spice2_zu_spice_8_11_08.txt Von
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<strong><strong>spice</strong>2</strong>_<strong>zu</strong>_<strong>spice</strong>_8_<strong>11</strong>_<strong>08.txt</strong><br />
in einem Headshop in Berlin-Kreuzberg hinter dem Tresen steht.<br />
»Die Pflanzen kommen von überall her, und die Firma warnt selbst davor, Spice<br />
als Tee oder im Essen <strong>zu</strong> verwenden.« Vielleicht, mutmaßt Paul, seien die Kräuter<br />
ja mit irgendeinem Mittel besprüht worden.<br />
Bisher sind <strong>zu</strong>mindest den Vergiftungszentralen keine schweren Vorfälle bekannt.<br />
»Wir hatten im Großraum Berlin noch keinen einzigen klinisch relevanten<br />
Zwischenfall, der sich auf Spice <strong>zu</strong>rückführen lässt«, sagt Torsten Binscheck,<br />
Leiter des Giftnotrufs in der Hauptstadt. Nur ein paar Leute hätten besorgt<br />
angerufen, ob der Konsum gefährlich sei. Auch in der Drogenambulanz am Hamburger<br />
Uniklinikum hat erst ein Patient von Spice berichtet. Auch er war seinen<br />
Führerschein los und musste auf Cannabis verzichten.<br />
Allerdings sind sich die Experten einig, dass der Konsum der Kräuterdroge nicht<br />
harmlos ist. In den Kräutern stecke eine Unzahl chemischer Verbindungen, die<br />
längst nicht alle bekannt seien, warnt Michael Musalek. »Es ist erstaunlich,<br />
dass die Leute glauben, solche Biodrogen seien gesund. Bei synthetischen Mitteln<br />
wissen wir wenigstens, was drin ist.«<br />
In der Schweiz ist Spice nach seinem Auftauchen 2006 wieder rasch aus den<br />
Headshops verschwunden. Der rechtliche Einwand war schlicht und<br />
wirksam: Weil die Pflanzen als Tabak<strong>zu</strong>satz verwendet werden, müsse das<br />
Gesundheitsministerium den Verkauf erst einmal <strong>zu</strong>lassen. Für Zusätze mit<br />
psychotroper Wirkung, <strong>zu</strong> denen auch Spice zählt, gibt es aber keine amtliche<br />
Bewilligung. Die letzten Tüten wurden Anfang 2007 eingezogen.<br />
In Österreich, wo die Spice-Welle gerade einen Höhepunkt erreicht, soll die<br />
Kräutermischung schon bald unter das Arzneimittelgesetz fallen und aus den<br />
Headshops verschwinden. In Deutschland dagegen tut man sich schwer mit einem<br />
Verbot. »Uns liegen <strong>zu</strong> diesen Pflanzen keine belastbaren wissenschaftlichen<br />
Ergebnisse vor«, sagt Sabine Bätzing, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung.<br />
Dass dem Konsum unter Jugendlichen Einhalt geboten werden muss, weiß sie auch -anders<br />
als in der Schweiz stehen aber offensichtlich keine rechtlichen<br />
Instrumente <strong>zu</strong>r Verfügung, um dem Missbrauch der Kräutermischung zügig Einhalt<br />
<strong>zu</strong> gebieten. Mit einer rechtlichen Regelung, sagt Bätzing, sei frühestens in<br />
einigen Wochen <strong>zu</strong> rechnen.<br />
Ohnehin ist fraglich, ob ein Produkt wie Spice verschwindet, wenn es aus den<br />
Headshops verbannt ist. Der Verkauf findet vor allem im Internet statt, daran<br />
hat sich auch in der Schweiz nichts geändert. »Das ist wie mit Pharmazeutika«,<br />
sagt Michael Bovens von der Stadtpolizei Zürich.<br />
»Sie zahlen mit Mastercard und kriegen fast alles, was Sie wollen.« Und kaum ist<br />
ein Produkt unter Kontrolle, drängt schon das nächste auf den<br />
Markt: Neben Spice bietet der Hersteller bereits eine zweite Kräutermischung an,<br />
Yucatan Fire. Konkurrenzprodukte wie Sence, Smok oder Chill-X sind inzwischen<br />
sogar bei Amazon bestellbar.<br />
Ein Internethändler, der anonym bleiben möchte, berichtet von 60 Tüten, die er<br />
täglich verschickt, und das seit Monaten. Am Anfang sei er selbst neugierig<br />
gewesen, wie die Wirkung von Spice <strong>zu</strong>stande komme. Deswegen habe er sich von<br />
jeder der angegebenen Pflanzen 100 Gramm bestellt und versucht, die Kräuter<br />
selbst <strong>zu</strong> mischen. Inzwischen glaubt er <strong>zu</strong> wissen, weshalb das nicht<br />
funktionierte: »Die psychotropen Wirkstoffe sind in den Kräutern in viel <strong>zu</strong><br />
niedriger Konzentration enthalten«, sagt er. Die Hersteller nutzten<br />
wahrscheinlich ein oder zwei billige Pflanzen als Trägersubstanz. »Darauf<br />
träufeln sie hochkonzentrierte Extrakte aus den wirklich psychoaktiven<br />
Kräutern.« Die Untersuchung einer Spice-Stichprobe des Schweizer Botanikers<br />
passt da<strong>zu</strong>: Mit dem echten Eibisch überwog in der Mischung eine Pflanze, die<br />
leicht erhältlich ist.<br />
Gleich mehrere Firmen bieten im Internet Extrakte von Kräutern wie Leonurus<br />
sibiricus an, die tatsächlich eine berauschende Wirkung haben.<br />
Ob der Internethändler recht hat oder ob die Spice-Tütchen nicht doch einen<br />
synthetischen Wirkstoff enthalten, das müssen gründliche wissenschaftliche<br />
Analysen zeigen. Bis dahin gibt es nur einen begründbaren Umgang mit der<br />
dubiosen Kräuterdroge: Finger weg!<br />
Diesen Artikel finden Sie als Audiodatei im Premiumbereich unter<br />
www.zeit.de/audio<br />
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