Programmheft - Eugen Onegin - Theater Nordhausen
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USSLAND ANFANG DES 19. JAHrHUNDErTS<br />
von Anja Eisner<br />
Als Alexander Puschkin 1823 die Verluste gebracht.<br />
ersten Verse für „<strong>Eugen</strong> <strong>Onegin</strong>“ Die außenpolitischen Erfolge bedeu-<br />
zu dichten begann, hatte Russland teten für das Leben des russischen<br />
aufregende Jahre als Macht in Europa Volkes nichts Erfolgreiches. Alexan-<br />
hinter sich, ohne jedoch viel westeuders Nachfolger Nikolai I. (1825–1855)<br />
ropäisches Denken ins eigene Gedan- ließ sich auf keine Veränderungen<br />
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kengut zu übernehmen.<br />
Peter I., der von 1682 bis 1721 herrschein.<br />
Nach außen wirkte das Land<br />
stark, nach innen zeigte der Zar sich<br />
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te, hatte noch eine bewusste Öffnung stark autokratisch, führte sogar eine<br />
betrieben, indem er den Bau von Geheimpolizei ein. Gegen ihn richtete<br />
Großbetrieben förderte, Privatunter- sich 1825 der Dekabristenaufstand,<br />
nehmen unterstütze, das Schulwe- mit dem Puschkin sympathisierte.<br />
sen reformierte, die Akademie der Liberal gebildete Adlige verweiger-<br />
Wissenschaften gründete, das Tragen ten Nikolai I. den Eid, verlangten die<br />
von Bärten und altrussischer Kleidung Aufhebung der Leibeigenschaft und<br />
besteuerte und St. Petersburg als der Zensur sowie die Errichtung einer<br />
bewusst europäische Stadt grün- konstitutionellen Macht. Sie wurden<br />
dete. Katharina II., die 1796 starb, gehenkt oder nach Sibirien verbannt,<br />
führte die Öffnung weiter, indem sie wo sie noch heute hohes Ansehen ge-<br />
einerseits mit ihrem Land expandierte nießen, da sie Bildung und westliche<br />
und andererseits die Ansiedlung Kultur dorthin brachten.<br />
von Ausländern bewusst förderte. Während das Volk über eine reiche<br />
Das Gedankengut der französischen kulturelle Tradition verfügte, existierte<br />
Revolution allerdings flößte den rus- eine russische Nationalliteratur im<br />
sischen Zaren Angst ein. Studien im eigentlichen Sinne bis zu „<strong>Eugen</strong><br />
Ausland wurden verboten, Ausländer <strong>Onegin</strong>“ nicht. Der Journalist Michael<br />
überwacht, Zensur eingeführt. Wech- Schischkin schrieb 2004: „Bis hin zu<br />
selnd schlug man sich Anfang des Puschkin arbeiteten mehrere Gene-<br />
19. Jahrhunderts auf die verschierationen von Dichtern ein Instrumendenen<br />
Seiten der europäischen tarium für die Literatur aus, schufen<br />
Kriege, um den russischen Einfluss eine Sprache, die die Vorstellungen,<br />
auf dem Kontinent zu bewahren und Bilder, Begriffe und Nuancen einer<br />
westliche Ideen nicht nach Russland neuen, aus dem Westen kommenden<br />
zu lassen. Als Napoléon I. 1812 die und dem russischen mittelalterlichen,<br />
Grenzen zum russisch beanspruchten totalitären Bewusstsein entgegenge-<br />
Galizien übertrat, erklärte Zar Alexansetzte Lebensweise und Gedankender<br />
I. eine Bedrohung der orthodoxen welt auszudrücken vermochte.“ Erst<br />
Religion durch Napoléon und rief ei- Puschkin kam über das Imitieren<br />
nen „Heiligen Krieg“ aus. Den konnte hinaus und schuf ein eigenständiges<br />
Russland zwar gewinnen und beim Werk, mit dem er über Vorbilder wie<br />
Wiener Kongress 1815 eine führende die Byron’schen Helden hinausging<br />
Rolle bei der Neuaufteilung Europas und die russische Schriftsprache<br />
spielen, doch über sein eigenes Land revolutionierte.<br />
hatte Alexander mit diesem Krieg<br />
unendliches Leid durch gewaltige<br />
Impression aus der Schneiderei – ein Kostüm Olgas und Lenskis