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aktuell September 2007 Pressespiegel<br />

Sie geben keinen Anstoß zu Debatten über Drogen wie die Love-Parade oder über Gewalt an Schulen,<br />

wie es Computerspiele getan haben. Über Pfadfi nder mag man Vorurteile haben, aber selten eine Meinung<br />

– das Höchstmaß der Kritik ist, dass sie einem egal sind. Welcher Werbekunde würde sich für eine solche<br />

Gruppe interessieren? Und wer wittert ein Geschäft mit einer Szene, die in der Zeit des Leichtbauzeltes auf<br />

Konstruktionen aus Stoff und Holz vertraut, die statt Goretex lieber Schlupfjacken aus Wolltuch trägt und<br />

selber singt, statt iPod zu hören?<br />

Das Zeltlager als attraktiver Gegenentwurf zur Designwelt<br />

Die äußere Form möge über Jahrzehnte gleich geblieben sein, die Idee sei aber hochaktuell, sagt Christian<br />

Lüders vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) über Pfadfi nderei. Ein Gegenentwurf zur Designwelt, »wo man<br />

sich auch mal die Hände schmutzig machen darf«. Ein hohes Maß an Autonomie biete sie, um die eigene<br />

Lebenswelt zu gestalten. Wo könnten Jugendliche das noch fi nden? Natürlich ließen sich Rücksichtnahme<br />

oder Verantwortung auch in anderen Vereinen lernen. Allerdings besäßen diese immer einen speziellen<br />

Zuschnitt, während Pfadfi nderei alle Bereiche von musisch bis technisch abdecke, ohne rückwärtsgewandt<br />

zu sein.<br />

Ähnlich wie die Kirchen, sagt Lüders, stellten sich auch die Pfadfi nder die Frage, wie sie sich modernisieren<br />

könnten, ohne dabei ihren Kern zu verletzen. Bislang sei das gelungen. Einen »extrem dynamischen<br />

Haufen« nennt er sie, bereit, Ideen und Techniken wie GPS oder Internet in seine Arbeit zu integrieren. »Das<br />

sind aufgeweckte Leute und nah dran am Leben.«<br />

Ein extremer Gegenpol zur Designwelt ist Exploris, das Lager des Deutschen Pfadfi nderverbandes (DPV),<br />

eine Zeltstadt mit 5000 Einwohnern, ein Wald aus entasteten Stangen und Rauchsäulen, auf denen der<br />

Himmel wie ein graues Zeltdach hängt. Fahnen wehen an Masten, und über braun getretene Graswege gehen<br />

Jungen in Jeans und Kniebundhosen und Mädchen in akkurater Kluft oder in Trainingsjacken, auf denen<br />

Halstücher baumeln. Auch etwas schratige Typen sind darunter, mit gewaltigen Messern am Hosenbund wie<br />

unterwegs zur Grizzlyjagd oder mit Koppel und jenem breitkrempigen Hut aus Wollfi lz, den man bis dahin<br />

nur vom Enten-Oberst aus Walt Disneys »Fähnlein Fieselschweif« kannte.<br />

Um einen großen Platz liegen imposante Jurtenkonstruktionen, mit Feuer geheizte Badetröge und einige<br />

Zeltcafés. Entfernt am Waldrand stehen Batterien von Chemieklos als Zugeständnis, dass auch der Reiz des<br />

Ursprünglichen seine Grenzen kennt, und an den Waschstellen hängen lange Listen mit einem Programm,<br />

in das in großen Wellen die Außenwelt schwappt: japanisches Schwertfechten, Schwitzhütte bauen, Besuch<br />

beim Kölner Stadt-Anzeiger, Bewerbungstraining.<br />

Etwas verunsichert betrachten Spaziergänger, was für ein seltsamer Wanderzirkus vier Tage lang auf<br />

ihren Äckern gastiert. Herr und Frau Draeger aus Schwalmtal zum Beispiel, die Pfadfi nderei für eine gute<br />

Sache halten, auch wenn sie sich nicht recht einigen können, ob deren Aufgabe nun Nächstenhilfe oder<br />

Nächstenliebe sei. Aber von der Straße seien die Jugendlichen schon mal weg, sagt Herr Draeger, und schön<br />

singen könnten sie auch.<br />

Da kann er nicht alle Beiträge des Singewettstreits am Baldachin aus schwarzem Zeltstoff gehört haben.<br />

Nicht die Coverversion von Reinhard Meys Über den Wolken und auch nicht das Lied, in dem den Indianern<br />

die Jagdgründe schrumpfen. Vielleicht meint Herr Draeger die pathoslastigen deutschen Lieder, wie sie in<br />

diesem Moment Mitglieder des Stammes Roter Löwe vortragen. Mädchen in Röcken, und Albert Sonnabend<br />

mit seinen Freunden wieder mit Barett und Lederhose, in der Hand ein Banner. Mehrstimmig singen sie<br />

und so ernsthaft, dass die Mitarbeiterin eines Radiosenders leise ihren Nachbarn fragt, ob das nicht etwas<br />

unheimlich sei.

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