />

in diesen Sätzen (wie z.B. Alors avait Richard vingt ans) die Trennung von Verb und<br />

Objekt bewirkt. 25 In Sätzen mit intransitiven Verben kommt es im Fall einer Inversion hingegen<br />

nicht zu einem Konflikt zwischen verschiedenen logischen Ordnungen. Dennoch<br />

setzt sich auch hier die Subjekt-Verb-Stellung vor allem dann durch, wenn das Subjekt<br />

pronominal ist:<br />

So erscheint nun auch der heutige Wechsel zwischen Inversion und Nicht-Inversion als ein Kompromiß<br />

zwischen dem Bestreben, die Inversion zu beseitigen, und der natürlichen, immer wieder<br />

durchbrechenden Neigung, zu invertieren. Bei pronominalem Subjekt hat das Bestreben, die<br />

Inversion zu beseitigen, im allgemeinen gesiegt; nicht dagegen bei substantivischem Subjekt. Der<br />

Grund dürfte darin liegen, daß in diesem Falle (z.B. Alors le général parut) eine stärkere Trennung<br />

des natürlichen Zusammenhangs zwischen Adverb und Verbum u. dgl. eintritt als bei pronominalem<br />

Subjekt (Alors il parut), wo nur ein kurzes Pronomen zwischengeschoben wird. Das substantivische<br />

Subjekt ist dagegen mitunter sehr lang (z.B. Alors parut le général qui ...). (Lerch<br />

1934:436f.)<br />

Einen Grund dafür, dass im Französischen die Inversion bis heute erhalten geblieben ist,<br />

sieht Lerch (1934:436) nicht nur in der "natürlichen Neigung zur Inversion", sondern auch<br />

darin, dass die Inversion von den Grammatikern bislang nur sehr halbherzig bekämpft<br />

wurde. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass selbst bei der pronominalen Inversion<br />

nicht konsequent verfahren wurde, da sie nach bestimmten Adverbien weiterhin erlaubt sei<br />

(Lerch 1934:448). Lerch (1934:436) weist darauf hin, dass die Grammatiker den Gebrauch<br />

der Inversion zwar in bestimmten Fällen beanstandet, jedoch nie ein "allgemeines Verbot"<br />

ausgesprochen hätten. Die Inkonsequenz der Grammatiker zeigt sich für Lerch (1934:437f.)<br />

außerdem darin, dass selbst in Texten von Malherbe und Vaugelas Inversionskonstruktionen<br />

zu finden sind, teilweise sogar solche, die sie bei anderen beanstandet haben.<br />

24 Ebenso entspricht es 'logischen' Prinzipien, wenn die Inversion dazu dient, an den umittelbar vorangehenden<br />

Satz anzuschließen, wie etwa Rogger (1956:226) betont:<br />

"Die Inversion gestattet auch häufig, denjenigen Satzteil, der an den Gegebenheiten des vorhergehenden<br />

Satzes anschließt, an die Spitze zu nehmen und 'organisch an ihn anzuschließen'. (Dieses<br />

'rattachement' [...] war im Altfrz. darum ungleich wichtiger, weil hier auch direkte und indirekte<br />

Nominal-Objekte den Satz einleiten konnten.)"<br />

25 Lerch (1934:432) weist darauf hin, dass diese Trennung durch eine mögliche satzfinale Stellung<br />

des Subjekts, wie in Alors avait vingt ans Richard, vermieden werden könnte. Dies entspräche<br />

dann zwar der logischen Wortstellung, hätte jedoch gleichzeitig die Hervorhebung des Subjekts<br />

zur Folge.<br />

87


88<br />

3.3.3.4 Morphosyntaktische Faktoren<br />

Wie bereits in Abschnitt 3.2 kurz erwähnt, macht Diez (1882:1092) für den Wandel der<br />

Wortstellung bei der Herausbildung der romanischen Sprachen aus dem Lateinischen vor<br />

allem den "Verlust der Casusflexion" verantwortlich, "welcher ihnen der in diesem Puncte<br />

fast schrankenlosen Freiheit der classischen Schreibart zu folgen verbot". Im Altfranzösischen<br />

ist die Nominalflexion allerdings noch in reduzierter Form als Zwei-Kasus-Flexion<br />

erhalten geblieben, was in vielen Analysen des Altfranzösischen als Grund für die vermeintliche<br />

Freiheit der Stellung der Nominalkonstituenten gesehen wird. Entsprechend<br />

wird die Fixierung der Wortstellung auf den Verlust der Nominalflexion zurückgeführt.<br />

Einer der ersten, der diesen Zusammenhang formuliert, ist Le Coultre (1875:7):<br />

En effet, le français moderne ne pouvant plus distinguer par la flexion le sujet de l'objet, sera forcé<br />

de les distinguer par la place des termes: de là, un ordre des mots presque invariable. Le vieux<br />

français avait deux cas, le nominatif et l'accusatif, dont le premier subsista jusqu'au XIV e siècle.<br />

Seither ist diese These vielfach wiederholt worden (Meyer-Lübke 1899:797f., Foulet<br />

1928:37f., Brunot / Bruneau 1949:485). Gleichzeitig ist aber in sehr vielen traditionellen<br />

Arbeiten aber auch heftig dagegen argumentiert worden (Lerch 1934:267, Wundt 1912:377,<br />

Kuttner 1929:19). Lerch (1934:267-270) stellt einige der wichtigsten Argumente gegen die<br />

"irrige Meinung" zusammen, dass der Wortstellungswandel im Französischen auf den<br />

Verlust des Zweikasussystems zurückzuführen sei. Das überzeugendste Argument ist zweifellos<br />

der Hinweis darauf, dass sich die strenger festgelegte Wortstellung erst im 16. Jhdt.<br />

allmählich durchzusetzen beginnt, also zwei Jahrhunderte nachdem das Zweikasussystem<br />

aufgegeben worden ist bzw. sich die letzten Spuren des Zweikasussystems nachweisen<br />

lassen. Lerch weist außerdem darauf hin, dass im Altfranzösischen nur bei maskulinen<br />

Nomina eine formale Unterscheidung zwischen Rektus und Obliquus existierte. Dennoch<br />

war im Altfranzösischen die Bildung von Sätzen wie La rose la reïne prent oder La reïne la<br />

rose prent möglich, obwohl weder aus der Kasusmarkierung noch der Wortstellung hervorgeht,<br />

welches der Nomina die Subjekt- bzw. Objektsfunktion trägt. Ein weiteres Argument<br />

von Lerch ist der Hinweis auf andere romanische Sprachen, wie das Spanische oder Italienische,<br />

die "von Anfang an keinen Unterschied zwischen Subjekts- und Objektskasus besitzen<br />

und dennoch die Wortstellung nicht so streng geregelt haben wie das Französische"<br />

(Lerch 1934:269). Schließlich wendet Lerch gegen Le Coultres These ein, dass im<br />

Neufranzösischen gerade in den Fällen, in denen noch eine morphologische Kasusunterscheidung<br />

existiert, nämlich bei den Pronomina, die Inversion relativ selten, während sie<br />

beim Substantiv verhältnismäßig häufig ist.<br />

Diese Einwände sprechen klar gegen den behaupteten Zusammenhang zwischen Wortstellung<br />

und der morphologischen Kasusmarkierung im Altfranzösischen und dessen Entwicklung<br />

zum Neufranzösischen. Anders verhält es sich möglicherweise mit der Annahme,<br />

dass die altfranzösische Wortstellung durch syntaktische Faktoren geregelt ist. Dies ist, wie<br />

bereits gezeigt, die Auffassung von Thurneysen (1892:304), dessen Analyse zufolge aus<br />

einer rein rhythmischen Anordnung der Satzglieder im Altfranzösischen per Analogiebildung<br />

bereits "in frühromanischer Zeit ein syntaktisches Prinzip" geworden war.<br />

Wie bereits erwähnt, findet Thurneysens Arbeit und damit dessen Annahme einer syntaktisch<br />

bedingten Wortstellung im Altfranzösischen in der traditionellen Romanistik nur<br />

wenig Beachtung. Für die generative historische Syntax des Französischen stellt sie aller-


dings eine der zentralen Annahmen dar und bildet den Ausgangspunkt für die meisten generativen<br />

Untersuchungen des Wortstellungswandels im Französischen.<br />

3.3.4 Generative Erklärungsansätze<br />

Im Gegensatz zu den traditionellen Studien der Entwicklung der Wortstellung im Französischen,<br />

die häufig eine synchronische Bestandsaufnahme bestimmter Sprachepochen vornehmen,<br />

widmen sich die meisten generativen Untersuchungen primär dem diachronischen<br />

Wandel, der im Verlauf der Entwicklung vom Alt- zum Neufranzösischen eingetreten ist.<br />

Wie bereits erwähnt besteht die zentrale These aller generativen Analysen darin, dass das<br />

Altfranzösische eine Verb-Zweit-Sprache gewesen ist und somit durch eine strenge Verb-<br />

Zweit-Stellung gekennzeichnet war. Die ersten Analysen, in denen versucht wird, dies im<br />

Rahmen der generativen Prinzipien- und Parametertheorie zu erfassen, stammen von<br />

Benincà (1983/84), Vanelli / Renzi / Benincà (1985) und Adams (1987a,b). Darin wird die<br />

von Thiersch (1978) für das Deutsche entworfene Analyse auf das Altfranzösische (und<br />

andere frühromanische Sprachen) übertragen. Das heißt, es wird angenommen, dass das<br />

finite Verb in Matrixsätzen in die Position bewegt wird, in der in Nebensätzen die subordinierende<br />

Konjunktion generiert ist (Adams 1987a:8):<br />

(32) CP<br />

SpezCP C'<br />

X max C 0 IP<br />

Vi NP I'<br />

(Subj.) I 0 VP<br />

ti V NP<br />

ti (Obj.)<br />

Zu einer ähnlichen Analyse gelangt auch Roberts (1993). Ausgehend von der 'Split INFL'-<br />

Hypothese nimmt er an, dass die Verbstellung in altfranzösischen Matrixsätzen das Ergebnis<br />

einer Bewegung des finiten Verbs über T 0 und Agr 0 nach COMP ist. Eine zusätzliche<br />

Bestätigung für eine Verb-nach-COMP-Bewegung sehen Benincà (1983/84) und Adams<br />

(1987a,b) darin, dass dadurch das ihrer Ansicht nach weitgehend auf Matrixsätze beschränkte<br />

Auftreten von Verb-Zweit-Effekten sowie von Nullsubjekten im Altfranzösischen<br />

(und anderen frühromanischen Sprachen) erfasst werden kann: 26<br />

La diferenza fra principali e dipendenti nelle nostre lingue si riduce alla possibilità di omettere il<br />

soggetto nelle principali, e non nelle dipendenti, e alla possibilità, molto più generalizzata nelle<br />

26 Beide Annahmen müssen später – wie weiter unten gezeigt werden wird – revidiert werden, da sie<br />

sich als empirisch nicht haltbar erweisen.<br />

89


90<br />

principali che nelle dipendenti, di avere un costituente diverso dal sogetto davanti al verbo. I due<br />

aspetti possono essere connessi, e riportati al fatto che nelle principali, e non nelle dipendenti, il<br />

verbo si sposta sotto un nodo superiore a F[rase] [= IP, GAK]. (Benincà 1983/84:187f.)<br />

Adams (1987a:12ff.) versucht, diese vermutete Hauptsatz-Nebensatz-Asymmetrie bezüglich<br />

des Auftretens leerer Subjekte durch die Annahme zu erfassen, dass im<br />

(Alt)Französischen ein leeres Subjekt pro nur dann lizensiert ist, wenn es kanonisch, d.h.<br />

von einem links stehenden lexikalischen Kopf, regiert wird. Dies ist im Altfranzösischen<br />

dadurch gewährleistet, dass das finite Verb nach COMP angehoben wird und dort ein potentielles<br />

leeres Subjekt in der SpezIP-Position regieren kann. Das Auftreten leerer Subjekte<br />

ist demzufolge von der Verb-Zweit-Stellung abhängig. Dieser Zusammenhang wird in<br />

ähnlicher Weise auch in anderen generativen Analysen hergestellt. Roberts (1993:124)<br />

nimmt an, dass referentielle Null-Subjekte im altfranzösischen Matrixsätzen dadurch – und<br />

nur dadurch – lizensiert sind, dass sie von Agr 0 regiert sind. Dies ist seiner Analyse zufolge<br />

dadurch gegeben, dass im Altfranzösischen das Merkmal [+Agr 0 ] in COMP generiert ist,<br />

wodurch nicht nur die Anhebung des finiten Verbs bewirkt, sondern auch ein mögliches<br />

leeres Pronomen in der Subjektsposition regiert wird. Die Aufgabe der Verb-nach-COMP-<br />

Bewegung bzw. der Generierung des Merkmals [+Agr 0 ] in COMP führt demnach zwangsläufig<br />

dazu, dass das Französische die Eigenschaft zur Lizensierung von Null-Subjekten<br />

verliert.<br />

Als ausschlaggebend für diese Aufgabe wird die Tatsache angesehen, dass das Alt- bzw.<br />

Mittelfranzösische eine zugrunde liegende SVO-Wortstellung aufwies. Die Folge davon ist,<br />

dass die durch ein Subjekt eingeleiteten Matrixsätze die gleiche oberflächliche SV(X)-Stellung<br />

aufweisen wie Nebensätze mit einem initialen Subjekt. Die zugrunde liegende Struktur<br />

dieser Sätze ist jedoch unterschiedlich:<br />

(33) (a) Hauptsatz: [CP Sj [C' Vi [IP tj ti O]]]<br />

(b) Nebensatz: [CP [C' Konj. [IP S V O]]]<br />

Für die Kinder, die solche Sätze in ihrem Input hören, sind Matrixsätze mit einer SV(X)-<br />

Stellung demzufolge hinsichtlich ihrer Struktur ambig, da sie sowohl mit einer abgeleiteten<br />

Struktur, in der das Verb nach COMP bewegt wird, als auch mit der Struktur von Nebensätzen<br />

vereinbar sind, in der diese Bewegung nicht existiert. Diese Ambiguität – verbunden<br />

mit der Tatsache, dass SV(X)-Sätze sowohl in Matrix- als auch in Nebensätzen den häufigsten<br />

Satztyp bilden – wird daher für den Verb-Zweit-Verlust im Französischen verantwortlich<br />

gemacht:<br />

En effet, toute proposition SV(X) en surface peut représenter l'ordre de base ou une structure V2<br />

avec antéposition du sujet. Or, cette séquence est la plus neutre et la plus fréquente en principale et<br />

encore davantage en subordonnée. Cette prépondérance de SV(X) favorise une réanalyse dans<br />

laquelle le sujet apparaît obligatoirement devant le verbe, d'où la chute de V2. (Côté 1995:183f.)<br />

Es wird angenommen, dass zu einem gegebenen Zeitpunkt des Alt- bzw. Mittelfranzösischen<br />

Kinder dazu übergingen, den Matrixsätzen mit einer SV(X)-Stellung nicht – im Gegensatz<br />

zu ihren Eltern – eine abgeleitete Struktur zuzuordnen, sondern in Analogie zur<br />

Struktur der Nebensätze als Sätze mit einer Struktur ohne V-nach-COMP-Anhebung zu<br />

reanalysieren (Adams 1987a:25, Roberts 1993:158):


(34) Reanalyse altfranzösischer SV(O)-Matrixsätze:<br />

Elterngrammatik Kindergrammatik<br />

[CP Sj [C' Vi [IP tj ti O]]] → [IP SVO]<br />

Einen zusätzlichen Grund dafür, dass sich Kinder für eine solche Reanalyse entscheiden,<br />

sieht Roberts (1993:156) darin, dass der kindliche Erstspracherwerb durch die so genannte<br />

"Least Effort Strategy" geleitet ist. Es handelt sich bei dieser Strategie um eine Art 'loi du<br />

moindre effort', die Roberts – in Anlehnung an Chomsky (1991) – auf mentale Verarbeitungsprinzipien<br />

zurückführt. Sie besagt, dass Kinder während des Spracherwerbs versuchen,<br />

möglichst solche Strukturen zu verwenden und letztendlich zu erwerben, die mental<br />

leicht(er) zu verarbeiten sind. Roberts geht dabei davon aus, dass die in der (generativen)<br />

Grammatiktheorie angenommenen und postulierten Bewegungsoperationen mit der mentalen<br />

Verarbeitung von Sprache korrelieren. Er nimmt also an, dass Kinder möglichst diejenigen<br />

Strukturen verwenden und erlernen, die die geringste Zahl von Bewegungen (bzw.<br />

Kettenbildungen) erfordern. Allerdings liefert er keinerlei empirische Evidenz für diese<br />

Annahme. Sie ist außerdem insofern äußerst problematisch, als dadurch den auf der<br />

Grundlage der generativen Grammatiktheorie entwickelten Strukturen eine psychologische<br />

Realität zugestanden wird, die bisher weder nachgewiesen werden konnte noch durch die<br />

Theorie intendiert ist.<br />

Die unmittelbare Konsequenz dieser Reanalyse ist nach Ansicht von Adams der Verlust<br />

der Null-Subjekt-Eigenschaft im Französischen. Kinder, die diese Reanalyse durchgeführt<br />

haben, können Nullsubjekte nicht mehr lizensieren, da deren kanonische Rektion durch das<br />

Verb nicht mehr gegeben ist. Adams (1987a:26) betont, dass die Reanalyse in (34) nicht<br />

von allen Kindern einer Generation gleichzeitig durchgeführt wurde, sondern sich erst allmählich<br />

durchgesetzt hat. SV(X)-Sätze können daher über einen längeren Zeitraum hinweg<br />

entweder eine abgeleitete oder eine reanalysierte Struktur aufweisen, ohne dass dies zu<br />

Missverständnissen führt, da sie oberflächlich identisch sind. Nach Ansicht von Adams<br />

(1987a:26) setzt sich die neue Struktur letztendlich deshalb durch, weil auf Grund der Reanalyse<br />

die Zahl der Sätze mit einer eindeutigen Verb-Zweit-Struktur abnimmt und die<br />

Anzahl der SV(X)-Sätze zunimmt:<br />

So one individual's SVO main clause order may be derived and another's basic with no one the wiser<br />

because the only surface structure difference will be one of proportion: a greater variety of V2<br />

orders in the one case, more frequent SVO order in the other. Thus not all children of any one generation<br />

need reanalyze, nor would such a thing be likely, but children who do will be apt to get<br />

away with it. Change, then, may be quite slow and imperceptible. Nonetheless once reanalysis begins<br />

to take place its spread should be inevitable. This is so because reanalysis itself, by altering<br />

surface structure proportions, creates more positive evidence in favor of reanalysis.<br />

Auch Roberts (1993:144-160) nimmt an, dass der Wandel, der zur Aufgabe der Verb-<br />

Zweit-Stellungseigenschaft im Französischen führt, sehr langwierig ist und sich über mehrere<br />

Jahrhunderte hinweg vollzieht. Anders als Adams ist er allerdings der Ansicht, dass<br />

einzelne Sprecher, die bereits die nicht abgeleitete Struktur in (34) erworben haben, weiterhin<br />

gleichzeitig in der Lage sind, Sätze in der abgeleiteten Struktur zu verwenden. Demzufolge<br />

betrachtet Roberts (1993:197) das Mittelfranzösische als eine "optional V2 language",<br />

in der den einzelnen Sprechern generell beide Strukturoptionen zur Verfügung standen.<br />

Gleichwohl beobachtet auch er im Mittelfranzösischen einen allmählichen Rückgang von<br />

Sätzen mit einer Verb-Zweit-Struktur und gleichzeitig eine Zunahme von Sätzen mit einer<br />

91


92<br />

SVO- und Verb-Dritt-Stellung. Zur endgültigen Aufgabe der Verb-Zweit-Bewegung und<br />

damit zum endgültigen Verschwinden von XVS-Sätzen und auch von SV(X)-Sätzen mit<br />

einer abgeleiteten Struktur kommt es nach Roberts (1993:187) erst nach dem Ende der<br />

mittelfranzösischen Periode. Er macht dafür einen parametrischen Wandel hinsichtlich der<br />

Art und Weise, wie in einer Einzelsprache Nominativkasus zugewiesen wird, verantwortlich.<br />

Roberts (1993:18ff.) beruft sich hierbei auf das Modell von Koopman / Sportiche<br />

(1991), wonach zwischen zwei Arten der Zuweisung des Nominativkasus unterschieden<br />

werden kann:<br />

(35) (a) Nominativzuweisung durch Spezifizierer-Kopf-Kongruenz:<br />

[CP [AGRP Subj.j [AGRP' V-Agr 0 i] [TP tj ti [VP tj ti]]]]<br />

(b) Nominativzuweisung durch Rektion:<br />

[CP XP [C' V-Agr 0 i] [AGRP Subj.j [AGRP' ti] [TP tj ti [VP tj ti]]]]<br />

Entsprechend diesen beiden Mechanismen kann nach Ansicht von Roberts (1993:27) folgender<br />

Parameter der Nominativzuweisung formuliert werden:<br />

(36) (a) Agr 0 weist Nominativ unter Rektion zu? ja / nein<br />

(b) Agr 0 weist Nominativ unter Kongruenz zu? ja / nein<br />

Der entscheidende Unterschied zwischen Alt- und Neufranzösisch besteht nach Ansicht<br />

von Roberts (1993:81f.) in der Wahl des Parameterwertes in (36)(a). Im Alt- und auch im<br />

Mittelfranzösischen ist der Wert auf 'ja', im Neufranzösischen hingegen auf 'nein' festgelegt.<br />

Hinsichtlich der Option in (36)(b) tritt keine Änderung ein. Hier weisen sowohl das<br />

Alt- und Mittelfranzösische als auch das Neufranzösische den Wert 'ja' auf. Das Neufranzösische<br />

hat demzufolge die Möglichkeit der Nominativzuweisung unter Rektion verloren<br />

(Roberts 1993:187).<br />

Die Gründe dafür, dass es im frühen Neufranzösischen zu einem Wechsel hinsichtlich<br />

der Festlegung des Parameterwertes in (36)(a) gekommen ist, sind der Analyse von Roberts<br />

zufolge sehr vielschichtig und komplex. Ebenso wie Adams sieht er in der zugrunde liegenden<br />

SV(X)-Wortstellung und einer angeblich damit verbundenen Häufigkeit von Sätzen<br />

mit einer SV(X)-Stellung die notwendige Voraussetzung für das Einsetzen der Reanalyse.<br />

Damit wird versucht, dem Umstand gerecht zu werden, dass es in Verb-Zweit-Sprachen mit<br />

einer zugrunde liegenden Verb-End-Stellung, wie z.B. dem Deutschen, bisher nicht zu einer<br />

solchen Reanalyse gekommen ist. Allerdings wäre in den Verb-Zweit-Sprachen des skandinavischen<br />

Festlandes eine ähnliche Entwicklung wie im Französischen zu erwarten, da<br />

diese ebenfalls eine zugrunde liegende SV(X)-Stellung besitzen und damit sowohl in Matrix-<br />

als auch in Nebensätzen eine SV(X)-Stellung aufweisen.<br />

Da diese Entwicklung bislang nicht eingetreten ist, räumt Adams (1989:13) ein, dass die<br />

"simple frequency of SVO order" (in Haupt- und Nebensätzen) keine hinreichende Voraussetzung<br />

für den Verlust der Verb-Zweit-Stellung im Altfranzösischen gewesen sein kann.<br />

Es müssen zusätzliche Veränderungen im Laufe des französischen Sprachwandels eingetreten<br />

sein, die zu dieser Reanalyse geführt haben. Ihrer Ansicht nach handelt es sich hierbei<br />

um Veränderungen im prosodischen und rhythmischen Bereich, die in dieser Form in<br />

den skandinavischen Sprachen nicht eingetreten sind. Für Roberts (1993) hingegen sind<br />

morphologische Unterschiede im Bereich der Verbalflexion zwischen den skandinavischen<br />

Sprachen und dem Altfranzösischen ausschlaggebend für die unterschiedliche Entwicklung


dieser Sprachen. Einer anderen, von Vance (1989, 1995, 1997) vorgeschlagenen Analyse<br />

zufolge, die hier auch betrachtet werden soll, hat der Wandel der französischen Verbstellung<br />

seine Ursache in der Möglichkeit des Französischen, Subjekte 'frei' zu invertieren.<br />

3.3.4.1 Prosodische und rhythmische Faktoren<br />

Bei der Diskussion prosodischer Faktoren wird auch auf frühere traditionelle Analysen zurückgegriffen,<br />

in denen auf verschiedene Veränderungen der prosodischen Verhältnisse im<br />

Französischen hingewiesen wird. Diese Veränderungen betreffen – neben dem Verlust der<br />

enklitischen Bindungseigenschaften der klitischen Objektspronomina – vor allem die (allmähliche)<br />

Aufgabe des satzinitialen Akzents. Kroch (1989:213f.) sieht darin den Grund für<br />

den Verlust der Verb-Zweit-Stellung im Französischen. Er nimmt an, dass durch diesen<br />

Akzentverlust die satzinitiale Position nicht mehr für Topikalisierungen von Nicht-Subjekten<br />

zur Verfügung steht, da diese dort nicht mehr die notwendige Betonung erhalten können.<br />

Stattdessen müssen nun topikalisierte Nicht-Subjekte in eine Position außerhalb des<br />

eigentlichen Satzes bewegt werden und mit einem Pronomen innerhalb des Satzes koreferent<br />

sein. Kroch (1989:213) betont allerdings, dass solche Verb-Dritt-Sätze nicht die angenommene<br />

Verb-Zweit-Grammatik des Altfranzösischen verletzen:<br />

Suppose then that the change in the phrasal accent forces preposed constituents to move from the<br />

topicalization position to the position of left dislocation. The result will be that the preposed constituents<br />

no longer function as verb-second triggers and sentences will appear to be verb-third.<br />

However, they will not violate the verb-second grammar since left-dislocated elements do not<br />

count for the verb-second constraint. The topicalization position will be filled by the subject of<br />

each sentence, the only noun phrase that can be topicalized without being stressed in verb-second<br />

languages.<br />

Eine Folge dieses prosodischen Wandels besteht nach Ansicht von Kroch darin, dass die<br />

Häufigkeit von Sätzen mit einer Subjekt-Verb-Inversion abnimmt. Außerdem beobachtet<br />

Kroch (1989:213) in Sätzen mit satzinitialen nominalen Komplementen einen "additional<br />

effect", nämlich ein zunehmendes Auslassen des mit diesen Komplementen koreferenten<br />

Pronomens, so dass diese Sätze nicht mehr als Linksdislokation erkennbar sind. Kroch<br />

(1989:213) vermutet, dass diese durch prosodische Veränderungen ausgelösten Entwicklungen<br />

schließlich zur Aufgabe der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Französischen<br />

führen, da hierfür keine ausreichende positive Evidenz mehr im erwachsenensprachlichen<br />

Input vorhanden ist:<br />

Over time, the number of sentences which provide positive evidence for the verb-second constraint<br />

will decline relative to those [...], which are also consistent with a simple SVO grammar. Eventually,<br />

the absence of sufficient evidence will trigger a grammatical reanalysis and subject-inversion<br />

will no longer be possible.<br />

Eine weitere, mit der Aufgabe des satzinitialen Akzents verbundene prosodische Veränderung<br />

betrifft die Subjektspronomina, die ihre ursprüngliche Eigenschaft als selbstständige<br />

Wörter allmählich verlieren und sich zunehmend klitisch an das finite Verb binden. Uneinigkeit<br />

besteht hier vor allem bei der Bestimmung des Zeitpunkts dieses Wandels. Unumstritten<br />

ist demgegenüber die Annahme, dass der Klitisierungsprozess zunächst bei den<br />

postverbal auftretenden Subjektspronomina einsetzt, die bereits im frühen Altfranzösischen<br />

93


94<br />

stets an das finite Verb gebunden sein müssen (Foulet 1928:150, Skårup 1975:62). Die Kli-<br />

tisierung der präverbalen Subjektspronomina hingegen setzt erst im Laufe des Altfranzösischen<br />

ein (Skårup 1975:35). Allerdings können bereits im Altfranzösischen des 13.<br />

Jhdts., wie etwa Moignet (1976:128) zeigt, i.d.R. nur noch "quelques mots grammaticaux<br />

atones" zwischen einem präverbalen Subjektspronomen und dem Verb auftreten. Etwa zur<br />

gleichen Zeit bildet sich ein neues Paradigma der ungebundenen Subjektspronomina heraus<br />

(Foulet 1935/36, Skårup 1975).<br />

Für Adams (1989) und Platzack (1995) ist die Klitisierung der präverbalen Subjektspronomina<br />

im Zusammenspiel mit dem Verlust des satzinitialen Akzents der entscheidende<br />

Faktor dafür, dass es im Französischen zu einer Reanalyse der SV(X)-Matrixsätze gekommen<br />

ist. Nach Ansicht der beiden Autoren hat die zunehmende Klitisierung der Subjektspronomina<br />

zur Folge, dass diese in das finite Verb inkorporiert und zusammen mit dem<br />

Verb in die COMP-Position bewegt werden können. Damit erklärt sich für beide Autoren<br />

das im Mittelfranzösischen verstärkt zu beobachtende Auftreten von Sätzen wie (37), in<br />

denen das finite Verb in der oberflächlichen Drittposition erscheint (Platzack 1995:209):<br />

(37) mfr. En verité, il a esté et est bon valeton<br />

in Wahrheit er ist gewesen und ist guter (kleiner)-Diener<br />

(jds, 68,16) (Vance 1989:200)<br />

Ausschlaggebend für den Wortstellungswandel im Französischen ist gemäß der Analyse<br />

von Adams und Platzack die Tatsache, dass die Struktur eines solchen Satzes ambig ist und<br />

zwei mögliche Interpretationen zulässt (Platzack 1995:209): 27<br />

(38) (a) [CP En verité [C' [COMP ili+aj]k [IP ei[I' ek] [VP ei [V' ej] esté et ...]]]]<br />

(b) [IP En verité [IP ili [INFL aj] [VP ei [V' ej] esté et ...]]]<br />

Adams (1989) und Platzack (1995) vermuten, dass Kinder, die einen Satz wie (37) in ihrem<br />

Input hören, nicht erkennen, dass es sich bei dem Subjektspronomen um ein in das finite<br />

Verb inkorporiertes Klitikon handelt. Sie interpretieren es stattdessen als eine vollständige<br />

Konstituente und analysieren daher eine Satz wie (37) als einen Satz mit einer Verb-Dritt-<br />

Stellung:<br />

(39) Erwachsenengrammatik Kindergrammatik<br />

[CP (XP) [C' [COMP SKl+Vi]] [IP ti]] → [(XP) [IP SKl-V]]<br />

Nach Ansicht von Platzack (1995) wird in einem weiteren Schritt diese Reanalyse auf Sätze<br />

übertragen, die ein nominales Subjekt enthalten. Dies hält Platzack deshalb für möglich,<br />

weil seinen Beobachtungen zufolge der Anteil von Sätzen mit nicht pronominalen Subjekten<br />

in der gesprochenen Umgangssprache, insbesondere in der Sprache mit Kindern, sehr<br />

gering ist. Platzack (1995:209f.) vermutet, dass aus diesem Grund Kinder, die einem solchen<br />

Input ausgesetzt sind, diese Sätze ignorieren und den Parameterwert für die Verb-<br />

Zweit-Stellung schließlich umsetzen:<br />

[...] we know from studies of modern verb-second languages that the number of sentences with<br />

non-pronominal subjects is low, [...] and we can infer that the number of sentences with inverted<br />

non-pronominal subjects must have been even lower. In such a situation it is conceivable that<br />

27 Platzack (1995) illustriert dies an Hand eines Beispiels aus dem Mittelenglischen. Er nimmt an,<br />

dass der gleiche Prozess auch im Französischen zum Abbau der Verb-Zweit-Stellung geführt hat.


many children selected the minus value of the verb-second parameter, realizing the finiteness feature<br />

in I 0 instead of in C 0 .<br />

Diese Analyse weist allerdings eine Reihe empirischer Inadäquatheiten auf. Gemäß dieser<br />

Analyse wäre nämlich zu erwarten, dass es im Alt- bzw. Mittelfranzösischen eine – möglicherweise<br />

sehr kurze – Phase gegeben hat, in der lediglich prononimale, nicht jedoch nominale<br />

Subjekte in Zweitposition aufgetreten sind. Eine solche Phase kann Platzack jedoch<br />

nicht nachweisen. Er beruft sich lediglich auf Beobachtungen von Vance (1989:152-164),<br />

wonach in alt- und mittelfranzösischen Verb-Dritt-Stellungen wesentlich häufiger pronominale<br />

als nominale Subjekte zwischen der satzinitialen Konstituente und dem finiten Verb<br />

auftreten. Platzack (1995:213) sieht darin eine Bestätigung seiner Hypothese, "that there<br />

has existed a period of time in O[ld]F[rench]/M[iddle]F[rench] when the parents used pronominal<br />

subject clitics but not nominal subjects between the topic and the tensed verb".<br />

Andere empirische Untersuchungen widersprechen dieser Behauptung. In einer Untersuchung<br />

von sechs mittelfranzösischen Texten kommen Lemieux / Dupuis (1995) zu dem Ergebnis,<br />

dass Verb-Dritt-Stellungen keineswegs häufiger mit pronominalen als mit nominalen<br />

Subjekten zu beobachten sind. Die beiden Autorinnen zeigen außerdem, dass in einem<br />

dieser Texte sowohl Subjektspronomen als auch Nomen im gleichen Kontext zwischen<br />

satzinitialer Konstituente und finitem Verb erscheinen:<br />

(40) mfr. (a) Briefment il court par la maison<br />

schnell er läuft durch das Haus<br />

(qjm 6,123) (Lemieux / Dupuis 1995:103)<br />

(b) Briefment, le pouvre corps de lui n' avra jamés repoux [...]<br />

Kurz der arme Körper von ihm NEG haben-wird nie Ruhe<br />

(qjm 12,101-102) (Lemieux / Dupuis 1995:103)<br />

Lemieux / Dupuis (1995:103) deuten diese Beobachtungen dahingehend, dass es keine<br />

"clear cut difference between those [violations] that show up with pronouns [...] or with<br />

nouns [...]" gegeben hat. Es gibt ihrer Ansicht nach auch keine Evidenz dafür, dass Pronomina<br />

früher in solchen Verb-Dritt-Kontexten aufgetreten sind. Unter Hinweis auf eine unveröffentlichte<br />

Studie von M. Dufresne vermuten sie sogar, dass – entgegen der Hypothese<br />

Platzacks – vielmehr das Gegenteil der Fall ist, da in dieser Arbeit beobachtet wird, dass in<br />

den ersten altfranzösischen Verb-Dritt-Stellungen häufiger Subjektsnomina als Pronomina<br />

in der Zweitposition auftreten (Lemieux / Dupuis 1995:101).<br />

3.3.4.2 Morphophonologische Faktoren<br />

Ähnlich wie in vielen traditionellen Untersuchungen werden auch in generativen Analysen<br />

häufig morphologische Faktoren für den Wortstellungswandel im Französischen angeführt.<br />

Im Unterschied zu den traditionellen Ansätzen wird die Ursache für den Wandel allerdings<br />

weniger im Verlust der nominalen Flexionsmerkmale als vielmehr im allmählichen Abbau<br />

der verbalen Flexions- und Kongruenzmerkmale gesehen (Hulk / van Kemenade 1995).<br />

Morphophonologische Faktoren spielen insbesondere bei der Analyse von Roberts<br />

(1993) eine entscheidende Rolle. Sie sind nach Ansicht von Roberts für die Aufrechterhaltung<br />

der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft in den festlandskandinavischen Sprachen trotz<br />

deren zugrunde liegender SVX-Stellung ausschlaggebend. Roberts Argumentation basiert<br />

auf der Beobachtung, dass diese Sprachen keine morphologischen Kongruenzmerkmale am<br />

Verb besitzen. Unter Berufung auf Holmberg / Platzack (1990) nimmt Roberts (1993:35f.)<br />

95


96<br />

an, dass in diesen Sprachen daher keine Verb-nach-INFL-Bewegung erfolgt. In finiten<br />

Matrixsätzen wird daher das Verb direkt nach COMP angehoben, während in Nebensätzen<br />

das Verb in V verbleibt (Holmberg / Platzack 1990:101). Somit gibt es nach Ansicht von<br />

Roberts (1993:152) für Kinder keinen Anlass, in diesen Sprachen SV(X)-Matrixsätze als<br />

Sätze mit einer V-nach-INFL-Bewegung zu reanalysieren.<br />

Außerdem tragen der Analyse von Roberts zufolge morphophonologische Faktoren auch<br />

zum Verlust der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft des Französischen bei. Roberts<br />

(1993:185ff.) vermutet, dass hierbei morphophonologische Änderungen, die die Kasuszuweisungseigenschaften<br />

und die Lizensierungsbedingungen für Null-Subjekte betreffen, eine<br />

ausschlaggebende Rolle spielen. Allerdings werden diese Veränderungen nicht als Auslöser<br />

des Wandels angesehen, sondern es wird angenommen, dass sie in entscheidender Weise<br />

dazu beigetragen haben, dass die Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Französischen endgültig<br />

aufgegeben worden ist. Roberts Analyse basiert auf der Annahme, dass im Laufe des<br />

Mittelfranzösischen ein Wandel hinsichtlich der formalen Lizensierungseigenschaften für<br />

leere Subjekte eingetreten ist. Dieser Wandel besteht darin, dass im Mittelfranzösischen<br />

Null-Subjekte nicht nur in Kontexten auftreten konnten, in denen sie von Agr 0 regiert waren,<br />

sondern auch in Kontexten, in denen sie in einer Spezifizierer-Kopf-Kongruenz-Beziehung<br />

zu Agr 0 standen. Für das Altfranzösische hingegen postuliert Roberts (1993:125), dass<br />

Null-Subjekte nur unter Rektion lizensiert sein konnten. 28 Durch diese Annahme des Wandels<br />

der Lizensierungseigenschaften möchte Roberts der Tatsache gerecht werden, dass im<br />

Mittelfranzösischen als Folge der Reanalyse in (34) die Kontexte, in denen die Subjektsposition<br />

durch ein nach COMP angehobenes Verb regiert wird, zunehmend seltener werden.<br />

Da der Anteil der Null-Subjekte allerdings nicht in dem gleichen Maße zurückgeht, ist dies<br />

für Roberts (1993) ein Beleg dafür, dass Null-Subjekte nun auch durch Kongruenz mit Agr 0<br />

formal lizensiert sein können.<br />

Den späteren Verlust der Null-Subjekt-Eigenschaft des Französischen führt Roberts auf<br />

morphologische Veränderungen im Bereich der französischen Verbalflexion zurück. Seiner<br />

Analyse zufolge führen diese – im Übergang vom Alt- zum Mittelfranzösischen eingetretenen<br />

– Veränderungen zu einem Wandel hinsichtlich der Art der inhaltlichen Lizensierung<br />

von Nullsubjekten, d.h. der "identification of the content of pro" (Roberts 1993:127). Unter<br />

Bezugnahme auf Foulet (1935/36:275ff.) nimmt Roberts an, dass das Paradigma der altfranzösischen<br />

Verbalflexion "funktional reich" genug war, um leere Subjekte zu identifizieren.<br />

Dieser Reichtum bestand darin, wie Roberts (1993:125) am Beispiel der Präsensformen<br />

für afr. chanter 'singen' illustriert, dass – unter Einbeziehung der "zero-inflection" der 1. Ps.<br />

Sg. – alle sechs Personen unterschiedliche Flexionsendungen aufweisen: 29<br />

28 Es sei daran erinnert, dass Roberts für die Kasuszuweisungseigenschaften des Altfranzösischen<br />

annimmt, dass diese auch unter Kongruenz möglich sind (cf. NOM-Parameter in (36)). Roberts<br />

(1993:125) unterscheidet also hier zwischen den Kasuszuweisungseigenschaften und den Eigenschaften<br />

der formalen Lizensierung von Null-Subjekten:<br />

"Agr 0 could Case-mark SpecAgr' in a configuration of agreement but a null subject could not be<br />

licensed in this kind of configuration. Thus, null subjects are licensed in a subset of the contexts in<br />

which Nominative can be assigned."<br />

29 Die Beschränkung auf die Präsensformen rechtfertigt Roberts (1993:125) folgendermaßen:<br />

"[...] these are by far the most frequent verb forms in the trigger experience, and hence play a<br />

major role in determining the status of the agreement system."


(41) afr. chant-ø, chant-es, chant-e(t), chant-ons, chant-ez, chant-ent<br />

Foulet (1935/36:292) zufolge tritt allerdings noch im Laufe des Altfranzösischen in der gesprochenen<br />

Sprache eine Änderung ein, die sich im Mittelfranzösischen vollends durchsetzt.<br />

Sie ist zum einen durch das Verschwinden der Endkonsonanten gekennzeichnet und<br />

zum anderen dadurch, dass in Analogie zu den übrigen Flexionsformen der Form der 1.Ps.<br />

Sg. ein e-Suffix, d.h. "a recognizable ending" (Roberts 1993:127), hinzugefügt wird:<br />

(42) mfr. chant-[∂], chant-[∂], chant-[∂], chant-[õ], chant-[e], chant-[∂]<br />

Der Unterschied zum altfranzösischen Paradigma besteht darin, dass nun die einzelnen<br />

Personen nicht mehr auf Grund der Flexionsendung unterschieden werden können. Allerdings<br />

existiert nun für jede Person eine Endung. In Anlehnung an Jaeggli / Safir (1989) bezeichnet<br />

Roberts (1993:126) dieses Flexionsparadigma als 'morphologisch uniform', da es<br />

nur abgeleitete Flexionsformen aufweist. Es ist seiner Analyse zufolge 'formal reich' genug,<br />

um leere Subjekte zu identifizieren. 30<br />

Zur Erklärung des im Neufranzösischen eintretenden endgültigen Verlustes der Null-<br />

Subjekt-Eigenschaft benötigt Roberts nun eine weitere ad hoc-Annahme. Roberts<br />

(1993:207) postuliert, dass die Identifizierung eines leeren Subjekts unter Spezifizierer-<br />

Kopf-Kongruenz nur dann möglich ist, wenn die Kongruenzmerkmale funktional reich<br />

sind. Da im Mittelfranzösischen der funktionale Reichtum jedoch offenbar verloren gegangen<br />

ist, besteht nur noch die Möglichkeit der Identifizierung leerer Subjekte über Rektion.<br />

Diese Möglichkeit ist allerdings im Mittelfranzösischen nur noch in eingeschränktem Maße<br />

gegeben, da auf Grund der – sich immer mehr durchsetzenden – Reanalyse in (34) nur noch<br />

selten das Verb in die COMP-Position bewegt wird, in der es ein Null-Subjekt in SpezIP<br />

regieren könnte. Dies hat nach Ansicht von Roberts nicht nur zur Folge, dass leere Subjekte<br />

immer seltener auftreten, sondern auch, dass es im Input immer weniger Evidenz dafür gibt,<br />

dass Nominativ-Kasus auch unter Rektion zugewiesen werden kann. Stattdessen findet in<br />

zunehmendem Maße Nominativzuweisung unter Spezifizierer-Kopf-Kongruenz statt.<br />

Für Roberts steht damit fest, dass diese morphosyntaktischen Veränderungen in ihrer<br />

Gesamtheit zu einer Abnahme der "density of the evidence for Nominative-assignment<br />

under government" geführt haben und "a causal role in the parametric change" spielen<br />

(Roberts 1993:188). Mit dem Ende der mittelfranzösischen Epoche ist Roberts zufolge<br />

schließlich die Situation erreicht, in der die Evidenz nicht mehr ausreicht, den Parameter in<br />

(36)(a) auf den Wert 'ja' zu fixieren:<br />

[...] choosing the 'yes' option for both [(36)(a)] and [(36)(b)] should be dispreferred by acquirers in<br />

the sense that positive, unambiguous trigger evidence will be needed to fix the parameter in this<br />

way. Now we can begin to see what must have happened in the late 15th/early 16th century leading<br />

up to the change in [(36)(a)]: the crucial data giving a 'yes' answer for [(36)(a)] become<br />

30 Die Bezugnahme auf die Null-Subjekt-Analyse von Jaeggli / Safir (1989) ist allerdings äußerst<br />

irreführend, da Roberts hier ohne weitere Begründung eine tiefgreifende Modifikation dieser<br />

Analyse vornimmt. Anders als Jaeggli / Safir (1989) sieht Roberts die 'Morphologische Uniformität'<br />

als eine (von zwei) Möglichkeiten der Identifizierung von Nullsubjekten und nicht als notwendige<br />

Bedingung zu deren Lizensierung an. Damit erweist sich Roberts Null-Subjekt-Analyse als<br />

vollkommen unvereinbar mit der von Jaeggli / Safir (1989).<br />

97


98<br />

amenable to some other analysis, and so this option is no longer selected, with the result that the<br />

structures that depend on this setting are lost. (Roberts 1993:189)<br />

Entscheidend ist für Roberts Analyse, dass der Wechsel des Parameterwertes nicht nur unmittelbare<br />

Auswirkungen auf die Verb-Zweit-Stellungseigenschaft, sondern auch auf andere<br />

Bereiche der Grammatik des Französischen hat. Die Aufgabe der Verb-Zweit-Bewegung<br />

resultiert nach Ansicht von Roberts daher, dass durch den Parameterwechsel die<br />

Möglichkeit der Nominativ-Kasus-Zuweisung an ein – in SpezIP befindliches – Subjekt<br />

durch ein nach COMP bewegtes finites Verb nicht mehr gegeben ist. Folglich muss die<br />

Kasuszuweisung innerhalb der IP unter Spezifizierer-Kongruenz erfolgen. Dadurch ist<br />

allerdings prinzipiell nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, dass das Verb im Anschluss an<br />

diese Kasuszuweisung nach COMP angehoben wird. Da Roberts diese Möglichkeit jedoch<br />

ausschließen will, benötigt er eine weitere Zusatzannahme, die er allerdings nur am Rande<br />

erwähnt. Er postuliert, dass im Neufranzösischen die V-nach-COMP-Bewegung deshalb<br />

nicht möglich ist, weil dadurch die Kongruenzbeziehung, die im Laufe der Ableitung innerhalb<br />

der IP bzw. der AgrP zwischen Subjekt und Verb zustande kommt, aufgehoben wird:<br />

In a language where Agr 0 assigns Nominative Case only under agreement, then, Agr to C movement<br />

(i.e. inversion) destroys the context in which Agr 0 can assign Nominative to SpecAgr'. (Roberts<br />

1993:26)<br />

Demzufolge sind die beiden neufranzösischen Sätze in (43) ungrammatisch, weil durch die<br />

Anhebung des Verbs (bzw. Agr 0 ) nach COMP die Spezifizierer-Kopf-Kongruenz zwischen<br />

dem Subjekt und der Spur des Verbs in INFL zerstört worden ist:<br />

(43) nfr. (a) *[CP [C' Ai [IP Jean [I' ti] [VP pris le livre]]]]?<br />

hat Jean genommen das Buch<br />

(b) *[CP Quel filmj [C' ai [IP Jean [I' ti] [VP vu tj ]]]]?<br />

welchen Film hat Jean gesehen<br />

Auch der Verlust der Null-Subjekt-Eigenschaft im Französischen ist gemäß Roberts' Analyse<br />

eine unmittelbare Folge des Parameterwechsels, da nicht mehr die Möglichkeit besteht,<br />

leere Subjekte unter Rektion zu lizensieren. Zwei weitere unmittelbare Konsequenzen des<br />

Parameterwechsels sind nach Ansicht von Roberts zum einen die Entstehung eines vollständigen<br />

Paradigmas der klitischen Subjektspronomina und zum anderen die Herausbildung<br />

der Komplexen Inversion. Eine Besonderheit der klitischen Pronomina ist nach Roberts<br />

die, dass ihnen Nominativkasus nicht auf eine der beiden oben genannten Weisen<br />

zugewiesen wird, sondern dass sie nach Agr 0 inkorporieren, um dem Kasusfilter zu genügen.<br />

Das heißt, sie können weiterhin postverbal auftreten, wie etwa im Falle der Komplexen<br />

Inversion. Die Kasuszuweisung an das Subjekt ist in diesem Fall dadurch gesichert,<br />

dass das Subjekt innerhalb der CP in einer Spezifizierer-Kopf-Kongruenz-Beziehung zum<br />

finiten Verb steht.<br />

Entsprechend der Parameterkonzeption von Chomsky (1981) versucht Roberts (1993:82)<br />

zu zeigen, dass der Wechsel des Parameterwerts in (36)(a) Auswirkungen auf das gesamte<br />

grammatische System des Französischen hat und "a number of important developments in<br />

the history of French syntax" impliziert. Das heißt, die Umfixierung des Parameters korreliert<br />

mit dem Wandel mehrerer voneinander unabhängiger Eigenschaften. Außerdem hat sie<br />

radikale Konsequenzen, nämlich insofern, als nach Roberts' Beobachtungen die endgültige<br />

Aufgabe der Verb-Zweit- und Null-Subjekt-Eigenschaft plötzlich erfolgt. Roberts (1993:82)


ist daher überzeugt, dass es sich hier um einen "genuine case of parametric change" handelt.<br />

3.3.4.3 Konkurrenz zwischen Verb-Zweit-Stellung und Freier Inversion<br />

Ein anderer, auf Vance (1989, 1995, 1997) zurückgehender Ansatz zur Erklärung des Verbstellungswandels<br />

im Französischen und dessen Unterschied zu den germanischen Sprachen<br />

basiert auf der Annahme, dass das Altfranzösische im Gegensatz zu den germanischen<br />

Sprachen die so genannte 'Freie Inversion' erlaubt (cf. auch de Bakker 1997). Das heißt, es<br />

besitzt die für viele romanische Sprachen typische Möglichkeit der satzfinalen Stellung des<br />

nominalen Subjekts. Einen Beleg für diese Stellungsmöglichkeit im Altfranzösischen bilden<br />

Sätze wie in (44), in denen das postverbale Subjekt nicht adjazent zum finiten Verb,<br />

sondern satzfinal oder "at the right periphery of the VP" steht (Vance 1995:175): 31<br />

(44) afr. (a) Si plorerent assez a cest departement cel qui plus<br />

so weinten sehr bei diesem Abschied diejenigen die am meisten<br />

cuidoient avoir les cuers et durs et orgueillox<br />

glaubten zu-haben die Herzen sowohl harte als auch stolze<br />

(que 26,19ff.) (Vance 1995:175)<br />

(b) et par ceste parole entra en aus covoitise<br />

und bei diesem Wort trat in sie Verlangen<br />

(que 103,12f.) (Vance 1995:175)<br />

(c) car ja seront repeu li verai chevalier de la viande de ciel<br />

denn nun werden ernährt die wahren Ritter mit der Speise des Himmels<br />

(que 267,14f.) (Vance 1995:175)<br />

(d) car assez l' ot eschaufé li serpenz<br />

denn sehr ihn hatte erzürnt die Schlange<br />

(que 95,1) (Vance 1995:175)<br />

Vance (1995:175) weist darauf hin, dass diese Inversion unabhängig von der Art des Verbs<br />

ist, d.h. nicht nur mit intransitiven oder passivischen Verben (cf. (44)(a)-(c)), sondern auch<br />

mit transitiven Verben (cf. (44)(d)) möglich ist. 32 Außerdem betont sie, dass diese Art der<br />

Inversion ausschließlich nominalen Subjekten vorbehalten ist. In Anlehnung an zahlreiche<br />

Analysen der Freien Inversion im Spanischen und Italienischen (u.a. Contreras 1987, Burzio<br />

1986) nimmt Vance (1995:181, 1997:67-126) an, dass das Subjekt in diesen Sätzen<br />

nicht nach SpezIP angehoben wird, sondern in seiner basisgenerierten Position innerhalb<br />

der VP verbleiben kann. Sie weist daher den Sätzen in (44) eine 'hybride' Struktur zu, in der<br />

sich das finite Verb in COMP und das Subjekt entweder in SpezVP oder – im Fall der<br />

Unakkusativ- oder Passivkonstruktionen – in der Objektposition der VP befinden:<br />

(45) (a) [CP XP [C' Vi [IP pro [I' ti [VP ...] Subj.]]]]<br />

(b) [CP XP [C' Vi [IP pro [I' ti [VP ...[NP Subj.]]]]]]<br />

31 Diese Art der Inversion wird als 'frei' bezeichnet, weil zwischen einem Satz mit präverbalem Subjekt<br />

und einem ansonsten identischen Satz mit postverbalem Subjekt nur geringfügige semantische<br />

Unterschiede bestehen (Safir 1985:172).<br />

32 Die einzige Besonderheit, die Vance (1995:193,Fn.3) in Sätzen mit transitivem Verb beobachtet,<br />

ist die, dass ein nicht pronominales direktes Objekt nicht zwischen finitem Verb und postverbalem<br />

Subjekt auftreten kann.<br />

99


100<br />

Der Unterschied zu den germanischen Sprachen besteht somit darin, dass im Altfranzösischen<br />

das Subjekt nicht notwendigerweise mindestens nach SpezIP angehoben werden<br />

muss, sondern in der VP verbleiben kann (Vance 1997:98f.). 33 Vance (1995:181) vermutet<br />

allerdings, dass die Strukturen in (45) bereits im Altfranzösischen sehr unstabil waren. Sie<br />

führt das unter anderem darauf zurück, dass auch in altfranzösischen Nebensätzen die Freie<br />

Inversion möglich war:<br />

(46) afr. ... quant vint par la volenté Nostre Seignor Calogrenant, uns chevaliers<br />

als kam durch den Willen unseres Herrn Calogrenant ein Ritter<br />

de la meson le roi Artus ...<br />

aus dem Haus des Königs Artus<br />

(que 190,27ff.) (Vance 1995:176)<br />

Als ausschlaggebend für die Instabilität der Strukturen in (45) sieht Vance die Tatsache an,<br />

dass auch in einigen wenigen Nebensätzen des (späten) Altfranzösischen die satzinitiale<br />

Position durch ein Nicht-Subjekt besetzt sein konnte. Dies liefert ihrer Ansicht nach Evidenz<br />

dafür, dass im Altfranzösischen nicht nur die SpezCP-, sondern auch die SpecIP-Position<br />

als A'-Position fungierte:<br />

(47) afr. ... si dist que molt ert liez quant en si haute bonté et en<br />

so (er)-sagte dass sehr sein-wird glücklich wenn in so hoher Güte und in<br />

si haute chevalerie seroit fichiee la bosne de son lignage<br />

so hoher Ritterlichkeit wäre gefestigt das Ende von seinem Geschlecht<br />

(que 221,15f.) (Vance 1995:181)<br />

Vance (1995:181) schließt daher aus dieser Beobachtung, dass "at least some speakers of<br />

late O[ld] F[rench]" Sätze wie (44) mit einer IP- statt mit einer CP-Struktur interpretiert<br />

haben, d.h. diesen Sätzen eine der folgenden Strukturen zugewiesen haben:<br />

(48) (a) [IP XP [I' V [VP ...] Subj.]]<br />

(b) [IP XP [I' V [VP ...[NP Subj.]]]]<br />

Konstruktionen mit Freier Inversion und einer satzinitialen Konstituente sind demnach im<br />

Alt- und Mittelfranzösischen strukturell ambig. Damit bilden für Vance (1995:191) diese<br />

Konstruktionen den entscheidenden Satztyp, der für den Verlust der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

verantwortlich ist:<br />

The crucial clause-type is CV(X)Sn, a hybrid 'verb second free inversion' construction, which is<br />

consistent with both a grammar in which obligatory V-to-C applies and with one in which it does<br />

not.<br />

Vances Annahme besteht darin, dass Sätze mit dieser Wortstellung ab dem frühen Mittelfranzösischen<br />

in zunehmendem Maße als IP-Struktur, d.h. ohne V-nach-COMP-Bewegung,<br />

gebildet wurden. Evidenz hierfür sieht Vance (1995:186) in der von ihr in mehreren Texten<br />

33 Vance (1997:86) weist darauf hin, dass auch in einigen germanischen Sprachen das postverbale<br />

Subjekt getrennt vom Verb auftreten kann. Allerdings befindet sich das Subjekt in diesen Fällen in<br />

der SpezIP-Position, an die die zwischen Verb und Subjekt auftretende Konstituente adjungiert<br />

worden ist (cf. Vikner 1995:106):<br />

(i) dt. [CP Morgen [c' wirdi [IP nach drei Wochen Urlaub [IP sein Freund ti [VP zurückkommen]]]]]<br />

(ii) sw. [CP De här bökerna [c' villi [IP trots allt [IP Johan ti [VP läsa]]]]]<br />

diese hier Bücher will trotz allem Johan lesen


101<br />

des 13.-15. Jhdts. konstatierten Entwicklung der Subjekt-Verb-Inversion. Hierbei verzeichnet<br />

sie einerseits einen deutlichen Rückgang hinsichtlich der Häufigkeit der Inversion mit<br />

einem pronominalen Subjekt, den sie als Beleg für die allmähliche Aufgabe der V-nach-<br />

COMP-Bewegung interpretiert, da diese Art der Inversion nicht als Freie Inversion möglich<br />

ist, sondern ausschließlich im Zusammenhang mit einer V-nach-COMP-Bewegung auftreten<br />

kann. Andererseits konstatiert sie beim Auftreten der Inversion mit nominalem Subjekt<br />

nur einen schwachen Rückgang. Dies interpretiert Vance dahingehend, dass es parallel zur<br />

Aufgabe der V-nach-COMP-Bewegung zu einer Zunahme der Freien Inversion kommt, die<br />

auch ohne V-nach-COMP-Bewegung möglich ist. Mit anderen Worten, die während der<br />

ganzen mittelfranzösischen Periode zahlreichen Belege für Sätze vom Typ XPV(X)Sn sind<br />

nach Ansicht von Vance (1995:187) nur ein scheinbares Indiz für die Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

des Mittelfranzösischen, da auf Grund des zunehmenden Auftretens der<br />

Freien Inversion nur deren Verlust verschleiert wird. Einen zusätzlichen Beleg für diese<br />

Annahme findet Vance (1995:190) in folgenden mittelfranzösischen Sätzen:<br />

(49) mfr. (a) Le lendemain, à l' aube du jour, passèrent les ducs de Berry<br />

am nächsten Morgen bei Tagesanbruch kamen vorbei die Herzöge von Berry<br />

et de Bretagne<br />

und der Bretagne<br />

(Commynes, Mémoires sur Louis XI, 74,3) (zitiert nach Vance 1995:190)<br />

(b) Dès qu' il fut dressé, vint un officier d'armes du roy<br />

Sobald dass er war aufgerichtet kam ein Waffenoffizier des Königs<br />

(Commynes, Mémoires sur Louis XI, 88,13) (zitiert nach Vance 1995:190)<br />

Trotz des Vorhandenseins der Subjekt-Verb-Inversion konstatiert Vance (1995:190) zu<br />

Recht, dass es unplausibel ist anzunehmen, dass in diesen Sätzen eine V-nach-COMP-Bewegung<br />

stattgefunden hat:<br />

First, recall that our statistics show that unaccusative verbs such as passer and venir are typical of<br />

such clauses in Mid[dle] F[rench] and that the postverbal subjets may in fact be underlying direct<br />

objects that have not moved from their base positions. Second, pronominal inversion after a clause<br />

is to my knowledge not found in Mid[dle] F[rench]; this fact implies that an IP structure is at issue.<br />

Schließlich weist Vance (1995:190) noch darauf hin, dass auch im modernen Französischen<br />

– wie bereits in Kapitel 2 gesehen – ähnliche Inversionskonstruktionen zu beobachten sind,<br />

denen zweifelsohne eine IP-Struktur zuzuordnen ist:<br />

(50) nfr. (a) N' entraient, naturellement, en ligne de compte ni les paysans et<br />

nicht traten ein natürlich in Betrachtung weder die Bauern und<br />

leur patois, ni la plèbe des faubourgs<br />

ihr Dialekt noch die Plebs der Vorstädte<br />

(b) Depuis la deuxième guerre mondiale, s' est accentuée une tendance,<br />

seit dem zweiten Weltkrieg sich ist herausgebildet eine Tendenz<br />

qui s' esquissait déjà dans les années trente, à la confusion<br />

die sich abzeichnete schon in den Jahren dreißig zu der Vermischung<br />

des deux a au profit du /a/ d' avant<br />

der zwei 'a's zu Gunsten des /a/s von vorn<br />

Mit anderen Worten, das zentrale Argument von Vance besteht darin, dass das Vorhandensein<br />

von Inversionsstrukturen im Altfranzösischen nicht notwendigerweise ein Beleg für<br />

die Existenz der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft ist. Sie weist nach, dass viele dieser<br />

Sätze mit einer IP-Struktur vereinbar sind und adäquater erfasst werden können. Lediglich<br />

Sätze mit invertiertem pronominalen Subjekt und Sätze, in denen ein invertiertes nominales


102<br />

Subjekt adjazent zu einem transitiven Verb oder zu einem Auxiliar in komplexen Verbalphrasen<br />

steht, sind ihrer Analyse zufolge eindeutige Belege für eine V-nach-COMP-Bewegung.<br />

Die Beobachtung, dass Sätze dieses Typs ab dem 14. Jhdt. immer seltener auftreten,<br />

während sonstige Inversionssätze weiterhin sehr häufig sind, sieht sie daher als Beleg für<br />

den Verlust der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Französischen.<br />

3.3.4.4 Symmetrie oder Asymmetrie? Verb-Zweit-Stellung im Nebensatz<br />

Zum Abschluss der Diskussion generativer Untersuchungen der französischen Wortstellungsentwicklung<br />

ist es notwendig, kurz die Analysen des Nebensatzes zu betrachten. Darin<br />

geht es vor allem um die Frage, ob das Alt- bzw. Mittelfranzösische als eine symmetrische<br />

oder als eine asymmetrische Verb-Zweit-Sprache zu analysieren ist.<br />

Die ursprünglichen generativen Analysen von Benincà (1983/84) und Adams (1987a)<br />

gehen davon aus, dass das Altfranzösische dem zweiten Sprachtyp angehört hat. Wie bereits<br />

dargestellt, ist die Annahme, wonach im Altfranzösischen Verb-Zweit-Effekte vorwiegend<br />

auf Matrixsätze beschränkt sind, für beide Analysen ein wichtiger Bestandteil. Damit<br />

verbunden ist außerdem die Annahme, dass leere Subjekte in altfranzösischen Nebensätzen<br />

ausgeschlossen sind. Vor allem die letztere Annahme konnte jedoch sehr bald als empirisch<br />

nicht haltbar zurückgewiesen werden, wie beispielsweise folgende Sätze belegen (Dupuis<br />

1988, Hirschbühler / Junker 1988, Hirschbühler 1989):<br />

(51) afr. (a) Ainz que m' en aille en France<br />

bevor dass REFL weg (ich)-gehe nach Frankreich<br />

(Aymeri de Narbonne, 204) (zitiert nach Adams 1988:6)<br />

(b) ... Por ce que chevalier me face<br />

damit dass (zum) Ritter mich (er)-macht<br />

(cli 115) (Adams 1988:6)<br />

Problematisch sind diese Sätze für die Analyse von Adams (1987a,b), da auf Grund der<br />

Besetzung der COMP-Position durch eine lexikalische Konjunktion die von ihr angenommene<br />

kanonische Rektion des Nullsubjekts durch ein links adjazent stehendes Verb nicht<br />

mehr möglich ist. Adams (1988) versucht allerdings trotz dieser Belege an ihrer Analyse<br />

der kanonischen Rektion festzuhalten. Sie schlägt vor, dass das leere Subjekt in den Sätzen<br />

in (51) in seiner basisgenerierten Position, d.h. in SpezVP, verbleiben kann und dort durch<br />

das nach INFL bewegte finite Verb regiert wird. Die SpezIP-Position kann dabei entweder<br />

durch eine leere Kategorie ((52)(a)) oder durch eine NP besetzt sein ((52)(b)) (Adams<br />

1988:9):<br />

(52) (a) [CP Ainz que [IP e [I' m' en aille [VP pro en France]]]]<br />

(b) ... [CP por ce que [IP chevalieri [I' me face [VP pro ti]]]]<br />

Eine entscheidende Konsequenz dieser Analyse besteht darin, dass die SpezIP-Position<br />

auch für Elemente zugelassen ist, die nicht als Subjekt fungieren. Damit überträgt Adams<br />

die u.a. von Diesing (1988, 1990) für das Jiddische vorgeschlagene Analyse auf das Altfranzösische.<br />

Adams gibt demnach ihre ursprüngliche Analyse des Altfranzösischen als<br />

asymmetrische Verb-Zweit-Sprache auf und analysiert nun das Altfranzösische als eine<br />

symmetrische Verb-Zweit-Sprache, in der im Nebensatz "almost any XP [...] in Spec,IP"


103<br />

auftreten kann (Adams 1998:9). Nach Ansicht von Côté (1995:173) ist diese Analyse deshalb<br />

gerechtfertigt, weil es Belege für die XV(S)-Stellung in "tous les types de subordonnées<br />

(sous-catégorisées, circonstancielles, interrogatives indirectes)" gibt (cf. auch<br />

Dupuis 1988). Bezeichnenderweise handelt es sich bei vielen der von Côté vorgelegten<br />

Beispielsätze um Nebensätze, die von einem Brückenmatrixverb abhängig sind und daher,<br />

wie in der Diskussion eingebetteter Verb-Zweit-Effekte in Kapitel 2 gezeigt, nicht als Evidenz<br />

für eine symmetrische Verb-Zweit-Stellungseigenschaft dienen können:<br />

(53) afr. (a) Et il respondirent que de ceste nouvele sont il moult lié<br />

und sie antworteten dass über diese Nachricht sind sie sehr glücklich<br />

(roi 45,64) (Côté 1995:173)<br />

(b) si dist que voirement l' avoit Lancelot engendré<br />

und (er)-sagte dass wirklich es hatte Lancelot gezeugt<br />

(que 14,26-27) (Côté 1995:173)<br />

Die meisten anderen Beispielsätze Côtés sind als Belege für eine eingebettete Verb-Zweit-<br />

Stellung ungeeignet, da der Nebensatz kein realisiertes Subjekt enthält. In den wenigen<br />

übrigen Beispielsätzen mit realisiertem Subjekt wird allerdings das Matrixverb nicht aufgeführt,<br />

so dass keine Aussage darüber gemacht werden kann, inwiefern diese Beispiele die<br />

Analyse des Alt- bzw. Mittelfranzösischen als eine symmetrische Verb-Zweit-Sprache<br />

rechtfertigen. Die gleiche Beobachtung kann auch bei Roberts (1993:100) gemacht werden,<br />

der folgendes Beispiel in (54) als Beleg für einen "genuine case [...] of embedded V2 (in<br />

non-bridge complements)" vorlegt, ohne dabei allerdings das Matrixverb mit anzugeben.<br />

Eine Überprüfung des Beispiels zeigt, dass der Nebensatz ein satzeinleitender Konditionalsatz<br />

ist, der zwar nicht von einem Brückenverb abhängig ist, dessen Wortstellung jedoch<br />

zweifelsohne auf die Reimbildung zurückgeführt werden muss:<br />

(54) afr. Sire s' a la vostre bonté<br />

Herr wenn nach dem eurigen Willen<br />

Vousist mon pere prendre garde,<br />

wollte mein Vater nehmen Acht<br />

Par foi, n' eüsse point de garde<br />

durch Treu NEG (ich)-hätte nicht PRÄP Angst<br />

(pal 378-380) (Roberts 1993:100)<br />

Dies bestätigt die bereits in Abschnitt 3.3.1.2 dargelegte Tatsache, dass es insgesamt nur<br />

sehr wenige klare Belege für die Existenz eingebetteter Verb-Zweit-Effekte im Altfranzösischen<br />

gibt:<br />

In fact, there are very few truly unequivocal cases of embedded V2 in non-bridge complements in<br />

O[ld] F[rench] [...]. Most of the cases that have been cited can and should be handled in other<br />

ways. (Roberts 1993:97)<br />

Mit anderen Worten, es gibt nur geringe Evidenz für die Analyse des Altfranzösischen als<br />

eine symmetrische Verb-Zweit-Sprache. In Anlehnung an Cardinaletti / Roberts (1991) vermutet<br />

Roberts (1993:102) allerdings, dass im Altfranzösischen zumindest in einem eingeschränkten<br />

Maße die Möglichkeit zu einer IP- bzw. AgrP-Rekursion bestand. Anders sieht<br />

er keine Möglichkeit, um Sätze wie in (54) zu erklären:


104<br />

(55) CP<br />

XP C'<br />

C 0 Agr1P<br />

[+wh]<br />

PP Agr1P'<br />

Agr1 0 Agr2P<br />

SpezAgr2P Agr2P'<br />

Agr2 0 TP<br />

s' a la vostre bonté vousisti mon pere ti ti prendre garde<br />

Gegen eine solche Analyse spricht allerdings die Tatsache, dass in altfranzösischen Nebensätzen<br />

auch Verb-Dritt-Sätze zu beobachten ist. Unter Berufung auf Skårup (1975:510ff.)<br />

und Dees (1980) weist Côté (1995:176) darauf hin, dass ab dem 13. Jhdt. Nebensätze mit<br />

einer XSV-Stellung an Häufigkeit zunehmen:<br />

(56) afr. (a) Mais je croi que a la fin il seront destruit et honis<br />

aber ich glaube dass am Ende sie sein-werden ruiniert und verflucht<br />

(Le Roman de Troie en prose, 112.17) (zitiert nach Skårup 1975:511)<br />

(b) ... que tous tens nos et nos hoirs en serons riches et manant<br />

dass alle Zeit wir und unsere Erben davon sein-werden reich und begütert<br />

(Le Roman de Troie en prose, 26.20) (zitiert nach Skårup 1975:511)<br />

Es steht außer Zweifel, dass solche Sätze mit einer Verb-Zweit-Analyse unvereinbar sind.<br />

Zur Rechtfertigung einer solchen Analyse genügt es also nicht, wie Côté (1995:175) zu<br />

Recht betont, lediglich zu zeigen, dass es Verb-Zweit-Stellungseffekte gibt, sondern es<br />

muss gleichzeitig gezeigt werden, dass es keine Wortstellungsmuster gibt, die gegen eine<br />

solche Analyse sprechen:<br />

La possibilité de V2 dans l'ensemble des subordonnées ne suffit pourtant pas à justifier l'analyse<br />

symétrique de l'[ancien français du 13ième siècle]. En principe, la structure V2 n'est pas uniquement<br />

associée à la possibilité des séquences XV(S) mais également à l'exclusion des constructions<br />

V>2, principalement XSV et SXV. C'est donc la combinaison de la présence de XV(S) et de<br />

l'absence de V>2 qui indique sans ambigüité l'application de la contrainte V2.<br />

Für Côté (1995:175ff.) steht daher fest, dass zumindest das Altfranzösische des 13. Jhdts.<br />

nicht als symmetrische Verb-Zweit-Sprache analysiert werden kann. Demgegenüber vermutet<br />

sie, dass für die früheren Stadien des Altfranzösischen diese Analyse gerechtfertigt<br />

ist. Ihre Annahme beruht darauf, dass ihren Beobachtungen zufolge in den altfranzösischen<br />

Texten des 11. und 12. Jhdts. häufiger XV(S)-Nebensätze anzutreffen sind als in Texten des<br />

späteren Altfranzösischen. Von zentraler Relevanz ist für Côté (1995:181) vor allem die<br />

Beobachtung von Skårup (1975:509-511), wonach vor dem Beginn des 13. Jhdts. XSV-<br />

Nebensätze sehr selten sind. Folglich gelangt Côté (1995) zu dem Schluss, dass das vor<br />

dem 13. Jhdt. gesprochene Altfranzösische als symmetrische Verb-Zweit-Sprache zu analysieren<br />

ist, während das spätere Altfranzösische durch den Verlust der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

im Nebensatz und in der Folge auch im Matrixsatz gekennzeichnet ist.


105<br />

Der kurze Überblick hat gezeigt, dass die generativen Analysen der Wortstellung im Nebensatz<br />

stark voneinander abweichende Angaben über Häufigkeit und Art der eingebetteten<br />

Verb-Zweit-Effekte machen. Hirschbühler (1989:172) führt dies darauf zurück, dass es<br />

starke (diachrone und dialektale) Unterschiede zwischen den einzelnen Texten des Alt- und<br />

Mittelfranzösischen gibt. Mit anderen Worten, erst eine zeitlich und regional differenzierte<br />

Analyse des Altfranzösischen wird in der Lage sein, adäquate Aussagen über die Struktur<br />

des altfranzösischen Nebensatzes zu machen.<br />

3.4 Verbstellungswandel in anderen romanischen Sprachen<br />

Bereits eingangs dieses Kapitels habe ich darauf hingewiesen, dass sowohl in der generativen<br />

als auch in der nicht generativen romanistischen Wortstellungsforschung ein deutlicher<br />

Schwerpunkt auf dem Französischen liegt. Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen,<br />

wie z.B. Pape (1883) zum Altprovenzalischen oder David (1887) zum Altitalienischen, sind<br />

bis zur Mitte des 20. Jhdts. nur wenige Studien angefertigt worden, die sich der Wortstellung<br />

oder der Wortstellungsentwicklung einer anderen romanischen Sprache als der des<br />

Französischen widmen. Die ersten detaillierteren Studien zur spanischen und portugiesischen<br />

Wortstellung entstehen erst in der zweiten Hälfte des 20. Jhdts. (Crabb 1955 für das<br />

Spanische, Schellert 1958 und Pádua 1960 für das Portugiesische). Die meisten dieser und<br />

späterer Arbeiten befassen sich ausschließlich mit stilistischen oder pragmatischen Aspekten<br />

der Wortstellung. Syntaktische Aspekte sowie spezifische Aspekte der Stellung des<br />

finiten Verbs bleiben dabei weitgehend unberücksichtigt. 34 Dies gilt auch für alle neueren<br />

nicht generativen Untersuchungen zum Wortstellungswandel, wozu es insbesondere zum<br />

Spanischen eine Vielzahl von Arbeiten gibt (u.a. Bossong 1984, Meyer-Hermann 1988,<br />

1991, England 1980, 1983, 1984, 1993, Neumann-Holzschuh 1997). Aus diesem Grund<br />

wird hier auf eine Diskussion dieser Arbeiten verzichtet, zumal bereits in der Darstellung<br />

der Untersuchungen zur französischen Wortstellung eingehend auf die traditionellen, nicht<br />

syntaktisch orientierten Erklärungsansätze eingegangen worden ist.<br />

Auch die im generativen Rahmen angefertigten Studien sollen hier nur kurz betrachtet<br />

werden, da sie sich nur unwesentlich von denen des Französischen unterscheiden. Wie bereits<br />

bei der Besprechung von Benincà (1983/84) kurz erwähnt, wird angenommen, dass<br />

nicht nur das Altfranzösische, sondern alle frühromanischen Sprachen durch eine strenge<br />

Verb-Zweit-Stellungsregel gekennzeichnet waren (cf. auch Salvi 1993, 2000, Benincà<br />

1995, Fontana 1997). Den Grund für diese Annahme liefert die – bereits in Kapitel 1 illustrierte<br />

– Beobachtung, dass in den altromanischen Sprachen in verstärktem Maße Sätze mit<br />

einer XVS-Stellung anzutreffen sind. Diese Beobachtung wird auch in der Untersuchung<br />

34 Hierzu finden sich meist nur in den bereits besprochenen gemeinromanischen Untersuchungen,<br />

wie z.B. von Diez (1882) oder Meyer-Lübke (1899), einige Angaben. Thurneysen (1892:302) äußert<br />

die Vermutung, dass die "Neigung, das Verbum an die zweite Stelle im Satze zu rücken, [...]<br />

keine französische Eigentümlichkeit [ist], sondern [...] allen Romanen [eignet]", d.h. "als die gemeinromanisch<br />

normale anzusehen ist". Er liefert jedoch keine Belege für diese Annahme, die<br />

im Übrigen von Richter (1903:46) und Nissen (1943:5,Fn.2) als inadäquat zurückgewiesen wird.


106<br />

des Altportugiesischen von Ribeiro (1995) gemacht, die hier stellvertretend diskutiert werden<br />

soll:<br />

(57) apg. (a) E todo o contrairo faz a Escritura<br />

und ganz das Gegenteil macht die Schrift<br />

(Diálogos de São Gregório, 3.34.27) (zitiert nach Ribeiro 1995:114)<br />

(b) E desto se nembrou el<br />

und an-das sich erinnerte er<br />

(Diálogos de São Gregório, 2.16.7) (zitiert nach Ribeiro 1995:114)<br />

(c) Ca assi temian todalas bestas a agua<br />

denn dann fürchteten alle-die wilden-Tiere das Wasser<br />

(Diálogos de São Gregório, 1.2.38) (zitiert nach Ribeiro 1995:114)<br />

Ribeiro (1995:114) nimmt an, dass es sich bei diesen Sätzen um "manifestations of verbsecond<br />

structures" handelt. Gleichzeitig räumt sie aber ein, dass im Altportugiesischen auch<br />

Konstruktionen möglich waren, die nicht mit einer Verb-Zweit-Struktur erfasst werden<br />

können. Insbesondere beobachtet Ribeiro (1995:124) in ihrem Korpus das Auftreten von<br />

Verb-Dritt-Sätzen mit einer XSV-Stellung ((58)(a)-(b)) und in einem Fall mit einer SXV-<br />

Stellung ((58)(c)):<br />

(58) apg. (a) e assi o santo homen defendeu os seus discipulos<br />

und dann der heilige Mann verteidigte die seinen Schüler<br />

(Diálogos de São Gregório, 1.9.13) (zitiert nach Ribeiro 1995:124)<br />

(b) e enton hũũ homen siia en sa pousada<br />

und dann ein Mann (sich)-setzte in seine Herberge<br />

(Diálogos de São Gregório, 1.2.25) (zitiert nach Ribeiro 1995:124)<br />

(c) El con sa mão deu a oferta<br />

er mit seiner Hand gab das Angebot<br />

(Diálogos de São Gregório, 2.23.17) (zitiert nach Ribeiro 1995:125)<br />

Ribeiro (1995:126) räumt ein, dass der von ihr untersuchte altportugiesische Text somit<br />

kein "perfect verb-second text" zu sein scheint. 35 Dennoch ist ihrer Ansicht nach die Annahme<br />

gerechtfertigt, wonach das grammatische System des Altportugiesischen "in the<br />

technical sense" über die Verb-Zweit-Stellungseigenschaft verfügte, d.h. ein System war,<br />

"in which C 0 has the feature [+Agr]" (Ribeiro 1995:126). Evidenz für diese Annahme sieht<br />

Ribeiro im Verhalten der altportugiesischen Klitika, die – wie bereits von Meyer-Lübke<br />

(1897) beobachtet – i.d.R. in der zweiten Position des Satzes erscheinen. In eingebetteten<br />

Sätzen haben sie die Tendenz, stets adjazent zur Konjunktion aufzutreten. Dies hat zur Folge,<br />

dass das Pronomen auch vom finiten Verb durch eine oder mehrere Konstituenten getrennt<br />

stehen kann:<br />

(59) apg. (a) mandou que o non dissessen a nengũũ<br />

(er)-befahl dass es nicht (sie)-sagten zu niemandem<br />

(Diálogos de São Gregório, 1.7.22) (zitiert nach Ribeiro 1995:127)<br />

(b) ainda que o el primeiramente salvasse<br />

schon dass ihn er zuerst rettete<br />

(Diálogos de São Gregório, 1.7.20) (zitiert nach Ribeiro 1995:127)<br />

35 Die gleiche Beobachtung macht Fontana (1997:225) auch für das Altspanische:<br />

"[...] we lack crucial data from the period in which the hypothesized V2 phrase structure [...] of<br />

O[ld] Sp[anish] must have manifested themsel[f] in [its] 'pure' state [...]."


107<br />

Für Ribeiro (1995) belegen diese Daten, dass im Altportugiesischen COMP als Partner für<br />

Klitika zur Verfügung stand. In Anlehnung an die in Kapitel 2 diskutierte Verb-Zweit-Analyse<br />

von Tomaselli (1990) folgert sie aus dieser Beobachtung, dass diese Eigenschaft von<br />

COMP damit zusammenhängt, dass es das Merkmal [+Agr] trägt:<br />

Only a head C 0 associated with Agr can host a clitic. Thus, in view of the fact that the property of<br />

having Agr in C 0 (or a pronominal C 0 in Tomaselli's words) has been analysed as pertinent to the<br />

verb-second languages, it may be concluded that C 0 is characterized by the feature [+Agr] (or<br />

[+pronominal]) in O[ld] P[ortuguese] and that, therefore, O[ld] P[ortuguese] instantiates a verbsecond<br />

language type. (Ribeiro 1995:127)<br />

Zur Erklärung des Verlustes der Verb-Zweit-Stellung im Portugiesischen orientiert sich Ribeiro<br />

(1995) weitestgehend an der Analyse von Roberts (1993) für das Französische. Das<br />

heißt, sie nimmt an, dass der Abbau der Verb-Zweit-Stellung im Portugiesischen auf einen<br />

Wandel des Nominativ-Zuweisungsparameters zurückzuführen ist. Den von Roberts für das<br />

Französische konstatierten abrupten Wechsel dieses Parameters und die damit verbundene<br />

endgültige Aufgabe der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft, kann Ribeiro im Portugiesischen<br />

allerdings nicht beobachten. Vielmehr handelt es sich ihren Beobachtungen zufolge um<br />

einen allmählichen Wandel, der erst zu Beginn dieses Jahrhunderts zum endgültigen Abschluss<br />

gekommen ist.<br />

Aus der Annahme, dass alle romanischen Sprachen zu einem früheren Zeitpunkt über<br />

eine strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft verfügt haben, kann gefolgert werden, dass<br />

die einzige moderne romanische Sprache, die diese Eigenschaft besitzt, nämlich das Rätoromanische,<br />

sich von den anderen romanischen Sprachen dadurch unterscheidet, dass es im<br />

Laufe seiner Entwicklung bislang keinen parametrischen Wandel erfahren hat, der zu einer<br />

Aufgabe der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft geführt hat. Darauf wird von Benincà<br />

(1985/86) in ihrer Untersuchung derjenigen modernen dolomitenladinischen Varietäten, die<br />

eine strenge Verb-Zweit-Stellung aufweisen, hingewiesen. Sie wendet sich damit explizit<br />

gegen eine in traditionellen Untersuchungen des Rätoromanischen häufig vertretene Auffassung,<br />

wonach sich dessen Verb-Zweit-Eigenschaft in Folge des Kontakts mit dem Deutschen<br />

herausgebildet hat (Kuen 1978:46). Demgegenüber sieht Benincà (1985/86:100f.) in<br />

dem Kontakt mit dem Deutschen den Grund dafür, dass die Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

im Rätoromanischen erhalten geblieben ist:<br />

[...] non è necessario ricorrere a un prestito dal tedesco per spiegare il fenomeno sintattico dell'inversione<br />

del soggetto nei dialetti ladini: esso serà piuttosto la continuazione diretta e regolare della<br />

grammatica delle varietà romanze medievali da cui queste parlate sono derivate.<br />

Il fatto che la costruzione con anteposizione del verbo sia praticamente perduta in tutta l'area<br />

romanza fin dal XIV-XV secolo e rimanga solo qui, in un'area a stretto contatto con parlanti di lingua<br />

tedesca, non sarà necessariamente da considerare casuale [...]. Se le lingue romanze l'hanno<br />

tutte abbandonata, in maniera indipendente, significa che si tratta di una struttura che può prestarsi<br />

a veloce rianalisi ed evoluzione: sarà allora proprio il contatto col tedesco che ha contribuito a<br />

mantenerla in vita nelle aree ladine.<br />

Für die anderen romanischen Sprachen kann aus dieser Beobachtung Benincàs geschlossen<br />

werden, dass ein geringer oder nicht vorhandener Kontakt mit dem Deutschen oder einer<br />

anderen Verb-Zweit-Sprache möglicherweise den vermuteten Verlust der Verb-Zweit-Eigenschaft<br />

gefördert hat.


4. Verb-Zweit-Stellungswandel als Parameterwechsel<br />

Der Überblick über die Forschung zur diachronen Entwicklung der Verbstellung im Französischen<br />

und in anderen romanischen Sprachen hat gezeigt, dass eine der zentralen Annahmen<br />

der generativen Arbeiten darin besteht, dass sich das Französische aus einer ursprünglichen<br />

Verb-Zweit-Sprache zu einer Nicht-Verb-Zweit-Sprache entwickelt hat. Diese Annahme<br />

steht im Einklang mit zahlreichen Untersuchungen der traditionellen Romanistik, in<br />

denen – häufig unter Hinweis auf die Parallelen zum Deutschen – eine ähnliche Ansicht<br />

vertreten wird. In einigen – traditionellen wie generativen – Untersuchungen wird auch für<br />

andere romanische Sprachen angenommen, dass sie ursprünglich durch die Verb-Zweit-<br />

Stellungseigenschaft charakterisiert waren, die später – möglicherweise zu einem früheren<br />

Zeitpunkt als im Französischen – verloren gegangen ist. Der Forschungsüberblick hat auch<br />

deutlich gemacht, dass sehr unterschiedliche Auffassungen über die möglichen Gründe, die<br />

zu einem solchen Sprachwandel geführt haben, existieren. Während in den traditionellen<br />

Untersuchungen vorwiegend externe Gründe angeführt werden, wird in den generativen<br />

Arbeiten primär versucht, interne Veränderungen der Sprachen für den Wandel der Stellung<br />

des finiten Verbs verantwortlich zu machen. Allerdings kommen auch die generativen<br />

Studien nicht umhin, den Einfluss externer Faktoren für das Eintreten interner Veränderungen<br />

anzunehmen:<br />

Irrespective of the validity and usefulness of D[iachronic] R[eanalyse]s, I have not yet seen a persuasive<br />

argument for a change motivated entirely by internal factors, by economy or another element<br />

of UG. It seems to me to be axiomatic that there can be no change in grammars without<br />

change in trigger experiences. (Lightfoot 1997b:269)<br />

Die primäre Aufgabe der generativen diachronen <strong>Sprachwissenschaft</strong> muss dennoch darin<br />

gesehen werden, zunächst interne Faktoren und Zusammenhänge von Sprachwandel aufzudecken<br />

und erst in einem zweiten Schritt nach externen Faktoren zu suchen. Ihr genuiner<br />

Beitrag zur Erforschung der Verbstellungsentwicklung in den romanischen Sprachen besteht<br />

darin, auf der Grundlage eines expliziten Grammatikmodells zur synchronen Beschreibung<br />

der Verb-Zweit-Stellung in den germanischen Sprachen die Verbstellung in den<br />

altromanischen Sprachen zu erfassen und deren Unterschiede zu den modernen romanischen<br />

Sprachen herauszuarbeiten. Wie bereits ausführlich gezeigt, wird in diesem Grammatikmodell<br />

angenommen, dass es sich bei der strengen Verb-Zweit-Stellung, wie sie in<br />

den germanischen Sprachen und dem Rätoromanischen beobachtet werden kann, um eine<br />

parametrisierte Eigenschaft handelt. Der Unterschied zwischen Verb-Zweit-Sprachen und<br />

Nicht-Verb-Zweit-Sprachen wird also darin gesehen, dass der angenommene Verb-Zweit-<br />

Parameter jeweils auf einen unterschiedlichen Wert festgelegt ist. Die Annahme eines<br />

solchen Parameters wird empirisch unter anderem damit begründet, dass Kinder, deren<br />

Muttersprache die strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft besitzt, diese Eigenschaft innerhalb<br />

sehr kurzer Zeit und nahezu fehlerfei erwerben. Dies kann dadurch erklärt werden,<br />

dass die Kinder lediglich den entsprechenden Parameterwert fixieren müssen und damit die<br />

Verb-Zweit-Stellungsregeln erwerben, ohne sie im Einzelnen erlernen zu müssen. Der<br />

Erwerb der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft ist demnach als ein besonderer Erwerbsprozess,<br />

der sich grundlegend von anderen Lernprozessen unterscheidet. Auf der Grundlage


109<br />

der Annahme, dass Sprachwandel eine Folge von Reanalysevorgängen während des kindlichen<br />

Spracherwerbs ist, ergibt sich daher für eine generative Analyse des Verb-Stellungswandels<br />

in den romanischen Sprachen, dass dieser Wandel, wenn er als ein Wechsel der<br />

Verb-Zweit-Stellungseigenschaft angesehen wird, als eine besondere Art des Sprachwandels,<br />

nämlich als Parameterwechsel, beschrieben werden muss. Für eine generative Untersuchung,<br />

die den Verbstellungswandel in den romanischen Sprachen als einen Verlust der<br />

Verb-Zweit-Stellung analysiert, geht es also vor allem darum, die Besonderheiten dieses<br />

Sprachwandels und dessen Unterschiede zu nicht parametrischem Sprachwandel aufzuzeigen.<br />

In theoretischer Hinsicht besteht daher die Aufgabe einer solchen Untersuchung darin,<br />

dass grundsätzliche Überlegungen über die Möglichkeit eines Parameterwechsels angestellt<br />

werden. Es muss gezeigt werden, welche Voraussetzungen prinzipiell gegeben sein müssen,<br />

damit ein Parameterwechsel eintreten kann, und wie es zu einem solchen Wechsel kommen<br />

kann, falls diese Voraussetzungen erfüllt sind. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen können<br />

in die Weiterentwicklung der Theorie der Parameter und des Parameterwechsels einfließen.<br />

Die empirische Aufgabe besteht darin nachzuweisen, dass die romanischen Sprachen<br />

in einem früheren Stadium durch eine strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft gekennzeichnet<br />

waren. Dabei muss geprüft werden, welchem Typ von Verb-Zweit-Sprachen<br />

die jeweilige altromanische Sprache angehört hat, d.h. ob es sich um eine asymmetrische<br />

oder symmetrische Verb-Zweit-Sprache gehandelt hat. Des Weiteren muss empirische Evidenz<br />

für den Wandel der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft vorgelegt werden. Dabei gilt es<br />

vor allem, an Hand empirischen Datenmaterials die für einen Parameterwechsel aus den<br />

theoretischen Vorgaben der Parametertheorie abgeleiteten Vorhersagen zu belegen. Diesen<br />

Vorhersagen zufolge muss der Wandel der Verb-Zweit-Stellung abrupt und möglicherweise<br />

in Verbindung mit der Veränderung anderer Eigenschaften eingetreten sein. Außerdem<br />

müssen empirisch belegbare Angaben über den Zeitpunkt des Wandels gemacht werden.<br />

Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, welche konkreten Implikationen sich für<br />

Untersuchungen ergeben, die den Wandel der Verbstellung im Französischen und in anderen<br />

romanischen Sprachen als den parametrischen Wandel der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

analysieren. Anschließend soll kritisch geprüft werden, inwiefern diese Untersuchungen<br />

diesen Implikationen gerecht werden und ob geeignete empirische Evidenzen<br />

vorgelegt werden, die die Annahme eines solchen parametrischen Wechsels rechtfertigen.<br />

4.1 Verb-Zweit-Stellung als parametrisierte Eigenschaft<br />

4.1.1 Implikationen für den Spracherwerb<br />

Wie bereits in Kapitel 1 dargestellt, basiert die generative Prinzipien- und Parametertheorie<br />

auf der Beobachtung, dass Kinder innerhalb relativ kurzer Zeit ein umfangreiches Wissen<br />

über ein sehr komplexes sprachliches System erwerben, dessen Regeln ihnen weder direkt<br />

zugänglich sind noch auf Grundlage der ihnen zur Verfügung stehenden sprachlichen Erfahrungen<br />

vollständig abgeleitet werden können. Primäres Ziel dieser Grammatiktheorie ist


110<br />

es, diesem 'logischen Problem' des Spracherwerbs gerecht zu werden. Dies wird durch die<br />

Annahme versucht, dass bestimmte (universale) Prinzipien der menschlichen Sprachen<br />

angeboren sind und dass bestimmte (nicht universale) Eigenschaften durch das Fixieren von<br />

Parametern erworben werden. Der Erwerb solcher parametrisierter Eigenschaften unterscheidet<br />

sich in signifikanter Weise von anderen Erwerbsprozessen. Er geht schneller vonstatten,<br />

impliziert den simultanen Erwerb oberflächlich nicht miteinander verbundener<br />

grammatischer Eigenschaften und weist nur geringe intra- und interindividuelle Variation<br />

auf. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass parametrisierte Eigenschaften nicht<br />

im Einzelnen erworben werden müssen, sondern lediglich auf Grund bestimmter lexikalischer<br />

Information im erwachsenensprachlichen Input 'getriggert' werden, wobei diese Information<br />

weder salient sein noch im erwachsenensprachlichen Input besonders häufig<br />

auftreten muss (Carroll 1989, Meisel 1995).<br />

Aus der Postulierung der Verb-Zweit-Stellung als parametrisierter Eigenschaft ergeben<br />

sich daher zwei grundsätzliche Fragen hinsichtlich des Erwerbs dieser Eigenschaft. Die<br />

eine Frage betrifft die verschiedenen Eigenschaften, die mit der Fixierung des Parameters<br />

verbunden sind, die andere betrifft die 'Triggerevidenz', d.h. die Daten, auf Grund derer im<br />

Verlauf des kindlichen Erstspracherwerbs die Fixierung des Parameters auf den jeweiligen<br />

zielsprachlichen Wert erfolgen kann.<br />

Die erste Frage bezieht sich auf eine der zentralen Anforderungen an einen Parameter,<br />

wonach die Fixierung eines Parameterwertes nicht nur den Erwerb einer, sondern gleichzeitig<br />

mehrerer, oberflächlich voneinander unabhängiger Eigenschaften einschließt. Bislang<br />

wurde die Frage nach einem solchen "clustering of properties" (Chomsky 1981:240)<br />

vorwiegend in der Debatte um den intensiv erforschten Null-Subjekt-Parameter behandelt<br />

(Müller / Rohrbacher 1989, Haider 1994). In der Diskussion anderer Parameter ist diese<br />

Frage weitgehend ausgeklammert geblieben. Das heißt, das Postulieren eines Parameters<br />

beschränkt sich hier lediglich auf eine Eigenschaft, die in verschiedenen Sprachen variiert.<br />

Damit wird jedoch eine der zentralen Forderungen, die an die Formulierung eines Parameters<br />

gestellt wird, nicht erfüllt:<br />

The crucial point is that, according to parameter theory, a number of surface phenomena may depend<br />

on the setting of a single parameter, thus lending this concept considerable explanatory force.<br />

[...] Only if one had to conclude that, in general, parameters each determine individual properties<br />

of grammars, would the entire concept lose much of its theoretical attractiveness, and parameters<br />

would merely be descriptive devices. Recent developments, indeed, give reason for apprehension<br />

of this kind since one finds a certain inflation of new parameters which are proposed whenever a<br />

generalization about grammar does not hold universally. In view of this, it should be stated unequivocally<br />

that parameter theory as an explanatory framework for language acquisition depends<br />

to a large extent on the assumption that parameterized options are defined on an abstract level of<br />

grammar, typically triggering a number of apparently unrelated surface effects. (Meisel 1995:12f.)<br />

Auch für den Verb-Zweit-Parameter konnten bislang keine mit der Verb-Zweit-Eigenschaft<br />

korrelierenden Eigenschaften nachgewiesen werden. Damit weist auch dieser Parameter ein<br />

großes empirisches Manko auf. Für eine diachronische Untersuchung des Verb-Stellungswandels,<br />

die sich auf die Theorie des Verb-Zweit-Parameters stützt, bedeutet dies, dass sie<br />

dieses Defizit mit übernehmen muss. Gleichzeitig besteht hier für eine diachronische Studie<br />

aber die Möglichkeit, einen Beitrag für eine adäquatere Formulierung des Verb-Zweit-Parameters<br />

zu liefern. Dieser Beitrag könnte darin bestehen, dass gezeigt werden kann, dass<br />

sich der Wandel der Verb-Zweit-Stellung in einer Sprache gleichzeitig mit dem Wandel


111<br />

anderer Eigenschaften vollzieht. Dies könnte ein Indiz für die Existenz einer parametischen<br />

Korrelation dieser Eigenschaften sein.<br />

Hinsichtlich der zweiten Frage ist zu konstatieren, dass in der Diskussion des Verb-<br />

Zweit-Phänomens in zahlreichen Studien zum Spracherwerb und auch zum Sprachwandel<br />

die Frage nach der Triggerevidenz einen breiteren Raum einnimmt. In vielen Spracherwerbsuntersuchungen<br />

geht es vor allem um grundsätzliche Fragen zur Funktionsweise einer<br />

Parameterfixierung im Laufe des kindlichen Spracherwerbs. Eine der zentralen Fragen betrifft<br />

den "initial state", d.h. den Status des Parameters vor dessen Fixierung zu Beginn der<br />

Spracherwerbsphase. Hier können prinzipiell drei Möglichkeiten unterschieden werden<br />

(Fodor 1998:2f., Meisel 1995). Die erste besteht darin, dass der Parameter zunächst auf einen<br />

Default-Wert festgelegt ist, so dass das Kind lediglich die Zielsprache dahingehend<br />

überprüfen muss, ob der Parameter auf dem ursprünglichen Wert fixiert bleiben kann oder<br />

auf einen anderen Wert umgelegt werden muss. Die zweite Möglichkeit ist die, dass dem<br />

Kind von Beginn an solange beide (oder alle) Werte des gegebenen Parameters zur Verfügung<br />

stehen, bis es sich auf Grund des erwachsenensprachlichen Inputs für einen Wert<br />

entscheidet. Als dritte Möglichkeit kann angenommen werden, dass der Parameter zunächst<br />

auf keinen Wert fixiert ist und das Kind die entsprechende Fixierung später selbst vornehmen<br />

muss.<br />

Für den Verb-Zweit-Parameter sind vor allem die erste und dritte Möglichkeit diskutiert<br />

worden. Gibson / Wexler (1994) nehmen an, dass der Parameter zu Beginn des Spracherwerbs<br />

auf dem Wert '-V2' festgelegt ist. Abgesehen von theoretischen Überlegungen basiert<br />

ihre Annahme auf der Beobachtung, dass Kinder, die eine Nicht-Verb-Zweit-Sprache erwerben,<br />

niemals eine Phase durchschreiten, in der sie die zu erwerbende Sprache als Verb-<br />

Zweit-Sprache analysieren. 1 Fodor (1998) geht demgegenüber davon aus, dass der Parameter<br />

zunächst auf keinen Wert festgelegt ist, sondern erst auf Grund der entsprechenden,<br />

relevanten Triggerevidenz fixiert wird.<br />

Die entscheidende Frage ist nun, wie diese Triggerevidenz aussehen könnte, d.h. auf<br />

Grund welcher Daten die Kinder entscheiden können, auf welchen Wert der Verb-Zweit-<br />

Parameter der zu erwerbenden Sprache festgelegt werden muss. Vereinbar mit beiden Erwerbsmodellen<br />

wäre die Annahme, dass Kinder, die eine Verb-Zweit-Sprache erwerben,<br />

die entsprechende zielsprachliche Parameterfixierung auf Grund der für eine Verb-Zweit-<br />

Sprache typischen Sätze vornehmen, in denen ein satzeinleitendes Nicht-Subjekt unmittelbar<br />

vor dem finiten Verb steht:<br />

1 Gibson / Wexler (1994:434f.) müssen jedoch einräumen, dass allen bisherigen Spracherwerbsuntersuchungen<br />

zufolge Kinder, die eine Verb-Zweit-Sprache erwerben, die Stellungsregeln der finiten<br />

Verbformen vom Beginn ihrer Verwendung an stets korrekt anwenden, d.h. – entgegen ihrer<br />

Vorhersage – keine Phase mit einer Nicht-Verb-Zweit-Grammatik durchlaufen. Nach Gibson /<br />

Wexler (1994:435) liegt dies möglicherweise an der unzureichenden Datenlage, die es bislang<br />

nicht erlaubt, eine Phase nachzuweisen, in der Kinder vor dem korrekten Gebrauch der finiten<br />

Verbformen nur infinite Verbformen und folglich ihrer Ansicht nach eine Nicht-Verb-Zweit-<br />

Grammatik verwenden:<br />

"What is not known is whether there is an earlier stage in which there are no finite forms (and thus<br />

no V2). At the moment there does not seem to be much evidence for such a stage, but the data are<br />

too sparse at these very early ages for us to be certain."


112<br />

[T]hat is, hearing utterances which begin with phrasal categories with arbitrary grammatical functions<br />

and thematic roles followed by a finite verb, [...][the] child determines that there is an 'extra'<br />

projection beyond IP. (Lightfoot 1993b:202)<br />

Das Problem bei dieser Annahme ist jedoch, dass das Kind nicht entscheiden kann, ob es<br />

sich bei dieser "Extra"-Position um eine an die IP adjungierte Position oder um die<br />

SpezCP-Position handelt. Wie in den Kapiteln 1 und 2 in der Diskussion der romanischen<br />

Nicht-Verb-Zweit-Sprachen gezeigt worden ist, existieren in diesen Sprachen Konstruktionen<br />

mit der von Lightfoot beschriebenen Wortstellung, ohne dass damit notwendigerweise<br />

eine V-nach-COMP-Bewegung bzw. eine Besetzung der SpezCP-Position verbunden ist.<br />

Mit anderen Worten, Sätze mit einer OVS-Stellung oder einer AdvVS-Stellung können offenbar<br />

nicht als Triggerevidenz für das Fixieren der Verb-Zweit-Parameters dienen, da Sätze<br />

mit einer solchen Wortstellung auch in Nicht-Verb-Zweit-Sprachen vorkommen können.<br />

Dieses Beispiel zeigt, dass die Bestimmung der relevanten Triggerevidenz für das Fixieren<br />

des Verb-Zweit-Parameters wesentlich komplexer ist als von Lightfoot vermutet. Häufig<br />

wird angenommen, dass eine Voraussetzung für die endgültige Fixierung des Verb-<br />

Zweit-Parameters darin besteht, dass das Kind erkannt haben muss, welche zugrunde liegende<br />

Wortstellung die zu erwerbende Sprache besitzt (Gibson / Wexler 1994, Fodor<br />

1998). Erst auf der Grundlage dieses Wissens kann nach Ansicht von Fodor (1998:25) das<br />

Kind die Muttersprache hinsichtlich der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft überprüfen.<br />

Fodor nimmt an, dass das Kind lediglich auf solche Sätzen achten muss, die eindeutige<br />

Information darüber liefern, welchem Parameterwert die zu erwerbende Sprache zugeordnet<br />

werden muss. Handelt es sich um eine Nicht-Verb-Zweit-Sprache mit einer zugrunde<br />

liegenden SVO-Stellung, wie etwa Französisch oder Englisch, so genügen nach Ansicht<br />

von Fodor Sätze mit einer AdvSVO-Stellung, um dem Kind den Nicht-Verb-Zweit-Status<br />

der Sprache anzuzeigen. Die Verb-Zweit-Stellungseigenschaft kann beim gleichen Sprachentyp<br />

an Auxiliarsätzen mit einer AdvAuxSVO-Stellung erkannt werden. In einer Verb-<br />

Zweit-Sprache mit einer zugrunde liegenden SOV-Stellung, wie dem Deutschen, können<br />

Sätze mit einer AdvAuxSOV-Stellung als Trigger für die Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

dienen. Für das Fixieren als Nicht-Verb-Zweit-Sprache genügt für eine Sprache diesen<br />

Typs das Auftreten von Sätzen mit einer SOV-Stellung. Auf Grund dieser Überlegungen<br />

kommt Fodor (1998:25) zu folgender Zusammenstellung von – für jeden Sprachtyp unterschiedlichen<br />

– Wortstellungsmustern, die ihrer Ansicht nach das Fixieren des Verb-Zweit-<br />

Parameters auslösen können:<br />

Grammatik parametrisch eindeutiges Satzmuster<br />

Satzbeispiel<br />

SV,OV, -V2 S O V Die Frau das Buch liest<br />

SV,VO, -V2 Adv S V O Gerne die Frau das Buch liest<br />

VS,OV, -V2 Adv O V S Gerne das Buch liest die Frau<br />

VS,VO, -V2 V O S Liest das Buch die Frau<br />

SV,OV, +V2 Adv Aux S O V Gerne hat die Frau das Buch gelesen<br />

SV,VO, +V2 Adv Aux S V O Gerne hat die Frau gelesen das Buch<br />

VS,OV, +V2 Adv Aux O V S Gerne hat das Buch gelesen die Frau<br />

VS,VO, +V2 O1 Aux V O2 S Das Buch hat die Frau dem Mann gegeben<br />

Tabelle (4): Eindeutige Wortstellungsmuster für das Triggern des Verb-Zweit-Parameters (nach<br />

Fodor 1998:25)


113<br />

Diese Analyse Fodors ist der erste Versuch einer expliziten Ausformulierung der eindeutigen<br />

Trigger des Verb-Zweit-Parameters. Sie stellt damit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung<br />

einer adäquaten Theorie über den Erwerb der mit dem Verb-Zweit-Parameter<br />

verbundenen Eigenschaften dar. Eine empirisch zu überprüfende Frage ist es, inwiefern<br />

diese von Fodor vorgeschlagenen Trigger tatsächlich als Auslöser der Parameterfixierung<br />

fungieren können. Die in den vorangegangenen Kapiteln diskutierten germanischen Verb-<br />

Zweit-Sprachen bestätigen Fodors Annahme, wonach Sätze mit einer AdvSVO- bzw. einer<br />

SOV-Stellung als eindeutige Triggerevidenz für die Festlegung auf den Wert '-V2' in SVO-<br />

bzw. SOV-Sprachen fungieren können. In den hier betrachteten germanischen Verb-Zweit-<br />

Sprachen sind Sätze mit dieser Wortstellung ausgeschlossen. Problematischer ist allerdings<br />

Fodors Annahme, wonach AdvAuxSVO- bzw. AdvAuxSOV-Sätze in SVO-Sprachen eindeutige<br />

Trigger für die Fixierung auf den Wert '+V2' darstellen. Wie die obige Diskussion<br />

gezeigt hat, sind in einigen modernen romanischen Sprachen durchaus Sätze mit einer solchen<br />

Wortstellung möglich, obwohl diese Sprachen nicht über eine Verb-Zweit-Grammatik<br />

verfügen. Dies ist, wie die folgenden Beispiele nochmals illustrieren, insbesondere im iberischen<br />

Portugiesischen der Fall, in dem die AdvAuxSVO-Stellung sowohl mit nominalem<br />

als auch pronominalem Subjekt möglich ist (cf. (19)(c) in Kapitel 1, (84)(a) in Kapitel 2).<br />

Im Französischen ist dieses Stellungsmuster zumindest in Verbindung mit einem klitischen<br />

Subjektspronomen möglich (cf. (17)(a) in Kapitel 1):<br />

(1) ipg. (a) Com prazer tem a mulher lido o livro.<br />

mit Vergnügen hat die Frauer gelesen das Buch<br />

(b) Talvez tenha ela lido o livro.<br />

vielleicht habe sie gelesen das Buch<br />

(2) nfr. Peut-être a-t-elle lu le livre.<br />

vielleicht hat sie gelesen das Buch<br />

Diese Belege deuten darauf hin, dass das von Fodor vorgeschlagene Satzmuster nicht als<br />

eindeutige Triggerevidenz für die Festlegung einer SVO-Sprache auf den Wert '-V2' angenommen<br />

werden kann. Es muss folglich ein anderes Satzmuster gefunden werden, das als<br />

eindeutige Triggerevidenz für Sprachen dieses Wortstellungstyps fungieren kann.<br />

Die Formulierung der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft als Parameter impliziert daher,<br />

dass nicht nur gezeigt werden muss, mit welchen Eigenschaften die Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

korreliert, sondern auch, auf Grund welcher Daten im Input der Erwachsenensprache<br />

ein Kind in der Lage sein kann, den Parameter auf den richtigen Wert zu fixieren.<br />

Es muss konstatiert werden, dass es in der bisherigen Diskussion um diesen Parameter<br />

bislang nur in Ansätzen gelungen ist, diese Anforderungen zu erfüllen.<br />

In einer Untersuchung der Frage, ob der Verlust der Verb-Zweit-Stellungseffekte in den<br />

romanischen Sprachen durch das Umfixieren des Verb-Zweit-Parameters erklärt werden<br />

kann, gilt es daher zum einen, den Parameter in seiner bisherigen Formulierung kritisch zu<br />

überprüfen, und zum anderen aber auch an Hand der diachronischen Daten zu versuchen,<br />

zusätzliche Evidenzen für eine möglicherweise adäquatere Formulierung des Parameters zu<br />

finden.


114<br />

4.1.2 Implikationen für den Sprachwandel<br />

Ausgehend von der in Kapitel 1 dargestellten Annahme, dass Sprachwandel durch Vorgänge<br />

während des Spracherwerbsprozesses bestimmt und ausgelöst wird, muss nun die<br />

Frage gestellt werden, wie im Rahmen einer Sprachwandeltheorie, die auf einer solchen<br />

Konzeption von Spracherwerb basiert, Sprachwandel überhaupt erfasst werden kann. Auf<br />

Grund der Tatsache, dass Kinder in aller Regel erfolgreich die Grammatik der Sprache(n)<br />

ihrer sprachlichen Umgebung erwerben, sollte zu erwarten sein, dass Sprachwandel gar<br />

nicht stattfindet:<br />

The theory of language acquisition [...] presents a problem when we try to explain linguistic<br />

change. If every generation acquires the grammar of their parents, how can languages change? It<br />

should be expected that grammars remain constant, since linguistic change implies that there is at<br />

least one generation whose grammar is different from that of the parental generation and who thus<br />

acquire a 'wrong' grammar. (Brandner / Ferraresi 1996:14)<br />

Dieses 'logische Problem des Sprachwandels' (Brandner / Ferraresi 1996:14, Niyogi / Berwick<br />

1998) ist umso gravierender, wenn es darum geht, den Wandel parametrisch festgelegter<br />

Eigenschaften zu erklären. Die allgemein angenommene Lösung der generativen<br />

Sprachwandeltheorie für dieses Problem besteht in der Annahme, dass Sprachwandel auf<br />

Grund von Veränderungen in der Sprache der Erwachsenen eintreten kann. Diese Veränderungen<br />

führen dazu, dass die für den Erwerb einer bestimmten Eigenschaft relevante 'Trigger-Erfahrung'<br />

verloren geht oder den Kindern nur noch in begrenztem Umfang zugänglich<br />

ist. Das heißt, unabdingbare Voraussetzung für jede Art von syntaktischem Wandel ist eine<br />

vorangehende Veränderung im erwachsenensprachlichen Input:<br />

If there were no change in trigger experiences, there would be no changes in grammars. If representations<br />

[...] disappeared, it was because they ceased to be triggered; the children who did not<br />

acquire them must have had different experiences from earlier generations – it was not because<br />

they were more sensitive to the demands of the L[east]E[ffort]S[trategy] or the Transparency Principle<br />

[(Lightfoot 1979)]. (Lightfoot 1997b:269)<br />

Die kontrovers diskutierte Frage diesbezüglich lautet, wodurch sich ein solcher Wandel in<br />

der Trigger-Erfahrung auszeichnet. Hierbei werden grundsätzlich zwei Möglichkeiten in<br />

Betracht gezogen: ein signifikanter Wandel in der Auftretenshäufigkeit einer bestimmten<br />

Konstruktion, d.h. eine quantitative Veränderung, oder das Auftreten einer neuen Konstruktion,<br />

d.h. eine strukturelle Veränderung des erwachsenensprachlichen Inputs (Roberts<br />

1993:158). Im Folgenden soll gezeigt werden, dass beide Möglichkeiten nicht in der Lage<br />

sind, grammatischen, d.h. parametrischen, Wandel in adäquater Weise zu erfassen.<br />

4.1.2.1 Quantitative Veränderungen in der Erwachsenensprache<br />

Jeder erwachsenensprachliche Input, dem ein Kind während des Erstspracherwerbs ausgesetzt<br />

ist, muss Daten enthalten, die es ihm ermöglichen, die verschiedenen Parameter auf<br />

den zielsprachlichen Wert festzulegen. Eine quantitative Veränderung dieses Inputs kann<br />

zur Folge haben, dass Daten, die für das Fixieren eines Parameters ausschlaggebend sind, in<br />

ihrer Häufigkeit zurückgehen, während gleichzeitig Konstruktionen immer häufiger werden,<br />

die hinsichtlich ihrer Struktur ambig sind und daher nicht als eindeutiger Trigger fun-


115<br />

gieren können. Im Fall des angenommenen Verlustes der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

in den romanischen Sprachen lautet die – von Weerman (1993:907) als "ambiguous facts<br />

solution" bezeichnete – Annahme, dass diese quantitative Veränderung in der Sprache der<br />

Erwachsenen in einer deutlichen Zunahme von SVX-Matrixsätzen und einer gleichzeitigen<br />

Abnahme der Häufigkeit von Sätzen mit einer XV(S)-Stellung besteht.<br />

Lightfoot (1997b:269) betont, dass diese "shifts in the available trigger experiences" lediglich<br />

ein Wandel im Gebrauch der Grammatik der Erwachsenen sein können. Das heißt,<br />

es handelt sich hierbei nicht um einen Wandel der Grammatik selbst, sondern nur um einen<br />

Wandel innerhalb der Möglichkeiten, die die jeweilige Grammatik zur Verfügung stellt.<br />

Diese Änderungen sind nach Ansicht von Lightfoot ausschließlich auf externe Faktoren,<br />

wie beispielsweise den Kontakt zu anderen Sprachen oder Dialekten oder stilistische Faktoren,<br />

zurückzuführen. Er fordert daher, dass die Aufgabe einer generativen Sprachwandeluntersuchung<br />

zunächst darin besteht, diese Änderungen in den "trigger experiences" empirisch<br />

zu erfassen, da erst auf Grundlage dieser Erkenntnis Aussagen über interne<br />

Sprachwandelprozesse gemacht werden können. Lightfoot (1988:319f., 1997b:268f.) vermutet<br />

allerdings, dass es für solche Änderungen keine systematischen Erklärungen geben<br />

kann. Dennoch sollten diese Erklärungen so präzise und plausibel wie möglich sein und<br />

zwar, wie Weerman (1993:919) fordert, "from both a technical-linguistic and a sociolinguistic<br />

point of view".<br />

Obwohl sich Lightfoot (1993b:203) der Schwierigkeiten einer empirischen Erfassung<br />

dieser Änderungen bewusst ist, versucht er am Beispiel des Verlustes der Verb-Zweit-<br />

Stellung im Englischen, empirische Evidenzen dafür vorzulegen, dass diesem Verlust Veränderungen<br />

des erwachsenensprachlichen Inputs vorausgegangen sind. Lightfoot<br />

(1993b:203) nimmt an, dass es sich bei diesen Veränderungen um "a steady increase of<br />

utterances beginning with subject + verb and a decline of non-subject + verb (while remaining<br />

V2)" handelt. Unter Berufung auf eine Studie von Bean (1983), die die Stellung<br />

der Konstituenten in der 'Angelsächsischen Chronik' (ca. 891-1154) zum Gegenstand hat,<br />

beobachtet er, dass in den ältesten Textstellen nur 28% aller Matrixsätze eine SV-Stellung<br />

aufweisen, während in den späteren Textabschnitten aus dem 11. bzw. 12. Jhdt. der Anteil<br />

der SV-Matrixsätze 41% beträgt. Lightfoot (1993b:203) sieht darin Evidenz für einen signifikanten<br />

Anstieg, der eine quantitative Veränderung der Trigger-Erfahrung im Englischen<br />

in diesem Zeitraum widerspiegelt. Des Weiteren referiert Lightfoot (1997a:179) die<br />

Ergebnisse einer (unveröffentlichten) statistischen Auswertung eines englischen Textes aus<br />

dem frühen 13. Jhdt. von A. van Kemenade, wonach 48% aller Sätze SV-Stellung aufweisen.<br />

Bemerkenswert ist für Lightfoot hier nicht nur die weitere Zunahme des Anteils an SV-<br />

Sätzen im Vergleich zu den Texten aus den früheren Jahrhunderten, sondern insbesondere<br />

auch die Beobachtung van Kemenades, dass der Anteil an XV-Sätzen, also an Sätzen mit<br />

einem Nicht-Subjekt in satzinitialer Position, nur 17% beträgt.<br />

Nach Ansicht von Lightfoot ist dieser Prozentsatz eindeutig zu niedrig, um noch als<br />

Trigger für das Fixieren des Parameters auf den Wert '+V2' fungieren zu können. Er beruft<br />

sich hier unter anderem auf eine Untersuchung der Umgangssprache des Deutschen, des<br />

Niederländischen und des Norwegischen von Gerritsen (1984), wonach ca. 30% aller Matrixsätze<br />

eine XV-Stellung aufweisen. Somit ist nach Ansicht von Lightfoot (1997a:179)<br />

folgende Schlussfolgerung gerechtfertigt:


116<br />

So the evidence suggests that 17% of initial non-subjects does not suffice to trigger a V2 grammar,<br />

but 30% is enough; somewhere between 17% and 30% is a phase-transition. Of course, we have<br />

no idea why there should be a transition at exactly this point [...].<br />

Diese Analyse von Lightfoot ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Ein gravierendes empirisches<br />

Problem wird von Lightfoot (1993b:203) selbst erkannt. Es besteht darin, dass das<br />

zur Verfügung stehende Datenmaterial oftmals kaum ausreicht oder nur wenig geeignet ist,<br />

um fundierte quantitative Aussagen über die gesprochene Sprache einer oder mehrerer<br />

Epochen zu machen. In den generativen Analysen zur historischen Syntax wird dieses Problem<br />

allerdings nur sehr selten thematisiert und bleibt i.d.R. vollkommen unberücksichtigt. 2<br />

Es ist zu beobachten, dass quantitative Auszählungen häufig nur auf einer kleinen Datenbasis<br />

beruhen und dass mit dem Datenmaterial oft sehr unkritisch umgegangen wird. Dieser<br />

unkritische Umgang zeigt sich unter anderem darin, dass bei der Auswahl des Materials<br />

Textsorte, Gattung oder regionale Herkunft der zur Analyse herangezogenen Texte meist<br />

vollkommen unberücksichtigt bleiben. In diesem Fall besteht jedoch die große Gefahr, dass<br />

eine beobachtete Variation keine diachronische Variation widerspiegelt, sondern vielmehr<br />

auf Unterschiede der Textsorte oder Gattung oder auf dialektale Unterschiede zurückzuführen<br />

ist. Lightfoot versucht dieser Gefahr entgegenzuwirken, indem er auf Ergebnisse der<br />

Analyse einer Chronik zurückgreift, also einer Sammlung von Texten, die derselben Textsorte<br />

angehören und auch eine relative Kontinuität, was Textproduktion und Sprachstil<br />

betrifft, aufweisen. Bezweifelt werden muss allerdings, ob es ein geeignetes Verfahren ist,<br />

diese Ergebnisse mit denen einer Studie über moderne gesprochene Umgangssprache zu<br />

vergleichen. Methodisch angebrachter wäre sicherlich ein Vergleich mit einem Text, der<br />

dem historischen Textmaterial in Hinsicht auf Textsorte und Sprachstil näher steht.<br />

Ein anderes empirisches Problem der quantitativen Auswertung historischen Datenmaterials<br />

hängt mit der Annahme zusammen, dass Vorgänge des kindlichen Spracherwerbs<br />

Sprachwandel auslösen können. Hier muss gefragt werden, inwiefern das vorliegende Datenmaterial<br />

überhaupt Aufschluss über den Sprachgebrauch von erwachsenensprachlichen<br />

Sprechern geben kann, der als Auslöser für eine Reanalyse gedient haben soll. Das ist allein<br />

deshalb zu bezweifeln, weil das vorhandene historische Sprachmaterial nur in sehr geringem<br />

Maße der Art von gesprochener Sprache nahe kommt, die im Kontakt mit Kindern<br />

verwendet wurde. Die einzige Feststellung, die aus einer Auswertung historischen Datenmaterials<br />

gezogen werden kann, ist die, dass "in a set of texts" (Roberts 1993:158) be-<br />

2 Es handelt sich natürlich hier um ein Problem, mit dem generell jede Art der historischen Linguistik<br />

konfrontiert ist. Für die generative Sprachwandelforschung wiegt es allerdings schwerer, weil<br />

ihr primäres Ziel darin besteht, Aussagen über die grammatische Kompetenz der Sprecher einer historischen<br />

Epoche zu treffen, die aber nicht durch Befragung überprüfbar ist und daher nur auf<br />

Grund positiver Evidenz ermittelt werden kann:<br />

"O fato de que, em pesquisa diacrônica, o investigador não pode usar a competência do falante,<br />

nem mesmo a própria, coloca o lingüista em pé de igualdade com a criança que aprende sua<br />

língua, isto é, ele só pode basear-se em dados positivos, e seu desenvolvimento lingüístico depende<br />

de um input 'robusto', nos termos de Lightfoot (1989, 1991). Lidar com dados positivos 'robustos'<br />

significa não apenas uma imersão nos dados em busca de insights e descobertas de ordem fenomenológica,<br />

mas uma análise que apresente argumentos quantitativos de correlação ou de concomitância<br />

de mudanças, para mostrar se houve efetivamente o que se considera uma mudança de<br />

parâmetro [...]." (Kato 1993:17)


117<br />

stimmte Konstruktionen häufiger und andere weniger häufig auftreten und dass es zu einem<br />

Wandel in der Häufigkeit dieser Konstruktionen gekommen ist. Die Schlussfolgerung jedoch,<br />

dass es sich hier um einen Wandel im Gebrauch der Grammatik dieser Sprache und<br />

nicht der Grammatik selbst handelt, basiert allein auf der Annahme, dass es erst ab einem<br />

bestimmten Prozentsatz der Auftretenshäufigkeit einer Konstruktion zu einem Wandel der<br />

Grammatik kommt. Eine empirische Bestätigung für diese Schlussfolgerung liefern die<br />

Daten jedoch nicht. Die angenommene Reanalyse könnte durchaus auch wesentlich früher<br />

eingetreten sein, als vermutet wird, und die beobachtete Veränderung hinsichtlich der Häufigkeit<br />

bestimmter Konstruktionen lediglich ein Reflex eines bereits längst eingetretenen<br />

grammatischen Wandels sein.<br />

Diese Feststellung führt zu einem weiteren für die generative historische Linguistik spezifischen<br />

Problem. Ausgehend von den Grundannahmen des Prinzipien- und Parametermodells<br />

stellt sich die Frage, ob es überhaupt berechtigt ist anzunehmen, dass das (vermehrte)<br />

Auftreten von Sätzen mit ambiger Struktur zu einem grammatischen Wandel führen kann.<br />

So ist beispielsweise bei den für das Französische vorgeschlagenen Analysen eines angenommenen<br />

Verb-Zweit-Stellungswandels vollkommen unklar, warum die Zunahme von<br />

(strukturell ambigen) SVX-Matrixsätzen dazu führen sollte, dass Kinder die Struktur dieser<br />

Sätze und schließlich die gesamte Satzstruktur des Französischen reanalysieren. Dagegen<br />

spricht die Tatsache, dass im erwachsenensprachlichen Input einer Verb-Zweit-Sprache<br />

auch in einer Phase, in der SVX-Konstruktionen die Mehrheit bilden, gleichzeitig stets auch<br />

Sätze existieren, die eindeutiger Bestandteil einer Verb-Zweit-Grammatik sind. Hierzu<br />

gehören, wie Platzack (1995:206) konstatiert, alle Sätze mit einem initialen Nicht-Subjekt,<br />

die in einer Verb-Zweit-Sprache – mit zugrunde liegender SVO-Stellung – als eindeutige<br />

Belege für eine V-nach-COMP-Bewegung dienen (cf. auch Weerman 1989:186):<br />

We thus have a situation where the language learner must have experienced a certain number of<br />

sentences [...] which unambiguously indicated the presence of verb second, and a bulk of sentences<br />

which were structurally ambiguous between a verb-second interpretation and a basic SVO<br />

interpretation. It is unclear why the language learners should ignore these unambiguous cases in<br />

favour of a particular interpretation of the ambiguous ones.<br />

Diese Beobachtung stimmt mit den Ergebnissen zahlreicher Untersuchungen zum kindlichen<br />

Erstspracherwerb überein (Carroll 1989, Weerman 1993, Gibson / Wexler 1994,<br />

Fodor 1998). Darin wird gezeigt, dass das Fixieren von Parametern nicht notwendigerweise<br />

abhängig von der Häufigkeit der im Input auftretenden Muster ist, sondern auf der Grundlage<br />

wenig salienter und wenig frequenter Inputdaten ausgelöst werden kann. Hier unterscheidet<br />

sich Spracherwerb, der sich durch Lernen vollzieht, von solchem, der auf dem<br />

Triggern von Eigenschaften basiert (Meisel 1995:14). Für letzteres ist lediglich die Tatsache<br />

entscheidend, dass es eindeutige Trigger gibt, die die Festlegung von Parametern auf<br />

einen bestimmten Wert bewirken. Mit anderen Worten, solange eindeutige Evidenz für die<br />

Fixierung auf einen bestimmten Parameterwert vorhanden ist, spielt die Tatsache, dass es<br />

im erwachsenensprachlichen Input gleichzeitig Daten gibt, die für die Parameterfixierung<br />

ambig sind, keine Rolle. Es kann dadurch auch nicht zu einer Umfixierung des Parameters<br />

kommen:<br />

The learning mechanism would change a parameter to a new value when and only when it encountered<br />

an unambiguous trigger for that value; parametrically ambiguous inputs would never induce<br />

a grammar change. (Fodor 1998:5)


118<br />

Für Weerman (1993:908) weist daher die "ambiguous fact solution" paradoxe Züge auf, da<br />

sie einerseits an der – für die Prinzipien- und Parametertheorie fundamentalen – deterministischen<br />

Auffassung von Spracherwerb festhalten will, andererseits zur Erklärung von<br />

Sprachwandelphänomenen diese Auffassung jedoch aufgibt:<br />

[...] there is something paradoxical in the ambiguous fact[s] solution. On the one hand, the parameter<br />

setting model is an attempt to explain that the children acquire rules of grammar rather uniformly<br />

in a relatively short period. On the other hand, the ambiguous facts now throw a spanner in<br />

these works. In some cases the trigger would not be so very clear. One might expect therefore that<br />

here language acquisition runs less smoothly and that here language learners come to different results,<br />

so that distinct settings of the parameter should coexist in one language environment.<br />

Es dürfte damit auch klar sein, dass die in verschiedenen generativen Analysen vertretene<br />

Annahme, wonach das Mittelfranzösische oder andere frühromanische Sprachen 'optionale'<br />

Verb-Zweit-Sprachen waren, den basalen Annahmen der Parametertheorie grundsätzlich<br />

widerspricht. 3 Wie bereits erwähnt, geht Roberts (1993) sogar von der Möglichkeit aus,<br />

dass einzelne Sprecher des Mittelfranzösischen in der Lage waren, zwischen den beiden<br />

Werten des Verb-Zweit-Parameters zu wechseln. Das heißt, es wird prinzipiell die Möglichkeit<br />

eingeräumt, dass Kinder im Laufe des Spracherwerbs bestimmte Parameter entweder<br />

nicht notwendigerweise festlegen müssen oder auf mehrere Werte gleichzeitig fixieren<br />

können. Dadurch werden jedoch das gesamte theoretische Konzept der Parameter und die<br />

damit verbundenen Generalisierungen und Vorhersagen für den Spracherwerb radikal in<br />

Frage gestellt und die Erklärungskraft der Prinzipien- und Parametertheorie für Prozesse<br />

des Spracherwerbs in entscheidendem Maße geschwächt. Roberts Analyse des Verbstellungswandels<br />

im Französischen, derzufolge zunächst eine Reanalyse einsetzt, die lediglich<br />

optionale Anwendung findet und erst später in einen Parameterwechsel mündet, der zum<br />

endgültigen Verlust der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft führt, erweist sich somit als ein<br />

nicht haltbarer Erklärungsansatz.<br />

Diese Feststellung gilt grundsätzlich für jede generative Analyse, die versucht, den<br />

Wandel von parametrisch festgelegten Eigenschaften – wie beispielsweise der Verb-Zweit-<br />

Stellungseigenschaft – auf die Existenz ambiger Inputdaten und deren quantitative Zunahme<br />

zurückzuführen. Quantitative Veränderungen im erwachsenensprachlichen Input<br />

haben nur dann einen Einfluss auf die Fixierung von Parametern, wenn dadurch eindeutige<br />

Trigger aus dem Input vollkommen verschwinden und gleichzeitig eindeutige Trigger für<br />

3 Dies gilt auch für viele Analysen des Altenglischen, für das häufig auf Grund der dort zu beobachtenden<br />

Verb-Dritt-Stellungen (cf. z.B. Pintzuk 1995, Haeberli 1999, Tappe 2000) angenommen<br />

wird, dass es durch eine optionale Verb-Zweit-Stellungseigenschaft gekennzeichnet war:<br />

"Recall, however, that Old English showed V2 obligatorily only when clauses were introduced by<br />

interrogative or negative phrases; otherwise V2 was just one option, albeit a prevalent one (see<br />

Stockwell 1984 for discussion), unlike in Dutch, German or Norwegian, where V2 is generally<br />

obligatory. This may reflect an important difference in the grammars and thus in what experience<br />

is required to set the relevant parameter." (Lightfoot 1993b:203f.)<br />

Merkwürdigerweise betont Lightfoot (1993b:202) an gleicher Stelle, dass das Englische und Französische<br />

Sprachen sind, "which have lost full V2 properties" (meine Hervorhebung, GAK). Dies<br />

illustriert deutlich die Tatsache, dass viele Versuche, das Altenglische oder das Alt- bzw. Mittelfranzösische<br />

als Sprachen mit einer strengen Verb-Zweit-Stellungseigenschaft zu analysieren, von<br />

Widersprüchen und Ungenauigkeiten geprägt sind.


119<br />

das Fixieren auf einen neuen Parameterwert auftreten. Dies führt zu der Annahme, dass<br />

strukturelle Veränderungen in der Grammatik der Erwachsenensprache eintreten müssen,<br />

damit eine Parameterumsetzung ausgelöst werden kann.<br />

4.1.2.2 Strukturelle Veränderungen in der Erwachsenensprache<br />

In der oben geführten Diskussion der generativen Untersuchungen zum Verbstellungswandel<br />

im Französischen (und in anderen romanischen Sprachen) wurde bereits gezeigt, dass in<br />

den meisten dieser Arbeiten angenommen wird, dass zusätzlich zu quantitativen Veränderungen<br />

auch strukturelle Veränderungen im erwachsenensprachlichen Input eingetreten<br />

sind. In den meisten Fällen wird die Notwendigkeit dieser Veränderungen mit dem Hinweis<br />

darauf begründet, dass die festlandskandinavischen Sprachen ebenso wie das Französische<br />

eine zugrunde liegende SVO-Stellung besitzen, ihre Verb-Zweit-Stellungseigenschaft aber<br />

bislang nicht verloren haben. Somit muss erklärt werden, warum im Französischen die<br />

oberflächliche Ähnlichkeit von SVX-Matrix- und SVX-Nebensätzen zu einer Reanalyse der<br />

Struktur der Matrixsätze geführt hat, während in den festlandskandinavischen Sprachen<br />

eine solche Reanalyse bislang nicht eingetreten ist.<br />

Roberts (1993:144-153) führt hierfür zwei strukturelle Veränderungen an, die seiner Ansicht<br />

nach zu einer Reanalyse geführt haben und für die spätere endgültige Aufgabe der<br />

Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Französischen ausschlaggebend waren. Er stützt sich<br />

hierbei auf zwei Beobachtungen hinsichtlich des zunehmenden Auftretens von Sätzen mit<br />

einer Verb-Dritt-Stellung im Mittelfranzösischen im Vergleich zum Altfranzösischen. Die<br />

erste Beobachtung betrifft Sätze mit initialem Adverbien. Unter Berufung auf Vance (1989)<br />

konstatiert er, dass diese Adverbien in zunehmend häufigerem Maße unmittelbar vor dem<br />

Subjekt stehen. Das Bemerkenswerte ist für Roberts dabei vor allem, dass die daraus resultierende<br />

Drittstellung des finiten Verbs auch nach solchen Adverbien zu beobachten ist,<br />

nach denen im Altfranzösischen noch die Verb-Zweit-Stellung die Regel war:<br />

(3) afr. (a) lors oïrent il venir un escroiz de tonoire<br />

dann hörten sie kommen einen Donnerschlag<br />

(que 15,8-9) (Vance 1989:2 u. 159, Roberts 1993:147)<br />

(b) jamais n' ert si vailant<br />

nie NEG (er)-war so wertvoll<br />

(ale 2c) (Roberts 1993:147)<br />

(4) mfr. (a) Lors la royne fist Saintré appeller<br />

dann die Königin ließ Saintré rufen<br />

(jds, 140,14) (Vance 1989:158, Roberts 1993:146)<br />

(b) Et jamés une jeune femme ne seroit si jaleuse<br />

und nie eine junge Frau NEG wäre so eifersüchtig<br />

(qjm 14,129-130) (Roberts 1993:146)<br />

Die Annahme von Roberts (1993:148) besteht darin, dass der Status dieser Adverbien im<br />

Mittelfranzösischen eine Änderung erfahren hat. Er nimmt an, dass die Erwachsenen dazu<br />

übergehen, diesen Adverbien einen ähnlichen Status wie der deutschen Konjunktion denn<br />

zuzuordnen, die nur in Verbindung mit einer Verb-Dritt-Stellung auftreten kann. Roberts<br />

lässt allerdings offen, wie und aus welchen Gründen dieser Wandel eingetreten ist. Unklar<br />

ist auch, auf welche Weise dieser Wandel zu einer Veränderung der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

des Französischen führt. Seiner Argumentation zufolge deutet das zunehmende


120<br />

Auftreten von Adverbien wie lors oder jamais/jamés in Verb-Dritt-Sätzen darauf hin, dass<br />

diese Adverbien nicht mehr in der Lage sind, die Verb-Zweit-Stellung zu triggern (Roberts<br />

1993:146). Das Problem einer solchen Argumentation liegt darin, dass hier stillschweigend<br />

die traditionelle Argumentationsweise übernommen wird, derzufolge in Verb-Zweit-Sprachen<br />

die Verb-Zweit-Stellung bzw. die Subjekt-Verb-Inversion durch ein satzinitial auftretendes<br />

Adverbial oder sonstiges Nicht-Subjekt ausgelöst wird. Im Rahmen des hier ausführlich<br />

diskutierten und von Roberts verwendeten generativen Erklärungsmodells werden<br />

jedoch nicht die Adverbien als Auslöser für diese Stellung angesehen, sondern die Tatsache,<br />

dass das Verb auf Grund parametrisch festgelegter Bedingungen in die Zweit-Position,<br />

d.h. nach COMP, angehoben werden muss. Auf diesen Widerspruch, der in vielen generativen<br />

Verb-Zweit-Analysen anzutreffen ist (z.B. de Bakker 1997:141), macht auch Vance<br />

(1993:283) aufmerksam:<br />

In the terminology of the traditional literature on inversion in Old French, clause-initial adverbs<br />

and preposed constituents from the VP are said to 'trigger' the postposition or omission of the pronoun.<br />

This characterization is a useful descriptive device [...]. It will be noted, however, that under<br />

the analysis just presented, no 'trigger' is necessary for a matrix CP to be formed; rather, V2 languages<br />

are assumed to have a parametrically determined property that requires, in all matrix<br />

clauses, that the verb move to C and the spec CP position be filled.<br />

Das heißt, ausgehend von der Annahme, dass das Altfranzösische eine Verb-Zweit-Sprache<br />

war, können die Sätze in (4) nur so interpretiert werden, dass diese Adverbien im Mittelfranzösischen<br />

einen besonderen Status bekommen haben, der es ihnen erlaubt, in einer an<br />

die CP adjungierten Position aufzutreten. Anders als Roberts annimmt, würde die Verbnach-COMP-Bewegung<br />

– ebenso wie im Fall des von Roberts (1993:145) zitierten deutschen<br />

denn – von dieser Statusänderung unberührt bleiben:<br />

(5) [CP Lors [CP la royne [C' fist [IP Saintré appeller]]]]<br />

(6) [CP Denn [CP Johann [C' hat [IP gestern das Buch gelesen]]]]<br />

Noch problematischer ist die Argumentation, die Roberts hinsichtlich seiner zweiten Beobachtung<br />

bezüglich der Veränderungen im Mittelfranzösischen vorlegt. Diese bestehen<br />

seiner Ansicht nach darin, dass in Texten des Mittelfranzösischen in zunehmendem Maße<br />

Verb-Dritt-Sätze mit vorangestelltem Komplement zu finden sind. Roberts (1993:149) führt<br />

hierzu die beiden folgenden Beispiele an:<br />

(7) mfr. (a) De laquelle plaisant nouvelle tous se prindrent a rire<br />

von dieser erfreulichen Nachricht alle sich anschickten zu lachen<br />

(jds 189,31-32) ( Vance 1989:186, Roberts 1993:149)<br />

(b) le petit Saintré les yeulz de Madame ne cessoient de regarder<br />

den kleinen Saintré die Augen von Madame nicht aufhörten zu betrachten<br />

(jds 55,32-33) ( Vance 1989:186, Roberts 1993:149)<br />

Nach Ansicht von Roberts (1993:149) belegt das zunehmende Auftreten solcher Sätze im<br />

Mittelfranzösischen "further evidence that the V2 constraint did not hold in full force in<br />

Mid[dle]Fr[ench]". Er begründet dies damit, dass Sätze wie (7) auf Grund der Beschränkung<br />

hinsichtlich der CP-Adjunktion in einer Verb-Zweit-Sprache ausgeschlossen sind.<br />

Folglich können seiner Ansicht nach die vorangestellten Komplemente in diesen Sätzen nur


121<br />

an eine IP adjungiert worden sein. Das heißt, diese Sätze haben eine Änderung erfahren, die<br />

darin besteht, dass die satzinitiale CP nun als IP bzw. AgrP interpretiert wird. 4<br />

Die zentrale, den Sprachwandel betreffende Frage lässt Roberts dabei allerdings vollkommen<br />

unbeantwortet. Er macht nämlich keinerlei Angaben darüber, wie es im Mittelfranzösischen<br />

zu einer solchen Änderung, d.h. zur Bildung von Sätzen, die mit einer Verb-<br />

Zweit-Grammatik unvereinbar sind, überhaupt kommen kann. Es ist zu vermuten, dass<br />

Roberts davon ausgeht, dass es sich dabei um das Resultat einer durch Kinder vorgenommenen<br />

Reanalyse handelt. Dabei ist jedoch unklar, auf Grund welcher Daten Kinder diese<br />

Reanalyse vorgenommen haben können.<br />

Wie eben gezeigt wurde, ist auszuschließen, dass der Auslöser für diese Reanalyse auf<br />

Grund quantitativer Veränderungen des erwachsenensprachlichen Inputs erfolgt ist. Eine<br />

andere Möglichkeit wäre anzunehmen, dass die Bildung von Sätzen wie (7) auf strukturelle<br />

Änderungen in der erwachsenensprachlichen Grammatik zurückzuführen ist. Damit wäre<br />

der Wandel der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft durch Veränderungen innerhalb der Erwachsenensprache<br />

selbst bedingt und nicht auf deren Reanalyse durch die Kinder einer<br />

neuen Generation zurückzuführen. Die Konsequenz dieser Annahme bestünde darin, dass<br />

parametrischer Wandel als ein vom kindlichen Spracherwerb unabhängiger Prozess angesehen<br />

werden würde. Damit würde allerdings eine der zentralen Grundannahmen der generativen<br />

Sprachwandeltheorie aufgegeben werden. Des Weiteren wirft diese Annahme die<br />

Frage auf, inwiefern es Sprechern einer Verb-Zweit-Sprache überhaupt möglich sein kann,<br />

solche Sätze wie in (7) zu bilden. Hierzu liefern theoretische Überlegungen und empirische<br />

Ergebnisse der Spracherwerbsforschung eindeutige Antworten. Die Untersuchungen zum<br />

Erstspracherwerb zeigen nämlich, dass ein Umfixieren von einmal gesetzten Parametern<br />

sowohl aus theoretischen wie auch empirischen Gründen ausgeschlossen werden muss<br />

(Meisel 1995:31ff.). Dies ergibt sich zum einen aus der theoretischen Überlegung heraus,<br />

dass die Möglichkeit eines Umfixierens dem Kind ein prinzipiell unendliches Umfixieren<br />

erlauben würde, da es keine Möglichkeit hätte zu entscheiden, an welchem Punkt es den<br />

Parameter endgültig festlegen muss (Valian 1990). Zum anderen zeigen empirische Untersuchungen<br />

des Erstspracherwerbs deutlich, dass Kinder einmal gesetzte Parameter nicht<br />

wieder umfixieren (Clahsen 1990/91, Penner 1992). Dies hat die Konsequenz, dass ein<br />

Kind, das einen Parameter auf einen nicht zielsprachlichen Wert gesetzt hat, die Festlegung<br />

nicht wieder rückgängig machen kann und die Eigenschaften, die mit der zielsprachlichen<br />

Fixierung verbunden sind, im Einzelnen erlernen muss (Müller 1994).<br />

Auch in der Zweitspracherwerbsforschung konnte in vielen Untersuchungen gezeigt<br />

werden, dass das Fixieren von Parametern ein (einmaliger) Prozess ist, der auf den Erstspracherwerb<br />

beschränkt bleibt und damit im Zweitspracherwerb keine Rolle spielt (Clahsen<br />

/ Muysken 1989). Diese Feststellung ergibt sich aus dem Vergleich von Erst- und<br />

Zweitspracherwerb, der nicht nur deutliche Unterschiede hinsichtlich des Erfolgs, sondern<br />

4 Es sei darauf hingewiesen, dass der von Vance (1989:162f.) übernommene Beispielsatz (7)(b) unvollständig<br />

ist. Eine Überprüfung zeigt nämlich, dass ein satzinitialer Nebensatz nicht mit aufgeführt<br />

wird. Somit handelt es sich hierbei nicht um einen Beleg für einen Verb-Dritt-Satz, sondern<br />

sogar für den eines Satzes mit einer Verb-Viert-Stellung:<br />

(i) mfr. Et endemantiers que ilz danssoient, le petit Saintré les yeulz de<br />

und währenddessen dass sie tanzten den kleinen Saintré die Augen von<br />

Madame ne cessoient de regarder, tant dansoit et chantoit bien.<br />

Madame nicht aufhörten zu betrachten so sehr (er)-tanzte und sang gut


122<br />

auch hinsichtlich des Erwerbsverlaufs sichtbar werden lässt. Während der Erstspracherwerb<br />

stets erfolgreich und nur durch wenige individuelle Unterschiede gekennzeichnet ist, führt<br />

der Zweitspracherwerb keineswegs immer zum Erfolg, sondern kann zu individuell sehr<br />

unterschiedlichen Ergebnissen führen, die von zahlreichen zusätzlichen Faktoren abhängig<br />

sind (z.B. Motivation, Zugang zu negativer Evidenz etc.), die beim Erstspracherwerb überhaupt<br />

keine Rolle spielen. Mit anderen Worten, die für den Erstspracherwerb charakteristische<br />

Diskrepanz zwischen dem zugänglichen – unterdeterminierten – Datenmaterial und<br />

der dabei erworbenen sprachlichen Kompetenz ist im Zweitspracherwerb nicht gegeben,<br />

d.h. es gibt auch keinen Anlass für die Annahme eines 'logischen Problems des Zweitspracherwerbs'.<br />

Damit fehlt die theoretische Rechtfertigung für die Annahme, dass der<br />

Zweitspracherwerb durch die Vorgabe universalgrammatischer Prinzipien oder das Fixieren<br />

von Parametern gesteuert ist (Bley-Vroman 1989, Meisel 1991). 5 Gegen diese Annahme<br />

sprechen auch zahlreiche empirische Untersuchungen. So lassen sich, wie Clahsen /<br />

Muysken (1989) am Beispiel des Erwerbs der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Deutschen<br />

zeigen, deutliche Unterschiede zwischen dem Erst- und Zweitspracherwerb feststellen.<br />

Wie bereits erwähnt, erwerben Kinder die Verb-Zweit-Stellung im Deutschen sehr<br />

schnell und nahezu fehlerfrei (Clahsen 1982, Mills 1985, Meisel 1986, Penner 1992). Beim<br />

Erwerb des Deutschen durch Zweitspracherwerber ist demgegenüber weder ein plötzlicher<br />

Erwerbssprung noch ein fehlerfreier Erwerb der Verb-Zweit-Stellung zu konstatieren<br />

(Clahsen / Meisel / Pienemann 1983). Diese Beobachtungen lassen sich durch die Annahme<br />

erfassen, dass der schnelle und fehlerfreie Erwerb der Verb-Zweit-Eigenschaft durch das<br />

(einmalige) Fixieren des entsprechenden Parameterwertes ermöglicht wird. Bei einem späteren<br />

Erwerb dieser Eigenschaft während des Erlernens einer Fremdsprache ist diese Möglichkeit<br />

hingegen nicht mehr gegeben:<br />

[...] in order to explain the deterministic character of the process of L1 acquisition, one may want<br />

to assume that even in the period of childhood children are not allowed to go on resetting parameters<br />

continually. If parameter setting is restricted in general in this way, L2 acquisition, including<br />

the acquisition of foreign languages, can never be a case of parameter setting and should be dependent<br />

on other cognitive prinicples. (Weerman 1993:906)<br />

Für eine generative Theorie des Sprachwandels kann aus diesen Beobachtungen gefolgert<br />

werden, dass der Wechsel parametrisch festgelegter Eigenschaften ausschließlich durch<br />

eine von Kindern während des Erstspracherwerbs durchgeführte Reanalyse erfolgen muss.<br />

5 Diese Beobachtung kann, wie Meisel (1991:235f.) betont, als das entscheidende Argument gegen<br />

die von einigen Zweitspracherwerbsforschern, wie z.B. White (1985), vertretene Annahme gesehen<br />

werden, wonach die Universalgrammatik auch beim Erwerb einer Zweitsprache als genetisch<br />

determinierter Spracherwerbsmechanismus zur Verfügung steht:<br />

"[...] the logical problem of language acquisition constitutes a major, if not the decisive, argument<br />

in favor of the claim that the child is endowed with a-priori knowledge about possible grammars,<br />

that is, UG. If this argument does not apply to L2 acquisition, the burden of proof rests, indeed, on<br />

the proponents of the UG/L2 hypothesis; in other words, it is not sufficient simply to demonstrate<br />

that UG principles can account for certain facts as well as other explanations can. Rather, one<br />

would have to give additional support for the assumption that UG is accessible for L2 learners. To<br />

my knowledge, very little has appeared in print which might be considered evidence of this sort.<br />

[...] In other words, the UG/L2 hypothesis appears to be insufficiently motivated in terms of<br />

epistemological reflections."


123<br />

Mit anderen Worten, ausgehend von der Annahme, dass das Altfranzösische eine Verb-<br />

Zweit-Sprache gewesen ist, können Sätze wie (7) nicht das Ergebnis qualitativer Änderungen<br />

des sprachlichen Inputs sein, sondern nur das Resultat einer zuvor erfolgten Reanalyse.<br />

Dies führt wieder zu der Frage, auf Grund welcher Evidenz Kinder eine solche Reanalyse<br />

vorgenommen haben können.<br />

Ein Versuch, eine Antwort auf diese Frage zu geben, stellt die bereits in Abschnitt<br />

3.3.4.1 diskutierte Analyse von Platzack (1995) dar. Abgesehen von den bereits erörterten<br />

empirischen Schwierigkeiten weist diese Analyse aber auch in theoretischer Hinsicht Probleme<br />

auf. Zwar ist die von Platzack angenommene Klitisierung der Subjektspronomina<br />

und das damit verbundene Auftreten von Sätzen mit einer Verb-Dritt-Stellung mit einer<br />

Verb-Zweit-Grammatik der Erwachsenensprache vereinbar, dennoch kann diese angenommene<br />

strukturelle Veränderung der Erwachsenensprache den postulierten Wandel des Französischen<br />

von einer Verb-Zweit- zu einer Nicht-Verb-Zweit-Sprache nicht erklären. Denn<br />

die Möglichkeit zur Bildung von Sätzen, die oberflächlich eine Verb-Dritt-Stellung aufweisen,<br />

bleibt ausschließlich auf Sätze mit klitischen Subjektspronomina beschränkt. Nominale<br />

Subjekte hingegen können nicht präverbal auftreten, wenn eine weitere Konstituente dem<br />

Verb voransteht. Das heißt, Sätze mit einem satzinitialen Nicht-Subjekt erfordern die postverbale<br />

Stellung eines Subjektsnomens und liefern damit eindeutige Evidenz für die Festlegung<br />

des Verb-Zweit-Parameters auf den ursprünglichen Wert. Wie bereits gezeigt, kommt<br />

es dennoch in einer solchen Situation nach Ansicht von Platzack (1995) deshalb zu einer<br />

Reanalyse und einer anschließenden Parameterumfixierung, weil solche Sätze mit nominalen<br />

Subjekten in der gesprochenen Umgangssprache sehr selten sind und aus diesem Grund<br />

von den Kindern als Evidenz für eine Verb-Zweit-Struktur ignoriert werden.<br />

Damit trifft Platzacks Kritik an bisherigen Analysen des Verlusts der Verb-Zweit-Stellung,<br />

wonach ein Parameterwechsel nicht eintreten kann, solange eindeutige Triggerevidenz<br />

vorhanden ist, auch auf seine eigene Analyse zu. Nach Ansicht von Kiparsky<br />

(1997:464) stellt der im vorangehenden Abschnitt zitierte Einwand von Platzack<br />

(1985:206) sogar generell jegliche Art von Reanalyse in Frage:<br />

Platzack's objection that all the unambiguous evidence favoured the V2 analysis counts equally<br />

against his own proposal; in fact it counts equally against any pure reanalysis account of any<br />

change whatever. For prior to actual reanalysis, the data will always divide that way: some of it<br />

will be equally consistent with both analyses and some will positively support the old.<br />

An diese Schlussfolgerung schließt sich nun die Frage an, inwiefern Sprachwandelphänomene<br />

überhaupt durch den Prozess des Parameterwechsels erfasst werden können. Es zeigt<br />

sich, dass die von Lightfoot geforderten "changes in trigger experiences" als notwendige<br />

Voraussetzung für grammatischen Wandel offenbar sehr spezifischer Art sein müssen, um<br />

einen Wandel parametrisch festgelegter Eigenschaften hervorrufen zu können. Quantitative<br />

Änderungen des erwachsenensprachlichen Inputs können nicht zu einem Wandel dieser<br />

Eigenschaften führen, solange im Input Daten vorhanden sind, die als Trigger für die Fixierung<br />

des Parameters auf den ursprünglichen Wert fungieren. Strukturelle Änderungen sind<br />

deshalb ausgeschlossen, weil sie dergestalt sein müssten, dass sie in der Erwachsenensprache<br />

selbst eine Umfixierung des Parameters voraussetzen würden. Diese Möglichkeit ist<br />

jedoch grundsätzlich auszuschließen.


124<br />

4.2 Parameterwechsel durch Dialekt- oder Sprachkontakt?<br />

Ein Versuch, ein Modell des Parameterwechsels zu entwerfen, das die aufgezeigten Probleme<br />

vermeidet, basiert auf der Annahme, dass zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt<br />

die sich ändernde Sprache in Kontakt mit einer oder mehreren Dialekten der gleichen<br />

Sprache oder einer oder mehreren anderen Sprachen gestanden haben muss. Voraussetzung<br />

ist, dass der oder die Parameter, deren Fixierung sich ändert, in den miteinander in Kontakt<br />

tretenden Dialekten oder Sprachen auf unterschiedliche Werte gesetzt sind.<br />

Ein solcher Vorschlag stammt von Lightfoot (1997a, 1997b, 1999), der damit den Verlust<br />

der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Englischen zu erklären versucht. Er knüpft an<br />

eine Studie von Kroch / Taylor (1997) über die Wortstellungsverhältnisse im Alt- und<br />

Mittelenglischen an. Darin beobachten die Autoren im Mittelenglischen signifikante dialektale<br />

Unterschiede hinsichtlich der Stellung des finiten Verbs. In dem von ihnen untersuchten<br />

Text, der den südlichen Dialekten zuzuordnen ist, konstatieren sie eine starke Variation<br />

hinsichtlich der Verb-Zweit-Stellung. Demgegenüber ist das untersuchte Dokument<br />

des nördlichen Mittelenglischen durch eine strenge Verb-Zweit-Stellung gekennzeichnet<br />

(cf. auch Haeberli 1999:387ff., 2000). Dieser Unterschied zwischen beiden Dialekten manifestiert<br />

sich der Analyse der beiden Autoren zufolge darin, dass der nördliche Dialekt über<br />

die – parametrisch festgelegte – obligatorische V-nach-COMP-Bewegungsregel in allen deklarativen<br />

Matrixsätzen verfügt. Im südlichen Dialekt hingegen kann das Verb nur in bestimmten<br />

Kontexten nach COMP angehoben werden, während es in anderen Kontexten nur<br />

an einen funktionalen Kopf unterhalb von COMP bewegt wird.<br />

Die Annahme von Lightfoot (1997b:269) lautet, dass es zu einem Parameterwechsel dadurch<br />

kommen konnte, dass die beiden Dialekte auf Grund von "population movements"<br />

miteinander in Kontakt getreten sind. Er vermutet, dass Sprecher eines dieser Dialekte sich<br />

im Gebiet des anderen Dialekts angesiedelt haben, wodurch den Kindern der jeweiligen<br />

Sprachgruppen Evidenz für eine Sprache mit einem anders gesetzten Parameter geliefert<br />

wurde. Entscheidend ist für Lightfoot die Tatsache, dass in dieser Situation des Kontakts<br />

Kinder der Sprecher des nördlichen Dialektes nun mit einer Varietät ihrer Sprache konfrontiert<br />

werden, in der eindeutige Evidenz gegen eine V-nach-COMP-Bewegung (z.B.<br />

Verb-Dritt-Sätze) und keine Evidenz für eine solche Bewegung, nämlich deklarative Matrixsätze<br />

mit einer Subjekt-Verb-Inversion, existiert. Lightfoot nimmt an, dass damit für<br />

diese Kinder die Möglichkeit besteht, eine Reanalyse ihrer Muttersprache vorzunehmen<br />

und den entsprechenden Parameter auf den Wert '-V2' festzulegen. Gefördert wird nach<br />

Ansicht von Lightfoot diese Reanalyse dadurch, dass in dem eigenen muttersprachlichen<br />

Dialekt der prozentuale Anteil von Sätzen mit einer Subjekt-Verb-Inversion in dieser bidialektalen<br />

Situation derartig gering ist, dass diese Sätze von den Kindern nicht mehr als<br />

Evidenz gegen eine Reanalyse wahrgenommen werden. Damit versucht Lightfoot der Tatsache<br />

gerecht zu werden, dass durch die erwachsenen Sprecher des nördlichen Dialekts den<br />

Kindern im Input ihres eigenen Dialekts weiterhin Evidenz für eine Verb-Zweit-Grammatik<br />

und gegen eine solche Reanalyse geliefert wird. Unklar bleibt bei dieser Analyse Lightfoots<br />

allerdings, warum in der von ihm angenommenen Situation des Dialektkontaktes sich nicht<br />

der nördliche Dialekt durchgesetzt hat und damit zur Entwicklung des Englischen zu einer<br />

strengen Verb-Zweit-Sprache geführt hat. Diese Möglichkeit wird von Lightfoot gar nicht<br />

in Betracht gezogen.


125<br />

Ein anderer Versuch, der Parameterwechsel als Resultat einer Sprachkontaktsituation ansieht,<br />

geht auf eine Studie von Weerman (1993) zurück. Darin wird versucht, die unterschiedliche<br />

Entwicklung der Objekt-Verb-Stellung zwischen Englisch und Niederländisch<br />

darauf zurückzuführen, dass das Altenglische – bedingt durch die Wikingerinvasion in der<br />

Zeit zwischen 800 bis 1050 – sehr starkem Einfluss des (Alt)-Nordischen ausgesetzt war. In<br />

ähnlicher Weise argumentieren auch Kroch / Taylor (1997), um die Entwicklung der Verb-<br />

Zweit-Stellung im Englischen zu erfassen. 6 Wie bereits gesehen, unterscheiden diese Autoren<br />

zwischen einem nördlichen und einem südlichen Dialekt des Mittelenglischen. Ihren<br />

Beobachtungen zufolge besteht ein Unterschied zwischen beiden Dialekten im System der<br />

Person- und Numeruskongruenzmarkierung, die im Nordmittelenglischen morphologisch<br />

schwächer ausgeprägt ist als im südlichen Dialekt des Mittelenglischen sowie im Altenglischen.<br />

Sie vermuten, dass diese Vereinfachung "the result of imperfect second-language<br />

learning of English by the Norse invaders of the ninth to eleventh centuries" ist (Kroch /<br />

Taylor 1997:318):<br />

The appearance of Norse-origin grammatical markers in the northern dialect [...] is clear evidence<br />

that second-language learners with an imperfect command of English grammar were a sufficiently<br />

large fraction of the population in the North to pass on their mixed language to succeeding generations,<br />

what is traditionally known as a substratum effect. One feature of imperfect learning, as is<br />

well known, is the imperfect acquisition of inflectional endings; and the northern M[iddle]<br />

E[nglish] endings seem to have originated in this way.<br />

Diese morphologische Reduktion des Systems der Flexionsmarkierung ist nach Ansicht von<br />

Kroch / Taylor (1997) für die Entwicklung der Verb-Zweit-Stellung im Nordenglischen<br />

verantwortlich. Ihre Analyse basiert auf der Annahme, dass die V-nach-INFL-Bewegung<br />

von morphologisch reichen Flexionsmerkmalen abhängig ist. Auf Grund des mangelnden<br />

'Reichtums' dieser Merkmale kann ihrer Ansicht nach nun ein nach INFL angehobenes<br />

Verb keine offene Spezifizierer-Kopf-Kongruenz zu einem in SpezIP vorhandenden Topik<br />

herstellen, so dass die Anhebung nach COMP erfolgen muss. Demzufolge führt eine –<br />

durch Sprachkontakt hervorgerufene – Reduktion des verbalen Kongruenzsystems dazu,<br />

dass eine ursprüngliche "IP-V2-Grammatik" zu einer "CP-V2-Grammatik" reanalysiert<br />

wird (Kroch / Taylor 1997:318).<br />

In ähnlicher Weise versucht Weerman (1993:922) die unterschiedliche Entwicklung des<br />

Englischen im Vergleich zum Niederländischen hinsichtlich der Stellung von Objekt und<br />

Verb auf eine "substantial L2 acquisition influence" zurückzuführen. Es geht ihm vor allem<br />

um die Beantwortung der von ihm als "(17b)" gekennzeichneten Frage, warum nur im<br />

Englischen, aber nicht im Niederländischen ein Wandel von einer OV- zu einer VO-Stellung<br />

stattgefunden hat (Weerman 1993:912):<br />

Thus, in contrast to what we see in the Netherlands during the Middle Dutch period, a substantial<br />

L2 acquisition influence is probable in Old English. Given what we know of the susceptibility of<br />

OV languages with V2 to VO overgeneralizations under L2 acquisition, I propose that this is deci-<br />

6 Merkwürdigerweise nehmen die Autoren dabei nicht Bezug auf die Arbeit von Weerman (1993).<br />

Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil Lightfoot (1997b:266), der Weermans Studie<br />

ebenfalls ignoriert, die Untersuchung von Kroch / Taylor (1997) als "striking new analysis" bezeichnet.


126<br />

sive for an answer to (17b) and that we should not force the theory of L1 acquisition to explain this<br />

change. (Weerman 1993:922)<br />

Die hier skizzierten Sprachwandelanalysen von Weerman (1993), Kroch / Taylor (1997)<br />

und Lightfoot (1997a,b) liefern somit einen Ansatz zur Lösung einiger der im vorangegangenen<br />

Abschnitt dargestellten Probleme einer generativen Sprachwandeltheorie. Durch die<br />

angenommene Kontaktsituation von – parametrisch unterschiedlich fixierten – Dialekten<br />

oder Sprachen ist eine Situation gegeben, in der Kinder mit einem Input konfrontiert sein<br />

können, der eindeutige Evidenz für das Fixieren eines Parameters auf einen anderen Wert<br />

liefert, als er im Dialekt oder in der Sprache der Eltern festgelegt ist. Unklar ist allerdings in<br />

einer solchen Situation des Sprach- oder Dialektkontaktes die Rolle des ebenfalls vorhandenen<br />

Inputs, der den Kindern Evidenz gegen ein Umfixieren eines Parameters liefert. So<br />

stellt sich die Frage, warum die Kinder nur den Dialekt der nicht elterlichen Dialektgruppe<br />

als Grundlage für das Fixieren des Parameters berücksichtigen und Input des elterlichen<br />

Dialektes ignorieren sollten. Ebenso muss gefragt werden, warum Kinder den Parameter<br />

nur auf der Grundlage der von den Eltern fehlerhaft erlernten Fremdsprache fixieren sollten<br />

und nicht etwa auf der Grundlage der Muttersprache ihrer Eltern oder auf der Grundlage<br />

des Inputs der muttersprachlichen Sprecher der Fremdsprache. Es ist zu betonen, dass es in<br />

beiden Situationen durchaus denkbar und sogar wahrscheinlich wäre, dass Kinder bilingual<br />

oder bidialektal aufwachsen, d.h. beide Sprachen oder Dialekte, denen sie ausgesetzt sind,<br />

simultan erwerben und dabei die entsprechenden Parameter jeweils auf einen unterschiedlichen<br />

Wert festlegen. Wie die Ergebnisse bisheriger generativer Bilingualismusforschung<br />

zeigen, ist der bilinguale Spracherwerb in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass Kinder<br />

die verschiedenen Muttersprachen voneinander getrennt erwerben und für jede Sprache die<br />

einzelnen Parameter gesondert und gegebenenfalls auf einen unterschiedlichen Wert festlegen<br />

(Meisel 1993, 2001, Köppe 1997).<br />

Trotz dieser Einwände scheint die Annahme, wonach in einer Dialekt- oder Sprachkontaktsituation<br />

die Möglichkeit für einen Parameterwechsel gegeben ist, grundsätzlich richtig<br />

zu sein. Sie ist, wie beispielsweise auch Meisel (2001) anhand einer Diskussion von Daten<br />

des bilingualen Erstspracherwerbs zeigt, zumindest ein erster Schritt zur Lösung des 'logischen<br />

Problems des Sprachwandels'. In den meisten generativen Sprachwandelanalysen ist<br />

dieses Problem bislang allerdings entweder ignoriert oder nicht adäquat gelöst worden:<br />

In my opinion, generative historical linguists (and not only they) too often become rather sloppy<br />

when they have to transplant their synchronic theory to diachronic. Marked settings of parameters<br />

disappear without it becoming clear why these marked settings could ever appear. New constructions<br />

are the cause of new settings of parameters, without it becoming clear why the older constructions<br />

no longer count as positive evidence. (Weerman 1993:926)<br />

Es genügt also nicht, die diachronische Variation parametrischer Eigenschaften dadurch zu<br />

"erklären", dass zu unterschiedlichen historischen Zeitpunkten die entsprechenden Parameter<br />

auf unterschiedliche Werte festgelegt waren. Vielmehr müssen die genauen spezifischen<br />

Bedingungen genannt werden, unter denen der angenommene Parameterwechsel eingetreten<br />

ist. Solange dies nicht geleistet werden kann, muss davon ausgegangen werden, dass<br />

das beobachtete Sprachwandelphänomen nicht durch die Annahme eines Parameterwechsels<br />

erfasst werden kann.<br />

Was die romanischen Sprachen und den dort zu beobachtenden Verbstellungswandel<br />

betrifft, so muss nun die Frage gestellt werden, ob für einen hierfür angenommenen


127<br />

Parameterwechsel – in ähnlicher Weise, wie für das Englische vermutet wird – Sprachkontakt<br />

oder dialektaler Kontakt verantwortlich gemacht werden können. Es muss überprüft<br />

werden, ob es in den Zeiträumen, in denen in diesen Sprachen der Wandel der Verbstellung<br />

eingetreten ist, zu Kontakten dieser Sprachen mit anderen Sprachen gekommen ist, die hinsichtlich<br />

des Verb-Zweit-Parameters anders fixiert gewesen sind. Für die iberoromanischen<br />

Sprachen, insbesondere das Spanische, liegt die Vermutung nahe, dass dieser Wandel durch<br />

den Kontakt mit dem Arabischen ausgelöst worden ist. Die vielen romanistischen Untersuchungen<br />

zu diesem Kontakt stimmen jedoch darin überein, dass Einflüsse des Arabischen<br />

auf das Spanische vorwiegend im Bereich des Lexikons, nicht aber im Bereich der Syntax<br />

nachgewiesen werden können (Meyer-Hermann 1988). Ähnliches gilt auch für die Entwicklung<br />

anderer romanischer Sprachen und den Einfluss auf deren Syntax durch andere<br />

Kontaktsprachen.<br />

Auch was die Frage nach dem Einfluss dialektalen Kontaktes auf die Wortstellungsentwicklung<br />

betrifft, so liefern die romanistischen Untersuchungen keinerlei Belege dafür,<br />

dass innerhalb der einzelnen frühromanischen Sprachen Dialekte existiert haben, deren<br />

Syntax dermaßen unterschiedlich ausgeprägt war, dass von Unterschieden hinsichtlich der<br />

Fixierung des Verb-Zweit-Parameters ausgegangen werden muss. Die im Langue d'Oïl<br />

gesprochenen alt- und mittelfranzösischen Dialekte unterscheiden sich allenfalls im morphophonologischen<br />

Bereich. Syntaktische Unterschiede werden vor allem nur im Bereich<br />

des Gebrauchs und der Funktion der Personalpronomina beobachtet (Gossen 1976). Auch<br />

ein von mir durchgeführter empirischer Vergleich zweier franzischer Texte (ros und tho)<br />

mit zwei anglo-normannischen Texten (rol und mar) kommt zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich<br />

der Stellung des finiten Verbs keine Unterschiede existieren (Kaiser 2000). Die<br />

Texte beider Dialekte enthalten in ähnlichem Umfang zahlreiche Verb-Zweit-Stellungseffekte.<br />

Auf Grund der Tatsache, dass das Franzische die Grundlage für die Herausbildung<br />

des späteren Standardfranzösischen bildet, wäre allerdings zu erwarten gewesen, dass die<br />

franzischen Texte sich hier deutlich von den Texten der anderen Dialekte unterscheiden<br />

und wesentlich weniger häufig Verb-Zweit-Stellungseffekte aufweisen. Denn es muss davon<br />

ausgegangen werden, dass derjenige Dialekt, der sich gegen die übrigen durchgesetzt<br />

hat, hinsichtlich des Verb-Zweit-Parameterwertes anders fixiert war und bei einem möglichen<br />

Kontakt mit anderen Dialekten Input für eine Parameterumfixierung dieser Dialekte<br />

geliefert hat. Alle bisherigen Untersuchungen und Hinweise in der Literatur deuten jedoch<br />

darauf hin, dass dies nicht der Fall gewesen ist. Die gleiche Feststellung scheint auch für<br />

Dialekte anderer frühromanischer Sprachen zuzutreffen. Mit anderen Worten, es gibt bislang<br />

offenbar keine empirische Evidenz dafür, dass die von Weerman (1993) und von<br />

Kroch / Taylor (1997) gelieferte Erklärung für den parametrischen Verbstellungswandel im<br />

Englischen zur Erklärung für den Verb-Stellungswandel in den romanischen Sprachen<br />

herangezogen werden kann.<br />

Somit muss zusammenfassend festgestellt werden, dass es bislang nicht gelungen ist, in<br />

Übereinstimmung mit den Grundannahmen der Parametertheorie die These zu belegen, wonach<br />

sich das Französische sowie andere romanische Sprachen durch Parameterwechsel<br />

von einer Verb-Zweit- zu einer Nicht-Verb-Zweit-Sprache entwickelt haben. Das Hauptproblem<br />

für den Nachweis dieser Annahme besteht darin, dass keine Erklärung dafür geliefert<br />

werden konnte, wie dieser Parameterwechsel ausgelöst worden sein soll. Die vielfach<br />

angenommenen quantitativen und/oder strukturellen Veränderungen in der Erwachsenensprache<br />

müssen aus theoretischen Gründen als inadäquate Erklärungen zurückgewiesen


128<br />

werden. Für die Annahme, dass Sprach- oder Dialektkontakt zum Vorhandensein der notwendigen<br />

eindeutigen Triggerevidenz geführt hat, konnte bislang keine empirische Evidenz<br />

vorgelegt werden. Diese Feststellung führt zu der Frage, inwiefern es überhaupt gerechtfertigt<br />

ist anzunehmen, dass das Alt- und Mittelfranzösische sowie auch andere frühromanische<br />

Sprachen durch eine strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft charakterisiert waren,<br />

die im Laufe der historischen Entwicklung durch Parameterwechsel verloren gegangen ist.<br />

Dieser Frage soll in der folgenden empirischen Untersuchung nachgegangen werden.


5. Verbstellungswandel in den romanischen Sprachen.<br />

Eine empirische Untersuchung<br />

5.1 Die Datenbasis<br />

Ziel der vorliegenden empirischen Untersuchung ist es, die Adäquatheit der Annahme zu<br />

überprüfen, wonach die romanischen Sprachen ursprünglich Verb-Zweit-Sprachen gewesen<br />

sind und demzufolge der Wandel der Stellung des finiten Verbs in diesen Sprachen als das<br />

Ergebnis eines Parameterwechsels aufzufassen ist. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung<br />

steht das Französische, da es diejenige romanische Sprache ist, die am ausgeprägtesten<br />

Verb-Zweit-Effekte aufgewiesen und diesbezüglich die größten Veränderungen erfahren<br />

hat. Im Vergleich dazu werden außerdem das Spanische und Portugiesische sowie das<br />

Bündnerromanische untersucht. Grundlage der Untersuchung bilden Übersetzungen von<br />

sieben Kapiteln der alttestamentlichen Bücher Samuel. Der Grund für die Auswahl dieser<br />

Bibeltexte als Datenbasis liegt darin, dass mit den so genannten Quatre livre des Reis eine<br />

altfranzösische Übersetzung der Bücher Samuel (sowie der Bücher der Könige) existiert.<br />

Diese Übersetzung, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit vorwiegend auf der Vulgata<br />

(= vul), der zwischen 383 und 405 n. Chr. durch den lateinischen Kirchenlehrer Hieronymus<br />

angefertigten lateinischen Bibelübersetzung, basiert, ist in vier Manuskripten erhalten,<br />

die in verschiedenen Regionen entstanden sind. Die erste – vermutlich in England angefertigte<br />

– Übersetzung stammt etwa aus dem Jahre 1170, die anderen Manuskripte sind etwas<br />

später in Frankreich erstellt worden. Eine auf dem ältesten Manuskript basierende kritische<br />

Edition wurde im Jahre 1911 von E.R. Curtius angefertigt (= qlr). Sie ist mit einem sehr<br />

ausführlichen einleitenden Kommentar versehen, der viele, auch für eine linguistische<br />

Analyse hilfreiche Anmerkungen über Aufbau und Besonderheiten des Textes und der<br />

einzelnen Manuskripte enthält (Curtius 1911). 1<br />

Nach Ansicht von Curtius (1911:LXXI) dürfen die Quatre livre des Reis, "obwohl auf<br />

lateinischen Grundlagen beruhend, als das erste selbständige Werk französischer Prosa<br />

angesehen werden" (cf. auch Haarhoff 1936:44, Herman 1954:260f., Stempel 1975). Sie<br />

unterscheiden sich deutlich von allen anderen früheren altfranzösischen Prosatexten, wie<br />

dem Fragment de Valenciennes (Jonasfragment, 1. Hälfte des 10. Jhdts.) oder den Versions<br />

des Psaumes (Psalterhandschriften, ca. 1. Drittel des 12. Jhdts.), die sich durch eine sehr<br />

enge sprachliche Anlehnung an den übersetzten lateinischen Text auszeichnen. Demgegenüber<br />

handelt es sich bei den Quatre livre des Reis um eine sehr freie und sprachlich vom<br />

Original unabhängige Übersetzung. Der Text geht sogar über eine Übersetzung hinaus, da<br />

er zusätzliche erklärende Kommentare enthält und teilweise den Originaltext in veränderter<br />

Form wiedergibt. Insbesondere was die Stellung des finiten Verbs betrifft, ist der Text, wie<br />

Herman (1954:261) in seiner, bereits diskutierten, detaillierten Wortstellungsanalyse der<br />

1 Nach Ansicht von Stempel (1975:358) handelt sich hierbei um "[d]as Beste, was zur Charakterisie-<br />

rung der Quatre livres des Rois (QldR) gesagt wurde".


130<br />

Quatre livre des Reis bemerkt, vollkommen selbstständig und unabhängig vom lateinischen<br />

Original:<br />

L'ordre des termes essentiels de la proposition (sujet, verbe, compléments) est pratiquement indépendant<br />

de l'ordre latin – et il faut ajouter que la comparaison est souvent malaisée à cause de la<br />

liberté que prend le traducteur dans le choix des tournures. Là, où, exceptionnellement, les deux<br />

ordres se recouvrent, la phrase française n'en cadre pas moins parfaitement avec les habitudes<br />

syntaxiques propres de l'ancien français (et ipsi praeparantur cogitationes – é a lui sunt apreste li<br />

pensed) [...]. Ce n'est que dans un ou deux groupes syntaxiques plus étroits qu'on découvre un reflet<br />

indubitable de l'ordre latin à travers telle tournure un peu inaccoutumée: quia deus scientiae<br />

dominus est – kar Deu est de science sires (cependant, ici encore, le calque se limite au groupe de<br />

l'attribut: la place du verbe – et, par conséquent, la place respective des termes essentiels de la proposition<br />

– est déterminée indépendamment de l'original).<br />

Die Quatre livre des Reis sind somit auf Grund der Textsorte und des Prosastils als das<br />

erste authentische Dokument der französischen Syntax überhaupt anzusehen und daher für<br />

eine Untersuchung des syntaktischen Wandels in besonderem Maße geeignet. Nur an einigen<br />

Stellen, insbesondere am Anfang, weicht die Übersetzung vom Prosastil ab und enthält<br />

Sätze in Reim- bzw. Versform. Lässt man diese Sätze außer Betracht, liefert der Text ein<br />

wesentlich adäquateres Bild der Syntax des Altfranzösischen, als durch einen lyrischen<br />

Text vermittelt wird. In diesem Fall kann nämlich ausgeschlossen werden, dass Verstöße<br />

gegen syntaktische Prinzipien des Altfranzösischen enthalten sind, die von Versmaß- oder<br />

Reimbeschränkungen herrühren. 2 Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass ein<br />

Prosatext eine größere Nähe zur gesprochenen Sprache aufweist, als dies in lyrischen Texten<br />

der Fall ist:<br />

En outre nous avons voulu décrire un français qui soit le plus proche possible de la langue telle<br />

qu'elle fut (ou est) réellement parlée. Pour cette raison, nous n'avons pris que des textes en prose.<br />

De cette façon toutes les influences sur la syntaxe qui sont dues à des facteurs rythmiques, aux<br />

besoins de l'assonance, de la rime, ou de la mesure sont éliminées. (Kok 1985:4)<br />

Für eine historisch-vergleichende Untersuchung stellen die Quatre livre des Reis vor allem<br />

auch deshalb eine gute Grundlage dar, weil die Möglichkeit des Vergleichs mit anderen –<br />

zahlreich vorhandenen – Übersetzungen des gleichen Textes besteht. Dadurch kann – anders<br />

als bei vielen anderen vergleichenden empirischen Untersuchungen – weitgehend<br />

ausgeschlossen werden, dass mögliche Variationen zwischen den Texten von Unterschieden<br />

des Textinhaltes oder der Textsorte herrühren. Ein solcher Übersetzungsvergleich eignet<br />

sich daher einerseits "hervorragend dazu, sich einen Gesamtüberblick über verschiedene<br />

2 Dass solche Verstöße in lyrischen Texten generell möglich sind, zeigt beispielsweise auch ein<br />

Blick auf das Deutsche. Wie die folgenden Beispiele illustrieren, kann die dort gültige strenge<br />

Verb-Zweit-Stellungsregel in Texten in Versform ohne weiteres verletzt werden:<br />

(i) dt. (a) Es schienen so golden die Sterne,<br />

am Fenster ich einsam stand<br />

(J. v. Eichendorff, Die Sehnsucht)<br />

(b) Jeder, der den Springer liest,<br />

auch auf Vietnamesen schießt<br />

(APO-Slogan 1968)<br />

Diese Beispiele belegen, dass erst die Untersuchung eines prosaischen Text einen Einblick in die<br />

"herrschenden Sprachgewohnheiten" einer Einzelsprache erlaubt (Thurneysen 1892:296).


131<br />

konkurrierende Verfahren in verschiedenen Sprachen" (Albrecht 1973:75) zu verschaffen,<br />

andererseits bietet er eine sehr gute Möglichkeit, diachronische Veränderungen bei der<br />

Herausbildung und Entwicklung einer Einzelsprache – im Vergleich mit der modernen<br />

Sprache – herauszuarbeiten (cf. auch Chavy 1974:565, Rickard 1993, Stein 1997:27f.):<br />

Bien entendu, il n'en reste pas moins que cette approche offre un intérêt indéniable pour le linguiste<br />

aussi. Par exemple, elle peut profiter à la linguistique contrastive parce qu'elle oblige à circonscrire<br />

de façon précise les divergences entre les langues qui interviennent dans le processus. De<br />

même, elle peut être particulièrement utile à la linguistique diachronique: si un texte ancien est<br />

traduit dans un idiome issu de la langue dans laquelle ce texte a été composé, la traduction permet<br />

de saisir sur le vif des changements qui ont tran[s]formé la langue mère et provoqué l'émergence<br />

d'un nouveau système linguistique. [...] Les traductions successives forment autant de témoignages<br />

authentiques de locuteurs natifs sur l'expression la plus appropriée d'un message dans leur système<br />

linguistique. Si, comme c'est le cas de langues tel le français, on dispose en outre de traductions<br />

dans le système actuel, celles-ci constituent pour le locuteur natif moderne un point d'ancrage pour<br />

l'interprétation des données anciennes. (Goyens / Hoecke 1992:13f.)<br />

Die Verwendung von Bibelübersetzungen als Grundlage für Untersuchungen von Sprachwandel<br />

ist allerdings häufig kritisiert worden. Vielfach wird die Bibel deshalb als ungeeignet<br />

angesehen, weil "ihre Sprache [...], wie religiöse Sprache überhaupt, eigenen stilistischen<br />

Gesetzen folgt" (Stein 1997:30). Außerdem wird angenommen, dass Bibeltexte insbesondere<br />

deshalb besonders anfällig für Interferenzen sind, weil die Übersetzungen nicht<br />

nur auf den Originalausgaben basieren, sondern auch durch bereits existierende Übersetzungen<br />

beeinflusst sind. Aus diesem Grund kritisiert beispielsweise Meyer-Hermann<br />

(1988:69,Fn.4) die Arbeit von Crabb (1955), in der unter anderem einige Kapitel der Samuelbücher<br />

aus der altspanischen Biblia medieval romanceada (= bmr) mit den entsprechenden<br />

Kapiteln der altfranzösischen qlr-Übersetzung verglichen werden:<br />

El método que, por ejemplo, utiliza Crabb en su estudio es problemático al menos en dos aspectos.<br />

Compara una traducción española de la Biblia, para la cual sirvió de modelo un texto hebreo o<br />

árabe, con una traducción francesa basada en la Vulgata. La traducción del árabe al español es<br />

siempre problemática, por un lado porque hay interferencias inherentes propias de cualquier traducción<br />

que la apartan de las estructuras del español no traducido, por otro lado hay que atribuir<br />

parte de las diferencias que se dan en las traducciones a las diferentes versiones de la Biblia que a<br />

las mismas sirvieron de modelo.<br />

Die Kritik Steins oder Meyer-Hermanns mag sicherlich für Untersuchungen berechtigt sein,<br />

die semantisch-pragmatische und/oder stilistisch bedingte Besonderheiten von Wortstellungsvariation<br />

zum Gegenstand haben. In der hier vorliegenden Untersuchung geht es aber<br />

um die Frage, ob in den untersuchten Sprachen die Stellung des finiten Verbs durch rein<br />

syntaktische Prinzipien bestimmt ist. Das bedeutet, dass eine Untersuchung von Texten mit<br />

besonderen stilistischen Merkmalen keineswegs problematisch ist, auch dann nicht, wenn<br />

es sich dabei um eine Übersetzung handelt, die durch andere Übersetzungen beeinflusst<br />

worden ist. Im Gegenteil, die hier praktizierte Vorgehensweise des Übersetzungsvergleiches<br />

erweist sich als geradezu ideal für eine Überprüfung der Gültigkeit der Verb-Zweit-<br />

Stellungsregel in den zu untersuchenden Sprachen, da ausgeschlossen werden muss, dass es<br />

auf Grund von Interferenzen oder aus stilistischen Gründen zu einer Verletzung dieser<br />

Regel kommt, wenn diese Regel Bestandteil der Grammatik der jeweiligen Sprache ist.<br />

Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung stellen die ersten drei Kapitel des ersten<br />

Buches sowie die Kapitel 11-14 des zweiten Buches der Quatre livre des Reis dar. Nach


132<br />

heutiger Zählweise entspricht dies den Bibelstellen 1 Sam(uel) 1-3 und 2 Sam(uel) 11-14. 3<br />

Diese Kapitel werden mit den entsprechenden Kapiteln einer mittel- und dreier neufranzösischer<br />

Bibelübersetzungen aus verschiedenen Epochen verglichen. Da es hier um die Frage<br />

geht, ob und inwiefern das Alt- und Mittelfranzösische als eine (asymmetrische oder symmetrische)<br />

Verb-Zweit-Sprache beschrieben werden kann, werden zu Vergleichszwecken<br />

jeweils die entsprechenden Übersetzungen in das Neuhochdeutsche und in das moderne Isländische<br />

herangezogen. Für die Untersuchung der Verbstellungsentwicklung im Spanischen<br />

und Portugiesischen wird jeweils eine mittelalterliche mit einer zeitgenössischen<br />

Bibelübersetzung verglichen. Grundlage für die Untersuchung des Bündnerromanischen<br />

bilden die älteste surselvische Bibelübersetzung, die aus dem frühen 18. Jhdt. stammt, und<br />

die einzige zusammenhängende – allerdings nicht vollständige – Übersetzung des Alten<br />

Testaments in das moderne Surselvische.<br />

Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die untersuchten Texte und deren Entstehungszeit<br />

und enthält Angaben über die Gesamtanzahl der finiten Sätze sowie derjenigen<br />

deklarativen Matrixsätze, die ein lexikalisch realisiertes Subjekt enthalten:<br />

Sprache Entstehungs- Text Anzahl aller Sätze Anzahl der deklarativen Matrixsätze<br />

zeit<br />

mit finitem Verb mit realisiertem Subjekt<br />

afr. 1170 qlr 1017 302<br />

mfr. 1494/1520 reg 975 414<br />

nfr. 1570 hon 981 438<br />

1736 mar 998 506<br />

1994 caq 919 537<br />

dt. 1980 ein 952 529<br />

is. 1981 hei 989 485<br />

asp. 14. Jhdt. bmr 925 291<br />

nsp. 1975 jer 914 313<br />

apg. Ende 13.Jhdt. bmp 527 185<br />

npg. 1993 sag 927 314<br />

asur. 1718 cue 991 434<br />

nsur. 1967 veg 616 344<br />

Tabelle (5): Zusammenstellung der untersuchten Texte und Daten<br />

Die Tabelle (5) zeigt, dass die untersuchten Texte auffallend große Unterschiede hinsichtlich<br />

der Gesamtanzahl der finiten Sätze aufweisen. Dies liegt zum einen daran, dass einige<br />

Bibelübersetzungen, insbesondere die alt- und die mittelfranzösische Übersetzung (qlr und<br />

reg), mitunter sehr ausführliche zusätzliche Kommentare enthalten, die in die Übersetzung<br />

eingefügt sind. Zum anderen rühren die zahlenmäßigen Unterschiede daher, dass es sich bei<br />

der altportugiesischen und der modernen bündnerromanischen Übersetzung (bmr und veg)<br />

um teilweise stark gekürzte Bibelübersetzungen handelt. Um diese Diskrepanz etwas auszugleichen,<br />

wurde bei diesen beiden Übersetzungen zusätzlich das Kapitel 1 Samuel 4 in<br />

3 In der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des hebräischen Alten Testamentes, wurden die<br />

beiden Samuelbücher noch zu den Büchern der Könige gezählt. Erst ab der lateinischen Vulgata<br />

wurde damit begonnen, sie als eigenständige Bücher zu bezeichnen. In den Quatre livre des Reis<br />

ist noch die ursprüngliche Einteilung in die vier Bücher der Könige erhalten geblieben (Preuß /<br />

Berger 1985:82).


133<br />

die Untersuchung mit einbezogen. Die Unterschiede hinsichtlich der Anzahl der deklarativen<br />

Matrixsätze mit realisiertem Subjekt hängen vor allem mit der Null-Subjekt-Eigenschaft<br />

zusammen. Bei den Sprachen, die diese Eigenschaft besitzen, ist die Anzahl dieser<br />

Sätze im Vergleich zur Gesamtzahl der Sätze deutlich niedriger als in den Sprachen, die<br />

keine Null-Subjekte erlauben.<br />

Wie bereits im Kapitel 2 ausführlich erläutert wurde, manifestiert sich die Verb-Zweit-<br />

Stellungseigenschaft primär in deklarativen Matrixsätzen. Diese Sätze bilden daher die<br />

Grundlage für die folgende Untersuchung. Berücksichtigt werden dabei nur Sätze mit einem<br />

realisierten Subjekt. Wie bereits mehrfach betont, liefern Sätze, die kein realisiertes<br />

Subjekt enthalten, keine eindeutige Evidenz für die strukturelle Position des Verbs, da keine<br />

zuverlässigen Aussagen über die Stellung des leeren Subjekts getroffen werden können.<br />

Bei der Diskussion der Frage nach der Existenz eingebetteter Verb-Zweit-Effekte im Altfranzösischen<br />

werden ebenfalls nur deklarative Nebensätze mit realisiertem Subjekt untersucht.<br />

Ein Vergleich mit den entsprechenden Nebensätzen der isländischen Bibelübersetzung<br />

soll helfen, diese Frage zu klären.<br />

Die Auswertung der hier untersuchten Sätze orientiert sich an der von Roberts (1993)<br />

vorgenommenen Einteilung zur Ermittlung der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Altfranzösischen<br />

(vgl. Tabelle (2) in Kapitel 3). Da hierfür die Sätze mit einer XVS-Stellung<br />

von besonderer Relevanz sind, sind die Zahlen bzgl. dieser Sätze in den folgenden Tabellen<br />

zur besseren Veranschaulichung stets durch stärkere Einrahmung hervorgehoben. Der prozentuale<br />

Gesamtanteil dieser XVS-Sätze ist in der zusammenfassenden Tabelle (13) in Kapitel<br />

6 aufgeführt. Neben den von Roberts unterschiedenen Stellungsmustern ('Sub(jekt) –<br />

V(erb)', 'Obj(ekt) – V(erb)', 'P(rädikative) E(rgänzung) – V(erb)' und Adv(erbialphrase) –<br />

V(erb)') werden hierbei außerdem die Kontexte 'Präp(ositionalphrase) – V(erb)' sowie die<br />

des so genannten 'Zwischensatzes' ('"X"V') und des 'uneingeleiteten Nachsatzes' ('Satz V')<br />

unterschieden. Mit 'Zwischensatz' (fr. incise) sind in die direkte Rede eingefügte oder daran<br />

anschließende Sätze gemeint, die ein Verbum dicendi enthalten, 'uneingeleitete Nachsätze'<br />

sind Sätze, die durch einen finiten Nebensatz eingeleitet sind. Koordinierende Konjunktionen,<br />

wie z.B. frz. car, et, mais und si 'und', klitische Pronomina sowie die französische Negationspartikel<br />

ne werden nicht als eigenständige Konstituenten gewertet.<br />

5.2 Das Altfranzösische als Verb-Zweit-Sprache?<br />

5.2.1 Verb-Zweit-Stellungseffekte in altfranzösischen Matrixsätzen<br />

Auf Grund der genannten Unterscheidungskriterien kann für den altfranzösischen qlr-Text<br />

der folgende absolute und prozentuale Anteil der Verbstellungsmuster ermittelt werden:


134<br />

Text V1 V2 V>2 gesamt<br />

qlr<br />

Subj V Obj V Präp V PE V Adv V "X"V Satz V<br />

abs. 35 204 1 10 2 23 3 0 55 333<br />

(afr.) % 10.5 61.3 0.3 3.0 0.6 6.9 0.9 0.0 16.5 100.0<br />

Tabelle (6): Anteil der Verbstellungsmuster aller deklarativen Matrixsätze mit realisiertem Subjekt<br />

Als erstes Ergebnis dieser Auswertung lässt sich festhalten, dass der Anteil der – durch stärkere<br />

Einrahmung hervorgehobenen – Verb-Zweit-Sätze, die ein postverbales Subjekt enthalten,<br />

mit insgesamt 11,7% relativ gering ist. Er ist deutlich niedriger als beispielsweise in<br />

den von Roberts (1993) untersuchten Textausschnitten, in denen dessen Auszählungen zufolge<br />

durchschnittlich 56,5% aller Sätze eine XVS-Stellung aufweisen (siehe Tabelle (2) in<br />

Kapitel 3). Besonders deutlich ist außerdem die Diskrepanz zu den Ergebnissen der Untersuchung<br />

von Roberts bei denjenigen Sätzen, die mehr als eine dem finiten Verb voranstehende<br />

Konstituente enthalten. Dem hier ermittelten Anteil von 16,5% steht ein durchschnittlicher<br />

Anteil von 5,5% bei Roberts gegenüber. Wie bereits ausführlich gezeigt, ist<br />

die Auswertung von Roberts allerdings fehlerhaft und von zahlreichen Widersprüchen gekennzeichnet.<br />

Es ist daher nicht allzu verwunderlich, dass die hier erhobenen Ergebnisse<br />

stark divergieren. Betont werden muss, dass die von Roberts (1993:95) konstatierte "rigidity<br />

of the V2 constraint" im Altfranzösischen auf der Grundlage der hier vorliegenden Ergebnisse<br />

nicht bestätigt werden kann. Die Tatsache, dass der qlr-Text sogar einen größeren<br />

Anteil an V>2-Sätzen als an XVS-Sätzen aufweist, spricht vielmehr eher sogar gegen die<br />

Annahme, dass das Altfranzösische über eine Verb-Zweit-Stellungseigenschaft verfügt hat.<br />

Bei einer genaueren Betrachtung der V>2-Sätze tritt allerdings eine – bereits erwähnte –<br />

Besonderheit des untersuchten Textes zu Tage, die zur Folge hat, dass diese Ergebnisse teilweise<br />

revidiert werden müssen. Ein Teil dieser Sätze ist nämlich dadurch gekennzeichnet,<br />

dass das finite Verb am Satzende erscheint und mit einem Verb oder einem anderen Wort<br />

eines vorangehenden oder folgenden Satzes einen Reim oder eine Assonanz bildet:<br />

(1) afr. (a) Anna puis que ele out mangied é beüd levad é<br />

Hanna nachdem dass sie hatte gegessen und getrunken (sich)-erhob und<br />

al sucurs Deu requerre tut sun quer turnad<br />

um Hilfe Gottes (zu) erbitten ganzes ihr Herz hinwendete<br />

(qlr 4: 1 Sam 1,9) 4<br />

4 Um eine bessere Vergleichbarkeit der verschiedenen, hier untersuchten Bibeltexte zu ermöglichen,<br />

werden im Folgenden zur Kennzeichnung der Textstellen bei allen Beispielen neben der genauen<br />

Quellenangabe (Quellenkürzel mit Seitenangabe, soweit vorhanden) auch die genaue Bibelstelle<br />

angegeben. Die Kennzeichnung der Bibelstelle richtet sich nach der – seit der Vulgata – üblichen<br />

und weitgehend einheitlichen Zählweise. Die Angabe 'qlr 4: 1 Sam 1,9' verweist somit auf eine<br />

Stelle auf Seite 4 der von E.R. Curtius herausgegebenen Edition der Quatre livre des Reis. Dies<br />

entspricht dem neunten Vers des ersten Kapitels des ersten Buches Samuel. Bei denjenigen Bibeltexten,<br />

die keine oder unpräzise Versangaben enthalten, dient als Referenz zur Bibelstellenkennzeichnung<br />

stets die deutsche Einheitsübersetzung der Bibel (= ein). Im Falle der Kommentare, die<br />

manche Übersetzungen enthalten, wird jeweils die Stelle angegeben, an der der Kommentar in die<br />

Übersetzung eingefügt ist.


(b) É Deu de rechief Samuel apela, é Samuel chalt pas leva,<br />

und Gott von neuem Samuel rief und Samuel heißen Schrittes aufstand<br />

vint a l' evesche, si l' áreisna<br />

kam zu dem Bischof und ihn ansprach<br />

(qlr 9: 1 Sam 3,6)<br />

(c) É la grace Deu la dame visitá, suvent cunceut é enfantá<br />

und die Gnade Gottes die Frau besuchte oft (sie)-empfing und gebar<br />

(qlr 7: 1 Sam 2,21)<br />

(d) Helchana al son en vait é li enfes od Deu remaint<br />

Elkana zu-dem seinen hin geht und das Kind mit Gott zurückbleibt<br />

(qlr 7: 1 Sam 2,11)<br />

(e) é Amon chalt pas la saisid é sa volonted li descuvrid<br />

und Amnon heißen Schrittes sie ergriff und sein Verlangen ihr eröffnete<br />

(qlr 81: 2 Sam 13,11)<br />

135<br />

Besonders häufig sind Reimstellen in denjenigen V>2-Sätzen zufinden, in denen dem Verb<br />

drei oder mehr Konstituenten vorangehen. Dies ist in neun der insgesamt elf Sätze mit dieser<br />

Wortstellung der Fall:<br />

(2) afr. (a) Ensement la Synagoge par la lei plusurs éngendrad, mais ore<br />

ebenso die Synagoge nach dem Gesetz mehrere gebar aber jetzt<br />

est baraigne par mescreance dum ele forsvead<br />

ist unfruchtbar durch Unglauben durch-den sie vom-Weg-abkam<br />

(qlr 5: 1 Sam 1,20)<br />

(b) Tierce fiede Deu Samuel apela, é tierce feiz á Hely<br />

(zum) dritten Mal Gott Samuel rief und (zum) dritten Mal zu Eli<br />

Samuel returna<br />

Samuel zurückkehrte<br />

(qlr 9: 1 Sam 3,8)<br />

Auffallend ist, dass die in Reimstellen vorkommenden Sätze von wenigen Ausnahmen abgesehen<br />

in den ersten drei der untersuchten Kapitel anzutreffen sind. Dies entspricht den<br />

Beobachtungen von Curtius (1911:LXXIIIf.), denen zufolge der überwiegende Teil der von<br />

ihm gefundenen insgesamt 197 Reimstellen der Quatre livre des Reis am Anfang des Textes<br />

auftritt. Diese Reime und Assonanzen sind vom Übersetzer in den Prosatext offenbar in<br />

der Absicht eingefügt worden, den Text dadurch auszuschmücken. 5 Allerdings unterscheiden<br />

sich diese Reimverse oder Assonanzbildungen deutlich von Versen aus rein poetischen<br />

Werken. Sie wirken sehr holprig, da sie rhythmisch oft ungleich sind und sich dadurch<br />

auszeichnen, dass der Übersetzer "sehr häufig die gleichen Verbalendungen miteinander<br />

reimen ließ, was ein guter Dichter vermeidet" (Curtius 1911:LXXXVII). Diese Art der<br />

Reimbildung hat zur Folge, dass das finite Verb in den Reimversen meist am Ende eines<br />

5 Diese als 'Reimprosa' bezeichnete charakteristische Besonderheit der Quatre livre des Reis hat zu<br />

der Überlegung Anlass gegeben, dass dem Übersetzer ein Original in Reimform vorgelegen haben<br />

könnte. Dies wird von Curtius (1911:LXXI-LXXXVIII) allerdings überzeugend widerlegt. Cf.<br />

auch Berger (1884:55):<br />

"Mais il faut savoir renoncer au rêve de retrouver l'original en vers de la traduction des Livres des<br />

Rois. De telles hypothèses sont trop souriantes pour n'être pas dangereuses, et il sera plus sage de<br />

se borner à voir, dans la prose rimée des Quatre Livres des Rois, l'influence de la littérature<br />

poétique du temps, et peut-être l'habitude du rythme et de la rime, ou du moins de cette rime imparfaite<br />

que nous appelons assonance, et qui était fréquente chez les anciens."


136<br />

Satzes oder Satzteils auftritt. Dies geschieht unabhängig von der Anzahl der voranstehenden<br />

Konstituenten:<br />

[...] le verbe se place à la fin de la proposition [...] parce que la terminaison verbale constitue une<br />

rime avec une série plus ou moins longue de terminaisons verbales du même genre. [...] Voici un<br />

exemple caractéristique: (p. 159, XVIII, 34) Tost ápres cumandad que l'um quatre chánes de éwe<br />

emplíst é sur l'altel é la busche é le sacrefise le éwe éspandíst, é l'um tut issi le fist. Curtius fait<br />

remarquer (p. LXXX) que le traducteur utilisait les hasards qui se présentaient au fur et à mesure<br />

de la traduction pour «amener» les rimes au moyen de légères modifications dans son texte. Dans<br />

l'exemple que nous venons de citer, le traducteur a constitué un passage rimé en plaçant les formes<br />

verbales en -ist à la fin de la phrase; dans deux cas, le verbe se trouvait ainsi placé après le sujet et<br />

le complément (ou adverbe), ce qui a eu pour résultat des schémas SCV. Si on tient compte de ces<br />

procédés visant à constituer des passages rimés au prix de certaines infractions aux habitudes syntaxiques,<br />

la moitié à peu près des exceptions du type SCV s'explique tout naturellement. (Herman<br />

1954:270)<br />

Es besteht daher kein Zweifel, dass die Wortstellung in diesen Sätzen als Abweichung von<br />

den üblichen Wortstellungsregeln angesehen werden muss. Für eine syntaktische Analyse<br />

ist es daher unerlässlich, diese Sätze gesondert zu betrachten. 6 Ein adäquateres Bild der<br />

Wortstellungsverhältnisse des Altfranzösischen ergibt sich somit erst unter Ausschluss<br />

derjenigen Sätze, die in gereimten oder assonierenden Textstellen auftreten: 7<br />

Text V1 V2 V>2 gesamt<br />

qlr<br />

Subj V Obj V Präp V PE V Adv V "X"V Satz V<br />

abs. 35 196 1 9 2 23 3 0 33 302<br />

(afr.) % 11.5 64.9 0.3 3.0 0.7 7.7 1.0 0.0 10.9 100.0<br />

Tabelle (7): Anteil der Verbstellungsmuster aller deklarativen Matrixsätze mit realisiertem Subjekt<br />

in nicht gereimten Textstellen<br />

Im Vergleich zu den Ergebnissen der Auswertung in Tabelle (6) hat sich mit 12,6% der<br />

Anteil der für eine Verb-Zweit-Sprache charakteristischen Verb-Zweit-Sätze mit postverbalem<br />

Subjekt leicht erhöht. Abgesehen von der Verb-Zweit-Stellung nach einem einleiten-<br />

6 Bemerkenswert ist, dass Kok (1985), die – wie bereits erwähnt – ihre Analyse explizit ausschließlich<br />

auf Prosatexte stützt, bei ihrer eigenen Analyse der Quatre livres des Reis offenbar keine Unterscheidung<br />

zwischen Prosa- und Nicht-Prosastellen vornimmt. Auch Haarhoff (1936) ist sich der<br />

Besonderheiten der gereimten Stellen in den Quatre livre des Reis nicht bewusst (cf. auch Herman<br />

1954:270,Fn.34).<br />

7 Die Bestimmung dieser Stellen ist nicht unproblematisch, da sie in den Prosatext eingebaut sind<br />

und nicht immer ohne weiteres als Reime oder Assonanzen zu erkennen sind (Dardel 1987, 1988).<br />

Ich habe mich dabei an den Angaben von Curtius (1911) und an den von Dardel (1988) aufgestellten<br />

Kriterien zur Bestimmung der Reimstellen in den Quatre livre des Reis orientiert.<br />

Sätze, die in Reimen auftreten, jedoch ganz offensichtlich nicht von der üblichen Wortstellung<br />

abweichen, wurden mit in die Analyse einbezogen:<br />

(i) afr. Il le me dunad á sun plaisir é jo li rend pur lui servir<br />

er ihn mir gab aus seinem Willen und ich ihn zurückgebe um ihm (zu) dienen<br />

(qlr 6: 1 Sam 1,28)


den Nebensatz enthält das Korpus Belege für alle hier unterschiedenen Verb-Zweit-Stellungskontexte:<br />

(3) afr. (a) Icest lieu seintefied fud li bers Helchana ácustumiers á visiter<br />

diesen Ort heiligen war der Herr Elkana gewohnt zu besuchen<br />

pur Deu depreier<br />

um Gott anzuflehen<br />

(qlr 4: 1 Sam 1,3)<br />

(b) En tel sen dist la dame les paroles<br />

in diesem Sinne sagte die Frau die Worte<br />

(qlr 83: 2 Sam 14,9)<br />

(c) A cest lieu servir furent dui pruveire átitele, Ofni é Phinéés<br />

an diesem Ort (zu)-dienen waren zwei Priester zugeordnet Hofni und Pinhas<br />

(qlr 4: 1 Sam 1,3)<br />

(d) É puis úrad Anna<br />

und dann betete Hanna<br />

(qlr 6: 1 Sam 2,1)<br />

(e) 'Sire, sire', fist Absalon, 'quant venir n' i vóls,<br />

Herr Herr machte Abschalom wenn kommen nicht dorthin (du)-willst<br />

vienge í siveáls mes freres Amón.'<br />

komme dorthin wenigstens mein Bruder Amnon<br />

(qlr 82: 2 Sam 13,26)<br />

137<br />

Die Anzahl der Verb-Erst-Sätze ist gegenüber dem Korpus mit den gereimten Sätzen unverändert<br />

geblieben. Dies liegt daran, dass der Übersetzer in den meisten Fällen das finite<br />

Verb zur Reimbildung verwendet, wozu es in der Erst-Stellung nicht herangezogen wird.<br />

Der überwiegende Anteil dieser Sätze wird durch ein Verbum dicendi eingeleitet:<br />

(4) afr. (a) Respundi li evesches:<br />

antwortete der Bischof<br />

(qlr 9: 1 Sam 3,7)<br />

(b) Fist se uns de ces<br />

machte REFL einer von diesen<br />

(qlr 82: 2 Sam 13,32)<br />

Weitaus seltener sind Verb-Erst-Sätze mit anderen Verben. Hier handelt es sich ausschließlich<br />

um die von Herman (1954:277) als "proposition[s] complémentaire[s]" bezeichneten<br />

Sätze, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie durch eine einleitende Konjunktion et oder<br />

si an den vorangehenden Satz anknüpfen. Der geringe Prozentsatz dieser Sätze ist insofern<br />

bemerkenswert, weil viele vergleichbare altromanische Texte sich "durch einen exzessiven<br />

Gebrauch der Anreihung durch et aus[zeichnen]" (Stempel 1975:357) und weil der Übersetzer<br />

in dieser Hinsicht ganz deutlich von dem lateinischen Ausgangstext abweicht (Stempel<br />

1975:368):<br />

(5) afr. (a) É ourent li plusur muillers plusurs pur le multipliement del pople Deu<br />

und hatten die meisten Frauen mehrere für die Vergrößerung des Volkes Gottes<br />

(qlr 3: 1 Sam 1,2)<br />

(b) E ne remaindra hoem antif en ta maisun<br />

und nicht bleiben-wird Mann alter in deinem Haus<br />

(qlr 8: 1 Sam 2,31)<br />

Wie in Kapitel 2 kurz gezeigt wurde, sind auch in einigen germanischen Verb-Zweit-Sprachen<br />

derartige deklarative Matrixsätze mit einer Verb-Erst-Stellung möglich. Insbesondere<br />

das Isländische erlaubt die Bildung solcher Verb-Erst-Sätze (Sigurðsson 1990). Entspre-


138<br />

chend der Analyse dieser Sätze im Isländischen wäre es denkbar, auch die altfranzösischen<br />

Verb-Erst-Sätze in (4) und (5) als Beispiele Narrativer Inversion anzusehen und ihnen eine<br />

CP-Struktur zuzuweisen. Somit wären diese Sätze mit einer Analyse des Altfranzösischen<br />

als Verb-Zweit-Sprache problemlos vereinbar (Vance 1993, Roberts 1993:96, Fontana<br />

1997:227).<br />

Wesentlich problematischer ist es, im Rahmen einer Verb-Zweit-Analyse des Altfranzösischen<br />

eine Erklärung für diejenigen Sätze zu liefern, die eine V>2-Stellung aufweisen.<br />

Trotz der Nichtberücksichtigung der Sätze, die in gereimten Passagen auftreten, ist deren<br />

Anteil mit 10,9% immer noch relativ hoch. Die Behauptung von Roberts (1993:95), wonach<br />

in diesen Sätzen dem Subjekt unter Rektion, d.h. seiner Analyse zufolge in postverbaler<br />

Position, Kasus zugewiesen wird, erweist sich auf Grund der hier vorliegenden Daten<br />

als empirisch vollkommen inadäquat. In 30 der insgesamt 33 V>2-Sätze, die das hier untersuchte<br />

Korpus enthält, steht das Subjekt in einer präverbalen Position. In 17 dieser Fälle<br />

bildet es die unmittelbar vor dem finiten Verb stehende Konstituente:<br />

(6) afr. (a) Kar des treze lignees ki vindrent del patriarche Jacob Deu<br />

denn von-den dreizehn Stämmen die kamen vom Stammvater Jakob Gott<br />

en severad le lignáge Leví<br />

davon bewahrte den Stamm Levis<br />

(qlr 3: 1 Sam 1,2)<br />

(b) Le matín li reis fist faire un brief<br />

am Morgen der König ließ machen einen Brief<br />

(qlr 78: 2 Sam 11,14)<br />

(c) mais nepurquant il se dormid la núit od la maisnéé<br />

aber trotzdem er REFL schlief die Nacht mit der Dienerschaft<br />

(qlr 78: 2 Sam 11,13)<br />

(d) é ki mei despirra, jol metrai en despit<br />

und wer mich verachten-wird ich-ihn werfen-werde in Verachtung<br />

(qlr 8: 1 Sam 2,30)<br />

(e) L' án après, a cel cuntemple que reis se solent esmuvéir<br />

das Jahr danach zu dieser Zeit dass Könige sich pflegen (zu)-begeben<br />

á ost é a bataille, çó est en mái, li reis David envéiad<br />

zum Heer und zur Schlacht das ist im Mai der König David schickte-aus<br />

Joab é od lui l' ost de Israel<br />

Joab und mit ihm das Heer von Israel<br />

(qlr 77: 2 Sam 11,1)<br />

Für eine Verb-Zweit-Analyse wäre ein Satz wie (6)(a) unproblematisch. Hier handelt es<br />

sich um eine Dislokation, in der die satzinitiale Konstituente durch das klitische Pronominaladverb<br />

en wieder aufgenommen wird. In Anlehnung an die Analyse vergleichbarer, in<br />

Kapitel 2 besprochener Sätze im Deutschen, könnte angenommen werden, dass in diesen<br />

Fällen ausnahmsweise die Möglichkeit einer CP-Rekursion besteht. Alle übrigen XSV-<br />

Sätze sind jedoch keine Dislokationssätze. Das heißt, abgesehen von Satz (6)(a) sind die<br />

Sätze in (6) ebenso wie alle übrigen – hier nicht aufgeführten – Sätze mit einer XSV-Wortstellung<br />

nicht mit einer Analyse vereinbar, wonach das finite Verb in Matrixsätzen in die<br />

COMP-Position bewegt wird. Auf Grund der Restriktion bzgl. der CP-Rekursion ist die<br />

Bildung solcher Sätze nur dann möglich, wenn sich das finite Verb nicht in dieser Position<br />

befindet, sondern in der tiefer angeordneten INFL- oder AgrS-Position.<br />

Die gleiche Feststellung lässt sich auch in Bezug auf diejenigen V>2-Sätze machen, in<br />

denen das präverbal stehende Subjekt durch eine Konstituente vom finiten Verb getrennt<br />

erscheint:


(7) afr. (a) é la parole Deu rélment fud óïé<br />

und das Wort Gottes selten wurde gehört<br />

(qlr 9: 1 Sam 3,1)<br />

(b) É Samuel á sun lit returna<br />

und Samuel zu seinem Bett zurückkehrte<br />

(qlr 9: 1 Sam 3,9)<br />

(c) Uns messages Deu pur cest pechie vint a l' evesche Hely<br />

ein Bote Gottes wegen dieser Sünde kam zu dem Bischof Eli<br />

(qlr 7: 1 Sam 2,27)<br />

(d) É Fenenna íçó li turna á repruce<br />

und Peninna das ihr machte zum Vorwurf<br />

(qlr 4: 1 Sam 1,6)<br />

(e) Entre ces afaires li reis David á ún júr levad<br />

zwischen diesen Angelegenheiten der König David an einem Tag sich-erhob<br />

apres meriéne<br />

nach Mittagsruhe<br />

(qlr 77: 2 Sam 11,2)<br />

139<br />

Wie bereits in Kapitel 3 gesehen, versucht Herman (1954) in seiner Analyse der Quatre<br />

livre des Reis, diese SXV-Sätze mit einer Verb-Zweit-Analyse des Altfranzösischen zu<br />

verbinden. Herman (1954:271) sieht in diesen Verb-Dritt-Sätzen "des vestiges du type SCV<br />

très courant en latin", d.h. er sieht sie als das Resultat von Interferenzen aus dem lateinischen<br />

Original an. Dieser Erklärungsversuch ist allerdings wenig überzeugend. Wie oben<br />

gezeigt weist Herman selbst in überzeugender Weise nach, dass der altfranzösische Text<br />

syntaktisch vollkommen unabhängig vom lateinischen Original ist. Dies belegt auch der<br />

Vergleich der SVX-Sätze in (7) mit den entsprechenden Sätzen in der lateinischen Vulgata.<br />

In keinem dieser Sätze entspricht die Wortstellung der altfranzösischen Übersetzung der des<br />

lateinischen Originals:<br />

(8) lt. (a) et sermo Domini erat pretiosus in diebus illis<br />

und (das)-Wort Gottes war kostbar in Tagen jenen<br />

(vul 370: 1 Sam 3,1)<br />

(b) abiit ergo Samuhel et dormivit in loco suo<br />

wegging daher Samuel und schlief an Ort seinem<br />

(vul 370: 1 Sam 3,9)<br />

(c) venit autem vir Dei ad Heli<br />

kam aber (ein)-Mann Gottes zu Eli<br />

(vul 369: 1 Sam 2,27)<br />

(d) adfligebat quoque eam aemula eius<br />

demütigte daher sie Rivalin ihre<br />

(vul 366: 1 Sam 1,6)<br />

(e) dum haec agerentur accidit ut surgeret David de stratu<br />

während diese gemacht-wurden (es)-geschah dass aufstand David von Bett<br />

suo post meridiem<br />

seinem nach (der)-Mittagsruhe<br />

(vul 429: 2 Sam 11,2)<br />

Der Versuch Hermans, einen Teil der Verb-Dritt-Sätze in den Quatre livre des Reis auf das<br />

lateinische Original zurückzuführen, ist somit weder plausibel noch lässt er sich empirisch<br />

bestätigen. Mit anderen Worten, die Wortstellungsmuster in den Sätzen in (7) lassen sich<br />

nicht als Ausnahmen einer allgemein gültigen Verb-Zweit-Stellungsregel beschreiben, die<br />

darauf zurückgeführt werden, dass hier eine auf einem lateinischen Original basierende<br />

Bibelübersetzung vorliegt.


140<br />

Die dritte Gruppe der V>2-Sätze, die in den nicht gereimten Stellen des untersuchten<br />

Korpus anzutreffen sind, ist dadurch gekennzeichnet, dass das Subjekt postverbal auftritt<br />

und dem Verb zwei Konstituenten voranstehen. Hiervon gibt es insgesamt drei Belege:<br />

(9) afr. (a) é pois chascun an quant enfant out Anne, perdi alcun Fenénne<br />

und dann jedes Jahr wenn Kind hatte Hanna verlor eines Peninna<br />

(qlr 6: 1 Sam 2,5)<br />

(b) Quant la chambre fud delívre: 'Or en vien', fist se il<br />

als das Zimmer war frei nun her komm machte REFL er<br />

(qlr 81: 2 Sam 13,9-10)<br />

(c) Mais nepuroc tant le esforchad Absalon<br />

aber trotzdem sehr ihn drängte Abschalom<br />

(qlr 82: 2 Sam 13,27)<br />

Auch diese Sätze stellen Belege gegen eine Analyse des Altfranzösischen als eine Verb-<br />

Zweit-Sprache mit einer obligatorischen V-nach-COMP-Anhebung dar. Ebenso wie in den<br />

Sätzen mit einer (X)SXV- bzw. XSV-Stellung wäre eine solche Anhebung in diesen V>2-<br />

Sätzen nur dadurch erklärbar, dass sich die initialen Konstituenten in einer durch CP-Rekursion<br />

adjungierten Position befinden. Dies ist jedoch generell auszuschließen, da es nicht<br />

– anders als in den besonderen Fällen der Verb-Dritt-Sätze etwa des Deutschen – möglich<br />

ist, diese Sätze als spezifische Ausnahmen hinsichtlich der generell gültigen Restriktion<br />

bzgl. der CP-Rekursion zu erfassen. Die hier vorgefundenen V>2-Sätze weisen keine gemeinsamen<br />

Besonderheiten auf, die es erlauben würden, spezifische Bedingungen zu benennen,<br />

unter denen ausnahmsweise eine CP-Rekursion möglich wäre.<br />

Zusammenfassend kann somit konstatiert werden, dass der hier untersuchte altfranzösische<br />

Text mit den 33 gefundenen V>2-Sätzen annähernd eine fast genauso große Anzahl an<br />

Sätzen enthält, die Evidenz gegen eine Verb-Zweit-Analyse liefern, wie an Sätzen, die für<br />

eine solche Analyse sprechen, nämlich den 38 Sätzen, die eine XVS-Wortstellung aufweisen.<br />

Es ist wichtig zu betonen, dass es für beide Konstruktionstypen Beispiele gibt, die auf<br />

Grund von Besonderheiten nicht als eindeutige Belege für die eine oder andere Analyse<br />

dienen können. Dies betrifft bei den V>2-Sätzen das bereits erwähnte Beispiel (6)(a), bei<br />

dem es sich um eine Dislokation handelt. Auch die Sätze (6)(c) und (9)(c) könnten als Spezialfall<br />

angesehen werden, da sie durch das Adverbial neporquant eingeleitet werden, das –<br />

wie bereits in Kapitel 3.3.1.1 gezeigt – dadurch gekennzeichnet zu sein scheint, dass es fast<br />

ausnahmslos die Verb-Dritt-Stellung nach sich zieht. Was die Sätze mit einer XVS-Struktur<br />

betrifft, so wurde ebenfalls in Kapitel 3 gezeigt, dass die so genannten 'Zwischensätze'<br />

einen besonderen Status einnehmen. Sie treten, wie alle empirischen Untersuchungen belegen,<br />

stets und zu allen Epochen im Französischen mit einer Verb-Zweit-Stellung auf. Die<br />

Verb-Zweit-Stellung in Sätzen wie (3)(e) oder (10) erfolgt somit unabhängig von einer<br />

generellen Verb-Zweit-Stellungsregel, so dass diese Sätze keine Evidenz für die mögliche<br />

Existenz der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Altfranzösischen liefern:<br />

(10) afr. (a) 'Sire', firent les privez le rei, 'que deit çó?<br />

Herr machten die Diener des Königs was soll das?<br />

(qlr 80: 2 Sam 12,21)<br />

(b) 'Paróle', fist li reis<br />

sprich machte der König<br />

(qlr 83-84: 2 Sam 14,12)


141<br />

Mit anderen Worten, der hier untersuchte altfranzösische Text enthält Belege, die sowohl<br />

für die Existenz der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Altfranzösischen als auch dagegen<br />

sprechen. Allerdings ist die Anzahl dieser Belege insgesamt relativ gering.<br />

Um die Frage nach der adäquaten Analyse für das Altfranzösische besser beantworten zu<br />

können, bietet es sich an, den untersuchten Text mit entsprechenden Übersetzungen in<br />

germanischen Sprachen zu vergleichen, die durch eine strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

gekennzeichnet sind. Die Tabelle (8) liefert einen Überblick über die Wortstellungsverhältnisse<br />

in den hier untersuchten Samuel-Kapiteln einer deutschen und isländischen<br />

Bibelübersetzung:<br />

Text V1 V2 V>2 gesamt<br />

ein<br />

Subj V Obj V Präp V PE V Adv V "X"V Satz V<br />

abs. 0 362 14 19 1 98 0 32 3 529<br />

(dt.) % 0.0 68.4 2.6 3.6 0.2 18.5 0.0 6.1 0.6 100.0<br />

hei<br />

abs. 20 301 12 22 1 95 0 22 12 485<br />

(is.) % 4.1 62.1 2.5 4.5 0.2 19.6 0.0 4.5 2.5 100.0<br />

Tabelle (8): Anteil der Verbstellungsmuster aller deklarativen Matrixsätze<br />

Der Vergleich dieser Ergebnisse mit der Auswertung des altfranzösischen Textes in Tabelle<br />

(7) macht mehrere Unterschiede deutlich. Zunächst zeigt sich eine Gemeinsamkeit zwischen<br />

dem Altfranzösischen und dem Isländischen. Im Gegensatz zum Deutschen weisen<br />

die Texte beider Sprachen Sätze mit Verb-Erst-Stellung auf. Bei den isländischen Sätzen<br />

dieser Art handelt es sich um typische Belege der für das Isländische charakteristischen<br />

Narrativen Inversion (Sigurðsson 1990). Wie bereits gesehen, liegt bei den unter (5) aufgeführten<br />

Verb-Erst-Sätzen des Altfranzösischen offensichtlich ein ähnlicher Konstruktionstyp<br />

vor:<br />

(11) is. (a) Fór Samúel þá og lagðist til svefns á sínum stað<br />

ging Samuel dann und legte-sich zum Schlafen an seinen Platz<br />

(hei 290: 1 Sam 3,9)<br />

(b) Lét hann þá kalla Absalon, og gekk hann fyrir konung<br />

ließ er dann rufen Abschalom und trat er vor-den König<br />

(hei 339: 2 Sam 14,33)<br />

Was die Sätze mit einer Verb-Zweit-Stellung betrifft, so ist hier der Anteil an SV-Sätzen in<br />

allen Sprachen annähernd gleich. Der Anteil an XVS-Sätzen ist allerdings in den beiden<br />

germanischen Sprachen wesentlich höher als im Altfranzösischen. Mit 31,0% für das Deutsche<br />

und 31,3% für das Isländische ist deren Anteil mehr als doppelt so hoch wie im Altfranzösischen<br />

(12,6%). Abgesehen von den Zwischensätzen gibt es in beiden germanischen<br />

Texten für alle typischen XVS-Kontexte Belege. Besonders bemerkenswert ist hier vor<br />

allem der hohe Anteil an Verb-Zweit-Sätzen nach eingeleitetem Nebensatz, für die es im<br />

Altfranzösischen keinen einzigen Beleg gibt:<br />

(12) dt. (a) Als sie ihn entwöhnt hatte, nahm sie ihn mit hinauf<br />

(ein 530: 1 Sam 1,24)<br />

(b) Sobald die Trauerzeit vorüber war, ließ David sie zu sich in sein Haus holen<br />

(ein 609: 2 Sam 11,27)


142<br />

(c) Als das Kind noch am Leben war, habe ich gefastet und geweint<br />

(ein 611: 2 Sam 12,22)<br />

(13) is. (a) En er hún hafði vanið hann af brjósti, fór hún með hann<br />

und als sie hatte entwöhnt ihn von der-Brust ging sie mit ihm<br />

(hei 288: 1 Sam 1,24)<br />

(b) En þegar sorgardagarnir voru liðnir, sendi Davíð og tók<br />

und als die-Trauerzeit war vorbei sandte David (nach ihr) und nahm<br />

hana heim til sín<br />

sie heim zu sich<br />

(hei 334: 2 Sam 11,27)<br />

(c) Meðan barnið var á lífi, fastaði ég og grét, því að ég hugsaði<br />

während das-Kind war am Leben fastete ich und weinte weil ich nachdachte<br />

(hei 335: 2 Sam 12,22)<br />

Außerdem weisen beide germanischen Sprachen im Vergleich zum Altfranzösischen eine<br />

wesentlich geringere Anzahl an Verb-Dritt-Sätzen auf. Hier handelt es sich ausschließlich<br />

um Sätze, in denen ein – meist sehr komplexer – Nebensatz und ein darauf Bezug nehmendes<br />

Adverb dem Verb voranstehen:<br />

(14) dt. (a) Herr der Heere, wenn du das Elend deiner Magd wirklich ansiehst, wenn du an mich<br />

denkst und deine Magd nicht vergißt und deiner Magd einen männlichen Nach-<br />

kommen schenkst, dann will ich ihn für sein ganzes Leben dem Herrn überlassen<br />

(ein 529-530: 1 Sam 1,11)<br />

(b) Und wenn er sein Haar schneiden ließ - das geschah von Zeit zu Zeit, weil es so<br />

schwer wurde, daß er es schneiden lassen mußte-, und man wog sein Haar, dann<br />

wog es zweihundert Schekel nach königlichem Gewicht<br />

(ein 617: 2 Sam 14,26)<br />

(15) is. (a) Éf þu lítur á eymd ambáttar þinnar og minnist mín og<br />

wenn du siehst auf (die)-Not Magd deiner und denkst an-mich und<br />

gleymir eigi ambátt þinni og gefur ambátt þinni son, þá skal ég<br />

vergisst nicht Magd deine und gibst Magd deiner Sohn dann will ich<br />

gefa hann Drottni alla daga ævi hans<br />

geben ihn Gott alle Tage Leben seines<br />

(hei 287: 1 Sam 1,11)<br />

(b) Og þegar hann lét skera hár sitt, – en hann lét jafnan<br />

und wenn er ließ schneiden Haar seines aber er ließ immer wieder<br />

skera það á árs fresti, af því að það varð honum svo þungt, að<br />

schneiden es zur Jahrsfrist weil es wurde ihm so schwer dass<br />

hann hlaut að láta skera það –, þa vó hárið af höfði<br />

er musste zu lassen schneiden es dann wog das-Haar von Kopf<br />

hans tvö hundreð sikla á konungsvog<br />

seinen zweihundert Schekel nach Königswaage<br />

(hei 338: 2 Sam 14,26)<br />

Der altfranzösische Text unterscheidet sich somit in zweierlei Hinsicht deutlich von den<br />

beiden germanischen Bibelübersetzungen. Zum einen weist er Unterschiede hinsichtlich der<br />

quantitativen Verteilung der einzelnen Wortstellungsmuster auf, die in einer deutlich geringeren<br />

Häufigkeit an XVS-Sätzen und in einem wesentlich häufigeren Auftreten von V>2-<br />

Sätzen bestehen. Zum anderen unterscheiden sich diese Sätze auch in struktureller Hinsicht<br />

von denen der germanischen Texte. Der altfranzösische Text enthält keinen einzigen Beleg<br />

für die Verb-Zweit-Stellung in Sätzen, die durch einen Nebensatz eingeleitet sind. Die<br />

germanischen Sprachen weisen in diesem Kontext sowohl Verb-Zweit- als auch Verb-Dritt-<br />

Stellung auf. Diese Verb-Dritt-Stellung resultiert ausschließlich aus dem Einfügen eines mit


143<br />

dem Nebensatz koreferenten Adverbs in die präverbale Position. Die entsprechenden altfranzösischen<br />

Sätze hingegen enthalten kein solches Adverb, sondern stattdessen erscheint<br />

– abgesehen von einer Ausnahme (cf. (9)(b)) – das Subjekt in präverbaler Position, d.h.<br />

unmittelbar hinter dem Nebensatz:<br />

(16) afr. (a) Mais puis que il out set anz passed, la mere áturnad un<br />

aber nachdem dass es war sieben Jahre vergangen die Mutter bereitete ein<br />

bel present de flur, de sa pecunie é de sun vin<br />

schönes Geschenk aus Blumen von ihrem Geld und von ihrem Wein<br />

é menad l' enfant jesque en Sylo<br />

und führte das Kind bis nach Schilo<br />

(qlr 6: 1 Sam 1,24)<br />

(b) Tant cume li enfes vesquid, jó esperóue que Deu le guaresist é<br />

solange wie das Kind lebte ich hoffte dass Gott es heilte und<br />

pur çó jeǘnówe é pluróue<br />

daher (ich)-fastete und weinte<br />

(qlr 80: 2 Sam 12, 22)<br />

(c) É quant passéé fud la plainte, David la mandad, si la prist a femme<br />

und als vorbei war die Klage David sie holen-ließ und sie nahm zur Frau<br />

(qlr 78: 2 Sam 11,27)<br />

Ein weiterer deutlicher struktureller Unterschied zwischen dem altfranzösischen Text und<br />

den beiden germanischen Texten besteht darin, dass die V>2-Stellung nicht auf Sätze mit<br />

satzeinleitendem Nebensatz beschränkt ist, sondern in sehr unterschiedlichen Kontexten zu<br />

beobachten ist. Hierbei ist auffallend, dass in den meisten dieser Fälle das Subjekt nicht<br />

invertiert ist.<br />

Der Vergleich des altfranzösischen Textes mit den isländischen und germanischen Texten<br />

macht somit eine Reihe von quantitativen und strukturellen Unterschieden hinsichtlich<br />

der Stellung des finiten Verbs deutlich. Der altfranzösische Text enthält zwar typische Belege<br />

für die Verb-Zweit-Stellung und liefert somit offenbar Evidenz für die Existenz der<br />

strengen Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Altfranzösischen. Allerdings sind diese Belege<br />

wesentlich weniger häufig als in den beiden germanischen Texten. Gleichzeitig weist der<br />

altfranzösische Text zahlreiche Sätze mit einer V>2-Stellung auf, die in dieser Form nicht<br />

in den germanischen Sprachen anzutreffen sind und gegen die Annahme der strengen Verb-<br />

Zweit-Stellungseigenschaft im Altfranzösischen sprechen. Die Frage, die im folgenden<br />

Abschnitt kurz erörtert werden soll, ist die, ob solche scheinbar sich widersprechenden<br />

Evidenzen bzgl. der Existenz der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft auch in den eingebetteten<br />

Nebensätzen des hier untersuchten altfranzösischen Textes zu beobachten sind.<br />

5.2.2 Verb-Zweit-Stellungseffekte in altfranzösischen Nebensätzen<br />

Zur Überprüfung dieser Frage bietet sich die Möglichkeit, den altfranzösischen mit dem isländischen<br />

Text zu vergleichen, da das Isländische über die Eigenschaft der eingebetteten<br />

Verb-Zweit-Stellung verfügt und gleichzeitig – ebenso wie das Altfranzösische – eine zugrunde<br />

liegende SVO-Stellung besitzt. Die Ergebnisse der Auswertung aller konjunktional<br />

eingeleiteten deklarativen Nebensätze mit realisiertem Subjekt sind in der folgenden Tabelle<br />

aufgeführt:


144<br />

Text V1 V2 V>2 gesamt<br />

qlr<br />

Subj V Obj V Präp V PE V Adv V "X"V Satz V<br />

abs. 1 93 1 0 3 1 0 0 6 105<br />

(afr.) % 0.9 88.6 0.9 0.0 2.9 0.9 0.0 0.0 5.8 100.0<br />

hei<br />

abs. 4 123 1 1 1 0 0 0 0 130<br />

(is.) % 3.0 94.6 0.8 0.8 0.8 0.0 0.0 0.0 0.0 100.0<br />

Tabelle (9): Anteil der Verbstellungsmuster aller konjunktional eingeleiteten deklarativen Nebensätze<br />

mit realisiertem Subjekt 8<br />

Die Tabelle (9) zeigt, dass beide Texte nur eine sehr geringe Anzahl an XVS-Sätzen, d.h.<br />

von Sätzen, die als Evidenz für eine Verb-Zweit-Eigenschaft dienen können, aufweisen. Im<br />

altfranzösischen Text beträgt mit fünf Belegen der Anteil an XVS-Sätzen nur 4,7%, im<br />

isländischen Text mit drei Belegen nur 2,4%. Ein deutlicher Unterschied zwischen beiden<br />

untersuchten Texten ist in Bezug auf Sätze zu beobachten, in denen mehr als eine Konstituente<br />

dem Verb vorangeht. Während im isländischen Text hierfür kein einziges Beispiel<br />

existiert, weist der altfranzösische Text insgesamt sechs Belege auf:<br />

(17) afr. (a) ... que cist lignages numéément dout si le servise Deu celebrer<br />

dass dieser Stamm besonders muss so sehr den Dienst Gottes zelebrieren<br />

(qlr 3: 1 Sam 1,2)<br />

(b) ... se alcuns par vud á Deu se sacrast ...<br />

wenn jemand durch Gelübde zu Gott sich widmete<br />

(qlr 5: 1 Sam 1,11)<br />

(c) ... qu' il as alanz é as venanz parole de salu mustrast<br />

dass er zu-den Gehenden und zu-den Kommenden Wort des Grußes erwies<br />

(qlr 4: 1 Sam 1,9)<br />

(d) ... que ambdui tes fiz en un jur murrunt<br />

dass beide deine Söhne an einem Tag sterben-werden<br />

(qlr 8: 1 Sam 2,34)<br />

(e) ... si que l'um bíen le saverad<br />

so dass man gut es wissen-wird<br />

(qlr 79: 2 Sam 12,11)<br />

(f) ... é que li reis pur çó venist<br />

und dass der König daher käme<br />

(qlr 80: 2 Sam 12,28)<br />

In der Diskussion der Untersuchungen zu altfranzösischen Nebensätzen wurde bereits deutlich,<br />

dass die Existenz solcher Sätze klar gegen die Analyse des Altfranzösischen als eine<br />

symmetrische Verb-Zweit-Sprache spricht (Côté 1995:175). Diese Sätze zeigen, dass im<br />

altfranzösischen Nebensatz die Verb-Zweit-Stellungsregel generell keine Anwendung findet.<br />

Eine genauere Betrachtung der im qlr-Text auftretenden XVS-Sätze unterstützt diese<br />

8 Im qlr-Text sind selbstverständlich nur Nebensätze berücksichtigt, die in nicht gereimten und nicht<br />

assonierenden Textstellen auftreten. Relativsätze sind in die Auswertung nicht mit einbezogen.<br />

Wie in Kapitel 3.3.1.2 gezeigt wurde, verhalten sich diese Sätze – ähnlich wie die eingebetteten<br />

Interrogativsätze – grundsätzlich anders und müssen daher für eine Untersuchung der Wortstellung<br />

in Deklarativsätzen ausgeschlossen oder zumindest gesondert betrachtet werden.


Feststellung. Es fällt nämlich auf, dass drei dieser Sätze im Text unmittelbar aufeinander<br />

folgen:<br />

(18) afr. (a) Li antif Judéu aferment que morz fud li éinznez fiz Fenénne<br />

Die alten Juden bekräftigen dass tot wurde der einzige Sohn Peninnas<br />

(qlr 6: 1 Sam 2,5)<br />

(b) quant néz fúd Samuél ki fud fiz a la bonuréé Ánne<br />

als geboren wurde Samuel der war Sohn von der glücklichen Hanna<br />

(qlr 6: 1 Sam 2,5)<br />

(c) é pois chascun an quant enfant out Anne, perdi alcun Fenénne<br />

und dann jedes Jahr als Kind hatte Hanna verlor eines Peninna<br />

(qlr 6: 1 Sam 2,5)<br />

145<br />

Bei dem Textabschnitt handelt es sich teilweise um einen der erläuternden Kommentare des<br />

Übersetzers zu einer Bibelstelle, die insbesondere in den Anfangskapiteln durch Reime und<br />

Assonanzen gekennzeichnet sind. Dies scheint auch hier der Fall zu sein. Darauf deutet die<br />

satzfinale Stellung der Eigennamen Anne und Fenénne hin, die eine – sehr schwach ausgeprägte<br />

– Assonanz miteinander eingehen. Mit anderen Worten, die in diesen drei aufeinander<br />

folgenden Nebensätzen anzutreffende ungewöhnliche Wortstellung scheint daher zu<br />

resultieren, dass es sich auch hier um eine für die Quatre livre des Reis typische Reimprosastelle<br />

handelt. Das bedeutet, dass diese drei XVS-Nebensätze nicht als eindeutige Evidenz<br />

für eine Verb-Zweit-Stellung im altfranzösischen Nebensatz angesehen werden können.<br />

9<br />

Die isländische Bibel weist demgegenüber zwar wenige, aber eindeutige Belege für dieses<br />

Stellungsmuster auf. Die Daten bestätigen somit die Beobachtung, dass im Isländischen<br />

die Verb-Zweit-Stellungsregel auch im Nebensatz Anwendung findet:<br />

(19) is. (a) ... því að af mínum mikla harmi og trega hefi ég talað hingað til<br />

weil aus meinem großen Kummer und Trauer habe ich gesprochen bis jetzt<br />

(hei 287: 1 Sam 1,16)<br />

(b) ... því að fyrir eigin mátt sigrar enginn<br />

weil aus eigener Kraft siegt niemand<br />

(hei 288: 1 Sam 2,9)<br />

(c) ... meðan verið var að sjóða kjötið<br />

während gewesen war am Kochen das-Fleisch<br />

(hei 289: 1 Sam 2,13)<br />

Der Vergleich der altfranzösischen Nebensätze mit denen des Isländischen bringt somit<br />

deutliche Unterschiede zu Tage. Anders als der isländische Text liefert die altfranzösische<br />

Übersetzung keine Evidenz für die Anwendung der Verb-Zweit-Stellungsregel im Nebensatz.<br />

Vielmehr gibt es klare Evidenzen gegen diese Annahme, so dass auf der Grundlage<br />

der hier vorliegenden Daten davon ausgegangen werden muss, dass das Altfranzösische<br />

nicht als symmetrische Verb-Zweit-Sprache analysiert werden kann. Die Frage, die bislang<br />

unbeantwortet blieb, ist die, ob es auf Grund der hier vorliegenden Daten überhaupt gerechtfertigt<br />

ist, das Altfranzösische als eine Verb-Zweit-Sprache zu analysieren.<br />

9 Dementsprechend muss auch der bereits bei der Besprechung der Matrixsätze erwähnte Verb-<br />

Dritt-Matrixsatz (9)(a) gesondert betrachtet werden, da der eingebettete Satz in (18)(c) dessen Bestandteil<br />

ist.


146<br />

5.2.3 Verlust der Verb-Zweit-Stellungseigenschaft im Französischen?<br />

Im Folgenden soll die Entwicklung der Stellung des finiten Verbs im Französischen empirisch<br />

untersucht und der Frage nachgegangen werden, inwiefern Evidenzen vorliegen, die<br />

für den Verlust einer möglichen Verb-Zweit-Stellungseigenschaft des Französischen und<br />

damit für ein entsprechendes Umfixieren des Verb-Zweit-Parameters sprechen. Grundlage<br />

für diese Untersuchung liefern neben dem altfranzösischen qlr-Text vier weitere französische<br />

Bibelübersetzungen aus verschiedenen Epochen, und zwar aus der mittelfranzösischen<br />

sowie jeweils aus der frühen, klassischen und modernen neufranzösischen Zeit. 10<br />

Die folgende Tabelle enthält die Auswertungsergebnisse der Stellung des finiten Verbs<br />

in allen Matrixsätzen mit lexikalischem Subjekt in dem jeweiligen Bibelabschnitt. Zur<br />

besseren Vergleichbarkeit sind die Ergebnisse der Auswertung des altfranzösischen qlr-<br />

Textes in dieser Tabelle ebenfalls mit aufgeführt:<br />

Text V1 V2 V>2 gesamt<br />

Subj V Obj V Präp V PE V Adv V "X"V Satz V<br />

qlr abs. 35 196 1 9 2 23 3 0 33 302<br />

(afr.)<br />

% 11.6 64.9 0.3 3.0 0.6 7.7 1.0 0.0 10.9 100.0<br />

reg abs. 8 259 7 10 0 94 0 0 36 414<br />

(mfr.)<br />

% 1.9 62.6 1.7 2.4 0.0 22.7 0.0 0.0 8.7 100.0<br />

hon abs. 8 307 0 1 0 13 1 0 108 438<br />

(nfr.)<br />

% 1.9 70.0 0.0 0.2 0.0 3.0 0.2 0.0 24.7 100.0<br />

mar abs. 0 405 0 0 0 4 0 0 97 506<br />

(nfr.)<br />

% 0.0 80,0 0.0 0.0 0.0 0.8 0.0 0.0 19.2 100.0<br />

caq abs. 1 450 0 1 0 7 0 0 78 537<br />

(nfr.)<br />

% 0.2 83.8 0.0 0.2 0.0 1.3 0.0 0.0 14.5 100.0<br />

Tabelle (10): Anteil der Verbstellungsmuster aller deklarativen Matrixsätze mit realisiertem Subjekt<br />

Die Auswertung der Daten bestätigt die in allen Untersuchungen zur Entwicklung der<br />

Verbstellung im Französischen gemachte Beobachtung, wonach sich die Stellung des fini-<br />

10 Ausgelöst durch die Reformation und ermöglicht durch die Erfindung des Buchdruckes sind ab<br />

dem frühen 16. Jhdt. zahlreiche Bibelübersetzungen entstanden, die bis heute gut erhalten sind.<br />

Somit stehen ab dem frühesten Neufranzösischen für eine historisch-vergleichende Untersuchung<br />

eine große Anzahl von Bibeltexten zur Verfügung. Schwieriger ist es, geeignete Bibeltexte aus der<br />

mittelfranzösischen Epoche (1300-1500) zu finden, da die Bibelübersetzungen aus dieser Zeit<br />

meist nur als Manuskripte vorliegen und schwer zugänglich sind. Aus diesem Grund habe ich auf<br />

die älteste mir zugängliche gedruckte Bibelübersetzung zurückgegriffen, die aus dem Jahre 1520<br />

stammt (= reg). Obwohl das Druckdatum dieser Bibel damit in der neufranzösischen Epoche liegt,<br />

kann sie noch dem Mittelfranzösischen zugerechnet werden. Darauf deutet zum einen die Tatsache<br />

hin, dass die von mir konsultierte Buchausgabe eine handschriftliche Notiz enthält, die besagt,<br />

dass die Übersetzung im Jahre 1494 im Auftrag des französischen Königs Charles VIII. (1470-<br />

1498) angefertigt wurde. Zum anderen rechtfertigen die sprachlichen Besonderheiten dieses Textes<br />

dessen Einordnung in die mittelfranzösische Epoche.


147<br />

ten Verbs im Neufranzösischen deutlich von der Stellung im Alt- und Mittelfranzösischen<br />

unterscheidet. Zum einen ist in den vorliegenden Daten ab dem ersten neufranzösischen<br />

Text (= hon) ein deutlicher Rückgang bei den – in der Tabelle eingerahmten – XVS-Sätzen<br />

im Vergleich zu den früheren Texten zu verzeichnen. Alle drei neufranzösischen Texte<br />

weisen hier einen wesentlich geringeren Prozentsatz auf (hon: 3,4%, mar: 0,8%, caq: 1,5%<br />

vs. qlr: 12,6%, reg: 26,8%). Zum anderen ist der Anteil an Sätzen mit einer Verb-Dritt-<br />

Stellung in den neufranzösischen Texten wesentlich höher als in den beiden mittelalterlichen<br />

Texten.<br />

Beim Vergleich der beiden mittelalterlichen Texte ist insbesondere die Tatsache bemerkenswert,<br />

dass im mittelfranzösischen reg-Text kein Rückgang, sondern vielmehr ein deutlicher<br />

Anstieg an Verb-Zweit-Konstruktionen zu konstatieren ist. Mit 26,8% ist der Anteil<br />

der XVS-Konstruktionen im mittelfranzösischen reg-Text mehr als doppelt so hoch wie im<br />

altfranzösischen qlr-Text. Dies ist insofern erstaunlich, als in allen Untersuchungen zur<br />

französischen Wortstellungsentwicklung immer wieder betont wird, dass die mittelfranzösische<br />

Epoche eine Übergangsphase darstellt, in der die Verb-Zweit-Stellungseigenschaft des<br />

Französischen nur noch 'optional' ist und allmählich verloren geht. Die hier gefundenen<br />

Daten deuten jedoch eher auf einen Ausbau dieser Eigenschaft hin. Wie der Tabelle (10) zu<br />

entnehmen ist, enthält der reg-Text Belege für die XVS-Stellung in Sätzen mit satzeinleitender<br />

Objekt-, Präpositional- und Adverbialphrase:<br />

(20) mfr. (a) Ceste cantique parfist toute anne<br />

dieses Lied vollendete ganz Hanne<br />

(reg: 1 Sam 2,33)<br />

(b) Ces choses faisoit dauid pour cõforter bersabee sa fẽme<br />

diese Dinge machte David um-zu trösten Batseba seine Frau<br />

(reg: 2 Sam 12,24)<br />

(c) Sur ce mesmes chapitre de la bible dit le maistre de hystoires<br />

über dieses selbige Kapitel der Bibel sagt der Herr der Geschichten<br />

(reg: 1 Sam 1,1)<br />

(d) car en celles promesses deuons nous tousiours entendre ceste<br />

denn in diesen Versprechen müssen wir immer verstehen diese<br />

condition<br />

Bedingung<br />

(reg: 1 Sam 3,14)<br />

(e) Lendemain se leuerent helcana e ses fẽmes et ses filz<br />

am nächsten Morgen sich erhoben Elkana und seine Frauen und seine Kinder<br />

(reg: 1 Sam 1,19)<br />

(f) et maintenant est lenfant mort<br />

und jetzt ist das-Kind tot<br />

(reg: 2 Sam 12,21)<br />

Den weitaus größten Anteil an XVS-Sätzen machen Sätze aus, die ein satzinitiales Adverb<br />

enthalten. Hier ist im reg-Text im Vergleich zum altfranzösischen qlr-Text ein sprunghafter<br />

Anstieg an Verb-Zweit-Sätzen zu konstatieren. Auffallend ist, dass es sich hierbei in den<br />

meisten Fällen um ein Temporaladverb handelt, das die Bedeutung von dann hat:<br />

(21) mfr. (a) Adonc luy dist helcana son mary<br />

dann ihr sagte Elkana ihr Mann<br />

(reg: 1 Sam 1,8)


148<br />

(b) Et puis sen alla helcana et toute sa mesgnie en<br />

und dann REFL-weg ging Elkana und ganzer sein Haushalt nach<br />

ramatha en sa maisõ<br />

Rama in sein Haus<br />

(reg: 1 Sam 2,11)<br />

(c) Lors appella nostre seigñr samuel<br />

dann rief unser Herr Samuel<br />

(reg: 1 Sam 3,4)<br />

(d) Alors luy compta samuel toutes les parolles de nostre seigneur<br />

dann ihm erzählte Samuel alle die Worte von unserem Herrn<br />

(reg: 1 Sam 3,18)<br />

Diese Beispiele illustrieren deutlich den sehr einfachen Sprachstil dieser Übersetzung. Es<br />

wird darin aufzählungsartig vom Geschehenen berichtet, wobei floskelhaft in jede neue<br />

Handlung i.d.R. mit einem durch ein Adverbial eingeleiteten Satz eingeführt wird. Da in<br />

diesen Fällen das lexikalische Subjekt fast ausnahmslos in postverbaler Stellung erscheint,<br />

ergibt sich daher die relativ hohe Anzahl an AdvVS-Sätzen. Auffallend ist dabei, dass auch<br />

solche Adverbien stets mit Inversion verwendet werden, die bereits im Altfranzösischen –<br />

wie in Kapitel 3.3.1.1 gezeigt – regelmäßig ohne Inversion auftreten:<br />

(22) mfr. (a) non pourtant diẽnt ilz que anne en eut sept<br />

nicht trotzdem sagen sie dass Hanna davon hatte sieben<br />

(reg: 1 Sam 2,5)<br />

(b) Nõpourtant diẽnt aucuns quilz ne gisoiẽt pas auec elles<br />

trotzdem sagen einige dass-sie nicht sich-hinlegten NEG mit ihnen<br />

(reg: 1 Sam 2,22)<br />

Abgesehen von dieser Besonderheit sind die Unterschiede zwischen dem mittelfranzösischen<br />

reg-Text und dem altfranzösischen qlr-Text ausschließlich quantitativer Art. Was die<br />

Sätze mit einer V>2-Stellung betrifft, so weisen beide Texte einen annähernd gleichen<br />

Anteil auf. Ebenso wie der qlr-Text enthält der reg-Text hier mehrheitlich Sätze mit einer<br />

XSV-Stellung:<br />

(23) mfr. (a) De quoy le pere leur dist<br />

von daher der Vater ihnen sagte<br />

(reg: 1 Sam 2,23)<br />

(b) Dequoy il appert appertement que samuel le filz helcana ne fut<br />

daher es scheint offenkundig dass Samuel der Sohn Elkanas nicht war<br />

pas ne ne descẽdit de aaron<br />

NEG geboren und-nicht stammte ab von Aaron<br />

(reg: 1 Sam 1,1)<br />

(c) par lequel prestaigne toy et ta lignee deuez auoir la dextre<br />

durch diese Gabe du und dein Stamm müsst haben die rechte<br />

espaule des bestes que len sacrifioit<br />

Schulter der Tiere die man opferte<br />

(reg: 1 Sam 2,31)<br />

(d) En ceste cantique anne fait trois choses<br />

in diesem Lied Hanna macht drei Dinge<br />

(reg: 1 Sam 2,2)<br />

Darüber hinaus gibt es auch einige Belege für SXV-Sätze sowie für Verb-Dritt-Sätze mit<br />

postverbalem Subjekt:


(24) mfr. (a) fenenne angoisseusemẽt luy reprochoit souuent ce quelle estoit<br />

Peninna heftig ihr vorwarf oft das dass-sie war<br />

vrehaigne<br />

unfruchtbar<br />

(reg: 1 Sam 1,6)<br />

(b) Car nul homme selon la loy nosoit prẽdre a femme<br />

denn kein Mann nach dem Gesetz nicht-wagte nehmen zur Frau<br />

sa seur de par son pere silz fussent seur<br />

seine Schwester von Seite(n) seines Vaters wenn-sie wären Schwester<br />

et frere dung mesmes peuple<br />

und Bruder von-einem gleichen Volk<br />

(reg: 2 Sam 13,12)<br />

(25) mfr. (a) Car ainsi adoncques estoient vestues les filles des roys qui<br />

denn so damals waren gekleidet die Töchter der Könige die<br />

estoient uierges<br />

waren Jungfrauen<br />

(reg: 2 Sam 13,18)<br />

(b) ou par aduenture tant les achetoiẽt les femmes pour<br />

oder aufs Geratewohl so sehr sie kauften die Frauen um-zu<br />

aorner leurs chiefz & mesler auecques leurs cheueulx<br />

schmücken ihre Köpfe und vermischen mit ihren Haaren<br />

(reg: 2 Sam 14,26)<br />

149<br />

Besonders hervorzuheben ist hier vor allem die Tatsache, dass der reg-Text ebenso wie der<br />

qlr-Text keinen einzigen Beleg für die Verb-Zweit-Stellung nach einem einleitenden Nebensatz<br />

aufweist. Stattdessen ist in diesem Kontext ausnahmslos die V>2-Stellung zu beobachten:<br />

(26) mfr. (a) Sire se tu me donnes vng filz & tu as pitie de ma douleur<br />

Herr wenn du mir gibst einen Sohn und du hast Mitleid mit meinem Schmerz<br />

et te souuiengne de moy ton ancelle ie le donneray a toy nazarien<br />

und dich erinnerst an mich deine Magd ich ihn geben-werde zu dir Nazaräer<br />

tous les iours de sa vie<br />

alle die Tage von seinem Leben<br />

(reg: 1 Sam 1,11)<br />

(b) Ainsi qlle aouroit moult fort a nostre seigñr hely luy veit les leures<br />

so wie-sie betete sehr heftig zu unserem Herrn Eli sie sah die Lippen<br />

mouuoir<br />

bewegen<br />

(reg: 1 Sam 1,12)<br />

(c) et se tu ne le nous dõnes nous le te touldrons a force<br />

und wenn du nicht es uns gibst wir es dir nehmen-werden mit Gewalt<br />

(reg: 1 Sam 2,16)<br />

(d) Et quant il deuoit dire a lune il dist a la seconde<br />

und wenn er musste sprechen zu der-einen er sagte zu der zweiten<br />

(reg: 1 Sam 1,2)<br />

Damit enthält der mittelfranzösische reg-Text – ebenso wie der altfranzösische qlr-Text –<br />

zahlreiche Belege unterschiedlicher Art, die mit einer Verb-Zweit-Analyse nicht vereinbar<br />

sind. Der Unterschied zum altfranzösischen Text besteht lediglich darin, dass im reg-Text<br />

die Anzahl dieser Belege im Verhältnis zu den Belegen für eine XV-Stellung deutlich geringer<br />

ist.<br />

Was die neufranzösischen Texte betrifft, so belegt die Auswertung dieser Daten deutlich<br />

den Nicht-Verb-Zweit-Charakter des Neufranzösischen. Bereits der erste Text aus dem


150<br />

16. Jhdt. liefert hierfür zahlreiche Belege, die auch in den beiden anderen neufranzösischen<br />

Texten zu finden sind. Alle drei Texte weisen einerseits einen sehr geringen Anteil an<br />

XVS-Konstruktionen auf. Bei den wenigen Belegen für diesen Konstruktionstyp handelt es<br />

sich fast ausschließlich um Sätze mit einem satzeinleitenden Adverb:<br />

(27) nfr. (a) Ainsi en faisoit elle d' an en an<br />

so davon machte sie von Jahr zu Jahr<br />

(hon 254: 1 Sam 1,7)<br />

(b) Ainsi a dit l' Eternel<br />

so hat gesagt der Ewige<br />

(mar 285: 1 Sam 2,27)<br />

(c) Jamais ne sera expié le péché de la maison d' Éli, ni par<br />

nie NEG wird gesühnt die Sünde des Hauses von Eli weder durch<br />

le sacrifice ni par l' offrande<br />

die Opferung noch durch die Opfergabe<br />

(caq 63: 1 Sam 3,14)<br />

Andererseits ist in allen drei Texten des Neufranzösischen ein wesentlich höherer Anteil an<br />

V>2-Strukturen als in den beiden früheren Texten zu verzeichnen. Am häufigsten sind hier<br />

Sätze mit einer (X)XSV-Stellung, in denen entweder ein Adverbial oder – in selteneren Fällen<br />

– eine Präpositionalphrase die satzinitiale Position einnimmt:<br />

(28) nfr. (a) Au matin ils se leuerent<br />

am Morgen sie sich erhoben<br />

(hon 255:1 Sam 1,19)<br />

(b) alors la colère de David s' enflamma fort contre cet homme-là<br />

da die Wut von David sich entflammte stark gegen diesen Mann da<br />

(mar 331: 2 Sam 12,5)<br />

(c) puis il ouvrit les portes de la maison de YHWH<br />

dann er öffnete die Türen von dem Haus von YHWH<br />

(caq 63: 1 Sam 3,15)<br />

(d) contre eux dans les cieux il tonnera<br />

gegen sie in den Himmeln er donnern-wird<br />

(caq 45: 1 Sam 2,10)<br />

In einigen seltenen Fällen ist in Sätzen mit einer V>2-Struktur das Subjekt vom finiten<br />

Verb durch eine Konstituente getrennt:<br />

(29) nfr. (a) Samuel donc s' en alla<br />

Samuel daher sich davon ging<br />

(hon 257: 1 Sam 3,9)<br />

(b) Elle donc aïant le cœur plein d' amertume, pria l' Eternel<br />

sie daher habend das Herz voll von Bitterkeit betete-an den Ewigen<br />

en abondamment<br />

ausgiebig<br />

(mar 283: 1 Sam 1,10)<br />

(c) Lors Anna, apres qu' elle eut beu & mãgé en Silo, se leua<br />

dann Hanna nachdem dass sie hat getrunken und gegessen in Schilo sich erhob<br />

(hon 255: 1 Sam 1,9)<br />

Bei den durch einen Nebensatz eingeleiteten Sätzen tritt in allen drei neufranzösischen<br />

Texten das Subjekt stets in präverbaler Position auf:


(30) nfr. (a) Et deuant que la lumiere de Dieu fust esteinte, Samuel dormoit<br />

und bevor dass das Licht von Gott war erloschen Samuel schlief<br />

au temple du Seigñr<br />

im Tempel des Herrn<br />

(hon 257: 1 Sam 3,3)<br />

(b) Si un homme a péché contre un autre homme, le Juge<br />

wenn ein Mensch hat gesündigt gegen einen anderen Menschen der Richter<br />

en jugera<br />

dafür richten-wird<br />

(mar 285: 1 Sam 2,25)<br />

(c) et s' il arrive qu' il t' appelle, tu diras:<br />

und wenn es passiert dass er dich ruft du sagen-wirst<br />

(caq 63: 1 Sam 3,9)<br />

151<br />

Die Daten der hier untersuchten neufranzösischen Texte bestätigen somit die vielfach gemachte<br />

Beobachtung, dass das Französische ab dem frühesten Neufranzösisch als eine<br />

Nicht-Verb-Zweit-Sprache angesehen werden muss. Das heißt, es ist dadurch gekennzeichnet,<br />

dass in deklarativen Matrixsätzen das finite Verb nach INFL und nicht nach COMP<br />

angehoben wird. Dies erlaubt die Bildung der hier gefundenen Verb-Dritt- oder Verb-Viert-<br />

Sätze, da durch Adjunktion(en) an IP prinzipiell beliebig viele topikalisierte Konstituenten<br />

vor das finite Verb gestellt werden können. Für die Analyse der Stellung des Subjekts in<br />

den neufranzösischen Inversionskonstruktionen sind in der Literatur zahlreiche Vorschläge<br />

gemacht worden, auf die im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht detailliert eingegangen<br />

werden kann. Wie in Kapitel 3 kurz gezeigt, sind viele dieser Vorschläge mit der Annahme<br />

vereinbar, dass das finite Verb die INFL-Position besetzt. Im Falle der Inversion mit einem<br />

klitischen Subjektspronomen kann angenommen werden, dass das Pronomen an das Verb<br />

in der INFL-Position klitisiert ist (Friedemann 1997, Wind 1995). Für die postverbale<br />

Stellung eines nominalen Subjekts besteht unter anderem die Möglichkeit anzunehmen,<br />

dass es in seiner basisgenerierten VP-internen Position verbleibt (Rizzi / Roberts 1989, de<br />

Bakker 1997:Kap.4.5, Costa 1998) oder in eine VP-adjungierte Position bewegt wird (Rizzi<br />

1990a:63, Giorgi / Longobardi 1991:171-175, Roberts 1993:24).<br />

Die Frage, die hier nun zu klären bleibt, ist die, ob eine solche Analyse auch in der Lage<br />

ist, die Wortstellungsmuster des Alt- und Mittelfranzösischen zu erfassen. In der Diskussion<br />

generativer Erklärungsansätze für den Verbstellungswandel im Französischen wurde<br />

gezeigt, dass Vance (1995, 1997) und de Bakker (1997) die Annahme vertreten, dass für<br />

bestimmte Inversionssätze des Alt- bzw. Mittelfranzösischen die Stellung des nominalen<br />

Subjekts ähnlich erklärt werden kann, wie hier für die Inversionssätze des Neufranzösischen<br />

angenommen wird. Der Unterschied zum Neufranzösischen wird allerdings darin<br />

gesehen, dass im Altfranzösischen und teilweise auch noch im Mittelfranzösischen das<br />

Verb in diesen Sätzen regelmäßig die COMP- und nicht die INFL-Position einnimmt. Angesichts<br />

der vorliegenden Daten lautet aber die entscheidende Frage, auf Grund welcher<br />

Evidenz Kinder zu einer solchen Interpretation dieser Daten gelangt sein könnten. Ausgehend<br />

von dem von Lightfoot (1997a, 1999) aufgestellten quantitativen Kriterium für das<br />

Fixieren des Verb-Zweit-Parameters, könnte auf Grund der hier ermittelten Ergebnisse für<br />

das Mittelfranzösische vermutet werden, dass ausreichende Evidenz für das Fixieren auf<br />

den Wert '+V2' vorhanden gewesen ist. Angesichts eines Anteils von 26,8% an XVS-Sätzen<br />

sollte zu erwarten sein, dass die kritische Grenze für das Triggern einer Verb-Zweit-<br />

Grammatik, die nach Ansicht von Lightfoot (1997a:179) "somewhere between 17% and<br />

30%" liegt, erreicht ist. Für das Altfranzösische hingegen müsste man annehmen, dass das


152<br />

Fixieren des Verb-Zweit-Parameters nicht auf den Wert '+V2' erfolgen konnte, da im untersuchten<br />

Text mit lediglich 12,6% XVS-Sätzen diese kritische Grenze für das Fixieren auf<br />

diesen Wert deutlich unterschritten ist. Angesichts der Tatsache, dass in den neufranzösischen<br />

Texten der Anteil an XVS-Sätzen ebenfalls weit unter dieser Grenze liegt, müsste<br />

demnach angenommen werden, dass das Französische eine Entwicklung von einer Nicht-<br />

Verb-Zweit- über eine Verb-Zweit- zu einer Nicht-Verb-Zweit-Sprache durchlaufen hat.<br />

Es liegt auf der Hand, dass diese Analyse nicht adäquat sein kann. Vielmehr bestätigen<br />

die hier vorgefundenen Fakten die bereits ausführlich diskutierte Annahme, wonach quantitative<br />

Unterschiede hinsichtlich der Triggerdaten für einen parametrischen Wandel nicht<br />

von Relevanz sind. Entscheidend ist allein die Tatsache, dass eindeutige Trigger vorhanden<br />

sind, die das Fixieren des Parameterwertes auf einen entsprechenden Wert auslösen. Gemäß<br />

der Analyse von Fodor (1998) sind für eine SVO-Sprache, wie das Alt- und Mittelfranzösische<br />

oder das Isländische, Sätze mit einer AdvSVO-Stellung und für eine SOV-Sprache,<br />

wie das Deutsche, AdvSOV-Sätze eindeutige Trigger für das Fixieren auf den Wert '-V2'.<br />

Sätze mit einer AdvAuxSVO- bzw. AdvAuxSOV-Stellung hingegen stellen eindeutige<br />

Trigger für die Fixierung auf den Wert '+V2' dar (cf. Tabelle (4) in Kapitel 4). Die Daten<br />

der beiden hier untersuchten germanischen Sprachen bestätigen diese Annahme. Beide<br />

Textkorpora enthalten, wie die folgenden Beispiele illustrieren, zahlreiche Sätze mit einer<br />

AdvAuxSOV- bzw. AdvAuxSVO-Stellung. Für die AdvSOV- bzw. AdvSVO-Stellung hingegen<br />

gibt es in den beiden germanischen Texten keinen einzigen Beleg:<br />

(31) dt. (a) da werde ich deinen Arm abhauen und die Macht deines Vaterhauses vernichten<br />

(ein 533: 1 Sam 2,31)<br />

(b) Darum soll jetzt das Schwert auf ewig nicht mehr von deinem Haus weichen<br />

(ein 610: 2 Sam 12,10)<br />

(32) is. (a) Nei, heldur skalt þú gefa það nú þegar<br />

nein lieber sollst du geben das jetzt sofort<br />

(hei 289: 1 Sam 2,16)<br />

(b) ella mun ég taka það með valdi<br />

sonst werde ich nehmen es mit Gewalt<br />

(hei 289: 1 Sam 2,16)<br />

In den hier untersuchten Daten des Alt- und Mittelfranzösischen sind die Verhältnisse weniger<br />

eindeutig. Im altfranzösischen Text finden sich weder Sätze mit einer AdvSVO-Stellung<br />

noch Sätze mit einer AdvAuxSVO-Stellung. Der qlr-Text enthält also keinen Beleg für<br />

die von Fodor (1998) für das Fixieren des Verb-Zweit-Parameters als ausschlaggebend<br />

angesehenen Wortstellungsmuster. Im mittelfranzösischen reg-Text findet sich – trotz der<br />

großen Anzahl an Sätzen mit satzinitialem Adverb – lediglich ein einziger Satz, der als<br />

möglicher Beleg für ein AdvAuxSVO-Stellungsmuster angesehen werden kann:<br />

(33) mfr. si a lung occis lautre<br />

so hat der-eine getötet den-anderen<br />

(reg: 2 Sam 14,6)<br />

Dieser Beleg ist allerdings insofern problematisch, als der kategoriale Status von si als<br />

Adverb sehr fraglich ist. Wie in zahlreichen Untersuchungen gezeigt worden ist, hat si<br />

vielmehr – ähnlich wie ainz oder or – i.d.R. die Funktion einer satzeinleitenden Partikel, die<br />

sich anders verhält als volle Adverbien (Marchello-Nizia 1985, Fleischmann 1992, Ferraresi<br />

/ Goldbach 2002). Aus diesem Grund bildet Satz (33) keinen eindeutigen Beleg für


153<br />

einen adverbial eingeleiteten Satz mit einer Subjekt-Auxiliar-Inversion. Gleichzeitig ist zu<br />

konstatieren, dass der reg-Text auch keine eindeutigen Belege für Sätze mit einer AdvSVO-<br />

Stellung aufweist. Das einzige Beispiel, das hierzu gerechnet werden könnte, ist das folgende:<br />

(34) mfr. Car certainement ie ne le pourroye souffrir<br />

denn bestimmt ich nicht es könnte ertragen<br />

(reg: 2 Sam 13,12)<br />

Da in diesem Satz jedoch das Objekt als klitisch gebundenes Pronomen realisiert wird und<br />

daher in präverbaler Position erscheint, entspricht der Satz nur in eingeschränktem Maße<br />

dem geforderten Wortstellungsmuster.<br />

Mit anderen Worten, beide mittelalterlichen französischen Texte enthalten weder eindeutige<br />

Daten, auf Grund derer in Anlehnung an die Analyse von Fodor (1998) die Festlegung<br />

des Verb-Zweit-Parameterwertes auf den Wert '+V2' möglich wäre, noch finden sich<br />

eindeutige Daten, die die Fixierung auf den entgegengesetzten Wert ermöglichen würden.<br />

Aus dieser Beobachtung folgt nun keineswegs, dass Fodors Annahme eindeutiger Wortstellungsmuster<br />

für das Triggern des Verb-Zweit-Parameters aufgegeben werden muss. Wie<br />

die Analyse des deutschen und isländischen Textes zeigt, lässt sich für diese Sprachen<br />

Fodors Analyse bestätigen. Angesichts der hier gemachten Beobachtung hinsichtlich des<br />

alt- und mittelfranzösischen Textes stellt sich die Frage, ob es möglicherweise zusätzlich zu<br />

der von Fodor angenommenen Triggerevidenz weitere eindeutige Wortstellungsmuster gibt,<br />

auf Grund derer die Fixierung des Verb-Zweit-Parameters möglich ist und die es erlauben,<br />

adäquate Aussagen darüber zu machen, ob das Alt- und Mittelfranzösische über eine Verb-<br />

Zweit- oder eine Nicht-Verb-Zweit-Grammatik verfügt haben.<br />

Von entscheidender Bedeutung für die Beantwortung dieser Frage ist die Beobachtung,<br />

dass in Verb-Zweit-Sprachen Verb-Dritt-Sätze prinzipiell ausgeschlossen sind. Die Bildung<br />

von solchen Sätzen ist in diesen Sprachen allenfalls dann möglich, wenn die erste<br />

Konstituente disloziert und mit einer zweiten Konstituente koindiziert ist. Für diese Art der<br />

Dislokation liefern auch die beiden hier untersuchten germanischen Texte einige Belege.<br />

Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den in den beiden mittelalterlichen französischen<br />

Texten vorkommenden V>2-Sätzen – abgesehen von einer Ausnahme (cf. (6)(a)) – nicht<br />

um derartige Dislokationskonstruktionen. Diese Sätze weisen, wie gezeigt wurde, keine Besonderheiten<br />

auf, die es erlauben, sie als Ausnahmen gegenüber der universell gültigen Restriktion<br />

anzusehen, derzufolge keine zusätzlichen Konstituenten an die SpezCP-Position<br />

adjungiert werden können. Sie sind folglich nicht mit einer Verb-Zweit-Grammatik vereinbar,<br />

in der das finite Verb obligatorisch nach COMP bewegt wird, um die dort generierten<br />

Kongruenz-und Finitheitsmerkmale zu erhalten. Vielmehr muss stattdessen angenommen<br />

werden, dass diese Merkmale in der INFL-Position generiert werden und das Verb nur nach<br />

INFL angehoben wird. Auf Grund der generellen Möglichkeit der (rekursiven) IP-Adjunktion<br />

kann es daher in diesen Fällen zu der Bildung von V>2-Sätzen kommen. Gleichzeitig<br />

muss dann auch für diejenigen Sätze, in denen im Alt- und Mittelfranzösischen das finite<br />

Verb in der Zweit-Position erscheint, angenommen werden, dass sie nicht aus einer Verbnach-COMP-Bewegung<br />

resultieren. Trotz der vor allem im mittelfranzösischen Text zu beobachtenden<br />

massiven Präsenz solcher Sätze – insbesondere von AdvVS-Sätzen – müssen<br />

diese Sätze als IP-Rekursionen mit einer damit verbundenen Verb-nach-INFL-Bewegung<br />

analysiert werden. Es handelt sich hierbei nur um scheinbare Verb-Zweit-Effekte, weil


154<br />

durch die Annahme einer obligatorischen, parametrisch festgelegten Verb-nach-COMP-Anhebung<br />

die Möglichkeit der Bildung der gleichzeitig vorhandenen V>2-Sätze nicht erklärt<br />

werden könnte.<br />

Auffallend ist in allen französischen Texten vor allem die bereits mehrfach erwähnte<br />

Tatsache, dass es keinen einzigen Beleg für die Verb-Zweit-Stellung in Sätzen mit satzeinleitendem<br />

Nebensatz gibt. Hier bestätigen die Daten weitgehend die in der Literatur gemachten<br />

Beobachtungen. Demgegenüber liefern sie keine (eindeutigen) Belege für Sätze<br />

mit einer AdvSVO-Stellung, die nach Fodor (1998) eine entscheidene Rolle beim Fixieren<br />

des Verb-Zweit-Parameters spielen. Die Daten sprechen stattdessen für die Annahme, dass<br />

diese Funktion durch nebensatzeingeleitete Sätze übernommen wird. Sie fungieren dann als<br />

eindeutige Trigger für das Fixieren des Verb-Zweit-Parameters auf den Wert '-V2', wenn<br />

sie eine zweite, nicht mit dem Nebensatz koindizierte präverbale Konstituente enthalten.<br />

Im Folgenden soll nun geprüft werden, ob diese Annahme auch in der Lage ist, den Daten<br />

bezüglich der Verbstellungsentwicklung in den beiden hier untersuchten iberoromanischen<br />

Sprachen und im Rätoromanischen gerecht zu werden.<br />

5.3 Entwicklung der Verb-Zweit-Stellung im Iberoromanischen<br />

Grundlage für die Untersuchung der Verbstellungsentwicklung im Iberoromanischen bilden<br />

zwei mittelalterliche sowie zwei zeitgenössische Bibelübersetzungen des Spanischen und<br />

Portugiesischen. Wie bereits erwähnt, stand für die Untersuchung des Altportugiesischen<br />

nur eine stark gekürzte und sehr vereinfachte Bibelübersetzung (= bmp) zur Verfügung.<br />

Auf Grund der Kürze ist bei diesem Text zusätzlich das Kapitel 1 Samuel 4 mit in die Auswertung<br />

einbezogen worden. In der folgenden Tabelle sind der absolute und der prozentuale<br />

Anteil der Verbstellungsmuster aller vier Texte zusammengestellt:<br />

Text V1 V2 V>2 gesamt<br />

bmr<br />

Subj V Obj V Präp V PE V Adv V "X"V Satz V<br />

abs. 172 83 2 8 0 13 0 3 10 291<br />

(asp.) % 59.1 28.6 0.7 2.7 0.0 4.5 0.0 1.0 3.4 100.0<br />

jer<br />

abs. 73 184 1 6 0 15 0 6 28 313<br />

(nsp.) % 23.3 58.8 0.3 1.9 0.0 4.8 0.0 1.9 9.0 100.0<br />

bmp<br />

abs. 79 78 2 5 0 10 0 5 6 185<br />

(apg.) % 42.7 42.2 1.1 2.7 0.0 5.4 0.0 2.7 3.2 100.0<br />

sag<br />

abs. 12 214 0 2 1 4 1 1 79 314<br />

(npg.) % 3.8 68.2 0.0 0.6 0.3 1.3 0.3 0.3 25.2 100.0<br />

Tabelle (11): Anteil der Verbstellungsmuster aller deklarativen Matrixsätze mit realisiertem Subjekt<br />

Die Zahlen zeigen, dass beide mittelalterlichen Texte einen sehr hohen Anteil an Sätzen mit<br />

einer Verb-Erst-Stellung aufweisen. Damit verhalten sich beide Texte typisch für altromanische<br />

Texte, deren Erzählstil häufig durch exzessives Aneinanderreihen meist konjunk-


tional eingeleiteter Sätze charakterisiert ist (Stempel 1975:357). In diesen Fällen erscheint<br />

das Subjekt, wenn es überhaupt realisiert wird, fast ausnahmslos in postverbaler Position:<br />

(35) asp. (a) mató absalon a todos 1os fijos del rey<br />

tötete Abschalom PRÄP alle die Söhne von-dem Königs<br />

(bmr 451: 2 Sam 13,30)<br />

(b) E enbió dauid mensajeros<br />

und schickte David Boten<br />

(bmr 447: 2 Sam 11,4)<br />

(36) apg. (a) morreu meu marido<br />

gestorben-ist mein Mann<br />

(bmp 241: 2 Sam 14,5)<br />

(b) e veo Urias<br />

und kam Urija<br />

(bmp 298: 2 Sam 11,7)<br />

In den modernen Bibelversionen ist dieser Erzählstil nicht mehr so stark ausgeprägt. Dies<br />

schlägt sich in der wesentlich niedrigeren Zahl an Verb-Erst-Sätzen nieder:<br />

(37) nsp. (a) Entró, pues, donde el rey la mujer de Técoa<br />

trat-ein dann bei dem König die Frau von Tekoa<br />

(jer 344: 2 Sam 14,4)<br />

(b) y murió también Urías el hitita<br />

und gestorben-ist auch Urija der Hetiter<br />

(jer 340: 2 Sam 11,17)<br />

(38) npg. (a) Vão chegar os dias em que exterminarei todos os<br />

werden kommen die Tage an denen (ich)-auslöschen-werde alle die<br />

descendentes da tua família e do teu clã<br />

Nachfahren von deiner Familie und von deinem Klan<br />

(sag 280: 1 Sam 2,31)<br />

(b) e morreram alguns dos oficiais, entre eles Urias, o hitita<br />

und starben einige von-den Knechten unter ihnen Urija der Hetiter<br />

(sag 323: 2 Sam 11,24)<br />

155<br />

Was die XVS-Sätze betrifft, so sind in den beiden spanischen Texten Anzahl und prozentualer<br />

Anteil dieser Sätze genau identisch (bmr: 26 (8,9%), jer: 28 (8,9%)). In beiden Texten<br />

sind adverbial eingeleitete Sätze die häufigsten Sätze mit dieser Wortstellung. Daneben<br />

gibt es auch einige Belege für die XVS-Stellung in anderen Kontexten. Bemerkenswert ist<br />

hierbei, dass im altspanischen Text in denjenigen drei Sätzen, die durch einen Nebensatz<br />

eingeleitet sind, stets die koordinierende Konjunktion e vor dem finiten Verb eingefügt ist.<br />

Im neuspanischen Text hingegen ist dies nicht der Fall (cf. (39)(d) vs. (40)(d)):<br />

(39) asp. (a) E un manto pequeño le fasía su madre<br />

und einen Mantel kleinen ihm machte seine Mutter<br />

(bmr 385: 1 Sam 2,19)<br />

(b) ca non por fuerça vençe el varón<br />

denn nicht durch Kraft siegt der Mann<br />

(bmr 385: 1 Sam 2,9)<br />

(c) e ende eran los dos fijos de eli<br />

und dort waren die zwei Söhne von Eli<br />

(bmr 383: 1 Sam 1,3)


156<br />

(d) E aun antes que safumasen el seuo, e venía el moço del<br />

und noch bevor dass (sie)-räucherten das Fett und kam der Junge von-dem<br />

saçerdote<br />

Priesters<br />

(bmr 385: 1 Sam 2,15)<br />

(40) nsp. (a) Este niño pedía yo<br />

dieses Kind erbat ich<br />

(jer 296: 1 Sam 1,27)<br />

(b) en el mismo día morirán los dos<br />

am gleichen Tag sterben-werden die zwei<br />

(jer 297: 1 Sam 2,34)<br />

(c) Aún no conocía Samuel a Yahveh<br />

noch nicht kannte Samuel PRÄP Jahwe<br />

(jer 298: 1 Sam 3,7)<br />

(d) Incluso antes de que quemasen la grasa, venía el criado del<br />

sogar bevor PRÄP dass (sie)-brannten das Fett kam der Diener von-dem<br />

sacerdote<br />

Priester<br />

(jer 296: 1 Sam 2,15)<br />

Die beiden portugiesischen Texte weisen hinsichtlich des Auftretens von Sätzen mit einer<br />

XVS-Stellung einen deutlichen Unterschied zu den spanischen Texten auf. Hier ist im neuportugiesischen<br />

im Vergleich zum altportugiesischen Text ein starker Rückgang zu verzeichnen<br />

(bmp: 22 (11,9%), sag: 9 (2,8%)). Wie in den spanischen Texten sind AdvVS-<br />

Sätzen in beiden portugiesischen Texten am häufigsten. Daneben gibt es aber auch Sätze<br />

mit anderen präverbalen Konstituenten:<br />

(41) apg. (a) esto dizia ela<br />

dieses sagte sie<br />

(bmp 241: 2 Sam 13,13)<br />

(b) Em aquele tempo juntaromsse os Filisteus<br />

in jener Zeit vereinigten-sich die Philister<br />

(bmp 201: 1 Sam 4,1)<br />

(c) Entom enviou nostro Senhor o propheta Nathan a David<br />

dann schickte unser Herr den Propheten Natan zu David<br />

(bmp 239: 2 Sam 12,1)<br />

(d) quando o moço aynda era vivo, chorey eu<br />

als der Junge noch war lebendig weinte ich<br />

(bmp 239: 2 Sam 12,22)<br />

(42) npg. (a) e entre os mortos encontrava-se Urias, o hitita<br />

und unter den Toten befand-sich Urija der Hetiter<br />

(sag 323: 2 Sam 11,17)<br />

(b) Esse homem és tu<br />

dieser Mann bist du<br />

(sag 324: 2 Sam 12,7)<br />

(c) Também morreu Urias, o hitita, oficial de Vossa Majestade<br />

auch gestorben-ist Urija der Hetiter Diener von Eurer Majestät<br />

(sag 323: 2 Sam 11,21)<br />

(d) "Fala!" - respondeu-lhe o rei<br />

Sprich antwortete-ihr der König<br />

(sag 327: 2 Sam 14,12)


(e) Quando os soldados que defendiam a cidade saíram para lutar<br />

als die Soldaten die verteidigten die Stadt hinausgingen um-zu kämpfen<br />

contra Joab, morreram alguns dos oficiais de David<br />

gegen Joab starben einige von-den Diener von David<br />

(sag 323: 2 Sam 11,17)<br />

157<br />

Wie der Tabelle (11) zu entnehmen ist, kommen in allen vier iberoromanischen Texten<br />

auch Sätze mit einer V>2-Stellung vor. In den beiden modernen Übersetzungen – insbesondere<br />

in der portugiesischen – ist deren Anteil deutlich höher als in den mittelalterlichen<br />

Texten. Im altspanischen und im altportugiesischen Text gibt es Belege für Sätze mit einer<br />

XSV- und SXV-Struktur sowie für Sätze mit postverbalem Subjekt:<br />

(43) asp. (a) ca çiertamente yo soy mejor a ty que dies fijos<br />

denn bestimmt ich bin besser PRÄP dir als zehn Söhne<br />

(bmr 383: 1 Sam 1,8)<br />

(b) e mi señor joab e los sieruos de mi señor sobre la fas<br />

und mein Herr Joab und die Diener von meinem Herrn auf dem Boden<br />

del canpo posan<br />

des Feldes liegen<br />

(bmr 447: 2 Sam 11,11)<br />

(c) E como multiplicó a faser oraçión delante el señor, e<br />

und als (sie)-vermehrte zu machen Gebet vor dem Herrn und<br />

heli esguardaua lo que desía<br />

Eli beobachtete das was (sie)-sagte<br />

(bmr 383: 1 Sam 1,12)<br />

(d) Al torno del año, en la ora que salen los reyes, enbió<br />

zur Wende des Jahres in der Stunde (in)-der ausziehen die Könige schickte-aus<br />

dauid a joab e a sus sieruos<br />

David PRÄP Joab und PRÄP Diener<br />

(bmr 447: 2 Sam 11,1)<br />

(44) apg. (a) e Ana chorando fez voto a nostro Senhor<br />

und Hanna weinend machte Gelübde zu unserem Herrn<br />

(bmp 199: 1 Sam 1,10)<br />

(b) En aquel tempo a palavra de Deus era muy pouca<br />

in jener Zeit das Wort von Gott war sehr karg<br />

(bmp 200: 1 Sam 3,1)<br />

(c) ca per ventura, se o vir, renovar-se-á em mym a door<br />

denn vielleicht wenn ihn (ich)-sehe erneuern-sich-wird in mir der Schmerz<br />

do outro meu filho, que el matou<br />

von-dem anderen meinen Sohn den er getötet-hat<br />

(bmp 242: 2 Sam 14,24)<br />

In der neuspanischen Übersetzung erscheint in allen V>2-Sätzen das Subjekt unmittelbar<br />

vor dem finiten Verb. Im neuportugiesischen Text kommen darüber hinaus auch Sätze mit<br />

einer SXV-Stellung vor (cf. (46)(d)):<br />

(45) nsp. (a) Entonces Natán dijo a David<br />

darauf Natan sagte zu David<br />

(bmr 341: 2 Sam 12,7)<br />

(b) En efecto, Yahveh visitó a Ana<br />

in der Tat Jahwe besuchte PRÄP Hanna<br />

(bmr 297: 1 Sam 2,21)<br />

(c) Como ella prolongase su oración ante Yahveh, Elí observaba sus labios<br />

als sie ausdehnte ihr Gebet vor Jahwe Eli beobachtete ihre Lippen<br />

(bmr 295: 1 Sam 1,12)


158<br />

(46) npg. (a) Então Samuel contou-lhe tudo sem esconder nada<br />

daraufhin Samuel erzählte-ihm alles ohne (zu)-verbergen nichts<br />

(sag 281: 1 Sam 3,18)<br />

(b) Na verdade, o Senhor achou que eles deviam morrer<br />

in Wirklichkeit der Herr fand dass sie sollten sterben<br />

(sag 280: 1 Sam 2,25)<br />

(c) Se um homem ofende outro homem, Deus pode defendê-lo<br />

wenn ein Mensch beleidigt anderen Menschen Gott kann verteidigen-ihn<br />

(sag 280: 1 Sam 2,25)<br />

(d) E ele assim o fez<br />

und er so es machte<br />

(sag 281: 1 Sam 3,5)<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ähnlich wie in den französischen Daten auch<br />

in den Daten der beiden hier betrachteten iberoromanischen Sprachen sowohl das Auftreten<br />

von XVS-Sätzen als auch von Sätzen mit einer V>2-Stellung beobachtet werden kann. In<br />

allen vier untersuchten iberoromanischen Texten ist bei den Sätzen mit einer XVS-Stellung<br />

der Anteil von adverbial eingeleiteten Sätzen am höchsten. Darunter gibt es keinen einzigen<br />

Beleg für die von Fodor (1998) als eindeutige Triggerevidenz für eine Verb-Zweit-Grammatik<br />

angesehenen Sätze mit einer AdvAuxSVO-Stellung. In den beiden modernen iberoromanischen<br />

Texten finden sich demgegenüber zahlreiche Belege für Sätze mit einer die<br />

AdvSVO-Stellung:<br />

(47) nsp. (a) así Yahveh cumpla su palabra<br />

so Jahwe erfüllt sein Wort<br />

(jer 296: 1 Sam 1,23)<br />

(b) Entonces Ana dijo esta oración<br />

daraufhin Hanna sprach dieses Gebet<br />

(jer 296: 1 Sam 2,1)<br />

(48) npg. (a) entretanto, o Senhor deu uma doença grave ao filho<br />

in der Zwischenzeit der Herr gab eine Krankheit schwere dem Sohn<br />

(sag 324: 2 Sam 12,15)<br />

(b) Então David reuniu todas as suas tropas<br />

daraufhin David vereinigte alle die seinen Truppen<br />

(sag 325: 2 Sam 12,29)<br />

Es steht damit außer Frage, dass beide modernen iberoromanischen Sprachen als Sprachen<br />

mit einer Nicht-Verb-Zweit-Grammatik beschrieben werden müssen. Beide hier untersuchten<br />

Texte liefern Belege für Sätze, die mit einer Verb-Zweit-Grammatik unvereinbar<br />

sind und die als eindeutige Trigger für das Fixieren des Verb-Zweit-Parameters auf den<br />

Wert '-V2' fungieren können.<br />

Was hingegen das Altspanische und Altportugiesische betrifft, so ist die Datenlage in<br />

den vorliegenden Texten weniger eindeutig. Lediglich im altspanischen Text findet sich ein<br />

einziger adverbial eingeleiteter Satz, der gleichzeitig ein Objekt enthält. Ebenso wie im mittelfranzösischen<br />

Beispiel (34) kann der Satz jedoch nicht als eindeutiger Beleg für die<br />

AdvVSO-Stellung gelten, da das Objekt klitisch ist und daher vor dem finiten Verb erscheint:<br />

(49) asp. ca çiertamente yo lo mando<br />

denn bestimmt ich ihn schicke<br />

(bmr 451: 2 Sam 13,28)


159<br />

Damit gibt es in den beiden mittelalterlichen iberoromanischen Texten keine klaren Belege<br />

für diejenigen Wortstellungsmuster, die von Fodor als Triggerevidenz für das Fixieren des<br />

Verb-Zweit-Parameters angesehen werden. Dies führt – ebenso wie bei der Analyse der<br />

französischen Daten – zu der Feststellung, dass für eine adäquate Interpretation dieser Ergebnisse<br />

die Tatsache relevant ist, dass in den untersuchten Texten Sätze mit einer V>2-<br />

Stellung vorhanden sind und dass sich diese Sätze strukturell von den in den germanischen<br />

Verb-Zweit-Sprachen zu beobachtenden Verb-Dritt-Sätzen unterscheiden. In keinem der in<br />

den iberoromanischen Texten gefundenen V>2-Sätze ist die satzinitiale Konstituente disloziert,<br />

so dass deren Voranstellung nicht durch eine CP-Rekursion erfasst werden kann. Mit<br />

anderen Worten, die angetroffenen V>2-Sätze sind nicht mit einer Verb-Zweit-Grammatik<br />

vereinbar, in der das Verb obligatorisch nach COMP angehoben wird. Stattdessen muss –<br />

ähnlich wie im Fall des Alt- und Mittelfranzösischen – davon ausgegangen werden, dass<br />

das finite Verb regelmäßig nur nach INFL bewegt wird und dass in dieser Position die<br />

Kongruenz- und Finitheitsmerkmale generiert sind. Die Voranstellung von Konstituenten,<br />

die nicht die Subjektfunktion einnehmen, erfolgt dann durch Adjunktion an die SpezIP-<br />

Position.<br />

Die bei der Diskussion der französischen Daten geäußerte Vermutung, wonach Sätze,<br />

die durch einen Nebensatz eingeleitet sind, eine besondere Rolle bei der Bestimmung der<br />

Verb-Zweit-Stellungseigenschaft spielen, kann durch die Daten der iberoromanischen<br />

Texte zumindest teilweise bestätigt werden. Auffallend ist zunächst, dass – im Unterschied<br />

zu den untersuchten Texten des Französischen – alle vier iberoromanischen Texte Belege<br />

für die Verb-Zweit-Stellung in diesem Kontext liefern (cf. die (d)-Beispiele in (39)-(41)<br />

sowie Beispiel (42)(e)). Allerdings konnte bei der Auswertung der Wortstellungsuntersuchungen<br />

zum Französischen festgestellt werden, dass auch im Alt- und Neufranzösischen<br />

nebensatzeingeleitete Sätze in seltenen Fällen die Verb-Zweit-Stellung aufweisen (cf.<br />

(17)(b) und (18) in Kapitel 3). Die meisten Untersuchungen stimmen darin überein, dass<br />

dies nur dann möglich ist, wenn das finite Verb des Matrixsatzes entweder intransitiv oder<br />

ein Bewegungsverb ist. Diese Beobachtung lässt sich auch für die meisten der hier untersuchten<br />

iberoromanischen Texte machen. Wie die oben aufgeführten iberoromanischen<br />

Daten illustrieren, ist in fast allen Sätzen mit einer 'Satz-V'-Stellung das finite Matrixverb<br />

ein intransitives Verb oder ein Bewegungsverb. Lediglich der altportugiesische Text fällt<br />

hier aus dem Rahmen. Dort enthalten vier der fünf Verb-Zweit-Sätze mit einer 'Satz-V'-<br />

Struktur ein transitives Verb im Matrixsatz:<br />

(50) apg. (a) e depois que o moço foi criado levou- o Ana a Sylo<br />

und nachdem dass der Junge war aufgezogen brachte ihn Hanna nach Schilo<br />

(bmp 199: 1 Sam 1,24)<br />

(b) Quando veo a manhãa, esconjurou Hely Samuel<br />

als kam der Morgen beschwor Eli Samuel<br />

(bmp 201: 1 Sam 3,17)<br />

(c) e quando ela entrou, e lhe tragia de comer, lançou Amon fora<br />

und als sie eintrat und ihm brachte zu essen warf Amnon aus<br />

da casa todos os que hy estavão<br />

von-dem Haus alle die die dort waren<br />

(bmp 240f.: 2 Sam 13,8-9)


160<br />

(d) E quando a lançarom fóra os sergentes de Amon deitou ela cijnza<br />

und als sie warfen hinaus die Diener von Amnon warf sie Asche<br />

sobre sua cabeça<br />

über ihren Kopf<br />

(bmp 241: 2 Sam 13,19)<br />

Bemerkenswert ist, dass sich der altportugiesische Text noch hinsichtlich einer weiteren<br />

Besonderheit von den übrigen iberoromanischen Texten unterscheidet. Mit Ausnahme des<br />

altportugiesischen Textes weisen nämlich alle iberoromanischen Bibelübersetzungen V>2-<br />

Sätze auf, die durch einen Nebensatz eingeleitet sind, ohne dass dieser durch ein Adverbial<br />

wieder aufgenommen wird (cf. die (c)-Beispiele in (43) und in (45)-(46)). Auch hier zeigt<br />

sich wieder eine Parallelität zu den französischen Bibelübersetzungen. Die Tatsache, dass<br />

es im altportugiesischen Text keinen Beleg für dieses Wortstellungsmuster gibt, hängt<br />

möglicherweise mit dem sehr einfachen Erzählstil dieses Textes zusammen. Wichtig ist die<br />

Beobachtung, dass es sich hierbei nicht um eine typische Besonderheit des Altportugiesischen<br />

handelt. Dies bestätigt ein Blick auf andere altportugiesische Texte. So finden sich<br />

beispielsweise in der Heiligenlegende A Vida da Eufrosina aus dem 14. Jhdt. zahlreiche Belege<br />

für die präverbale Stellung des Subjekts nach satzeinleitendem Nebensatz:<br />

(51) apg. (a) Quando Paunuçio dizia estas cousas e outras taaes, todos aquelles<br />

als Paunuçio sagte diese Sachen und andere solche alle diejenigen<br />

que hy estavõ fazyam planto<br />

die dort waren machten Wehklagen<br />

(euf 362)<br />

(b) Sse me ffor perao moesteyro de molheres, meu padre<br />

wenn mich begeben-würde zu-einem Kloster von Frauen mein Vater<br />

catar me ha<br />

suchen mich wird<br />

(euf 360)<br />

Die Existenz solcher Sätze belegt, dass sich das Altportugiesische nicht grundsätzlich anders<br />

verhält, was die Satzstellung in nebensatzeingeleiteten Sätzen betrifft. Insgesamt bestätigen<br />

vielmehr die Daten der hier untersuchten iberoromanischen Bibelübersetzungen die<br />

vielfach gemachte Beobachtung, wonach weder das Spanische noch das Portugiesische jemals<br />

'perfekte' Verb-Zweit-Sprachen gewesen sind (Fontana 1997, Ribeiro 1995). Beide<br />

Sprachen weisen – sowohl in ihren frühen als auch in ihren modernen Varietäten – zwar<br />

einige der für Verb-Zweit-Sprachen typischen Wortstellungsmuster auf, erlauben aber<br />

gleichzeitig die Bildung von Sätzen, die in diesen Sprachen grundsätzlich ausgeschlossen<br />

sind. Mit anderen Worten, beide Sprachen müssen daher als Sprachen analysiert werden, in<br />

denen der Verb-Zweit-Parameter auf den Wert '-V2' festgelegt ist. Ebenso wie für das<br />

Französische kann angenommen werden, dass für die Festlegung auf diesen Wert<br />

nebensatzeingeleitete Sätze ausschlaggebend sind. Die Bildung solcher Sätze ist zwar in<br />

diesen Sprachen – anders als in den hier untersuchten Daten des Französischen zu<br />

beobachten ist – unter bestimmten Bedingungen auch mit einer Verb-Zweit-Stellung<br />

möglich. Gleichzeitig kann in diesen Sätzen aber auch das finite Verb in der Dritt-Position<br />

auftreten, und zwar ohne dass die zweite Position notwendigerweise durch ein mit dem<br />

Nebensatz koindiziertes Adverbial besetzt ist. Folglich kann diese Art von V>2-Sätzen als<br />

eindeutige Triggerevidenz für die Festlegung des Verb-Zweit-Parameters auf den Wert<br />

'-V2' fungieren.


5.4 Entwicklung der Verb-Zweit-Stellung im Rätoromanischen<br />

161<br />

Die hier vorgenommene Untersuchung des Rätoromanischen basiert auf Daten der in Graubünden<br />

gesprochenen Variante des Surselvischen. Als Grundlage für die Untersuchung des<br />

älteren Surselvischen dient die älteste surselvische Übersetzung des Alten Testaments, der<br />

so genannten 'Biblia da Cuera', die 1718 in Chur angefertigt wurde. Für die Analyse des<br />

modernen Surselvischen wurde die bislang einzige zusammenhängende neusurselvische<br />

Übersetzung des Alten Testamentes aus dem Jahre 1967 verwendet. Wie bereits erwähnt,<br />

ist diese Übersetzung allerdings nicht vollständig. Von den hier untersuchten Kapiteln der<br />

beiden Samuelbücher sind die Kapitel 2 Samuel 13 und 2 Samuel 14 nicht übersetzt. Aus<br />

diesem Grund wurde – ebenso wie bei der Analyse des Altportugiesischen – stattdessen das<br />

Kapitel 1 Samuel 4 in die Analyse des modernen Surselvischen mit einbezogen. In der<br />

folgenden Tabelle sind die Ergebnisse der Auswertung aller deklarativen Matrixsätze mit<br />

realisiertem Subjekt erfasst:<br />

Text V1 V2 V>2 gesamt<br />

cue<br />

Subj V Obj V Präp V PE V Adv V "X"V Satz V<br />

abs. 0 317 4 12 0 73 0 10 18 434<br />

(asur.) % 0.0 73.0 0.9 2.8 0.0 16.8 0.0 2.3 4.2 100.0<br />

veg<br />

abs. 0 196 10 16 10 75 0 28 9 344<br />

(nsur.) % 0.0 57.0 2.9 4.7 2.9 21.8 0.0 8.1 2.6 100.0<br />

Tabelle (12): Anteil der Verbstellungsmuster aller deklarativen Matrixsätze mit realisiertem Subjekt<br />

Die Ergebnisse dieser Auswertung belegen einerseits die deutlichen Unterschiede, die hinsichtlich<br />

der Stellung des finiten Verbs zwischen dem Bündnerromanischen und den übrigen<br />

romanischen Sprachen bestehen, und andererseits die Gemeinsamkeiten zwischen dem<br />

Bündnerromanischen und den germanischen Verb-Zweit-Sprachen. Zunächst ist zu beobachten,<br />

dass es ebenso wie in der deutschen Bibelübersetzung in beiden bündnerromanischen<br />

Texten keinen einzigen Beleg für eine Verb-Erst-Stellung gibt. Des Weiteren fällt der<br />

relativ hohe Anteil an Sätzen mit einer XVS-Wortstellung auf. Im älteren cue-Text beträgt<br />

er mit insgesamt 99 Belegen 22,8%, im veg-Text mit insgesamt 139 Belegen 40,4%. Darunter<br />

finden sich Belege für fast alle typischen Kontexte der Verb-Zweit-Stellung:<br />

(52) asur. (a) Vin a ferma buvronda hai jou bucca buvieu<br />

Wein und starkes Getränk habe ich nicht getrunken<br />

(cue 233: 1 Sam 1,15)<br />

(b) Mo ad Hanna dev' el dubla part<br />

aber an Hanna gab er doppelten Anteil<br />

(cue 232: 1 Sam 1,5)<br />

(c) Cuntut vangit Joab tiers ilg Reg<br />

daher ging Joab zu dem König<br />

(cue 272: 2 Sam 14,33)<br />

(d) Mo cur Elkana unfria ün gi, dev' el á sia dunna Penina, ad<br />

aber als Elkana opferte eines Tages gab er an seine Frau Peninna und<br />

als filgs a filgias da quellas parts<br />

an-die Söhne und Töchter von diesen Teilen<br />

(cue 232: 1 Sam 1,4)


162<br />

(53) nsur. (a) Vin ni bubrondas fermas hai jeu buca buiu<br />

Wein noch Getränke starke habe ich nicht getrunken<br />

(veg 273: 1 Sam 1,15)<br />

(b) mo a Hanna deva el duas parts<br />

aber an Hanna gab er zwei Teile<br />

(veg 272: 1 Sam 1,5)<br />

(c) Svanida ei la gliergia d' Israel<br />

verschwunden ist die Ehre von Israel<br />

(veg 281: 1 Sam 4,22)<br />

(d) Ussa ha Eli entgiert ch' il Segner clumava il mat<br />

jetzt hat Eli begriffen dass der Herr rief den Jungen<br />

(veg 278: 1 Sam 3,8)<br />

(e) Mo cu Elcana ei puspei ius tier sia dunna Hanna, ei il Segner<br />

aber als Elkana ist wieder gegangen zu seiner Frau Hanna ist der Herr<br />

seregurdaus dad ella<br />

sich-errinnert an sie<br />

(veg 273: 1 Sam 1,19)<br />

Hinsichtlich der Sätze mit einer V>2-Stellung kann für den altsurselvischen Text die gleiche<br />

Beobachtung wie bei der Analyse der beiden germanischen Texte gemacht werden.<br />

Alle Sätze dieser Art sind durch einen Nebensatz eingeleitet, der durch ein unmittelbar<br />

anschließendes koindiziertes Adverb wieder aufgenommen wird:<br />

(54) asur. (a) Cur anzachi fa puccau ancunter ün carstiaun, scha sa ilg<br />

wenn jemand macht Sünde gegen einen Menschen dann kann der<br />

Derschader lugar<br />

Richter richten<br />

(cue 234: 1 Sam 2,25)<br />

(b) Sco tieu survient ha gig, aschi eis ei daventau<br />

wie dein Diener hat gesagt so ist es geschehen<br />

(cue 271: 2 Sam 13,35)<br />

Auch im neusurselvischen Text weist die Mehrzahl der V>2-Sätze die gleiche Satzstruktur<br />

auf:<br />

(55) nsur. (a) Sche ti fas stem dalla misergia da tia fintschala e seregordas<br />

wenn du gibst Acht auf-die Not von deiner Magd und dich-erinnerst<br />

da mei, sche ti emblidas buca tia fintschala e regalas ad ella<br />

an mich wenn du vergisst nicht deine Magd und schenkst PRÄP ihr<br />

in fegl, sche vi jeu dedicar quel al Segner per tut sia veta<br />

einen Sohn dann will ich widmen ihn dem Herrn für ganzes sein Leben<br />

(veg 273: 1 Sam 1,11)<br />

(b) e sche quei fuss aunc memia pauc, sche vuless jeu aschunscher aunc<br />

und wenn das wäre noch zu wenig dann würde ich hinzufügen noch<br />

quei ni tschei<br />

das-eine oder das-andere<br />

(veg 355: 2 Sam 12,8)<br />

Allerdings enthält der neusurselvische Text drei V>2-Sätze, die von diesem Satzstellungsmuster<br />

abweichen:<br />

(56) nsur. (a) il basignus el leventa ord lozza<br />

den Bedürftigen er hebt aus-dem Schlamm<br />

(veg 275: 1 Sam 2,8)


(b) Da sesez il carstgaun vegn tier nuot<br />

von sich der Mensch kommt zu nichts<br />

(veg 275: 1 Sam 2,9)<br />

(c) gl' Altissim en tschiel els smardeglia<br />

der Höchste im Himmel sie zerschmettert<br />

(veg 275: 1 Sam 2,10)<br />

163<br />

Bei diesen drei Belegen handelt es sich ganz offensichtlich um Verletzungen der Verb-<br />

Zweit-Stellungsregel. 11 Dennoch bilden diese Beispiele keine Belege gegen das Vorhandensein<br />

der strengen Verb-Zweit-Eigenschaft im Surselvischen. Das Bemerkenswerte an<br />

diesen Sätzen ist nämlich, dass sie im so genannten 'Danklied der Hanna' (1 Samuel 2,1-11)<br />

auftreten. Diese Bibelstelle ist dadurch gekennzeichnet, dass sie in Versform geschrieben<br />

ist. Es kann kein Zweifel darin bestehen, dass die Abweichungen von der üblichen Wortstellung<br />

in diesen Fällen durch die Versform des Textes bedingt sind. Ebenso wie bei den<br />

oben aufgeführten Beispielen aus dem Deutschen (cf. Fußnote 2, Seite 131) handelt sich<br />

hierbei folglich um keine Belege, die gegen die generelle Gültigkeit der Verb-Zweit-Stellungsregel<br />

im Surselvischen sprechen.<br />

Die Ergebnisse veranschaulichen somit deutlich den fundamentalen Unterschied, der<br />

zwischen dem Rätoromanischen und den anderen romanischen Sprachen besteht. Er manifestiert<br />

sich nicht nur im wesentlich höheren Anteil an XVS-Sätzen, sondern insbesondere<br />

darin, dass sich die wenigen Verb-Dritt-Sätze strukturell deutlich von denen der anderen romanischen<br />

Sprachen unterscheiden. Die einzigen regelmäßigen Abweichungen von der<br />

Verb-Zweit-Stellung beschränken sich auf die in den Beispielen (54) und (55) illustrierten<br />

Fälle. Ein weiterer deutlicher Unterschied zu den anderen romanischen Sprachen besteht<br />

darin, dass beide rätoromanische Texte zahlreiche Belege für eine AdvAuxSVO-Stellung<br />

aufweisen, wodurch der Analyse von Fodor (1998) zufolge die Verb-Zweit-Eigenschaft in<br />

einer SVO-Sprache festgelegt werden kann:<br />

(57) asur. (a) lur ilg vi jou manar cun mei<br />

dann ihn werde ich führen mit mir<br />

(cue 233: 1 Sam 1,22)<br />

(b) Ouncalura vi jou bucca cassar tuts ils humens da mieu Altar<br />

überdies werde ich nicht jagen alle die Männer von meinem Altar<br />

(cue 234: 1 Sam 2,33)<br />

(58) nsur. (a) Sinquei ei la dunna ida sia via<br />

daraufhin ist die Frau gegangen ihren Weg<br />

(veg 273: 1 Sam 1,18)<br />

(b) Sche ha era il Segner perdunau a ti tiu puccau<br />

so hat auch der Herr vergeben PRÄP dir deine Sünde<br />

(veg 356: 2 Sam 12,13)<br />

Die hier untersuchten Daten des Rätoromanischen belegen somit klar, dass sowohl das<br />

ältere als auch das moderne Bündnerromanische – ebenso wie das Deutsche, jedoch im<br />

11 Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass das Objektspronomen in Satz (56)(c)<br />

nicht klitisch ist und daher als eigene Konstituente gezählt werden muss. Im Gegensatz zu fast allen<br />

anderen Varietäten des Bündnerromanischen hat das Surselvische das Paradigma der klitischen<br />

Objektspronominaformen vollkommen aufgegeben und durch nicht klitische Formen ersetzt, die<br />

die gleiche Position wie volle Objekt-NPs einnehmen (Widmer 1959). Das ältere Surselvische verfügt<br />

noch über die klitischen Formen der Objektspronomina, wie zum Beispiel Satz (57)(a)) belegt.


164<br />

Gegensatz zu allen anderen hier betrachteten früh- und neuromanischen Sprachen – durch<br />

eine strenge Verb-Zweit-Stellungseigenschaft charakterisiert sind. Die Daten zeigen auch,<br />

dass das Bündnerromanische keinen diachronischen Wandel hinsichtlich dieser Eigenschaft<br />

erfahren hat. Es war und ist parametrisch dadurch gekennzeichnet, dass das finite Verb in<br />

allen deklarativen Matrixsätzen obligatorisch nach COMP bewegt werden muss, weil dort<br />

die Kongruenz- und Finitheitsmerkmale generiert sind. Daraus folgt, dass Verb-Dritt-Sätze<br />

nur in solchen Fällen gebildet werden können, in denen die satzinitiale Konstituente disloziert<br />

und mit der nachfolgenden Konstituente koindiziert ist. Diese strukturelle Beschränkung<br />

ist in allen anderen romanischen Sprachen nicht vorhanden. Einzig einige Dialekte<br />

des Dolomitenladinischen scheinen sich hier ebenso wie das Bündnerromanische zu verhalten.<br />

Allerdings bedarf deren Verhalten in dieser Hinsicht noch einer eingehenderen Untersuchung.


6. Schlussbetrachtung<br />

In der hier vorgelegten Untersuchung wurde von der Annahme ausgegangen, dass die für<br />

die germanischen Sprachen mit Ausnahme des Englischen charakteristische strenge Verb-<br />

Zweit-Stellung in deklarativen Matrixsätzen eine parametrisch festgelegte Eigenschaft ist.<br />

Im Rahmen der generativen Prinzipien- und Parametertheorie wird diese Eigenschaft dadurch<br />

beschrieben, dass die Flexions- und Finitheitsmerkmale in der COMP-Position basisgeneriert<br />

werden. Demzufolge unterscheiden sich Sprachen, die diese Eigenschaft besitzen,<br />

von Nicht-Verb-Zweit-Sprachen dadurch, dass das finite Verb im deklarativen Matrixsatz<br />

stets in die COMP-Position bewegt werden muss. Für den kindlichen Erstspracherwerb bedeutet<br />

diese Annahme, dass Kinder auf der Grundlage der sprachlichen Erfahrung während<br />

des Spracherwerbs lediglich den entsprechenden Wert des Verb-Zweit-Parameters festlegen<br />

müssen, ohne die damit verbundenen Eigenschaften im Einzelnen erlernen zu müssen.<br />

Diese Annahme erlaubt es, den schnellen und weitgehend fehlerfreien Erwerb der Verb-<br />

Zweit-Stellungseigenschaft im Verlauf des kindlichen Erstspracherwerbs und die deutlichen<br />

Unterschiede zum Erwerb dieser Eigenschaft im Zweitspracherwerb zu erklären.<br />

Im Mittelpunkt der hier durchgeführten empirischen Untersuchung der Verbstellung und<br />

des Verbstellungswandels in den romanischen Sprachen stand die Frage, ob die in diesen<br />

Sprachen zu beobachtenden Verb-Zweit-Stellungseffekte in ähnlicher Weise wie die Verb-<br />

Zweit-Stellung der germanischen Verb-Zweit-Sprachen analysiert werden können. Die Antwort<br />

hierfür fällt eindeutig negativ aus: Mit Ausnahme des Bündnerromanischen und einiger<br />

regionaler Varietäten des Dolomitenladinischen ist diese Analyse weder für die frühromanischen<br />

noch für die modernen romanischen Sprachen gerechtfertigt.<br />

In den modernen romanischen Sprachen ist die Zweit-Stellung des finiten Verbs vor allem<br />

in Interrogativsätzen zu beobachten. Ausgehend von der Annahme, dass Verb-Zweit-<br />

Stellungseffekte in Interrogativsätzen darauf zurückzuführen sind, dass das finite Verb auf<br />

Grund universaler Prinzipien stets nach COMP angehoben wird, konnte gezeigt werden,<br />

dass es sich hierbei nicht um ein 'Relikt' einer vermuteten strengen Verb-Zweit-Stellungseigenschaft<br />

der frühromanischen Sprachen handeln kann. Zwar existiert mit der gleichen<br />

Landeposition des finiten Verbs eine Gemeinsamkeit zwischen Matrixsätzen in Verb-<br />

Zweit-Sprachen und den Verb-Zweit-Interrogativsätzen in (romanischen) Nicht-Verb-<br />

Zweit-Sprachen, der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, dass der Auslöser der<br />

Verb-nach-COMP-Bewegung unterschiedlicher Natur ist. Demzufolge besteht kein Grund<br />

dafür anzunehmen, dass ein diachronischer Zusammenhang zwischen Verb-Zweit-Effekten<br />

in den Interrogativsätzen moderner romanischer Sprachen und den in den Matrixsätzen der<br />

frühromanischen Sprachen zu beobachtenden Verb-Zweit-Effekten besteht.<br />

Gefragt werden muss darüber hinaus, inwiefern es überhaupt empirisch gerechtfertigt<br />

ist, eine overte Verb-nach-COMP-Bewegung für die Interrogativsätze in den modernen romanischen<br />

Sprachen anzunehmen. Für viele Varietäten dieser Sprachen konnte gezeigt werden,<br />

dass in zahlreichen Interrogativsätzen die Subjekt-Verb-Inversion fakultativ ist oder<br />

mehrere Konstituenten vor dem finiten Verb auftreten können. Ähnliche Beobachtungen<br />

konnten auch bezüglich der in den Deklarativsätzen vieler moderner romanischer Sprachen<br />

zu beobachtenden Subjekt-Verb-Inversion gemacht werden. In den meisten Kontexten ist<br />

diese Inversion weder obligatorisch noch dadurch beschränkt, dass dem finiten Verb nur


166<br />

eine Konstituente vorangestellt werden kann. Die Stellung des finiten Verbs kann in diesen<br />

Sätzen folglich nicht aus einer Verb-nach-COMP-Bewegung resultieren, da auf Grund der<br />

universal gültigen Beschränkung der CP-Rekursion die Adjunktion einer Konstituente an<br />

die SpezCP-Position generell ausgeschlossen ist. Die in den modernen romanischen Sprachen<br />

zu beobachtenden Verb-Zweit-Effekte sind somit grundsätzlich anders zu beschreiben<br />

als die streng festgelegte Verb-Stellung der Verb-Zweit-Sprachen, da sowohl Auslöser als<br />

auch Landeplatz der Verb-Bewegung unterschiedlicher Natur sind. Die einzige Ausnahme<br />

bilden das Bündnerromanische und einige dolomitenladinische Dialekte, deren deklarative<br />

Matrixsätze durch eine strenge Verb-Zweit-Stellung gekennzeichnet sind.<br />

An diese Feststellungen knüpft die Frage an, inwiefern es gerechtfertigt ist, für die frühromanischen<br />

Sprachen die Existenz einer strengen Verb-Zweit-Stellungseigenschaft anzunehmen.<br />

Diese – in den meisten Analysen der Verbstellungsentwicklung im Französischen<br />

und in anderen romanischen Sprachen vertretene – Annahme basiert auf der Beobachtung,<br />

dass in den Texten frühromanischer Sprachen Verb-Zweit-Effekte, d.h. Sätze mit einer<br />

XVS-Stellung, (wesentlich) häufiger auftreten als in modernen Texten. Diese Beobachtung<br />

findet nur teilweise eine empirische Bestätigung in der hier durchgeführten vergleichenden<br />

Untersuchung von Übersetzungen des alttestamentlichen Buches Samuel, deren prozentuale<br />

Auswertungsergebnisse in der folgenden Tabelle nochmals zusammengestellt sind:<br />

Sprache Text V1 V2 V>2<br />

SV(X) XVS<br />

afr. qlr 11.6 64.9 12.6 10.9<br />

mfr. reg 1.9 62.6 26.8 8.7<br />

nfr. hon 1.9 70.0 3.4 24.7<br />

mar 0.0 80.0 0.8 19.2<br />

caq 0.2 83.8 1.5 14.5<br />

asp. bmr 59.1 28.6 8.9 3.4<br />

nsp. jer 23.3 58.8 8.9 9.0<br />

apg. bmp 42.7 42.2 11.9 3.2<br />

npg. sag 3.8 68.2 2.8 25.2<br />

asur. cue 0.0 73.0 22.8 4.2<br />

nsur. veg 0.0 57.0 40.4 2.6<br />

dt. ein 0.0 68.4 31.0 0.6<br />

is. hei 4.1 62.1 31.3 2.5<br />

Tabelle (13): Prozentualer Anteil der Verbstellungsmuster aller deklarativen Matrixsätze mit realisiertem<br />

Subjekt<br />

Für das Französische und Portugiesische belegen die Daten einen deutlichen Rückgang des<br />

Anteils an XVS-Sätzen, wobei allerdings im Mittelfranzösischen zunächst eine starke Zunahme<br />

dieser Sätze zu konstatieren ist. Im Spanischen bleibt der Anteil an XVS-Sätzen<br />

hingegen gleich, während im Bündnerromanischen ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen<br />

ist. Basierend auf der Annahme, dass der quantitative Anteil an XVS-Sätzen Aufschluss<br />

über die Verb-Zweit-Stellungseigenschaft einer Sprache gibt, müssten diese Ergebnisse<br />

dahingehend interpretiert werden, dass lediglich das Französische und Portugiesische die<br />

Verb-Zweit-Stellungseigenschaft verloren haben. Für das Spanische müsste angenommen<br />

werden, dass es keine Änderungen hinsichtlich der Verbstellung erfahren und somit schon


167<br />

in frühromanischer Zeit nicht (mehr) über die Verb-Zweit-Stellungseigenschaft verfügt hat.<br />

Die Daten des Bündnerromanischen hingegen scheinen auf eine Festigung dieser Eigenschaft<br />

hinzudeuten.<br />

In der vorliegenden Arbeit wurde versucht zu zeigen, dass diese Schlussfolgerungen<br />

nicht gerechtfertigt sind, da die (relative) Häufigkeit von Sätzen mit einer XVS-Struktur<br />

keinen Rückschluss auf die Existenz einer strengen Verb-Zweit-Stellungseigenschaft erlaubt.<br />

Entscheidend für eine adäquate Analyse ist vielmehr, ob eine Sprache Wortstellungsmuster<br />

aufweist, die mit einer Verb-Zweit-Grammatik vereinbar sind oder nicht. Aufschluss<br />

darüber liefert der Vergleich der romanischsprachigen Texte mit einer deutschen<br />

und isländischen Bibelübersetzung. Wie aus der Tabelle (13) hervorgeht, ist der Anteil an<br />

XVS-Sätzen in beiden germanischen Texten höher als in den frühromanischen Texten.<br />

Gleichzeitig sind Sätze mit einer Verb-Dritt-Stellung wesentlich seltener. Von entscheidender<br />

Bedeutung ist die Beobachtung, dass es sich hierbei ausschließlich um Sätze handelt, in<br />

denen ein einleitender Nebensatz disloziert ist und durch ein Adverbial wieder aufgenommen<br />

wird. Abgesehen von drei durch Versmaß bedingte Abweichungen trifft dies auch für<br />

die Verb-Dritt-Sätze zu, die in den bündnerromanischen Daten vorkommen. Gemäß der<br />

Analysen von Verb-Zweit-Sprachen stellt diese Art von Sätzen eine der wenigen Ausnahmen<br />

dar, in denen eine CP-Rekursion erfolgen kann. Die Verb-Dritt- (oder Verb-Viert)-<br />

Sätze der übrigen frühromanischen Sprachen lassen sich hingegen nicht als derartige Ausnahmen<br />

erfassen. V>2-Sätze treten in sehr unterschiedlichen Kontexten und meist in Verbindung<br />

mit einem präverbalen Subjekt auf. Solche Sätze sind nicht vereinbar mit einer<br />

Verb-Zweit-Grammatik. In diesen Fällen kann das finite Verb nicht in die COMP-Position<br />

bewegt werden, da das Hinzufügen einer zusätzlichen vor der in der SpezCP-Position auftretenden<br />

Konstituente eine Verletzung der CP-Rekursionsrestriktion zur Folge hätte. Mit<br />

Ausnahme des (Alt-)Bündnerromanischen sind demzufolge alle frühromanischen Sprachen<br />

– ebenso wie deren moderne Varietäten – trotz der teilweise sehr häufig ausgenutzten Möglichkeit<br />

der Bildung von Sätzen mit einer XVS-Stellung als Nicht-Verb-Zweit-Sprachen anzusehen.<br />

Die entscheidende Konsequenz dieser Analyse besteht darin, dass für die untersuchten<br />

romanischen Sprachen kein Parameterwechsel zur Erklärung des Verbstellungswandels<br />

postuliert werden muss. Vor dem Hintergrund der generellen Problematik der Annahme<br />

eines Parameterwechsels gewinnt die hier vorgeschlagene Analyse damit zusätzlich an<br />

Plausibilität. Es konnte deutlich gemacht werden, dass ein solcher Wandel nur unter ganz<br />

spezifischen Bedingungen stattfinden kann. Auf Grund der Annahme, dass ausschließlich<br />

die Existenz eindeutiger Trigger für die Fixierung eines Parameterwertes relevant ist, kann<br />

eine quantitative Reduzierung dieser Triggerevidenz in der Erwachsenensprache keinerlei<br />

Auswirkungen für die Festlegung des entsprechenden Parameterwertes haben. Solange eindeutige<br />

Triggerevidenz vorhanden ist, spielt deren Häufigkeit allenfalls insofern eine Rolle,<br />

als dadurch die Fixierung des Parameters beschleunigt bzw. verzögert werden könnte. Auch<br />

die Annahme struktureller Änderungen in der Erwachsenensprache selbst, die dazu führen,<br />

dass den Kindern neue eindeutige Triggerevidenz für die Fixierung auf einen anderen Parameterwert<br />

geliefert wird, stellt keine adäquate Erklärung für einen Parameterwechsel dar.<br />

Sie ist weder plausibel noch ist sie mit der Annahme vereinbar, dass einmal fixierte Parameter<br />

nicht mehr auf einen anderen Wert umgesetzt werden können. Die bislang lediglich<br />

für den Wortstellungswandel im Englischen vorgeschlagene Analyse, derzufolge durch den<br />

Kontakt – parametrisch unterschiedlich fixierter – Dialekte ein Parameterwechsel ausgelöst


168<br />

worden ist, scheint demgegenüber ein theoretisch adäquater Erklärungsansatz für einen<br />

Parameterwechsel zu sein. Dieser Ansatz erweist sich aber in empirischer Hinsicht als nicht<br />

geeignet, den Wandel der Verbstellung in den romanischen Sprachen als das Resultat eines<br />

Parameterwechsel zu erklären. Somit findet die hier vorgeschlagene Analyse der frühromanischen<br />

Sprachen als Nicht-Verb-Zweit-Sprachen eine zusätzliche empirische und theoretische<br />

Unterstützung.<br />

Auffallend ist, dass es in allen französischen Texten keinen einzigen Beleg für die Verb-<br />

Zweit-Stellung in Sätzen gibt, die durch einen Nebensatz eingeleitet sind. Damit bestätigt<br />

sich eine bereits von Diez (1882:1015) konstatierte Besonderheit der romanischen Sprachen,<br />

wonach der "Hauptsatz als Nachsatz hingestellt" in der Regel "nicht, wie im Deutschen<br />

('da es regnet, bleiben wir zu Hause'), durch die Wortstellung als solcher angezeigt"<br />

wird. Stattdessen erscheint in den – frühen und modernen – romanischen Sprachen das Subjekt<br />

in diesen Sätzen normalerweise vor dem finiten Verb. Wenngleich in den hier untersuchten<br />

Texten des Spanischen und Portugiesischen einige Ausnahmen von dieser Regel zu<br />

konstatieren sind, ist die entscheidende Beobachtung die, dass in allen romanischen Sprachen<br />

– mit Ausnahme des Bündnerromanischen – nach einem eingeleiteten Nebensatz das<br />

Subjekt in präverbaler Position erscheinen kann. Hier wird ein zentraler Unterschied zu den<br />

Verb-Zweit-Sprachen sichtbar, in denen solche Sätze ungrammatisch sind. Auf der<br />

Grundlage der hier untersuchten Daten kann somit konstatiert werden, dass das Auftreten<br />

solcher Sätze als ein Indiz für die Nicht-Verb-Zweit-Eigenschaft einer Sprache angesehen<br />

werden kann. Mit anderen Worten, solche Verb-Dritt-Sätze stellen einen eindeutigen<br />

Trigger für das Fixieren des Verb-Zweit-Parameters auf den Wert '-V2' dar.<br />

Aus diesen Beobachtungen und Überlegungen kann gefolgert werden, dass der Wandel<br />

hinsichtlich der Stellung des finiten Verbs im Laufe der Entwicklung des Französischen<br />

und der anderen romanischen Sprachen lediglich in einem Wandel des Gebrauchs der<br />

Grammatik besteht. Dieser Wandel vollzieht sich in der Erwachsenensprache unter Ausnützung<br />

der durch die Grammatik vorgegebenen Möglichkeiten. Eine dieser Möglichkeiten<br />

besteht in einem zunehmend verstärkten Gebrauch von Sätzen mit topikalisierten Elementen<br />

bei gleichzeitiger Verwendung präverbaler Subjekte. Dies hat eine Zunahme von Sätzen<br />

mit einer V>2-Stellung zur Folge. Allerdings führt diese Entwicklung weder im Französischen<br />

noch in den übrigen romanischen Nicht-Verb-Zweit-Sprachen zu einem vollkommenen<br />

Verlust von Sätzen mit Verb-Zweit-Stellung und invertiertem Subjekt. Entscheidend<br />

ist, dass diese Inversionskonstruktionen als Sätze mit einer IP-Struktur analysiert werden<br />

müssen, in der das Verb nach INFL bewegt wird und das Subjekt eine postverbale Position<br />

einnimmt. Mit anderen Worten, es handelt sich hierbei nur um scheinbare Verb-Zweit-Stellungseffekte,<br />

da sie nicht wie in den Sprachen mit einer strengen Verb-Zweit-Stellung<br />

durch eine Verb-nach-COMP-Bewegung, sondern durch eine IP-Adjunktion hervorgerufen<br />

werden. Der Wandel hierbei besteht lediglich darin, dass diese Effekte in den meisten modernen<br />

romanischen Sprachen wesentlich seltener sind, weil die IP-Adjunktion strengeren<br />

Beschränkungen unterliegt, als es in deren mittelalterlichen Varietäten der Fall gewesen ist.


7. Quellen- und Literaturverzeichnis<br />

7.1 Quellen<br />

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8. Autorenregister<br />

Abeillé, A., 10<br />

Abraham, W., 11, 13, 25 (Fn.11)<br />

Adams, M., 1, 62, 89, 90-92, 94, 102-103<br />

Aitchison, J., 54<br />

Albrecht, J., 131<br />

Ambar, M.M., 35, 42-43, 50-51<br />

Andersen, H., 12, 12 (Fn.5)<br />

Anderson, S.R., 55<br />

Anttila, R., 12, 12 (Fn.5)<br />

Ashby, W.J., 38<br />

Atkinson, J., 49 (Fn.34)<br />

Authier, J.-M., 27 (Fn.14), 27, 33<br />

Baauw, S., 44 (Fn.30)<br />

Bach, E., 23 (Fn.9)<br />

de Bakker, C., 1, 54, 67, 69, 99, 120, 151<br />

Bartels, W., 59<br />

Bayer, J., 17, 32<br />

Bean, M.C., 115<br />

Bechert, J., 12, 12 (Fn.5)<br />

Behnstedt, P., 38<br />

Benincà, P., 6-7, 57, 62, 76, 89-90, 102, 105,<br />

107<br />

Berger, K., 132 (Fn.3)<br />

Berger, S., 135 (Fn.5)<br />

Berwick, R., 114<br />

den Besten, H., 16-19, 23-24<br />

Bhatt, R.M., 2 (Fn.1)<br />

Biener, C., 84 (Fn.20)<br />

Blasberg, H., 59, 75<br />

Bley-Vroman, R., 122<br />

Blinkenberg, A., 38, 66 (Fn.43), 80<br />

Borsley, Robert D., 2 (Fn.1)<br />

Bossong, G., 105<br />

Brandner, E., 114<br />

Brito, A.M., 38 (Fn.23)<br />

Brucart, J., 38 (Fn.23)<br />

Bruneau, C., 88<br />

Brunot, F., 88<br />

Buchmüller, A., 40 (Fn.26), 49 (Fn.34)<br />

Burzio, L., 99<br />

Bußmann, H., 25 (Fn.12)<br />

Calabrese, A., 45 (Fn.31)<br />

Campbell, L., 14, 55<br />

Cardinaletti, A., 23 (Fn.8), 24, 41, 45, 103<br />

Carigiet, W., 2<br />

Carroll, S., 111, 118<br />

Chavy, P., 132<br />

Chomsky, N., 9, 10, 10 (Fn.3), 11, 20 (Fn.5),<br />

22, 22 (Fn.6), 29, 40, 41 (Fn.28), 53, 91,<br />

99, 111<br />

Clahsen, H., 122-123<br />

Clifford, P.M., 62, 74, 74 (Fn.11)<br />

Contreras, H., 99<br />

Coseriu, E., 53<br />

Costa, J., 51, 151<br />

Côté, M.-H., 90, 103-104, 144<br />

Coveney, A., 38<br />

Crabb, D.M., 57, 59, 105, 131<br />

Culicover, P.W., 34<br />

Curtius, E.R., 129, 134 (Fn.4), 135-136, 135<br />

(Fn.5), 136 (Fn.7)<br />

Dardel, R. de, 136 (Fn.7)<br />

David, R., 105<br />

Davis, J.C., 46<br />

Dees, A., 104<br />

deHaan, G., 26<br />

Dekkers, J., 39, 49 (Fn.34)<br />

Diesing, M., 30, 102<br />

Diez, F., 55, 55 (Fn.2), 56, 60, 63, 69, 88, 105<br />

(Fn.34), 168<br />

Dill, W., 59, 73<br />

Donati, C., 31<br />

Drijkoningen, F., 39<br />

Duarte, M.E.L., 45<br />

Duarte, M.I.S., 38 (Fn.23), 51<br />

Dürscheid, C., 29 (Fn.17)<br />

Dupuis, F., 71, 95, 102-103<br />

Ebering, E., 59<br />

Eder, H., 58 (Fn.3)<br />

Eguzkitza, A., 23 (Fn.8), 47<br />

England, J., 6, 105<br />

Evans, M., 2<br />

Fanselow, G., 8<br />

Faria, I.H., 38 (Fn.23)<br />

Felix, S.W., 8<br />

Ferraresi, G., 114<br />

Fleischmann, S., 152


192<br />

Fodor, J.D., 29 (Fn.17), 111-113, 117, 152-<br />

153, 159, 163<br />

Fontana, J.M., 105, 106 (Fn.35), 138, 160<br />

Foulet, L., 7, 39 (Fn.24), 60, 62-63, 65 (Fn.7),<br />

67, 88, 94, 96<br />

Fournier, N., 49, 49 (Fn.34), 50, 52<br />

Frank, N., 25<br />

Friedemann, M.-A., 36 (Fn.20), 37, 39-41, 40<br />

(Fn.27), 41 (Fn.29), 42, 151<br />

Fries, N., 24 (Fn.10)<br />

Gabelentz, G. v.d., 81 (Fn.17)<br />

Gärtner, H.-M., 22 (Fn.6), 23 (Fn.8), 23<br />

Fn.9), 24<br />

Gamillscheg, E., 53<br />

Georgopoulos, C., 36 (Fn.21)<br />

Gerritsen, M., 116<br />

Gibson, E., 111, 111 (Fn.1), 112, 117<br />

Giorgi, A., 46, 151<br />

Glück, H., 1<br />

Goldbach, M. 152<br />

Goldsmith, J., 7<br />

Goodall, G., 44<br />

Gossen, C.T., 127<br />

Goyens, M. 131<br />

Greenberg, J.H. 53<br />

Grewendorf, G. 20 (Fn.5), 32<br />

Grosse, K., 59<br />

Guasti, M.T., 44-45<br />

Guimier, C., 48, 49 (Fn.34), 49 (Fn.35), 50<br />

Günthner, S., 25 (Fn.11)<br />

Haarhoff, A., 5, 59, 76, 80, 86-87, 129, 136<br />

(Fn.6)<br />

Haase, A., 59<br />

Haeberli, E., 31, 118 (Fn.3), 124<br />

Haegeman, L., 17, 22, 32<br />

Haider, H., 3, 3 (Fn.1), 17 (Fn.1), 24, 25<br />

(Fn.12), 26 (Fn.12), 27, 31, 110<br />

Haïk, I., 37 (Fn.21)<br />

Harris, A.C., 14, 55<br />

Harris, M., 53<br />

Haspelmath, M., 13<br />

Herman, J., 59, 62 (Fn.5), 76-77, 84, 129,<br />

136-137, 136 (Fn.6), 139<br />

Hernanz, M.L., 38 (Fn.23)<br />

Herzog, M.I., 12<br />

Hilgers, H., 59<br />

Hirschbühler, P., 71, 102, 105<br />

Hobæk Haff, M., 49 (Fn.34)<br />

Hock, H.H., 9, 55<br />

Hoecke, W. van, 131<br />

Hoekstra, J., 17<br />

Holmberg, A., 95-96<br />

Höpfner, E., 59, 71<br />

Huang, C.T.J., 24, 24 (Fn.10)<br />

Huguet, E., 59<br />

Hulk, A., 38-39, 95<br />

Iatridou, S., 10, 26-30, 28 (Fn.15), 32 (Fn.18)<br />

Jaeggli, O., 97, 97 (Fn.30)<br />

Janßen, H., 15<br />

Johnson, D.E., 11 (Fn.4)<br />

Jonare, B., 49 (Fn.34)<br />

Junker, M., 102<br />

Kaiser, E., 66 (Fn.9)<br />

Kaiser, G.A., 2, 23 (Fn.8), 38, 40, 42 (Fn.29),<br />

79, 127<br />

Kathol, A., 2 (Fn.1), 31<br />

Kato, M.A., 38 (Fn.23), 45, 116 (Fn.2)<br />

Kayne, R.S., 31, 35, 35 (Fn.19), 39-40, 39<br />

(Fn.25), 40 (Fn.27), 41, 53<br />

Kellenberger, H., 59, 80 (Fn.16)<br />

Kemenade, A. van, 14, 32, 95, 115<br />

Kiparsky, P., 32, 123<br />

Klemperer, V.v., 80 (Fn.15)<br />

Koch, W., 60, 85<br />

Köppe, R., 127<br />

Kok, A. de, 69, 130, 136 (Fn.6)<br />

Koopman, H., 3 (Fn.1), 17 (Fn.1), 22, 92<br />

Koopmann, W., 60-62, 64-72, 65 (Fn.7), 66<br />

(Fn.8), 66 (Fn.9), 74<br />

Koster, J., 23 (Fn.9)<br />

Kroch, A., 26-30, 28 (Fn.15), 31, 32 (Fn.18),<br />

93, 124-127, 125 (Fn.6)<br />

Krüger, P., 59-60, 65-67, 65 (Fn.7)<br />

Kuen, H., 107<br />

Kuttner, M., 80, 80 (Fn.15), 81 (Fn.17), 88<br />

Labov, W., 12<br />

Laenzlinger, C., 17 (Fn.1), 21, 29, 41, 41<br />

(Fn.28), 49 (Fn.34)<br />

Laka, I., 28 (Fn.15)<br />

Lalande, J., 20 (Fn.5)<br />

Langacker, R.W., 12<br />

Lappin, S., 11 (Fn.4)<br />

Lasnik, H., 20 (Fn.5)<br />

Law, P., 21


Le Bidois, R., 49 (Fn.34), 59-60, 64-65, 64<br />

(Fn.6), 66 (Fn.8), 68, 72-74, 74 (Fn.10),<br />

74 (Fn.11)<br />

Le Coultre, J., 59, 88<br />

Lehmann, W.P., 53<br />

Lemieux, M., 71, 95<br />

Lenerz, J., 8, 14, 23 (Fn.8)<br />

Lerch, E., 80-88, 81 (Fn.17), 81 (Fn.18), 82<br />

(Fn.19), 86 (Fn.23), 87 (Fn. 25)<br />

Levin, B., 34<br />

Levine, R.D., 11 (Fn.4)<br />

Lewinsky, B., 59, 73<br />

Lightfoot, D., 9, 13-14, 53-54, 108, 112, 114-<br />

116, 116 (Fn.2), 118 (Fn.3), 123-124, 126,<br />

125 (Fn.6), 151<br />

Ling, A., 85-86, 86 (Fn.22)<br />

Longobardi, G., 151<br />

Mallén, E., 43-44<br />

Marácz, L., 17<br />

Marchello-Nizia, C., 54 (Fn.1), 152<br />

Martinez Moreno, A., 55<br />

Marx, G., 59<br />

Mateus, M.H.M., 38 (Fn.23)<br />

May, R., 35<br />

McMahon, A.P.S., 54<br />

Meisel, J.M., 10, 110-111, 117, 121-122, 122<br />

(Fn.5), 126<br />

Melander, J., 83<br />

Meyer-Hermann, R., 105, 127, 131<br />

Meyer-Lübke, W., 56-57, 75, 80, 82 (Fn.19),<br />

83-84, 88, 105 (Fn.34), 106<br />

Mills, A.E., 122<br />

Moignet, G., 67, 94<br />

Morf, H., 58-60, 65, 65 (Fn.7), 67<br />

Muller, C., 40<br />

Müller, G., 10, 22 (Fn.7), 110<br />

Müller, N., 21, 121<br />

Musolino, J., 41, 41 (Fn.28)<br />

Mussafia, A., 83<br />

Muysken, P., 121-122<br />

Neumann-Holzschuh, I., 105<br />

Nissen, H., 59, 86, 105 (Fn.34)<br />

Niyogi, P., 114<br />

Noonan, M., 36 (Fn.21), 39, 39 (Fn.24)<br />

Núñez Cedeño, R.A., 46<br />

Ordoñez, F., 44, 45 (Fn.31)<br />

Orlopp, W., 59<br />

Ortiz de Urbina, J., 47, 47 (Fn.32)<br />

193<br />

Pádua, M. da Piedade Canaes e Mariz, 105<br />

Pape, R., 105<br />

Paris, G., 39 (Fn.24)<br />

Paul, H., 12, 81 (Fn.17)<br />

Penner, Z., 21, 121, 122<br />

Philippsthal, R., 60<br />

Pianesi, F., 46<br />

Pienemann, M., 122<br />

Piera, C., 50, 51<br />

Pietrkowski, A., 59<br />

Pintzuk, S., 26-27, 31, 118 (Fn.3)<br />

Platzack, C., 17 (Fn.1), 21, 24 (Fn.10), 94-96,<br />

94 (Fn.27), 117, 123<br />

Poletto, C., 2, 38 (Fn.23), 46<br />

Pollock, J., 10<br />

Posner, R., 15, 54 (Fn.1)<br />

Preuß, H.D., 132 (Fn.3)<br />

Price, G., 62<br />

Quirk, R.J., 46<br />

Rabe, H., 59-60, 61, 65-66, 65 (Fn.7), 68-72<br />

Rappaport Hovav, M., 34<br />

Reinholtz, C., 31<br />

Reis, M., 20 (Fn.5), 25<br />

Renchon, H., 38<br />

Renzi, L., 57, 76, 89<br />

Ribeiro, I., 106-107, 160<br />

Richter, E., 56-57, 75, 80-83, 80 (Fn.15), 105<br />

(Fn.34)<br />

Rickard, P., 131<br />

Rizzi, L., 7, 10, 19-20, 34-38, 36 (Fn.20), 36<br />

(Fn.21), 37 (Fn.22), 40-41, 41 (Fn.28), 43,<br />

46, 47, 49, 151<br />

Roberts, I., 9, 13-14, 20, 22, 24, 24 (Fn.10),<br />

40-41, 49, 62-63, 62 (Fn.5), 77-79, 89-92,<br />

95-98, 96 (Fn.28), 96 (Fn.29), 97 (Fn.30),<br />

103, 107, 114, 116, 118, 119-121, 133-<br />

134, 138, 151<br />

Rochemont, M.S., 34<br />

Rogger, K. 73, 86, 87 (Fn.24)<br />

Rögnvaldsson, E., 30-31<br />

Rohlfs, G., 1, 7<br />

Rohrbacher, B., 110<br />

Rossi, M., 38 (Fn.23), 45<br />

Safir, K., 97, 97 (Fn.30), 99 (Fn.31)


194<br />

Salvi, G., 2, 57, 105<br />

Santorini, B., 30<br />

Scaglione, A., 55<br />

Schad, G., 59<br />

Schafer, R., 2 (Fn.1)<br />

Schellert, D., 105<br />

Schlickum, J., 59<br />

Schönfelder, W., 59<br />

Schulze, A., 58<br />

Schwartz, B.D., 22, 23 (Fn.8), 23 (Fn.9), 28-<br />

29<br />

Shlonsky, U., 41 (Fn.28)<br />

Siepmann, E., 59-60, 72-73, 80 (Fn.14)<br />

Sigurðsson, H.Á., 137, 141<br />

Silva, M.C.F., 45<br />

Skårup, P., 94, 104<br />

Solà, J., 20 (Fn.4)<br />

Spitzer, L., 65<br />

Sportiche, D., 39, 92<br />

Stein, P., 61 (Fn.4), 131<br />

Steinbach, M., 22 (Fn.6), 23 (Fn.8), 23 (Fn.9),<br />

24<br />

Stempel, W., 129, 129 (Fn.1), 137, 155<br />

Sternefeld, W., 10, 22 (Fn.7)<br />

Stockwell, R.P., 31, 118 (Fn.3)<br />

Stowell, T.A., 27<br />

Suñer, M., 43-45<br />

Swan, T., 31<br />

Tappe, H.T., 31, 118 (Fn.3)<br />

Terker, A., 51<br />

Thiersch, C.L., 16-17, 23 (Fn.9), 89<br />

Thráinsson, H., 30-31<br />

Thurneysen, R., 5, 59, 62, 62 (Fn.5), 75-76,<br />

75 (Fn.12), 75-76 (Fn.13), 79, 83-84, 84<br />

(Fn.20), 88, 105 (Fn.34), 130 (Fn.2)<br />

Tobler, A., 60, 64, 65 (Fn.7), 83<br />

Tomaselli, A., 16, 19-20, 19 (Fn.2), 20 (Fn.3),<br />

23 (Fn.8), 23 (Fn.9), 31, 107<br />

Torrego, E., 35, 42-43<br />

Travis, L. deMena, 22-23, 23 (Fn.8)<br />

Treviño, E., 44<br />

Uhmann, S., 25 (Fn.11)<br />

Ultan, R., 48, 48 (Fn.33)<br />

Valian, V., 121<br />

Vance, B., 67, 69, 71, 93-95, 99-101, 99<br />

(Fn.32), 100 (Fn.33), 119-120, 121 (Fn.4),<br />

138, 151<br />

Vanelli, L., 57, 62, 76, 89<br />

Vennemann, T., 53<br />

Vikner, S., 16, 17 (Fn.1), 20 (Fn.3), 22, 23<br />

(Fn.8), 23 (Fn.9), 25, 25 (Fn.12), 26, 26<br />

(Fn.13), 27-34, 27 (Fn.14), 28 (Fn.16),<br />

100 (Fn.33)<br />

Vincent, N., 14<br />

Völcker, B., 59-62, 64-65, 63 (Fn.6), 65<br />

(Fn.7), 67, 69-71, 82 (Fn.19)<br />

Voßler, K., 79, 80 (Fn.14)<br />

Wackernagel, J., 55, 75, 83-84<br />

Wartburg, W. von, 62, 73-74, 74 (Fn.10), 75-<br />

76 (Fn.13), 85 (Fn.21)<br />

Weerman, F., 24, 26, 31, 33, 115, 117, 118,<br />

122, 125-127, 125 (Fn.6)<br />

Weinreich, U., 12<br />

Werner, H., 14 (Fn.6), 15 (Fn.6)<br />

Wespy, L., 59-61, 65-66, 68, 71-72<br />

Wexler, K. 111, 111 (Fn.1), 112, 117<br />

White, L., 122 (Fn.5)<br />

Widmer, A., 163 (Fn.11)<br />

Wilder, C., 22 (Fn.6)<br />

Wind, J.M. de, 39, 151<br />

Wright, R., 54 (Fn.1)<br />

Wundt, W., 80, 88<br />

Zimmermann, V., 58 (Fn.3), 59<br />

Zubizarreta, M.L., 42-43, 44 (Fn.30), 51<br />

Zwart, C.J., 17 (Fn.1), 18, 21-24, 21 (Fn.6),<br />

22 (Fn.7), 23 (Fn.8), 23 (Fn.9), 24 (Fn.10),<br />

26, 31

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