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Mariana Prusák: Blicke im Text. Robert Walsers Gedicht «Renoir

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25 Wenn’s mir doch gelänge,<br />

dieser Friedlichkeit, dieser Ruhe,<br />

vom Gesicht herunter bis zum Schuhe,<br />

passenden Ausdruck jetzt zu verleihn.<br />

Der Bruch in der Re<strong>im</strong>struktur lässt sich verstehen als Störung der Harmonie, welche<br />

das Paarre<strong>im</strong>schema bewirkt. Dadurch stellt sich der <strong>Text</strong> in Opposition zu den<br />

«harmonische[n] Klänge[n]», die er dem Bild zuschreibt. Die Abweichung vom<br />

Re<strong>im</strong>schema befindet sich zudem genau an der Grenze zwischen den beiden thema-<br />

tischen Bereichen des <strong>Text</strong>es: dem Bereich des «Bild[es]» und dem Bereich des Dich-<br />

tens, der hier beginnt mit «Wenn’s mir doch gelänge«. Der Exkurs aus den Grenzen<br />

des Gemäldes hat jedoch noch eine weitere Funktion: Er dient als Reflexion über das<br />

Verhältnis von Dichtung zur bildenden Kunst. Indem die Bildbeschreibung nur ei-<br />

nen Teil des <strong>Text</strong>es ausmacht, wird gleichzeitig die Literatur als ein Medium, das<br />

über diesen Bildbereich hinausgeht, gekennzeichnet. Das Verhältnis von Bild und<br />

<strong>Text</strong> wird in <strong>«Renoir</strong>» auch auf der Ebene der Materialität verhandelt, wie der fol-<br />

gende Abschnitt zeigen wird.<br />

III<br />

Der Blick auf einen (künstlerischen) Körper und die ‹Übertragung› dieses Körpers<br />

auf den <strong>Text</strong> ist auch von anderen <strong>Gedicht</strong>en <strong>Walsers</strong> bekannt. In der Forschung<br />

wird diese poetische Technik <strong>Walsers</strong> mit dem vom Autor selbst stammenden Begriff<br />

der ‹<strong>Gedicht</strong>körperbildung› bezeichnet. Im Brief an Max Rychner vom 18. März 1926<br />

schreibt Walser:<br />

Das schöne <strong>Gedicht</strong> hat meiner Ansicht nach ein schöner Leib zu sein, der aus den gemesse-<br />

nen, vergeßlich, fast ideenlos auf’s Papier gesetzten Worten hervorzublühen habe. Die Worte<br />

bilden die Haut, die sich straff um den Inhalt, d. h. den Körper spannt. Die Kunst besteht da-<br />

rin, nicht Worte zu sagen, sondern einen <strong>Gedicht</strong>-Körper zu formen, d. h. dafür zu sorgen,<br />

daß die Worte nur das Mittel bilden zur <strong>Gedicht</strong>körperbildung […]. 18<br />

Als programmatisches Beispiel für diese ‹<strong>Gedicht</strong>körperbildung› gilt <strong>Walsers</strong> «Sonett<br />

auf eine Venus von Tizian». 19 In diesem <strong>Text</strong> aus dem Jahr 1925 geschieht die Ver-<br />

bindung von (Bild)-Körper und <strong>Text</strong>- bzw. <strong>Gedicht</strong>körper auch mittels der Darstel-<br />

18 <strong>Robert</strong> Walser: «Das Gesamtwerk», 12 Bde., hg. von Jochen Greven, Bd. XII, 2: Briefe, hg. von Jörg<br />

Schäfer unter Mitarbeit von <strong>Robert</strong> Mächler, Genf/Hamburg 1975, S. 266.<br />

19 SW 13, S. 161. Zur «<strong>Gedicht</strong>körperbildung» <strong>im</strong> «Tizian-Sonett» siehe Wolfram Groddeck: «Liebesblick.<br />

<strong>Robert</strong> <strong>Walsers</strong> ‹Sonett auf eine Venus von Tizian›», in: Konstanze Fliedl (Hg.): «Kunst <strong>im</strong><br />

<strong>Text</strong>«», unter Mitarbeit von Irene Fußl, Frankfurt am Main/Basel 2005, S. 53–66.<br />

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