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Fahrfähigkeit Thema: Grundlagen der Rechtsmedizin Fahrfähigkeit ...

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<strong>Fahrfähigkeit</strong><br />

Dr. med. Rudolf Hauri-Bionda<br />

<strong>Fahrfähigkeit</strong><br />

<strong>Thema</strong>: <strong>Grundlagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Rechtsmedizin</strong><br />

· Medizinische Anfor<strong>der</strong>ungen an den Fahrzeuglenker<br />

· Auffällige Verkehrsteilnehmer<br />

· Ärztliche Untersuchung des Lenkers<br />

· Alkohol<br />

· Opiate<br />

· Kokain<br />

· Übermüdung<br />

· Gesundheitliche Störungen<br />

Medizinische Anfor<strong>der</strong>ungen an den Fahrzeuglenker<br />

Das in Revision stehende schweizerische Strassenverkehrsgesetz und die darauf basierenden<br />

Verordnungen liefern die rechtlichen <strong>Grundlagen</strong> zur medizinischen Untersuchung und<br />

Beurteilung eines Fahrzeuglenkers. Der Geeignete muss medizinische Mindestanfor<strong>der</strong>ungen<br />

(z. B. minimale Sehschärfe) erfüllen, um grundsätzlich am Verkehr teilnehmen zu können<br />

(Fahreignung). Zum an<strong>der</strong>en wird verlangt, dass <strong>der</strong> Lenker fahrfähig ist, d. h., die Fahrt -<br />

bezogen auf seine individuelle Norm - im Vollbesitz <strong>der</strong> physischen und psychischen<br />

Leistungsbereitschaft unternimmt. Da <strong>Fahrfähigkeit</strong> und Fahreignung somit zwei<br />

grundsätzlich verschiedene Eigenschaften darstellen, ist es ohne weiteres möglich, zu einer<br />

gegebenen Zeit fahrfähig, generell jedoch nicht geeignet zum Führen eines Fahrzeuges zu<br />

sein (z. B. Abhängiger). Ebenso ist aber auch <strong>der</strong> grundsätzlich Geeignete nicht je<strong>der</strong>zeit<br />

fahrfähig (z. B. wegen Übermüdung, Krankheit, psychischer Belastung, Ablenkung,<br />

chemischer Beeinflussung durch Alkohol, Drogen, Medikamente etc.).<br />

Auffällige Verkehrsteilnehmer<br />

[nach oben]<br />

Mit <strong>der</strong> medizinischen Untersuchung auffälliger Verkehrsteilnehmer und <strong>der</strong> damit<br />

verbundenen Blut und Urinasservierung werden häufig in Spital o<strong>der</strong> Praxis tätige Ärzte<br />

beauftragt. Erst die Gründlichkeit und Sorgfalt <strong>der</strong> Befun<strong>der</strong>hebung am Untersuchten und die<br />

umfassende Befunddokumentation schaffen im Interesse <strong>der</strong> Verkehrssicherheit wesentliche<br />

Beurteilungsgrundlagen. Dies trifft sowohl für Fahrten unter Drogen- o<strong>der</strong>


Medikamenteneinfluss als auch für solche unter Alkoholeinwirkung zu. Auch bei<br />

Blutalkoholwerten unter 0,8 Gewichtspromill ist beispielsweise eine Verurteilung wegen<br />

Fahren in angetrunkenem Zustand (FIAZ) möglich, wenn an<strong>der</strong>e Beweise - hauptsächlich die<br />

ärztliche Untersuchung - die Angetrunkenheit belegen. Unabdingbare Voraussetzung ist aber<br />

die wi<strong>der</strong>spruchsfreie und vollständige Abfassung des Untersuchungsprotokolles und die<br />

Nachvollziehbarkeit <strong>der</strong> angegebenen ärztlichen Einschätzung des Grades <strong>der</strong><br />

Alkoholwirkung.<br />

Ärztliche Untersuchung des Lenkers<br />

[nach oben]<br />

Medikamente (z. B. Beruhigungsmittel) und Drogen (z. B. Opiate) mit sedierendem Effekt<br />

stehen im Mittelpunkt zahlreicher verkehrsbezogener experimenteller Untersuchungen. Im<br />

Gegensatz dazu werden Substanzen mit zentraler Erregung wie Kokain, Amphetamine,<br />

gewisse Antidepressiva usw. noch viel zu wenig in Betracht gezogen. Zu den stimulierenden<br />

Medikamenten gehören auch die häufig angewendeten ephedrin-, norpseudoephedrin- und<br />

coffeinhaltigen Kombinationspräparate gegen Erkältung und Appetitzügler. Ebenso müssen<br />

anlässlich sogenannter Techno-Parties konsumierte, stark koffeinhaltige Getränke wie Red<br />

Bull und synthetische Amphetamine (Ecstasy) gewertet werden. Die Substanzen putschen<br />

anfänglich auf bzw. steigern die Leistungsfähigkeit und erweitern das Bewusstsein, dann<br />

folgen praktisch ohne Vorwarnung rasche Ermüdung und Leistungszusammenbruch mit ev.<br />

fataler Auswirkung v. a. auf Langzeitfahrten.<br />

Auch ohne eigentliche Abhängigkeit o<strong>der</strong> Sucht kann <strong>der</strong> regelmässige Gebrauch bestimmter<br />

Schmerz o<strong>der</strong> Schlafmittel mit beson<strong>der</strong>s langer Nachwirkung (hangover) sowie von<br />

Psychopharmaka unkontrollierbar zur Aufhebung <strong>der</strong> <strong>Fahrfähigkeit</strong> führen. Gleiches gilt für<br />

die Halluzinogene, die nicht nur psychische Verän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> Leistungsschwächen im<br />

akuten Rauschzustand, son<strong>der</strong>n auch nach Abklingen <strong>der</strong> Rauschsymptomatik in <strong>der</strong><br />

Nachwirkungsphase hervorrufen. Cannabis schliesslich kann nach einem symptomfreien<br />

Intervall von Tagen ein Wie<strong>der</strong>aufflammen <strong>der</strong> Rauschsymptome (flashback, Echorausch)<br />

bewirken.<br />

Durch ihre je nach Substanz unterschiedlich starke sedativhypnotische und<br />

muskelrelaxierende Wirkung beeinflussen neben den sog. Drogen die weitverbreiteten<br />

Benzodiazepine beson<strong>der</strong>s häufig die <strong>Fahrfähigkeit</strong>.<br />

[nach oben]<br />

In <strong>der</strong> Begutachtungspraxis häufige Vertreter sind Flunitrazepam (z. B. Rohypnol®),<br />

Bromazepam (z. B. Lexotanil®), Lorazepam (z. B. Temesta®), Oxazepam (z. B. Seresta®)<br />

und Diazepam (z. B. Valium®). Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung sind einige kurzwirksame<br />

Benzodiazepine wie Midazolam (z. B. Dormicum®) und Triazolam (z. B. Halcion®), die in<br />

seltenen Fällen eine anterograde Amnesie und Dämmerzustände mit gefährlichem<br />

Fahrverhalten hervorrufen können.<br />

Grundsätzlich gibt es medizinisch zwischen einer Fahrt unter Drogen und einer solchen unter<br />

Alkoholeinfluss (FIAZ) keine Unterschiede. Es existieren bei Drogen und Medikamenten<br />

jedoch bis heute keine Grenzwerte analog den 0,8 Gewichtspromill Blutalkohol, ab denen<br />

Fahrunfähigkeit in jedem Falle auch ohne zusätzliche Beweise (hauptsächlich Ergebnis <strong>der</strong><br />

ärztlichen Untersuchung) erwiesen ist (Strassenverkehrsgesetz Art. 55).


Ein Fallbeispiel soll als Illustration dienen:<br />

Ein 23j. PW-Lenker wurde um 22:30 Uhr von einer Polizeipatrouille wegen seines<br />

aggressiven Fahrstils zur Kontrolle angehalten. Bei <strong>der</strong> nachfolgenden ärztlichen<br />

Untersuchung um 00:00 Uhr verhielt er sich aggressiv, war sehr angetrieben und wies eine<br />

auffallende Mydriase sowie gerötete Nasenschleimhäute auf. Die angewendeten chemischen<br />

Testverfahren <strong>der</strong> entnommenen Blutprobe wiesen Kokainmetaboliten von 2400 ng/ml<br />

nach. Der Lenker stand somit gemäss ärztlicher Untersuchung noch zur Zeit <strong>der</strong><br />

Blutentnahme deutlich unter dem Einfluss von - chemisch bestätigtem - Kokain. Der selbe<br />

Mann war bereits gut 6 Wochen zuvor um 10.45 Uhr zu einer Routinekontrolle angehalten<br />

worden. Die ärztliche Untersuchung erfolgte um 13:44 Uhr. Damals verhielt er sich ruhig,<br />

zeigte erweiterte Pupillen und gerötete Bindehäute, war ansonsten jedoch unauffällig. Das<br />

Blut enthielt ca. 2500 ng/ml "Kokain". Mit fast gleichem Analysenwert wie bei <strong>der</strong> späteren<br />

Kontrolle stand <strong>der</strong> Lenker laut ärztlicher Einschätzung nur unter geringer Kokainwirkung.<br />

Eine Beurteilung <strong>der</strong> konkreten <strong>Fahrfähigkeit</strong> lediglich anhand <strong>der</strong> chemischen<br />

Analysenwerte war demzufolge auch unter dem Versuch einer Rückrechnung auf die<br />

rechtlich relevante Zeit <strong>der</strong> Fahrt gar nicht möglich.<br />

[nach oben]<br />

Es ist fraglich, ob je verbindliche o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Praxis ohne weiteres anwendbare Modelle zur<br />

Korrelation zwischen Wirkstoffblutspiegel und Schwere <strong>der</strong> Auswirkungen von Drogen und<br />

Medikamenten entwickelt werden. Die Begutachtung muss deshalb im konkreten Fall immer<br />

individuell erfolgen. Analogieschlüsse aus den analytischen Blutspiegeln wie beim Alkohol<br />

sind vor<strong>der</strong>hand mit Ausnahme einzelner Spezialfälle ebenso unzulässig wie das<br />

Hinzuziehen alkoholtypischer Leistungsverän<strong>der</strong>ungen als Beurteilungsgrundlage.<br />

Der ärztlichen Untersuchung kommt eine zentrale Rolle zu. Vermutlich wegen <strong>der</strong><br />

Analogieschlüsse zu den FIAZ-Ereignissen, bei denen primär <strong>der</strong> Überschreitung <strong>der</strong> 0,8-<br />

Promillegrenze Beachtung geschenkt und die ärztliche Untersuchung häufig nur noch pro<br />

forma vorgenommen wird ("FIAZ-Syndrom"), ist die ärztliche Untersuchung und<br />

Protokollierung auch bei den ganz an<strong>der</strong>s gelagerten Drogen- und Medikamentenfällen<br />

häufig dürftig.<br />

Beim selbstverursachten Verkehrsunfall ist die <strong>Fahrfähigkeit</strong> <strong>der</strong>art vermin<strong>der</strong>t, dass das<br />

sichere Führen eines Fahrzeuges nicht mehr möglich war. Die Frage ist nur, ob <strong>der</strong> Einfluss<br />

einer chemischen Substanz, ein akutes krankhaftes Geschehen o<strong>der</strong> "lediglich" eine<br />

Übermüdung bzw. eine momentane Unaufmerksamkeit zugrunde lag. Da chemische<br />

Substanzen i. a. relativ rasch verstoffwechselt und ausgeschieden werden, än<strong>der</strong>n sich ihre<br />

mit den ärztlichen Untersuchungsmethoden erfassbaren Auswirkungen innerhalb weniger<br />

Stunden, teilweise sogar innerhalb einer Stunde. Daraus folgt, dass die ärztliche<br />

Untersuchung sowie die Asservierung <strong>der</strong> Blut und Urinprobe sofort, d. h. so nahe als<br />

möglich am Ereignis, zu erfolgen hat.<br />

[nach oben]<br />

Als Ergänzung zur ärztlichen Untersuchung müssen (mit o<strong>der</strong> ohne zusätzliche<br />

Alkoholbestimmung) insgesamt etwa 20 ml Vollblut und Urin (zwischen etwa 20 und 100<br />

ml, unter Sicht!) asserviert werden.<br />

Mit <strong>der</strong> sorgfältigen ärztlichen Untersuchung kurz nach dem Ereignis lassen sich im Prinzip


fundierte Aussagen zur <strong>Fahrfähigkeit</strong> machen. In solchen Fällen dient die chemische<br />

Untersuchung <strong>der</strong> Asservate lediglich noch dem Nachweis <strong>der</strong> ärztlicherseits anhand<br />

charakteristischer Befunde (z. B. Miose - Opiate; Mydriase - Kokain usw.) ev. bereits<br />

vermuteten Ursache <strong>der</strong> Fahrunfähigkeit. Die chemische Auswertung <strong>der</strong> Asservate eilt nicht<br />

und kann nach Vorliegen eines gerichteten Verdachtes in Auftrag gegeben werden. Zwecks<br />

korrekter Lagerung sollen die Asservate aber auf jeden Fall entwe<strong>der</strong> per Polizei o<strong>der</strong> per<br />

PostExpress spätestens am folgenden Arbeitstag dem zur Auswertung legitimierten<br />

forensischen Labor zugestellt werden. Die chemische Untersuchung von Blut und Urin ist i.<br />

a. aus chemisch-analytischen und auch aus medizinischen Gründen (Aussagen zum<br />

Konsumverhalten - Gewöhnung!) unerlässlich. Mit wenigen Ausnahmen sehr schnell<br />

abgebauter bzw. aus dem Blut eliminierter Substanzen lässt aber nur die Untersuchung des<br />

Blutes konkrete, chemisch begründete Aussagen über die aktuelle Beeinflussung zu.<br />

Zur Beurteilung sind neben <strong>der</strong> spezifischen Medikamenten und Drogenwirkung namentlich<br />

auch Interaktionen zwischen mehreren eingenommen Substanzen zu berücksichtigen (z. B.<br />

Alkohol, Methadon und Benzodiazepine). Daneben spielt die individuelle Wirkung in<br />

Abhängigkeit von Alter, Geschlecht, Konstitution, Kondition, Persönlichkeit, Gewöhnung<br />

usw. eine Rolle. In Fällen ärztlich verordneter Medikamente darf die Beurteilung nicht<br />

losgelöst von <strong>der</strong> Grundkrankheit und <strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> Therapie bzw. Medikamenteneinnahme<br />

erfolgen.<br />

[nach oben]<br />

Zur Erforschung des Einflusses chemischer Substanzen auf die <strong>Fahrfähigkeit</strong> steht analog<br />

zur Fahreignungsforschung eine Reihe von mehr o<strong>der</strong> weniger aufwendigen<br />

Testeinrichtungen bereit. Je nach benutztem Testverfahren und vorherrschendem Testaufbau<br />

ergeben sich teilweise wi<strong>der</strong>sprüchliche Aussagen. Erschwert wird die Beurteilung <strong>der</strong><br />

ermittelten Testresultate hinsichtlich ihrer praktischen Relevanz dadurch, dass die<br />

Versuchspersonen sehr häufig die getesteten Substanzen nur zum Zwecke <strong>der</strong> Untersuchung<br />

einmalig einnehmen. Der Testaufbau wird damit erfahrungsgemäss <strong>der</strong> echten Fahrsituation<br />

aber nicht gerecht (vgl. dazu die diskutablen Ergebnisse über die Untersuchungen von Robbe<br />

zum Einfluss von Marijuana auf die <strong>Fahrfähigkeit</strong>). Aus dem umfangreichen Testangebot <strong>der</strong><br />

Forschung gelangen deshalb für den konkreten Fall in <strong>der</strong> Praxis lediglich die körperliche<br />

Untersuchung und ein rudimentärer Psychostatus - ergänzt mit einzelnen stark vereinfachten<br />

Koordinationstesten - zur Anwendung. Fällt ein Lenker in dieser groben Untersuchung<br />

negativ auf, so muss <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong> eingenommenen Substanzen zweifellos erheblich sein.<br />

Gesamtschweizerisch fehlen <strong>der</strong>zeit noch verbindliche standardisierte<br />

Untersuchungsprotokolle, die eine geregelte ärztliche Untersuchung garantieren würden. Mit<br />

den eingangs erwähnten Empfehlungen ist jedoch ein erster Schritt in diese Richtung getan.<br />

Eine weitergehende Umsetzung dieser For<strong>der</strong>ung wurde mit dem vom Fonds für<br />

Verkehrssicherheit mitfinanzierten Projekt MEDRALEX des Instituts für <strong>Rechtsmedizin</strong> <strong>der</strong><br />

Universität Zürich vorgenommen. Erstmals stehen standardisierte und validierte<br />

Untersuchungsprotokolle für die Ärzte und Rapportprotokolle für die Polizeibeamten zur<br />

Verfügung.<br />

Alkohol<br />

[nach oben]


Bedeutung<br />

1992 betrug unser Konsum reinen Alkohols pro Kopf 10,1 Liter: 4 Liter Spirituosen, 46 Liter<br />

Wein und 68 Liter Bier. Damit könnten bei einmaliger Einnahme über 40 Männer vergiftet<br />

werden. 7 - 10 % <strong>der</strong> Bevölkerung konsumieren 50 % des gesamthaft verbrauchten<br />

Alkohols. Rund 150000 gelten als alkoholkrank und etwa 600000 als gesundheitlich<br />

gefährdet. Jedes vierte Kind unter zehn Jahren soll mindestens einmal Alkohol getrunken<br />

haben. Bei den 12 bis 16jährigen liegt dieser Anteil angeblich bereits bei 70 - 83 %. Nach<br />

<strong>der</strong> gleichen Quelle sollen 13 % <strong>der</strong> befragten Knaben (8 % <strong>der</strong> Mädchen) einen, 12 % (6 %)<br />

schon mehr als einen Rausch erlebt haben.<br />

1992 wurden in <strong>der</strong> Schweiz 47333 Führerausweise entzogen, davon 15665 (33,1 %) wegen<br />

Angetrunkenheit und 415 (0,88 %) wegen Trunksucht. Alkoholbedingte Strassenunfälle<br />

ereigneten sich erwartungsgemäss überproportional häufig am Wochenende (Samstag und<br />

Sonntag zusammen ca. 47 %) und zwischen 18 und 7 Uhr (rund 77 %). Bei über 20 % im<br />

Strassenverkehr Verletzter war Alkohol im Spiel. Eine Spitalstudie wies in fast 30 % <strong>der</strong><br />

männlichen Fahrzeuglenker und in 12,5 % <strong>der</strong> Passagiere eine Alkoholisierung über 0,8<br />

Gewichtspromill nach. In einer nicht veröffentlichten Untersuchung des Institutes für<br />

<strong>Rechtsmedizin</strong> <strong>der</strong> Universität Zürich lag <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Blutproben auffälliger<br />

Verkehrsteilnehmer mit unter 0,8 Gewichtspromill bei 14 %, mit 0,8 - 1,5 Gewichtspromill<br />

bei 36 % und mit 1,5 - 4,15 Gewichtspromill bei 50 %, mit steigendem Anteil <strong>der</strong> Werte über<br />

3 Gewichtspromill. 93 - 94 % dieser Blutproben stammen von Männern.<br />

Fahren in angetrunkenem Zustand (FIAZ)<br />

[nach oben]<br />

Der Bundesrat legt fest, bei welcher Blutalkoholkonzentration unabhängig von weiteren<br />

Beweisen und individueller Alkoholverträglichkeit Angetrunkenheit im Sinne des Gesetzes<br />

angenommen wird. Art. 2 VRV hält fest: "… Fahrunfähigkeit wegen Alkoholeinwirkung<br />

(Angetrunkenheit) gilt in jedem Falle als erwiesen, wenn <strong>der</strong> Fahrzeugführer eine<br />

Blutalkoholkonzentration von 0,8 o<strong>der</strong> mehr Gewichtspromill aufweist o<strong>der</strong> eine<br />

Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt. …"<br />

Alkohol wird aus dem Verdauungstrakt durch Diffusion resorbiert. 90 - 95 % werden in <strong>der</strong><br />

Leber in einer konstanten stündlichen Menge nahezu unabhängig von <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong><br />

Blutalkoholkonzentration abgebaut. Der Rest wird zu je ca. 2 % unverän<strong>der</strong>t abgeatmet,<br />

ausgeschwitzt und über den Urin ausgeschieden. Die Alkoholwirkung kann verstärkt<br />

(Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Toleranz), selten etwas abgeschwächt (Steigerung <strong>der</strong> Toleranz) werden.<br />

Eine vermin<strong>der</strong>te Toleranz liegt z. B. bei Frauen, altersabhängig bei Kin<strong>der</strong>n, bei Krankheit,<br />

nach längerer Abstinenz, bei Ermüdung, Medikamenten- und Drogeneinnahme etc. vor. Eine<br />

leicht gesteigerte Toleranz kann beim Alkoholkranken nachgewiesen werden.<br />

Die Stadien <strong>der</strong> Alkoholintoxikation werden durch dämpfende und schliesslich lähmende<br />

Einflüsse auf das Zentralnervensystem hervorgerufen. Das Anfangsstadium setzt mit dem<br />

Wegfall hemmen<strong>der</strong> Gehirnfunktionen bereits ab 0,1 - 0,3 Gewichtspromill ein. Mit Blick<br />

auf den Verkehrsteilnehmer sind v. a. die frühe Kritikschwächung und die<br />

Antriebssteigerung (Selbstüberschätzung) hervorzuheben. Gefährlich sind auch die<br />

Störungen <strong>der</strong> Sehleistung: Verschlechterung <strong>der</strong> Sehschärfe, Tunnelblick, Störung des<br />

Tiefensehens, des Fusionsvermögens, verstärkte Blendwirkung und Nachtblindheit. Der<br />

Fahrer ist "benebelt", erkennt wenig kontrastierende Gegenstände nicht (Nachtfahrt!), schätzt


Entfernungen falsch und bemisst Seitenabstände nicht richtig. Daneben ist die<br />

Koordinationsstörung verschiedener Einzelfunktionen von Bedeutung (plötzliche,<br />

unerwartete Hin<strong>der</strong>nisse!). Abruptes Nachlassen <strong>der</strong> Aufmerksamkeit bei Monotonie kann<br />

als sog. "Einnicken am Steuer" Unfälle auf gera<strong>der</strong>, übersichtlicher Strecke erklären.<br />

Weil wichtige Leistungsbereiche schon bei Blutalkoholkonzentrationen ab 0,3<br />

Gewichtspromill nachweislich beeinträchtigt werden, ist das Festhalten an <strong>der</strong> 0,8-<br />

Promillegrenze unverständlich. Eine Senkung auf vorerst 0,5 Gewichtspromill ist überfällig.<br />

Dies wird eindrücklich mit <strong>der</strong> drastischen Zunahme alkoholbedingter Verkehrsunfälle auf<br />

dem Gebiet <strong>der</strong> früheren DDR seit <strong>der</strong> Angleichung <strong>der</strong> 0,0-Promillegrenze an die 0,8<br />

Gewichtspromill Westdeutschlands gezeigt.<br />

Feststellung <strong>der</strong> Alkoholbeeinflussung<br />

[nach oben]<br />

Gemäss SVG Art. 55 sind Fahrzeugführer und an Unfällen beteiligte Strassenbenützer, bei<br />

denen Anzeichen von Angetrunkenheit vorliegen, geeigneten Untersuchungen zu<br />

unterziehen. Der mit <strong>der</strong> Blutentnahme beauftragte Arzt hat den Verdächtigten zusätzlich zu<br />

untersuchen. Ein klinisch negatives Untersuchungsergebnis schliesst eine Angetrunkenheit<br />

im kritischen Zeitpunkt indes nicht aus. Die Praxis zeigt, dass die ärztliche Untersuchung nur<br />

sehr beschränkte Aussagen über die Höhe des Blutalkoholspiegels zulässt. Es ergeben sich<br />

immer wie<strong>der</strong> starke Abweichungen zwischen <strong>der</strong> Einschätzung des Alkoholisierungsgrades<br />

durch den Arzt und den chemischen Analysenwerten. Die Ursachen dafür liegen in einer<br />

oberflächlichen Untersuchungstechnik, im sog. Ernüchterungsschock, in einer<br />

Alkoholgewöhnung, im Vorliegen einer Wirkung zusätzlich eingenommener Medikamente<br />

o<strong>der</strong> Drogen, einer Krankheit usw. Die typische "Alkoholfahne" korreliert nicht mit <strong>der</strong><br />

Alkoholisierung.<br />

Ende <strong>der</strong> 30er Jahre entwickelten die USA erstmals ein brauchbares Gerät zur Bestimmung<br />

des Atemalkohols. Heute sind Geräte mit digitaler Anzeige einer exakten quantitativen<br />

Atemalkoholanalyse erhältlich. Es sind Bestrebungen im Gange, diese Geräte als Ersatz <strong>der</strong><br />

Blutalkoholanalyse einzuführen. In <strong>der</strong> Resorptionsphase kann <strong>der</strong> Atemalkoholwert jedoch<br />

zu hoch ausfallen. Ausserdem können sich Probleme im Grenzwertbereich ergeben, indem<br />

die grössere Streuung <strong>der</strong> Atemalkoholmessung dazu führt, dass Fahrzeuglenker mit<br />

gleichen Blutalkoholgehalten einmal belastet, ein an<strong>der</strong>es Mal entlastet werden. Bei später<br />

auftretenden Zweifeln an <strong>der</strong> Richtigkeit des Ergebnisses ist keine Überprüfung mehr<br />

möglich. Schwerer ins Gewicht fällt aber die Unmöglichkeit zur späteren<br />

Identitätsüberprüfung sowie zur Drogen-, Medikamenten- und Begleitstoffanalytik. Die<br />

geeignete Untersuchung zur Feststellung <strong>der</strong> Alkoholisierung bleibt die Blutprobe, die beim<br />

Vorliegen wichtiger Gründe als einzige auch gegen den Wi<strong>der</strong>stand des Verdächtigten<br />

durchgeführt werden kann. Zu unterstützen sind aber die Diskussionen um die Einführung<br />

anlassfreier Atemalkoholkontrollen.<br />

[nach oben]<br />

Zur Rückrechnung des chemischen Analysewertes auf die Ereigniszeit wird für den<br />

Minimalwert ein stündlicher Abbau von 0,1 Gewichtspromill, für den Maximalwert ein<br />

solcher von 0,2 Gewichtspromill mit einmaligem Zuschlag von weiteren 0,2<br />

Gewichtspromill eingesetzt. Ergab die Analyse einen Alkoholgehalt von z. B. 0,83 - 0,93<br />

Gewichtspromill, so lässt sich bei abgeschlossener Resorption ein Minimalwert anlässlich


des 3 Stunden vor <strong>der</strong> Blutentnahme liegenden Ereignisses von 1,13 Gewichtspromill und<br />

ein Maximalwert von 1,73 Gewichtspromill berechnen. Der wahre Wert lag zur relevanten<br />

Zeit irgendwo zwischen diesen beiden rechnerischen Grenzwerten. Je länger die Zeitspanne<br />

zwischen Ereignis und Blutentnahme ist, desto diskrepanter werden die beiden Werte.<br />

V. a. Wie<strong>der</strong>holungstäter behaupten häufig, <strong>der</strong> festgestellte Blutalkohol sei teilweise auf<br />

eine Alkoholeinnahme nach dem Ereignis zurückzuführen (Nachtrunk). Es wurde deshalb<br />

die doppelte Blutentnahme eingeführt. Bei erfolgtem Nachtrunk muss theoretisch in <strong>der</strong><br />

zweiten Blutprobe eine höhere Alkoholkonzentration nachweisbar sein. Mit <strong>der</strong> sog.<br />

Begleitstoffanalyse wird die Glaubwürdigkeit solcher Nachtrunkbehauptungen durch den<br />

Nachweis o<strong>der</strong> Ausschluss für das jeweilige Getränk typischer Gärungsprodukte<br />

(Fuselalkohole) geprüft.<br />

Der Einwand, die Blutalkoholkonzentration sei als Rest eines am Vortage konsumierten<br />

Getränkes aufzufassen, kann i. d. R. leicht wi<strong>der</strong>legt werden, da die Berechnung des<br />

Blutalkoholspiegels auf die Zeit des Resorptionsendes regelmässig zu sehr hohen,<br />

lebensbedrohlichen Werten führt. Ähnliches gilt für die Behauptung, Medikamente seien für<br />

die hohe Blutalkoholkonzentration verantwortlich. Es gibt aber sog. Volksheilmittel mit bis<br />

zu 78 % Alkoholgehalt. Diese werden tropfenweise eingenommen und müssten in <strong>der</strong><br />

Grössenordnung von etwa 1 - 3 dl getrunken werden, um die festgestellte<br />

Blutalkoholkonzentration hervorrufen zu können. An<strong>der</strong>e Medikamente können vereinzelt<br />

geringe Mengen Alkohol enthalten, führen bei therapeutischer Verabreichung aber zu keiner<br />

messbaren Erhöhung <strong>der</strong> Blutalkoholkonzentration. Medikamente, insbeson<strong>der</strong>e<br />

Beruhigungsmittel, können jedoch die Alkoholwirkung wesentlich verstärken.<br />

Opiate<br />

[nach oben]<br />

Heroin, Morphin, Codein und Methadon sind die am häufigsten konsumierten Opiate. Neben<br />

<strong>der</strong> schnellen Schmerzhemmung tritt zunächst eine Euphorisierung auf. Danach steht die<br />

zunehmende Schläfrigkeit bis zum Bewusstseinsverlust bei hohen Dosen im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit werden vermin<strong>der</strong>t. Enge, reaktionslose Pupillen<br />

sind bei korrekt durchgeführter Untersuchung ein starkes Indiz für das Vorhandensein von<br />

Opiaten im Körper. Die Entzugssymptome sind vielfältig. Krampfartige Schmerzzustände<br />

(Bauchkrämpfe!), gelegentlich sogar zerebrale Krampfanfälle (Epilepsie) können beobachtet<br />

werden. Häufig treten Angstzustände auf.<br />

Methadon<br />

In <strong>der</strong> Schweiz ist bekanntlich das gegenüber dem in Deutschland eingesetzten<br />

Levomethadon (L-Polamidon®) nur etwa halb so wirksame Razemat D,L-Methadon<br />

(Ketalgin®, Methadon Streuli®) - in <strong>der</strong> Folge als "Methadon" bezeichnet - gebräuchlich .<br />

Es wird als Therapie zweiter Wahl zur Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger mit dem<br />

Ziel <strong>der</strong> Stabilisierung des Gesundheitszustandes und <strong>der</strong> sozialen Reintegration angewendet.<br />

Die Wirkung tritt über eine Absättigung <strong>der</strong> Opiatrezeptoren ein und hält für ca. 22 bis 48<br />

Stunden an.<br />

Bis 1975 erfolgte die Methadonsubstitutionsbehandlung einer damals kleinen und konstanten<br />

Anzahl meist Morphiumabhängiger frei und unkontrolliert durch jeden Arzt. Von 1975 - 83


lief mit <strong>der</strong> Revision des Betäubungsmittelgesetzes (1975) die Einführung einer<br />

Registrierungs und Kontrollpflicht sowie einer Indikationsregelung mit restriktiven<br />

Zugangskriterien an. Bestimmte Psychiater wurden als Indikationsärzte bezeichnet. Zu jener<br />

Zeit zählte <strong>der</strong> Kanton Zürich ca. 200 Methadonpatienten. In den Jahren 1983 - 87 trat eine<br />

Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> drogenabhängigen Klientel auf, arbeitsrehabilitative Massnahmen wurden<br />

geför<strong>der</strong>t, die Indikationspraxis blieb aber weiterhin restriktiv. Im Kanton Zürich waren nun<br />

zwischen 300 und 400 Methadonbezüger registriert. Nur ein verschwindend kleiner Anteil<br />

unterzog sich einer verkehrsmedizinischen Begutachtung. Ab 1987 än<strong>der</strong>te sich unter dem<br />

Vorzeichen <strong>der</strong> AIDS-Prävention die Indikationspraxis radikal: Abschaffung des<br />

Indikationsarztes und deutliche Lockerung <strong>der</strong> Zugangskriterien zu den<br />

Substitutionsprogrammen. Ende 1987 wies <strong>der</strong> Kanton Zürich deshalb beinahe eine<br />

Verdoppelung <strong>der</strong> Methadonbezüger auf ca. 600, Ende 1993 noch einmal eine<br />

Vervierfachung auf rund 2500 aus. Diese Klientel ist zur Zeit überwiegend zwischen 23 und<br />

27 Jahre alt, hat vorangegangene Entgiftungs- o<strong>der</strong> Entwöhnungsversuche hinter sich und<br />

weist starke Tendenzen zur Polytoxikomanie auf.<br />

Verkehrsmedizinische Beurteilung<br />

[nach oben]<br />

Nach gängiger Zürcher Praxis wird ein sozial mehr o<strong>der</strong> weniger aufgefangener<br />

Methadonsubstituierter i. d. R. frühestens nach 6monatiger Stabilisierung im geregelten<br />

Programm unter <strong>der</strong> Auflage des Nachweises <strong>der</strong> Drogenabstinenz während vorerst weiterer<br />

6 Monate zur aktiven Verkehrsteilnahme zugelassen. Eine Alkoholabstinenz im<br />

Methadonprogramm ist zwar vorgesehen, wird jedoch nicht ausdrücklich im Sinne einer<br />

Auflage verlangt.<br />

1. Eignungsbegutachtungen<br />

Die Daten zur Fahreignungsabklärung sind das Ergebnis einer retrospektiven Auswertung<br />

von 293 Fällen, die im Zeitraum von 1987 bis 1992 am Institut für <strong>Rechtsmedizin</strong> <strong>der</strong><br />

Universität Zürich im Auftrage <strong>der</strong> Administrativbehörde untersucht bzw. begutachtet<br />

wurden. Die Kontrollperiode beträgt minimal 1 1/2, maximal 7 1/2 Jahre. Angaben zur<br />

Dauer <strong>der</strong> Methadonsubstitution bzw. zur Methadondosis beziehen sich auf den Zeitpunkt<br />

<strong>der</strong> Untersuchung bzw. Begutachtung.<br />

Entsprechend <strong>der</strong> geän<strong>der</strong>ten Substitutionspraxis zeigt sich ein deutlicher Anstieg <strong>der</strong><br />

Fahreignungsbegutachtungen Methadonsubstituierter ab 1987. Seit 1988 erfolgen jährlich<br />

durchschnittlich 52 Begutachtungen. Rund 30 % <strong>der</strong> Begutachtungen werden primär<br />

lediglich anhand therapeutischer Zeugnisse vorgenommen, davon ca. 17 % aus<br />

unterschiedlichen Gründen (ungenügende Zeugnisse, Zweifel etc.) schliesslich aber doch<br />

noch zur Untersuchung an unser Institut aufgeboten. Gut 75 % <strong>der</strong> administrativ erfassten<br />

Methadonbezüger werden demnach nicht nur durch unsere Verkehrsmedizinische Abteilung<br />

begutachtet son<strong>der</strong>n selbst untersucht.<br />

Von den im genannten Zeitraum insgesamt begutachteten 293 Methadonsubstituierten<br />

wurden ca. 28 % als ungeeignet abgelehnt und ca. 67 % konnten unter den angegebenen<br />

Auflagen befürwortet werden. Bei ca. 5 % war keine verbindliche Stellungnahme möglich.<br />

Zum Vergleich: 1992, also in einem Jahr, wurden insgesamt 254 Drogenkonsumenten<br />

begutachtet, 114 (45 %) zugelassen, 140 (55%) abgelehnt.


Von den mit Auflagen befürworteten ca. 67 % (196 Substituierte) wurden im weiteren<br />

Verlauf bis im Juli 1994 insgesamt ca. 45 % (87) wie<strong>der</strong>um aktenkundig auffällig. Etwa 41<br />

% blieben bis dahin unauffällig und über etwa 14 % ist <strong>der</strong> weitere Verlauf nicht eruierbar.<br />

Die 87 erneut aktenkundigen Methadonsubstituierten fielen zu ca. 1/4 v. a. wegen massvien<br />

Geschwindigkeitsübertretungen, selten wegen an<strong>der</strong>en Fahrfehlern jedoch ohne festgestellte<br />

Beteiligung von Drogen o<strong>der</strong> Alkohol auf. In ca. 45 % erfolgte eine erneute Rapportierung<br />

wegen Drogenkonsum bzw.handel o<strong>der</strong> medizinische Auflagen wurden nicht eingehalten.<br />

Etwa 20 % fuhren unter Drogeneinfluss (Mischkonsum) o<strong>der</strong> in angetrunkenem Zustand. Bei<br />

diesen 20 % liegt in fast allen Fällen (15 von 17) eine Alkoholisierung über 0,8<br />

Gewichtspromill vor, i. d. R. zwischen 1 und 2 Gewichtspromill. Die meisten Rückfälle bzw.<br />

Auffälligkeiten - insgesamt 51 o<strong>der</strong> ca. 62 % - erfolgten zwischen 7 und 30 Monaten nach<br />

<strong>der</strong> Zulassung.<br />

Gegen 96 % aller beurteilter Substituierter (280 Personen) waren zur Zeit <strong>der</strong> Untersuchung<br />

zwischen 19 und 35 Jahre alt, ca. 63 % (184 Personen) zwischen 22 und 29. Gut 35 % aller<br />

Beurteiler waren zwischen 26 und 29 Jahre alt . Die verkehrsmedizinisch beurteilten<br />

Substituierten sind damit im Schnitt etwas älter als die überwiegende Mehrheit aller Zürcher<br />

Methadonbezüger. Von den 87 erneut Auffälligen waren 57 o<strong>der</strong> ca. 66 % zwischen 22 und<br />

29 Jahre alt. Ca. 34 % aller Auffälligen zählten zwischen 26 und 29 Jahre. Somit sind die<br />

erneut Auffälligen nur geringfügig jünger als die Gesamtheit <strong>der</strong> beurteilten<br />

Methadonsubstituierten. Mit ca. 21 % Frauen lies sich ebenso kein geschlechtsspezifisches<br />

Überwiegen unter den erneut Auffälligen feststellen, da <strong>der</strong> Frauenanteil an den insgesamt<br />

293 untersuchten Personen gleich hoch ist.<br />

Etwa 75 % <strong>der</strong> Substituierten befand sich zur Zeit <strong>der</strong> Untersuchung bzw. Beurteilung bis zu<br />

18 Monate in einem Methadonprogramm. Bei den Zugelassenen betrug dieser Prozentsatz<br />

rund 72, bei den Rück bzw. Auffälligen etwa 71. Diese letztgenannten Zahlen sind etwas<br />

tiefer, da <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> in den ersten 6 Monaten Therapiedauer Abgelehnten aus Gründen<br />

<strong>der</strong> Praxis höher ist.<br />

Die tägliche Methadondosis lag bei <strong>der</strong> Gesamtheit <strong>der</strong> Substituierten in 73 % zwischen 16<br />

und 60 mg bzw. in 56 % zwischen 21 und 50 mg. Bei den Zugelassenen betragen die<br />

Prozentzahlen 72 bzw. 53. Für die Rückfälligen gelten 70 bzw. 57 % und für die<br />

Abgelehnten 74 % bzw. 62 %. Die Methadondosis liegt demnach in allen Fällen eher an <strong>der</strong><br />

unteren Grenze <strong>der</strong> empfohlenen mittleren täglichen Erhaltungsdosis, relevante Unterschiede<br />

zwischen den erneut Auffälligen und den an<strong>der</strong>en Gruppen lassen sich jedoch nicht<br />

feststellen.<br />

2. Fähigkeitsbegutachtungen<br />

[nach oben]<br />

Von 1987 bis 1993 wurden im Institut für <strong>Rechtsmedizin</strong> Zürich nur insgesamt 47 auffällige<br />

Verkehrsteilnehmer chemisch untersucht, bei denen in Blut und/o<strong>der</strong> Urin Methadon<br />

nachgewiesen werden konnte. Anlass dazu waren am häufigsten Kollisionen, seltener<br />

auffälliges Fahrverhalten, gelegentlich Routinekontrollen. Nur in ca. 45 % <strong>der</strong> Fälle wurde<br />

Methadon im Blut quantifiziert (nur Urin vorhanden, keine Bedeutung mehr beigemessen<br />

etc.). Von diesen 21 Untersuchungen lagen etwa die Hälfte unter 100 ng/ml Blut, die Hälfte<br />

darüber bis maximal 780 ng/ml. In sämtlichen näher untersuchten Fällen konnten jedoch<br />

mindestens eine, meistens jedoch zwei und mehrere an<strong>der</strong>e chemische Substanzen in<br />

relevanten Konzentrationen zusätzlich nachgewiesen werden, häufig Alkohol (13mal),<br />

Benzodiazepine, Opiate, Cannabis und Kokain.


Schlussfolgerungen<br />

Von den Methadonsubstituierten im Kanton Zürich werden pro Jahr zur Zeit nur rund 2 %<br />

verkehrsmedizinisch hinsichtlich ihrer Fahreignung und höchstens 3 %o (unbekannter Anteil<br />

illegaler Methadoneinnahmen) hinsichtlich <strong>der</strong> <strong>Fahrfähigkeit</strong> beurteilt. Wie gross <strong>der</strong> Anteil<br />

<strong>der</strong> verkehrsadministrativ nicht erfassten Führerausweisbesitzer in Methadonprogrammen ist,<br />

lässt sich mangels Meldepflicht nicht eruieren. Aus unserem Einzugsgebiet sind nur wenige<br />

Einzelfälle verkehrsauffälliger Lenker , bei denen nur die Einnahme von Methadon<br />

nachgewiesen werden konnte, bekannt. Dies sollte jedoch keinesfalls zum Leichtsinn im<br />

Umgang mit Methadon verführen. Wie an<strong>der</strong>e Opioide und Opiate kann Methadon nicht nur<br />

u. a. aufgrund seiner atemdepressiven Wirkung eine tödliche Vergiftung herbeirufen,<br />

son<strong>der</strong>n es entfaltet auch verkehrsrelevante Störungen wie Sedierung,<br />

Stimmungsschwankungen, Pupillenverengungen, Wahrnehmungsstörungen,<br />

Beeinträchtigung <strong>der</strong> Reaktionsgeschwindigkeit, des Reaktionsvermögens und auch <strong>der</strong><br />

Konzentrationsfähigkeit usw. Wie zwei unter Methadoneinfluss erfolgte Verkehrsunfälle<br />

lei<strong>der</strong> drastisch vor Augen führen, darf die Methadonwirkung verkehrsmedizinisch nicht<br />

unterschätzt werden. Wie beide Fälle aber auch zeigen, ist die geordnete Durchführung <strong>der</strong><br />

Methadonsubstitution und die seriöse verkehrsmedizinische Abklärung in solchen Fällen<br />

entscheidend. Sind diese Rahmenbedingungen erfüllt, so stellt Methadon nach erfolgter<br />

pharmakologischer und psychosozialer Angewöhnung bzw. Toleranzbildung unseres<br />

Erachtens keine erhöhte Gefährdung im Strassenverkehr mehr dar. Dies gilt nicht für die sog.<br />

nie<strong>der</strong>schwelligen o<strong>der</strong> unregelmässigen Methadonabgaben und die Methadonabgaben bei<br />

toleriertem Mischkonsum. Aktiv zum Strassenvekehr zugelassen werden kann nur jener<br />

Methadonsubstiuierte, <strong>der</strong> sich einer steten Kontrolle zu unterziehen bereit ist und <strong>der</strong> sich<br />

demzufolge auch sozial stabilisiert. Alle an<strong>der</strong>en Methadonbezüger eignen sich nicht als<br />

Fahrzeugführer.<br />

Kokain<br />

[nach oben]<br />

Kokain wird schnell in seine Abbauprodukte umgewandelt. Die Wirkung tritt innert Minuten<br />

ein, hält intensiv nur für ca. 1/2 Stunde an und ist nach einigen Stunden in <strong>der</strong> Regel<br />

abgeklungen. Im Vor<strong>der</strong>grund stehen Euphorisierung, Hemmungsabbau und<br />

Aggressionssteigerung. Halluzinationen taktiler und optischer Art können auftreten. Neben<br />

einer Steigerung <strong>der</strong> Pulsfrequenz sind insbeson<strong>der</strong>e weite, reaktionslose Pupillen ein starkes<br />

Indiz für das Vorhandensein von Kokain im Körper. Chronischer Kokainkonsum kann zu<br />

Antriebsstörungen, Rastlosigkeit und Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Persönlichkeitsstruktur führen.<br />

Daneben werden Konzentrationsstörungen, Psychosen, paranoide Erlebnisse,<br />

Halluzinationen und ein auffallendes Desinteresse an sich selbst und <strong>der</strong> Umwelt gegenüber<br />

beobachtet. Im Vor<strong>der</strong>grund stehende Entzugssymptome sind schwere Depressionen mit<br />

Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Vernachlässigung. Krampfanfälle unter Entzug werden<br />

häufig beobachtet.<br />

Übermüdung<br />

Unter Schlafentzug ist beim vorgängig Ausgeruhten ab ca. 20 Stunden eine deutliche<br />

Stimmungsdämpfung, Vermin<strong>der</strong>ung des Antriebs und Reizbarkeit festzustellen, er ist


übermüdet. Die intellektuelle Leistungsfähigkeit an sich ist nicht beeinträchtigt, wohl aber<br />

die Konzentrationsfähigkeit. Es folgen typische Denkstörungen, hauptsächlich Abschweifen<br />

vom <strong>Thema</strong>, Ideenflucht und Verzögerung von Antworten. Solche Störungen treten<br />

vorwiegend nachts auf. Übermüdung kann zu einer Reihe von körperlichen Beschwerden<br />

wie Magenschmerzen, Durchfall o<strong>der</strong> Verstopfung, Übelkeit, Brechreiz und Schwächegefühl<br />

führen. Von <strong>der</strong> dritten schlaflosen Nacht an wurden in Versuchen gehäuft wahnhafte<br />

Reaktionen festgestellt, auch bei Personen, die sonst psychisch unauffällig waren. Die<br />

Reaktionszeiten werden beim Übermüdeten allgemein verlängert und beginnen wegen<br />

plötzlicher Ausfälle (sog. Lapses) zufolge kurzer Schlaf o<strong>der</strong> schlafähnlicher Perioden<br />

ausgeprägt zu schwanken. Reaktionen auf kritische Reize werden zunehmend ausgelassen,<br />

die Bearbeitungszeiten für Aufgaben nehmen stark zu. Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung ist die<br />

Beobachtung, dass es beim willensstarken Übermüdeten trotz tagelangem Schlafentzug<br />

schwierig ist, im Testverhalten Unterschiede gegenüber ausgeruhten Personen festzustellen.<br />

Gesundheitliche Störungen<br />

Gesundheitliche Störungen spielen in Fragen <strong>der</strong> <strong>Fahrfähigkeit</strong> dann eine Rolle, wenn sie mit<br />

(akuten) Bewusstseinsverän<strong>der</strong>ungen einhergehen. Krankheiten, die zu synkopalen<br />

Bewusstseinsstörungen am Steuer führen können, sind vielfältig (Herzerkrankungen,<br />

Lungenkrankheiten, Stoffwechselstörungen, neurologische Störungen etc.). Das bekannt<br />

gewordene Auftreten solcher gesundheitlicher Störungen zieht in den allermeisten Fällen die<br />

administrative Abkärung <strong>der</strong> weiteren Fahreignung nach sich.<br />

[nach oben]<br />

Dieses Dokument kommt von IRM Zuerich<br />

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