Prognose der Hämoblastosen - Frank Praetorius
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H. GERHARTZ, H. Frhr. v. KRESS und E. PRAETORIUS: Über die <strong>Prognose</strong> <strong>der</strong> <strong>Hämoblastosen</strong> Der Internist<br />
Es dürfte für unsere Zwecke auf keine Bedenken<br />
stoßen, diejenigen Fälle, die einer Therapie mit ionisierenden<br />
Strahlen, mit Cytostaticis und Corticosteroiden<br />
unterzogen worden sind, als behandelte<br />
Fälle zu registrieren, hingegen diejenigen Fälle, bei<br />
denen diese Therapeutica nicht zur Anwendung<br />
gelangten, <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Unbehandelten zuzuordnen.<br />
Dabei ist in Rechnung zu stellen, daß sich unter den<br />
Unbehandelten zahlreiche Fälle<br />
finden, die frühzeitig starben und sich<br />
dadurch einer hinreichend langen<br />
therapeutischen Beeinflussung entzogen.<br />
Bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Krankheitsdauer<br />
ergibt sich eine wesent-<br />
liche Fehlerquelle aus <strong>der</strong> Schwie-<br />
rigkeit, den Beginn <strong>der</strong> Erkran-<br />
kung genau zu erfassen, weil<br />
milde initiale Krankheitssymp-<br />
tome vom Patienten zeitlich oft<br />
nur ungenau eingeordnet werden<br />
können. Aber auch bei einem<br />
akuten, plötzlich hereinbrechen-<br />
den Beginn <strong>der</strong> klinischen Symp-<br />
tomatik läßt sich <strong>der</strong> wirkliche<br />
Anfang <strong>der</strong> Erkrankung keineswegs exakt festlegen.<br />
Dem Vollbild <strong>der</strong> <strong>Hämoblastosen</strong> geht oft eine<br />
prähämoblastische Phase uneinheitlicher und graduell<br />
unterschiedlicher Symptomatik voraus, wobei sich <strong>der</strong><br />
Umschlag von <strong>der</strong> prähämoblastischen Phase in die<br />
hämoblastische keineswegs plötzlich zu vollziehen<br />
braucht, wenngleich dies klinisch oft so scheinen mag.<br />
Die Entwicklung <strong>der</strong> verschiedenartigen patho-<br />
Lymphadenosen und lymphatischen Reticulosen mit<br />
über 9, bei Plasmocytomen mit etwa 16, bei Lymphogranulomatosen<br />
mit über 8 und bei Retothelsarkomen<br />
mit über 5 Monaten anzunehmen ist (Abb. 2). Die Phase<br />
eines schwereren subjektiven Krankheitsgefühls und<br />
einer belästigenden Leistungsmin<strong>der</strong>ung setzt oft<br />
verhältnismäßig spät ein, insbeson<strong>der</strong>e bei chronischen<br />
Myelosen und Plasmocytomen.<br />
Abb. 1. Überblick über den zeitlichen Ablauf <strong>der</strong> Krankheitsphasen bei den<br />
verschiedenen <strong>Hämoblastosen</strong><br />
Von <strong>der</strong> Diagnosenstellung bis zum Beginn <strong>der</strong><br />
Chemotherapie vergeht eine Zeitspanne von<br />
durchschnittlich 1-2 Monaten, weil eine Gruppe <strong>der</strong><br />
Patienten verstirbt, noch ehe es zur Einleitung o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
ausreichenden Durchführung einer spezifischen<br />
Therapieform gekommen ist, o<strong>der</strong> weil infolge einer<br />
stärkeren Anämie o<strong>der</strong> eines interkurrenten Infektes<br />
zunächst eine sich dagegen richtende Therapie er-<br />
Prähämoblastische Phase Hämoblastische Phase Gesamtkrankheitsdauer chemotherapeut. Behandelter<br />
Fallzahl<br />
Phase Phase Diagnose Dauer <strong>der</strong><br />
früher allgemeiner bis Thera- Chemotherapie<br />
Einzel- Krankeitspiebeginn (Monate)<br />
Verstorbene Lebende<br />
insgesamt<br />
(in Monate)<br />
symptome sympto (Monate) Mittel- Tafel- Fall- Fall- Fall- MittelTafel- (Monate) matik<br />
(Monate)<br />
wert mäßig zahl Monate zahl Monate zahl wertmäßig Akute Leukose. . . . 45 - 3,4 0,7 3,1 2,9 29 7 2 - 31 7 7<br />
Chronische Myelose<br />
Chronische Lymph-<br />
75 7 6,7 2,2 27,4 33,4 47 35 17 40 64 36 42<br />
adenose . . . . . . 123 2 7,3 8,3 40,4 71,4 53 46 53 66 106 56 87<br />
Lymphoide Reticulose 23 - 9,4 1,9 20,9 38 8 30 7 36 15 32 49<br />
.Plasmocytom . . . . 40 10 5,6 1,3 10,4 24 14 13 13 22 27 17 31<br />
Lymphogranulom . . 93 1 7,2 1,4 31,7 49 51 39 35 43 86 40 58<br />
Retothelsarkom . . . 59 1 4,4 . 1,2 17,4 33,4 32 . 22 22 24 54 23 39<br />
Abb. 2. Dauer (in Monaten) <strong>der</strong> einzelnen Verlaufsphasen bei <strong>Hämoblastosen</strong><br />
logischen, numerischen und funktionellen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
im hämopoetischen Geschehen verläuft vielmehr<br />
schrittweise in Abhängigkeit von <strong>der</strong> Reaktionsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> hämopoetischen Systeme. Grundsätzlich<br />
beansprucht die prähämoblastische Phase eine fast<br />
ähnlich lange Zeitspanne wie die hämoblastische<br />
(Abb. 1). Eine Bewertung <strong>der</strong> Krankheitsdauer „vom<br />
Beginn an" wird daher wesentlich durch die Sensibili-<br />
tät und Intelligenz des Patienten und durch die Art<br />
<strong>der</strong> Krankheitssymptomatik im Beginn einerseits, wie<br />
auch an<strong>der</strong>erseits durch die Aufmerksamkeit und<br />
Befun<strong>der</strong>hebung des Arztes beeinflußt sein. Zum<br />
Zeitpunkt <strong>der</strong> Diagnosenstellung lassen sich subjektive<br />
und objektive, oft uncharakteristische Einzelsymp-<br />
tome über einen Zeitraum zurückverfolgen, <strong>der</strong> im<br />
Mittel bei akuten Leukosen mit 3,4 Monaten, bei<br />
chronischen Myelosen mit etwa 14, bei chronischen<br />
for<strong>der</strong>lich war. Einen durchschnittlich ziemlich langen<br />
therapiefreien Zeitraum weisen die chronischen Lymphadenosen<br />
auf, weil hier bei einer größeren Anzahl von<br />
Fällen angesichts eines relativ gutartigen Verlaufs mit<br />
<strong>der</strong> Einleitung <strong>der</strong> spezifischen Therapie bewußt<br />
gezögert wurde.<br />
Die statistische Erfassung <strong>der</strong> Krankheitsdauer<br />
erfährt dadurch eine Beeinträchtigung, daß eine nicht<br />
.kleine Zahl von Patienten sich nach eingeleiteter<br />
Therapie früher o<strong>der</strong> später <strong>der</strong> Kontrolle des erstbehandelnden<br />
Arztes entzieht und daß zum Zeitpunkt<br />
<strong>der</strong> statistischen Erhebung ein mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong><br />
großer Prozentsatz <strong>der</strong> Patienten noch lebt, ohne<br />
daß <strong>der</strong>en weitere Lebenserwartung abgeschätzt wer-<br />
den könnte.<br />
Um zu belegbaren Aussagen über die Krankheitsdauer<br />
zu gelangen, haben wir uns auf die Gruppe