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Mariana Prusák: Blicke im Text. Robert Walsers Gedicht «Renoir

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Wechsel in der Metrik. Während in den anderen Versen des <strong>Gedicht</strong>s hauptsächlich<br />

Jamben vorkommen, verhält es sich mit diesem Vers anders: Der Vers<br />

— ‿ ‿ — — — ‿ ‿ —<br />

passenden Ausdruck jetzt zu verleihn<br />

besteht aus zwei Daktylen, dazwischen liegt ein Trochäus; der Vers besitzt eine<br />

männliche Kadenz. Dieser Wechsel in der Metrik lässt sich als eine weitere Reflexion<br />

der Differenz von harmonischem Ausdruck des Bildes und disharmonischer Darstel-<br />

lung des Geschauten <strong>im</strong> <strong>Text</strong> verstehen.<br />

Auf die selbe Art und Weise, wie sich das Gesicht der Abgebildeten <strong>im</strong> Gemälde<br />

<strong>im</strong> Schatten befindet, womit ein Zurücktreten der Individualität verdeutlicht<br />

wird, bekennt sich somit auch der <strong>Text</strong> zu einer Ästhetik der Oberfläche. Das Ver-<br />

schwinden des Ichs <strong>im</strong> Bild zeigt sich aber nicht nur durch die Umsetzung einer<br />

Oberflächenästhetik, sondern unter anderem auch durch das Verschwinden des<br />

Namens «Lise» <strong>im</strong> <strong>Text</strong>. In <strong>Walsers</strong> <strong>Gedicht</strong> ist dieser durch den Namen des Produ-<br />

zenten ersetzt. An die Stelle des Namens tritt <strong>im</strong> <strong>Gedicht</strong> lediglich die saloppe Be-<br />

zeichnung der Figur als einer «Süßen».<br />

***<br />

<strong>Walsers</strong> prägnante Beschreibung der Lise integriert somit die Wirkung des Bildes<br />

und dessen Charakterisierung <strong>im</strong> Kontext der zeitgenössischen Rezeptionen. Dass<br />

<strong>Walsers</strong> Kunstbetrachter-Figuren nicht nur als unbeteiligte Museumsbesucher fun-<br />

gieren, sondern stark in den Kunstdiskurs der jeweiligen Zeit eingebunden sind, ist<br />

in den letzten Jahren zunehmend in den Blick der Walser-Forschung geraten. Auch<br />

<strong>im</strong> <strong>Gedicht</strong> <strong>«Renoir</strong>» ist der Kunstbetrachter als eine Figur dargestellt, die dem Leser<br />

nicht nur das Gesehene anhand einer Bildbeschreibung mitteilt, sondern die sich vor<br />

allem durch ein spezifisches Wissen über das Gesehene, über eine charakteristische<br />

Art des Schauens und eine Auseinandersetzung mit dem kunstgeschichtlichen Kon-<br />

text auszeichnet. Mit dieser Interpretation wurde versucht, dem <strong>Text</strong> <strong>Walsers</strong> auch<br />

methodisch gerecht zu werden, indem der Blick – wie auch <strong>im</strong> <strong>Gedicht</strong> selbst –<br />

erweitert und auf Aspekte gelenkt wurde, die über den <strong>Text</strong> hinausgehen. Dabei<br />

sollte die Aufmerksamkeit weniger auf Tendenzen <strong>Walsers</strong> zu einem best<strong>im</strong>mten Stil<br />

oder einer best<strong>im</strong>mten Kunstgattung gelenkt werden, wie dies in der bisherigen For-<br />

schung zur bildenden Kunst in <strong>Walsers</strong> Werk häufig vorgenommen wurde, sondern<br />

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