Roma in Montenegro
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<strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong><br />
1. Gruppenbezeichnungen<br />
2. Sprache<br />
3. Statistik und Demographie<br />
4. Siedlungsgebiet und -schwerpunkte<br />
5. Siedlungs- und Gruppengeschichte<br />
6. Religion, konfessionelle Struktur<br />
7. Politische und kulturelle Selbstorganisation<br />
8. Schulwesen<br />
9. Medien<br />
1<br />
In <strong>Montenegro</strong> werden die <strong>Roma</strong> von der Mehrheitsethnie meist als Cigani (E<strong>in</strong>zahl: Cigan<strong>in</strong>/Ciganka)<br />
bezeichnet, was zwar mit „Zigeuner“ übersetzt werden kann, <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong><br />
unter der Mehrheitsbevölkerung aber nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e pejorative Konnotation <strong>in</strong> sich<br />
trägt. Beide Wörter, das serbische Cigan<strong>in</strong> und das deutsche Zigeuner s<strong>in</strong>d vermutlich Ableitungen<br />
des griechischen Begriffes Athigganien („nicht anfassen“). E<strong>in</strong>er anderen Theorie<br />
nach entwickelte sich das Wort Zigeuner aus dem Alttürkischen und wurde ursprünglich verwendet<br />
um die „armen Leute“ oder „Menschen ohne Besitz“ zu bezeichnen. (Marko D. Knudsen:<br />
Geschichte der <strong>Roma</strong>) Allerd<strong>in</strong>gs ist die Herkunft des Begriffes nach wie vor ungeklärt,<br />
und neben den genannten Theorien existieren noch weitere ebenfalls plausible Erklärungen.<br />
In Europa wurde der Begriff vermutlich zum ersten Mal vor etwa tausend Jahren verwendet<br />
um das <strong>Roma</strong>-Volk zu bezeichnen, was zweifellos auf e<strong>in</strong>e schon damals existierende große<br />
ethnische Distanz zwischen dem „Nomadenvolk“ und se<strong>in</strong>er neuen Umgebung h<strong>in</strong>weist.<br />
Traditionell wurden die <strong>Roma</strong>, die auf dem Territorium Altmontenegros seßhaft waren und<br />
sich wie auch die Mehrheitsethnie zum orthodoxen Christentum bekannten, um sie von anderen<br />
<strong>in</strong> der Region lebenden Nomadenvölkern unterscheiden zu können, nach ihrem vermuteten<br />
Ursprungsland als Ägypter (E<strong>in</strong>zahl: Jeđupac/Jeđupka; später auch Egipćan<strong>in</strong>/<br />
Egipćanka; Mehrzahl: Jeđupci; bzw. Egipćani) oder nach ihrem ausgeübten Beruf als „Meister“<br />
(majstor) bezeichnet. Diese Bezeichnung beruhte auf der falschen Annahme, dass e<strong>in</strong><br />
Teil der <strong>Roma</strong>-Volksgruppe, deren Migrationsweg durch Ägypten führte, ursprünglich auch<br />
aus diesem Land stammt.<br />
Die ethnische Gruppe bezeichnet sich selbst als Romi (E<strong>in</strong>zahl: Rom/ Romk<strong>in</strong>ja), und wird <strong>in</strong><br />
den offiziellen Dokumenten unter dem gleichen kollektiven Namen (Romi) erwähnt. Die Bezeichnung<br />
wurde aus dem <strong>Roma</strong>ni, der Sprache der <strong>Roma</strong>, übernommen, und trägt e<strong>in</strong>e<br />
Bedeutung, die am besten mit „Menschen“ oder „Leute“ <strong>in</strong>s Deutsche übersetzt werden<br />
kann. In <strong>Roma</strong>ni bezeichnete man früher e<strong>in</strong>en Mann bzw. e<strong>in</strong>en Menschen als Rom (auch<br />
Rrom), e<strong>in</strong>e Frau als Romni (auch Rromni).<br />
Für die M<strong>in</strong>derheit der <strong>Roma</strong> ist heute ohne Zweifel die politische Konnotation des Begriffs<br />
<strong>Roma</strong> noch viel wichtiger als se<strong>in</strong>e Denotation. Der Begriff <strong>Roma</strong> zeugt von den zunehmenden<br />
Bemühungen der M<strong>in</strong>derheit, sich für ihre Rechte e<strong>in</strong>zusetzen. Da der Begriff Zigeuner<br />
seit Jahrhunderten mit Vorurteilen behaftet war, beschlossen die <strong>Roma</strong> 1971 auf e<strong>in</strong>em<br />
Weltkongress, sich selbst nicht als Zigeuner, sondern als <strong>Roma</strong> bezeichnen zu lassen.<br />
2<br />
Weil sich die Sprache der <strong>Roma</strong>-M<strong>in</strong>derheit (<strong>Roma</strong>ni, <strong>Roma</strong>ni chib, <strong>Roma</strong>nes) stark von der<br />
Sprache der Mehrheitsethnie unterscheidet, dient sie e<strong>in</strong>erseits als stark homogenisierender<br />
Faktor <strong>in</strong>nerhalb der ethnischen Gruppe, andererseits trägt dies zur Abgrenzung der Gruppe
ei. Die Interferenz zwischen dem <strong>Roma</strong>nes und dem Serbischen ist als sehr ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>zuschätzen.<br />
<strong>Roma</strong>nes ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dogermanische Sprache, die sich vermutlich aus dem alt-Punjabi, der<br />
Sprache der <strong>in</strong>dischen Punjab-Region entwickelte, und nach Europa im Mittelalter gebracht<br />
wurde. Die Dialekte des <strong>Roma</strong>nes weisen viele Ähnlichkeiten mit den heute <strong>in</strong> Indien gesprochenen<br />
Sprachen der Regionen Dardi, Kafistran und H<strong>in</strong>dukush, die sich alle aus dem<br />
Sanskrit ableiten lassen.<br />
Man vermutet, dass die griechischen Elemente im <strong>Roma</strong>nes auf Alexander den Großen zurückzuführen,<br />
der sich während se<strong>in</strong>er Eroberungen auch etwa vier Jahre <strong>in</strong> Indien und Pakistan,<br />
der Urheimat der <strong>Roma</strong>, aufhielt. Im Verlauf der Westmigration absorbierte die Sprache<br />
der <strong>Roma</strong> auch Elemente aus anderen Sprachen entlang des Migrationsweges.<br />
Bei der Volkszählung 2003 bekannten sich 2857 Bürger <strong>Montenegro</strong>s zu der <strong>Roma</strong>ni-<br />
Muttersprache. Drei Gruppen von <strong>Roma</strong> lassen sich unterscheiden (siehe Ethnogenese):<br />
Kovači (benannt nach dem Beruf des Schmieds), Mađupi (ebenfalls mit Schmied<br />
übersetzbar) und Gabelji (Zeltzigeuner). Während die Gruppe der Kovači Serbisch und<br />
<strong>Roma</strong>nes sprechen, die Mađupi Albanisch und <strong>Roma</strong>nes sprechen, verwenden die Gabelji<br />
am meisten <strong>Roma</strong>nes.<br />
3<br />
Die genaue Zahl der ethnischen <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> Montegro ist äußerst schwer zu ermitteln, zum e<strong>in</strong>en<br />
aufgrund der fortgeschrittenen Assimilation und der Neigung zum Ethnomimikri <strong>in</strong>nerhalb<br />
der montenegr<strong>in</strong>ischen Gesellschaft, zum anderen aufgrund der Existenz von biethnischen<br />
Ehen. Gleichzeitig tragen die im mer noch präsente ethnische Distanz, die zwischen<br />
dieser ethnischen M<strong>in</strong>derheit und der Mehrheitsethnie besteht und die zahlreichen negativen<br />
Stereotypen über die <strong>Roma</strong> zur häufigen Diskrim<strong>in</strong>ierung.<br />
In den offiziellen Statistiken blieben deshalb viele <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> den anderen ethnischen Gruppen<br />
der Region verborgen. Denn Montenegr<strong>in</strong>er, Muslime, und bei den früheren Statistiken auch<br />
Jugoslawen mussten nicht mit den immer noch präsenten, zahlreichen Vorurteilen gegen die<br />
<strong>Roma</strong> kämpfen. Man geht davon aus, dass die tatsächliche Anzahl der <strong>Roma</strong> die <strong>in</strong> den offiziellen<br />
Statistiken erfasste Größe um e<strong>in</strong> Vielfaches überschreitet.<br />
In den zwei Vorkriegsvolkszählungen 1921 und 1931 wurden nur die Religionszugehörigkeit<br />
und die Muttersprache erfasst, so dass die gesamte <strong>Roma</strong>-Population <strong>in</strong> der Kategorie „Konfession“<br />
(veroispovest) <strong>in</strong>nerhalb der Gruppen „orthodox“ (pravoslavna), „muslimisch“ (islamska<br />
bzw. muslimanska) und „andere, konfessionsfrei oder nicht bekannt“ (druge, bez<br />
konfesije i nepoznato) und <strong>in</strong> der Kategorie „Muttersprache“ <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe „serbisch<br />
oder kroatisch“ (po mater<strong>in</strong>jem jeziku: Srbi ili Hrvati) verborgen blieb.<br />
In der ersten Nachkriegsvolkszählung 1948 deklarierten sich nur 162 E<strong>in</strong>wohner der Republik<br />
<strong>Montenegro</strong> als ethnische <strong>Roma</strong>. Auch <strong>in</strong> den folgenden Volkszählungen blieb die Zahl<br />
der <strong>Roma</strong> konstant niedrig: 1953 waren es 230, 1961 sank die Zahl auf 183, 1971 bezeichneten<br />
sich 396 Personen als <strong>Roma</strong>. Erst 1981 stieg die Zahl der ethnischen <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong><br />
auf 1471, und 1991 waren <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong> den ofiziellen Statistiken nach 3282 <strong>Roma</strong><br />
seßhaft. Bei der neuesten Volkszählung 2003 äußerten sich jedoch nur 2875 Bürger <strong>Montenegro</strong>s<br />
als Angehörige der <strong>Roma</strong>-M<strong>in</strong>derheit. Die lokalen NGOs gehen dagegen von e<strong>in</strong>er<br />
Zahl zwischen 20000 und 28000 aus, davon sollten etwa 7000 <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> der Umgebung von<br />
Podgorica seßhaft se<strong>in</strong>. Dragoljub Acković, der Gründer und Vorsitzender von 1997 <strong>in</strong> Serbien<br />
gegründeten Kongresspartei der <strong>Roma</strong> (Romska kongresna partija, RKP) schätzt die<br />
tatsächliche Zahl der <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong> lebenden <strong>Roma</strong> auf etwa 30000.<br />
Die <strong>Roma</strong> s<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>zige M<strong>in</strong>derheit <strong>Montenegro</strong>s, deren offizielle Zahl seit den frühen<br />
neunziger Jahren sank. Diese zurückgehende Zahl ist ke<strong>in</strong>eswegs als Folge e<strong>in</strong>er niedrigen<br />
Geburtenrate zu sehen, sondern auf die oben genannten gesellschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
zurückzuführen. Im Vergleich zu anderen Volksgruppen <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong> s<strong>in</strong>d die <strong>Roma</strong> durch
e<strong>in</strong>en großen Anteil junger Menschen charakterisiert: etwa 40% der <strong>Roma</strong> s<strong>in</strong>d unter 14 Jahre<br />
und nur 4% s<strong>in</strong>d älter als 60 Jahre. Deswegen kann man mit Sicherheit davon ausgehen,<br />
dass die reale Zahl der <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> der Zukunft steigen wird. Die offiziellen Statistiken werden<br />
weiterh<strong>in</strong> von den gesellschaftlichen Tendenzen bee<strong>in</strong>flusst werden.<br />
Während und unmittelbar nach den Unruhen <strong>in</strong> Kosovo und der darauffolgenden NATO-<br />
Intervention 1999 mußten viele <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> das benachbarte <strong>Montenegro</strong> fliehen. Nach<br />
UNHCR-Angaben hielten sich 2002 <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong> etwa 6500 vertriebene <strong>Roma</strong> aus Kosovo<br />
auf. Die NGOs gehen von e<strong>in</strong>er zum<strong>in</strong>dest dreifachen Zahl aus. Dzoni Sichelschmidt vom<br />
<strong>Roma</strong>-Forum Göteborg wies während e<strong>in</strong>es 2003 <strong>in</strong> Belgrad vom Forum für ethnische Beziehungen<br />
(Forum za etničke odnose) organisierten Kolloquiums über die <strong>Roma</strong>-Rückkehr<br />
nach Kosovo darauf h<strong>in</strong>, dass dies „völlig unmöglich [sei], da ihre Häuser <strong>in</strong> Kosovo von den<br />
Albanern entweder niedergebrannt oder besetzt wurden.“<br />
4<br />
3500<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
<strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong>: Volkszählungen 1948-2003<br />
1948 1953 1961 1971 1981 1991 2003<br />
<strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong><br />
Etwa 90% der montenegr<strong>in</strong>ischen <strong>Roma</strong> leben <strong>in</strong> den größeren Städten und deren Vororten,<br />
vor allem <strong>in</strong> Podgorica (1542 Personen bzw. 53% der montenegr<strong>in</strong>ischen <strong>Roma</strong>-M<strong>in</strong>derheit),<br />
Nikšić (346 bzw. 12%) und Herceg Novi (2 90 bzw. 10%). Laut der Volkszählung von 2003<br />
s<strong>in</strong>d die <strong>Roma</strong> außerdem <strong>in</strong> noch zehn weiteren Geme<strong>in</strong>den: Bijelo Polje (146), Berane<br />
(133), Cet<strong>in</strong>je (131), Ulc<strong>in</strong>j (118), Bar (50), Budva (37), Kotor (36), Tivat (20), Rožaje (15)<br />
und Danilovgrad (11) seßhaft.<br />
In April 1995 sorgte das Schicksal der <strong>Roma</strong> von Danilovgrad für zahlreiche Schlagzeilen,<br />
nachdem dort e<strong>in</strong> vierzehnjähriges montenegr<strong>in</strong>isches Mädchen von zwei gleichaltrigen <strong>Roma</strong><br />
vergewaltigt wurde. Dies löste bei der lokalen Bevölkerung e<strong>in</strong>en Massenprotest gegen<br />
die <strong>Roma</strong> aus. Am folgenden Tag wurde deren Siedlung Glavica, e<strong>in</strong> Vorort von Danilovgrad,<br />
<strong>in</strong>s Brand gesetzt, und ihre Bewohner wurden vertrieben.
5<br />
Siedlungsgebiete der <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong> (Volkszählung 2003)<br />
Cet<strong>in</strong>je<br />
5%<br />
Herceg Novi<br />
10%<br />
Ulc<strong>in</strong>j<br />
4%<br />
Bar Bijelo Polje<br />
2% 5%<br />
Budva<br />
1%<br />
Danilovgrad<br />
0%<br />
Berane<br />
Kotor<br />
5%<br />
1%<br />
Podgorica<br />
53%<br />
Nikšić<br />
12%<br />
Rožaje<br />
1%<br />
Tivat<br />
1%<br />
Bar<br />
Bijelo Polje<br />
Budva<br />
Danilovgrad<br />
Berane<br />
Kotor<br />
Nikšić<br />
Rožaje<br />
Tivat<br />
Podgorica<br />
Ulc<strong>in</strong>j<br />
Herceg Novi<br />
Cet<strong>in</strong>je<br />
Über den Ursprung der <strong>Roma</strong> herrscht bis heute ke<strong>in</strong> Konsensus. Mangels historischer Quellen<br />
lässt sich die Ethnogenese nur über die l<strong>in</strong>guistische Analyse der im <strong>Roma</strong>ni auff<strong>in</strong>dbaren<br />
Sprache<strong>in</strong>flüsse ermitteln. Demnach wird vermutet, dass der <strong>in</strong>dische Subkont<strong>in</strong>ent das<br />
Ursprungsland der Volksgruppe darstellte. Der genaue Zeitpunkt der ersten Migrationwelle<br />
und die genaue örtliche Festlegung der Regionen, die die Vorfahren der <strong>Roma</strong> unmittelbar<br />
vor ihrer Auswanderung besiedelten, bleiben unter Wissenschaftlern umstritten. Als mögliche<br />
Ursprungsregionen vermutet man Punjab oder Kabul.<br />
Die Vorfahren der heutigen <strong>Roma</strong> waren, wie lange irrtümlich angenommen, ke<strong>in</strong>e Nomaden.<br />
Man geht heute davon aus, dass sie e<strong>in</strong>er Kaste angehörten, die sich Domba nannte.<br />
Diese war Teil e<strong>in</strong>es feudalen Kasten-Systems, die neben e<strong>in</strong>er Krieger- und Landbesitzer-<br />
Kaste existierte und diese mit ihren ausgeübten Berufen <strong>in</strong> der Landwirtschaft, Tierhaltung<br />
und Handwerk unterstützte. Das Nomadenleben lernten die <strong>Roma</strong> erst später kennen, und<br />
es war für sie nie e<strong>in</strong>e Wunschlebensform, sondern immer e<strong>in</strong>e durch Vertreibung, Flucht<br />
oder auch durch die Ausübung des Händlerberufes bed<strong>in</strong>gte Notlösung.<br />
Nach den Eroberungen Alexanders des Großen im vierten Jahrhundert vor Christus wurde<br />
das Griechische zur Handelssprache <strong>in</strong> der Region. Dies erklärt auch, wieso die Zahlen und<br />
die Haupthandelsgüter auf <strong>Roma</strong>nes und auf Griechisch fast identisch s<strong>in</strong>d. Während der<br />
griechischen Ära blieben die Vorfahren der <strong>Roma</strong> weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrer alten Heimat seßhaft.<br />
Erst Anfang des 11. Jahrhunderts während der Eroberungs- und Plünderungszüge Mahmoud<br />
von Ghaznas durch Nord<strong>in</strong>dien wurden Teile der lokalen Bevölkerung versklavt und<br />
aus dem Land verschleppt. Diese wurden dann bei der Frontversorgung der Armee oder <strong>in</strong><br />
ihren vor der Sklaverei ausgeübten Berufen als Handwerker e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Mit der Ankunf der Ghaznawiden breitete sich ihre neue monotheistische Religion, der Islam,<br />
zunehmend aus und verdrängte nach und nach die alten Religionen des Buddhismus und<br />
H<strong>in</strong>duismus. Nach dem Tod des Mahmoud von Ghazna bildeten sich <strong>in</strong> der Region viele<br />
kle<strong>in</strong>e islamische Emirate. Im Jahr 1206 zerfiel die Ghaznawiden Dynastie, und die <strong>Roma</strong><br />
wurden frei, konnten aber ke<strong>in</strong>e territorialen Ansprüche erheben, da die Territorien, die sie<br />
200 Jahre zuvor bewohnt hatten, Punjab und S<strong>in</strong>dh, <strong>in</strong>zwischen islamisiert wurden. Da die<br />
Region wegen der wachsenden Mongolengefahr politisch sehr <strong>in</strong>stabil war, schlossen sich<br />
die <strong>Roma</strong> den Seldschuken an. Im Jahr 1290 wurden das Seldschuken-Reich und die <strong>Roma</strong><br />
Teil des Osmanischen Reiches.<br />
Während somit die primäre Migration aus Indien im 5.-12. Jahrhundert erfolgte (Beberski),<br />
kam es im 10.-15. Jahrhundert zu drei weiteren, simultanen Migrationsbewegungen: die erste<br />
verlief <strong>in</strong> Richtung Ägypten, die zweite nach Norden und Westen, und die dritte über das
Ägäische Meer nach Südgriechenland. Man vermutet, dass die <strong>Roma</strong> zur Zeit der ersten<br />
osmanischen Eroberungsversuche auf dem Balkan ankamen.<br />
Nach ihren unterschiedlichen Migrationswegen lassen sich drei Gruppen von <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong><br />
unterscheiden. Erstens <strong>Roma</strong> islamischen Glaubens, die teils mit der osmanischen<br />
Armee nach <strong>Montenegro</strong> kamen, teils 1999 aus Kosovo nach <strong>Montenegro</strong> flüchteten. Diese<br />
Gruppe hatte die osmanische Armee als Handwerker und Musikanten begleitet und hatte<br />
sich nach der Schlacht auf dem Amselfeld 1389 <strong>in</strong> Kosovo niedergelassen.<br />
Zweitens <strong>Roma</strong>, die sich ca. 300 Jahre später im Zuge der osmanischen Eroberung Altmontenegros<br />
angesiedelt hatten und als Handwerker arbeiteten. Diese Gruppe übernahm die<br />
orthodoxe Religion von den Montenegr<strong>in</strong>ern. Das montenegr<strong>in</strong>ische Recht ermöglichte ihnen<br />
e<strong>in</strong>e seßhafte Existenz, und die montenegr<strong>in</strong>ische Bevölkerung empf<strong>in</strong>g sie aufgrund ihrer<br />
handwerklichen Berufe als willkommene E<strong>in</strong>wanderer. E<strong>in</strong> Teil dieser Gruppe assimilierte<br />
sich mit den montenegr<strong>in</strong>ischen Stämmen, mit denen sie zusammenlebte.<br />
Die dritte Gruppe von <strong>Roma</strong> kam über den Seeweg <strong>in</strong> die montenegr<strong>in</strong>ischen Küstenstädte.<br />
Im Jahr 1571 wurden Ulc<strong>in</strong>j und Bar von den Osmanen erobert. Da die Handelswege mit<br />
dem H<strong>in</strong>terland nahezu unterbrochen waren, musste sich die lokale Bevölkerung stärker auf<br />
den Seehandel orientieren. Die Städte gewannen als Exporthäfen an Bedeutung, und es<br />
entstand parallel auch e<strong>in</strong>e Schicht der Seeräuber. Diese unterhielten „gute Beziehungen“<br />
mit den nordafrikanischen Seeräubern und kauften auch <strong>in</strong> den nordafrikanischen Häfen<br />
Sklaven, die sie dann <strong>in</strong> Ulc<strong>in</strong>j weiter verkauften. Unter den nach Ulc<strong>in</strong>j gebrachten Sklaven<br />
waren auch viele <strong>Roma</strong>. Die <strong>Roma</strong> wurden als Sklaven auf den Handelsschiffen, <strong>in</strong> der<br />
Landwirtschaft und als Bauarbeiter e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Während und nach ihrer ersten Niederlassung <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong> waren die <strong>Roma</strong> nicht nur mit<br />
dem Krieg zwischen der auchtochtonen Bevölkerung und dem osmanischen Eroberer, sondern<br />
auch mit den Kämpfen <strong>in</strong>nerhalb der montenegr<strong>in</strong>ischen Stämme und dem häufig im<br />
Lande herrschenden Hungersnot konfrontiert. Infolge dieser historischen Gegebenheiten<br />
verließ allmählich e<strong>in</strong> Teil der nomadischen <strong>Roma</strong> <strong>Montenegro</strong>. Die verbliebenen <strong>Roma</strong><br />
passten ihre Lebensform der ihrer Umgebung an, übten ihre handwerklichen Berufe weiter<br />
aus und beendeten ihre traditionelle Nomaden- oder Halbnomadenexistenz.<br />
Dokumente von Beg<strong>in</strong>n des 18. Jahrhunderts belegen, dass <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> den ehemaligen osmanischen<br />
Militärstandorten Podgorica, Pljevlja, Nikšić, Bijelo Polje und Gus<strong>in</strong>je lebten und<br />
z.B. als Schmiede oder Henker arbeiteten, d.h. <strong>in</strong> Berufen, die osmanischen Besatzer nicht<br />
den Montenegr<strong>in</strong>ern überlassen konnten oder wollten.<br />
Im Gegensatz zu den genannten drei Gruppen lebten nomadische <strong>Roma</strong> im Verlauf ihrer<br />
Wanderungen nur zeitweise <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong>.<br />
6<br />
Bei ihrer Ankunft auf der Balkanhalb<strong>in</strong>sel waren die Vorfahren der heute <strong>in</strong> Serbien und <strong>Montenegro</strong><br />
lebenden <strong>Roma</strong> vermutlich „Heiden“, d.h. es existieren ke<strong>in</strong>e verlässlichen Angaben<br />
über ihre religiösen Riten und Symbole aus dieser Zeit. Überall, wo sie h<strong>in</strong>kamen, passten<br />
sich die <strong>Roma</strong> sehr rasch der neuen Umgebung religiös an, so dass sie <strong>in</strong> den christlichen<br />
Ländern Christen und <strong>in</strong> den muslimischen Ländern Muslime wurden. Dabei stießen sie den<br />
alten Glauben nicht völlig ab, sondern behielten manche se<strong>in</strong>er Elemente und komb<strong>in</strong>ierten<br />
diese mit der neuen Religion. Für die religiöse Labilität der <strong>Roma</strong> werden primär ökonomische<br />
Gründe vermutet.<br />
In der Regel setzt sich die „Hauptreligion“ aus den neuerworbenen Elementen der islamischen<br />
und christlichen Konfession sowie aus den alten heidnischen Bräuchen zusammen.<br />
So existieren bei den <strong>Roma</strong> zahlreiche Bräuche, die den gesamten Lebenszyklus e<strong>in</strong>es<br />
Menschen und se<strong>in</strong>e Sozialisierung begleiten: Bräuche zur Geburt e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des, zur Eheschließung,<br />
zum Geburtstag, zum Namenstag und zur Blutsbrüderschaft. Weiter existieren
Bräuche, die den H<strong>in</strong>terbliebenen helfen sollten, sich mit dem Tod e<strong>in</strong>es Familienmitgliedes<br />
ause<strong>in</strong>anderzusetzen.<br />
E<strong>in</strong>e große Zahl der montenegr<strong>in</strong>ischen <strong>Roma</strong> bekennt sich zum Islam. Diese Gruppe kam<br />
ursprünglich aus der nördlich gelegenen Prov<strong>in</strong>z Kosovo nach <strong>Montenegro</strong>. Im übrigen ist für<br />
die <strong>Roma</strong>, die <strong>in</strong> Serbien und <strong>Montenegro</strong> leben, charakteristisch, dass sie von ihren serbischen<br />
Nachbarn auch die Slava (auch: krsna slava) übernommen haben, e<strong>in</strong> Kirchenfest<br />
umstrittenen Ursprungs, das von allen orthodoxen Völkern nur bei den Serben gefeiert wird<br />
und kurz als „Namenstag der Familie“ beschrieben werden könnte.<br />
Ferner s<strong>in</strong>d bei den <strong>Roma</strong> Magie und magische Rituale, Zaubern, Wahrsagen, Traumdeutug<br />
und der Glauben <strong>in</strong> übernatürliche Wesen wie z.B. Hexen, Feen, Drachen und Vampire noch<br />
immer zu beobachten. Die mündliche Überlieferung und Legenden spielt e<strong>in</strong>e bedeutende<br />
Rolle.<br />
7<br />
Im April 1997 wurde <strong>in</strong> Serbien die „Kongresspartei der <strong>Roma</strong>“ (Romska kongresna partija,<br />
RKP) von Dragoljub Acković gegründet, e<strong>in</strong>em der wenigen akademisch gebildeten <strong>Roma</strong>.<br />
Man wählte den Namen gewiss, um an die erfolgreiche Partei <strong>in</strong> Indien, dem Ursprungsland<br />
der <strong>Roma</strong>, zu er<strong>in</strong>nern. Die RKP setzt sich für alle <strong>in</strong> Serbien und <strong>Montenegro</strong> lebenden <strong>Roma</strong><br />
e<strong>in</strong>. Die Akzente werden primär auf e<strong>in</strong> größeres politisches und kulturelles Selbstbewußte<strong>in</strong><br />
der M<strong>in</strong>derheitsangehörigen gesetzt, aber auch auf die Rolle der Bildung für die zukunftige<br />
gesellschaftliche Lage der <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> Serbien und <strong>Montenegro</strong>.<br />
Seit 2002 s<strong>in</strong>d die <strong>Roma</strong> zunehmend <strong>in</strong> den Institutionen auf der lokalen, Republik- und Föderationsebene<br />
präsent. Es wurde e<strong>in</strong> „<strong>Roma</strong> Büro“ (Romska kancelarija) bei dem M<strong>in</strong>isterium<br />
für Menschen- und M<strong>in</strong>derheitenrechte Serbiens und <strong>Montenegro</strong>s (M<strong>in</strong>istarstvo za manj<strong>in</strong>ska<br />
i ljudska prava SCG) geöffnet. Auch die montenegr<strong>in</strong>ische Regierung bemüht sich, die<br />
Lage der <strong>Roma</strong> zu verbessern. Laut der montenegr<strong>in</strong>ischen Verfassung haben die <strong>Roma</strong> die<br />
gleichen Rechte und Verpflichtungen wie alle anderen <strong>in</strong> der Republik lebenden ethnischen<br />
M<strong>in</strong>derheiten. Es werden die nationale, die ethnische, die kulturelle, die l<strong>in</strong>guistische und die<br />
religiöse Identität der Gruppe garantiert.<br />
Seit der Verabschiedung des Gesetzes über den Schutz von Rechten und Pflichten der nationalen<br />
M<strong>in</strong>derheiten (Zakon o zaštiti prava manj<strong>in</strong>a) und der Anerkennung der ethnischen<br />
Gruppe der <strong>Roma</strong> als „ethnische M<strong>in</strong>derheit“ wurden viele weitere Schritte unternommen, um<br />
den Status der <strong>Roma</strong> zu verbessern. Die montenegr<strong>in</strong>ische Regierung erarbeitete e<strong>in</strong>e Strategie<br />
(„Dekada za <strong>in</strong>tegraciju <strong>Roma</strong> 2005-2015“), die die Integration der <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> die montenegr<strong>in</strong>ische<br />
Gesellschaft anstrebt.<br />
Wie auch anderswo auf dem westlichen Balkan besitzen viele <strong>Roma</strong> immer noch nicht die<br />
montenegr<strong>in</strong>ische Staatsbürgerschaft, da sie auch ke<strong>in</strong>e Dokumente über ihren Aufenthalt <strong>in</strong><br />
<strong>Montenegro</strong> vorweisen können, was nicht nur e<strong>in</strong>e volle Beteiligung dieser ethnischen Gruppe<br />
<strong>in</strong> der Verteilung der politischen Macht <strong>in</strong> der Republik verh<strong>in</strong>dert, sondern auch e<strong>in</strong>en<br />
regulären Schulbesuch ihrer K<strong>in</strong>der wesentlich erschwert.<br />
Außerdem existieren e<strong>in</strong>ige Nichtregierungsorganisationen, die Anliegen der <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong><br />
beschäftigen. Dazu gehört das Demokratische <strong>Roma</strong>-Zentrum <strong>in</strong> Podgorica, das<br />
sich für die Emanzipation der <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong> e<strong>in</strong>setzt und e<strong>in</strong>e Radiosendung veranstaltet<br />
sowie e<strong>in</strong> Schulbuch für <strong>Roma</strong> herausgegeben hat. Die Organisation Djeca – Enfants<br />
aus Rožaje versucht <strong>Roma</strong>k<strong>in</strong>dern die Teilnahme am Schulunterricht zu ermöglichen. Außerdem<br />
s<strong>in</strong>d der <strong>Roma</strong>-Vere<strong>in</strong> von <strong>Montenegro</strong> (Udruženje <strong>Roma</strong> Crne Gore), sowie die<br />
Vere<strong>in</strong>e Mensch - Rom (Udruženje Čovjek - Rom) <strong>in</strong> Podgorica, Anfang (Početak) und Humanitär<br />
(Humanitarac) <strong>in</strong> Nikšić und Hand zur Hand (Ruka ruci) <strong>in</strong> Podgorica zu nennen.<br />
Das <strong>Roma</strong>-Zentrum für Strategie, Entwicklung und Demokratie (Romski centar za strategiju,<br />
razvoj i demokratiju) <strong>in</strong> Podgorica setzt sich mit dem Programm „Die Schule ist der e<strong>in</strong>zige<br />
Weg aus dem Armut“ für die E<strong>in</strong>schulung der <strong>Roma</strong> K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>. Es eröffnete <strong>in</strong> Podgorica
e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dergarten und e<strong>in</strong>e Grundschule, die sich den spezifischen Schulproblemen der<br />
<strong>Roma</strong>-K<strong>in</strong>der widmen. Außerdem hat diese NGO e<strong>in</strong>e „<strong>Roma</strong>kanzlei“ (Romska kancelarija)<br />
gegründet, die für <strong>Roma</strong> die montenegr<strong>in</strong>ische Staatsbürgerschaft und andere Dokumente<br />
beantragen.<br />
8<br />
Das Bildungsniveau der <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong> ist als extrem niedrig e<strong>in</strong>zustufen. Obwohl <strong>in</strong><br />
Serbien und <strong>Montenegro</strong> ebenso wie <strong>in</strong> allen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens<br />
e<strong>in</strong>e Schulpflicht für die ersten acht Jahre (Grundschule) herrscht, haben über 60%<br />
der M<strong>in</strong>derheitsangehörigen ke<strong>in</strong>e Ausbildung vorzuweisen, und über 80% schließt die achtjährige<br />
Grundschulausbildung nicht ab. Die montenegr<strong>in</strong>ische Schulbehörde sieht dabei ke<strong>in</strong>e<br />
Möglichkeit, die Regelung auch bei den <strong>Roma</strong> durchzusetzen, da diese oft ke<strong>in</strong>en Aufenthalt<br />
<strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong> besitzen und ihre K<strong>in</strong>der deswegen nicht <strong>in</strong> der Evidenz der Schulbehörde<br />
erfaßt s<strong>in</strong>d. Auch wenn die <strong>Roma</strong> ihre K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> die Schule schicken wollen, fehlen<br />
ihnen bei der E<strong>in</strong>schulung oft die notwendigen Dokumente, mit denen sie ihren Aufenthalt <strong>in</strong><br />
<strong>Montenegro</strong> beweisen können. Dies erschwert die E<strong>in</strong>schulung, und verh<strong>in</strong>dert, dass die<br />
K<strong>in</strong>der rechtzeitig das neue Schuljahr beg<strong>in</strong>nen können. Es ist ke<strong>in</strong>e Seltenheit, dass die<br />
<strong>Roma</strong>-K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e Sonderschule besuchen, obwohl dafür ke<strong>in</strong> Bedarf besteht, weil ihre Eltern<br />
wegen mangelnder Grundbildung nicht die Konsequenzen e<strong>in</strong>er „falschen“ E<strong>in</strong>schulung<br />
begreifen können und stattdesen bei der E<strong>in</strong>schulung nur die Vorteile der kostenlosen Verpflegung<br />
und Bücher nutzen.<br />
Nur etwa 7% der montenegr<strong>in</strong>ischen <strong>Roma</strong> besuchten die Schule länger als sechs Jahre,<br />
und nur etwa 9% schlossen e<strong>in</strong>e Sekundarschule ab. Lediglich 0,3% der M<strong>in</strong>derheitenangehörigen<br />
haben e<strong>in</strong>en Universitätsabschluss erworben. Man geht davon aus, dass diese niedrige<br />
Ausbildungsquote entscheidend zu der hohen Arbeitslosenquote von über 80% und der<br />
damit verbundenen ausgeprägten Armut der <strong>Roma</strong> <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong> beiträgt. Ungekehrt ist die<br />
Armut der M<strong>in</strong>derheit so groß 1 , dass etwa e<strong>in</strong> Drittel nicht mehr an e<strong>in</strong>e Verbesserung des<br />
Lebensstandards im Zusammenhang mit der besseren Ausbildung ihrer K<strong>in</strong>dern glaubt.<br />
In ke<strong>in</strong>er der montenegr<strong>in</strong>ischen Schulen f<strong>in</strong>det Unterricht <strong>in</strong> der <strong>Roma</strong>-Sprache statt. Teil<br />
des Problems ist sicherlich, dass die <strong>Roma</strong>-Sprache noch nicht standardisiert wurde. Die<br />
Serbische Akademie der Wissenschaften bildete e<strong>in</strong>e Arbeitsgruppe, die sich mit der Standardisierung<br />
der <strong>Roma</strong>-Sprache beschäftigt.<br />
In den Küstengeme<strong>in</strong>den Tivat, Budva und Kotor wurde 2003 e<strong>in</strong>e Aktion mit dem Titel<br />
„Durch Bildung zur Emanzipation“ (Edukacijom do emancipacije) von der lokalen Caritas <strong>in</strong>s<br />
Leben gerufen, die sich an die Vorschul- und Schulk<strong>in</strong>der der <strong>Roma</strong> M<strong>in</strong>derheit <strong>in</strong> diesen<br />
Geme<strong>in</strong>den richtet, und von der veneziannischen Zweigstelle dieser karitativen Organisation<br />
f<strong>in</strong>anziert wird. Der Koord<strong>in</strong>ator des Programmes ist Don Branko Sbutega.<br />
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Das montenegr<strong>in</strong>ische Fernsehen und Radio strahlen regelmäßig Sendungen für die <strong>Roma</strong>-<br />
M<strong>in</strong>derheit aus. In April 2004 forderten die Vertreter der <strong>Roma</strong>-M<strong>in</strong>derheit die Fernseh-<br />
Anstalt auf, Sendungen zur Lage ihrer M<strong>in</strong>derheit nicht mehr, wie bisher üblich, <strong>in</strong> der serbischen,<br />
sondern <strong>in</strong> der <strong>Roma</strong>-Sprache zu senden. Es wurde auch der Wunsch geäußert, die<br />
Sendungen sollten von Journalisten und Redakteuren der <strong>Roma</strong>-M<strong>in</strong>derheit und nicht von<br />
den OSZE-Mitarbeitern vorbereitet werden.<br />
Gordana Brusis<br />
1 In e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> September 2003 von dem Institut für strategische Studien und Prognosen (Institut za strateške<br />
studije i prognoze) aus Podgorica durchgeführten Umfrage gaben über 90% der <strong>Roma</strong>-Haushalte <strong>in</strong> <strong>Montenegro</strong><br />
an, sie haben nicht genugend Geld um das Essen zu kaufen.