17.10.2012 Aufrufe

Erzählungen

Erzählungen

Erzählungen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ma halt auch sein“ –, versonnen blickte er in die<br />

Ferne, fand sogleich den richtigen Ton für die wüste<br />

Popelmannfigur. „Alsdann, Fräuln Sali“, begann er<br />

gewandt und plusterte animiert seinen Schnurrbart,<br />

„alsdann, wie war denn der Meister, der herr<br />

von Beethoven?“<br />

„War kein Meister“, murmelte bös die Alte. „Is nix<br />

als a Musikant gwest … a Bratlgeiger … und zwoa<br />

Klafier ohne Füß hat er ghabt, und an halben Tag<br />

hat er mit an Prügel auf an Tisch getrischakt, dass<br />

mir ane Kündigung nach der andern kriegt ham,<br />

und i hab die Arbeit ghabt … weil ’s wahr is …“<br />

Wir sahen uns verstört an.<br />

„haben S’ koane Brief von eam?“, erkundigte<br />

sich der mit allen Salben geschmierte hofrat, der<br />

sich unter dem herumliegenden Dreck sichtlich<br />

wohl fühlte. „hat der Selige Ihnen nie alte Stiefel<br />

gschenkt … oder sonst was zum Abtragen? …<br />

koane gattiahosn für’n Winter? Denken S’ gut<br />

nach, Fräuln Sali!“<br />

Dann zu mir gewendet: „O mei! grad nur oane<br />

gattiahosn vom Olympier, wann i hätt … was die<br />

wert wär … i hätt ausgsorgt, hätt ausgsorgt …“<br />

„no, und wie war Er denn, so im Verkehr?“, wollte<br />

ich wissen.<br />

Die himmelfreundspointner blickte mich lange<br />

blutig an. Dann kam es dumpf von den lippen der<br />

Alten: „A rechter grausliger grantscherbn is er<br />

gwesn …“<br />

Das war das letzte Wort, das man aus ihr herausbrachte.<br />

Dann versank sie in mürrisches Schweigen.<br />

Onkel Tonis verpatzter<br />

heiliger Abend<br />

In München lebte – bis er den nazis auswich – ein<br />

recht merkwürdiger alter herr, der in weiten Kreisen<br />

als der Onkel Toni bekannt und beliebt war. Er<br />

war ein Mann von einzigartigem Wissen auf allen<br />

gebieten des Antiquitätenwesens, und gelehrte aus<br />

der ganzen Welt kamen um rat zu ihm, wenn es<br />

sich um recht verzwickte Fragen handelte, wie etwa,<br />

ob er Flugschriften aus dem rokoko über Wanzenvertilgung<br />

habe, oder ob nürnberg oder Augsburg<br />

die besseren Meister der Klistierspritzenerzeugung<br />

gehabt habe. Auf allen gebieten abstrusen Wissens<br />

war er beschlagen, und er stellte auch sein Wissen<br />

als echter Patriot ratlosen Musealbehörden in<br />

selbstlosester Weise zur Verfügung.<br />

Einmal kam ich anfangs des Faschings nach<br />

München, und einer meiner ersten gänge war zum<br />

lieben alten Freund, dem allverehrten Onkel Toni.<br />

Als mir seine alte haushälterin, Fräulein Mitzi, öffnete,<br />

war ihr erstes Wort: „Jessas! Sie san’s … Sie<br />

san da? na so was … sagen S’ um alles in der Welt<br />

1 4 1

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!