Reorganisation der Mittelinstanzen
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<strong>Reorganisation</strong> <strong>der</strong> <strong>Mittelinstanzen</strong><br />
Erstellt von Katja Brenner und Armin Liebig<br />
Wissenschaftliche Dokumentations- und Transferstelle für<br />
Verwaltungsmo<strong>der</strong>nisierung in den Län<strong>der</strong>n (WiDuT) am<br />
Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung (FÖV)<br />
Freiherr-vom-Stein-Straße 2<br />
67346 Speyer<br />
Katja Brenner Armin Liebig<br />
Telefon: 06232 654 394 Telefon: 06232/ 654 393<br />
Telefax: 06232 654 290 Telefax: 06232/ 654 29<br />
E-Mail: brenner@foev-speyer.de E-Mail: liebig@foev-speyer.de<br />
http://www.foev-speyer.de/widut
Die Mittelinstanz bildet im fö<strong>der</strong>alen Verwaltungsaufbau <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> die Schnitt-<br />
stelle zwischen den Landesministerien und den Vollzugsbehörden vor Ort. Zu ihr gehö-<br />
ren unter an<strong>der</strong>em die Bezirksregierungen/Regierungspräsidien, Landesämter und Lan-<br />
desbetriebe. Der Bericht konzentriert sich im Folgenden auf die Entwicklung <strong>der</strong> Regie-<br />
rungspräsidien und Bezirksregierungen in den Län<strong>der</strong>n. Ursprünglich gab es die Be-<br />
zirksregierungen bzw. Regierungspräsidien in acht <strong>der</strong> sechzehn Bundeslän<strong>der</strong>. Bre-<br />
men, Berlin, Hamburg, das Saarland, Schleswig-Holstein besaßen auf Grund ihrer<br />
Funktion als Stadtstaat bzw. kleinerer Flächenstaat nie diese Instanz, Brandenburg und<br />
Mecklenburg-Vorpommern entschieden sich nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung für einen<br />
zweistufigen Verwaltungsaufbau und Thüringen bündelte die Funktionen <strong>der</strong> Mittel-<br />
ebene in einem Landesverwaltungsamt.<br />
In den übrigen Län<strong>der</strong>n wurde in den vergangenen Jahren die Daseinsberechtigung<br />
bzw. die Organisation <strong>der</strong> Mittelbehörden immer wie<strong>der</strong> intensiv diskutiert. Im Mittel-<br />
punkt standen insbeson<strong>der</strong>e die Fragen, inwieweit die Regierungspräsidien bzw. Be-<br />
zirksregierungen noch zeitgemäß sind bzw., inwieweit eine Verlagerung von <strong>der</strong>en<br />
Aufgaben auf die Ministerialebene nach oben bzw. auf die kommunale Ebene nach un-<br />
ten nicht effektiver und effizienter sei. In <strong>der</strong> Folge gab lediglich Nie<strong>der</strong>sachsen seine<br />
Mittelinstanz auf. Die übrigen Län<strong>der</strong> Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-<br />
Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt behielten die Mittelinstanz<br />
zwar bei, reformierten sie jedoch umfassend.<br />
Das Land Baden-Württemberg hat mit <strong>der</strong> zum 1. Januar 2005 in Kraft tretenden Ver-<br />
waltungsreform die Bündelungsfunktion <strong>der</strong> vier Regierungspräsidien Stuttgart, Karls-<br />
ruhe, Tübingen und Freiburg gestärkt. Im Zuge <strong>der</strong> Verwaltungsreform wurden 350<br />
Son<strong>der</strong>behörden aufgelöst und die Aufgaben und Beschäftigten in die allgemeinen<br />
Verwaltungsbehörden integriert, zu denen die Regierungspräsidien sowie die Landrats-<br />
ämter und Bürgermeisterämter <strong>der</strong> Stadtkreise gehören. Nach wie vor ist <strong>der</strong> dreistufige<br />
Verwaltungsaufbau das tragende Strukturelement <strong>der</strong> baden-württembergischen Lan-<br />
desverwaltung.<br />
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Im Freistaat Bayern haben die sieben Bezirksregierungen Nie<strong>der</strong>bayern, Oberbayern,<br />
Mittelfranken, Unterfranken, Oberpfalz und Schwaben im Zuge <strong>der</strong> Verwaltungsreform<br />
neue Aufgabenfel<strong>der</strong> hinzubekommen. Die Bayerische Staatsregierung hatte dazu am<br />
2.Juni 2005 die Neuorganisation <strong>der</strong> Bezirksregierungen beschlossen, die zum 1. Januar<br />
2006 in Kraft getreten ist. Anstelle von acht Abteilungen mit über 40 Sachgebieten gibt<br />
es jetzt fünf Bereiche mit in <strong>der</strong> Regel knapp über 30 Sachgebieten. Unmittelbar bei den<br />
Bezirksregierungen angesiedelt sind die Stabsstellen "Verwaltungsmanagement" und<br />
"Verwaltungssteuerung". Die damit verbundene Straffung <strong>der</strong> Verfahrensabläufe er-<br />
möglicht eine schnellere und effektivere Aufgabenerledigung, wobei die Bündelungs-<br />
funktion bestehen bleibt.<br />
Bereits zum 01.01.2005 wurden die Gewerbeaufsichtsämter an die Bezirksregierungen<br />
angeglie<strong>der</strong>t. Aufgelöst wurden dagegen zum 01.07.2005 die Landwirtschaftsabteilun-<br />
gen. In <strong>der</strong> Sozialverwaltung haben die Bezirksregierungen mit den Integrations- und<br />
Ausgleichsstellen Aufgaben an das neue Zentrum für Familie und Soziales abgegeben.<br />
Die genannten Reformen, ein Aufgabenabbau und weitere Delegationen sollen bei den<br />
Bezirksregierungen bis zum Jahr 2018 den Abbau von insgesamt 1.000 Planstellen er-<br />
möglichen. Das sind 25 % des Personalstands des Jahres 2005.<br />
Die Funktion <strong>der</strong> Mittelinstanz wird in Hessen durch die drei Regierungspräsidien in<br />
Darmstadt, Gießen und Kassel wahrgenommen. Im Rahmen <strong>der</strong> „Operation Sichere<br />
Zukunft“ haben die Regierungspräsidenten ein umfassendes Gesamtkonzept vorgelegt,<br />
in dem sie Vorschläge für eine Aufgabenreduzierung und Neuorganisation <strong>der</strong> Regie-<br />
rungspräsidien gemacht haben. Die Landesregierung hat am 22. Dezember 2003 mit<br />
Kabinettbeschluss die Regierungspräsidenten beauftragt, die Aufgabenreduzierung und<br />
Neuorganisation auf <strong>der</strong> Basis ihrer Vorschläge mit gewissen Än<strong>der</strong>ungen durchzufüh-<br />
ren. Durch Wegfall und reduzierter Aufgabenwahrnehmung, aber auch durch Privatisie-<br />
rung und Synergieeffekten sowie durch die Verlagerung von Aufgaben konzentrieren<br />
sich die Regierungspräsidien verstärkt auf ihre Kernaufgaben.<br />
In Nordrhein-Westfalen gibt es <strong>der</strong>zeit die fünf Bezirksregierungen Arnsberg, Detmold,<br />
Düsseldorf, Köln und Münster. Nach Vorstellung <strong>der</strong> Landesregierung sollen diese<br />
langfristig in die drei Regionalverwaltungen Rheinland, Westfalen und Ruhgebiet auf-<br />
gehen. Der Koalitionsvertrag sieht die geplante Zusammenführung für die Mitte <strong>der</strong><br />
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nächsten Legislaturperiode vor. Bereits zum 1. Januar 2007 wurden durch ein „Gesetz<br />
zur Straffung <strong>der</strong> Behördenstruktur in NRW“ 38 Behörden aufgelöst bzw. in die bereits<br />
vorhandene Behörden eingeglie<strong>der</strong>t. Diese bis zur Neuordnung <strong>der</strong> Mittelbehörden ent-<br />
schiedene Umstrukturierung wurde vorgenommen, da die Zentralabteilungen <strong>der</strong> Be-<br />
zirksregierungen die Aufgaben <strong>der</strong> Bündelungsorganisation wesentlich effektiver und<br />
effizienter erfüllen können. Zudem führte die nordrhein-westfälische Landesregierung<br />
eine Aufgabenkritik durch. Langfristig sollen alle Aufgaben, die nicht dauerhaft bei den<br />
Bezirksregierungen verbleiben sollen, aus <strong>der</strong> Organisation herausgelöst werden. Be-<br />
reits heute sind erste Ergebnisse sichtbar. So wurde den Bezirksregierungen die Zu-<br />
ständigkeit für die Autobahnpolizei entzogen und auf die dem Innenministerium direkt<br />
unterstellten Polizeipräsidien Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf, Köln und Münster über-<br />
tragen. Auch die Versorgungsverwaltung (z.B. Elterngeldbetreuung) wurde aufgelöst<br />
beziehungsweise kommunalisiert.<br />
Der Freistaat Sachsen ist in die drei Regierungspräsidien Chemnitz, Dresden und Leip-<br />
zig aufgeteilt. Durch das sächsische Verwaltungsmo<strong>der</strong>nisierungsgesetz von 2004 wur-<br />
de <strong>der</strong> Verwaltungsaufbau gestrafft und zahlreiche Aufgaben auf die kommunale Ebene<br />
übertragen. Nach dem Abschluss <strong>der</strong> Aufgabenkritik im Jahr 2006 wurde auch die Neu-<br />
strukturierung <strong>der</strong> <strong>Mittelinstanzen</strong> in Angriff genommen. Die Regierungspräsidien sol-<br />
len zukünftig als Landesdirektionen fungieren mit dem Schwerpunkt <strong>der</strong> Aufsicht und<br />
Bündelung. Alle Aufgaben <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Regierungspräsidien, die außerhalb dieses<br />
Aufgabenspektrums liegen, werden den Landkreisen und Kreisfreien Städten übertra-<br />
gen.<br />
Sachsen-Anhalt legte den Grundstein für eine neue Mittelinstanz am 27. Februar 2003.<br />
Mit <strong>der</strong> Verabschiedung des Verwaltungsmo<strong>der</strong>nisierungsgrundsätzegesetz wurden die<br />
bis dahin existierenden drei Regierungspräsidien Magdeburg, Halle (Saale) und Dessau<br />
sowie 22 Son<strong>der</strong>behörden zum 31. Dezember 2003 aufgelöst. Im Gegenzug wurde zum<br />
1. Januar 2004 das Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt errichtet. Haupt-<br />
sitz des Landesverwaltungsamtes ist Halle (Saale). Außenstellen gibt es in Dessau und<br />
in Magdeburg. Mit circa 2.350 Mitarbeitern ist das Landesverwaltungsamt Bindeglied<br />
zwischen <strong>der</strong> Landesregierung und <strong>der</strong> kommunalen Ebene. Insgesamt sind die Be-<br />
schäftigten für die Erfüllung von über 1.000 Aufgaben zuständig. Durch die Kreisge-<br />
bietsreform 2007 wurde die Aufsichtsspanne für das Landesverwaltungsamt verringert.<br />
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Rheinland-Pfalz hat zum 1. Januar 2000 die Bezirksregierungen Neustadt, Trier und<br />
Koblenz aufgelöst. An ihre Stelle traten die Struktur- und Genehmigungsdirektionen.<br />
Als obere Behörde unterscheiden sich von <strong>der</strong> Struktur <strong>der</strong> ursprünglichen Bezirksre-<br />
gierungen dadurch, dass ihnen Aufgaben funktional zugeordnet wurden. In Rheinland-<br />
Pfalz bestehen <strong>der</strong>zeit zwei Struktur- und Genehmigungsdirektionen. Die Struktur- und<br />
Genehmigungsdirektion Nord mit Sitz in Koblenz und die Struktur- und Genehmi-<br />
gungsdirektion Süd in Neustadt an <strong>der</strong> Weinstraße sind im Wesentlichen zuständig für<br />
die Umwelt-, Gewerbeaufsichts- und Bauverwaltung sowie für Raumordnung. Zudem<br />
wurden die sechs Staatlichen Ämter für Wasser- und Abfallwirtschaft und die fünf<br />
staatlichen Gewerbeaufsichtsämter in die Struktur- und Genehmigungsdirektionen in-<br />
tegriert. Im Gegensatz zur Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd erhält die Struk-<br />
tur- und Genehmigungsdirektion Nord jedoch zusätzlich die landesweite Zuständigkeit<br />
für gentechnische Genehmigungsverfahren und für das Forstwesen. Neu eingerichtet<br />
wurde im Zuge <strong>der</strong> Verwaltungsstrukturreform das Landesuntersuchungsamt. Dort<br />
werden durch die Konzentration von naturwissenschaftlichen und technischen Aufga-<br />
ben erhebliche Synergieeffekte erzielt. Zudem entstand die Aufsichts- und Genehmi-<br />
gungsdirektion (ADD) mit Sitz in Trier. Sie ist landesweit hauptsächlich zuständig für<br />
die staatliche Aufsicht sowie für Dienstleistungen in einer Vielzahl von Verwaltungsbe-<br />
reichen.<br />
In den bisher im Bericht behandelten Län<strong>der</strong>n Baden-Württemberg, Bayern, Hessen,<br />
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind die Mit-<br />
telinstanzen trotz Reformprozesse (vorerst) geblieben. An<strong>der</strong>s sieht die Situation in<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen aus. Dort wurde die Mittelinstanz im Zuge <strong>der</strong> Verwaltungsreform abge-<br />
schafft.<br />
Das Land Nie<strong>der</strong>sachsen besaß ursprünglich vier Bezirksregierungen Braunschweig,<br />
Hannover, Lüneburg und Weser-Ems. Mit <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Bezirksregierungen hat<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen den dreistufigen Verwaltungsaufbau zugunsten eines zweistufigen Ver-<br />
waltungsaufbaus aufgegeben. Dafür hat das Land zum 1. Januar 2005 vier Regierungs-<br />
vertretungen an den Standorten Braunschweig, Hannover, Lüneburg und Oldenburg<br />
eingerichtet. Organisatorisch sind sie Referate des Nie<strong>der</strong>sächsischen Ministeriums für<br />
Inneres und Sport. In den Regierungsvertretungen werden von <strong>der</strong> Staatskanzlei sowie<br />
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von den jeweils fachlich zuständigen Ministerien Aufgaben in eigener Verantwortung<br />
erfüllt. Die Kommunen stehen unter einer Vertrauensaufsicht und können nun viele<br />
Aufgaben wie eine Hauptsatzungsän<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> die Ausweisung von Naturschutzge-<br />
bieten selbst durchführen.<br />
Die <strong>Reorganisation</strong> <strong>der</strong> <strong>Mittelinstanzen</strong> bleibt ein zentrales Thema bei <strong>der</strong> Durchfüh-<br />
rung einer umfassenden Verwaltungsmo<strong>der</strong>nisierung. Dabei steht auch die Frage des<br />
Verhältnisses <strong>der</strong> staatlichen Behörden zu den höheren Kommunalverbänden (z.B.<br />
Landschaftsverbände, Bezirke) in <strong>der</strong> Diskussion. Gegner <strong>der</strong> <strong>Mittelinstanzen</strong> verwei-<br />
sen auf die fehlende unmittelbare demokratische Legitimation und for<strong>der</strong>n den Abbau<br />
von Ebenen in einer europäischen Mehr-Ebenen-Verwaltung sowie mehr Bürgernähe<br />
und Bürokratieabbau.<br />
Wie in dem Bericht deutlich wurde, hat sich bis auf Nie<strong>der</strong>sachsen die Mehrzahl <strong>der</strong><br />
Län<strong>der</strong> mit schon bestehen<strong>der</strong> Mittelinstanz für <strong>der</strong>en Beibehaltung entschieden. Die<br />
Gründe hierfür waren insbeson<strong>der</strong>e die Vorteile einer Bündelungsfunktion einschließ-<br />
lich <strong>der</strong> Integration von Son<strong>der</strong>behörden, die etwa bei komplexen Genehmigungsver-<br />
fahren eine Rolle spielen, sowie als Mittler zwischen Landesregierung und kommunaler<br />
Ebene. Zudem spiegeln sich in den <strong>Mittelinstanzen</strong> auch historisch gewachsene Struktu-<br />
ren und landsmannschaftliche Beson<strong>der</strong>heiten (wie z.B. in Baden-Württemberg, Bay-<br />
ern) wie<strong>der</strong> und wird ihnen teilweise auch eine regionalpolitische Funktion zugewiesen.<br />
Die bevorstehende Umsetzung <strong>der</strong> EU-Dienstleistungsrichtlinie wird dazu beitragen,<br />
die Diskussion um das Vorhandensein, die Aufgabenzuordnung und die Zusammenar-<br />
beit verschiedener Ebenen neu zu beleben.<br />
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