Alte Medizin · Homöopathie Alte ... - Antiquariat Franz Siegle
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WERTVOLLE UND SELTENE<br />
WERKE<br />
AUS 5 JAHRHUNDERTEN<br />
von Albertus Magnus bis Hermann Zapf<br />
Mit einem Beitrag von Prof. Reinhard Düchting<br />
1983<br />
2008<br />
25 Jahre<br />
ANTIQUARIAT FRANZ SIEGLE
Nr. 37
wie ein Krebsgeschwür – frühe Reformation am Unteren Neckar.<br />
Das Sendschreiben des Hans III. Landschad von (Neckar)Steinach<br />
an Kurfürst Ludwig V. (1522). – Ein Beitrag zu Kat.-Nr. 37<br />
von<br />
Reinhard Düchting<br />
Die Reformation ist in der <strong>Alte</strong>n Kurpfalz vergleichsweise spät, zehn Jahre nach<br />
Luthers Tod (1546) doch noch zu Lebzeiten von Philipp Melanchthon (gest.<br />
1560) durch Kurfürst Ottheinrich 1556-1559 offiziell und organisiert eingeführt<br />
worden; namentlich durch den reformierten Heidelberger Katechismus (lateinisch<br />
und deutsch Heidelberg: Mayer 1563) Kurfürst Friedrichs III. und seiner<br />
Dogmatiker Kaspar Olevian und Zacharias Ursinus wurde Heidelberg bis zum<br />
durch den hochmütigen Griff des Fürsten Friedrich V. nach der böhmischen<br />
Krone ausgelösten Dreißigjährigen Krieg für zwei Generationen „deutsches<br />
Genf“ und Asyl und Hospiz der internationalen Gelehrtenwelt. Doch zeigte die<br />
reformatorische Bewegung auf ihrem langen Weg von geduldeter Predigt über<br />
ermöglichtem Abendmahl sub utraque specie und deutscher Messe bis zum<br />
Konfessionswechsel mit neuer Kirchenordnung schon früh Spuren und Folgen,<br />
auch wenn die Kurfürsten Ludwig V. (1508-1544) und sein Bruder Friedrich II.<br />
(1544-1556) bei merklicher Sympathie als Reichsfürsten loyal und folglich nur<br />
behutsam und zögerlich agieren konnten.<br />
Hans III. Landschad von Steinach (1465-1531) war mit den Jahren ein bedeutender<br />
Repräsentant der humanistisch-reformatorischen Bewegung geworden.<br />
Vor und nach 1500 in kaiserlichen und kurfürstlichen Diensten und an kriegerischen<br />
Fronten, altgläubig aufgewachsen, auf Wallfahrt ins Heilige Land und der<br />
Familie, Burg und Kirche in seiner Herrschaft hingegeben mit zahlreichen Stiftungen<br />
und materieller Ausstattung, in zweiter Ehe mit Margarete von Fleckenstein<br />
verheiratet, gerät er an die Bücher von Martin Luther, erwirbt alle, die in<br />
den letzten fünf Jahren erschienen sind, liest und vergleicht sie (wie wol ich kayn<br />
Geleertter byn) mit der biblischen Schrift und befindet, dass ihm bisher niemand<br />
hat nachweisen können, dass Luther auch nur in einem Punkt dem Wort und<br />
Geist der Bibel widerspricht (dagegen alle Mandate von Päpsten und Konzilien<br />
Menschensatzungen und wie die Zeremonien „nit all not zur seligkait“ sind):<br />
Barmherzigkeit Gottes, das ist unsere Gerechtigkeit.<br />
Ritter Hans von Steinach hatte die frühen Jahre der evangelischen Bewegung<br />
regionalnah verfolgen können: nach den 95 Wittenberger Thesen vom 31. Oktober<br />
1517 trug Luther am 26. April 1518 in Heidelberg 40 nicht weniger brisante<br />
theologisch-philosophische Paradoxa vor mit außerordentlicher Resonanz,<br />
Mitte April 1521 widerruft Luther in Worms vor Kaiser und Reich nicht: hier<br />
knüpft das Sendschreiben an. Der Landschad ist irritiert, muss er doch glauben,<br />
Kurfürst Ludwig sei „umbgefallen“ und komme seiner Schutzpflicht für den<br />
geächteten Reformator nicht nach. Als Ritter (auf welchen Stand nach Kaiser<br />
und Kurfürsten doch auch weltliches Schwert und Mahnpflicht gekommen ist)
4<br />
appelliert er dringend und schuldigst an seinen Herrn, den Weg der evangelischen<br />
Bewegung, die nicht auf Unruhe und Instabilität aus ist, nicht weiter zu<br />
hemmen sondern offen zu fördern; so hatte er schon 1520 auch bei Kf. Friedrich<br />
dem Weisen interveniert. Die sogen. unerheblichen weil nicht entscheidenden<br />
Punkte (Mitteldinge, adiaphora) können vorerst außenvorbleiben, Evangelium<br />
und Paulus lehren „nit anders dann frid, Tugent vnd brüderlich lieb“. So, ohne<br />
jeden Zwang, hat er es auch in seiner Familie und bei seinen Untertanen gehalten<br />
und darauf gebaut, dass die erkannte Gottesliebe selbst sich Freunde gewinnt<br />
(Bekandtnuß, aus was Ursachen er von dem catholischen Glauben ab und zu<br />
dem Luthertum getreten, 1527). Über der Berufung und Predigt des evangelischen<br />
Pfarrers Jakob Otter 1525 in Neckarsteinach muss sich der Landschad<br />
vor dem Heidelberger Hofgericht verantworten; er bleibt mutig und voller<br />
Verantwortung auf dem einmal gewonnen Weg. Papst Hadrian VI. meinte<br />
Anfang Dezember 1522 die Universtät Heidelberg warnen zu müssen vor<br />
ebenddiesen „häretisch-subversiven Lehren“ des Wittenberger Mönchs, die sich<br />
wie ein Krebsgeschwür (cancri more) überall im Land und in den Köpfen eingeschlichen<br />
haben und zu wuchern beginnen.<br />
Das Sendschreiben (missive) des Steinachers besteht aus drei Teilen: der erste<br />
(a I-a IVv) gibt eine klare, Kf. Ludwig mahnende und um ihn werbende Darlegung<br />
der frühreformatorischen Lehre (Von wegen der götliche leer zu beschirmen<br />
= De verbo dei tuendo) mit Betonung des zum Heil genügenden Credo und<br />
Pater noster. Den zweiten (b I-b IIIv) macht Ain Hüpscher Spruch aus in 182<br />
Verszeilen = 1silbig gereimten 91 Verspaaren (inc. DV solt glauben ain gothait<br />
drey / das der das hechst vnd boeßt guot sey, expl. Amen das ist ain hohes wort<br />
/ die warhait beteut vns hye vnnd dort), der Zeilenbau ist rhythmisch dem metrischen<br />
des Hymnus Ambrosianus nachgebildet; ausdrücklich wird das Abendmahlsmandat<br />
unter beiderlei Gestalt erinnert, im Vaterunser findet die fünfte<br />
Bitte (um Vergebung der Schuld) eine auffallende Erweiterung. Der dritte Teil<br />
(b IIIv-c II) versammelt knapp 40 Schriftzitate, vor allem aus den Lehrbriefen<br />
des Paulus, als Testimonien des durch den „frommen Doctor Martinus Luther“<br />
neu freigelegten wahren Christenglaubens; Luthers Sprache, dessen Newes<br />
Testament Deutzsch eben im September (und dann Dezember) 1522 erschien,<br />
hat der Steinacher Ritter schon ganz verinnerlicht; das kleine Sendschreiben ist<br />
durch die theologische Gewissheit, auch Lauterkeit, Freundlichkeit und Mut<br />
seines Verfassers ein bedeutendes kirchenpolitisches Dokument der frühen Jahre<br />
der historischen Entscheidung in unserer Region.<br />
W. Henß, Die Anfänge der evangelischen Bewegung in Kurpfalz. In: Martin Luther. Die<br />
Anfänge der evangelischen Bewegung in Kurpfalz, Ausst. UB Heidelberg (1983) 9-78 –<br />
H.Scheible, Von Luther zu Ottheinrich. Die Reformation in Heidelberg. In: 800 Jahre<br />
Heidelberg. Die Kirchengeschichte (1996) 25-34. – Zur Grablege des Landschad in der<br />
Evangelischen Kirche in Neckarsteinach: Die Inschriften des Landkreises Bergstraße.<br />
Ges. und bearb. von Sebastian Scholz (1994) 114–118, Nr. 160.
Das einzige bekannte Exemplar?<br />
1 ALBERTUS MAGNUS, Secreta mulierum et virorum... nuperrime correcta et<br />
emendata. Mit schöner Holzschnittdruckermarke a. d. Titel. 44 nn. Bll. Kl.-8°.<br />
Flex. Pergament des 19. Jhdts. Am Schluß: Paris, für Denis Roce, o. J. (ca. 1500/<br />
1510). € 1.800.–<br />
Äußerst seltene, bibliographisch von uns nicht auffindbare Ausgabe. – Die Albertus Magnus zugeschriebene<br />
Schrift erfreute sich großer Beliebtheit und wurde in zahlr. Auflagen bis ins XVIII. Jahrhundert<br />
immer wieder gedruckt. Die Schrift ist von großer Bedeutung für die Geschichte der<br />
Gynäkologie, da sie verschiedene, hier zum ersten Mal auftretende Gesichtspunkte enthält. So im<br />
Kapitel „De generatione embryonis“, in dem Albertus eine Konzeptionstheorie im Gegensatz zu<br />
Aristoteles aufstellt, in einer neuen Theorie der Ernährung des Foetus u. a. Nach einer Anleitung<br />
zur Geburtshilfe behandeln andere Kapitel den Einfluß der Himmelskörper auf die Frucht, die<br />
Foetuslagen mit ihren Indikationen, Mißgeburten, Sterilität, etc. – Etw. gebräunt und fleckig bzw.<br />
fingerfl., stellenw. schwacher Wasserrand. – Vgl. ausführlich Fasbender 88 ff. – Weder in den medizinischen<br />
Standardwerken (Durling, Osler, Waller, Wellcome, etc.) noch im British Museum, der<br />
Bibliothèque Nationale in Paris oder im Index Aureliensis verzeichnet.<br />
2 ALEXANDER VON TRALLES, Libri duodecim, graeci et latini... Io. Guinterio<br />
Andernaco interprete... Adiectae sunt per eundem variae exemplarium lectionis observationes,<br />
cum Iacobi Goupyli castigationibus. Mit einigen figürl. Holzschn.-Initialen.<br />
12 Bll. (das letzte weiß), 854 (falsch 858) Seiten, 1 Bl. Blindgeprägter Schweinslederband<br />
mit 2 Messingschließen. Basel, H. Petri, 1556. € 1.200.–<br />
Erste griechisch-lateinische Ausgabe „mit trefflicher lateinischer Uebersetzung“ (Neuburger/<br />
Pagel) des medizinischen Lehrbuches des bedeutendsten griechischen Arztes seit Galen. – „Seltene<br />
und sehr geschätzte Ausgabe nach der vorigen [griech. Ausg. Paris 1548] mit Zuziehung von Handschriften<br />
bearbeitet“ (Choulant). – Alexander von Tralles, „einer der wenigen Aerzte der byzantinischen<br />
Zeit, welche auf die Bezeichnung eines selbständigen Denkers und Praktikers Anspruch<br />
haben, wurde ums Jahr 525 n. Chr. in der lydischen Stadt Tralles als Sohn des Arztes Stephanos, der<br />
dort eine umfangreiche Praxis ausübte, geboren... (er) zeigt sich in seinen Schriften als einen erfahrenen,<br />
selbständig denkenden, dabei bescheidenen Arzt. Seine Darstellung ist einfach und klar. Die<br />
grossen Aerzte der Vergangenheit, einen Hippokrates, Archigenes, Erasistratos, Galenos, Jakobos<br />
5
6<br />
Psychrestos u. A. nennt er mit aufrichtiger Anerkennung; aber er ist kein sklavischer Nachbeter<br />
ihrer Ansichten, sondern hat sein eigenes Urteil und wagt es sogar, ihnen zu widersprechen“<br />
(Neuburger/Pagel I, 535–544, sehr ausführl. über Alexander und sein vorliegendes Werk).<br />
Der Herausgeber Johann Winter aus Andernach (1505–1574, lateinisch Guintherius Andernacus,<br />
lange fälschlich als Johann Günther übersetzt), zählt zu den „hervorragendsten humanistischen<br />
Ärzten des 16. Jahrhunderts“ (Haberling). Er begann 1528 das Studium der <strong>Medizin</strong> in Paris und<br />
wurde gleichzeitig wegen seiner herausragenden Griechischkenntnisse von dem berühmten Paris<br />
Buchdrucker Simon de Colines als Übersetzer griechischer Schriftsteller angestellt und hat bis zum<br />
Jahre 1537 annähernd 50 Galenische Schriften, die Werke des Paulus von Aegina (1532), und anderes<br />
übersetzt. Von 1534–1536 lehrte er als Professor der <strong>Medizin</strong> in Paris. Zu seinen Schülern zählten<br />
u. a. A. Vesalius und Michael Servetus! Wegen religiöser Voreingenommenheit verließ er Paris,<br />
später auch Metz. In Straßburg war er eng befreundet mit den dortigen Reformatoren, vor allem<br />
mit Matthias Zell und seiner Frau Katharina und mit Martin Butzer, der ihm eine Stelle als Leibarzt<br />
des Pfalzgrafen Wolfgang von Zweibrücken verschaffte.<br />
Einband etw. berieb. und fleckig, 1 Schließe etw. gelockert. Titel im unteren Teil etw. von Buchblock<br />
gelöst. Meist leicht stockfl.; Titelrücks. ovaler Stempel der „Bibl. publ. Basileenis“ (sic!): Insgesamt<br />
schönes Exemplar dieser seltenen und bedeutenden Buches. – VD16, A 1784. Durling 144. Siehe<br />
Einbandabbildung 4. Umschlagseite (oben rechts).<br />
Mit der Einleitung des Freundes Alexander von Humboldt<br />
3 ARAGO, F. (J.D.), Sämmtliche Werke. Deutsche Original-Ausgabe. Hrsg. von W.<br />
G. Hankel. Mit einer Einleitung von Alexander von Humboldt. 16 Bände. Halbleinenbände<br />
um 1900 mit Rückentitel. Leipzig, Wigand, 1854–1860. € 600.–<br />
Erste deutsche Ausgabe. – Bemerkenswert die 22 Seiten umfassende Einführung von Alexander<br />
von Humboldt; ein Dokument der langjährigen Freundschaft der beiden großen Naturforscher. So<br />
schreibt auch Helmut de Terra (A. v. Humboldt und seine Zeit): „Den schönsten Ausdruck hat die<br />
Freundschaft der beiden Männer in dem Vorwort gefunden, das Humboldt zu den gesammelten<br />
Werken Aragos schrieb“.<br />
„Arago made several important discoveries in electro-magnetism – especially the phenomenon of<br />
‘rotatory magnetism’. He may be said to have proved the relation between the aurora borealis and<br />
magnetic variations. He greatly promoted the acceptance of the undulatory theory of light, and<br />
made important advances in the doctrine of the polarisation of light. Other minor achievements<br />
were made in the department of photometric measurements of the brightness of the stars, the elastic<br />
force of steam and other gases“ (Sotheran 134). – Stellenw. etw. stockfl. – DSB I, 203.<br />
Beschreibung und Abbildung des Schwarzmeerraumes<br />
4 ARRIANUS, FLAVIUS, Ponti Euxini & maris Erythraei Periplus, ad Adrianum<br />
Caesarem. Nunc primum e Graeco sermone in Latinum versus, plurimisque mendis<br />
repurgatus... addita est praeter loca, que solers Lusitanorum penetravit navigatio,<br />
omnium cum oppidorum, quae Danubius irrigat... observatio J. G. Stuckio Tigurino<br />
authore. 2 Teile in 1 Band. Mit 1 doppelblattgr. Holzschnittkarte der Schwarzmeerküsten<br />
und wiederh. Druckermarke. 12 Bll., 193 (recte 197) Seiten, 12 Bll. (das letzte<br />
weiß); 1, 18 Bll., 109 (recte 108) Seiten, 7 Bll. Folio. Pergamentband der Zeit. Lyon, B.<br />
Vincentius, 1577. € 3.500.–<br />
Editio princeps des griechischen Textes, zugleich Erstübersetzung; gleichzeitig auch in Genf<br />
erschienen. – „Kaiser Hadrian beauftragte Arrian mit der Erkundung der Küsten und Handelsplätze<br />
des Schwarzen Meeres. Wir wissen, daß sich sein Schiff ‘nautischer Instrumente’ bediente,<br />
aber wir besitzen keine Angabe, wie die Küstenentfernungen gemessen wurden“ (Lexikon zur<br />
Geschichte der Kartographie, 501). Dieser Teil enthält eine schöne, unbezeichnete Küstenkarte.<br />
Danach folgt die Beschreibung des Roten Meeres. Den weitaus größeren Teil beider Bände nimmt<br />
Stucks Kommentar ein, der unter Anführung von Reisebeschreibungen die geographische Kenntnis<br />
des 16. Jahrhunderts für beide Küstenstriche zusammenfasst. – Flavius Arrianus lebte im 2.<br />
Jahrhundert n.Chr. und stammte aus Nikomedeia in Bithynien (römische Provinz in Kleinasien).
Nr. 4<br />
Er war als Angehöriger des Senatorenstandes in der römischen Reichsverwaltung unter Hadrian<br />
tätig. In den 30er Jahren war er zudem Statthalter in Kappadokien . – 1 Bl. Errata vor den Titel des<br />
2. Teils gebunden. Einband etw. fleckig und angestaubt, Vorsätze etw. stockfl., sonst innen nur stellenw.<br />
schwach fleckig; bemerkenswert gut erhalten. – Index Aureliensis 109.039. Adams A 2016.<br />
5 BALLONFAHRT – HANDSCHRIFTLICHER BERICHT des Christian Friedrich<br />
August Reinhardt über die 33. Luftreise des französischen Luftfahrtpioniers André<br />
Jacques Garnerin und seiner Ehefrau. 12 Seiten und ein lose beiliegender kolorierter<br />
Kupferstich. 35 x 21 cm. Berlin 1803. € 1.900.–<br />
Reinhardt (1742–1814), Hof- und Justiz-Rath aus Dresden, konnte während einer Reise nach<br />
Berlin den Aufstieg des Ehepaares Garnerin am 14. April 1803 mitverfolgen. Das vorliegende<br />
Manuskript berichtet ausführlich über die umfangreichen Vorbereitungen, Probleme, Aufstieg,<br />
technische Details und das Schauspiel zu Ehren des Königs von Preußen und dessen Gemahlin. Am<br />
13. April 1803 erfolgten unter großem Polizeischutz im Garten der Vieh-Arzenei-Schule Vorbereitungen<br />
und Füllung des Ballons, der Vortags im Opernhaus ausgestellt war. Am 14. April, um fünf<br />
Uhr erfolgte der Aufstieg; neben Garnerin und seiner Gattin Jeanne-Geneviève wurde noch ein<br />
unbekannter Berliner namens Gärtner in der Gondel befördert. Das Publikum war darüber<br />
enttäuscht und machte seinem Missfallen lautstark Luft, wollte es doch den Physiker Hermbstädt<br />
an Stelle des Herrn Gärtners sehen. Die Fahrt dauerte bis zur Mittagszeit, die Landung erfolgte in<br />
Mittenwalde. Reinhardt konnte mit Garnerin Bekanntschaft schließen und erhielt von ihm einen<br />
hier beiliegenden Kupferstich (22 x 18 cm), der Monsieur und Madame Garnerin bei einer Luftfahrt<br />
zu Berlin zeigt, an der Gondel neben der Trikolore auch eine preußische Flagge mit dem schwarzen<br />
Adler befestigt. Das Manuskript endet mit einer detaillierten Auflistung technischer Details des<br />
Ballons. – Teils etw. gebräunt; der beiliegende Kupferstich handschriftl. mit Nr. 2 bezeichnet,<br />
linker Rand mit Zusätzen von der Hand Reinhardts und gebräunt, kleine Randdefekte. – Die<br />
Zuschreibung an den Verfasser Reinhardt erfolgte durch die Aussage eines Nachfahren und ehemaligen<br />
Besitzers dieses ungewöhnlichen Dokuments früher Luftfahrtgeschichte! – Siehe Abbildung<br />
nächste Seite.<br />
7
8<br />
Nr. 5
Der Teufel als omnipräsenter Verführer<br />
6 BINSFELD, PETER, Tractatus de tentationibus, et earum remediis. 8 Bll., 208<br />
Seiten. Halblederband des 19. Jhdts. mit Rückenschild. Trier, H. Bock, 1611. € 1.400.–<br />
Erste Ausgabe dieser sehr seltenen, posthum veröffentlichten Arbeit des Trierer Bischofs über die<br />
Versuchung und ihre Gegenmittel. – „In der pastoral- und moraltheologische Abhandlung über die<br />
Sünde, ‘Tractatus de tentationibus et earum remediis’ (Trier 1611) beschreibt Binsfeld den Teufel<br />
einmal mehr als den nachgerade omnipräsenten Verführer. Schutz vor ihm zu finden ist fast<br />
unmöglich: Alles was fromm, heilig, gut zu sein scheint, kann Satan korrumpieren. Seine Macht<br />
kann nicht nur alle Sinne, sondern den menschliche Verstand selbst verwirren. Binsfeld vermag es<br />
letztlich nicht mehr, ein positives Gegengewicht gegen die teuflische Verführung zu konstruieren.<br />
Er beschränkt sich darauf, nicht nur Wachsamkeit, sondern sogar ständige Furcht vor der satanischen<br />
Bedrohung anzumahnen. Binsfelds Tractatus de confessionibus kann als integraler Bestandteil<br />
seines Gesamtwerkes gesehen werden. Binsfelds Arbeiten kreisen sämtlich um Verführung und<br />
Disziplin, Sünde und Sündenstrafe. Binsfeld versucht, weltliches und kirchliches Recht zum Kampf<br />
gegen Sünde und Verbrechen wechselseitig zu integrieren“ (Dillinger, Johannes: Binsfeld, Peter.<br />
Aus: Lexikon zur Geschichte der Hexenverfolgung, hrsg. v. Gudrun Gersmann, Katrin Moeller u.<br />
Jürgen-Michael Schmidt, in: historicum.net). – Gelenke etw. schwach, zu Beginn etw. stockfl.,<br />
sonst nur leicht gebräunt. Titel mit handschriftl. Besitzvermerk der P.P. Kapuziner in Douai/<br />
Nordfrankreich. – VD17 12:100940K (2 Ex.: Hochschule St. Georgen Frankfurt und Bayer. Staatsbibl.<br />
München).<br />
7 BLANCKAERT, STEVEN, Die belägert- und entsetzte Venus, das ist, Chirurgische<br />
Abhandlung der sogenannten Frantzossen, auch Spanischen Pocken-Kranckheit,<br />
Drüpper, Sjankert, Klap-Ohren, etc. und andern sich dabey findenden Zufällen. Mit<br />
gestoch. Titel und 8 Kupfertafeln. 3 Bll., 544 Seiten, 4 Bll. Lederband der Zeit mit goldgepr.<br />
Rückentitel, reicher ornamentaler Rückenvergoldung und goldgepr. Deckelrandfileten.<br />
Leipzig, Gleditsch, 1698. € 750.–<br />
Erste deutsche Ausgabe; selten. – Steven Blanckaert (auch Blancard, Blankaart, 1650–1702) war<br />
einer der bedeutendsten niederländischen Ärzte seiner Zeit. Er war der Erste, der das Cartesianische<br />
System in die medizinische Wissenschaft einführte. – Das vorliegende Werk enthält zudem die<br />
Texte von Sydenham, Sylvius, Wier und Everaar. Die zahlreichen Auflagen und Übersetzungen<br />
sind vor allem dem Umstand zu verdanken, „daß nicht nur die Production, sondern sogar auch die<br />
Reproduction auf diesem Gebiet zu jeder Zeit beinahe vollständig brach lag... und (Blanckaert)<br />
damit den Aerzten einen kleinen, bequemen ‘Aphrodisiacus’ der angesehendsten Zeitgenossen<br />
lieferte“ (Proksch, Geschichte der venerische Krankheiten II, 293). – Die Kupfer zeigen neben<br />
anatom. und botanischen Darstellungen auf zwei Tafeln den damals gebräuchlichen Apparat der<br />
Schwitzkuren. – Zeitgen. Besitzvermerk a. d. Vorsatz, papierbedingt gebräunt; insgesamt sehr gutes<br />
Exemplar in gut erhaltenem Einband der Zeit. - Siehe Einbandabbildung 3. Umschlagseite (unten<br />
rechts).<br />
8 BRILLAT-SAVARIN, (J. A.), Physiologie du gout. Avec une préface par Ch.<br />
Monselet. 2 Bände. Mit Porträt und 52 Radierungen von A. Lalauze. 2 Bll., XVI, 196;<br />
320 Seiten. <strong>Franz</strong>ös. Orig.-Broschur mit Cellophanumschlag und je einer Einbanddecke<br />
mit Leder-Rückenschild, zusammen in Orig.-Leinen-Schuber. Paris, Librairie<br />
des Bibliophiles, 1879. € 480.–<br />
Das klassische gastrosophische Werk; die in Jahrzehnten gesammelten Beobachtungen auf dem<br />
Gebiete der Gourmandie sind auch heute noch wegen ihrer reizvollen kulturgeschichtlichen<br />
Details ein literarisches Menü für Feinschmecker. – Hübsche, nur in kleiner Auflage erschienene<br />
bibliophile Ausgabe mit den durch die Feinheiten in der Ausführung bestechenden Radierungen<br />
von Adolphe Lalauze. – Unbeschn. und unaufgeschnitten, die Leinenrücken etwas ausgebleicht. –<br />
Drexel 1133. Vicaire 117.<br />
9
10<br />
9 BRONN, HEINRICH GEORG, Ergebnisse meiner naturhistorisch-öconomischen<br />
Reisen. Erster Theil (von 2): Briefe aus der Schweitz, Italien und Südfrankreich,<br />
im Sommer 1824. Mit lithogr. Titel und 8 (2 kolor.) lithogr. Tafeln. 1 Bl., XX, 652<br />
Seiten, 2 Bll. Pappband der Zeit mit Rückenschild. Heidelberg und Leipzig, Neue<br />
Akad. Buchhandlung von K. Groos, (1826). € 550.–<br />
Erste Ausgabe. – In sich abgeschlossener Band mit der Beschreibung einer wissenschaftlichen Reise<br />
des großen Paläontologen von Heidelberg, nach Basel, Genf, Turin, Nizza, Marseille, Montpellier,<br />
Cette, Neapel, Rom, Parma, Verona, Triest, Wien und zurück nach Heidelberg. – Hochinteressante,<br />
klassische Gelehrtenreise, nicht nur wissenschaftlichen Beobachtungen dienend. Seine Schilderungen<br />
der Ess- und Trinklust in Südfrankreich finden in der köstlichen Darstellung eines<br />
„Austernfreundes“ ihren Ausdruck. – Der erst 1832 erschienene zweite Band enth. Skizzen und<br />
Ausarbeitungen über Italien nach einer zweiten Reise im Jahr 1827. – Bronn (geb. 1800 in Ziegelhausen,<br />
gest. 1862 in Heidelberg), erhielt 1833 die Direktion der zoolog. Sammlung und den Lehrstuhl<br />
der Zoologie Heidelberg. – Bezug an den Gelenken und Kapitalen beschabt; hinterer Vorsatz<br />
mit Beistiftnotizen, sonst innen sauber. – Siehe Abbildung auf dem Titel.<br />
Der Preis der Revolution<br />
10 BURKE, EDMUND, Bemerkungen über die französische Revoluzion und das<br />
Betragen einiger Gesellschaften in London bey diesen Ereignissen. Aus dem Engl. nach<br />
der vierten Ausg. übers. Mit Porträt Burkes. 2 Bll., 432 Seiten. Pappband der Zeit mit<br />
Rückenschild. Wien, Stahel, 1791. € 950.–<br />
Erste Ausgabe der ersten (anonymen) deutschen Übersetzung. – „Dies ist „eine der glänzendsten<br />
aller polemischen Schriften zur Verteidigung eines bestehenden Regimes und gegen eine befreiende<br />
Revolution... hatte in ganz Europa sofort Erfolg“ (Carter/Muir, Bücher die die Welt verändern,<br />
239). – Das berühmte Werk übte großen Einfluß auch auf die Ideenwelt der preuß. Reformer (Frhr.<br />
v. Stein) und der konservativen Denker Deutschlands (Gentz) aus. – Gutes Exemplar aus der<br />
Bibliothek der Grafen von Schoenborn.<br />
Das bedeutendste Lehrwerk der Reformation<br />
11 CALVIN, JEAN, Institutio Christianae religionis, ab ipso authore anno 1559. &<br />
in libros quatuor digesta, certisque distincta capitibus ad aptißimam methodum... Cum<br />
indice per locos communes opera N. Colladonis tunc contexto... Quae ad superiores<br />
editiones recèns addita sunt versa pagina breviter indicat, & nova N. Colladonis<br />
epistola proximè praecendens caput primum totius operis. Mit Holzschnittdruckermarke<br />
a. d. Titel. 24 nn., 509 num. Bll., 1 weißes Bl., 74 nn. Bll. Index. Blindgeprägter<br />
Schweinslederband mit reicher figürlicher Rollenstempelverzierung auf beiden<br />
Deckeln, aus der Werkstatt der Nachfolger des Berner Buchbinders Sigfried Apiarius.<br />
Genf, Eustache Vignon & Jean le Preux, 1585. € 1.750.–<br />
Neuausgabe der 1576 von Le Preux in Lausanne gedruckten Ausgabe mit den Ergänzungen und<br />
dem Vorwort von Nicolas Colladon. Unser Exemplar in einem schönen Berner Einband.<br />
„Calvins ‘Satzung der christlichen Religion’ war die erste systematische Aussage einer reformierten<br />
Kirche. Sie ist das bedeutendste Lehrwerk der Reformation überhaupt und lieferte ein umfassendes<br />
theologisches System, das den Systemen des Mittelalters, insbesondere dem des Thomas von<br />
Aquin, den Rang streitig machte“ (Carter/Muir, Bücher die die Welt verändern, 65). – Die ‘Institutio’<br />
erschien erstmals 1536 in Basel und wurde danach vielfach revidiert und umgeschrieben. 1559<br />
erhielt sie ihre endgültige Form. – Wenige Anstreichungen, gering gebräunt. Unterschnitt mit altem<br />
Brandzeichen. Einband ohne Schließbänder. Insgesamt ein sehr ansprechendes Exemplar. Vorsatz<br />
mit handschriftlichem Besitzvermerk eines Christopher Fleischmann, der das Buch in Bern für 22<br />
Batzen am 16. Juni 1587 kaufte. – Adams, C 365. Lindt, Berner Einbände, S. 75–105 mit Abb. –<br />
Siehe Einbandabbildung 4. Umschlagseite (oben links).
Grundlegende Schrift in prächtigem Einband<br />
12 CURTIS, JOHN HARRISON VON, Abhandlung über den gesunden und kranken<br />
Zustand des Ohres, nebst einer kurzen Uebersicht vom Baue und den Verrichtungen<br />
dieses Organs. Aus dem Engl. übers. von H. Robbi. Mit gefalt. Kupfertafel. XXVI,<br />
108 Seiten, 1 Bl. Prachtvoller roter Maroquinband der Zeit mit reicher Deckel- und<br />
Rückenvergoldung, Steh- und Innenkantenvergoldung sowie dreiseit. Goldschnitt<br />
(Allaway, London). Leipzig, Baumgärtner, 1819. € 800.–<br />
Erste deutsche Ausgabe. – Grundlegende Schrift zur Ohrenheilkunde und zu Hörgeräten in einem<br />
prächtigen Einband der Zeit. – Curtis war Augen- und Ohrenarzt in London und errichtete dort<br />
1816 das Royal Dispensary for Diseases of the Ear. Er hielt dort Vorträge über Anatomie, Physiologie<br />
und Pathologie des Ohres. – Vorliegende Arbeit behandelt die Krankheiten des äußeren<br />
Ohres, der Trommelhöhle, des inneren Ohres (Labyrinth), diverse Ursachen der Taubheit, Krankheitsfälle<br />
aus der Praxis. – Die Kupfertafel zeigt „akustische Instrumente“ (künstliche Ohren und<br />
ein Hörrohr mit Teleskopschub). – Vorsatz mit gelöschtem hs. Besitzvermerk, etw. stockfl.; schönes<br />
Exemplar. – Hirsch-H. II, 159. Politzer I, 435. – Siehe Einbandabbildung 4. Umschlagseite<br />
(unten Mitte).<br />
Milestone of Science<br />
13 CUVIER, (GEORGES), Das Thierreich eingetheilt nach dem Bau der Thiere als<br />
Grundlage ihrer Naturgeschichte und der vergleichenden Anatomie... aus dem <strong>Franz</strong>ösischen<br />
frey übersetzt und mit vielen Zusätzen versehen von Heinrich Rudolf Schinz.<br />
4 Bände. Dekorative grüne Halblederbände der Zeit mit Rückenschild und Rückenvergoldung.<br />
Stuttgart und Tübingen, J. G. Cotta, 1821–1825. € 2.000.–<br />
Sehr schönes Exemplar der ersten deutschen Ausgabe von Cuviers klassischem Werk. – Der in der<br />
damaligen württembergischen Grafschaft Mömpelgard geborene Cuvier (1769–1832), Schüler der<br />
Karlsschule in Stuttgart, legte mit diesem Werk „die Grundlagen für die vergleichende Anatomie“.<br />
„Cuviers bedeutendste wissenschaftliche Leistung war die Einteilung des Tierreiches in vier<br />
Hauptgruppen: Wirbeltiere, Weichtiere, Gliederfüßler, Strahltiere; hier schuf er ein brauchbares<br />
Grundschema für seine Nachfolger. Entgegen der landläufigen Anschauung, daß die Struktur eines<br />
Tieres seine Funktionen und Lebensweise bestimme, stellte Cuvier fest, daß diese Struktur gerade<br />
deren Folge sei. Bewegliche Geschöpfe brauchen Mägen: Pflanzen haben keine. Fleischfresser<br />
benötigen scharfe Zähne, kräftige Kiefer und Klauen: Pflanzenfresser haben Mahlzähne und Hufe.<br />
Diese Unterscheidungen sind heute Gemeingut, aber Cuvier war der erste, der diese Art vergleichender<br />
Erkenntnis auf das gesamte Reich der Tiere anwandte. Er sah auch, daß diese Übereinstimmung<br />
bei jedem einzelnen Tier einen sachkundigen Naturforscher in den Stand setzen mußte,<br />
die ganze Tiergestalt aus einem wichtigen Teil seines anatomischen Aufbaues zu rekonstruieren“<br />
(Carter/Muir, Bücher die die Welt verändern, 276). – Zur französ. Originalausgabe siehe Dibner,<br />
Heralds of Science, 195; Sparrow, Milestones of Science, 42. Honeyman Collection 796. – Siehe<br />
Einbandabbildung 3. Umschlagseite (unten Mitte).<br />
Syrien und Palästina im 17. Jahrhundert<br />
14 (DAPPER, OLFERT), Delitiae Orientales, das ist die Ergötzlich- und Merkwürdig-keiten<br />
des Morgenlandes, nach dessen vornehmsten Landschafften, insonderheit<br />
Syriens (und Palestins), und des gelobten Landes, sam(m)t dero berühmtesten Städten,<br />
Gottesdienst, Sitten, Gebräuchen, Flüssen, Gebürgen, Thieren, Gewächsen u. a. m.<br />
2 Teile in 1 Band. Mit 8 (3 gefalt. und 5 doppelblattgr.) Kupferkarten, 31 (1 gefalt.,<br />
22 doppelblattgr. und 8 blattgr.) Kupfertafeln und 35 Textkupfern. 2 Bll., 200 Seiten,<br />
2 Bll.; 1 Bl., 400 Seiten, 4 Bll. Folio. Lederband der Zeit mit Rückenvergoldung. Nürnberg,<br />
Hofmann und Streck, 1712. € 2.200.–<br />
Dritte deutsche Ausgabe; Teil I behandelt Syrien, Tl. II Palästina. – „The first edition appeared in<br />
Dutch in 1677. Dapper has edited the work from accounts of various travellers. He was a Dutch<br />
physician and scholar devoted to geographical and historical studies. His works are of especial<br />
11
12<br />
importance because of the fine plates, which include maps, plans, beautiful views and costumes.“<br />
(Blackmer 449). – Der Amsterdamer Arzt und Gelehrte Olfert Dapper (1636–1690) reiste selbst<br />
nicht, veröffentlichte aber mehrere gründlich recherchierte geographische Werke über Asien und<br />
Afrika, die vor allem wegen der hervorragenden Illustrierung auch heute noch grosse Wertschätzung<br />
geniessen. Er griff dabei auf zeitgenössische Reiseberichte und Tagebücher zurück. – Die<br />
Kupfer zeigen Ansichten (darunter Aleppo, Damaskus, Jaffa, große Ansicht von Jerusalem, Tripolis)<br />
sowie heilige Stätten, Trachten, <strong>Alte</strong>rtümer etc. – Einband berieb., Gelenke teilw. angebrochen,<br />
unteres Kapital etw. defekt. Etwas gebräunt, 1 Karte mit Bugeinriß, Ansicht von Damascus mit kl.<br />
Loch, die Ansicht von Jerusalem mit hinterlegtem Einriß. Es fehlt das gestoch. Frontispiz.<br />
„Beginn der modernen Orthopädie“ (Valentin)<br />
15 DELPECH, J.-(M.), De l’orthomorphie, par rapport a l’espèce humaine; ou<br />
recherches anatomico-pathologiques sur les causes, les moyens de prévenir, ceux de<br />
guérir les principales difformités, et sur les véritables fondemens de l’art appelé<br />
orthopédique. 2 Textbände und Atlas in 3 Bänden. Mit 56 (2 gefalt.) lithogr. Tafeln von<br />
Donnadieu und 21 Kupfertafeln von Adam. 3 Bll., IX, 382; 2 Bll., 402; 114 Seiten. 8°<br />
und Kl.-Folio. Halblederbände der Zeit (Text) und Halblederband im Stil der Zeit mit<br />
2 Rückenschildchen unter Verwendung der bedruckten Orig.-Deckel. Paris, Gabon,<br />
1828. € 2.200.–<br />
Erste Ausgabe. – „Dieses Buch sowie der schön gedruckte, mit guten Abbildungen und lehrreichen<br />
Konstruktionszeichnungen geschmückte Atlas ist ein Meisterwerk, dessen Studium ... ein wahrer<br />
Genuß ist. Es sei daran erinnert, daß mit seinem Namen eine der segenreichsten Erfindungen der<br />
operativen Orthopädie verknüpft ist, nämlich die subkutane Tenotomie. So kann man mit vollem<br />
Recht den Beginn der modernen Orthopädie auf Delpech zurückführen“ (Valentin).<br />
„Die Erläuterungen zu den einzelnen Tafeln des Atlasbandes sind sehr ausführlich und enthalten<br />
alle wesentlichen Einzelheiten seiner diagnostischen und therapeutischen Erkenntnisse. Grundlage<br />
seiner ganzen Lehre ist die Auffassung, daß im Körper ein ausgewogenes Verhältnis von Zug und<br />
Gegenzug innerhalb bestimmter, zusammenwirkender Muskelgruppen vorhanden ist. Ursache der<br />
meisten Deformitäten ist für Delpech eine plötzliche oder allmählich auftretende Störung dieses<br />
Gleichgewichtes durch Paralyse einer Muskelgruppe und Überhandnehmen der antagonistischen<br />
Muskulatur. Durch die Deformität und die ständig eingehaltene abnorme Körperstellung wird<br />
diese Muskulatur noch weiter geschwächt. Delpech zielt also vor allem auf eine Form der Krankheit,<br />
die wir heute allgemein Entlastungsskoliose nennen. So ist schon im Ansatz der therapeutische<br />
Weg gegeben: Extension und Suspension des Patienten sind zwar unerläßlich, können aber allein<br />
niemals eine endgültige Heilung bewirken. Es kommt vielmehr darauf an, die durch die Deformität<br />
geschwächten Muskeln durch systematische Gymnastik wieder zu kräftigen. Daraus ergibt sich<br />
auch der Aufbau des Werkes, der aus mehreren Teilen besteht: 1. Demonstrationsmaterial aus der<br />
eigenen Praxis; 2a. Das orthopädische Institut in Montpellier mit seinen Einrichtungen; 2b. Therapie<br />
durch Gymnastik; 2c. Mechanische Therapie der Skoliose; 2d. Mechanische Therapie des<br />
Klumpfußes“ (Edition Medicina Rara). – „Interessantes, für die Entwicklung der Orthopädie<br />
wichtiges Werk aus der großen Zeit der französischen Chirurgie, reich mit Tafeln ausgestattet.<br />
Diese zeigen zum Teil Bildnisse – meist Gipsabgüsse – von Verkrümmungen der Wirbelsäule, teils<br />
das zugehörige mazerierte Knochenpräparat; ferner eine große Anzahl von Bildern, welche Turnapparate,<br />
Turnübungen, Stützapparate und Anstaltseinrichtung darstellen.“ (Goldschmid 130). –<br />
Deckel des Atlas fleckig, Textbände berieb., Gelenke wurmstichig. Innen nur vereinzelt stockfl.;<br />
der breitrandige Atlas nur zu Beginn im Textteil stockfl. – Garrison/Morton 4315. Wellcome II,<br />
447. Waller 2347 (nur Atlas). Peltier, Orthopedics, 26 ff., 200 ff. (mit zahlr. Abb.).<br />
16 DER ALCHEMIST IN SEINEM LABORATORIUM – KUPFERRADIE-<br />
RUNG mit Aquatinta nach einer Zeichnung von Jan Luyken von Cornelis Ploos van<br />
Amstel, 1787. Bildgröße (= Blattgröße) 9,2 x 12 cm. € 600.–<br />
Der holländische Kupferstecher und Kunsthändler Ploos van Amstel (1726–1798) ist der Erfinder<br />
eines besonderen Verfahrens zur Wiedergabe farbiger Zeichnungen. Er selbst war ein eifriger<br />
Sammler von Zeichnungen und Kupferstichen gewesen und versuchte sich schon früh in Nachbil-
Nr. 15<br />
13
14<br />
Nr. 16<br />
dungen. Das Verfahren wechselt je nach der Technik der Vorlage und stellt eine Kombination von<br />
Radierung, Schabkunst und Aquatintamanier dar. Das vorliegende hübsche Blatt zeigt zwei<br />
Chemiker oder Apotheker in ihrem Labor und einen Gehilfen am Brennofen. Sehr dekorativ mit<br />
den rötlichen Farben, die der Bistermanier der Vorlage entsprechen. – Auf der Rückseite hs.<br />
bezeichnet: J. Luiken del. 1711, Pl. van Amstel fec.; dazu sein gestoch. Wappen (Lugt 2725). – Auf<br />
schlichten Karton aufgesetzt. Eine schöne und seltene Darstellung! – Laurentius u. a., Cornelis<br />
Ploos van Amstel, No. 45.<br />
17 DER APOTHEKER. Ölgemälde nach Pietro Longhi. 40 x 33 cm, in breitem,<br />
vergoldeten Barockrahmen. € 2.400.–<br />
Reizende Genremalerei des Rokoko mit einer schönen Aloe-Vera-Pflanze im Vordergrund. – Die<br />
Komposition geht auf das um 1752 entstandene Gemälde Pietro Longhis (1702–1785, Venedig) im<br />
Ca’ Rezzonico in Venedig zurück. – Das Original ist abgebildet bei Schramm, Die Quacksalber.<br />
Heilkünstler und Scharlatane, S. 117 (ganzseit. farb. Abb.). – Doubliert. Der Rahmen mit kleinen<br />
Absplitterungen und etw. angestaubt. – Siehe Abbildung auf der Vorderseite des Umschlags.<br />
Parodie auf die „Insel“<br />
18 DIE HALBINSEL. (Parodie auf die Zeitschrift „Die Insel“). 3 Hefte und 20 lose<br />
Tafeln. Schmal-4°. Orig.-Papp-Mappe mit (natürlich) halbem Titelschild. München,<br />
Cococelloclub, 23. Febr. 1900. € 1.500.–<br />
Sehr seltene Parodie auf die Zeitschrift „Die Insel“, zusammengestellt von H. Vogeler und den<br />
Herausgebern R. A. Schröder und A. W. Heymel für das Fest der „Halbinsel“. Aus dem Vorwort:<br />
„Wer den Tempel der Halbinsel betreten will, der ziehe schon an der Schwelle die grobsinnlichen<br />
Stiefel des übelberufenen, sogenannten gesunden Menschenverstandes aus. Nur mit den sauberen<br />
Füßen des Geläuterten wandle er leise und genußreich in den Hallen der Poesie und des Zartgefühles“.<br />
In seinem Roman „Ein verliebtes Leben“ schildert Felix Schlagintweit das Münchner Künstlerleben<br />
vor dem ersten Weltkrieg und gibt dabei auch dem Cococelloclub breiten Raum. Im Februar<br />
1900 hatte der Cococelloclub in der Salvatorbrauerei zu einem „Modernen Kunstabend“ geladen.<br />
„Bei diesem Feste war übertrieben ästhetisch-moderne Toilette erwünscht, um nur einigermaßen
Nr. 18<br />
dem Geiste Stefan Georges und seiner ‘Blätter für die Kunst’ sowie der neugegründeten ‘Insel’<br />
würdig zu erscheinen. Es erschien sogar eine ‘Halbinselmappe’, sehr malerisch in ordinärstes Tapetenmuster<br />
mit Ecken und Rücken aus ‘Butterpapier-Pergament’ gebunden, der Titel durchscheinend<br />
aufgeklebt – ein halbes Klosettpapier mit den Abreißzacken. Von ferne sah diese Halbinselmappe<br />
wie eine bibliophile Kostbarkeit aus und enthielt in einzelnen Kunstblättern die Beiträge<br />
berühmter Zeitgenossen.“ – Neben Gedichten und Noten in den Heften graphische Beilagen u. a.<br />
von „Heinr. Mogeler-Feldmoching: An den Frühling“!<br />
Heinrich Vogeler berichtet von diesem Ereignis in seinen „Erinnerungen“: „Der Karneval nahm<br />
mich ganz in Anspruch. Die Künstlerkreise Münchens hatten beschlossen, das Inselunternehmen<br />
der Glattrasierten als Hauptmotiv des heurigen Karnevals zu karikieren. Daß die Inselleute sofort<br />
beschlossen, mit lustiger Selbstironie in die Sache der ‚Halbinsel’ hineinzuspringen, war selbstverständlich.<br />
Ich bereitete eine Halbinselmappe vor, im halbierten Format der Originalinselmappe,<br />
äußerlich mit Titelaufklebezettel wie beim Original, nur aus halbiertem perforiertem Lokuspapier.<br />
Inhaltslose Blätter, Karikaturen, die die Sehnsucht der Romantik nach Realität und den Hunger der<br />
Realität nach Romantik darstellten. Das Fest der ‚Halbinsel’ wurde erdrückend voll. Ein langhaariger<br />
Dichter in violettem Frack deklamierte idiotische formalistische Dichtungen ohne Inhalt und<br />
stärkte sich zwischendurch mit einem Schluck blauen Wassers, das er aus einem rosa Koppingglas<br />
schlürfte, einem Glas mit endlosen Stilwindungen. Auf einer Bühne trat der Männerchor eines<br />
Kriegervereins auf, ernste Männer in Schwarz mit Zylindern, die sie vor sich auf die Bühne stellten.<br />
Die Männerbrust war mit Eichenkränzen umwunden. Jedes Lied, das sie sangen, wurde von einem<br />
andersfarbigen Notenpapier abgesungen. Jedes Lied hatte auch einen anderen Geruch, der durch<br />
grünmaskierte Diener mittels Parfümzerstäubern ins Publikum gespritzt wurde. Dann erschien<br />
Serenissimus mit seinem Adjutanten und amüsierte todernst das Publikum mit idiotischer Kritik,<br />
ganz in der Art des Königs von Preußen. Die Zuhörer kreischten vor Vergnügen. – Die wichtigste<br />
Arbeit für die ‚Insel’ war nun beendet. Ich mußte nach Dresden, um dort eine Ausstellung meiner<br />
Bilder und Radierungen zu organisieren“.<br />
Einzelne Bll. mit Randläsuren und etwas fleckig; bei zwei Vergleichsexemplaren werden 4 Hefte<br />
genannt. – Nicht in den einschlägigen Bibliographien verzeichnet. – Der Roman von Schlagintweit,<br />
nach Rolf von Hoerschelmann, „eines der allerwichtigsten Monacensia der Epoche!“, liegt bei. –<br />
Vgl. auch Klaus Schöffling, Die ersten Jahre des Inselverlages 1899–1902. Begleitband zur Faksimileausgabe<br />
der Zeitschrift Die Insel, 1981, S. 50 ff. Keine Erwähnung in der großen Geschichte des<br />
Inselverlages von H. Sarkowski.<br />
15
16<br />
Der Einband ein Augenschmaus!<br />
19 DIEFFENBACH – FRITZE, HERMANN EDUARD, Miniatur-Abbildungen<br />
der wichtigsten akiurgischen Operationen, gezeichnet und mit einem erklärenden<br />
Texte versehen. Eingeführt vom J. F. Dieffenbach. Mit 30 meist teilkolorierten gestochenen<br />
Tafeln. VI, 108 Seiten. Strukturgeprägter roter Lederband der Zeit mit goldgepr.<br />
Rückentitel, Rückenvergoldung und goldgepr. floraler Bordüre auf den Deckeln.<br />
Berlin, A. Hirschwald, 1838. € 850.–<br />
Erste Ausgabe. – Sehr fein gestochenes medizinisches Tafelwerk zur blutigen Operativ-Chirurgie<br />
(Akiurgie). „Auch diese Darstellungen sind höchst treu und genau nach den besten Vorbildern von<br />
der künstlerischen Hand des Verfassers gezeichnet. Was irgend für die Akiurgie historisch wichtig<br />
oder praktisch werthvoll ist, wird man hier richtig, klar und schön ausgedrückt finden“ (Dieffenbach).<br />
– Hirsch-H. II, 630. – Für ein Gebrauchsbuch dieser Art (Taschenbuch) ein außergewöhnlich<br />
schönes Exemplar! – Siehe Einbandabbildung 4. Umschlagseite (unten rechts).<br />
20 DOBSON, MATTHEW, Abhandlung über die medicinischen Kräfte der fixen<br />
Luft. Aus dem Engl. übers. 1 Bl., 208 Seiten, 7 Bll. Leipzig, Weidmanns Erben und<br />
Reich, 1781. – BEIGEBUNDEN: II. MARAT, (J.-P.), Entdeckungen über das Licht.<br />
Aus dem <strong>Franz</strong>ös. übers. Mit Anm. von Ch. E. Weigel. XIV, 1 Bl., 166 Seiten. Leipzig,<br />
Crusius, 1783. – III. MAGELLAN, JEAN-HYACINTHE (MAGALHÃES, JOÃO<br />
JACINTO DE), Beschreibung eines Glasgeräthes... In einem Sendschreiben an Doktor<br />
Priestley. Übers. a. d. Engl. von G. T. Wenzel. Mit 2 gefalt. Kupfertafeln. 4 Bll., 68<br />
Seiten. Dresden, Walther, 1780. Zusammen in einem Halblederband der Zeit mit<br />
Rückenschild und Rückenvergoldung. € 950.–<br />
Wertvoller Sammelband in schöner Erhaltung; alle drei Werke liegen in der sehr seltenen ersten<br />
deutschen Ausgabe vor.<br />
I. „An interesting work containing references to most of the well-known 18th century chemists“<br />
(Duveen 176 zur engl. Ausg. 1779). – Vgl. Cole 374 (engl. Ausg.). Blake und Wellcome verz. ebenfalls<br />
keine deutsche Ausgabe.<br />
II. „Though now chiefly known as one of the most hideous monsters of the Terror, Marat was<br />
previously the author of works of no small scientific value. He was one of the first to attack<br />
Newton’s emission theory of light – a heresy which prevented his elevation to the French<br />
Academy“ (Sotheran, Bibliotheca Chemico-Mathematica I, 2816; zur französ. Ausg. 1780). – Zur<br />
dritten französ. Ausg. von Newtons Optik (1787), hrsg. von Marat, siehe ausführl. Babson Collection<br />
143.<br />
III. Der Portugiese Magalhães (1722–1790) liess sich nach einer Europatour von 1755–64 in<br />
England nieder. „Magellan early saw how important were the investigations of Priestley, whose<br />
good friend he became, and his characteristic response to Priestley’s fundamental research was twofold:<br />
he told the French about it, and he produced a pamphlet describing some small improvements<br />
in the apparatus for making carbonated water and some refinements in the construction of nitric<br />
oxide eudiometers“ (DSB 9, 5 f.). – Vgl. Duncan, Bibliogr. of glass, 8325 (nur engl. Ausg.).<br />
Begründer der Elektrophysiologie<br />
21 DU BOIS-REYMOND, EMIL, Untersuchungen über thierische Elektrizität.<br />
Bde. I-II/1. und 2. Abt. in 3 Bänden. Mit 2 Titelvign. und 12 gefalt. gestoch. Tafeln.<br />
Mod. Halbleinenbände mit Rückenschild. Berlin, G. Reimer, 1848–84. € 1.500.–<br />
Erste Ausgabe. – Komplettes Exemplar dieser epochemachenden Untersuchungen, „in denen er<br />
endgültig den Nachweis von elektrischer Aktivität in Nerven und Muskeln erbringen konnte. Die<br />
außerordentlichen experimentellen Schwierigkeiten auf dem Wege zu dieser Erkenntnis überwand<br />
Du B.-R. durch eine vollständige Innovation der elektro-physiologischen Methodik bei der<br />
Messung des elektrischen Stroms, was nur möglich war durch die Entwicklung ganz neuartiger<br />
Apparaturen, Reiz- und Meßinstrumente. So ermöglichte ein mehrfach verbesserter Verstärker
überhaupt erst die Messung des Nervenstroms. Die technischen Entwicklungen und experimentellen<br />
Erfolge waren eine entscheidende Voraussetzung für die Etablierung der Elektrophysiologie<br />
und auch der Elektrotherapie, die zunehmend bei neurologischen Erkrankungen angewendet<br />
wurde“ (Michael Hagner in DBE 2, 630). – „The founder of electro-physiology. He introduced<br />
faradic stimulation and made exhaustive investigation of physiological tetanus. Above is a collective<br />
edition of his writings on the subject“ (Garrison/Morton 610).<br />
„In einer temperamentvollen glänzenden Abhandlung, der Vorrede des ersten Bandes seiner tierischen<br />
Elektrizität 1848 ‘Über die Lebenskraft’, hat Du Bois die wissenschaftlich bedeutendste und<br />
vernichtendste Abrechnung mit den Anhängern der ‘Lebenskraft’ gehalten. Seit dieser Zeit galt es<br />
als ausgesprochen antiquiert, dem Lebendigen irgendwelche metaphysischen Besonderheiten vor<br />
der übrigen Natur zuzubilligen“ (Valentin, Geschichte der Physiologie, 132). – In Bd. I erste Bll. im<br />
Unterrand mit eingelaufener roter Farbe, oben etw. wasserrandig. Hin und wieder zeitgen. Bleistiftnotizen,<br />
gelegentlich etw. fleckig; mehrf. gestempelt. – Waller 2599 (inkomplett).<br />
Haymaker/Schiller, Founders of Neurology, p. 178 ff. Wheeler Gift 1202 (inkomplett). Bakken<br />
Libr., p. 179.<br />
22 DÜRER, ALBRECHT, Die Melancholie (Melancolia I). – Anonymer Kupferstich<br />
nach Albrecht Dürer, Ende 16. Jhdt. Größe: 23,6 x 18,4 cm. € 2.600.–<br />
Vorzügliche seitengleiche Kopie; mit ca. 2 mm breitem Rändchen um die Einfassungslinie. –<br />
Albrecht Dürers „Melancolia I“ gilt als das am meisten besprochene und kommentierte Werk der<br />
Kunstgeschichte. Unzweifelhaft zählt es zu den berühmtesten Werken der Druckgraphik und<br />
zugleich zu den rätselhaftesten Werken von Albrecht Dürer. Seit Erwin Panofskys und Fritz Saxls<br />
Klassiker von 1923 „Saturn und Melancholy“ ist die Sekundärliteratur fast unüberschaubar angewachsen.<br />
Doch nicht nur Kunsthistoriker haben immer neue Sichtweisen und Interpretationen<br />
dieses Meisterstichs geliefert. Viele Schriftsteller, Philosophen, Philologen, <strong>Medizin</strong>er, Botaniker,<br />
Mathematiker, Astronomen und Laien haben den geistesgeschichtlichen und ikonographischen<br />
Hintergrund zu erhellen versucht. Auch wenn Teilbedeutungen der Darstellung immer überzeugender<br />
aufgeschlüsselt werden konnten, ließen sich diese Einzelanalysen bis heute nicht zu einer<br />
eindeutig lesbaren Gesamtbedeutung zusammenfassen. So gilt auch heute noch Heinrich Wölfflins<br />
Wort, der bereits 1923 davon sprach, dass die „Melancholia“ immer „ein Tummelplatz der Deutungen“<br />
bleiben werde. – Geringe <strong>Alte</strong>rspuren im Rand der oberen rechten Ecke fachmännisch ausgebessert.<br />
– Bartsch 74b. Heller 847. The Illustrated Bartsch 10 (Comm.) C 2. – Schöner Gesamteindruck!<br />
– Siehe Abbildung nächste Seite.<br />
The invention of the ballistic pendulum<br />
23 EULER – ROBINS, BENJAMIN, Neue Grundsätze der Artillerie enthaltend die<br />
Bestimmung der Gewalt des Pulvers nebst einer Untersuchung über den Unterschied<br />
des Wiederstands der Luft in schnellen und langsamen Bewegungen. Aus dem<br />
Englischen... übersetzt und mit den nöthigen Erläuterungen und vielen Anmerkungen<br />
versehen von Leonhard Euler Königlichem Professor in Berlin. Mit gestoch. Titelvign.<br />
und 8 gefalt. Tafeln. 8 Bll., 720 Seiten. Interims-Karton der Zeit. Berlin, A. Haude,<br />
1745. € 1.800.–<br />
Erste deutsche Ausgabe. – Das bahnbrechende Werk des Engländers B. Robins, der nach Lösungen<br />
ballistischer und pyrotechnischer Probleme forschte. Das von Robins entwickelte „ballistische<br />
Pendel“ bietet erstmals eine mathematische Basis für ballistische Berechnungen und wird damit zur<br />
Grundlage der modernen Geschützkunst. Eulers umfangreiche Anmerkungen und Ergänzungen,<br />
die der Übersetzung beinahe den Charakter eines eigenständigen Werkes geben, trugen wesentlich<br />
zu seinem Erfolg bei. – Emil A. Fellmann bemerkt in der DBE III, 193, daß Euler „dieses Werk<br />
wohl Friedrich II., der damals soeben aus dem Zweiten Schlesischen Krieg nach Potsdam zurückgekehrt<br />
war, als Willkommensgruß wie auch als Nützlichkeitsnachweis für die Mathematik dargebracht“<br />
hat. – Karton berieb., Rückenbezug etw. aufgesplittert, teils nicht störende leichte Bräunung.<br />
Gutes, unbeschnittenes Exemplar im ersten Zustand. – Deutsches Museum, Libri rari, 236.<br />
Jähns III, 2391. DSB XI, 493 f.<br />
17
18<br />
Nr. 22
Exorzismus als Weg zur Individuation im Sinne C. G. Jungs<br />
24 EXORZISMUS – WARHAFFT: UND GRÜNDTLICHER BERICHT, sehr<br />
wunderlich: unnd gleichsam unerhörter Geschichten, so sich unlangst zu Bergen in<br />
Henogau, Ertzbisthumbs Cambrai, mit einer beseßnen, und hernach widererledigten<br />
Closterfrawen verloffen. Auß Frantzösischer Sprach, in Hochteutsch gebracht. Mit<br />
großem Titelholzschnitt. 4 nn., 47 num., 1 nn. Bl. 4°. Mod. Pappband. (München,<br />
Adam Berg), 1589. € 2.400.–<br />
Erste deutsche Ausgabe. – Ausführliche<br />
Schilderung einer Teufelsaustreibung an der<br />
25jährigen Nonne Jeanne Féry in Mons im<br />
Hennegau. Die Authentizität des Berichts<br />
bezeugt am Schluß der Schrift der Bergener<br />
Gerichtsschreiber und Notar Gottfried van<br />
Liere. – „Der Erzbischof und Herzog von<br />
Cambray, Louis de Berlaymont, exorzierte<br />
die Nonne Jeanne Féry mit Hilfe des Kanonikus<br />
Mainsent. Am 13. November 1585<br />
wurde der Teufel endgültig ausgetrieben.<br />
Am 25. November befahl der Erzbischof<br />
dem Chorherrn Mainsent die Geschichte<br />
niederzuschreiben, um Gerüchten vorzubeugen,<br />
was sofort geschah... In Jeanne<br />
Féry begegnen wir zum erstenmal einer<br />
Besessenen, die vorgibt, der Teufel habe sie<br />
verletzt... Kindliches Verhalten nach einem<br />
erfolgreichen Exorzismus habe ich nur bei<br />
Jeanne Féry gefunden. Er ist aber nach religiösen<br />
Ausnahmezuständen nicht selten...<br />
Der Puerilismus scheint in diesen Fällen,<br />
wie bei Jeanne Féry, die Brücke zwischen<br />
dem hysterischen Ausnahmezustand und<br />
dem Normalzustand zu bilden: der lässt an<br />
kindliche Unschuld und Reinheit denken<br />
und sichert Pflege und Beachtung. (Barbara<br />
Hannah hat 1955 in einem unveröffentlichten<br />
Vortrag den Exorzismus der Jeanne<br />
Féry als Weg zur Individuation im Sinn C.<br />
G. Jungs dargestellt)“ (Cécile Ernst, Teufelaustreibungen,<br />
S. 67–80, mit einer umfassenden<br />
Fallstudie). – Der Titelholzschnitt zeigt die besessene Nonne während der Austreibung des<br />
Satans, der sich in der aus dem Munde der Besessenen ausströmenden Dampfwolke als mehrere<br />
kleine Teufelchen ans Licht bringt. – Titel am Falz und verso mit wenigen braunen Fleckchen; sehr<br />
gute Erhaltung. – VD16, ZV 8013. Brit. Museum, STC German Books, p. 627 (unter Mons).<br />
Hohenemser 455. – Der Titelholzschnitt ist abgebildet bei Holländer, Wunder, Wundergeburt und<br />
Wundergestalt, S. 316.<br />
25 FREITAG, ADAM, Architectura militaris nova et aucta, oder Newe vermehrte<br />
Fortification von Regular Vestungen, von Irregular Vestungen und Aussen wercken,<br />
von praxi Offensiva und Defensiva: auff die neweste Niederländische Praxin gerichtet<br />
und beschrieben. Mit gestoch. Titel, 35 doppelblattgr. Kupfertafeln und 8 doppelblattgr.<br />
Tabellen. 3 Bll., 194 (recte 186) Seiten, 1 Bl. Folio. Marmorierter Lederband um<br />
1800 mit rotem Rückenschild und reicher Rückenvergoldung. Amsterdam, Elzevier,<br />
1665. € 3.000.–<br />
19
20<br />
Nr. 25
„Dieses reich illustrierte Werk des A. Freitag (1602–1664) gehört zu den wichtigsten Traktaten<br />
zum Festungsbauwesen des 17. Jahrhunderts. Zwar wurde viel über die altniederländische Manier<br />
geschrieben und gestritten, doch nur hier liegt eine ausführliche Interpretation vor. Durch Freitags<br />
Werk wurde die neue Art zu befestigen auch in Deutschland bekannt und von zahlreichen Ingenieuren<br />
aufgenommen. – Freitag war <strong>Medizin</strong>er und Philosoph. Er stand in polnischen Diensten,<br />
ging dann in die Niederlande, wirkte bei den Belagerungen von Herzogenbosch 1629 und Maastricht<br />
1632 aktiv mit. Er hielt mathematische Vorlesungen. In seinem Traktat stellt er auch Instrumente<br />
vor, ingenieurtechnische Bauten wie Brückenanlagen und Militärbauten innerhalb fester<br />
Plätze wie Arsenale, Pulvermagazine, Baracken u. a.“ (Ausst.-Kat. HAB Wolfenbüttel: Architekt<br />
und Ingenieur, No. 316). – Vorsatzpapier in den Rändern leimschattig, Titel und 1. Blatt der<br />
Widmung mit kl. blindgepr. Wappenstempel. 2 gestoch. Exlibris. Am Ende 5 Bll. mit einem zeitgen.<br />
handschriftl. Index beigebunden. – Insgesamt sehr schönes, dekorativ gebundenes Exemplar. –<br />
Deutsches Museum, Libri rari, 106. Cockle 836 Anm. Jordan, Bibliogr. zur Geschichte des Festungsbaus,<br />
1305. – Siehe Einbandabbildung 2. Umschlagseite (unten Mitte).<br />
26 GEIB, KARL, Malerisch-historische Schilderung der Neckargegenden von Mannheim<br />
bis Heilbronn. Mit 24 Aquatinta-Tafeln von J. J. Tanner. 2 Bll., 110 Seiten. Gr.-8°.<br />
Roter Halbleinenband der Zeit mit Rückentitel und reicher ornamentaler Rückenvergoldung.<br />
Frankfurt/Main, Hildebrand, [1843]. € 2.500.–<br />
Erste Ausgabe. – Schönes und sehr seltenes Ansichtenwerk mit wirklich malerischen Ansichten<br />
von Mannheim, Heidelberg, Stift Neuburg, Neckargemünd, Dilsberg, Neckarsteinach, Hirschhorn,<br />
Eberbach, Zwingenberg, Neckargerach, Gundelsheim, Bad Wimpfen, Neckarsulm, Weinsberg,<br />
Heilbronn, Lauffen, etc. – Durchgehend etw. stockfl., Tafelränder und Text teilw. auch<br />
stärker. – Insgesamt ein sehr gutes, hübsch gebundenes Exemplar. – Siehe Einbandabbildung<br />
3. Umschlagseite (oben Mitte).<br />
27 GMELIN, EBERHARD – ALLGEMEINES REPERTORIUM für empirische<br />
Psychologie und verwandte Wissenschaften. Mit Unterstützung mehrerer Gelehrten<br />
hrsg. von J. D. Mauchart. Teile 1–4 (von 4) in 2 Bänden. XX, 352; VIII, 358; XII, 316<br />
Seiten; 1 Bl., XXII, 355 Seiten. Pappbände mit Kleisterpapierbezug und rotem Rückenschild.<br />
Nürnberg, Felßecker, 1792–1798. € 750.–<br />
21
22<br />
Frühe Zeitschrift zur Psychologie und verwandter Gebiete; 1799–1801 erschienen noch die Teile 5<br />
und 6, 1802–03 eine Fortsetzung und ‘Neues allg. Repertorium’. – Aus dem Inhalt: Versuch einer<br />
psychologisch-teleologischen Beurtheilung des Träumens; Verlust der Personalität in der Trunkenheit;<br />
Auszüge aus Criminalakten; Über den eigentlichen Sitz des Wahnsinnes; Anomalien der<br />
Personalität in Krankheiten; Wichtigkeit des ersten Eindrucks; Über das Lächerliche; Ein Beytrag<br />
zur Geschichte der Träume u. a.<br />
Von besonderem Interesse für die Frühgeschichte des Mesmerismus ist ein umfassender Beitrag<br />
von Eberhard Gmelin in Bd. 4 (Seiten 128–160): „Geschichte eines periodischen Wahnsinns,<br />
welcher unter dem Einfluß der Anwendung des thierischen Magnetism stund“, seine letzte<br />
Veröffentlichung überhaupt. – Eberhard Gmelin (1751–1809) Amtsphysikus aus Heilbronn und<br />
Sproß der berühmten Tübinger Gelehrtenfamilie, war einer der angesehensten und besonnensten<br />
deutschen Mesmeristen, der eine große praktische Erfahrung hatte und sich von kritiklosen<br />
Entgleisungen und Übertreibungen ziemlich frei hielt. Ursprünglich hatte er alles „für Betrüger,<br />
Windbeutelei und Alfanzerei“ gehalten, „bis ihn im Jahre 1787 ein eigener Erfolg bei einem hartnäckigen<br />
Nervenleiden betroffen machte, so daß er sich bei Böckmann und Puységur persönlich<br />
nähere Auskunft holte. Er dachte selbständig weiter, hielt den Übergang eines Nervenäthers, einer<br />
Lebenskraft oder eines animalisierten Elementarfeuers für gegeben und vollbrachte aufsehenerregende<br />
Heilungen... in dem elfjährigen Knaben Justinus Kerner entwickelte Gmelin ‘ein magnetisches<br />
Leben’ und Friedrich Schiller suchte ihn später (1793) auf, um die Frage einer Magnetkur für<br />
sich zu besprechen“ (Tischner/Bittel, Mesmer und sein Problem, S. 124, 258 f.). – Vgl. G. Bauer,<br />
Eberhard Gmelin... (in Kerner-Festschrift zum 200. Geburtstag), S. 224 ff., und G. Bauer, E.<br />
Gmelin. Leben und Werk, S. 46 f. und 89. – Bezug am Rücken mit Abreibungen; gestempelt.<br />
Insgesamt schönes Exemplar.<br />
Goethes geologische Beiträge über Marienbad<br />
28 GOETHE – FRIEDRICH (AUGUST II.) VON SACHSEN UND J. W. VON<br />
GOETHE, Pflanzen und Gebirgsarten von Marienbad... ergänzt, und mit einem<br />
Anhange über die andern naturhistorischen Verhältnisse des Curortes hrsg. von C. J.<br />
Heidler. Mit 4 (1 kolor.) lithogr. Tafeln, mehrf. gefalt. kolor. lithogr. petrographischer<br />
Karte und mehrf. gefalt. Tabelle. X, 203 Seiten. Halbleinen der Zeit mit goldgepr.<br />
Rückentitel. Prag, Kronberger und Weber, 1837. € 950.–<br />
Erste Ausgabe. – Von Goethe stammen „Gang und Gebirgsarten von Marienbad, und von dem<br />
vulkanischen Wolfsberge“ (darin der Erstdruck des Verzeichnisses Goethes der bei seinen Besuchen<br />
1821–1823 zusammengestellten Sammlung von Gesteinsarten) sowie „hierauf bezügliche<br />
Bemerkungen Göthe’s, aus seinem I. Bde.: Zur Naturwissenschaft“; ein „Brief von Göthe an den<br />
Herrn Grafen C. Sternberg in Prag, den marienbader Serpentin und Pechstein betreffend“ nebst<br />
einem kurzen Bericht über Goethes „Sammlung der Gebirgsarten des Eger’schen Bezirks und es<br />
vulkanischen Kammerbühls bei <strong>Franz</strong>ensbad“ im Kabinett zu Tepl.<br />
Nach Schmid sind die Übernahmen nicht aus den gedruckten Werken Goethes entnommen,<br />
sondern stellen Varianten aus den Originalhandschriften dar. – Die Beiträge des Prinzen Friedrich,<br />
des späteren König Friedrich August II., über die Flora von Marienbad entstanden 1834–1835. Die<br />
Aufsätze wurden von dem Marienbader Kurarzt C. J. Heidler herausgegeben, mit dem Goethe<br />
befreundet war. – Mit einigen Bleistiftanstreichungen, 2 kl. reparierte Randeinrisse, gering gebräunt<br />
und wenig stockfl.; gutes Exemplar. – Schmid, Goethe und die Naturwissenschaften, 427. Goedeke<br />
IV/3, 593, 32.<br />
29 HAGELGANSS, JOHANN GEORG, Sphaera Infernalis Mystica... Das ist:<br />
Höllisches Spinnenrad, Darinnen das Geimniß der Boßheit, der Fall Lucifers, des Teuffels<br />
Affenspiel in der Welt, und des Satans entwaffnete Macht der Finsterniß abgebildet,<br />
die dahin zielende geheime Zahlen der H. Schrifft aufgelöset, aus der Zähl- und Meß-<br />
Kunst die besondere Chaldäische Bau-Kunst dargestellt, annebst eine vollkommene<br />
Beschreibung des weltlichen, geistlichen und geheimen Babel gegeben, und in der<br />
666ten Zahl gezeiget. Mit 5 gefalt. Kupfertafeln. Doppelblattgr. Titel in Rot und<br />
Schwarz, 6 Bll., 352 Seiten, 8 Bll. (d. l. w.). Halbpergamentband der Zeit. Frankfurt am<br />
Main, J. F. Fleischer, 1740. € 1.200.–
Einzige Ausgabe dieser seltenen okkultistischen Schrift. – Der erste Teil entwickelt eine apokalytische<br />
Zahlenmystik, der zweite beschreibt die „Sieben bösen Geister“ (Neid, Lüge, Wollust etc.),<br />
„hinter welchen der Drach, als der Achte, steckt“ und die „aus Eden nach Gehenna abgefertiget<br />
werden“. Auf dem Tafeln geometrische Konstruktionen, Zahlenquadrate, Ansichten des Turms zu<br />
Babel, die Abbildung des „Höllischen Spinnrades“ sowie apokalyptische Darstellungen. – J. G.<br />
Hagelganß (1687–1762), Archivrat und Philosoph, wurde 1729 durch Vermittlung seines Freundes<br />
Johann Christian Lange mit der Leitung des Naussauischen Zentralarchivs im Idsteiner Schloß<br />
betraut (vgl. Bautz, Biogr.-bibliogr. Kirchenlex., Bd. 28). – Seiten 217/18 (Zwischentitel) mit<br />
Papierausriß im rechten Rand (kein Textverl.), Doppeltitel im Falz verstärkt, die Tafeln etw. fleckig<br />
und angestaubt. Einband fleckig und beschabt. – Caillet II, 4928. Graesse, Bibl. mag. et pneumat.,<br />
S. 147. Hayn/Gotendorf III, 7. – Nicht bei Dorbon-Ainé, Rosenthal, Slg. Hevesi etc.<br />
Vorgebunden sind zwei weitere, ebenfalls sehr seltene (wenn auch nicht ganz vollständige) Werke<br />
von Hagelganß:<br />
I: (Machina mundi sphaerica cum planisphaerio, oder, Vollständige Beschreibung einer in der<br />
Architectura Cosmica angegebenen zweyfachen Welt-Kugel ... /) Mit 5 (statt 7) Kupfertafeln. 13<br />
(statt 15, ohne den doppelblattgr. Titel) Bll., 132 Seiten, 6 Bll. (Frankfurt, J. F. Fleischer, 1738).<br />
II. Sphaera coelestis mystica, ex arithmologia ac metrologia sacra... Das ist: Die Geheimniß-volle<br />
Himmels-Kugel, Darinnen Das unendliche Wesen Gottes... gezeiget. Mit 2 (statt 8) Kupfertafeln.<br />
Doppelblattgr. Titel, 6 Bll., 341 Seiten, 1 Bl. Frankfurt, J. F. Fleischer, 1739. – Caillet II, 4927.<br />
30 HAUFF, WILHELM, Die Geschichte von dem kleinen Muck. In Tusche<br />
geschriebenes Manuskript mit 38 Tuschfederzeichnungen von Fritz Fischer, zusammen<br />
mit dem Text auf 27 Bll. 4°. Illustr. roter Halblederband mit aquarelliertem Schutzumschlag.<br />
€ 4.000.–<br />
„2. Fassung geschrieben und gezeichnet zum Jahresende 1955 f. f. Weihnachten Blaubeuren“. –<br />
Völlig abweichend zu der wohl ersten Fassung, die sich im Schiller-Nationalmuseum in Marbach<br />
befindet (zu Ehren F. Pfäfflins in Faksimile als Extra-Ausgabe der Marbacher Bibliothek im Jahr<br />
2000 erschienen).<br />
Der Zeichner und Illustrator Fritz Fischer (1911–1968), „sein Leben lang mit der Literatur verbunden,<br />
illustrierte Geschichten von Edgar Allan Poe und E.T.A. Hoffmann, Ludwig Tieck und Gottfried<br />
Keller, Morgenstern und Andersen – , und immer kam es ihm darauf an, mit seiner spitzen<br />
Feder das Wunderliche, ja Verschrobene zu betonen. Der kleine Muck, die komische Figur aus dem<br />
Märchen, ist zur Symbolgestalt des einsamen Weisen geworden, der am Rande der Gesellschaft<br />
seine Späße und Spiele treibt. Fritz Fischer betrachtet ihn von vorn: Mit seinem großen Turban<br />
wirkt er wie ein verkleideter Liliputaner, der die Zirkusarena betritt, alle Zuschauer zu verzaubern.<br />
Fritz Fischer betrachtet ihn von hinten: Mit den großen Pantoffeln sieht er aus wie ein exotischer<br />
Skispringer, der eben die Schanze verlassen hat, sich in unermeßliche Höhen zu erheben. Und von<br />
der Seite betrachtet erscheint der bärtige Kopf mit mächtigem Ring im Ohr und gewaltiger Pfeife<br />
im Mund hinter den Dachzinnen seines Hauses, rumpf- und beinlos, als bestünde er tatsächlich nur<br />
aus Kopf. Diesen kleinen Riesen stellten wir uns bei Großvaters Erzählung wie von Fritz Fischer<br />
gezeichnet vor -, großkopfig und unnahbar: Doch das kann ich erst heute versichern, fünfundsechzig<br />
Jahre später nach meinem ersten Blick auf die unveröffentlicht gebliebenen Blätter. Fritz<br />
Fischer nutzte alle Spielarten des Übertreibens: Der Spieler mit der Zeichen- oder Schreibfeder läßt<br />
seiner Phantasie freien Lauf, knüpft einen aufgelesenen Leitfaden mit anderen bunten Fäden zu<br />
seiner Ideenkette zusammen. Aus einem Einfall erfindet er ein Weltsystem. Die poetische Logik<br />
gehorcht keinem Kausalgesetz“ (Ludwig Harig im Nachwort zur oben erwähnten Marbacher<br />
Publikation). – Umschlag an den Rändern etw. gebräunt (Rücken geschickt erneuert). Der Einband<br />
und Buchblock tadellos erhalten. – Siehe Abbildung nächste Seite.<br />
Humboldts Hauptarbeit über Geologie<br />
31 HUMBOLDT, ALEXANDER VON, Essai géognostique sur le gisement des<br />
roches dans les deux hémisphères. VIII, 379 Seiten. Bedruckter Orig.-Umschlag in<br />
Kassette. Paris und Straßburg, Levrault, 1823. € 800.–<br />
23
24<br />
Nr. 30
Seltene erste Ausgabe von Humboldts „Hauptarbeit über Geologie, die die auf der amerikanischen<br />
Reise erworbene Einsicht widerspiegelt... und ihrem Inhalt nach sehr wohl in den Rahmen des<br />
Reisewerks gepaßt haben würde“ (ADB XIII, 373). – „Er faßte in der Arbeit alles zusammen was<br />
er von der Geologie beider Hemisphären wußte, und stellte die transozeanischen Verbindungen<br />
von geologischen Formationen auf Grund eigener Beobachtungen dar. Dabei hielt er an manchen<br />
Anschauungen Werners fest, z. B. an dem wäßrigen Ursprung von Granit, Porphyr und Gips, wich<br />
aber sehr von den Ideen des alten Lehrers ab, wenn es um die Erklärung vulkanischer Vorgänge<br />
ging... Kurz nach Erscheinen des Werkes besuchte Charles Lyell Humboldt in Paris. Er war damals<br />
sechsundzwanzig Jahre alt und schrieb am 3. Juli 1823 an seinen Vater: ‘Er (Humboldt) zeigte<br />
großes Interesse, als ich ihm die Kritiken unserer Geologen über sein letztes Werk beschrieb, ein<br />
Werk, das allein genügt hätte, ihm einen Rang in der Wissenschaft zu verleihen, selbst wenn er<br />
nichts anderes veröffentlicht hätte.’“ (H. de Terra, A. von Humboldt und seine Zeit, 187 f.). –<br />
Unbeschn. Ex. im Originalzustand, Bindung locker bzw. tls. gelöst, etw. gebräunt. – Löwenberg<br />
146.<br />
Von der Deutung des Körperbaues, des Gesichts und der Handlinien<br />
32 INDAGINE, JOHANNES, Introductiones apotelesmatice elegantes, in chyromantiam,<br />
physionomiam, astrologiam naturalem, complexiones hominum, naturas<br />
planetarum... Mit Porträt-Holzschnitt nach Baldung Grien und 83 Textholzschnitten<br />
von Bernard Salomon (zugeschrieben). 186 Seiten. Pergamentband im Stil der Zeit mit<br />
Rückentitel. Lyon, J. de Tournes, 1556. € 1.950.–<br />
Die erste lateinische Ausgabe bei de Tournes und noch immer frühe Ausgabe des erstmals 1522<br />
erschienenen Werkes. – „Presumably the combination of astrology, physiognomy and chiromancy<br />
with humanistic bias and some approach to Protestant partisanship accounted for its long and<br />
widespread currency north of the Alps“ (Thorndike V, 66). – „Dieses bis in das ausgehende<br />
17. Jahrhundert trotz päpstlicher Indizierung häufig nachgedruckte Werk mit dem von Hans<br />
Baldung Grien angefertigten Porträts I.s auf dem Titelbild und den veranschaulichenden Holzschnitten...<br />
im Innern hat im Deutschland der frühen Neuzeit wesentlichen Anteil an der Verbreitung<br />
der Lehre von der Deutung des Körperbaues, des Gesichts und der Handlinien. I. beruft sich<br />
wiederholt auf Julius Firmicus, Marsilius Ficinus u. a., doch erheben eigenständige Erfahrungen<br />
und Beobachtungen sein Werk über eine reine Kompilation“ (NDB). – Die Holzschnitte mit<br />
Darstellungen chiromantischer und astrologischer Figuren, allegorischer Planetendarstellungen<br />
sowie Doppelporträts zur Physiognomie. Das schöne Medaillonporträt des Verfassers nach<br />
Baldung Grien ist eventuell – wie die anderen Darstellungen auch – von B. Salomon geschnitten.<br />
Vgl. dazu Oldenbourg, Baldung Grien S. 133. Ohne 3 weiße Bll. am Schluß. – Sehr gut erhaltenes,<br />
nur vereinzelt geringf. fleckiges Exemplar. – Durling 2533; Caillet 5388; Mortimer 325 Anm.; nicht<br />
bei Adams und Wellcome.<br />
Beginn der modernen Ohrenheilkunde<br />
33 ITARD, JEAN MARIE GASPARD, Traité des maladies de l’oreille et de l’audition.<br />
2 Bände. Mit 3 gefalt. Kupfertafeln. 2 Bll., XVI, 396 Seiten; 2 Bll., 522 Seiten. Halblederbände<br />
im Stil der Zeit mit Rückentitel und Rückenvergoldung in Schuber. Paris,<br />
Méquignon-Marvis, 1821. € 1.200.–<br />
Erste Ausgabe. – „First of the modern text-books on diseases of the ear, this work did much to establish<br />
otology on a sound basis“ (Garrison/Morton 3364). – Itards (1774–1838) „vorzüglichstes,<br />
namentlich wegen der darin niedergelegten guten Krankengeschichten und Beobachtungen noch<br />
heute sehr beachtenswerthes Werk war epochemachend und enthält nach einer historischen, anatomischen<br />
und physiologischen Einleitung wesentlich praktische, auf Grund von 172 prägnanten<br />
Krankengeschichten niedergelegte Thatsachen über die gesammte Ohrenheilkunde, so dass es<br />
schwer fällt, irgend ein Capitel, z. B. das 1. über die subjectiven Gehörempfindungen (du bourdonnement),<br />
als vorzugsweise gelungen hervorzuheben. Nicht minder hervorragend in der<br />
Construction von chirurgischen und akustischen Instrumenten, sowie in der Verbesserung der<br />
operativen Technik, beschreibt er in diesem Buche die Paracentese des Trommelfells, für welche er<br />
bereits die noch heute geltenden Indicationen: Secretanhäufung und unlösbaren Verschluss der<br />
25
26<br />
Tuba Eust., kennt... Von seinen akustischen Instrumenten ist besonders hervorzuheben der<br />
‘accouomètre’, bestehend aus einem einfachen kupfernen Ringe, der von einem mit Quadrant<br />
versehenen Pendel angeschlagen wird, ein Instrument, welches allen späteren physiologischen und<br />
otiatrischen Hörmessern ähnlicher Art zur Grundlage gedient hat; ferner seine gehörverstärkenden,<br />
durch eine Feder am Ohr und Kopf zu befestigenden Schallmuscheln für Schwerhörige“<br />
(Hirsch-H. III, 382 f.). – „France was the first country to remove otology from the sphere of the<br />
surgeon and to give it a place of its own. One of the first to specialize in this branch was Jean Marie<br />
Gaspard Itard“ (Stevenson & Guthrie, p. 59). – Etw. stockfl., Tafeln im Innensteg etw. wasserrandig;<br />
insgesamt schönes Exemplar. – Norman Libr. 1146. Politzer, Gesch. d. Ohrenheilkunde I, 439<br />
ff. Waller 5080.<br />
34 KATZSCH, JOHANN, De gubernanda sanitate, secundum sex res non naturales,<br />
ex Hippocratis et Galeni libris placita quaedam desumpta. 40 num. Bll. Flex. Pergament.<br />
Frankfurt/Main, Egenolffs Erben, 1557. € 700.–<br />
Sehr seltenes Diätetikbüchlein aus der Feder des Hallenser <strong>Medizin</strong>ers J. Katzsch. – „Réimpression<br />
d’un petit traité de santé très rare, qui avait d’abord paru à Leipzig en 1549. L’auteur était médicin<br />
à Halle“ (Oberlé 319/3). – Titel mit hs. Bibliotheksvermerk aus dem Jahr 1680. Einband aus altem<br />
Material neu aufgebunden; gutes Exemplar. – VD 16, K 538 (= K 540, unter Katsch). British Mus.<br />
STC German Books 467 (Ausg. 1570). Waller 5251. Wellcome I, 3533. Durling 2649. Richter,<br />
Egenolffs Erben, 45. Kochbuch-Slg. Horn/Arndt 39 und 57.<br />
Namhaftester Führer der christlich-sozialen Bewegung<br />
35 KETTELER, WILHELM EMMANUEL VON – SAMMLUNG von 41 Schriften<br />
(in versch. Auflagen) aus den Jahren 1854–1877, allesamt erschienen in Mainz.<br />
Gebunden in 5 Halblederbänden mit Rückenvergoldung. € 600.–<br />
Außergewöhnlich umfangreiche Sammlung mit annähernd sämtlichen späteren Schriften des<br />
Erzbischof von Mainz und bedeutenden Sozialreformers. – Ketteler (1811–1877), nicht nur wegen<br />
seines politischen und sozialen Engagements der „streitbare Bischof“ genannt, setzte sich u. a. im<br />
Frankfurter Parlament für die Loslösung der Kirche vom Staat ein. Seine Schriften und Predigten<br />
erlangten teils bis zu 7 Auflagen und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. – Die im fünften Band<br />
(im Format etwas kleiner) vereinigten Schriften papierbedingt gebräunt. Insgesamt sehr gut erhaltene,<br />
zeitgenöss. gebundene Sammlung.<br />
Pionier der deutschen Neurochirurgie<br />
36 KRAUSE, FEDOR, Chirurgie des Gehirns und Rückenmarks nach eigenen<br />
Erfahrungen. 2 Bände. Mit 62 (60 farb.) Tafeln und 185 Textabb. XXXVI, 828 Seiten.<br />
4°. Orig.-Halblederbände. Berlin, Urban & Schwarzenberg, 1908–11. € 1.200.–<br />
Erste Ausgabe. – „With Macewen and Cushing, Krause pioneered the development of neurosurgery<br />
as a specialty. This is his most comprehensive work“ (Garrison/Morton).<br />
„This work on surgery of the brain and spinal cord is richly illustrated with exceptional black and<br />
white and colored plates, which graphically depict the variety of pathological conditions of the<br />
central nervous system. Krause was professor at Berlin where developed the first operation for<br />
extradural excision of Gasserian ganglion for trigeminal neuralgia and demonstrated the utility of<br />
whole thickness skin grafts“ (Heirs of Hippocrates 2195). – Sehr gutes Exemplar. –<br />
Garrison/Morton 4880.1. Walker, Hist. of Neurol. Surgery, 248 f. Haymaker/Schiller, Founders of<br />
Neurology, 557. Kolle, Große Nervenärzte III, 199–206.<br />
„... wohl die älteste protestantische Schrift aus Kurpfalz“ (ADB)<br />
37 LANDSCHAD ZU (NECKAR-) STEINACH, HANS, Ain Missiue... an den<br />
Durchleutigisten... Ludwygen... Pflatzgrauff bey Reyn... Von wegen der götliche leer,<br />
zu beschirmen... Im jar 1522. 10 Bll. 4°. Rückenbroschur in Papp-Kassette. O. O., Dr.<br />
und J. (Augsburg, M. Ramminger, 1522). € 4.000.–<br />
Einzige Ausgabe; sehr selten. – „Eine Wendung in Landschad’s Leben trat ein mit der Reformation.
Seine Voreltern waren kirchlich gesinnte Leute... Hans L. selbst hatte viele Fahrten zu den Heiligen<br />
gethan, viel Gut gestiftet in Kirchen und Klöster... Aber schon meldete sich auch in Neckarsteinach<br />
die neue Zeit an... In diesem Jahre (1518) kam bekanntlich Luther nach Heidelberg und disputirte<br />
daselbst unter großem Zulauf und lautem Beifall, und es ist um so wahrscheinlicher, daß auch<br />
Landschad dieser Disputation beigewohnt habe, als damals drei seiner Söhne... in Heidelberg<br />
studierten“ (ADB). – In der vorliegenden Schrift sagt Landschad, er habe alle Schriften Luthers<br />
gelesen und mit der Bibel verglichen, aber es sei ihm kein Gelehrter bekannt, der in einem einzigen<br />
Punkte die Lehre Luthers widerlegen könne. Anschließend „ain hüpscher Spruch“, der, verziert<br />
mit einigen Holzschnitt-Zierleisten, auch ein gereimtes Vaterunser enthält. – „Es ist zu bemerken,<br />
daß in dasselbe Jahr die Schrift Sickingen’s an Diether von Handschuchsheim fällt; aber Landschad’s<br />
Schrift ist wohl die älteste protestantische Schrift aus Kurpfalz“ (ADB XXXV, 671 f.). –<br />
3 kl. Wurmlöchlein, sonst sehr gutes Exemplar. – VD 16, L 225. BMC, German Books, 482. Schottenloher<br />
32227a. Kuczynski 1234. Jackson 2025 (inkomplett). – Abbildung und weitergehende<br />
Ausführungen zu Landschad von Prof. R. Düchting direkt nach dem Titel.<br />
Laymanns Stellungnahme in der Hexenfrage<br />
38 LAYMANN, PAUL, Theologiae moralis liber quartus. De virtute, et statu religionis.<br />
3 Teile in 1 Band. Mit 3 Holzschn.-Titelvignetten. 2 Bll., 471; 1 Bl., 5–481 (so<br />
komplett!) Seiten; 1 Bl., 348 Spalten, 4 Bll. 4°. Blindgeprägter Schweinslederband der<br />
Zeit auf Holzdeckeln. München, N. Henrici, 1625. € 850.–<br />
Seltene erste Ausgabe. – Hauptwerk von Paul Laymann (1574–1635), Prof. des kanonischen Rechts<br />
in München, Ingolstadt und Dillingen. – Die Titel der Teile II und III: „Theologiae moralis liber<br />
quintus. De Sacramentis, et Sacrificio novae legis“ und „Moralis theologiae. Repertorium seu<br />
compendiosa rerum...“. – „Der Jesuit Paul Laymann gilt als einer der bedeutendsten Moraltheologen<br />
seiner Zeit. Er war zunächst für die Hexenverfolgungen eingetreten, revidierte jedoch seine<br />
Meinung unter dem Einfluß seines Ordensbruders Adam Tanner und plädierte für eine Modifikation<br />
des Prozessrechts. 1625 erschien sein fünfbändiges Werk ‘Theologia moralis’, das u. a. eine<br />
kritische Replik auf Martin Del Rio (1551–1608) enthielt. Del Rios weit verbreitete Hexenlehre<br />
zählte zu den einflussreichsten dämonologischen Schriften in Europa. Während Del Rio die<br />
Ansicht vertrat, dass in Hexenprozessen nach Ausnahmerecht verfahren werden dürfe, widersprach<br />
Laymann der gängigen Praxis, dass eine Anzeige bereits zur Verurteilung reiche. Auch<br />
warnte er vor der Anwendung der Folter und forderte, im Zweifel eine mildere Strafe zu verhängen“<br />
(Hexenwahn. Ängste der Neuzeit. Ausst.-Kat. des Deutschen Histor. Museums Berlin 2002,<br />
S. 292). – Laymanns Werk erschien zu seinen Lebzeiten in zwei weiteren überarbeiteten Auflagen.<br />
Ein Jahrhundert galt die „Theologia moralis“ als Standardwerk, „noch von Matthias J. Scheeben<br />
1867 gerühmt wegen ihrer ‘klassischen Ruhe und Klugheit sowie ihrer großen Erudition’. Dieses<br />
Werk gehört in die Anfangszeit der Moraltheologie als eigenständige Disziplin, ausgezeichnet vor<br />
allem durch die Betonung des Gewissens und die Wiederaufnahme des Tugendschemas des heiligen<br />
Thomas von Aquin.“ (Rainer Florie, Univ. Augsburg). – Der erste Titel mit handschriftl. Besitzvermerks<br />
des Münchener Jesuitenkollegs, dat. 1625, ferner neuerer Stemp. der Klosterbibliothek.<br />
Ohne die fliegenden Vorsätze. Einband berieb., ohne Schließen. Leichte Gebrauchssp. – VD17<br />
12:108396Q; 12:108399N; 12:108472B. Soldan-Heppe, Geschichte der Hexenprozesse II, 184 f.<br />
NDB 14, S. 6.<br />
Emblembuch<br />
39 LE CLERC, JEAN, Le spectacle de la vie humaine. Mit 103 emblematischen<br />
Kupfern. IV, 420, IV, 2 Bll., 103 Seiten. 4°. Lederband der Zeit mit ornamentaler<br />
Rückenvergoldung. Den Haag, J. van Duren, 1755. € 950.–<br />
Die hübschen Kupfer sind jenen in Otto van Veens „Horatii Flaccii emblemata“ von 1607 nachempfunden.<br />
– Viersprachiger Text in <strong>Franz</strong>ösisch, Holländisch, Latein und Deutsch. – Deckel etw.<br />
beschabt, sonst jedoch sauberes, sehr gut erhaltenes Exemplar. – Praz 524. Landwehr, Dutch<br />
Books, 131. – Siehe Einbandabbildung 3. Umschlagseite (oben Mitte) und nächste Seite.<br />
27
28<br />
Nr. 39
Lenards Mitschrift von Bunsens Vorlesungen<br />
„A revelation to Lenard to become a scientist” (DSB)<br />
40 LENARD, PHILIPP (1862–1947), Physiker; für seine Arbeiten über Kathoden-<br />
Strahlen erhielt er 1905 den Nobelpreis. – Eigenhändiges Manuskript mit Namenszug<br />
„Lenard“ auf dem Titel. 1883/84. Mit vielen chemischen Formeln und Unterstreichungen<br />
in Rot- und Blaustift sowie Tinte. Titel (= fliegender Vorsatz), 140 Bll. 4°. Halbleinen<br />
der Zeit mit goldgepr. Rückentitel. € 4.500.–<br />
„Bunsens Vorlesung / WS 1883/84“. – Aufzeichnungen zur Vorlesung des Chemikers Robert<br />
Bunsen (1811–1899) aus Lenards Studienjahr in Heidelberg. Armin Hermann schildert im DSB<br />
(VIII, 180) Lenards frühen Werdegang bis hin zu seinem Heidelberg-Besuch und der Bunsen-<br />
Vorlesung, die eine entscheidende Zäsur in seinem Leben bringen sollte: „Lenard was the son of a<br />
wealthy wine maker and wholesaler [in Bratislava]... Lenard was at first educated at home, but<br />
when he was nine he entered the cathedral school in Pressburg and later the Realschule. For him<br />
mathematics and physics were ‘oases in the desert’ of other subjects, and he studied these two<br />
subjects by himself with the aid of college textbooks. In addition, he carried out chemistry and<br />
physics experiments on his own. He once devoted his summer vacation entirely to study of the new<br />
field of photography. – In his unpublished autobiography Lenard wrote, ‘When school days ended,<br />
a painful void came into my life’. His father, who wanted him to carry on the wine business,<br />
permitted him, after long arguments, to continue his studies, but only at the Technische Hoschulen<br />
in Vienna and Budapest; moreover, he was to occupy himself primarily with the chemistry of wine.<br />
After a few dreary semesters Lenard joined his father’s business. – In the summer of 1883, Lenard<br />
used the savings from a year of work for a trip to Germany. In Heidelberg he met Robert Bunsen,<br />
a figure who had long been a ‘secret object of worship“. Bunsen’s lectures were a revelation to<br />
Lenard, who was now firmly resolved to become a scientist; he matriculated at Heidelberg in the<br />
winter semester 1883–1884“.<br />
Der Text Lenards geht über eine bloße Mitschrift hinaus; er versucht, Bunsens spezifische<br />
Vortragsweise wiederzugeben:<br />
„Der Gegenstand, der uns hier beschäftigen wird, bildet einen Zweig jener Abtheilung des menschlichen<br />
Wissens, welche man im Gegensatz zu den classischen Wissenschaften Naturwissenschaft<br />
nennt. – Die Betrachtung der Körper in der Natur zeigt, dass alle Körper gewisse Eigenschaften im<br />
selben Grade und in derselben Weise gemeinsam haben; diese Eigenschaften sind die allgemeinen<br />
Körpereigenschaften. – Eine solche ist die Ausdehnung und Undurchdringlichkeit: alle Körper<br />
erfüllen den Raum nach 3 Dimensionen so, dass durch die Materie welche sich innerhalb dieser<br />
Dimensionen befindet, verhindert wird, dass nocheinmal Materie sich im selben Raume zur gleichen<br />
Zeit befinde. – Eine 2te allgemeine Körpereigenschaft ist die Gravitation oder Schwere,<br />
welche bewirkt, dass jeder Körper jedem andern sich mit einer bestimmten Kraft zu nähern<br />
bestrebt ist. Wenn also 2 Körper sich irgendwo frei beweglich im Raume befinden, so werden sie<br />
sich mit einer Kraft einander nähern, welche durch das Gesetz der Gravitation bestimmt ist, diese<br />
Kraft nimmt ab wie das Quadrat der Entfernung. Eben eine solche Eigenschaft ist die Trägheit,<br />
deren Existenz aus der Art der Bewegung aller Körper folgt, sie ist das Bestreben ewig im selben<br />
Zustand zu verharren, sei diess nun ein Zustand der Bewegung oder der Ruhe. Das Bestreben ewig<br />
zu verharren wenn nicht oder bis eine äussere Einwirkung diesen Zustand verändert. Befindet sich<br />
also ein Körper im Weltraum in Ruhe, so wird er fort in Ruhe bleiben und bewegt er sich, in einer<br />
bestimmten Richtung so wird er sich immerfort in derselben Richtung fortbewegen bis nicht eine<br />
äussere Einwirkung auf ihn statthat...“.<br />
Angebunden sind ferner Lenards eigenhändige „Notizen über Analysen aus Bunsens Laboratorium“<br />
(5 Seiten) sowie die eigenhändige Mitschrift der Chemievorlesung von Hermann Kopp<br />
(1817–1892) aus dem Wintersemester 1883/84 (2 Bll., 69 hs. num. Seiten). – Vorderdeckel mit<br />
verklebten Leinwandresten. Insgesamt sehr gut erhalten. – Wertvolles Dokument für die<br />
Geschichte der Physik wie auch für die Heidelberger Universitätsgeschichte.<br />
41 LEUBA, FRITZ, Les champignons comestibles et les espèces vénéneuses avec<br />
lesquelles ils pourraient être confondus. Mit 54 (52 chromolithogr.) Tafeln. XLI, 118<br />
Seiten, 1 Bl. Folio. Halbleinen mit goldgepr. Rückentitel und Rückenvergoldung.<br />
Neuchâtel, Delachaux & Niestlé, (1887–)1890. € 750.–<br />
29
30<br />
Erste Ausgabe dieses schönen Pilzbuches. – Die dekorativen, teils schwarzgrundigen Tafeln mit<br />
zweisprachigen Tafellegenden (französisch und deutsch). Rücken und Ecken geschickt erneuert<br />
unter Verwendung des bedruckten Orig.-Deckelbezuges. Teilweise etw. stockfleckig, sonst schönes<br />
Exemplar. – Volbracht, MykoLibri. Die Bibliothek der Pilzbücher, 1172. Nissen 1183.<br />
Höhepunkt römischer Geschichtsschreibung<br />
42 LIVIUS, TITUS, Romische Historien Titi Livii mit etlichen newe(n) translation<br />
auß dem Latein... vast lüstig zu lesen und fruchtbarlich allen den: so in tugent: manheyt<br />
oder ritterlichen thaten ir leben üben wollen. Mit 3 Titelbordüren in Holzschnitt,<br />
Holzschnitt-Druckermarke und über 250 Textholzschnitten. 10 nn., 447 (recte 335)<br />
num. Bll. Folio. Blindgepr. Schweinslederband der Zeit auf Holzdeckeln mit<br />
2 Messingschließen. Mainz, J. Schöffer, 1530. € 4.800.–<br />
Schöner Druck der Mainzer Livius-Ausgabe mit den meisterhaften Holzschnittillustrationen; ein<br />
klassischen Holzschnittbuch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.<br />
Auf den Kriegs- und Schlachtenszenen sind neben Landschaften auch die Porträts bekannter Zeitgenossen<br />
zu erkennen. Die von Else Thormälen (Gutenberg-Jahrbuch 1934, 137 ff. mit Abb.)<br />
aufgestellte Behauptung, ein Großteil der Holzschnitte stamme von Conrad Faber von Creuznach<br />
und stelle zum Teil Rheinlandschaften dar, ist nach den Arbeiten von W. Brücker über den Künstler<br />
(1963 und 1968) und W. Reiniger nicht mehr haltbar. Bis auf zwei topographisch exakte Ansichten<br />
der Ebernburg und der Burg Nanstein, die nach zeitgenössischen Einblattdrucken entstanden<br />
sind und stilistisch von den anderen Holzschnitten stark abweichen, handelt es sich um reine Phantasielandschaften<br />
eines oder mehrerer Künstler, die jedoch in keinem Zusammenhang von Conrad<br />
Faber stehen. – Fünfte in Mainz gedruckte Ausgabe, übersetzt von Nicolaus Carbach und J. Micyllus<br />
mit den neu entdeckten 5 Büchern der vierten Dekade. – Vorsätze mit Exlibris und hs. Notizen.<br />
Etw. gebräunt, fleckig und wasserrandig, Bll. 412–420 im Innensteg mit Braunfl.; teils mit kleineren<br />
Wurmspuren, Randdefekte und in den Ecken etw. angerändert. Die beiden Schließen kaum<br />
sichtbar erneuert. Der schöne Einband mit Rollen- und Einzelstempeln berieben und mit einigen<br />
Wurmgängen. – VD16, L 2106. Brit. Museum, STC German Books, p. 521. – Siehe Einbandabbildung<br />
2. Umschlagseite (unten rechts).<br />
Einzigartiges Quellenwerk für die deutsche Geschichte<br />
43 LORSCH – (LAMEY, A., HRSG.), Codex principis olim Laureshamensis abbatiae<br />
diplomaticus ex aevo maxime carolingico diu multumque desideratus. 3 Bände. 15<br />
Bll., 622 Seiten; 6 Bll., 644 Seiten; 17 Bll., 312 Seiten, 51 Bll. 4°. Lederbände der Zeit mit<br />
2 Rückenschildchen und reicher Rückenvergoldung. Mannheim, Typis Academicis,<br />
1768–1770. € 3.000.–<br />
Erste Ausgabe; sehr selten. – „Für die deutsche Gesamtgeschichte wichtiges und wertvolles, für die<br />
Kaisergeschichte unentbehrliches, für die deutsche Topographie grundlegendes, für die Geschichte
des Reichsklosters Lorsch aber einzigartiges und unschätzbares Quellenwerk“ (Kat. „Handschriften<br />
des Reichsklosters Lorsch“, 1964, Nr. 14). – Das Kloster Lorsch, welches zuerst reichsunmittelbar<br />
war, wurde unter Friedrich II. kurmainzisch und 1461 kurpfälzisch. Der vorliegende Codex<br />
wurde auf Veranlassung Karl Theodors von dem Sekretär der Mannheimer Akademie, Andreas<br />
Lamey (1726–1802), zusammengestellt und in vorliegender Form erstmals veröffentlicht.<br />
Der Lorscher Codex (lat. Codex Laureshamensis) ist ein zwischen 1170 und 1175 begonnenes<br />
handschriftliches Kopialbuch. Allerdings ist keine einzige der Originalurkunden mehr vorhanden,<br />
von denen die Abschriften gemacht wurden.<br />
„Der Codex wurde erstellt, um die Rechte und Besitztümer des Klosters Lorsch zu dokumentieren<br />
und damit der Abtei langfristig zu sichern. Der Codex wurde im 12. Jahrhundert, als die Lorscher<br />
Macht bereits zurückging, zusammengestellt. Er besteht aus über 3800 urkundlichen Eintragungen<br />
(Traditionsnotizen) eines Rechtsvorgangs (Kauf, Schenkung usw.) mit den dazugehörigen zitierten<br />
Urkunden (von Königen, Päpsten usw.). Diese Urkunden wurden stark verkürzt wiedergegeben.<br />
Die ältesten Rechtsgeschäfte sind ab 764 beschrieben und registriert. Weiterhin enthält der Codex<br />
zwei Gönnerverzeichnisse und eine Äbtechronik. Diese Äbtechronik dient vor allem als Quelle für<br />
die Baugeschichte und der Entwicklung des Kirchenschatzes. Lediglich der Initialbuchstabe der<br />
ersten Seite ist illuminiert. Der Text des Codex ist in karolingischen Minuskeln geschrieben.<br />
Da der Lorscher Codex die Ersterwähnung vieler Gemeinden – über 1.000 Orte werden in ihm<br />
genannt – enthält, wird er von heimatgeschichtlich Interessierten gern anachronistisch als Grundbuch<br />
bezeichnet. Der Lorscher Codex ist die älteste geschriebene Geschichtsquelle für Hunderte<br />
von Orten und beweist das Vorhandensein vieler Ortschaften bereits vor 1100 bis 1200 Jahren.<br />
Im „Codex Laureshamensis“ verzeichneten die Mönche des Lorscher Klosters neben Kauf- und<br />
Tauschverträgen die dem Kloster gemachten Schenkungen von Dörfern, Gehöften, Ländereien und<br />
allerlei sonstigen schätzenswerten Dingen auf Grund der ihnen vorliegenden Originalurkunden<br />
geordnet. In diesem Buch werden zuerst die Schenkungen von Kaisern und Fürsten genannt und<br />
dann die aus dem Volke, letztere geordnet nach Gauen, dem Wormsgau (wo das Kloster etwa 1.180<br />
Güter besaß), dem Speyergau, Lobdengau, Rheingau, Maingau, Neckargau, Kraichgau usw. Die<br />
unter Karl Theodor in Mannheim gegründete Pfälzische Akademie der Wissenschaften gab in den<br />
Jahren 1768–1770 das Werk erstmals im Druck heraus“ (wikipedia). – Heute wird der Codex im<br />
Staatsarchiv Würzburg (bayerisches Staatsarchiv mit Zuständigkeitsbereich Unterfranken) aufbewahrt.<br />
Einbände nur leicht berieb., ein Kapital mit kl. Fehlstelle; insgesamt ein prachtvolles Exemplar. –<br />
Holzmann/Bohatta I, 9681. Dahlmann/Waitz 1181. Brunet VI, 21768. Veitenheimer, Druckort<br />
Mannheim, 537. – Siehe Einbandabbildung 3. Umschlagseite (oben links).<br />
Luthers Anweisung zum Beten für die Einfältigen<br />
44 LUTHER, MARTIN, Ein einfeltige weise zu Beten, für einen guten freund. Mit<br />
breiter Titelbordüre des Monogrammisten MS (?) und 1 geschnittenen Initiale. 16 Bll.<br />
4°. Umschlag. (Wittenberg, Hans Lufft), 1535. € 1.200.–<br />
Erste Ausgabe. – Für das Volk geschriebene einfache Anweisung zum Beten, „dem Meister Peter<br />
Balbirer“ gewidmet: „Lieber Meister Peter, Ich gebs euch so gut als ichs habe, und wie ich selber<br />
mich mit beten halte...“. Balbirer hieß mit Familiennamen eigentlich Beskendorf; er war eine bei<br />
den Professoren bekannte Persönlichkeit. Melanchthon nannte ihn „einen um viele wohl verdienten<br />
Greis“ (Köstlin-Kawerau II, 297 f.). – Die schöne Bordüre zeigt den guten Hirten mit dem<br />
Lamm über der Schulter und die Embleme der fünf Reformatoren mit deren Monogramm (Luther,<br />
Melanchthon, Jonas, Bugenhagen und Cruciger), abgebildet bei J. Luther, Taf. 28. – Vereinzelt<br />
gebräunt, gering fleckig, Titel mit angeschnittenem hs. Besitzvermerk, seitlich und unten sehr<br />
breitrandig. – Benzing 3148<br />
Jean Paul Marat und Alessandro Volta<br />
45 (MARAT, J.-P.), Lettres de l’observateur Bon-Sens a M. de***, sur la fatale catastrophe<br />
des infortunes Pilatre de Rosier & Romain, les aéronautes & l’aérostation. Mit<br />
2 Kupfertafeln. 39 Seiten. Lederband der Zeit. Paris, Méquignon, 1785. – VORGE-<br />
31
32<br />
BUNDEN: VOLTA, A., Lettres sur l’air inflammable des marais. Trad. de l’italien. Mit<br />
gefalt. Kupfertafel. 3 Bll., 191 Seiten. Straßburg, Heitz, 1778. € 1.200.–<br />
I. Erste Ausgabe; sehr selten. – Beschreibung des mißglückten Versuchs durch Pilatre de Rozier<br />
und Romain, den Kanal von Frankreich aus zu überqueren. Beide Ballonfahrer kamen beim<br />
Absturz ihrer „Aeromontgolfière“, einer Kombination von Charlière und Montgolfière, ums<br />
Leben. Über dieses denkwürdige Ereignis vgl. ausführl. Stoffregen-Büller, Himmelfahrten, 191ff. –<br />
Jean Paul Marat, einer der radikalsten Volksführer während der französ. Revolution (1793 von<br />
Charlotte Corday im Bade erstochen), war vor Ausbruch der Revolution jahrelang als Arzt tätig.<br />
Liebmann-Wahl 896. Brockett 7481. Slg. von Brug 124 und Abb. 191–192.<br />
II. Erste französische Ausgabe. – „Contains the author’s investigations on marsh-gas, which<br />
previously had not been distinguished from inflammable air. He showed that inflammable air,<br />
when burnt, required only one-fourth of the volume of oxygen which was needed for the complete<br />
combustion of marsh-gas, and that in this latter case alone was carbonic acid formed“ (Duveen 606<br />
zur italien. Ausg. 1777). – Einbandgelenke defekt, teils starke Schabspuren; innen nur stellenw.<br />
gering fleckig. – Exlibris der berühmten Aeronautiksammlung William A. M. Burden.<br />
Maximilian der Erste gegen Frankreich<br />
46 MAXIMILIAN I. – MANDAT Kaiser Maximilians I. Innsbruck, 28. September<br />
1515. Einblattdruck. Blattgr: 29,3 x 39,6 cm. 41 Zeilen. € 2.200.–<br />
Maximilian verbietet allen Einwohnern des deutschen Reichs, Adeligen wie „Gemeinen“, unter<br />
Androhung von Strafe an Leib und Gut, dem König von Frankreich Söldnerdienste oder andere<br />
Unterstützung zu gewähren und nach Frankreich zu ziehen. Erst die in großer Anzahl übergelaufenen<br />
Deutschen hätten es den <strong>Franz</strong>osen erlaubt, nach Mailand einzufallen und dem Reich damit<br />
erheblich zu schaden. Der französische König Ludwig XII. hatte das Herzogtum Mailand im April<br />
1500 erobert. Mit Hilfe der Eidgenossen war es Maximilian gelungen, Mailand zurückzuerobern,<br />
das allerdings durch den neuen französischen König <strong>Franz</strong> I. 1515 erneut eingenommen worden ist.<br />
Daraufhin fanden sich Maximilian, König Ferdinand von Spanien, Heinrich VIII. von England und<br />
die Eidgenossen zu einer Liga zusammen. Der vorliegende Druck ist ein Zeugnis für das entschlossene<br />
Vorgehen Maximilians im Kampf gegen Frankreich. – Ränder leicht gebräunt, in der Mitte<br />
gefaltet.<br />
Der letzte beachtliche Beitrag Robert Mayers zum Energiesatz<br />
47 MAYER, JULIUS ROBERT, Bemerkungen über das mechanische Aequivalent<br />
der Wärme. 56 Seiten. Orig.-Umschlag in Papp-Kassette mit Rückentitel. Heilbronn,<br />
Landherr, 1851. € 4.000.–<br />
Erste Ausgabe, sehr selten! – „Der letzte beachtliche Beitrag Robert Mayers zum Energiesatz... Die<br />
Darstellung und die Begründung seiner Entdeckung ist in manchen Punkten prägnanter als in der<br />
Schrift von 1845“ (W. Gerlach). – „The personal misfortunes of this genius (including neglect,<br />
impugned insanity and attempted suicide) have dulled the brilliance of his contributions to the<br />
mechanics of energy convertibility. From the expenditure of animal energy he developed the broader<br />
concept that all the natural forces were in universal conservation and remained so, as a law of<br />
nature. He held that work could be converted to heat, and heat to work, that when air is compressed<br />
the work appears as heat, and from this he calculated a numerical value for its mechanical equivalent.<br />
All these hypotheses remained neglected by physicists until John Tyndall, in 1862, discovered<br />
their importance and translated several of Mayer’s papers into English“ (Dibner, Heralds of<br />
Science 157). – Gereinigtes Ex.; Umschlag leicht fleckig, mit schwachen Kleberesten und Resten<br />
eines Poststempels, Rücken erneuert. Stempel auf dem Titel, gering fleckig, teilw. unbeschnitten.<br />
– Siehe Abbildung Seite 34.<br />
48 MELA, POMPONIUS, De situ orbis libri III. Ad optimas editiones collati cum<br />
indice locupletissimo. Des Pomponius Mela drey Bücher von der Lage der Welt. 390<br />
Seiten, 1 Bl. Halblederband der Zeit mit 2 Rückenschildchen und reicher Rückenvergoldung.<br />
Wien, Pichler, 1807. € 350.–
Nr. 46<br />
33
34<br />
Nr. 47
Das „älteste erhaltene geographische Werk der Römer“ (Tusculum) in einer hübschen deutsch/<br />
lateinischen Parallelausgabe. – Die aus guten Quellen schöpfende Beschreibung der bewohnten<br />
Welt „wurde von Gelehrten und Wissbegierigen seit jeher hochgeschätzt, denn in Melas Werk<br />
werden viele Örtlichkeiten, wie der Taunus, Trier, der Main, Teile des Bodensees und Skandinavien,<br />
Gebirge und Flüsse das erste Mail erwähnt“ (Wikipedia). – Teils etw. stockfl., Kopfschnitt<br />
etw. fleckig; reizend gebunden mit schönen Buntpapiervorsätzen.<br />
Die erste und bedeutendste Melanchthon-Biographie<br />
49 MELANCHTHON – CAMERARIUS, JOACHIM, De Philippi Melanchthonis<br />
ortu, totius vitae curriculo et morte, implicata rerum memorabilium temporis illius...<br />
Mit kl. Druckermarke a. d. Titel. 10 Bll., 423 (recte 424) Seiten, 1 weißes, 9 Bll. Blindgeprägter<br />
Schweinslederband der Zeit, monogr. „I.V.S.“ und dat. „1566“. Leipzig,<br />
Voegelin, 1566. € 950.–<br />
Erster Druck der ersten Ausgabe. Kustode auf Bl. A2 recto hier „stißi-“, die Variante „stißimum“<br />
wird von Hammer als zweiter Zustand beschrieben. Das VD 16 macht keine derartige Unterscheidung.<br />
– Die erste und bedeutendste Melanchthon-Biographie; Camerarius gründete seine Darstellung<br />
auf umfangreiche Korrespondenzen, was dem Werk bis heute seinen hohen Quellenwert<br />
erhielt. – Der zeitgenössische Prägeband (vorne Patientia-Platte und „I.V.S./1566“, hinten<br />
württembergisches Wappen, jeweils mit kl. innerer Einfassung mit Wappen und Porträt-Medaillons<br />
sowie größerer äußerer Einfassung mit Reformatoren-Büsten) stammt aus der Werkstatt<br />
des Stuttgarter und später Tübinger Buchbinders Wolfconrad Schwickart (vgl. Goldschmidt,<br />
Gothic & Renaissance Bookbindings, 227). – Einband etw. berieb. und fleckig, ohne Bindebänder,<br />
vorderer Spiegel erneuert, fliegender Vorsatz mit Eintrag von alter Hand; innen gering gebräunt,<br />
am oberen Rand teils leicht wasserfl., Titel mit kl. hinterlegter Wurmsp. und hs. Vermerk am unteren<br />
Rand, im Text einige alte Marginalien. – VD16, C 502. IA 130.520. Ebert 3391. Hammer<br />
366. Hartfelder 624, 43.<br />
Renaissance Midwifery<br />
50 MERCURIO, SCIPIONE (GIROLAMO), La Commare... Kindermutter- Oder<br />
Hebammen-Buch, Worinnen von dem wunderbahren Werck der Empfängniß, und<br />
Geburth eines Menschen; Und was deroselben anhänget... gehandelt wird... Welches<br />
auß dem Italiänischen in die Hochteutsche Sprache versetzet, an vielen Orthen vermehret<br />
und mit denen <strong>Alte</strong>n, auch etzlichen Neuen Kupffern verbessert hat Gottfried<br />
Welsch. Editio secunda, auctior & correctior. Mit schönem Kupfertitel von J. R. Schildknecht<br />
und 23 num. Kupfertafeln. 16 Bll. (incl. Kupfertitel), 844 (recte 836) Seiten. 4°.<br />
Pergamentband der Zeit mit hs. Rückentitel und Rückenschild. Wittenberg, M.<br />
Henckel für T. Mevius Erben und E. Schumacher, 1671. € 2.200.–<br />
Dritte deutsche Ausgabe des ersten italienischen Hebammenbuches, das insbesondere für die<br />
Geschichte des Kaiserschnittes große Bedeutung erlangte. – Mercurios Buch gehörte seit seiner<br />
Erstveröffentlichung 1595/96 zu den populärsten Geburtshilfebüchern des 17. Jahrhunderts. Bis zu<br />
Beginn des 18. Jahrhunderts erschienen allein 18 italienische Ausgaben. Die deutsche Fassung des<br />
Leipziger <strong>Medizin</strong>professors Gottfried Welsch (1618–1690) erschien zuerst 1652 und 1653 in Leipzig.<br />
„In dieser Schrift wird zum ersten und einzigen Male während des 16. Jahrhunderts das enge<br />
Becken und zwar eine Verengung durch die nach innen gebogenen Schambeine als Kaiserschnitt-<br />
Indikation aufgestellt“ (Fasbender). – „One of the earliest works on obstetrics to be published in<br />
Italy. It maintained an authoritative position in Italy and Germany for more than one hundred and<br />
twenty-five years, and Mercurio’s writings remain as the outstanding contribution to Italian obstetrics<br />
during the sixteenth and seventeenth centuries“ (Heirs of Hippocrates 234). – Meist etw.<br />
gebräunt, Titel und ersten Bl. oben angerändert; Rückenschild erneuert. Titel mit Monogramm-<br />
Stempel des Karlsruher Arztes und <strong>Medizin</strong>historikers Walther Pfeilsticker (1880–1969). Innendeckel<br />
mit gestoch. Exlibris des <strong>Medizin</strong>ers Godofredus Hen(n)icke aus der Grafschaft Hohen-<br />
35
36<br />
lohe-Neuenstein. – VD17 12:194115F. Krivatsy 7816. Waller 6496 (mit falscher Angabe der<br />
Vorstücke). – Vgl. Garrison/Morton 6144 (italien. Orig.-Ausg.). Cushing, M 297 (Ausg. 1601).<br />
Heirs of Hippocrates 377 (italien. Ausg. 1713). Hagelin, The Byrth of Mankynde. Cat. of Rare<br />
Books in the Libr. of the Swedish Society of Medicine, p. 31 ff. (ausführlich mit Abb.).<br />
Frühe Schweizer Hausapotheke<br />
51 MURALT, JOHANNES VON, Eydgenössischer Lust-Garte, Das ist: Grundliche<br />
Beschreibung, aller in den Eydgenössischen Landen und Gebirgen frey außwachsender,<br />
und in dero Gärten gepflanzter Kräutern<br />
und Gewächsen. Nun in der Muttersprache fürgestellet.<br />
Mit 185 Textholzschnitten. 16 Bll., 448<br />
Seiten, 8 Bll. Pappband der Zeit. Zürich, J. H.<br />
Lindin(n)er, 1715. € 1.400.–<br />
Erste deutsche Ausgabe von Muralts „Botanologia seu<br />
Helvetiae Paradisus“ (1710). – Durchaus kein Gartenbuch,<br />
wie der Titel nahelegen könnte. „Im Gegensatz zu den<br />
meisten Taschenkräuterbüchern ist das vorliegende textlich<br />
keine blosse Kompilation und als originale Arbeit von<br />
wissenschaftlich historischem Wert. Im eigentlichen Kräuterbuch<br />
sind die medizinisch verwendeten Pflanzen nach<br />
den Monaten, in denen sie gesammelt werden, eingeteilt; die<br />
übrigen nach dem Bauhin’schen Pinhax öfters mit Standortangaben“<br />
(Schmid, Kräuterbücher, S. 62). – Der Züricher<br />
J. Muralt (1645–1733) wurde 1688 Stadtarzt in seiner<br />
Heimatstadt. – Zu Leben und Werk Muralts vgl. Urs<br />
Boschung, Johannes von Muralt (= Schriften zur Züricher<br />
Univ.- und Gelehrtengeschichte 5). – Einband berieb. und<br />
etw. fleckig, an den Gelenken ausgebessert; innen nur<br />
gering fleckig; ohne das gestochene Porträt. – Für ein<br />
Gebrauchsbuch dieser Art in sehr guter Erhaltung. – Pritzel<br />
6561. Hirsch-H. IV, 302.<br />
„Lange Zeit die führende Arzneimittellehre“ (Tischner)<br />
52 NOACK, ALPHONS, TRINKS, CARL FRIEDRICH, (UND CLOTAR<br />
MÜLLER), Handbuch der homöopathischen Arzneimittellehre nach den gesammten<br />
älteren und bis auf die neueste Zeit herab genau revidirten Quellen der Pharmakodynamik<br />
und Therapie dem gegenwärtigen Standpunkte der <strong>Homöopathie</strong> gemäss. 3 Bände.<br />
1 Bl., 1010 Seiten; LXX, 1 Bl., 1570 Seiten; 1 Bl., IV, 944 Seiten (Repertorium). Spätere<br />
Halblederbände mit Rückentitel und Rückenvergoldung. Leipzig, L. Schumann und T.<br />
O. Weigel, 1843–1848. € 1.600.–<br />
Erste Ausgabe des großen, alphabetisch geordneten Handbuches. – „Trinks hat das Verdienst, in<br />
diesem Werk mit seinen Mitherausgebern mehr, als es bis dahin geschehen war, die pathologische<br />
Anatomie und Toxikologie berücksichtigt zu haben“ (Tischner). – Titel von Band 3, der das Repertorium<br />
enthält, mit Vermerk „3. Bd., 2. Abt.“ (wie auch bei einigen Vergleichsex.). – Durchgehend<br />
etw. gebräunt; sehr guter Gesamtzustand. – Tischner 498 f., 792 und 801. Slg. Haehl 48a (nur Bde.<br />
1–2 bis Seite 1285).<br />
Prophetische Weltgeschichte<br />
53 NOSTRADAMUS, (MICHEL), Les propheties. Dont il y en a trois cens qui n’on<br />
iamais esté imprimées. Adjoustées de nouveau par ledit Autheur. 2 Teile in 1 Band. Mit
wiederholtem Holzschnitt-Porträt a. d. Titeln. 6 Bll., 177 Seiten. Kl.-8°. Lederband der<br />
Zeit mit Rückentitel und reicher Rückenvergoldung. Lyon, Claude La Rivière, o. J. (ca.<br />
1660). € 750.–<br />
Außergewöhnlich seltene und vollständige Ausgabe der berühmten Prophezeiungen des großen<br />
französischen Arztes und Astrologen. – „Wenn auch seine Prophezeiungen in dem wunderlichen<br />
Stil der meisten Weissagungen abgefaßt sind, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß viele von<br />
ihnen als erstaunliche Deutungen von Erscheinungen sich<br />
anboten, die erst Jahrhunderte nach dem Tode des Sterndeuters<br />
sich zugetragen haben. Selbst Namen, die der<br />
Seher erwähnte, sind manchmal identisch mit denen, die in<br />
den vorausgesagten Ereignissen vorkommen“ (Seligmann).<br />
„Und dieser Mann soll unheimlich sein? Etwas<br />
schon. Hat er nicht in seiner Kammer in Salon schon<br />
Gorbatschow und Reagan ‘gesehen’? Für 1985 hatte er<br />
vorausgesagt: ‘Es kommt der Tag, da werden die beiden<br />
großen Führer Freunde sein. Ihre Macht ist groß, doch sie<br />
wächst noch mehr...’ (A. Schauseil in „Die Zeit“, 2.-3. Jan.<br />
1986).<br />
„Fraglos hat Goethe, der N. in seinem Faust erwähnt,<br />
dessen Werk mit Interesse und Sorgfalt studiert und<br />
wurde durch den visionären Vierzeiler über die Geldinflation<br />
zu deren Verwertung im Faust (II) angeregt“ (H.<br />
Jacobi, Zs. f. Gesch. d. Juden, Tel Aviv, 1970/71, mit<br />
Hinweis auf jüd. Herkunft; zitiert bei Biedermann). –<br />
Interessant ist, daß Nostradamus, allein schon wegen<br />
seiner wunderbaren Heilungen bei Pestkranken, als einer<br />
der größten Ärzte seiner Zeit gilt. – Gebräunt und stockfl.,<br />
Exlibris. – Nicht bei Chomarat (dort nur kollationsgleiche,<br />
datierte Ausgaben bei La Rivière von 1660–1665).<br />
Bibliographisch von uns nur bei Dorbon-Ainé, Bibl.<br />
Esoterica, 3266 (dat. : vers 1611 ?) nachgewiesene Ausgabe<br />
(„Edition plus complète que celle de Rigaud, 1568, car elle contient 12 Centuries, les deux<br />
dernières précédées de ce titre ‘Prédictions admirables pour les ans courans en ce siècle’“).<br />
54 OCKLEY, SIMON, Gesichte der Saracenen, oder ihre Eroberung der Länder<br />
Syrien, Persien und Egypten. Worinnen die Lebensbeschreibungen der drey unmittelbaren<br />
Nachfolger des Mahomets: Ihre merckwürdigsten Schlachten und Belagerungen,<br />
und andere zur Erläuterung der Religion, Sitten, Gebräuche, Gewohnheiten und<br />
Lebens-Art solchen kriegerischen Volcks dienliche Nachrichten enthalten. Mit 2 gestoch.<br />
Frontisp. 78 (recte 76) Seiten, 1 Bl., 408 Seiten, 12 Bll.; 536 (recte 534) Seiten,<br />
12 Bll. (das letzte weiß). Pergamentband der Zeit mit handschriftl. Rückentitel. Leipzig<br />
und Altona, Gebrüder Korte, 1745. € 1.800.–<br />
Erste deutsche Ausgabe. – Für das europäische Verständnis der arabischen Geschichte bedeutendes<br />
Werk; beschreibt hauptsächlich die historische Entwicklung und die Eroberungen des Islam unter<br />
den ersten drei Kalifen aus vorher noch nicht ausgewerteten Quellen. – Hauptwerk des englischen<br />
Orientalisten Simon Ockley ((1678–1720). „But, although many of its details require correction,<br />
the importance of Ockley’s work in relation to the progress of oriental studies cannot be overestimated.<br />
Following in the steps of Pocock’s famous ‘Specimen Historiae Arabum’, but adopting a<br />
popular method, and recommending it by an admirable English style, Ockley for the first time<br />
made the history of the early Saracen conquests attractive to the general reader, and stimulated the<br />
student to further research. With all its inaccuracies, Ockley’s ‘History of the Saracens’ became a<br />
secondary classic, and formed for generations the main source of the average notions of early<br />
Mohammedan history“ (DNB XIV, 807 ff.). – Kainbacher 294. Vgl. Lowndes IV, 1716 („A curious<br />
and very entertaining work“). – Ungewöhnlich schönes, fleckenfreies Exemplar! – Seihe Einbandabbildung<br />
4. Umschlagseite (oben Mitte).<br />
37
38<br />
Weltweit erste augenärztliche Zeitschrift<br />
55 OPHTHALMOLOGISCHE BIBLIOTHEK, herausgegeben von Karl Himly<br />
und Joh. Adam Schmidt. 3 Bände (alles Erschienene!). Mit 9 Kupfern auf 8 teils gefalt.<br />
Tafeln. Pappbände der Zeit mit 2 Rückenschildchen. Jena, F. B. Culemann (Bd. I/1)<br />
und F. Frommann, 1802–1807. € 1.500.–<br />
Die erste augenärztliche Zeitschrift in einem vollständigen Exemplar! – „In der ophthalmologischen<br />
Bibliothek wird ausschließlich die Augenheilkunde gefördert, in erster Linie durch Original-<br />
Mittheilungen, größere wie kleinere, in zweiter Linie auch durch die möglichst vollständige, kritische<br />
Anzeige aller ophthalmologischen Schriften. Schon wird die freie Erörterung angeregt, durch<br />
Meinungs-Austausch der Fortschritt der Wissenschaft gefördert“ (Hirschberg). – Mit Beiträgen<br />
zur Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Auges, darunter Arbeiten von Himly<br />
(Über Polarität der Farben), Troxler (Über Iris-Bewegung), Schmidt (Bindehautkrankheiten, Thränenfistel),<br />
Schmidt und Himly (Pupillenbildung), Weidmann (Ausziehung des Stars), etc. – Bd. 1<br />
enth. zwei Hefte (Stücke), die Bände 2 und 3 enth. jeweils drei Hefte (Stücke). Kirchner nennt<br />
irrtümlich drei Stücke für Bd. 1. – Himly (1772–1837) war Professor für Augenheilkunde in Jena<br />
und Göttingen. Der Wiener J. A. Schmidt (1759–1809) war „einer der ersten Oculisten seiner Zeit<br />
und unterhielt 16 Jahre lang auf eigene Kosten ein besonderes Institut für Augenheilkranke“<br />
(Hirsch). – Mehrf. gestemp. (Augenklinik Zürich), zeitgen. Namenszug a. d. Titeln, etw. stockfl.;<br />
Einbände bestoßen, Rücken mit Bezugsschäden. – Kirchner I, 3755. Hirschberg III, § 482, S. 14 f.<br />
Münchow 420 ff.<br />
Frühes Werk über die Geheimsymbole der Alchemie und <strong>Medizin</strong><br />
56 ORACULUM, MEDICINISCH-CHYMISCH- UND ALCHEMISTISCHES,<br />
darinnen man nicht nur alle Zeichen und Abkürzungen, welche so wohl in den Recepten<br />
und Büchern der Aerzte und Apothecker, als auch in den Schriften der Chemisten<br />
und Alchemisten vorkommen, findet, sondern dem auch ein sehr rares Chymisches<br />
Manuscript eines gewissen Reichs*** begefüget. Neue Auflage, nebst einem Auszug<br />
aus einem Briefe eines großen Alchemisten an einen Unglaubigen. Mit 2 ganzseit.<br />
Holzschnitten. 3 Bll., 74 Seiten. Pappband des 19. Jhdts. Ulm, Stettin, 1783. € 600.–<br />
Erschien erstmals 1755, jedoch ohne den „Auszug aus dem Schreiben eines großen Alchemisten an<br />
einen zweifelnden Freund“. – Enthält: 1. „Oraculum“, bestehend aus einem alphabetischen<br />
Verzeichnis der lat. Namen (inkl. ihrer Synonyme) von Stoffen, Geräten, Operationen etc. mit<br />
ihrer jeweiligen deutschen Übersetzung und den entsprechenden „Zeichen“ (Titel, 2 Bll. Vorrede,<br />
Seiten 1–38). – 2. (Titel auf Seite 41:) „Geheimniß aller Geheimnisse oder clavis sapientiae omnium<br />
philosophorum et adeptorum in einem guldenen Kleinod und compendio veritatis philosophico<br />
aus einem uralten Manuscript von Anno 1300 mitgetheilet und ans Licht gestellet. 1772“ (Seiten 39–<br />
71, inkl. der Holzschnitte). – 3. Der hier erstmals abgedruckte Briefauszug (Seiten 72–74). – <strong>Alte</strong>r<br />
Besitzverm. a. d. Titel, stärker stockfl., Einband berieb. und beschabt. – Duveen 440. Neu 2734.<br />
Ackermann V, 1470: „Selten“. Ein Teil der Symbole wurden von Priesner/Figala (Alchemie. Lexikon<br />
einer hermetischen Wissenschaft) aus vorliegendem Werk übernommen! – Vgl. Ferguson II,<br />
84 f. (nur Ausg. 1755).<br />
57 PAULUS, EDUARD, Aus dem Schwabenland. Mit schönem illustr. Holzschnitt-<br />
Titel und 31 farblithographierten Tafeln nach R. Stieler. Widmungsblatt und 31 Textbll.<br />
Folio. Grünes Orig.-Leinen mit Gold- und Blindprägung und dreiseit. Goldschnitt.<br />
Stuttgart, Neff, ca. 1870. € 1.100.–<br />
Prächtiges Ansichtenwerk Schwabens mit Abbildungen von Stuttgart (k. Anlagen); Hohenneuffen;<br />
Marktplatz Heilbronn; Bussen; Reissenstein; Tübingen; Rechtenstein; Wasserfall Urach; Reutlingen;<br />
Rusenschloß Blaubeuren; Hohenzollern; Lauffen a. N.; Schloß Werrenwag; Rechberg;<br />
Hohenstaufen; Lauterthal; Ulm; Lichtenstein; Linde bei Lorch; Marbach; Hohentwiel; Bebenhausen;<br />
Kloster Hirsau; Kloster Maulbronn; Waldburg; (Schwäbisch) Hall; Friedrichshafen; Esslingen;<br />
Schloss Monrepos; Ravensburg; Blick auf Stuttgart. – Einband restauriert (Rücken unterlegt), etc.<br />
berieb. und fleckig; innen etw. stockfl., die Tafeln meist nur im weißen Rand.
Nr. 57<br />
Bestseller unter den Flugschriften des Bauernkrieges<br />
58 [PERINGER, DIEPOLT, D. I. DIEPOLD SCHUSTER, AUCH GEN. DER<br />
BAUER VON WÖHRD], Eyn Sermon geprediget vom Pawren zu Werdt, bey<br />
Nürmberg, am Sontag vor Faßnacht, von dem freyen willen des Mennschen. Mit<br />
Titelholzschnitt von Erhard Schön. 7 Bll. 4°. Mod. Pappband. (Nürnberg, H. Höltzel,<br />
1524). € 2.200.–<br />
Erste Ausgabe „dieser in nicht weniger als 10 verschiedenen Ausgaben überlieferten Flugschrift.<br />
Clemen hat nachgewiesen, daß alle 10 Ausgaben zwischen Fastnacht und dem 26. Mai 1524 erschienen<br />
(‘ein typisches Beispiel, wie rapid sich damals Flugschriften verbreiteten’) und bringt die<br />
verschiedenen Überlieferungen über das tragische Ende des Autors in den blutigen Wirren des<br />
Bauernkrieges.<br />
Diebold Schuster aus Aichenbrunnen bei Ulm war ‘geradezu ein Typus der Winkelprediger’. Er<br />
trat unter dem falschen Namen ‘Peringer’ auf (der vervollständigte 10. Druck nennt diesen Namen<br />
in der Vorrede), und um mehr Eindruck auf seine Zuhörer zu machen, trat er, obwohl seine Schrift<br />
gelehrte Bildung verrät, unter der Maske eines möglichst tölpischen Bauern auf, der (wie einer der<br />
Nachdrucke hervorhebt) ‘weder lesen noch schreiben konnte’. ‘Er zog in ländlicher Tracht umher,<br />
nahm Bücher verkehrt in die Hand und legte in guten Häusern die Füße auf die Bank oder den<br />
Tisch (von Bezold). Größten Zulauf hatten seine Predigten in dem in der Umgebung von Nürnberg<br />
gelegenen Wöhrd.<br />
'Die ganze Flugschriften-Literatur dieses Zeitalters ist bewußt volkstümlich, aber sie stammt<br />
dennoch aus gebildeten, im schriftstellerischen Handwerk erfahrenen Kreisen von gelehrter<br />
Bildung, ist also für das Volk bestimmt, ohne vom Volke selbst hervorgebracht zu sein, obwohl sie<br />
sich vielfach absichtlich diesen Anschein gibt’ (Arnold E. Berger).<br />
Von der Sensation, die Peringer erregte, profitierte Höltzel, der Nürnberger Drucker der hier<br />
vorliegenden Erstausgabe, indem er längst Erschienenes unter dem reklamehaften Aushängeschild<br />
eines Sermons des ‘Bauern von Wöhrd’ an den Mann zu bringen suchte. Denn seine angebliche<br />
39
40<br />
Predigt ‘Vom freien Willen des Menschen’ ist –<br />
wie F. Cohrs feststellte – nichts als ein unveränderter<br />
Abdruck des letzten Abschnittes von<br />
Gretzingers ‘Beschirm-Büchlein’ von 1523. Erst<br />
die 10. Auflage enthält tatsächlich den Text von<br />
Peringers Sermon.<br />
Der prächtige Titelholzschnitt des Bauern mit<br />
dem Dreschflegel, eine vorzügliche Arbeit von<br />
Erhard Schön, ist ein Symbol für den aufrührerischen<br />
Bauern geworden, das in verschiedenen<br />
Nachschnitten verbreitet war. Brandt, Der große<br />
Bauernkrieg (Diederichs 1925), bildet ihn als<br />
Tafel 1 ab, desgl. Bezold, Gesch. der Reformation<br />
pag. 459. Das Wappen mit dem Eichelzweig<br />
findet sich auch auf der Fahne des Bauern auf<br />
Gengenbachs ‘Bundtschuh’ “ (Rosen, Kat. Neufforge,<br />
92). – Innenstege verstärkt, kleine Fehlstellen<br />
dort professionell restauriert; gutes Exemplar<br />
aus der Fürstl. Stolberg-Wernigerodeschen<br />
Bibliothek (Stemp. a. d. Titel). – VD 16, P 1410.<br />
Clemen (in: Beiträge zur Reformationsgeschichte<br />
II, 94). Röttinger, Schön und Stör, 32 Anm. –<br />
Nicht bei Adams und im British Museum (STC<br />
German Books).<br />
59 PFITZER, ERNST, Grundzüge einer vergleichenden Morphologie der Orchideen.<br />
Mit 4 (1 farb.) lithogr. Tafeln und zahlr. Textholzstichen. IV, 194 Seiten. Mod.<br />
marmor. Pappband mit Rückenschild. Heidelberg, Winter, 1882. € 650.–<br />
Schönes Exemplar des bedeutenden Orchideenwerkes. – Ernst Pfitzer (1846–1906) war seit 1872<br />
Prof. der Botanik in Heidelberg. Sein Lebenswerk bildete die Untersuchung der Orchideen. Die<br />
dazu erschienenen Publikationen boten eine Übersicht über das gesammte Wissen seiner Zeit zu<br />
den Orchideen. Zu Pfitzers Aufgaben in Heidelberg gehörten auch Neuanlage und Leitung des<br />
Botanischen Gartens. – Nissen 1526. Stafleu/C. 7829. NDB 20, 340 f.<br />
60 PHARMACOPOEA UNIVERSALIS, oder Uebersicht der Pharmacopöen, der<br />
Dispensatorien, der Militärpharmacopöen, der Armenpharmacopöe von Hamburg<br />
(etc.)... Nach der Pharmacopée universelle des A. J. L. Jourdan. 2 Bände. VI Seiten,<br />
1 Bl., 762 Seiten; 2 Bll., 778 Seiten. Gr.-8°. Halblederbände der Zeit mit Rückenschild<br />
und Rückenvergoldung. Weimar, Landes-Industrie-Comptoir, 1829–30. € 580.–<br />
Erste Ausgabe. – Die erste ‘moderne’ Universal-Pharmakopoe auf internationaler Basis. „Eine<br />
‘wissenschaftliche Fabrikarbeit’. Ihr häufiges Erscheinen bezeugt, daß ein solches Werk wirklich<br />
Bedürfnis war“ (Schelenz 630). – Schönes Exemplar in dekorativen Einbänden. – Siehe Einbandabbildung<br />
3. Umschlagseite (oben rechts).<br />
Pinels Hauptwerke in einem Prachtexemplar<br />
61 PINEL – Privat zusammengestellte Gesamtausgabe der Hauptwerke Philippe<br />
Pinels (1755–1826), Chefarzt der Salpêtrière, Professor der Hygiene und später der<br />
internen Pathologie an der Ecole de Médicine in Paris. 1801–1815. € 4.800.–<br />
I. Nosographie philosophique. Cinquième édition. 3 Bände. Paris, Brosson, 1813. – Pinels „berühmtes<br />
Hauptwerk“ (Hirsch), die „Philosophische Krankheitsbeschreibung“, in der er speziell die<br />
Diagnose behandelte, galt lange als Standardwerk. Hier stellte er den Grundsatz auf, „dass die Med.<br />
ein Zweig der Naturwissenschaften sei und dass daher, wie bei diesen, auch die analytische<br />
Methode statt der bisher beliebten synthetischen Platz greifen müsse. Er suchte daher die Diagnose
der Krankheiten aus den Symptomen zu stellen, denen er die pathol. Anat. unterordnete. Krankheiten,<br />
welche dieselben oder ähnliche Symptome zeigten, betrachtete er auch als dem Wesen nach<br />
einander ähnlich. So kam es, dass P. auch die Fieber als etwas Essentielles auffasste und 6 verschiedene<br />
Grundformen derselben aufstellte.“ (Hirsch).<br />
II. La médicine clinique. Troisième édition. Paris, Brosson, 1815. – Ein weiteres Hauptwerk, „in<br />
gleichem Sinne“ (Hirsch) wie die „Nosographie philosophique“ geschrieben.<br />
III. Traité médico-philosophique sur l’aliénation mentale, ou la manie. Mit 2 Kupfertafeln und<br />
gefalt. Tabelle. Paris, Richard, Caille et Ravier, an IX (1801). – Erste Ausgabe. – „Für die neuere<br />
Psychiatrie grundlegend“ (Ackerknecht). – „One of the foremost medical classics“ (Garrison/<br />
Morton 4922). – „Das Buch, durch das Pinel zum Ausgangspunkt der französischen – und deutschen<br />
– Psychiatrie wurde. Noch deutlicher als in Cabanis’ ‘Rapports’ liegt hier der Versuch vor,<br />
die bürgerlich-liberalen Errungenschaften der Revolution auf dem Weg der sozialen Reform zu<br />
integrieren und abzusichern – sowohl gegen die Restauration feudalistischer Einrichtungen und<br />
rationalistischen Denkens als auch noch mehr gegen alle weiter treibenen Elemente der Revolution,<br />
die nach Pinel die perversen Instinkte des niederen Volkes, der Armen, freisetzten. Am Beispiel der<br />
Irren wird für Pinel die bürgerliche Kategorie der individuellen und gesellschaftlichen Identität und<br />
der Behandlung und Prävention ihrer Entfremdungsformen zum zentralen Problem. Dabei hat die<br />
Praxis den Vorrang vor der Theorie, die Beobachtung, Beschreibung, Sammlung ‘praktischer<br />
Tatsachen’, das Zusammenleben mit den Irren, die innere Polizei der Anstalten und die moralische<br />
Behandlung vor dem Ausgehen von natürlichen Systemen und von Theorie und Gesetzen, die<br />
allein durch das Räsonnement gewonnen wurden“ (Dörner, Bürger und Irre, S. 172 f.). – Norman<br />
Libr. 1701. Hunter/Macalpine, pp. 602 ff.<br />
Außergewöhnlich schönes Exemplar; einheitlich in geglättetes rotes Halbleder um 1815 mit Goldund<br />
Blindprägung gebunden. – Siehe Einbandabbildung 3. Umschlagseite (unten links).<br />
Der Wunderbrunnen von Pyrmont<br />
62 PYRMONT – GRUNDLICHER, WARHAFFTIGER BERICHT von den new<br />
gefundenen wunder Brunnen, inn der Graffschafft Spiegelberg, zwo meil weges gelegen<br />
von Hamelen an der Weser. Item, von Natur, eygenschafft und Wirckung desselben<br />
Brunnen, in bewerten Exempeln angezeiget. 4 nn. Bll. Umschlag. Ohne Ort und<br />
Drucker, 1556. € 1.200.–<br />
Beginn der Bäderbeschreibung von Bad Pyrmont; im gleichen Jahr wohl erstmals von Metobius<br />
beschrieben. Vorliegende anonyme Ausgabe basiert eindeutig auf dem bei Martin, Badewesen, vollständig<br />
wiedergegebenen Text des Metobius. – „Seit der Erwähnung durch Henricus de Hervordia<br />
im Jahr 1350 haben wir keine Nachricht von einem Brunnen zu Pyrmont. Da ging plötzlich 1556<br />
die Kunde von einem Wunderbrunnen in der Grafschaft Spiegelberg durch ganz Europa... Die<br />
Entdeckung des Brunnens, wie sie Metobius schildert, ist eine Fabel... die kleine Schrift veranlaßte<br />
aber, daß in den balneologischen Büchern des 16. Jahrhunderts vom ‘Neubrunn’ die Rede ist.<br />
Pyrmontanus und Bünting erwähnen auch den großen Zulauf 1556. In Spanien, Frankreich,<br />
England, Schottland, Norwegen, Schweden, Dänemark, Polen, Ungarn und Italien soll der Brunnen<br />
bekannt gewesen sein. In vier Wochen fanden sich an zehntausend Menschen ein“ (Martin,<br />
Badewesen, S. 286 ff.). – Tadelloses, wohl gereinigtes Exemplar. – VD16 G 3609. – Nicht bei Adams<br />
und in der British Library (STC German Books).<br />
Der deutsche Brillat-Savarin<br />
63 RUMOHR, C. F. VON (PSEUDONYM: JOSEPH KÖNIG), Geist der Kochkunst.<br />
Ueberarbeitet und hrsg. von C. F. von Rumohr. VIII, 1 Bl., 202 Seiten. Halblederband<br />
um 1900 mit Rückenschild und Rückenvergoldung. Stuttgart und Tübingen,<br />
Cotta, 1822. € 1.200.–<br />
Erste Ausgabe dieses Klassikers der Gastronomie. – „Friedrich von Rumohr gab in der zehn Jahre<br />
später erschienenen zweiten Ausgabe bekannt, daß er selbst der Verfasser sei und nicht sein Koch,<br />
wie man anfänglich geglaubt hatte.... In der Einleitung gibt der Autor einen ausgezeichneten<br />
Überblick über die gastronomische Literatur, die von seinem großen Weitblick und einer großarti-<br />
41
42<br />
gen Belesenheit zeugt. Daß diesem Werk trotz seiner hervorragenden Eigenschaften kein Erfolg<br />
beschieden war, heißt nichts. Der Prophet galt im Lande nichts. Wäre Rumohr <strong>Franz</strong>ose gewesen,<br />
würde man wahrscheinlich heute nicht so viel Aufhebens um Brillat-Savarin machen“ (Kat. Slg.<br />
Schraemli, Jegerstorf, 92). – Harry Schraemli hat in seinem Schlemmerbuch „Von Lucullus zu<br />
Escoffier“ von Rumohr als „Historiker der Gabel“ ausführlich gewürdigt (S. 70–77). – Gelenke<br />
etw. schwach, einige alte Marginalien und Anstreichungen, gegen Ende kl. Wasserfleck im rechten<br />
Rand, leicht gebräunt. <strong>Alte</strong>r Wappenstempel a. d. Titel. Mit Wappenexlibris von F. W. A. von<br />
Rumohr (Bruder des Verfassers!). – Weiss 3282. Slg. Borst 1402.<br />
64 SACHS, JOHANN JACOB, Aerztliches Gemälde des weiblichen Lebens im<br />
gesunden und krankhaften Zustande, aus physiologischem, intellektuellem und moralischem<br />
Standpunkte. Ein Lehrbuch für Deutschlands Frauen. Mit 1 gefalt. Tabelle<br />
(Schwangerschafts-Kalender). XIV, 402 Seiten. Brauner Lederband der Zeit mit rotem<br />
Rückenschild, reicher Rückenvergoldung und goldgepr. Deckelfileten. Berlin, Vereinsbuchhandlung,<br />
1830. € 500.–<br />
Erste Ausgabe. – Der bekannte medizin. Publizist J. J. Sachs (1803–1846) erläutert im Vorwort die<br />
Gründe seiner Arbeit: „Die physische Selbstkenntniß ist unter dem weiblichen Geschlechte leider<br />
noch gar sehr vernachlässigt; der Frauen größter Theil ist noch lange nicht genug mit der Hygeia<br />
ausgesöhnt, selbst aus den gebildeteren Ständen sind es nur noch sehr wenige, die sich zu unverbrüchlicher<br />
Folge ihrer physischen und psychischen Gesetze bestimmen lassen, und in Provinzialstädten<br />
und auf dem platten Lande, – wo es überall noch an Aerzten mangelt – herrschen ganz<br />
besonders hinsichts des Verhaltens bei Schwangerschaft, Entbindung, Wochenbett, so wie bei der<br />
ersten Pflege und physischen Erziehung der Kinder u. s. w., gar viele falsche Ansichten und<br />
verjährte Vorurtheile“. – Das erste Buch beschreibt das weibliche Individual-Leben (Entwickelungs-<br />
und Bildungsgeschichte, Körperpflege, Seelenpflege, Menstruation, Nerven- und Muskel-<br />
Affektionen der Blüthenjahre), das zweiten Buch betrifft das Geschlechts- und Eheleben (Schwangerschaft,<br />
Entbindung, Wochenbett, Kindespflege, Hauptkrankheitsformen im vorgerückten<br />
weiblichen <strong>Alte</strong>r, Dekrepidität oder das Erlöschen des weiblichen Geschlechtslebens). Jeder<br />
Abschnitt mit medizinischen Rezepten und Hinweisen. – Innen gering gebräunt; schönes Exemplar<br />
in einem dekorativen Einband der Zeit. – Siehe Einbandabbildung 3. Umschlagseite (unten rechts).<br />
<strong>Medizin</strong>ische Sinnbildkunst – „Un ouvrage unique en son genre“ (Caillet)<br />
65 SCARLATINI, OTTAVIO, Homo et ejus partes figuratus & symbolicus, anatomicus,<br />
rationalis, moralis, mysticus, politicus, & legalis, collectus et explicatus cum<br />
figuris, symbolis, anatomiis, Factis, Emblematibus, Moralibus, Mysticis, Proverbiis,<br />
Hieroglyphicis, Prodigiis, Simulacris, Statuis, Historiis, Ritibus, Oservationibus, Moribus,<br />
Numismatibus, Dedicationibus, Signaturis, Significationibus Literarum, Epithetis,<br />
Fabulis, Miris, Physiognomicis, & Somniis. Nunc primum ex Italico idiomate Latinitati<br />
datum a R. D. Matt Mit gestoch. allegor. Frontispiz, 2 gestochenen Titelvignetten und<br />
42 emblematischen Kupfern. 26 Bll., 342 Seiten, 22; 14 Bll, 249 Seiten, 14 Bll. Folio.<br />
Blindgeprägter Schweinslederband der Zeit auf Holzdeckeln. Augsburg und Dillingen,<br />
J. C. Bencard, 1695. € 3.500.–<br />
Erste lateinische Ausgabe dieses ungewöhnlichen Handbuchs der medizinischen Sinnbildkunst, in<br />
dieser Form vermutlich das einzige seiner Art. – Beschreibt detailliert den menschlichen Körper,<br />
illustriert durch rätselhafte Embleme, diese umrahmt von teils grotesken Bordüren nach Entwürfen<br />
von Leonhard Heckenauer. Mit besonders interessantem allegorischem Frontispiz, das zwei<br />
antike Helden auf einer Weltkugel zeigt, die einen Zodiac mit Tierkreiszeichen schultern, der Jüngling<br />
zwischen beiden zeigt ein Schild mit der Aufschrift „Homo Figuratus et Symbolus“. Die<br />
schwer zu dechiffrierenden Sinnbilder verdeutlichen den Zwiespalt der menschlichen Natur,<br />
geistige und materielle Existenz, auch die astrologischen Beziehungen zu den körperlichen Krankheiten.<br />
Enthält auch zahlreiche Artikel über mystische und okkultistische Themen, Magie und<br />
Alchemie spielen eine große Rolle und die Wirkung vieler wunderbarer Sekrete und Substanzen<br />
werden beschrieben. „Savant ouvrage illustré de magnifiques figures gravées sur cuivre, et ou<br />
l’homme est approfondi dans sa double nature externe et interne, c’est-à dire spirituelle et matéri-
elle. Ses rapports avec la Mystique la<br />
Symbolique, les hiéroglyphes et tous les<br />
Mystères de l’Occulte. – On y trouve les<br />
signatures des herbes et leur correspondance<br />
astrologiques pour le traitement des maladies<br />
de toutes les parties du corps humain. –<br />
La magie proprement dite n’y est pas<br />
oubliée, et l’auteur révèle plusieur secrets<br />
merveilleux, tels que les proprietés occultes<br />
de la salive, des urines, du sperme, des excréments,<br />
à l’aide desquels on peut obtenir des<br />
résultats suprenants. L’auteur qui a beaucoup<br />
fréquenté les alchimistes, décrit en<br />
outre une foule de préparations précieuses. –<br />
C’est un ouvrage unique en son genre“<br />
(Caillet). – Einband wurmstichig und etw.<br />
fleckig, eine Ecke geringf. schadhaft, ohne<br />
Schliessen. Hin und wieder etwas stockfleckig,<br />
wenige Seiten auch etwas stärker,<br />
erste und letzte Blätter mit Wurmspuren,<br />
insgesamt aber gut erhaltenes Exemplar des<br />
seltenen Werkes. Vortitel und Frontispiz mit altem Namenszug wie auch auf fliegendem Vorsatz.<br />
– VD 17 3:301593B. Caillet 9949. Landwehr, German Emblems 530. Praz 490. Krivatsy 10306.<br />
„The Invisible Hand of God in Seeds“<br />
66 SCHEGK, JACOB (D. I. J. DEGEN), De plastica seminis facultate libri tres. Eiusdem<br />
de calido & humido nativis liber unus. De primo sanguificationis instrumento liber<br />
unus. Mit Holzschnittdruckermarke a. d. Titel. 8 (7 und 8 weiß), 118 nn. Bll. Pergamentband<br />
im Stil der Zeit mit handschriftl. Rückentitel. Straßburg, B. Jobin, 1580. € 1.200.–<br />
Einzige Ausgabe; sehr selten. – „In his embryological treatise ‘De plastica seminis facultate’ (Strasburg,<br />
1580), Jacob Schegk (1511–1587), professor of philosophy and medicine at the University of<br />
Tübingen, developed, through a unique interpretation of the Aristotelian embryology, a theory of<br />
the ‘plastic faculty’ (facultas plastica), whose origin lay in the Galenic idea of the formative power.<br />
The present study analyses the precise nature of Schegk’s theory, by setting it in its historical and<br />
intellectual context. It will also discuss the hitherto unappreciated Neoplatonic dimension Schegk’s<br />
notion of the soul’s vehicle“ (Hirai, The Invisible Hand of God in Seeds: Jacob Schegk’s Theory of<br />
Plastic Faculty, in: Early Science and Medicine, vol. 12, No. 4, 2007, 377 ff.). – „Jacob Schegk hatte<br />
in seiner Geburtsstadt Schorndorf bei einem Schüler Reuchlins Latein, Griechisch, Hebräisch und<br />
Rhetorik gelernt und war 1527 zum Philosophie-Studium nach Tübingen gekommen, das er vor<br />
allem wegen seiner sehr starken Kurzsichtigkeit nur selten wieder verließ. Als Schegk im <strong>Alte</strong>r<br />
völlig erblindete und nur noch per Diktat arbeiten konnte, schlug ihm ein Arzt die Heilung seiner<br />
Augen vor, doch Schegk soll mit den Worten abgelehnt haben, er habe Vieles in seinem Leben gesehen,<br />
was er lieber nicht gesehen hätte, er wollte, er wäre für Einiges auch taub gewesen. – Schegk<br />
wurde 1530 Magister Artium und studierte anschließend Theologie, ließ sich auch (in Konstanz)<br />
ordinieren, wurde aber wegen der reformatorischen Unruhen nicht Priester, sondern studierte mit<br />
27 Jahren – damals ein hohes Studentenalter! – <strong>Medizin</strong>. 1539 wurde er Doktor der <strong>Medizin</strong>.<br />
Schegk war zunächst Professor der Logik und ab 1553 auch der <strong>Medizin</strong>. Den medizinischen Lehrstuhl<br />
hatte er vor allem wegen seiner guten Kenntnis von Galen und der aristotelischen Physik<br />
erhalten“ (Wolfgang Breidert, in: Argumentaciones I, S. 179). – Durchgehend leicht gebräunt und<br />
gering stockfl. – VD16, S 2486. Durling 4104. DSB XII, 150 f.<br />
67 SCHELLENBERG, JOHANN RUDOLF, Freund Heins Erscheinungen in<br />
Holbeins Manier. (Text von J. K. Musäus). Mit gestoch. Frontispiz und 24 Kupfertafeln.<br />
165 Seiten, 1 Bl. Marmorierter Pappband der Zeit mit rotem Rückenschild.<br />
Winterthur, Steiner und Comp., 1785. € 2.400.–<br />
43
44<br />
Erste Ausgabe von Schellenbergs reizvoller Totentanzfolge,<br />
die mit den Versen Musäus’ die Einstellung<br />
der Zeit zum Tode widerspiegeln. – „In der<br />
Komposition sind die Szenen vollständig neu und<br />
frei erfunden, besitzen eine große Originalität und<br />
entsprechen dem Zeitgeschmack. Von alten Totentanz-Folgen<br />
oder gar Holbein ist kein Einfluss mehr<br />
zu spüren. Die Kupfer sind in der Technik überaus<br />
fein gehalten, und doch ist die Zeichnung kräftig und<br />
frei. Von allen Totentanz-Folgen, die nach Holbein<br />
erschienen sind, geben nach Rowlandsons großen<br />
Karikaturen und Chodowieckis Almanachblättern<br />
die Schellenberg’schen Kupfer am besten die jeweilige<br />
Zeitepoche wieder... Sehr seltene Totentanzfolge,<br />
als eines der typischsten Zeitdokumente<br />
dürfte es in keiner Totentanz-Sammlung fehlen“<br />
(Slg. Oppermann 1200). – „Dass der Tod im Titel<br />
kameradschaftlich ‘Freund Hein’ genannt wird, ist<br />
begründet in der aufklärerischen Debatte über die<br />
Darstellung des Todes im 18. Jahrhundert. Diese<br />
Debatte wurde ausgelöst durch Lessings Abhandlung<br />
‘Wie die <strong>Alte</strong>n den Tod gebildet’ von 1769, in<br />
der er fordert, dass der Tod nicht länger hässlich und<br />
Schrecken erregend dargestellt werden soll. Lessing<br />
plädiert für den antiken Todesgenius Thanatos.<br />
Schellenberg reiht sich in den durch Lessings<br />
Abhandlung entfachten Todesdiskurs ein, denn auch er erstrebt eine veränderte Todesdarstellung.<br />
Er zeigt den Tod jedoch als Skelett, das im Gegensatz zu Thanatos in der christlichen Ikonographie<br />
tief verwurzelt ist. Dieses Skelett bezeichnet er als ‘Freund Hein’, eine Worterfindung, die er<br />
Matthias Claudius’ ‘Wandsbecker Boten’ entlehnt. Dieser neue Name soll es den Menschen<br />
erleichtern über den Tod zu reden... Die traditionellen Totentänze von Holbein bis Rentz verweisen<br />
durch zusätzliche Szenen der Genesis (Sündenfall, Vertreibung aus dem Paradies, u. a.) und des<br />
Jüngsten Gerichts auf ein jenseitiges Leben. Schellenbergs Werk verzichtet als erster Totentanz auf<br />
diese rahmenden Szenen, in denen die christliche Todesanschauung dargelegt wird. Zudem werden<br />
in diesem modernen Totentanz aktuelle Themen wie eine Ballonfahrt, die Aufhebung eines<br />
Klosters oder die Freimaurerloge dargestellt“ (Zum Sterben schön. Ausst.-Kat. Museum Schnütgen<br />
Köln, No. 105). – Hin und wieder etwas fleckig, insgesamt aber ein schönes, breitrandiges Exemplar;<br />
weißes Vorsatzblatt mit hs. Inhaltsverz. und Namenszug Dr. A. E. Umbreit (wohl Verf. des<br />
Werkes „Die Erfindung der Buchdruckerkunst“, 1843). Innendeckel mit kl. Exlibris „Ex Bibliotheca<br />
Josephi Schlemmer“.<br />
68 SCHMUCK, MARTIN, Secretorum Naturalium, Chymicorum, & Medicorum,<br />
Thesauriolus, Oder Schatzkästlein, Darinnen 20. Natürliche, 20. Chymische, und<br />
20. Medicinische Secreta, und Kunst Stücklein zu befinden. 80 Seiten, 1 Bl. Errata,<br />
1 weißes Bl. Rücken mit altem Heftstreifen, eingehängt in einen Halbleinenband um<br />
1900. Schleusingen, P.(eter) S.(chmidt) für J. Birckner in Erfurt, 1637. € 800.–<br />
Sehr seltene erste Ausgabe des selbständig erschienenen ersten Teils; der zweite Teil erschien im<br />
gleichen Jahr in Nürnberg. Erst später erschienen die beiden Teile im Zusammendruck. – Enth. u.<br />
a. ein langes Gedicht (Seiten 38–44): „<strong>Alte</strong> teutsche Reimen eines unbekanten aber in Chymia sehr<br />
erfahrenen Philosophi, von der Weisen Materia, und jre Bereitung zur Medicin auff Menschen und<br />
Metallen“. – Schmuck (auch Schmucker, gestoch. 1640) war Stadtphysikus in Hersbruck bei Nürnberg.<br />
Zu seiner vorliegenden Sammlung schreibt er, daß er sie „durch vielfältige Reisen, Mühe und<br />
Gefahr colligiret“ hat. – Papierbedingte, stärkere Bräunung. – Duveen 536 (wie vorliegend). Ferguson<br />
II, 338 Anm. Ferchl 481. VD17 3 Ex. (Weimar, Nürnberg sowie Wolfenbüttel, dieses jedoch<br />
ohne Erratablatt).
Die erste Drogenkunde des Kaufmanns (Ferchl)<br />
69 SCHURTZ, GEORG NICLAUS, Neu-eingerichtete Material-Kammer: Das<br />
ist Gründliche Beschreibung aller fürnehmsten Materialien und Specereyen, so wohl<br />
auch andrer guter und gemeiner Waaren, woher solche den Ursprung nehmen,<br />
wie sie zu erkennen, gut zu behalten, und endlich die Prob derselben darauf zu machen,<br />
umb zu sehen, ob solche verfälscht und wie die Verfälschung darinnen<br />
zu mercken sey... Wobey angehängt ein außführlicher Bericht des Walfischfanges in<br />
den Nordischen Landen. Mit gestoch. Frontispiz und 3 Kupfertafeln. 14 Bll., 112<br />
(recte 110) Seiten, 1 Bl. Folio. Schöner Halblederband des 18. Jhdts. mit rotem<br />
Rückenschildchen und hübscher floraler Rückenvergoldung. Nürnberg, Gerhard für<br />
Endter, 1673. € 2.400.–<br />
Vollständiges Exemplar der zweiten Ausgabe „der ersten Drogenkunde des Kaufmanns“ (Ferchl<br />
292), erstmals im Jahr zuvor erschienen. – Alphabetisch geordnet, mit Ratschlägen zur Aufbewahrung<br />
von Waren, Werterkennung, Lagerhaltung etc.; enthält zudem „Eine kurtze Revision<br />
oder Wiederholung meines in An. 1662 außgegangenen Buchhaltens“ (12 Bll., nach der Vorrede<br />
eingebunden). Dazu Haushofer, Accounting Bibliogr., p. 221: „Indicated the use of periodical<br />
balances – quarterly. In addition to trial balances he gave complete journal postings for closing<br />
entries, and a final balance after items had been entered“. – Die Tafeln mit Abbildungen von alchemistischen,<br />
chemischen und pharmazeutischen Zeichen. – Gestoch. Exlibris des 19. Jhdts.,<br />
Vorsätze leimschattig und mit hs. Eintrag. Innen gering stockfl.; insgesamt ein sehr schönes Exemplar!<br />
– VD17 12:639414C (2 Ex. in Göttingen und München, das letztere ohne die 12 Bll. „Revision“).<br />
Das einzige Ex. auf einer deutschen Auktion (1979) ebenfalls ohne die 12 Bll. „Revision“. –<br />
Selten! – Siehe Einbandabbildung auf der 2. Umschlagseite (unten Mitte).<br />
Grundlage der modernen Geschichtsschreibung<br />
70 SLEIDANUS, JOHANNES, Veri et ad nostra tempora usque continuati, Das ist,<br />
wahrhafftige Beschreibung allerley fürnem(m)er Händel und Geschichten, so sich in<br />
Glaubens und andern weltlichen Sachen, bey Regierung der... Keyseren, Caroli V.<br />
Ferdinandi I Maximiliani II. Rudolphi II. und Matthiae I. ... so wol inn- als ausserhalb<br />
deß H. Röm. Reichs Teutscher Nation, biß auff daß 1620. Jahr nach Christi Geburt,<br />
gegeben und zugetragen... Andere und umb viel mehr verbesserte Edition, Durch M.<br />
Oseam Schadaeum. 5 Teile in 1 Band. Mit gestoch. Titelbordüre und 24 (von 25)<br />
gestoch. Porträts. Folio. Marmor. Lederband der Zeit mit rotem Rückenschild und<br />
reicher Rückenvergoldung. Straßburg, von der Heyden, 1625. € 950.–<br />
Umfangreichste Ausgabe der klassischen Reformationsgeschichte aus protestantischer Sicht; erstmals<br />
1555 unter dem Titel „De statu religionis et reipublicae, Carolo Quinto, Caesare, Commentarii“<br />
erschienen. – „Der Verfasser tritt völlig hinter seinen Stoff zurück... Er hielt sich mit wenigen<br />
Ausnahmen an echte Urkunden und zog alles heran, was ihm zugänglich war“. Die Mängel „treten<br />
zurück gegen die bewundernswürdige Kunst, mit der Sleidan seinen schwierigen Stoff dem gebildeten<br />
Publikum seiner Zeit mundgerecht gemacht hat...“ (Fueter). – Sleidan, eigentlich Johann<br />
Philippi (1507–1556), zunächst Sekretär des Kardinals Jean du Bellay, für den er mit den Schmalkaldenern<br />
verhandelte, kam 1544 nach Straßburg, wo ihn J. Sturm und M. Butzer zu diesem Werk<br />
anregten. – Das Werk von Sleidanus, in vorliegender Ausgabe bis 1620 fortgeführt, „wurde zur<br />
Grundlage der modernen Geschichtsschreibung und prägte die Reformationsforschung bis in das<br />
20. Jahrhundert“ (SPIEGEL WISSEN).<br />
Ohne das letzte Porträt des Papstes Paul V, ferner ohne das letzte Bl. mit dem Kolophon. Titel<br />
aufgezogen, leicht gebräuntes und wenig fleckiges Ex., Titelblatt und die Zwischentitel rückseitig<br />
gestemp.; letztes Reg.-Bl. mit 2 Ausbesserungen (wenige Buchst. betroffen). – Insgesamt gutes<br />
Exemplar mit Besitzvermerk des Klosters Muri bei Beinwil in der Schweiz, dat. 1823. – Kollation:<br />
16 Bll., 824 Sp., 7 Bll., 396 Sp., 4 Bll., 386 Sp., 4 Bll., 1588 Sp., S. 1589–1596, Sp. 1596–1664, 8 Bll.,<br />
604 Sp., 3 (statt 4) Bll. – VD17 3:3121142X oder 23:266521E (Unterscheidung nur im hier fehlenden<br />
Kolophon möglich).<br />
45
46<br />
„Die zentrale anthropologische Schrift Soemmerrings“ (Oehler-Klein)<br />
71 SOEMMERRING, SAMUEL THOMAS (VON), Ueber die körperliche Verschiedenheit<br />
des Negers vom Europäer. XXIV Seiten, 2 Bll., 80 Seiten. Pappband.<br />
Frankfurt/Main und Mainz, Varrentrapp Sohn und Wenner, 1785. € 1.400.–<br />
Vermehrte Fassung von Soemmerrings im Jahr zuvor unter dem Titel „Über die körperliche<br />
Verschiedenheit des Mohren vom Europäer“ erstmals erschienener Mainzer Antrittsrede. –<br />
„Soemmerring kann als der erste Naturforscher gelten, der in der Geschichte der wissenschaftlichen<br />
Begründung rassistischer Positionen einen rassenspezifischen Zusammenhang von physischer<br />
Konstitution und Intellekt exakt anatomisch nachgewiesen zu haben glaubte und auf dieser<br />
Grundlage die prinzipielle Inferiorität des Schwarzafrikaners erklären wollte... Soemmerring<br />
vereinte in seinem Werk verschiedene damals aktuelle Strömungen der aufgeklärten Gelehrtenwelt,<br />
nämlich das Bedürfnis nach kundiger Verarbeitung des angewachsenen Beobachtungsgutes aus<br />
Übersee mit dem Interesse an der biologischen Systematisierung der verschiedenen Menschheitsgruppen<br />
und ihrer nicht mehr metaphysisch, sondern naturhistorisch zu begründenden Eingliederung<br />
in ein Ordnungsgefüge der Natur; er verband die Frage einer physiologisch-ästhetischen<br />
Bewertung der menschlichen Gestalt, insbesondere des Kopfes, mit der geforderten Erforschung<br />
des Gehirns als der Grundlage von Geist und Persönlichkeit. Das Soemmerringsche Werk und<br />
seine Rezeption repräsentieren damit in auffallender Weise die Wissenschaftsgeschichte des ausgehenden<br />
18. Jahrhunderts.“ (Oehler-Klein, in: Soemmerring. Werke, Bd. 15, der ausschliesslich dem<br />
vorliegenden Werk gewidmet ist).<br />
Unser Titelblatt mit dem Vermerk „Mit zwey ausgewählten Kupfertafeln“. Diese sind wegen<br />
schlechter Qualität jedoch nicht verwendet worden. Dazu Soemmerring in einem Brief (vermutlich)<br />
an seinen Bruder: „Zu meiner Abh vom Neger waren die Kupfer nicht nur fertig sondern auch<br />
ein ansehnlicher Theil schon illuminirt, weil sie mir aber nicht genuug Thaten [?] ließ ich sie cassiren.<br />
Ich besitze selbst nur noch einen Abdruck... Die Hhn Verleger [Varrentrapp und Wenner]<br />
waren freylich geitzig genung S. XVIII nicht umdrucken zu lassen“ (zit. aus der Soemmerring<br />
Werkausg. Bd. 15, S. 257, XVIII, 12f). – Da nun das Titelblatt im Faksimile der Werkausgabe den<br />
Hinweis auf die Kupfertafeln im Gegensatz zu unserem Exemplar nicht trägt, ist anzunehmend,<br />
daß unser Exemplar zu den ersten gedruckten Ex. zu zählen ist und die Verleger auf Anweisung<br />
Soemmerrings wohl das Titelblatt aber nicht die Seite XVIII mit dem Hinweis auf die Abbildungen<br />
neu setzen liessen. Die bibliogr. Angaben bei Waller, Engelmann und Choulant-Frank sind, ohne<br />
die Kenntnisse aus der Soemmerring-Werkausgabe, verwirrend. Bei einigen Nachweisex. wird ein<br />
Erratabl. erwähnt, das möglicherweise nach der Änderung des Titelblattes hinzukam. – Einband<br />
etw. fleckig, gering stockfl. – Cushing, S 322. DSB XII, 509 f.<br />
Elektrotherapie und Scheintod<br />
72 STRUVE, CHRISTIAN AUGUST, System der medizinischen Elektrizitäts-<br />
Lehre, mit Rücksicht auf den Galvanismus. 2 in 1 Band. Mit 2 gefalt. Kupfertafeln.<br />
XXIV, 540 Seiten. Halblederband der Zeit mit goldgepr. Rückentitel und Rückenvergoldung.<br />
Breslau und Leipzig, W. G. Korn, 1802. € 600.–<br />
Seltenes und frühes Werk zur Geschichte der Elektrotherapie. – Struve (1767–1807) war Arzt in<br />
Görlitz und Verfasser zahlr., zumeist populärwissenschaftlicher Werke, die nach Hirsch „zu den<br />
gediegensten ihrer Art“ zählen. – Ausführl. behandelt Struve das Thema Scheintod (S. 417–43).<br />
Dazu erfand er später noch einen „Galvanodesmus“, einen Lebensprüfer „zum Bestimmen des<br />
wahren von dem Scheintode, um Lebendigbegraben zu verhüten“. – Gering gebräunt, Gelenke am<br />
oberen Kapital ausgebessert. Schönes Exemplar. – Wheeler Gift I, 641. – Nicht in der Bakken<br />
Library.<br />
Eines der umfangreichsten Kräuterbücher seiner Zeit<br />
in einem sehr schönen Exemplar<br />
73 TABERNAEMONTANUS, JACOB THEODOR, Neuw vollkommentlich<br />
Kreuterbuch, mit schönen vnnd künstlichen Figuren aller Gewächs der Bäumen, Stauden<br />
vnd Kräutern, so in Teutschen vnnd Welschen Landen, auch in Hispanien, Ost
vnnd West Indien, oder in der Newen Welt wachsen, derer uber 3000. eygentlich<br />
beschrieben werden, auch deren Vnderscheidt vnd Wirckung sampt ihren Namen in<br />
mancherley Sprachen angezeiget werden...Darinn viel vnd mancherley heylsamer Artzney<br />
vor allerley innerlichen vnnd eusserlichen Kranckheiten, beyde der Menschen, vnd<br />
des Viehes, sampt ihrem nützlichen gebrauch beschrieben werden, es sey mit Träncken,<br />
Säfft, Syrupen, Conserven, Latwergen, Wassern, Pulver, Extracten, Oelen, Saltz,<br />
Salben, Pflastern, vnd dergleichen: Darinnen auch vber tausendt hochbewärte vortreffliche<br />
Experiment vnd heimliche Künste angezeiget werden. Allen Aertzten, Apoteckern,<br />
Wundärtzten... sehr nützlich. Jetzt widerumb mit sonderm Fleiß gemehret<br />
durch Casparum Bauhinum. 2 Teile in 1 Band. Mit zwei wiederholten breiten figürlichen<br />
Titelbordüren und ca. 2300 Textholzschnitten. 8 Bll, 686 Seiten, 30 Bll.; 4 Bll, 844<br />
Seiten, 25 Bll. Folio. Prachtvoller Schweinslederband der Zeit auf Holzdeckeln mit<br />
reicher Blindprägung, 2 Messingschliessen und vergoldetem Wappensupralibros,<br />
Vorderdeckel mit Monogramm „T.E.V.C.1613“, Hinterdeckel mit Monogr. „A.R.V.E.<br />
1613“. Frankfurt am Main, N. Hoffman für J. Basse und J. Dreutel, 1613. € 8.000.–<br />
Erste von Bauhin besorgte Ausgabe in einem Exemplar von hervorragender Gesamterhaltung.<br />
Dieses berühmte, erstmals 1588 erschienene Kräuterbuch, das bis 1731 zahlreiche Auflagen erlebte<br />
und noch im 18. Jahrhundert vielen Botanikern als Einführung in die Flora diente, ist eines der<br />
umfangreichsten Kräuterbücher seiner Zeit.<br />
„Tabernaemontanus sammelte ein Menschenleben lang an einem Herbarium in- und ausländischer<br />
Pflanzen und deren Beschreibung. Erst später, als dieses Werk durch Kaspar Bauhinus, den<br />
berühmten Botaniker, neu bearbeitet wurde, erlebte es einen großen Erfolg.“ (Heilmann, Kräuterbücher,<br />
297). – Das Werk stellt den größten Rezeptkatalog der damaligen Zeit dar, verbunden mit<br />
dem Anspruch auf internationale Geltung. – Das durch zahlreiche Register erschlossene voluminöse<br />
Werk enthält auch eines „wider allerley Kranckheiten und Gebresten“, in dem zu jeder<br />
Krankheit auf entsprechende Arzneien (mit Angabe der Seitenzahl) verwiesen wird, z. B. Augenblattern<br />
heylen, Aussatz heylen, grindige Blasen heylen, Blattern (böse hitzige und schwartze),<br />
cholerische feuwrothen Geschwären helffen, Feigblattern Schmertzen legen, Feigwartzen Flüß<br />
eröffnen, Fingernagelwurtzel geschwer heylen, Frantzosen heylen, fliesende Häuptgrindt heylen,<br />
Hautflecken, Grindt und Räude vertreiben, Kindesblattern helffen, Krätze und Räude vertreiben,<br />
schwarze Mackeln der Haut vertreiben, Pestilentz curiren, Wartzen vertreiben etc. – Tabernaemontanus,<br />
Arzt und Botaniker, geb. zwischen 1520 und 1530 zu Bergzabern, war anfangs als<br />
Apotheker in Weissenburg tätig, studierte später <strong>Medizin</strong> und wurde nach seiner Promotion Leibarzt<br />
des Kurfürsten und Bischofs von Speyer, danach in dieser Eigenschaft beim Pfalzgrafen von<br />
Zweibrücken. „T., der auch Ehrenbürger von Worms war und Sept. 1590 in Heidelberg starb,<br />
besass ganz hervorragende Kenntnisse, namentlich bezüglich der officinellen Pflanzen, was ihn<br />
aber nicht hinderte, ein großer Anhänger des ‘Theriaks’ und der sog. mithridatischen Mittel zu<br />
sein“ (Hirsch-H.). Auch Heilmann weist darauf hin, daß er als Arzt die Verwendung der Compositas<br />
bekämpfte und „einfache Pflanzenstoffe“ empfahl. Seinen Namen latinisierte er nach seinem<br />
Heimatort Bergzabern.<br />
Ungewöhnlich frisch und nur minimal gebräunt bzw. vereinzelt schwach fleckig. Titel oben mit<br />
handschriftl. Besitzvermerk „Joannis Hartmanni A Rosenbach“, dat. 1649. Einband etw. berieb.<br />
und mit leichten Kratzspuren. 1 Schliesse kaum sichtbar erneuert. – VD17 14:024674Q und<br />
14:024680R. Pritzel 9093; Nissen, Botan. Buchillustr. 1931. – Siehe Einbandabbildung 2.<br />
Umschlagseite (oben)<br />
„Nach Weglänge und Zeitdauer der größte Asien-Reisende<br />
des 17. Jahrhunderts“ (Henze)<br />
74 TAVERNIER, JEAN BAPTISTE, Vierzig-jährige Reise-Beschreibung. Worinnen<br />
dessen, durch Türkey, Persien, Indien und noch mehr andere Oerter, höchstlöblichs-vollbrachte<br />
sechsmalige Länder-Reise,... Samt einer Relation, von ausführlicher<br />
Beschaffenheit deß Serrails oder Türkischen Palasts... beygefüget wird Jacob<br />
Spons Curieuse Reise, durch Italien, Dalmatien, Griechen- und Morgenland... aus dem<br />
47
48<br />
<strong>Franz</strong>ösischen in das Teutsche treulichst übertragen durch J. Menudier. 5 Teile in<br />
1 Band. Mit 2 Kupfertiteln, 28 (1 gefalt.) Kupfertafeln, 2 (1 gefalt.) Kupferkarten und<br />
13 Textkupfern. 12 Bll., 296 Seiten, 2 Bll.; 3 Bll., 232 Seiten, 2 Bll.; 4 Bll., 200 Seiten,<br />
2 Bll. Reg., 1 weißes Bl.; (Spon:) 4 Bll., 122 Seiten, 1 Bl. (Zwischentitel), 120 Seiten, 2 Bll.<br />
Folio. Lederband der Zeit. € 4.500.–<br />
Erste deutsche Ausgabe; unabhängig von der vorliegenden Nürnberger Ausgabe erschien im gleichen<br />
Jahr in Genf eine weitere Übersetzung. – Taverniers Bericht gilt als eine der bedeutendsten<br />
Orientbeschreibungen seiner Zeit; neben der Türkei, Persien und Indien bereiste der Edelsteinhändler<br />
auch Java, Ceylon, Japan und Tonking. – Tavernier (1605–1689) durchwanderte große<br />
Teile Asiens auf sechs Reisen zwischen 1632 und 1668. Dabei war „sein stetes Anliegen... der<br />
Handel, und unter kommerziellen Gesichtspunkten besah er sich Städte und Länder“ (Henze);<br />
dabei bildet die eher geographische Behandlung Persiens eine Ausnahme. Henze betont Taverniers<br />
kritischen Sinn und seine für die Zeit eher unüblich sachliche Berichterstattung. – Die schönen<br />
Kupfer zeigen Kartenskizzen, Ansichten, Volksszenen, Kostüme, Genreszenen, Edelsteine u. a.<br />
Bemerkenswert die gefaltete Japankarte. – Die vorliegende Nürnberger Ausgabe enthält als Teile 4<br />
und 5 die erste deutsche Ausgabe von Spons und Wheelers archäologisch orientierter Reise in die<br />
Levante. Der Bericht des französ. <strong>Medizin</strong>ers Spon und des englischen Botanikers Wheeler blieb<br />
„für Jahrzehnte das Handbuch der Griechenlandreisenden“ (Schudt) und enthält Beschreibungen<br />
von Rom, Venedig, Athen, Konstantinopel sowie einen umfangreichen Anhang alter Inschriften.<br />
Spon war einer der ersten, der die <strong>Alte</strong>rtumskunde als „Archäologie“ bezeichnete. – Ecken, Rücken<br />
und Gelenke fachmännisch restauriert. Meist etw. stockfl., stellenw. gebräunt; sehr gute Gesamterhaltung.<br />
– Henze V, 291 ff. Paisey (German Books in the Brit. Libr., 17th century) T 151.<br />
Ein Hauptwerk Thurneyssers<br />
75 THURNEYSSER ZUM THURN, LEONHARDT, Pison. Das erst (einzige)<br />
Theil. Von kalten, warmen, mineralischen und metallischen Wassern, sampt der<br />
Vergleichunge der Plantarum und Erdgewechsen 10 Bücher. Mit breiter figürlicher<br />
Titelbordüre, ganzseit. Holzschnitt-Porträt in breiter Bordüre und etlichen kleinen
Nr. 75<br />
49
50<br />
Textholzschnitten. 10 Bll., 420 Seiten, 27 Bll. Folio. Blindgepr. Schweinslederband der<br />
Zeit auf Holzdeckeln mit 2 Schließen. Frankfurt/Oder, J. Eichorn, 1572.<br />
BEIGEBUNDEN: THURNEYSSER ZUM THURN, LEONHARDT, Prokatalepsis<br />
(graece) Oder Praeoccupatio, durch zwölff verschiedenlicher Tractaten, gemachter<br />
Harm (sic!) proben... Das 59. Buch (alles Erschienene). Mit breiter figürlicher Titelbordüre<br />
und halbseit. Holzschnitt-Porträt in Bordüre. 2 Bll., LXXXV Seiten, 1 Bl.<br />
Frankfurt/Oder, J. Eichorn, 1571. € 4.500.–<br />
Erste Ausgaben. – Thurneysser, der bekannte Alchimist, ist 1530 in Basel geboren, mußte nach<br />
Goldschmiedelehre und anschließender alchemist. Tätigkeit 1548 von dort fliehen und führte ein<br />
unstetes, abenteuerliches Leben. 1558 war er Leiter der Silberbergwerke in Tirol, 1559 Anatom in<br />
Innsbruck, 1560–65 auf weiten Reisen, 1571 wurde er „Hofalchimist“ und Leibarzt des Kurfürsten<br />
von Brandenburg, dessen Gemahlin er geheilt hatte. In Berlin richtete er als dessen Günstling eine<br />
Buchdruckerei (die erste bedeutende) im Grauen Kloster ein. Er fabrizierte Heilmittel, erstellte<br />
Horoskope, bis er als Geisterbeschwörer verdächtigt, 1584 fliehen mußte. Von seiner dritten Frau<br />
zur gleichen Zeit des Ehebruchs und der Verschwörung mit dem Teufel angeklagt, floh Thurneysser<br />
abermals und starb schließlich arm und elend in einem Kloster in Köln 1596. Er war ein ebenso<br />
berühmter wie berüchtigter, viel bewunderter wie auch viel geschmähter Mann. Von den nachfolgenden<br />
Alchemisten jedenfalls als Autorität anerkannt.<br />
I. Das Werk beschreibt vor allem die Flüsse Deutschlands und der angrenzenden Länder. Kurfürst<br />
Johann Georg von Brandenburg schenkte ihm besondere Beachtung, weil es Gold- und Edelsteinfunde<br />
den meisten Flüssen und Bergen seines Landes zuschreibt. „Ein nach Flußläufen geordnetes<br />
Werk über deutsche Bäder, das erste, das auch eingehend Norddeutschland berücksichtigt“ (Martin,<br />
Badewesen, 280). – „Den Flüssen wurden nicht nur medizinische, sondern auch moralische Wirkungen<br />
zugeschrieben. Das Havelwasser z. B. sollte schwer und ungesund sein und Frauen, die davon<br />
tränken, böse und klatschsüchtig machen. Neben solchen phantastischen Behauptungen enthält der<br />
‘Pison’ andererseits verständige Angaben über die Pflanzen und Gesteine der Mark“ (ADB 38, S.<br />
226 f.). – VD16 T 1183. Durling 4356. Wellcome I, 6293. Ferguson II, 452.<br />
II. Interessanter Traktat von der Urinanalyse, meist mit Thurneyssers ‘Pison’ zusammengebunden.<br />
Beide Werke zählen in der Summe als Thurneyssers Hauptwerk, da er in der Mineralwasseranalyse<br />
bahnbrechend war. In seinem vorliegenden Traktat beschreibt Thurneysser eine selbstentwickelte<br />
Methode der Wasseranalyse. „1571 verkündete er der Welt in einer Schrift ‘Praeoccupatio’ die<br />
großen Erfolge seiner ärztlichen Diagnosen aus Harnproben. Die Schrift, welche jenen Titel mit<br />
dem Zusatze ‘das 59. Buch’ führte, erzählte von Kranken in Frankfurt und Berlin, welche durch<br />
seine neue Heilmethode ihre Gesundheit wieder erlangt hätten, und deutete an, daß die vorhergehenden<br />
58 Bücher mit ähnlichen Krankenberichten im Drucke bald nachfolgen würden. Sie sind<br />
jedoch niemals erschienen“ (ADB 38, S. 227). – VD16 T 1206. Durling 4357 (ohne Bl. 2). Ferguson<br />
II, 453. MNE II, 293. – Nicht in der Kiefer Collection.<br />
Einband etw. berieb. und, wie der Buchblock, mit Wurmspuren. Eine Schließe erneuert. Etw.<br />
gebräunt und braunfl.; Exlibris. – Siehe Einbandabbildung 2. Umschlagseite (unten links).<br />
Klassisches Werk zur Perspektive<br />
76 VIGNOLA, JACOPO BAROZZI DA, Le due regole della prospettiva practica.<br />
Con i commentarij del R. P. M. Egnatio Danti dell’ ordine de predicatori matematico<br />
dello studio di Bologna. Mit Kupfertitel, 29 (9 blattgr.) Kupfern von Vignola, 120 Textholzschnitten<br />
von Danti und großer Holzschnittdruckermarke am Ende. 4 Bll., 145<br />
Seiten, 2 Bll. Folio. Mod. Halbpergamentband mit goldgepr. Rückentitel. Rom, Stamparia<br />
Camerale, 1611. € 1.500.–<br />
Erstmals 1583 posthum von Ignazio Danti, Professor der Mathematik in Bologna, veröffentlicht.<br />
Neben Vignolas „Regola della cinque Ordini d’Archittetura“, eines der einflußreichsten Werk in<br />
der Geschichte der Architektur. – Giacomo (oder Jacopo) Barozzi da Vignola oder einfach Vignola<br />
(1507 in Vignola bei Modena – 1573) war einer der großen italienischen Architekten des 16. Jahrhunderts.<br />
Seine zwei großen Meisterwerke sind die Villa Farnese in Caprarola und die Jesuiten-<br />
Kirche Il Gesù in Rom. – „Das Werk Vignolas, das auf seine Zeit und auf seine Nachfolger den<br />
größten Einfluß ausübte, ist die für die Jesuiten, die Apostel der Gegenreformation, erbaute Kirche
Nr. 76<br />
51
Il Gesù (1570). Diese Kirche wurde bald zum Prototyp eines unzählige Male nachgeahmten Stils,<br />
den man – übrigens zu Unrecht – den ‘Jesuitenstil’ genannt hat. Seit der Renaissance waren in Rom<br />
Kirchen nur noch im straffen, pyramidenartigen Hochbau errichtet worden. Vignola kehrte zum<br />
lateinischen Kreuz zurück, die Kuppel wirkt bei ihm wieder raumschaffend. Die Seitenschiffe<br />
werden durch niedrige Seitenkapellen ersetzt. Die Fassade wird gleichsam zum autonomen<br />
Bauwerk, sie folgt den klassischen Ordnungen“ (Champigneulle, Geschichte der Architektur, S.<br />
179 f.). – Kupfertitel im Außenrand rückseitig verstärkt, Bl. 3 untere rechte Ecke angesetzt, 2 Seiten<br />
etw. verschmutzt, 2 Bll. im Innensteg verstärkt. Wegen eines leichten Braunflecks (gegen Schluß<br />
zunehmend) im rechten Rand meist kl. Ausbesserungen und Verstärkungen. Trotz dieser kl.<br />
Mängel gutes Exemplar. – Kat. d. Ornamentstichslg. Bln. 4695. Fowler 387<br />
Barocke Dermatologie<br />
77 VOGEL, TOBIAS, Curiöser Haut-Diener, vorstellend der menschlichen Haut<br />
Schönheit und Heßlichkeit. Worbey zu deren Erhaltung und Verbesserung dienliche<br />
Mittel vorgeschlagen werden. Mit gestoch. Frontispiz. 17 Bll., 761 Seiten, 9 Bll. Schmal-<br />
8°. Lederband im Stil der Zeit mit Rückenschild und goldgepr. Rückentitel. Leipzig,<br />
Gleditsch, 1690. € 4.500.–<br />
Sehr seltenes und frühes Werk über die Beschaffenheit<br />
der Haut, Hautkrankheiten und ihre Heilung, Hautpflege<br />
und Kosmetik. Mit zahlreichen Rezepturen und<br />
Schönheitsmitteln. – Die Themen reichen von A wie<br />
„Arsbacken wie sie sein sollen“ über K wie „Kothe<br />
machen schön“ bis hin zu Z wie „Zauberey der Schönheit“.<br />
„An der Schwelle zum 18. Jahrhundert fasst Vogel noch<br />
einmal die Erkenntisse, die in erster Linie der Erforschung<br />
des menschlichen Körpers durch die Anatomie<br />
seit 1500 zu danken sind, zusammen. Das Interesse an<br />
der Materialität der Haut ist der Anatomie als der<br />
vorherrschenden medizinischen Verfahrensweise seit<br />
1500 verpflichtet: Beschrieben wird die materielle<br />
Zusammensetzung der Haut, die Schichtung verschiedener<br />
Häutchen, die Poren oder Warzen usf., betont<br />
wird die äußere Pflege der Haut, die Kosmetik. Die<br />
materielle Beschaffenheit der Haut soll unmittelbar<br />
Aufschluss über die menschliche Seele, über den<br />
Charakter verleihen. Das Titelkupfer übernimmt das<br />
Frontispiz aus Thomas Bartholins ‘Anatomia reformata’<br />
von 1651, die an Nägeln hängende Haut eines<br />
Sezierten, die nicht zufällig in säkularisierter Weise auf<br />
die Haltung des leidenden, nicht des früh- und hochmittelalterlichen<br />
‘Christus triumphans’ anspielt. Die<br />
abgezogene Haut überlagern drei Sinnbilder oder allegorische<br />
Darstellungen unter den Überschriften: ‘Den<br />
schönen folg ich / ich scheu die hesslichkeit / doch mit<br />
unterscheid’. Ein geflügelter Knabe (Cupido?) folgt<br />
einer schön gekleideten, in einem üppig blühenden<br />
Ambiente lustwandelnden Frau, läuft schnell an einer<br />
mageren, vor einem verdorrten Baum sitzenden Frau<br />
vorbei und konsultiert ein Buch, um sich in den Stand<br />
zu setzen, den richtigen Unterschied vorzunehmen“<br />
(Ausst.-Kat. Wolfenbüttel 82: Haut. Zwischen 1500<br />
und 1800, No. 18 und an anderen Stellen sehr ausführlich).<br />
– Geringfügige Ausbesserungen. Ausgezeichneter<br />
Erhaltungszustand. – VD17 23:240368R.<br />
52
53<br />
Prophylaxe und Therapie der Luftembolie<br />
78 WATTMANN, CH. JOS. EDLER VON, Sicheres Heilverfahren bei dem schnell<br />
gefährlichen Lufteintritt in die Venen und dessen gerichtsärztliche Wichtigkeit. Mit<br />
1 chilograph. Tafel und Falttab. XXVI, 1 Bl., 188 Seiten, 1 Bl. Roter Safianlederband der<br />
Zeit mit reichster goldgepr. Ornamentik auf Rücken und beiden Deckeln, Steh- und<br />
Innenkantenvergoldung sowie dreiseitigem Goldschnitt. Wien, Braumüller und Seidel,<br />
1843. € 500.–<br />
Seltene erste Ausgabe. – Bedeutende Monographie; bereits 1832 veröffentlichte Wattmann in den<br />
Medicin. Jahrbüchern „seinen so grundlegend wichtigen Beitrag zur Prophylaxe und Therapie der<br />
Luftembolie“, der jedoch von den ausländ. Kollegen völlig unbeachtet blieb, obwohl gerade dieses<br />
Thema in England und Frankreich zu jener Zeit durch Operationszwischenfälle erbitterte Diskussionen<br />
auslöste. „So mußte Wattmann 1843 in seiner Monographie daran erinnern, daß er bereits<br />
aus seinem ersten Falle 1823, also fünf Jahre nach der ersten derartigen Beobachtung durch den<br />
Pariser Arzt Bauchène (1818), die notwendigen chirurgischen Konsequenzen gezogen und 1832 als<br />
erster die richtige Therapie, sofortige digitale Kompression der Vene herzwärts sowie wandständige<br />
Unterbindung der Venenwunde, empfohlen habe“ (E. Lesky). – „Lisfranc maß der Arbeit<br />
Wattmanns ‘unschätzbaren Wert’ zu“ (Schönbauer). – Vorsatz mit hs. Widmung, Glanzpapiervorsätze<br />
etw. fleckig; durchgehend etw. stockfleckig. Der dekorative Einband mit reicher Romantikervergoldung<br />
(leicht berieben). – Nicht bei Waller und im Kat. der Josephin. Bibl. Wien. – Siehe<br />
Einbandabbildung 4. Umschlagseite (unten links).<br />
Eines der ersten Werke über Fachwerkarchitektur<br />
79 WILHELM, JOHANN, Architectura civilis, oder Beschreibung und Vorreissung<br />
vieler vornehmer Dachwerk, als hoher Helmen, Creutzdächer, Wiederkehrungen,<br />
Welscher Hauben, auch Kelter, Fallbrücken: Item allerley Pressen, Schnecken oder<br />
Windelstiegen und andern dergleichen Mechanischen Fabrichen. 2 Teile in 1 Bd. Mit<br />
2 gestoch. Titeln und zus. 74 Kupfern auf 71 Kupfertafeln. Folio. Pergamentband der<br />
Zeit. Nürnberg, P. Fürstens Wittib und Erben, 1668. € 1.800.–<br />
Die „Architectura civilis“ von Johann Wilhelm zählt zu den ersten Werken in Deutschland, in<br />
denen Holzkonstruktionen, insbesondere Dach- und Gebäudekonstruktionen, aber auch Geräte<br />
und Maschinen aus Holz, ausführlicher dargestellt werden. Dabei überwiegt deutlich die optische<br />
Präsentation in Form von einfachen, aber klar gegliederten, perspektivisch und in den Details recht<br />
genauen Zeichnungen. Die „Architectura civilis“ – 1649, also unmittelbar nach Beendigung des<br />
30jährigen Krieges in Frankfurt a. M. bei Ph. J. Fischer erschienen – war für das 17. und die erste<br />
Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Art Standardwerk. – Der aus dem Vorarlberg stammende Autor<br />
war „weitberühmbter- und Kunstverständiger Meister in der Heiligen Römischen Reichs-Stadt<br />
Franckfurt am Mayn"; abgebildet ist er auf dem ersten Kupfertitel. – Einband etw. angestaubt und<br />
berieb., die ersten Bll. im unteren Rand etw. fingerfl., ohne das hintere Vorsatzbl.; eine Falttafel mit<br />
alt hinterlegten Einrissen an den Faltstellen. Insgesamt gutes, wohlerhaltenes Exemplar. – Herzog<br />
August Bibliothek, Architekt und Ingenieur, Nr. 25 (Ausg. 1649). Kruft, Geschichte der Architekturtheorie,<br />
196. – Siehe Abbildung nächste Seite.<br />
Meisterwerk der Schriftkunst<br />
80 ZAPF, HERMANN, Manuale typographicum. Mit 100 Schriftmustertafeln und<br />
Begleitheft. Qu.-Kl.-Folio. Orig.-Halbpergamentband in Pappschuber. Frankfurt am<br />
Main 1954. € 220.–<br />
Typographisch und künstlerisch herrlich gestaltetes Kompendium des großen Schriftkünstlers. –<br />
In 16 Sprachen gesetzt aus Schriften der D. Stempel AG Frankfurt a. M. unter Verwendung einiger<br />
historischer Typen aus deren Archiv und von Heinrich Egenolf in der Hausdruckerei gedruckt in<br />
einer einmaligen Auflage von 1000 Exemplaren.
Nr. 79
Wir sind jederzeit am Erwerb von interessanten Einzelwerken,<br />
aber auch an kleinen Sammlungen oder Bibliotheken interessiert,<br />
bevorzugt aus den Gebieten<br />
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Abbildung auf der Vorderseite Nr. 17 Der Apotheker.<br />
des Umschlags: Ölgemälde nach Pietro Longhi<br />
Abbildungen auf der Rückseite Nr. 11 – Nr. 54 – Nr. 02<br />
des Umschlags: Nr. 78 – Nr. 12 – Nr. 19<br />
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