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Danke, lieber „Arsch-Engel“! - Veranstaltungskalender für Körper ...

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14<br />

„Wer lebendig bleiben und eigen sein will, muss zuerst mal den Mut dazu haben...“<br />

Sieben Milliarden Kreative und ich<br />

Sugata W. Schneider über Kreativität und Talent<br />

Habe ich Talent? Bin ich kreativ? Mein Geschreibsel<br />

oder Gekritzel, meine Fotos, mein Tanz, ist das originell?<br />

Oder ist es nur ein Abklatsch von irgendeinem<br />

Vorbild, dessen ich mir vielleicht nicht einmal bewusst<br />

bin? Wenn bei dir die akute Not des Überlebens nicht<br />

gerade alles andere dominiert, fragst auch du dich das<br />

irgendwann mal im Leben, so wie ich.<br />

Als ich 2006 eines morgens las, dass Orhan Pamuk<br />

den Literaturnobelpreis bekommen hatte, vor allem<br />

<strong>für</strong> seine Erzählkunst, freute ich mich: Uiii, ER hat<br />

ihn bekommen! Wie schön. Er ist ein guter Schreiber,<br />

ehrlich, bescheiden und witzig, ein Glücksfall von<br />

Autor. Er beschreibt die türkische Kultur so hautnah<br />

berührend und dabei insbesondere auch Istanbul, diese<br />

quirlige, kosmopolitische Stadt, die ich so sehr mag.<br />

Und er ist bereit, <strong>für</strong> seine Werte einzustehen, ohne<br />

dabei aggressiv zu werden.<br />

Aber DEN Literaturpreis der Welt da<strong>für</strong> zu bekommen?<br />

Ich kenne hunderte Anderer, die ihn ebenso<br />

verdient hätten. Er hat Glück gehabt, es war Zufall. Die<br />

glücklichen Umstände haben ihm der Preis zugespielt,<br />

nicht die Qualität seiner Arbeit. Wenn es nach Qualität<br />

ginge, hätten hunderte Anderer ebensogut den Preis<br />

bekommen müssen.<br />

Auch einige der Autoren, die kaum einer kennt<br />

und deren Texte ich als Herausgeber meiner kleinen<br />

Zeitschrift zu beurteilen habe, hätten ihn verdient.<br />

Es gibt so viel Erzähltalent in der Welt und so viel<br />

Bereitschaft und Fähigkeit sich sprachlich gut auszudrücken!<br />

Ob das grad irgendwelchen Juroren gefällt,<br />

ist Glückssache.<br />

Sand auf den Straßen der Großen<br />

Ich meine damit nicht, dass jemand anderes den Preis<br />

hätte bekommen sollen. Pamuk hat ihn verdient. Aber<br />

auch andere hätten ihn verdient, die ihr Talent bereits<br />

entwickelt haben und Erzählkunstwerke vorlegen<br />

können. Und Millionen anderer gibt es, die verdient<br />

hätten, Umstände vorzufinden, die ihr Talent ausgebildet<br />

hätten!<br />

Die normalen Umstände in der Welt sind Talentvernichtungsmaschinen.<br />

Du kommst mit Talent auf die<br />

Welt, dann mahlen diese Mühlen, und wenn sie ihr<br />

Werk getan haben, bist du ein paar Körnchen Sand<br />

auf einer der Straßen, auf denen »die Großen« ihre<br />

Paraden aufführen, ein erloschenes Licht, ein ausgehauchter<br />

Lebensgeist, als Individuum gestorben längst<br />

vor dem physischen Tod.<br />

Wenn man die Menschen in Bezug auf ihre Erzählqualität<br />

vergleicht, dann gibt es vielleicht nur ein<br />

paar Hundert oder paar Tausend, die sich mit Pamuk<br />

messen können.<br />

Wenn man das Talent vergleicht, das bei dir oder<br />

sonstwem als Kind da war mit dem von dem jungen<br />

Pamuk, dann stellt man fest, dass es Millionen gibt,<br />

die zu solcher Dichtung fähig gewesen wären.<br />

KGSBerlin 02/2010<br />

Foto: © Michael Levy - Fotolia.com

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