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Erzählungen

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nit, dass derselbige schlöcht ausschaugt … naa,<br />

waren dös heier Woihnachten …“, und die wackere<br />

Matrone – emeritierte Pfarrersköchin – begann zu<br />

schluchzen.<br />

„Was hat’s denn geben?“, fragte ich besorgt.<br />

„Eingspirrt ham s’ eam … am heiligen Abend …<br />

im Kotter is derselbige geschmaachtet …“, und die<br />

Matrone ersoff förmlich in rotz und Tränen.<br />

„Warum denn?“, fragte ich besorgt.<br />

„Wögen Verlötzung der Sittlichkeit … zwegn am<br />

effentlüchen Örgerniss …“ Sie röhrte laut auf.<br />

Ehe ich mich von meinem Schreck erholen<br />

konnte, schlürfte schon müden Fußes „Derselbige“<br />

– wohl neugierig wegen des röhrens – in die Küche,<br />

die auch hier, wie bei allen leuten, die auf Bürgersinn<br />

und Tugend hielten, als Vorzimmer diente, begrüßte<br />

mich tränenden Auges, sichtlich gebrochen,<br />

und wackelte neugierig, aber auch vorwurfsvoll mit<br />

dem Schnurrbart.<br />

Übrigens trug er – wie immer zuhause – den historischen<br />

Fez des seligen nietzsche, der schon diesem<br />

Verewigten so schändlich gestanden.<br />

Pikiert fing Onkel Toni an: „Dass d’ a wieder<br />

amal da bist …? Bist sicher schon lang da? Dass<br />

d’ ieberhaupt noch zum armen, alten Onkel Toni<br />

schaugst … weil er gar so im Dröckh sitzt.“<br />

„Sozusagen mein erster gang ist zu dir“, antwortete<br />

ich dem misstrauischen greis. „Bin vorgestern<br />

eingetroffen.“<br />

Ein trauriger Blick voll von zweifel traf mich.<br />

Seufzend setzte Toni hinzu: „So, so. und vor 14 Täg<br />

bist gsehn worden, wie du mit einer stadtbekannten<br />

Scheenheit, einer stadtbekannten, in oan Oinspänner<br />

die ludwigstraßn auf und ab gefahrn bist …<br />

zwoamal. Vom Balled oane … mir war s’ z’moocher.“<br />

Er mümmelte wegwerfend.<br />

„Onkel Toni … unmöglich. Wo ich erst kommen<br />

bin!“<br />

„Ja. Ja. Weil i an armer alter Maan bin, den ’s<br />

Schicksal wieder oanmal schön z’sammprackt hat, …<br />

z’sammprackt hat … kommst nit zu mir … und mit<br />

an Balledschmötterling bist gfahrn … oane mit nackete<br />

haxen … aber, dass d’ amal in ormen, alten,<br />

gränklichen Onkel Toni schbaziern fahrst – das fallt<br />

dir nit ein, wo i a frische luft so neetig hett …“<br />

„Warum gehst denn nit spaziern?“, replizierte<br />

ich.<br />

„I …? Schbaziern gehn? naa. Dass s’ mi am End<br />

wieder haschen … naa … A prennts Kind firchtet<br />

es Feier.“ und unwirsch drehte er sich um. „Du<br />

hast halt weder a herz noch a Ideal … du mit deine<br />

mopsnaseten Madeln.“ Seine Miene war streng, als<br />

er mich wieder anblickte.<br />

„Also, was ist dir gschehn?“, wollte ich endlich<br />

wissen. „Was soll das heißen: haschen?“<br />

Bevor er mit der Sprache herausrückte, schüttelte<br />

er lang und vorwurfsvoll den Kopf. Dann fing er an:<br />

„Dees warn Weihnachten … dees warn ihrer. Stell<br />

dir vor … du woaßt, dass i meine ganze freie zeit<br />

dem gemeinwohl opfere … dem Vatterland.“ hier<br />

erhob er mit wichtiger gebärde das gesicht zum<br />

himmel, und eine Träne glänzte im Auge. „na, und<br />

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