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Psychotherapeutische „Direktausbildung“? - DGPT

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Novellierung des Psychotherapeutengesetzes<br />

– <strong>Psychotherapeutische</strong> <strong>„Direktausbildung“</strong>?<br />

Stellungnahme des Geschäftsführenden Vorstands der <strong>DGPT</strong><br />

Die <strong>DGPT</strong> ist als berufspolitische und fachliche Vertretung der deutschen Psychoanalytikerinnen<br />

und Psychoanalytiker und der psychoanalytischen Verfahren seit ihrer Gründung mit psychoanalytischen<br />

und psychotherapeutischen Ausbildungsfragen für Ärzte, Diplom‐Psychologen und Hochschulabsolventen<br />

anderer Disziplinen befasst. In den 55 Instituten der <strong>DGPT</strong> findet deren Aus‐<br />

oder Weiterbildung immer gemeinsam und unabhängig vom Grundberuf statt.<br />

Auf der Basis einer qualifizierten akademischen Ausbildung in verschiedenen Disziplinen stellt die<br />

psychoanalytische Aus- und Weiterbildung neben dem Erwerb psychotherapeutischer Handlungskompetenz<br />

einen individuellen und persönlichen Bildungsprozess dar. Dieser beinhaltet im Sinne<br />

einer unverzichtbaren Trias die Aneignung der analytischen Methode durch Integration theoretischen<br />

Wissens und klinischer Behandlungspraxis in Verbindung mit einem Selbsterfahrungsprozess.<br />

Dieses Grundmodell einer postgradualen Ausbildung in den verfahrensorientiert ausgerichteten<br />

Instituten wurde 1999 als Grundstruktur im Psychotherapeutengesetz (PsychThG) verankert. Damit<br />

wurde die für die Berufsausübung wesentliche methodisch-klinische Kompetenz der Aus- und<br />

Weiterbildungsinstitute anerkannt und gestärkt. Seit Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes<br />

haben die staatlich anerkannten Ausbildungsstätten, die – im Gegensatz zu den Hochschulen –<br />

über eine breite Basis klinischer Expertise und methodischen Erfahrungswissens verfügen, eine<br />

erfolgreiche Ausbildungsarbeit geleistet, die das auch international vergleichbar hohe Niveau der<br />

psychotherapeutischen Approbation geschaffen hat.<br />

Zur Sicherung der Qualität der bisherigen Ausbildung setzt sich die <strong>DGPT</strong> daher für den Erhalt der<br />

postgradualen Ausbildung nach dem bisherigen Grundmodell des Psychotherapeutengesetzes ein,<br />

d.h. für eine vertiefte verfahrensorientierte Ausbildung, die aus Theorie, supervidierter Praxis und<br />

Selbsterfahrung im Anschluss an einen qualifizierten wissenschaftlichen Hochschulabschluss besteht.<br />

Diese Auffassung basiert auf den Erfahrungen in der gegenwärtigen gemeinsamen postgradualen<br />

psychoanalytischen Aus‐ bzw. Weiterbildung von Ärzten, Diplom‐Psychologen und Hochschulabsolventen<br />

anderer Studiengänge, die eine wechselseitige Kenntniserweiterung durch die unterschiedlichen<br />

Berufserfahrungen und fachlichen Schwerpunkte ermöglicht. Dadurch wird ein vertiefter<br />

Zugang zu den bio‐psycho‐sozialen Bedingungen psychischer Krankheit geschaffen – auch zu<br />

den Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Erwachsenen- und Kinder- und Jugendlichen-<br />

Psychotherapie. Gerade in der Psychotherapie ist aufgrund der engen Verschränkung psychischer<br />

und körperlicher Störungen sowie möglicher pharmakologischer Einflüsse eine frühzeitig zu lernende<br />

Kooperation verschiedener Grundberufe notwendig. Daher sollten auch in Zukunft verschiedene<br />

akademische Fachdisziplinen einen Zugang in die psychotherapeutische Aus-/Weiterbildung<br />

ermöglichen.<br />

Unsere Einschätzungen werden auch durch die Ergebnisse des Forschungsgutachtens gestützt,<br />

die den Absolventen einhellig ein hohes Ausbildungs- und Kompetenzniveau bescheinigen und<br />

eine insgesamt hohe Zufriedenheit der Ausbildungsteilnehmer nachweisen.<br />

Die <strong>DGPT</strong> ist sich bewusst, dass insbesondere bezüglich der durch die Bologna-Hochschulreform<br />

entstandenen Unterschiede in den Zugangsqualifikationen zur Ausbildung sowie bezüglich der<br />

wirtschaftlichen Situation der Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) ein gesetzlicher Novellierungsbedarf<br />

besteht. Widerspruch aber besteht hinsichtlich möglicher Überlegungen, durch die<br />

Einführung eines psychotherapeutischen Direktstudiums an der Hochschule eine Verbesserung<br />

der Situation zu erreichen.<br />

1


Eine psychotherapeutische Ausbildung in Form eines eigenständigen Direktstudiums „Psychotherapie“<br />

mit Approbation als Studienabschluss an der Hochschule führt nach Auffassung der<br />

<strong>DGPT</strong> zu einer gesundheits‐ und versorgungspolitisch schwierigen Entwicklung: Die Psychotherapie<br />

würde in der gesellschaftlichen Wahrnehmung dann diesem Studiengang zugeordnet und<br />

damit zu einer Entkoppelung von Psychiatrie und Psychosomatik von der Psychotherapie führen.<br />

Dadurch würde die jahrelang geforderte Verbindung dieser medizinischen Fachgebiete mit psychotherapeutischer<br />

Behandlungskompetenz gelockert und die Psychotherapie in eine Sonderrolle<br />

gerückt.<br />

Für die <strong>DGPT</strong> als psychoanalytische Gesellschaft, in der Ärztliche Psychotherapeuten und Psychoanalytiker<br />

einen großen Teil der Mitgliedschaft stellen, ist eine solche Auseinanderentwicklung<br />

der bisherigen gemeinsamen fachlichen Basis zwischen Psychologischen Psychotherapeuten,<br />

Kinder‐ und Jugendlichenpsychotherapeuten einerseits und den Fachärzten der Gebiete Psychiatrie<br />

und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Kinder‐ und Jugendpsychiatrie<br />

und Psychotherapie (sowie anderer Gebiete der unmittelbaren Patientenversorgung) andererseits<br />

nicht tragbar.<br />

Die Etablierung einer Direktausbildung stellt demnach eine gravierende und massive Veränderung<br />

der gesamten Aus- und Weiterbildungsstrukturen dar, die zu einem Verlust der Patientenorientierung<br />

und der vorhandenen verfahrensorientierten Expertise führen muss, da weder die vorhandenen<br />

Forschungsambulanzen noch die personelle Ausstattung der Hochschulen die für die Patientenbehandlung<br />

notwendigen verfahrensgebundenen prozessualen Kompetenzen vermitteln<br />

können.<br />

Sowohl das Forschungsgutachten wie auch der Vorschlag der Bundespsychotherapeutenkammer<br />

für eine Reform der Psychotherapeutenausbildung enthalten die Möglichkeit, unter bestimmten<br />

Voraussetzungen Modellstudiengänge als Zugang in eine alters- und verfahrensbezogene Weiterbildung<br />

zu erproben. Die <strong>DGPT</strong> vertritt zusätzlich die Auffassung, dass jede dauerhafte Veränderung<br />

der bewährten postgradualen Ausbildungsstruktur aus Gründen des Patientenschutzes nur<br />

nach einer längeren Phase solch modellhafter und zu evaluierender Erprobungen neuer psychotherapeutischer<br />

Ausbildungsgänge erfolgen darf.<br />

Anforderungen an Modellstudiengänge zur Erprobung einer psychotherapeutischen <strong>„Direktausbildung“</strong>:<br />

1. Der Erwerb psychotherapeutischer Kompetenz beinhaltet mehr als den Erwerb von Theoriewissen<br />

und Handlungskompetenz; vielmehr handelt es sich um einen Bildungsprozess der<br />

Persönlichkeit, die selbst zum Agens der psychotherapeutischen Arbeit wird. Deshalb ist in der<br />

Ausbildung von Anfang an die Trias von Theorie, Lehranalyse/Selbsterfahrung und<br />

supervidierter Praxis unverzichtbar. Jede in ein Hochschulstudium integrierte Ausbildung muss<br />

strukturell diesen Erfordernissen genügen.<br />

2. Eine modellhaft zu erprobende Direktausbildung sollte aufgrund der bisherigen und jahrzehntelangen<br />

guten Erfahrungen als eine duale Direktausbildung konzipiert werden. Dies bedeutet,<br />

an der Zweistufigkeit der aufeinander aufbauenden Ausbildung an Hochschulen und anerkannten<br />

Ausbildungsstätten, an denen die verfahrensorientierte Qualifizierung im Sinne der kompetenten<br />

Patientenbehandlung stattfinden kann, festzuhalten. Ergebnisse der Psychotherapieforschung<br />

zeigen, dass die Identifizierung (Allegiance) des Therapeuten mit dem eingesetzten<br />

Therapieverfahren die beste Vorhersage für den Erfolg einer psychotherapeutischen Behandlung<br />

darstellt. Hierfür stehen bewährte Strukturen an den staatlich anerkannten Ausbildungsstätten<br />

zur Verfügung, die die nachgewiesene Qualität der Ausbildung auch weiterhin sichern<br />

können.<br />

3. Eine Approbation setzt im Sinne des Patientenschutzes immer umfängliche Praxiserfahrungen<br />

im ambulanten und stationären Behandlungssetting voraus, um psychische Erkrankungen,<br />

Störungen und Leidenszustände angemessen diagnostisch zu erfassen, die erforderliche Behandlungsindikation<br />

stellen und die Möglichkeiten und Grenzen eigener Behandlungskompetenzen<br />

einzuschätzen zu können. Festzuhalten ist daher aus unserer Sicht, dass die Approba-<br />

2


tion erst nach Abschluss der verfahrensspezifischen Ausbildung erteilt werden sollte. Falls der<br />

Erwerb einer Approbation zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen sollte, sind Kenntnisse und Erfahrungen<br />

in Diagnostik und Therapie im ambulanten und stationären Setting angeleitet und<br />

überprüfbar zu erwerben. Diese wären in Form klinischer Praktika sowie in Form von angeleiteten<br />

Übungen in der Patientenuntersuchung, Diagnostik und Behandlungsplanung zu gewährleisten.<br />

Hierzu sollten Kooperationen zwischen Studiengängen, Forschungsambulanzen und<br />

anerkannten Ausbildungsstätten aller Vertiefungsverfahren in mögliche Modellversuche aufgenommen<br />

werden, um verfahrensorientierte Behandlungskonzeptionen zu vermitteln.<br />

4. Modellstudiengänge, die eine berufsrechtlich relevante psychotherapeutische Qualifikation<br />

vermitteln sollen, müssen unabhängig von Hochschultyp und Fakultät bzw. Studienbereich<br />

nach Auffassung der <strong>DGPT</strong> die wissenschaftlichen Inhalte eines umfassenden<br />

bio‐psycho‐sozialen Modells enthalten. Dies bedeutet, dass die notwendige Breite medizinischer,<br />

biologischer, psychologischer, pädagogischer, sozial‐ und kulturwissenschaftlicher Zugänge<br />

zum Menschen, die sich in den verschiedenen Konzeptionen des Psychischen der einzelnen<br />

psychotherapeutischen Verfahren widerspiegeln, repräsentiert ist.<br />

5. Ebenso müssen in einem Modellstudiengang die jeweils spezifischen Grundlagen (Krankheitsmodelle,<br />

Theorie, Diagnostik, Technik, Behandlungskonzepte, Anwendungen) der seitens<br />

des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie (WBP) anerkannten psychotherapeutischen<br />

Verfahren gelehrt werden. Zur Sicherung der Strukturqualität ist hierbei darauf zu achten, dass<br />

diese durch in diesen Verfahren ausgebildete und klinisch erfahrene Dozenten unterrichtet<br />

werden. Darüber hinaus ist sehr genau zu überlegen, in welcher Form die für die Verfahren jeweils<br />

spezifischen diagnostischen und behandlungstechnischen Grundlagen vermittelt werden<br />

könnten und wie die Eignung zur Ausübung des angestrebten Heilberufs festgestellt werden<br />

kann.<br />

6. Eine Verkürzung der Ausbildungswege zum Psychotherapeuten mit Qualifikation zum Arztregistereintrag<br />

(Fachkunde) sollte vermieden werden, um eine den Ärzten vergleichbare fachliche<br />

Expertise zu sichern und in den zukünftigen klinischen Anstellungsverhältnissen oder in<br />

der freien Berufstätigkeit das Facharztäquivalent – auch im Interesse einer qualitativ hochwertigen<br />

Berufsausübung – zu erhalten.<br />

Hamburg, den 24. April 2012<br />

Dr. Bernhard Janta Dr. Beate Unruh Dipl.‐Psych. Susanne Walz‐Pawlita<br />

Dr. Ingrid Rothe‐Kirchberger Dr. Dietrich Munz Dipl.‐Psych. Anne Springer<br />

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