Programmheft - Heimat.de
Programmheft - Heimat.de
Programmheft - Heimat.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
einführung<br />
als gefährlich eingestuft. dass schiller überdies vom französischen nationalkonvent<br />
aufgrund seines in vielen Publikationen <strong>de</strong>utlich gewor<strong>de</strong>nen<br />
Bekenntnisses zu freiheit und humanität 1792 zu einem »citoyen français«<br />
ernannt wor<strong>de</strong>n war, verschärfte die situation nur noch: erst nach 1808<br />
gelangten schillers Werke wie<strong>de</strong>r auf die spielpläne <strong>de</strong>r Wiener theater<br />
zurück, dann allerdings mit großer resonanz und anhalten<strong>de</strong>m erfolg.<br />
im zweiten Jahrzehnt <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts rückte schiller auch wie<strong>de</strong>r<br />
verstärkt in Beethovens Bewusstsein. 1812, auf <strong>de</strong>m Zenit seines öffentlichen<br />
erfolgs, trug Beethoven sich mit Plänen für eine Konzert-Ouvertüre,<br />
in die er <strong>de</strong>n text von schillers An die Freu<strong>de</strong> einbeziehen wollte: das Projekt<br />
blieb jedoch, wie an<strong>de</strong>re Vorhaben auch, unausgeführt. Zur selben Zeit<br />
begann er auch, kurz nach <strong>de</strong>r Beendigung seiner bei<strong>de</strong>n sinfonien nr. 7<br />
und nr. 8 mit <strong>de</strong>r arbeit an einem neuen Werk dieser gattung. Bis zur<br />
uraufführung <strong>de</strong>r 9. sinfonie, die nur sehr allmählich gestalt annahm,<br />
sollten ein dutzend Jahre vergehen. Verschie<strong>de</strong>ne Vorhaben schoben sich<br />
dazwischen, etwa die vier letzten Klaviersonaten, die Diabelli-Variationen<br />
o<strong>de</strong>r die Missa solemnis, die zu immer größeren dimensionen anwuchs. Beethoven<br />
notierte in seinen skizzenbüchern zwar diverse einfälle, die jedoch<br />
allenfalls umrisse <strong>de</strong>r später verwen<strong>de</strong>ten themen und Motive erkennen<br />
lassen. einen vorübergehen<strong>de</strong>n schub erfuhren seine kompositorischen<br />
aktivitäten 1817, als ihn auf Vermittlung seines ehemaligen schülers ferdinand<br />
ries ein ehrenvolles angebot <strong>de</strong>r londoner Philharmonic society<br />
Schillers O<strong>de</strong> hat Beethoven über<br />
einen längeren Zeitraum begleitet,<br />
von <strong>de</strong>n späten 1780er Jahren bis<br />
zur Vollendung <strong>de</strong>r 9. Sinfonie.<br />
einführung<br />
erreichte: Zwei »große symphonien« solle er für die gesellschaft schreiben,<br />
zur einstudierung und aufführung wäre es überdies schön, wenn <strong>de</strong>r<br />
Komponist selbst die reise in die englische Metropole antreten könne.<br />
Beethovens interesse ist geweckt: für <strong>de</strong>n Januar 1818 kündigt er die<br />
fertigstellung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n gewünschten Werke an, auch nach london möchte<br />
er gerne kommen. in<strong>de</strong>s, die Pläne zerschlagen sich: nicht einmal eine<br />
sinfonie liegt zu diesem Zeitpunkt in Partiturform vor, die fahrt über <strong>de</strong>n<br />
Kanal wird er we<strong>de</strong>r jetzt noch irgendwann später unternehmen – statt<strong>de</strong>ssen<br />
vergräbt sich Beethoven, gehandicapt durch sein immer weiter<br />
voranschreiten<strong>de</strong>s gehörlei<strong>de</strong>n, in gesellschaftlicher isolation und kultiviert<br />
zugleich sein außenseitertum.<br />
gleichwohl arbeitet es in ihm: fortgesetzt sammelt er neue i<strong>de</strong>en, die<br />
nach und nach zu einer Konzeption zusammengefügt und verdichtet<br />
wer<strong>de</strong>n. neuorientierungen bleiben dabei nicht aus, was angesichts <strong>de</strong>r<br />
ungewöhnlich langen Planungs- und entwicklungsphase kaum verwun<strong>de</strong>rlich<br />
ist. nach Jahren scheinbaren stillstands kristallisieren sich die Konturen<br />
<strong>de</strong>s ganzen erst 1822/23 heraus: Mit <strong>de</strong>m weitreichen<strong>de</strong>n entschluss,<br />
im finale Vokalsolisten und Chor mit schillers O<strong>de</strong> An die Freu<strong>de</strong> zum<br />
Orchester hinzutreten zu lassen.<br />
hier treffen sich zwei linien von Beethovens gestaltungswillen. Zum<br />
einen hatte er sich seit inzwischen mehr als drei Jahrzehnten wie<strong>de</strong>rholt<br />
mit schillers gedicht beschäftigt und eine Vertonung erwogen, zum an<strong>de</strong>ren<br />
war es ihm im Zuge <strong>de</strong>r arbeit an seiner künstlerisch ausgesprochen<br />
ambitionierten 9. sinfonie offensichtlich bewusst gewor<strong>de</strong>n, dass er dieses<br />
hinsichtlich seines umfangs und seines gehalts so außergewöhnliche Werk<br />
nicht mit einem konventionellen »Kehraus«-finale – und sei es noch so<br />
virtuos – ausklingen lassen konnte.<br />
um diesen letzten satz hat Beethoven buchstäblich gerungen. nach<strong>de</strong>m<br />
er zunächst an eine rein instrumentale lösung dieses »finalproblems«<br />
(mit <strong>de</strong>m er bereits in seinen vorangegangenen sinfonien konfrontiert wor<strong>de</strong>n<br />
war) dachte, griff er zu <strong>de</strong>m aus <strong>de</strong>r sicht <strong>de</strong>r Zeitgenossen reichlich