21.07.2013 Aufrufe

Christa Wolf Kassandra - eBook.de

Christa Wolf Kassandra - eBook.de

Christa Wolf Kassandra - eBook.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ihre Gefühle, betasten <strong>de</strong>n Wagen; die frem<strong>de</strong>n Gegenstän<strong>de</strong>;<br />

Beutewaffen; auch die Pfer<strong>de</strong>. Mich nicht. Der<br />

Wagenlenker, <strong>de</strong>r sich seiner Landsleute zu schämen<br />

scheint, hat ihnen meinen Namen genannt. Da sah ich,<br />

was ich gewçhnt bin: ihren Schau<strong>de</strong>r. Die Besten, sagt<br />

<strong>de</strong>r Wagenlenker, seien es allemal nicht, die zu Hause<br />

blieben. Die Frauen nähern sich wie<strong>de</strong>r. Ungeniert<br />

schätzen sie mich ab, spähen unter das Tuch, das ich<br />

mir über Kopf und Schultern gezogen habe. Sie streiten<br />

sich, ob ich schçn sei; die ¾lteren behaupten es, die Jüngeren<br />

leugnen es ab.<br />

Schçn? Ich, die Schreckliche. Ich, die wollte, daß<br />

Troia untergeht.<br />

Das Gerücht, das Meere überwin<strong>de</strong>t, wird mir auch<br />

in <strong>de</strong>r Zeit vorauseilen. Panthoos <strong>de</strong>r Grieche wird recht<br />

behalten. Aber du lügst ja, meine Liebe, sagte er mir,<br />

wenn wir am Schrein <strong>de</strong>s Apollon die vorgeschriebenen<br />

Handgriffe taten, die Zeremonie vorzubereiten: Du lügst,<br />

wenn du uns allen <strong>de</strong>n Untergang prophezeist. Aus unserm<br />

Untergang holst du dir, in<strong>de</strong>m du ihn verkün<strong>de</strong>st,<br />

<strong>de</strong>ine Dauer. Die brauchst du dringlicher als das bißchen<br />

Nestglück jetzt. Dein Name wird bleiben. Und<br />

das weißt du auch.<br />

Zum zweitenmal konnte ich ihm nicht ins Gesicht<br />

schlagen. Panthoos war eifersüchtig, und er war boshaft<br />

und scharfzüngig. Hatte er auch recht? Je<strong>de</strong>nfalls<br />

lehrte er mich das Unerhçrte <strong>de</strong>nken: Die Welt kçnnte<br />

nach unserem Untergange weitergehn. Ich zeigte ihm<br />

nicht, wie es mich erschütterte. Warum hatte ich nur<br />

die Vorstellung zugelassen, mit unserm Geschlecht lçsche<br />

die Menschheit aus? Wußte ich <strong>de</strong>nn nicht, wie immer<br />

die Sklavinnen <strong>de</strong>s besiegten Stamms die Frucht-<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!