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Sehen – Urteilen – Schreiben Die Jugend-Film-Jury - Deutsches ...

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<strong>Sehen</strong> <strong>–</strong> <strong>Urteilen</strong> <strong>–</strong> <strong>Schreiben</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong>


Veranstalter<br />

<strong>Deutsches</strong> <strong>Film</strong>institut <strong>–</strong> DIF e. V., Frankfurt am Main<br />

In Zusammenarbeit mit<br />

der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main,<br />

der Robert Bosch Stiftung Stuttgart und<br />

der Frankfurter Rundschau<br />

Broschüre<br />

Konzeption und Redaktion: Daniela <strong>Die</strong>trich, Horst Martin, Felix Fischl<br />

Lektorat: Katja Thorwarth<br />

Gestaltung: Karl-Heinz Best <strong>–</strong> mind the gap! design, Frankfurt am Main<br />

Druck: Central-Druck Trost GmbH & Co. KG, Heusenstamm<br />

Abbildungsverzeichnis: Alle Abbildungen stammen aus dem Bildarchiv des<br />

Deutschen <strong>Film</strong>instituts <strong>–</strong> DIF, sofern nicht anders verzeichnet.<br />

Uwe Dettmar (S. 1), Kristina Jessen (S. 9-21)<br />

Anschrift<br />

<strong>Deutsches</strong> <strong>Film</strong>institut <strong>–</strong> DIF e. V., Schaumainkai 41, 60596 Frankfurt am Main<br />

Informationen und Kartenreservierung: Tel. 069 / 961 220 220<br />

www.deutsches-filminstitut.de / www.deutsches-filmmuseum.de


Inhalt<br />

Grußworte<br />

4 Claudia Dillmann<br />

5 Dr. Roland Kaehlbrandt<br />

6 Dr. Olaf Hahn<br />

7 Dr. Matthias Arning<br />

8 <strong>Film</strong>klassiker: Revisited <strong>–</strong> Ein Rückblick auf die <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> Daniela <strong>Die</strong>trich, Dr. Julian Namé<br />

10 <strong>Die</strong> ausgewählten zehn <strong>Film</strong>e<br />

11 Sunrise: A Song of Two Humans Swetlana Schneider<br />

12 Modern Times Nina Schumacher<br />

13 To Be or not to Be Max Schröder<br />

14 High Noon Leonie Minor<br />

15 Gentlemen Prefer Blondes Alba Seibt<br />

16 Rear Window Josefine Rantzsch<br />

17 One,Two,Three Benjamin Fischer<br />

18 Picnic at Hanging Rock Franziska Mathée<br />

20 Night on Earth David Eichner<br />

21 Schtonk! Besim Beqiri<br />

22 Alle 20 <strong>Film</strong>e im Überblick<br />

24 Wie wirken Klassiker auf <strong>Jugend</strong>liche heute? <strong>–</strong> Ein filmpädagogischer Erfahrungsbericht Daniela <strong>Die</strong>trich, Dr. Julian Namé<br />

27 Kinoprogramm<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> 3


Grußwort<br />

Claudia Dillmann, Direktorin des<br />

Deutschen <strong>Film</strong>instituts <strong>–</strong> DIF e. V., Frankfurt am Main<br />

In Deutschland wie in anderen Ländern<br />

auch existiert inzwischen ein Kanon, der,<br />

von erwachsenen Experten zusammengestellt,<br />

jene <strong>Film</strong>e auflistet, die zur filmkulturellen<br />

Bildung gehören, die „man“ gesehen<br />

haben muss. Dass er eine auf Konsens<br />

beruhende Auswahl sei, die auch anders hätte ausfallen können,<br />

wie Kritiker monierten, beschädigt ihn nicht in seinem kulturellen<br />

und kulturpolitischen Wert. Gleichwohl hat uns interessiert, wie<br />

denn das Zielpublikum des Kanons, also Kinder und <strong>Jugend</strong>liche,<br />

ihrerseits Klassiker und Raritäten der <strong>Film</strong>geschichte beurteilen,<br />

welche <strong>Film</strong>e bei ihnen noch ankommen, sie berühren, und umgekehrt,<br />

welche Qualitäten sie auch in alten Werken entdecken<br />

können. Vor neun Monaten hat deshalb die <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> hier<br />

im Haus ihre Arbeit aufgenommen: ein Pilotprojekt, das die Ausbildung<br />

von Frankfurter Schülerinnen und Schülern zu <strong>Film</strong>experten<br />

und -kritikern zum Ziel hat.<br />

Woche für Woche haben die 14- bis 17-Jährigen <strong>Film</strong>e verschiedener<br />

Zeiten, Genres, Stile und Produktionsländer gesichtet und<br />

dabei durch erweiterte Kenntnis, Vergleich und Diskussion gelernt,<br />

begründete Qualitätsurteile zu formulieren. Aus 20 <strong>Film</strong>en hat die<br />

<strong>Jury</strong> nun zehn Titel ausgewählt. Und weil die neu erworbene Expertise<br />

nicht zuletzt in die Öffentlichkeit wirken soll, präsentieren die<br />

<strong>Jugend</strong>lichen ihre Ergebnisse sowohl in dieser Broschüre als auch<br />

4 <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

vor Publikum in der „Klassiker & Raritäten“-Reihe unseres Kinos. Sie<br />

führen im August in <strong>Film</strong>e ein wie Modern Times, High Noon und<br />

Rear Window. Dazu gehört Selbstvertrauen, und es ist kein geringes<br />

Verdienst dieses Projekts und seiner Partner, den Schülerinnen<br />

und Schülern Mut gemacht zu haben: Dank der Förderung durch die<br />

Stiftung Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt und die Robert<br />

Bosch Stiftung in Stuttgart war eine umfassende Betreuung durch<br />

unseren museumspädagogischen <strong>Die</strong>nst möglich, konnten die <strong>Jury</strong>-<br />

Mitglieder, von denen einige zum ersten Mal einen vollständigen<br />

Schwarz-Weiß-<strong>Film</strong> zu Gesicht bekamen, ein intensives Rhetorik-<br />

Seminar besuchen, bot sich ihnen dank der Frankfurter Rundschau<br />

die Chance zu einem Praktikum im Kulturteil der Stadtredaktion.<br />

„<strong>Sehen</strong> <strong>–</strong> <strong>Urteilen</strong> <strong>–</strong> <strong>Schreiben</strong>“: <strong>Die</strong>ses Motto des Pilotprojekts<br />

haben die <strong>Jugend</strong>lichen engagiert umgesetzt. Und auch wir konnten<br />

viel lernen: über den Stress des heutigen Schulalltags, über die<br />

von ihm erzwungene haushälterische Zuteilung von Aufmerksamkeit,<br />

über konzentrierte Offenheit und frühabendliche Müdigkeit,<br />

über Herangehensweisen, Vorlieben, Irritationen. <strong>Die</strong> Erkenntnisse<br />

helfen uns weiter: in der Museumspädagogik, im Kinoprogramm,<br />

bei der neukonzeption der Dauerausstellung. Dafür danke ich allen<br />

Beteiligten, besonders natürlich unseren Jurorinnen und Juroren.<br />

Einige werden unserer Arbeit verbunden bleiben, als Kritiker beim<br />

kommenden Kinderfilmfestival LUCAS oder als Tutor der nächsten<br />

<strong>Jury</strong>. Denn es geht weiter…


Grußwort<br />

Dr. Roland Kaehlbrandt, Vorstand der<br />

Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main<br />

Wir setzen uns unter anderem dafür ein,<br />

dass Kinder und <strong>Jugend</strong>liche <strong>–</strong> auch solche,<br />

die normalerweise nur schwer den<br />

Weg ins Museum finden <strong>–</strong> Museen als einen<br />

faszinierenden Lern- und Erlebnisort<br />

erfahren. <strong>Die</strong> Stiftung Polytechnische<br />

Gesellschaft Frankfurt am Main ist bereits einige Kooperationen<br />

mit Frankfurter Museen eingegangen: So haben wir zum Beispiel<br />

jüngst unsere StadtteilDetektive ins Leben gerufen. <strong>Die</strong>se<br />

Dritt- und Viertklässler der Frankfurter Pestalozzischule gehen<br />

in einem gemeinsamen Projekt mit dem Deutschen Architekturmuseum<br />

auf bauliche Entdeckungstour durch ihren Stadtteil.<br />

Bei der <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> hat uns besonders die Verbindung<br />

von Museumsarbeit und Bildung interessiert. Wir<br />

unterstützen dieses Projekt, weil wir die Heranführung von<br />

Schülern auch an die besondere Ästhetik der Kinoklassiker für<br />

einen wichtigen Bildungsauftrag halten. Zwar ist das Medium<br />

<strong>Film</strong> bei den <strong>Jugend</strong>lichen sehr beliebt <strong>–</strong> allerdings meist nur<br />

in Form der aktuellen Hollywoodproduktionen. <strong>Film</strong>klassiker<br />

wie Casablanca, The Ladykillers, Gentlemen Prefer Blondes<br />

oder der Hitchcock-Thriller Rear Window sind <strong>Jugend</strong>lichen oft<br />

unbekannt.<br />

Gemeinsam mit unseren Projektpartnern möchten wir jungen<br />

Menschen das Rüstzeug für einen kompetenten Umgang mit<br />

Medien geben. <strong>Die</strong> Chance, unter professioneller Anleitung <strong>Film</strong>e<br />

zu beurteilen, haben die Projektteilnehmer zu unserer großen<br />

Freude intensiv genutzt. Unsere Stiftung hat in das Projekt<br />

den Vorschlag eines Rhetorikseminars eingebracht, damit die<br />

<strong>Jugend</strong>lichen die Besonderheit des Jurierens, das heißt auch des<br />

Begründens und Argumentierens in einem Gremium, erlernen<br />

können. Wir halten die Verbindung von intensivem Beschäftigen<br />

mit bedeutenden <strong>Film</strong>kunstwerken und Einführen in das<br />

Jurieren sowie Hinführen zu einer schriftlichen Form der <strong>Film</strong>kritik<br />

für besonders erfolgversprechend. Dadurch entfalten die<br />

<strong>Jugend</strong>lichen auch Fähigkeiten, die ihnen auf ihrem weiteren<br />

Bildungsweg nützlich sein werden: Während des Projekts mussten<br />

sie eigene Meinungskriterien entwickeln, Vorträge gliedern<br />

sowie selbst erarbeitete Inhalte präsentieren und in der Diskussion<br />

verteidigen. Das zusätzlich angebotene Praktikum in der<br />

Redaktion der Frankfurter Rundschau hat den <strong>Jugend</strong>lichen auch<br />

persönlich viel gebracht. Deshalb sind wir als Stiftung gern bei<br />

der <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> als Partner dabei.<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> 5


Grußwort<br />

Dr. Olaf Hahn, Leiter des Bereichs „Kultur und Gesellschaft“<br />

der Robert Bosch Stiftung Stuttgart<br />

Innerhalb unserer Förderung von Kunst<br />

& Kultur führen wir auch Programme<br />

durch, die sich zum Ziel gesetzt haben,<br />

<strong>Jugend</strong>liche an kulturelle Institutionen<br />

heranzuführen. Wir wollen damit Kindern<br />

und <strong>Jugend</strong>lichen Lust machen, in die<br />

Oper zu gehen, sich Galerien und Museen anzuschauen, Konzerte<br />

anzuhören und sich für Theater und <strong>Film</strong> zu begeistern.<br />

Wichtig ist uns dabei, die <strong>Jugend</strong>lichen nicht nur zu passiven<br />

Konsumenten von Kultur zu machen, sondern sie vielmehr zu<br />

motivieren, sich aktiv an der Gestaltung von kulturellen Einrichtungen<br />

wie Museen, Opernhäusern und Theater zu beteiligen.<br />

In diese Reihe guter und wichtiger Projekte gehört die<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> des Deutschen <strong>Film</strong>instituts <strong>–</strong> DIF e. V., Frankfurt.<br />

An ihrer erstmaligen Durchführung haben wir uns mit<br />

großer Freude beteiligt, da die <strong>Jugend</strong>lichen anhand des ihnen<br />

vertrauten Mediums <strong>Film</strong> Zugang zu ihnen bisher unbekannten<br />

<strong>Film</strong>-Klassikern erhielten. Durch die medienpädagogische<br />

Begleitung vor und nach den Vorführungen und die Seminare<br />

in Rhetorik und <strong>Schreiben</strong> wurden die <strong>Jugend</strong>lichen dazu<br />

ausge bildet, <strong>Film</strong>e reflektiert und kritisch anzuschauen, ihre<br />

Argumente in der Diskussion zu schärfen und ihr Urteil auch<br />

schriftlich qualitätsvoll darzustellen. <strong>Jugend</strong>liche wurden so<br />

6 <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

auch an das Deutsche <strong>Film</strong>institut und das <strong>Film</strong>museum Frankfurt<br />

herangeführt und erlangten Medienkompetenz im <strong>Film</strong>,<br />

die sie als Multiplikatoren an ihrer Schule weitergeben werden.<br />

Zudem konnten sie durch die Zusammenarbeit mit der Frankfurter<br />

Rundschau den Redaktionsalltag einer großen deutschen<br />

Tageszeitung hautnah kennen lernen.<br />

Wir wünschen dem Deutschen <strong>Film</strong>institut bei der Fortführung<br />

der <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> weiterhin viel Erfolg und den beteiligten<br />

<strong>Jugend</strong>lichen, dass sie dem <strong>Film</strong> treu bleiben und das Projekt<br />

weiterhin kritisch begleiten.


Grußwort<br />

Dr. Matthias Arning, Ressortleiter Stadtredaktion der<br />

Frankfurter Rundschau<br />

neulich gerieten die Kollegen der<br />

Frankfurter Lokalredaktion geradezu<br />

ins Schwärmen. nett seien die Praktikanten,<br />

und engagiert, schreiben hätten<br />

sie wollen und ehrgeizig seien sie auch<br />

gewesen. Klang fast wie das Anforderungsprofil<br />

für einen Redakteur der Frankfurter Rundschau.<br />

Engagiert, schreibfreudig und ehrgeizig <strong>–</strong> allesamt Zuschreibungen,<br />

die auch jedem künftigen <strong>Film</strong>kritiker nur gut<br />

tun können. Da sind wir alle gespannt, was die jungen Juroren<br />

für das Programm des Deutschen <strong>Film</strong>instituts empfehlen<br />

werden, was ihnen in diesem Zusammenhang ein besonderes<br />

Anliegen ist und auch, was sie dieser Stadtgesellschaft beim<br />

Besuch im Kino zumuten wollen. Spätere Überraschungen<br />

nicht ausgeschlossen.<br />

Auf jeden Fall dürfte darüber dann noch zu reden sein.<br />

Wie über das gesamte, durchaus ambitionierte Projekt, über<br />

das sich jetzt bereits sagen lässt: Das Projekt <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

mutet den Schülerinnen und Schülern aus sechs Frankfurter<br />

Schulen wirklich etwas zu. Es verlangt ihnen etwas abseits<br />

aller lerninhaltlichen Standards ab, fordert sie heraus und<br />

bietet ihnen gleichzeitig eine Gelegenheit, die alles andere als<br />

alltäglich ist.<br />

<strong>Die</strong> jungen Juroren machen allesamt den Eindruck, dass sie<br />

das Projekt selbst auch verstanden haben als das, was es auch<br />

fortan sein sollte: die Eröffnung einer Dimension des Lernens,<br />

die geradezu idealtypisch miteinander verbindet, was man<br />

miteinander in Verbindung bringen kann.<br />

<strong>Die</strong>sem Lernprozess im interdisziplinären Rahmen kann<br />

man perspektivisch nur wünschen, dass wieder Praktikanten in<br />

der Lokalredaktion vorbeischauen, über die die Kollegen nicht<br />

nur Gutes zu berichten wissen <strong>–</strong> die sie vielmehr geradezu ins<br />

Schwärmen bringen.<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> 7


<strong>Film</strong>klassiker: Revisited<br />

Ein Rückblick auf die <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

Kinder und <strong>Jugend</strong>liche haben scheinbar leichten Zugang zum<br />

Medium <strong>Film</strong>, konsumieren aber überwiegend Produktionen aus<br />

dem aktuellen <strong>Film</strong>angebot der Multiplex-Kinos. <strong>Film</strong>historisch<br />

relevante Werke, eventuell auch in Schwarz-Weiß, oder aktuelle<br />

Arthouse-<strong>Film</strong>e, die gängigen Sehgewohnheiten zuwider laufen,<br />

werden von den meisten <strong>Jugend</strong>lichen zunächst unreflektiert<br />

abgelehnt. Allerdings sind sie in ihrer alltäglichen Mediennutzung<br />

mit diesen <strong>Film</strong>en auch erst gar nicht konfrontiert, da die aktuelle<br />

Kinolandschaft nur wenig <strong>Film</strong>kunst oder Klassiker bietet. Auch<br />

im Fernsehen finden sich qualitäts- und anspruchsvolle <strong>Film</strong>e fast<br />

ausschließlich auf späten Programmplätzen.<br />

Vermittlung von <strong>Film</strong>kultur und Medienkompetenz an junge<br />

Menschen muss deshalb von <strong>Film</strong>institutionen, Programmkinos<br />

und filmkulturell engagierten Einrichtungen aktiv betrieben werden.<br />

Sie gehört deshalb zu den Kernaufgaben des Deutschen <strong>Film</strong>museums,<br />

das jährlich von 12.000 Schülerinnen und Schülern besucht<br />

wird. Führungen, Workshops und Kinoveranstaltungen zählen<br />

zu unserer alltäglichen Arbeit. <strong>Die</strong> <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> aber stellte<br />

uns vor neue Herausforderungen. Würden sich die <strong>Jugend</strong>lichen<br />

für die von uns ausgesuchten <strong>Film</strong>e begeistern können? Würden<br />

sie fast ein Jahr lang regelmäßig an den Veranstaltungen teilnehmen?<br />

Wie würden sie auf die einzelnen <strong>Film</strong>e reagieren? Und was<br />

könnten wir aus ihren Reaktionen lernen? <strong>Die</strong>se und andere Fragen<br />

machten schon die Vorbereitung des Projekts spannend.<br />

8 <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

Mit Beginn des Schuljahres 2007/2008 führten wir Gespräche mit<br />

sechs Frankfurter Gesamtschulen und Gymnasien und wählten<br />

in Absprache mit der Schulleitung und den Lehrkräften jeweils<br />

vier Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 bis 11 aus. Als die 24<br />

künftigen Juroren sich am 18. Oktober 2007 zum ersten Mal im Kino<br />

des Hauses trafen, war die Spannung groß. Zur Einübung in neue<br />

Sehgewohnheiten hatten wir für sie Beispiele aus dem regulären<br />

Kurzfilmprogramm „Schule des <strong>Sehen</strong>s“ ausgewählt, mit dem wir<br />

Schulklassen <strong>Film</strong>analyse im Kino nahe bringen. <strong>Die</strong> zum Teil experimentellen<br />

Arbeiten führten in der neuen <strong>Jury</strong> zu den von uns<br />

gewünschten und erhofften lebhaften Diskussionen. Allerdings<br />

zeigte sich auch, dass nicht alle eingeladenen <strong>Jugend</strong>lichen die<br />

zeitintensive und anspruchsvolle regelmäßige Auseinandersetzung<br />

mit dem Medium <strong>Film</strong> fortsetzen konnten oder wollten: nach der<br />

Einführungsphase und noch vor Beginn der eigentlichen Arbeit mit<br />

den Spielfilmen schälte sich eine Kerngruppe von 17 Schülerinnen<br />

und Schülern heraus, die dann allerdings bis zum Ende dem Projekt<br />

treu blieben.<br />

Den Start sollte Ladykillers erleichtern, eine Komödie in Farbe,<br />

ein <strong>Film</strong>, der gerade ein Remake erfahren hatte, ein wenig schräg<br />

und mit seinem schwarzen Humor womöglich eine Herausforderung<br />

für die <strong>Jury</strong>. <strong>Die</strong> Diskussion, zur späteren Analyse immer mit<br />

einer Videokamera aufgenommen, war ermutigend, zeigte aber<br />

auch, dass den <strong>Jugend</strong>lichen der zeithistorische Kontext fehlte<br />

„Generell zur <strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> lautet mein Kommentar, dass die Arbeit zusammen mit euch und den anderen <strong>Jugend</strong>lichen (die wir ja zum Teil<br />

vorher noch nicht gekannt hatten) sehr viel Spaß gemacht hat. Ich hatte das Gefühl, produktiv zu sein, und die Diskussionen über <strong>Film</strong>e<br />

haben neue Ansichten und Meinungen der anderen offenbart und erklärt. Besonders gut gefiel mir das Seminar.“<br />

Teilnehmerin der <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> Besim Beqiri, Stefan Domitrovic, David Eichner, Benjamin Fischer, Julia Haaß, Johannes Keller, Franziska<br />

Mathée, Leonie Minor, Alba Pathé-Padilla, Josefine Rantzsch, Anja Scharpf, Swetlana Schneider, Max Schröder, Sophie Schürle,<br />

nina Schumacher, Alba Seibt, Lea Sorgler


Von Daniela <strong>Die</strong>trich (Leiterin der Museumspädagogik) und Dr. Julian namé (<strong>Film</strong>pädagoge)<br />

und sie zahlreiche Anspielungen, beispielsweise auf viktorianische<br />

Betulichkeiten, nicht verstehen konnten. <strong>Die</strong> <strong>Film</strong>titellisten, die wir<br />

noch in der Vorbereitungsphase erarbeitet und kontrovers diskutiert<br />

hatten, gaben wir schließlich zugunsten eines unmittelbaren<br />

Eingehens auf die Diskussionen und Wünsche der <strong>Jury</strong> auf. Den<br />

Ladykillers folgte deshalb Picnic at Hanging Rock als insbesondere<br />

die Schülerinnen faszinierende Studie viktorianischer Traditionen,<br />

um dann mit Night of the Hunter einen heftigen Kontrast in<br />

Schwarz-Weiß zu setzen.<br />

Immer einzelne Aspekte der <strong>Jury</strong>-Diskussionen aufgreifend,<br />

wählten wir schließlich unterschiedliche Erzähl-Formen, Epochen<br />

und Genres sowie <strong>Film</strong>e aus verschiedenen Regionen der Welt<br />

aus, jeweils als Überraschungsfilm, in deren Besonderheiten wir<br />

nur kurz einführten. Auf bekannte Lieblingsfilme der <strong>Jugend</strong>lichen<br />

verzichteten wir bewusst, kamen aber dem Wunsch der Mädchen<br />

nach, endlich einmal einen Marilyn-Monroe-<strong>Film</strong> zu sehen, um dann<br />

mit Gentlemen Prefer Blondes zugleich eine heftige Diskussion<br />

über Geschlechterrollen auszulösen.<br />

Zur Halbzeit, im Januar 2008, offerierte das Projekt ein ganztägiges<br />

Rhetorik-Seminar von Frank Hielscher und Heike Tiersch, das<br />

durch die gemeinsame, als aufregend und lehrreich erlebte Erfahrung<br />

die Gruppe zusammenschweißte. Beurteilen, Argumentieren<br />

und Präsentieren in Rede und Text, Diskutieren und Kritisieren<br />

wurden als Bereicherung erlebt und an Beispielen erprobt.<br />

Schließlich bot die Frankfurter Rundschau den jungen Juroren in<br />

den Schulferien die Möglichkeit, im Rahmen eines Wochen-Praktikums<br />

die journalistische Arbeit kennen zu lernen und auch diese<br />

gleich auszuprobieren: Einige <strong>Jugend</strong>liche konnten deshalb zum<br />

ersten Mal ihren namen unter einem Artikel in der Zeitung lesen.<br />

Der genaue Blick auf filmische Mittel, die Hinwendung zu<br />

Kamera, Schauspielkunst, Ausstattung, Licht, Ton, Farbdramaturgie,<br />

die Überprüfung der Wirkung auf die eigene Rezeption <strong>–</strong> all<br />

diese Erfahrungen und Erkenntnisse flossen schließlich in die Abschlussdiskussion<br />

ein, als die <strong>Jury</strong> im April 2008 ihre zehn „besten“<br />

<strong>Film</strong>e aus den vorgestellten 20 auswählte. Und für einige Überraschungen<br />

sorgte.<br />

Dass ihre Arbeit Folgen hat, ist auch für uns von großer Wichtigkeit:<br />

Das vorliegende Heft mit den Texten von <strong>Jury</strong>-Mitgliedern,<br />

die <strong>Film</strong>reihe im Kino des Hauses, wo im August und September<br />

unter dem Gütesiegel „<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong>“ die zehn <strong>Film</strong>e laufen,<br />

die Präsentation von Lieblingsfilmen vor Schulklassen der Anna-<br />

Schmidt-Schule <strong>–</strong> all dies soll die nachhaltigkeit der erworbenen<br />

Expertise gewährleisten. Und uns helfen, die <strong>Film</strong>erfahrung <strong>Jugend</strong>licher<br />

besser zu verstehen. In unserer Alltagsarbeit. In Zukunft.<br />

Fortsetzung folgt.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Jugend</strong>lichen wurden aus folgenden<br />

Frankfurter Schulen ausgewählt:<br />

Anna-Schmidt-Schule (Gymnasium)<br />

Carlo-Mierendorff-Schule (Integrierte Gesamtschule)<br />

IGS-nordend (Integrierte Gesamtschule)<br />

Paul-Hindemith-Schule (Integrierte Gesamtschule)<br />

Schillerschule (Gymnasium)<br />

Carl-von-Weinberg-Schule (Kooperative Gesamtschule)<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> 9


<strong>Die</strong> ausgewählten zehn <strong>Film</strong>e<br />

Sunrise: A Song of Two Humans<br />

Sonnenaufgang <strong>–</strong> Lied von zwei Menschen<br />

Modern Times Moderne Zeiten<br />

To Be or Not to Be Sein oder nichtsein<br />

High Noon 12 Uhr Mittags<br />

Gentlemen Prefer Blondes Blondinen bevorzugt<br />

10 <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

Rear Window Das Fenster zum Hof<br />

One,Two,Three Eins, zwei, drei<br />

Picnic at Hanging Rock Picknick am Valentinstag<br />

Night on Earth<br />

Schtonk!


Sunrise: A Song of Two Humans<br />

Sonnenaufgang <strong>–</strong> Lied von zwei Menschen<br />

USA 1927, Regie: Friedrich W. Murnau, Darsteller: Janet Gaynor, George O’Brien, Margaret Livingston<br />

Swetlana Schneider<br />

17 Jahre<br />

Es ist Sommer. Bei dem Versuch, aus<br />

seinem ländlichen und trostlosen Leben<br />

auszubrechen, beginnt der Farmer (George<br />

O‘Brien) eine Liebesaffäre mit einer verruchten Großstadtschönheit<br />

(Margaret Livingston).<br />

Mit einem Schlag gerät sein Leben und das seiner Frau (Janet<br />

Gaynor) aus den Fugen. Denn während für den Farmer nun<br />

regel mäßige Treffen mit seiner Angebeteten anstehen, verzweifelt<br />

die Ehefrau allein zuhause. Als sich der Sommer dem Ende<br />

neigt, bittet die Geliebte den Farmer, sein Land zu verkaufen<br />

und mit ihr in die Stadt zu kommen. Seine Ehefrau soll er dafür<br />

unauffällig beseitigen. Daraufhin reift in dem Farmer der Plan,<br />

seine Ehefrau im Verlauf einer Bootstour zu ertränken, um es<br />

später als Unfall zu kaschieren. Doch im entscheidenden Moment<br />

wird ihm klar, wie treu seine Frau immer gewesen ist, und<br />

dass er sie noch von ganzem Herzen liebt. Als er jedoch wieder<br />

zurück an Land rudert, flieht seine noch immer verängstigte und<br />

panische Frau vor ihm.<br />

<strong>Die</strong>se Flucht führt das Ehepaar über Umwege in die sündige<br />

Großstadt, wo nun der reumütige Ehemann nichts unversucht<br />

lässt, um seine Frau von seiner tiefen Liebe zu überzeugen und<br />

sich mit ihr zu versöhnen. Es folgt ein ereignisreicher Tag mit Besuchen<br />

in Cafés, bei einem Fotografen und in einem Vergnügungspark.<br />

All das gipfelt schließlich in einem Dilemma, auf das keiner<br />

von beiden Einfluss nehmen kann, und dessen Ausgang soweit<br />

ungewiss bleibt.<br />

<strong>Die</strong>ser <strong>Film</strong> von Friedrich Wilhelm Murnau ist eine spannende<br />

Story über den Gegensatz von Land- und Großstadtleben, über<br />

Versuchungen und Schuld, Reue und neuanfang und über eine<br />

starke Liebe. Dabei wirkt die Handlung dennoch nicht altbacken<br />

oder gar kitschig, denn spätestens ab dem Moment, in dem die<br />

Großstadt zum <strong>Film</strong>schauplatz wird, entwickelt dieser <strong>Film</strong> einen<br />

außerordentlichen Reiz.<br />

Sunrise stammt aus den Zeiten des Stummfilms und ist<br />

gleichzeitig ein Paradebeispiel derselben. Gerade die zutiefst<br />

lyrische Bildersprache sowie die Techniken wie Überblendungen,<br />

Doppelbelichtungen, abgestufte Tönungen, subtile Kamerabewegungen,<br />

Licht- und Schatteneffekte, welche Murnau mit einer<br />

dem Erzählrhythmus adäquaten Bildmontage verband, drücken<br />

hervorragend die menschlichen Gefühle und Stimmungen aus und<br />

machen den <strong>Film</strong> so beeindruckend. Daher ist es nicht verwunderlich,<br />

dass der <strong>Film</strong> bei der ersten großen Oscar-Verleihung viermal<br />

nominiert und davon dreimal ausgezeichnet wurde.<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> 11


Modern Times<br />

Moderne Zeiten<br />

USA 1936, Regie: Charles Chaplin, Darsteller: Charles Chaplin, Paulette Goddard<br />

12 <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

nina Schumacher<br />

17 Jahre<br />

Charlie Chaplin. Jeder kennt ihn. Seine letzte Tramp-Charakter-<br />

Rolle: klein, mit Melone, Stöckchen und Schnurrbart. <strong>Die</strong> beißende<br />

Satire Modern Times (Moderne Zeiten) führt ihn durch<br />

die moderne Arbeitswelt von 1936 und die Unmenschlichkeit<br />

der Maschinen. Einmal gefangen in einem riesigen Räderwerk,<br />

durchläuft er nervenanstalten, Gefängnisse und führt unbeabsichtigt<br />

Demonstrationen an. Immer wieder verliert er durch<br />

Missverständnisse und andere Pannen seinen Beruf und zeigt<br />

damit die allgemeine Situation der Arbeiter in dieser Zeit auf.<br />

Bei einem seiner Transporte ins Gefängnis lernt er Gamine<br />

kennen, ein junges Mädchen ohne Einkommen und Heim, und<br />

beginnt sich mit ihr eine Existenz aufzubauen. nach einigen<br />

Fehlversuchen heuert sie in einer Kneipe als Tänzerin und<br />

Charlie als Kellner an. Durch einen Zufall, wie so oft im <strong>Film</strong>,<br />

steht er plötzlich selber auf der Bühne und zum ersten Mal hört<br />

man Charlie Chaplins Stimme. Doch auch sein Job in der Kneipe<br />

geht schief, da Gamines Vergangenheit die beiden einholt. Sie<br />

müssen, um nicht getrennt zu werden, fliehen. Gemeinsam<br />

gehen sie auf einer Straße dem Sonnenaufgang entgegen und<br />

bilden damit eine altbekannte und oft genutzte Abschluss-<br />

Szene.<br />

Wie alle seine vorangegangenen Produktionen war auch<br />

Modern Times ein Stummfilm. Denn obwohl es in dieser Zeit<br />

durchaus Tonaufnahme gab, ist der <strong>Film</strong> auch eine Satire auf<br />

den Sprechfilm, und Chaplin beharrte fest auf seine pantomimischen<br />

Einlagen. Seine Figur bleibt während des gesamten <strong>Film</strong>s<br />

immer voller Menschlichkeit und Sensibilität und steht damit<br />

im Kontrast zu der restlichen Gesellschaft.<br />

Der <strong>Film</strong> Modern Times kritisiert die damalige Industrialisierung<br />

und den damit verbundenen Verlust der Individualität.<br />

Und doch vereint er ein solches Thema mit Komik und dem<br />

typischen Charlie-Chaplin-Flair. <strong>Die</strong>s und die Tatsache, dass man<br />

danach gerne mehr von Charlie Chaplin sehen möchte, machen<br />

diesen <strong>Film</strong> nur empfehlenswert.


To Be or Not to Be<br />

Sein oder Nichtsein<br />

USA 1942, Regie: Ernst Lubitsch, Darsteller: Carole Lombard, Jack Benny<br />

Max Schröder<br />

16 Jahre<br />

To Be or Not to Be (Sein oder nichtsein) ist eine nazi-Komödie<br />

der besonderen Art: Sie kam zu einem Zeitpunkt in die Kinos,<br />

als der zweite Weltkrieg noch lange nicht beendet war. Auch<br />

die Schrecken der naziherrschaft gehörten zu dieser Zeit, 1942,<br />

noch lange nicht der Vergangenheit an. Es ist daher nicht verwunderlich,<br />

dass der <strong>Film</strong> anfangs keinen kommerziellen Erfolg<br />

erzielte. Denn zu der Zeit, als der <strong>Film</strong> veröffentlicht wurde,<br />

war es den Leuten nicht danach, sich über die nazis lustig zu<br />

machen; zu tief saß der Schrecken, den die nazis durch ihre<br />

Gräuel taten verbreiteten. In der Tat schreckt Ernst Lubitsch<br />

nicht vor Begriffen wie Konzentrationslager zurück, die er gekonnt<br />

in seine Satire einbaut, ohne aber das niveau des <strong>Film</strong>s<br />

zu senken. neben etlichen humorvollen Szenen, über die wir,<br />

im Gegensatz zu den Menschen 1942, lachen können, besitzt<br />

der <strong>Film</strong> auch eine ernsthafte Handlung: Professor Siletsky, ein<br />

Doppelagent, der für die nazis arbeitet, reist mit den Adressen<br />

polnischer Untergrundkämpfer nach Polen, um die namen<br />

der in der Widerstandsbewegung aktiven Polen den Nazis zu<br />

überbringen. Eine polnische Theatergruppe, die auch aktiv in<br />

der Widerstandsbewegung ist, setzt alles daran, zu verhindern,<br />

dass Siletsky die namen der Untergrundkämpfer an die nazis<br />

verrät. Dabei greifen die Schauspieler auf ihre von Berufswegen<br />

vorhandenen Fähigkeiten zurück: Sie schauspielern. Von nun an<br />

erwartet den Zuschauer eine geniale Verwechslungskomödie:<br />

<strong>Die</strong> Theaterleute verkleiden sich als nazis, bauen sogar ein<br />

nazi-Hauptquartier nach und kommen so an die Adressen der<br />

Untergrundkämpfer. Letztendlich gelingt es einem von ihnen<br />

sogar, sich als Hitler auszugeben. <strong>Die</strong>se Verkleidungs- und Verwechslungsgeschichte<br />

ist der eigentliche Reiz dieses <strong>Film</strong>s.<br />

Der <strong>Film</strong> stellt nicht allein eine unterhaltsame Geschichte<br />

dar, sondern er ist eine zu <strong>Film</strong> gewordene Kritik an den nazis.<br />

So zeigt Lubitsch die nazis zum Beispiel als zu absolutem Gehorsam<br />

neigende Untertanen: Auf Befehl springen zwei junge<br />

Soldaten ohne Fallschirm aus einem Flugzeug. Der <strong>Film</strong> ist also<br />

weit mehr als nur eine Komödie. Er ist eine kritische Satire, die<br />

mehr als nur Unterhaltung bietet.<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> 13


High Noon<br />

12 Uhr Mittags<br />

USA 1952, Regie: Fred Zinnemann, Darsteller: Gary Cooper, Grace Kelly<br />

14 <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

Leonie Minor<br />

17 Jahre<br />

Was braucht ein Western? Mutige Cowboys, schöne Frauen und<br />

Bösewichte. Grob gesagt. Dazu eine spannende Geschichte, die<br />

von Mut und Ehre handelt.<br />

High Noon handelt von teilweise mutigen Cowboys, schönen<br />

Frauen und Halunken. Doch inszenierte Fred Zinnemann<br />

die ganze Geschichte etwas sensibler.<br />

Es wird klar, dass der anerkannte und stolze Marshal Will<br />

Kane (Gary Cooper), dem man seine 50 Jahre ansieht, eigentlich<br />

ziemlich froh ist, Amy (Grace Kelly) zu heiraten und mit ihr<br />

fortzugehen. Blöderweise hat sein Feind Frank Miller (Ian Mac<br />

Donald) noch eine Rechnung mit ihm offen. Kane könnte sich<br />

gemütlich mit seiner Frischvermählten aus der Affäre ziehen.<br />

Doch sein langes Arbeiten für das Gesetz macht ihm einen<br />

Strich durch die Rechnung. Er fühlt sich gezwungen, umzukehren<br />

<strong>–</strong> gegen den Willen seiner Frau <strong>–</strong>, um sich der Gefahr zu<br />

stellen. <strong>Die</strong> Geschichte nimmt ihren Lauf.<br />

Es fehlt jede überschaubare Leichtigkeit, die sonst in<br />

Western vorherrscht, was den <strong>Film</strong> jedoch sehr sympathisch<br />

macht. Kane muss sich mit seiner Angst, gegen Miller anzutreten,<br />

ein paar Kumpanen suchen, die ihm zur Seite stehen. Doch<br />

die haben entweder nur Argwohn gegen ihn oder eine schlechte<br />

Ausrede parat.<br />

Den <strong>Film</strong> anzuschauen macht Spaß, da es eine Mischung<br />

aus klassischem Western und echten Gefühlen ist. So ist das<br />

Ende zwar zu vermuten, jedoch wunderschön. Obwohl der <strong>Film</strong><br />

nicht die gewohnte Härte hat, kommen Freunde des Western<br />

und von guten <strong>Film</strong>en nicht daran vorbei, sich diesen Klassiker<br />

anzuschauen.<br />

Außerdem ist der <strong>Film</strong> sehr wohl mit unrasierten, Wein<br />

trinkenden und spuckenden Herren gespickt und vermittelt das<br />

Gefühl, sich möglichst schnell einen Cowboyhut und ein Pferd<br />

kaufen zu müssen.


Gentlemen Prefer Blondes<br />

Blondinen bevorzugt<br />

USA 1953, Regie: Howard Hawks, Darsteller: Marilyn Monroe, Jane Russell<br />

Alba Seibt<br />

16 Jahre<br />

In dem Musical von Howard Hawks geht es um die zwei attraktiven<br />

Showgirls Lorelei (Marilyn Monroe) und Dorothy (Jane<br />

Russell). Sie wollen mit dem Schiff nach Europa fahren, dort<br />

will Lorelei den reichen Gus heiraten. Doch dessen Vater glaubt,<br />

dass sie nur hinter seinem Geld her sind <strong>–</strong> was auf Lorelei sicherlich<br />

auch mehr oder weniger zutrifft, während sich Dorothy<br />

wenig aus Geld macht <strong>–</strong> und engagiert den Privat detektiv Ernie<br />

Malone (Elliott Reid), um die beiden Frauen auf dem Schiff zu<br />

observieren. Der verliebt sich in Dorothy, welche ihm auch nicht<br />

abgeneigt ist. Lorelei macht Bekanntschaft mit Sir Francis Beekman<br />

(Charles Coburn), dem Besitzer einer Diamantenmine.<br />

<strong>Die</strong> beiden Showgirls stiften bei ihrer Suche nach dem passen-<br />

den Partner noch reichlich Verwirrung, bis es zum voraussehbaren<br />

Happyend in diesem farbenprächtigen Hollywoodmärchen<br />

kommt.<br />

Mit einer scheinbar im dunkeln leuchtenden Miss Monroe,<br />

die eine Blondine mit Unschuldsgesicht spielt, und deren Augen<br />

sich bei Diamanten weit öffnen und beim Küssen schließen,<br />

mit der ausdrucksstarken Brünetten Jane Russell, die vor Sarkasmus<br />

nur so sprüht und den Dreh raus hat, gleich eine ganze<br />

Olympiamannschaft um den Finger zu wickeln, und natürlich<br />

dem allseits bekannten Lied „Diamonds are a girl’s best friend“<br />

besticht dieser <strong>Film</strong>. Ob die beiden Frauen nun singen, tanzen<br />

oder einfach nur Diamanten anstarren <strong>–</strong> sie bedienen wunderbar<br />

alle Klischees, die Brünetten und Blondinen so anhaften.<br />

Für den ein oder anderen sicher mehr als unwiderstehlich.<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> 15


Rear Window<br />

Das Fenster zum Hof<br />

USA 1954, Regie: Alfred Hitchcock, Darsteller: James Stewart, Grace Kelly<br />

16 <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

Josefine Rantzsch<br />

16 Jahre<br />

Langeweile, nichts als Langeweile, empfindet<br />

L.B. Jeffries, der nach einem Unfall an<br />

den Rollstuhl gefesselt ist. Während einem<br />

unfassbar heißen Sommer muss Jeff, gespielt von James Stewart,<br />

nun sein gebrochenes Bein schonen und geduldig sein. Etwas, was<br />

dem abenteuerlustigen Pressefotograf sehr schwer fällt. In seinem<br />

Apartment in einem Hinterhof in Greenwich Village kommen ihn<br />

zwar manchmal die Krankenschwester Stella und seine Verlobte<br />

Lisa Fremont besuchen, aber Jeffries Alltag bestand noch bis vor<br />

kurzem eher aus Reisen.<br />

Schließlich beobachtet er seine nachbarn, die unterschiedlicher<br />

und interessanter nicht sein könnten. Von Primaballerina,<br />

Musikkomponist bis hin zu einem frischverheirateten Ehepaar <strong>–</strong><br />

alle Altersklassen sind vertreten und sorgen kurzzeitig dafür, dass<br />

der schlecht gelaunte Jeff beschäftigt ist. Sorgen bereitet ihm Lisa,<br />

eine elegante Karrierefrau, die ständig versucht, ihn von seinen<br />

waghalsigen Reisen abzubringen und stattdessen ein bodenständiges<br />

Leben mit ihr zu führen. Doch plötzlich bemerkt er, dass die<br />

Ehefrau eines nachbarn seit Tagen nicht mehr zu sehen ist. Mit<br />

einem Fernglas und den Teleobjektiven seiner Kameras beginnt<br />

Jeffries mit der Detektivarbeit, durch die er klären will, ob die Frau<br />

nur verreist, in einem Krankenhaus oder schlimmer: tot ist. <strong>Die</strong>se<br />

Frage bleibt einen Großteil des <strong>Film</strong>s über offen und man ertappt<br />

sich selbst dabei, wie schnell sich die eigene neugier steigert.<br />

Dadurch, dass Hitchcock eine subjektive Kameraführung verwendet,<br />

wird der Zuschauer zu einem heimlichen Komplizen von<br />

Jeffries, denn der Zuschauer schaut ebenso hilflos den Geschehnissen<br />

in diesem Hinterhof zu, wie der Hauptdarsteller.<br />

Das Fenster zum Hof war sowohl der erste <strong>Film</strong>, den Hitchcock<br />

für Paramount drehte, als auch der zweite, den er mit Edith Head<br />

gestaltete. Hitchcock hatte sehr genaue Vorstellungen von den<br />

Kostümen, die Head entwarf und die ideal zu der jeweiligen Stimmung<br />

passten.<br />

<strong>Die</strong> perfekte Besetzung der beiden Oscar-Gewinner James<br />

Stewart und Grace Kelly in den Hauptrollen, der aufwendige Bau<br />

und die beeindruckende Ausleuchtung des Studios machen diesen<br />

<strong>Film</strong> zu einem der originellsten Hitchcock-<strong>Film</strong>e. Es ist ihm gelungen,<br />

den Eindruck einer realen Hinterhofatmosphäre zu schaffen,<br />

was durch die überlagernde Straßenverkehrs-Geräuschkulisse<br />

erreicht wurde. Alfred Hitchcock schuf in diesem Thriller eine<br />

Spannung, die im Laufe des <strong>Film</strong>s immer mehr ansteigt, und der<br />

man sich nicht entziehen kann. Allerdings ganz ohne jegliche<br />

Schockeffekte.


One,Two,Three<br />

Eins, zwei, drei<br />

USA 1961, Regie: Billy Wilder, Darsteller: James Cagney, Horst Buchholz, Liselotte Pulver<br />

Benjamin Fischer<br />

14 Jahre<br />

Witzig, schnell und spannend: <strong>Die</strong>se drei<br />

Eigenschaften werden in wenigen <strong>Film</strong>en<br />

vereint. Billy Wilder hat es geschafft. Eins,<br />

zwei, drei ist witzig, schnell und spannend. <strong>Die</strong>ser <strong>Film</strong> ist keineswegs<br />

ein neuer <strong>Film</strong>, er kam zu Beginn des Mauerbaus in Berlin,<br />

also 1961, in die Kinos. Konnten die Kinogänger damals während<br />

des Kalten Krieges über einen <strong>Film</strong> lachen, der von einem Coca-<br />

Cola-Chef in Westberlin handelt? Sie konnten es nicht. <strong>Die</strong> Menschen<br />

waren geschockt über die Freiheitseinschränkungen durch<br />

die Kommunisten und den Mauerbau.<br />

Ein Kommunist kommt in Eins, zwei, drei vor, Otto Ludwig<br />

Piffl mit Namen. Er hat die Tochter des Coca-Cola-Chefs der<br />

Zentrale in Amerika, die dem Berlin-Chef Macnamara in den<br />

Ferien anvertraut wurde, heimlich geheiratet. Ein Schock für den<br />

Berlin-Chef. Er beschließt daraufhin, den Kommunisten in einen<br />

Kapitalisten zu „verwandeln“, um seinen obersten Chef nicht zu<br />

enttäuschen.<br />

Eins, zwei, drei besticht durch seine rasend schnellen Wortwechsel,<br />

seine zufälligen Alltagsbegebenheiten, eine Affäre am<br />

Arbeitsplatz und eine wilde Verfolgungsjagd durch halb Berlin.<br />

Ständige Wortgefechte zwischen dem kommunistischen Otto<br />

und Mister Macnamara sind durchsetzt mit kurzen schlagfertigen<br />

Witzchen. Es wird ganz besonders die so unterschiedliche<br />

Denkweise und Lebensweise der Kommunisten und Kapitalisten<br />

deutlich. Ein Beispiel dafür sind die verschiedenen Essgewohnheiten<br />

oder die unterschiedlichen Autos, die dem Zuschauer im<br />

<strong>Film</strong> vorgeführt werden.<br />

Dass der <strong>Film</strong> in Schwarz-Weiß gedreht ist, stört heutzutage<br />

nicht mehr, vielleicht wäre der <strong>Film</strong> in Farbe sogar weniger gut.<br />

Den <strong>Film</strong> zeichnet außerdem eine eingehende und immer wiederkehrende<br />

Musik aus. <strong>Die</strong> Schauspieler sind überwiegend aus<br />

Deutschland und die Rollen zum Beispiel mit Horst Buchholz und<br />

Lilo Pulver bestens besetzt.<br />

Eins, zwei, drei benötigt dennoch ein bisschen Eingewöhnung,<br />

denn es wird unglaublich schnell gesprochen, sodass man<br />

sich stark konzentrieren muss, um möglichst alle Details gut zu<br />

verstehen. nach kurzer Zeit hat man sich jedoch darauf eingestellt.<br />

Als Billy Wilder, ein in die USA ausgewanderter Österreicher,<br />

den <strong>Film</strong> drehte, war er bereits ein erfolgreicher Regisseur. 1959<br />

hatte er den <strong>Film</strong> Manche mögen’s heiss mit Marilyn Monroe<br />

gedreht. Schließlich kam der <strong>Film</strong> Eins, zwei, drei in den 1980er<br />

Jahren erneut in die Kinos und wurde ein Publikumsliebling.<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> 17


Picnic at Hanging Rock<br />

Picknick am Valentinstag<br />

Australien 1975, Regie: Peter Weir, Darsteller: Rachel Roberts, Vivean Gray<br />

18 <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

Franziska Mathée<br />

14 Jahre<br />

„Du musst lernen, auch andere Menschen zu lieben, denn ich<br />

werde nicht mehr lange hier sein.“ Mit diesen Worten verabschiedet<br />

sich die engelsschöne Miranda von ihrer besten Freundin<br />

Sara, bevor sie zu einem Ausflug aufbricht, von dem sie nie<br />

wiederkehren soll. Beide Mädchen sind Schülerinnen in einer<br />

„Anstalt für junge Damen“. Doch während Miranda als der unumstrittene<br />

Liebling aller dasteht und von einer Lehrerin sogar<br />

mit einem Boticelli-Engel gleichgesetzt wird, ist Saras Behandlung<br />

stiefmütterlich und alles andere als einfühlsam. neben<br />

diesem Kontrast enthält der <strong>Film</strong> noch etliche weitere, die dem<br />

Ganzen eine unsichere und beinahe schon skurrile Atmosphäre<br />

geben. Auf der einen Seite zeigt der Regisseur Peter Weir die<br />

wunderschönen Mädchen in ihren blütenweißen Kleidern und<br />

ihren zärtlichen morgendlichen Ritualen, wie das gegenseitige<br />

Schnüren von Korsetten oder dem Rezitieren von Gedichten.<br />

<strong>Die</strong>ser Kitsch wiegt den Zuschauer in einer trügerischen Sicherheit,<br />

man wird von der Zärtlichkeit mitgerissen und mag am<br />

liebsten mitten im Geschehen sein, an diesem Februarmorgen<br />

im Jahre 1900. Einen extremen Gegensatz zu dieser Idylle bildet<br />

der Hanging Rock, eine Felsformation in etwa 70 km Entfernung<br />

zu Melbourne. Mit genialen naturaufnahmen und einer<br />

schaurig schönen musikalischen Untermalung wird dieser Platz<br />

schon relativ rasch als Bedrohung wahrgenommen, von dem<br />

etwas Übernatürliches und Mystisches ausgeht. Zusätzlich wird<br />

der konstruierte, künstliche Frieden, der von der ruhenden<br />

Mädchengruppe ausgeht, immer wieder durch kurze Szenen<br />

durchbrochen, die uns schockieren und immer mehr Verwirrung<br />

stiften sollen. So brennt sich zum Beispiel das Bild des jungen<br />

Adligen, der mit einer Kopfverletzung am Hanging Rock gefunden<br />

wird, in das Bewusstsein des Zuschauers, der schon bald<br />

nicht mehr weiß, in wieweit er dem <strong>Film</strong> trauen kann.<br />

Ebenfalls sehr entscheidend sind all die tragischen Einzelschicksale,<br />

die mehrheitlich tödlich enden. <strong>Die</strong> gestrenge und<br />

dominante Schulleiterin genießt anfangs noch den Ruhm, den<br />

Reichtum und den Erfolg, den die von ihren Eltern erbaute


Anstalt einbringt. Doch das Verschwinden der drei jungen<br />

Mädchen bedeutet ihren Untergang, den man sehr gut an ihrer<br />

Frisur, die immer wirrer wird, festmachen kann. Sie zerfällt zusehends<br />

und gibt sich der Trunksucht hin. Letztendlich wird ihre<br />

Leiche am Fuße des Hanging Rock gefunden. Auch Sara, das<br />

Waisenmädchen und Mirandas beste Freundin, bringt sich um,<br />

denn da ihr Vormund ihre Schulgebühren nicht mehr bezahlt,<br />

wird sie zurück in ein Waisenhaus geschickt. Leider erfährt sie<br />

nie, dass ihr geliebter Bruder Bertie nur unweit von ihr der Angestellte<br />

eines englischen Aristokraten ist. <strong>Die</strong> Beziehung zwischen<br />

Bertie und seinem Arbeitgeber ist ebenfalls von besonderer<br />

Wichtigkeit, denn die Männer sind gleichaltrig und dennoch<br />

so unterschiedlich wie Tag und nacht. Allerdings verstehen sie<br />

sich ausgezeichnet und übernehmen sogar Eigenschaften voneinander<br />

oder decken sich in brenzligen Situationen, was uns<br />

schon beinahe tröstlich erscheint, da diese Freundschaft mitunter<br />

der letzte Hoffnungsschimmer bleibt.<br />

Eine weitere Besonderheit für mich war, dass man diesen<br />

<strong>Film</strong> auch in England hätte drehen können, denn die englische<br />

Kultur und Mode wurde von den Siedlern komplett auf Australien<br />

übertragen. Zwar leiden die Mädchen in ihren hochgeschlossenen,<br />

enganliegenden Kleidern unter der brütenden<br />

Hitze, doch werden sie ihren Aufgaben als junge Damen voll-<br />

ständig gerecht. Ein einziger Aborigine wird gezeigt, und auch<br />

er ist eher ein Mittel zum Zweck, statt eine vollständig akzeptierte<br />

Person. Somit könnten die Kontraste und Vielschichtigkeiten<br />

in keinem <strong>Film</strong> ausführlicher und allumfassender sein,<br />

als in diesem.<br />

Der ganze <strong>Film</strong> konstruiert eine Atmosphäre abseits von<br />

wahr und falsch und zeigt so auf anschauliche Weise, dass eigentlich<br />

nichts so ist, wie es wirklich scheint, dass nicht alles<br />

eine Lösung oder eine logische, rationale Erklärung hat. Uns<br />

werden so viele Rätsel aufgegeben, die nicht für uns gelöst<br />

werden.<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> 19


Night on Earth<br />

USA 1991, Regie: Jim Jarmusch, Darsteller: Winona Ryder, Armin Müller-Stahl, Roberto Benigni, Beatrice Dalle<br />

20 <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

David Eichner<br />

16 Jahre<br />

Von all den <strong>Film</strong>en, die wir uns angeschaut haben, hat mich<br />

ein <strong>Film</strong> ganz besonders beeindruckt. Er war vielseitig, doch<br />

einfach, bewegend, aber auch spannend. Der <strong>Film</strong>, von dem ich<br />

rede, heißt Night on Earth.<br />

Ein Titel, unter dem ich mir anfangs nur sehr wenig vorstellen<br />

konnte. Night on Earth, dachte ich mir, was soll das sein?<br />

Eine Dokumentation über die Erde? Doch ich lag komplett daneben.<br />

Der <strong>Film</strong> begann auf eine merkwürdige Art. Zu sehen war<br />

eine Wand mit fünf Uhren: New York, Helsinki, Paris, Rom,<br />

L.A.. Jede dieser fünf Uhren stand für eine andere Episode. Es<br />

war nämlich kein durchgehender <strong>Film</strong>, sondern fünf kleine<br />

Geschichten, die alle eines gemeinsam hatten: Sie spielten in<br />

einem Taxi.<br />

<strong>Die</strong> erste Geschichte begann und die Skepsis, die ich anfänglich<br />

für diesen <strong>Film</strong> empfand, verschwand mehr mit jeder Sekunde.<br />

Sie spielte in L.A. und, wie jede Geschichte, in einem Taxi. Auf<br />

den Inhalt werde ich nicht genauer eingehen, da ich auf gar<br />

keinen Fall etwas verraten möchte. Jedes Detail wäre zu viel, da<br />

es sich nicht um eine durchgehende, sondern um viele kleine<br />

Geschichten handelt.<br />

Mit nur einer Kameraeinstellung bringt uns der Regisseur<br />

durch eine ganze nacht.<br />

Sie beginnt am frühen Abend in L.A., geht über New York<br />

nach Rom und Paris, und endet schließlich am frühen Morgen in<br />

Helsinki. Während des <strong>Film</strong>s erfährt man von Problemen, Sorgen,<br />

Zielen und nöten vieler verschiedener Menschen.<br />

Und den ganzen <strong>Film</strong> über gibt es keine Synchronisation:<br />

Jede Sprache wird von den jeweiligen Menschen gesprochen,<br />

lediglich Untertitel gibt es. So kommt man noch näher an die<br />

einzelnen Menschen heran.<br />

Insgesamt möchte ich sagen, dass der <strong>Film</strong> sehr empfehlenswert<br />

ist. Er ist spannend, er ist beruhigend, man kann<br />

lachen, man kann weinen, es ist einfach für jeden etwas dabei.<br />

Das ist wohl auch der Grund, warum wir ihn zu einem unserer<br />

Top-Ten-<strong>Film</strong>e gewählt haben.


Schtonk!<br />

Deutschland 1992, Regie: Helmut <strong>Die</strong>tl, Darsteller: Götz George, Uwe Ochsenknecht, Veronika Ferres, Ulrich Mühe<br />

Besim Beqiri<br />

17 Jahre<br />

„Er brennt nicht, der Führer brennt nicht...“, so fängt der <strong>Film</strong><br />

Schtonk! an. <strong>Die</strong> Komödie, 1991 herausgekommen, ist eine<br />

Verfilmung des Hitlertagebuch-Medienskandals der Zeitschrift<br />

STERN, der 1983 auf der ganzen Welt Schlagzeilen machte. <strong>Die</strong>sen<br />

Skandal machte sich Regisseur Helmut <strong>Die</strong>tl zunutze, und<br />

mit dem deutschen Top-Schauspieler Uwe Ochsenknecht (er<br />

spielt Professor Dr. Fritz Knobel, den raffinierten Kunstfälscher)<br />

lässt er den Skandal Revue passieren. Doch diesmal wird es etwas<br />

anders. Der Medienskandal, der damals sehr ernst genommen<br />

wurde, wird im <strong>Film</strong> lustig und voller Witze dargestellt.<br />

neben Uwe Ochsenknecht spielt Götz George in dem <strong>Film</strong> einen<br />

schmierigen Journalisten, der schon sehr lange keinen Knüller<br />

mehr seiner Redaktion vorgelegt hat. Und wenn der Kunstfälscher<br />

und der Journalist sich treffen, ist das Chaos perfekt.<br />

Plötzlich tauchen die Hitlertagebücher auf, und der Journalist<br />

hat jetzt den Knüller des Jahres, glaubt er. Was er nicht weiß ist,<br />

dass die Bücher Fälschungen sind, die teuer an die Redaktion<br />

des Journalisten verkauft werden. Doch die List des Professors<br />

bleibt nicht lange unentdeckt. <strong>Die</strong> Sache fliegt auf und jeder,<br />

der damit zu tun hat, bekommt sein Fett ab.<br />

Der <strong>Film</strong> ist ein Muss für alle, denn außer Uwe Ochsenknecht<br />

und Götz George sind unter anderem auch Veronika<br />

Ferres und Christiane Hörbiger als Schauspielerinnen dabei.<br />

Der <strong>Film</strong> lebt durch die Performance der Darsteller, und zwischen<br />

dem ganzen Humor ist auch ein Hauch Erotik dabei, der<br />

das Ganze noch anschaulicher macht. Im großen und ganzen ist<br />

es ein gut gelungener <strong>Film</strong>.<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> 21


Alle 20 <strong>Film</strong>e im Überblick<br />

The Ladykillers, Großbritannien 1955, Regie: Alexander Mackendrick • Picnic at Hanging Rock, Picknick am Valentinstag, Australien 1975,<br />

Regie: Peter Weir • The Night of the Hunter, <strong>Die</strong> Nacht des Jägers, USA 1955, Regie: Charles Laughton • Rear Window, Das Fenster zum<br />

Hof, USA 1954, Regie: Alfred Hitchcock • M <strong>–</strong> Eine Stadt sucht einen Mörder, Deutschland 1931, Regie: Fritz Lang • Play Time, Playtime <strong>–</strong><br />

Tatis herrliche Zeiten, Frankreich/Italien 1967, Regie: Jacques Tati • High Noon, 12 Uhr Mittags, USA 1952, Regie: Fred Zinnemann • Gentlemen<br />

Prefer Blondes, Blondinen bevorzugt, USA 1953, Regie: Howard Hawks • Modern Times, Moderne Zeiten, USA 1936, Regie: Charles Chaplin<br />

• To Be or Not to Be, Sein oder Nichtsein, USA 1942, Regie: Ernst Lubitsch • Amarcord, Italien/Frankreich 1973, Regie: Federico Fellini •<br />

22 <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong>


„Picnic at Hanging Rock hat meine Art und Weise, <strong>Film</strong>e anzusehen, verändert, denn früher hatte ich an einen <strong>Film</strong> vor allem die Bedingung, dass<br />

er mich möglichst effizient unterhalten kann und ich mich weitestgehend mental nicht belasten muss. Wenn ich nun ins Kino gehe, versuche ich<br />

auf allen Ebenen empfänglich zu sein für Signale und für Indizien einer versteckten Botschaft. Damit nimmt man den <strong>Film</strong> bewusster in sich auf<br />

und beginnt, oftmals nachzudenken und an sich und seiner Einstellung zu arbeiten. Jeder <strong>Film</strong> wird zu einem bereichernden Erlebnis. Damit ich<br />

diesen Schritt schaffen konnte, brauchte ich solch einen absurden <strong>Film</strong>, wie Picnic at Hanging Rock.” Teilnehmerin der <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

Night on Earth, USA 1991, Regie: Jim Jarmusch • Casablanca, USA 1942, Regie: Michael Curtiz • Touch of Evil, Im Zeichen des Bösen, USA<br />

1958, Regie: Orson Welles • The French Connection, Brennpunkt Brooklyn, USA 1971, Regie: William Friedkin • Rashomon, Rashomon <strong>–</strong> Das<br />

Lustwäldchen, Japan 1950, Regie: Akira Kurosawa • One,Two,Three, Eins, zwei, drei, USA 1961, Regie: Billy Wilder • Sunrise: A Song of Two<br />

Humans, Sonnenaufgang <strong>–</strong> Lied von zwei Menschen, USA 1927, Regie: Friedrich W. Murnau • Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop<br />

Worrying and Love the Bomb, Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte die Bombe zu lieben, Großbritannien 1964, Regie: Stanley Kubrick • Schtonk!,<br />

Deutschland 1992, Regie: Helmut <strong>Die</strong>tl<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> 23


Wie wirken Klassiker<br />

auf <strong>Jugend</strong>liche heute?<br />

Ein filmpädagogischer Erfahrungsbericht<br />

Von Daniela <strong>Die</strong>trich (Leiterin der Museumspädagogik) und Dr. Julian namé (<strong>Film</strong>pädagoge)<br />

Auf welche Art bewerten <strong>Jugend</strong>liche die <strong>Film</strong>e in ihrer Sprache,<br />

mit ihren eigenen Worten <strong>–</strong> <strong>Film</strong>e, die zu den Klassikern der<br />

<strong>Film</strong>geschichte gehören? <strong>Die</strong> persönliche Meinung und die Eindrücke<br />

jedes <strong>Jury</strong>-Mitglieds interessierten uns, um daraus für<br />

die Vermittlungen des <strong>Film</strong>erbes zu lernen.<br />

Über die lange Zeit von neun Monaten traf sich die Gruppe jede<br />

Woche für drei Stunden in ihrer Freizeit. <strong>Die</strong>s konnte nur gelingen<br />

mit einem Programm, das die <strong>Jugend</strong>lichen auch wirklich<br />

faszinierte.<br />

Zum einen waren die <strong>Film</strong>e, die im Kino auf der großen<br />

Leinwand zu sehen waren, eine Herausforderung, zum anderen<br />

wurden sie ergänzt durch die Erfahrung des/der Einzelnen,<br />

selbst vor einer Gruppe Gleichaltriger zu stehen und<br />

ihnen einen <strong>Film</strong> vorzustellen, eigene <strong>Film</strong>kritiken zu veröffentlichen<br />

und insgesamt mehr über den Umgang mit dem<br />

<strong>Film</strong>medium zu erlernen. Sehr hilfreich waren für die <strong>Jugend</strong>lichen<br />

das Rhetorik-Seminar und die Möglichkeit, eine Woche<br />

in der Redaktion der Frankfurter Rundschau ein Praktikum zu<br />

absolvieren.<br />

24 <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Jugend</strong>lichen waren neugierig auf die unbekannten <strong>Film</strong>e<br />

im Kino, wir hingegen waren neugierig auf ihre begründeten<br />

Meinungen jenseits von Äußerungen wie „war gut“ oder „war<br />

langweilig“.<br />

Das auf die Diskussionen der <strong>Jury</strong>-Mitglieder reagierende <strong>Film</strong>programm<br />

barg manche Überraschungen für die Gruppe, die zu<br />

neuerlichen Debatten führten. <strong>Die</strong>se Diskussionen in der Gruppe<br />

empfanden die <strong>Jugend</strong>lichen als spannend und anregend,<br />

denn formal und inhaltlich über <strong>Film</strong>e zu sprechen, war für sie<br />

ein ganz neuer Umgang mit der <strong>Film</strong>rezeption.<br />

Dass gegen Ende jedes Treffens über den jeweiligen <strong>Film</strong><br />

abgestimmt wurde, fokussierte die Diskussion stärker auf eine<br />

eigene Meinung; Argumente und Eindrücke wurden präziser<br />

formuliert.<br />

Von Treffen zu Treffen erkannten die <strong>Jugend</strong>lichen die filmischen<br />

Instrumentarien immer bewusster und konnten sie<br />

benennen. Einige <strong>Film</strong>e, die anfänglich keine Mehrheit erhalten<br />

hatten, wurden zu einem späteren Zeitpunkt auf- andere<br />

auch abgewertet. Beispielsweise hatten sie den <strong>Film</strong> Night


of the Hunter direkt nach der Sichtung mehrheitlich als sehr<br />

gut bewertet, aus der Endauswahl fiel er aber ganz heraus. Er<br />

hatte auf die <strong>Jugend</strong>lichen keinen länger wirkenden Eindruck<br />

gemacht, sein Inhalt sie nicht nachhaltig berührt.<br />

Genau anders herum verhielt es sich mit dem <strong>Film</strong> Picnic at<br />

Hanging Rock. <strong>Die</strong> erste Diskussion zu Beginn des Projekts war<br />

sehr kontrovers und emotional verlaufen, nur die Hälfte der<br />

<strong>Jugend</strong>lichen hatte für diesen <strong>Film</strong> gestimmt. In der Endauswahl<br />

revidierten einige seiner Gegner ihre vormalige Meinung,<br />

weil sie nunmehr auf Vergleiche zurückgreifen konnten und<br />

die nachhaltige Wirkung dieses <strong>Film</strong>s sie überzeugte, während<br />

seine Fürsprecherinnen aus der ersten Sichtung nunmehr<br />

eloquent noch Zögernde auf ihre Seite zu ziehen vermochten.<br />

Er blieb nicht der einzige <strong>Film</strong>, der in der resümierenden<br />

Abschlussdiskussion Stimmen jener erhielt, die sich nach der<br />

ersten Sichtung gegen ihn entschieden hatten.<br />

Alle gesichteten 20 <strong>Film</strong>e waren „wichtige“ Werke der <strong>Film</strong>geschichte,<br />

weshalb es für uns genauso wichtig war zu erfahren,<br />

weshalb einige Klassiker <strong>Jugend</strong>liche weniger oder gar nicht<br />

berühren können.<br />

<strong>Jugend</strong>liche haben dann größere Schwierigkeiten bei der<br />

Rezeption von <strong>Film</strong>klassikern, wenn diese ein gewisses histori-<br />

sches Bewusstsein beziehungsweise Vorwissen erfordern. Ohne<br />

dieses Wissen tun sie sich auch schwer, zeitgebundene Ästhetik,<br />

Darstellungsformen, Stories zu verstehen.<br />

Wo das historische Umfeld die <strong>Film</strong>gestaltung trifft und wo<br />

diese Ästhetik den historischen Kontext reflektiert <strong>–</strong> das sind die<br />

interessanten Fragen. Beispielhaft hierfür stehen zwei <strong>Film</strong>e:<br />

M <strong>–</strong> Eine Stadt sucht einen Mörder und French Connection.<br />

Ohne das Wissen über die Verhältnisse in der Weimarer<br />

Republik, die Organisation in Ringvereinen oder das Misstrauen<br />

der Bevölkerung gegenüber der Polizei sind auch einige der<br />

berühmten Parallel-Montagen in M - Eine Stadt sucht einen<br />

Mörder zwischen der Welt der Polizei und der Welt der Ganoven<br />

nicht ganz verständlich. „M“ gilt zudem als Geniestreich des<br />

frühen Tonfilms, da er nach dem Stummfilm einer der ersten<br />

war, der Ton so gezielt und dramaturgisch eindrucksvoll eingesetzt<br />

hat. Für die <strong>Jury</strong>-Mitglieder hat sich die Perspektive jedoch<br />

verändert: Sie sind den Tonfilm gewohnt, eine durchdachte Tonmontage<br />

und -gestaltung an sich hat nichts Beeindruckendes<br />

mehr für sie. Gerade die Kriterien, die diesen <strong>Film</strong> zum Klassiker<br />

machen, irritieren sie, da der Ton als unrealistisch und primitiv<br />

empfunden wird.<br />

Bei French Connection wurde die Darstellung der Polizisten,<br />

die sich in ihrem Lebensstil und ihrer Besessenheit kaum<br />

<strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> 25


von den Gejagten unterschieden, erstaunlicherweise als nicht<br />

realitätsgetreu empfunden. Wie bei „M“ lässt sich diese Einschätzung<br />

womöglich auf die herkömmlichen aktuellen Polizeifilme<br />

(insbesondere die des Fernsehens) zurückführen, die<br />

keine Vermischung von „Gut” und „Böse” zulassen. Den rauhen,<br />

fast dokumentarischen Stil dieses 1970er-Jahre-<strong>Film</strong>s nahmen<br />

die <strong>Jugend</strong>lichen deshalb als unwirklich war.<br />

<strong>Jugend</strong>liche in diesem Alter entwickeln meist erst noch ein<br />

historisches Bewusstsein und bilden mit der Zeit ein Sensorium<br />

aus, welches das Verständnis und das Einfühlen in Geschichte<br />

ermöglicht. Wo ein historischer <strong>Film</strong> zuviel von beidem voraussetzt,<br />

stößt er auf Ablehnung. Hingegen kann die jeweilige<br />

historische Geschlechterrolle, weil sie Thema ihres eigenen<br />

Erlebens ist, von den <strong>Jugend</strong>lichen viel eher erfasst werden. So<br />

geriet die Veränderung der im <strong>Film</strong> dargestellten Frauenrollen<br />

in die Diskussion: Gentlemen Prefer Blondes provozierte das<br />

laute nachdenken über „Schönheitsideale”; bei To Be or Not to<br />

Be merkten einige an, dass nur eine einzige Frau mitspielt, die<br />

durchaus eine starke Figur ist, aber nicht „schießen” darf. Bei<br />

Night on Earth beeindruckte besonders die blinde Französin.<br />

Als einziger <strong>Film</strong> wurde Fellinis Amarcord von allen Mitgliedern<br />

der <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong> abgelehnt. Der <strong>Film</strong> präsentiert das Erin-<br />

26 <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

nerungskaleidoskop des Regisseurs an die eigene <strong>Jugend</strong>zeit<br />

in einer italienischen Kleinstadt während des Faschismus. <strong>Die</strong><br />

heutigen Großstadt-<strong>Jugend</strong>lichen wussten weder mit dem<br />

Milieu etwas anzufangen noch mit der Zeit, nicht mit der Ästhetik<br />

des Bruchstückhaften und nicht mit dem Mix der Stimmungen.<br />

<strong>Die</strong> Wahl des Stummfilms Sunrise als einer der ausgewählten<br />

zehn <strong>Film</strong>e zeigt zugleich, wie neugierig und interessiert die<br />

Juroren auf ein anderes, vom alltäglichen Medienkonsum stark<br />

abweichendes <strong>Film</strong>erlebnis waren. Selbst „schwierige” <strong>Film</strong>e<br />

mit verwirrender oder wenig Handlung wie Play Time oder Im<br />

Zeichen des Bösen wurden von der Hälfte der diskutierenden<br />

<strong>Jugend</strong>lichen als gut, packend und berührend gewertet. Es hat<br />

sich als richtig erwiesen, ebenso auf die Qualität der <strong>Film</strong>e zu<br />

vertrauen, wie auf das Interesse der <strong>Jugend</strong>lichen an nichtalltäglichen,<br />

ungewohnten oder sogar befremdenden Seherfahrungen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Jugend</strong>lichen wie auch die Mitarbeiter des Projektes haben<br />

gemeinsam neue Erfahrungen in der Rezeption von <strong>Film</strong>klassikern<br />

gesammelt. Auch die Stärke unseres Instituts in der<br />

Vermittlung von <strong>Film</strong>geschichte und den historischen Hintergründen<br />

war prägend für den Erfolg dieses zukunftsweisenden<br />

Projektes.<br />

Mit der Schule des <strong>Sehen</strong>s bietet das Deutsche <strong>Film</strong>institut <strong>–</strong> DIF für Schulgruppen kombinierbare Veranstaltungen wie praktische<br />

<strong>Film</strong>-Workshops, Spezialführungen durch die Ausstellungen des <strong>Film</strong>museums sowie <strong>Film</strong>gespräche und -analysen im Kino an.<br />

www.deutsches-filmmuseum.de<br />

Das jährlich stattfindende Projekt SchulKinoWochen Hessen ermöglicht Schulklassen, ausgewählte <strong>Film</strong>e auf der Leinwand<br />

zu sehen und im Unterricht zu erarbeiten. Über das ganze Jahr verteilte akkreditierte Lehrerfortbildungen zu den unterschiedlichsten<br />

Themen ermöglichen einen weiteren Einstieg in die Vermittlung von <strong>Film</strong>kultur.<br />

www.schulkinowochen-hessen.de


Kinoprogramm <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong><br />

Alle Vorführungen sind Teil der Reihe „Klassiker & Raritäten“ im Kino des Deutschen <strong>Film</strong>museums.<br />

August<br />

<strong>Die</strong>nstag, 5.8. 18.00 Uhr Modern Times, Moderne Zeiten, R: Charles Chaplin, USA 1936, 87 min, OmU<br />

Mittwoch, 6.8. 18.00 Uhr Night on Earth, R: Jim Jarmusch, USA 1991, 129 min, OmU<br />

<strong>Die</strong>nstag, 12.8. 18.00 Uhr High Noon, 12 Uhr Mittags, R: Fred Zinnemann, USA 1958, 85 min, DF<br />

Mittwoch, 13.8. 18.00 Uhr Schtonk!, R: Helmut <strong>Die</strong>tl, Deutschland 1992, 115 min<br />

<strong>Die</strong>nstag, 19.8. 18.00 Uhr Rear Window, Das Fenster zum Hof, R: Alfred Hitchcock, USA 1954, 112 min, DF<br />

Mittwoch, 20.8. 18.00 Uhr One, Two, Three, Eins, zwei, drei, R: Billy Wilder, USA 1961, 115 min, DF<br />

<strong>Die</strong>nstag, 26.8. 18.00 Uhr Picnic at Hanging Rock, Picknick am Valentinstag<br />

R: Peter Weir, Australien 1975, 115 min, DF<br />

Mittwoch, 27.8. 18.00 Uhr To Be or Not to Be, Sein oder Nichtsein, R: Ernst Lubitsch, USA 1942, 98 min, DF<br />

September<br />

<strong>Die</strong>nstag, 2.9. 18.00 Uhr Gentlemen Prefer Blondes, Blondinen bevorzugt<br />

R: Howard Hawks, USA 1953, 91 min, OF<br />

Mittwoch, 3.9. 18.00 Uhr Sunrise <strong>–</strong> A Song of Two Humans, Sonnenaufgang <strong>–</strong> Lied von zwei Menschen,<br />

R: F.W. Murnau, USA 1927, 103 min, engl. Zwischentitel, mit Klavierbegleitung<br />

Alle Fime mit Einführungen der <strong>Jugend</strong>-<strong>Film</strong>-<strong>Jury</strong>

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