(Sommer 2008) - 355 kb PDF - Lebens- und Arbeitsgemeinschaften ...
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R<strong>und</strong>brief<br />
Nummer 127<br />
<strong>Sommer</strong> <strong>2008</strong><br />
1,55 Millionen Euro hat die <strong>Lebens</strong><strong>und</strong><br />
Arbeitsgemeinschaft Lautenbach<br />
investiert, um Menschen mit Betreuungsbedarf<br />
auch im Alter <strong>Lebens</strong>raum<br />
zu geben. Das Oberlin-Haus wurde dazu<br />
komplett umgebaut. Im Rahmen der<br />
Angehörigentagung fand die Einweihung<br />
statt.<br />
Seit über 35 Jahren besteht die Dorfgemeinschaft<br />
Lautenbach, eine <strong>Lebens</strong>- <strong>und</strong><br />
Arbeitsgemeinschaft, die vor allem auf junge<br />
Menschen mit Behinderung ausgerichtet<br />
ist. Ihnen bietet die Einrichtung eine Spezialschule<br />
<strong>und</strong> später einen Arbeitsplatz,<br />
Wohn- <strong>und</strong> <strong>Lebens</strong>raum in familienähnlichen<br />
Strukturen inklusive. Jetzt, nach mehr<br />
als drei Jahrzehnten, sind die ersten Lautenbacher<br />
in die Jahre gekommen, nicht<br />
nur die Gründer um Hans Dackweiler, sondern<br />
auch die betreuten Menschen. Eine<br />
neue Herausforderung für die Dorfgemeinschaft,<br />
der man sich in verschiedenen<br />
Bereichen stellt. Zum einen werden die<br />
Werkstätten Zug um Zug mit Ruheräumen<br />
oder speziellen Arbeitsplätzen für ältere<br />
Menschen ausgestattet <strong>und</strong> zum anderen<br />
mussten Wohnbedingungen geschaffen<br />
werden, die den Anforderungen einer Altenpflege<br />
gerecht werden.<br />
Erste Maßnahme war, dass Michaela Jaspers,<br />
gelernte Heilerziehungspflegerin, eine<br />
Zusatzausbildung zur Altenpflegerin absolvierte.<br />
Zweite Maßnahme war der Umbau<br />
des 1979 entstandenen Oberlin-Hauses, in<br />
dem sowieso umfangreiche Renovierungsarbeiten<br />
anstanden. Hier entstand unter der<br />
Federführung von Architekt Karl-Heinz<br />
Hummel aus Überlingen <strong>und</strong> Klaus Hilsenbek<br />
als internem Bauleiter ein Wohnbereich,<br />
Neues von uns über uns, geschrieben für Fre<strong>und</strong>e unserer Gemeinschaften<br />
Über die Dörfer<br />
Die Lautenbacher Zeitung<br />
Das Oberlin-Haus wird eingeweiht<br />
der auch eine Pflege zulässt. Ein Lift <strong>und</strong> ein<br />
Pflegebad wurden eingebaut, aber auch die<br />
gesamten Zugänge in die Zimmer oder der<br />
Ausgang zum Balkon sind barrierefrei <strong>und</strong><br />
rollstuhlgerecht gestaltet worden. Eingezogen<br />
ist die »Oberlin-Familie« mit Michaela<br />
Jaspers <strong>und</strong> ihrem Team bereits im Winter.<br />
Abgesondert sollen die alten Menschen<br />
ganz bewusst nicht werden, deshalb leben<br />
junge Betreute mit in der Familie, vorwiegend<br />
solche, die mit psychosozialen Problemen<br />
behaftet sind <strong>und</strong> eine besonders in-<br />
tensive Betreuung brauchen. Sie sollen im<br />
Rahmen einer Verhaltenstherapie die Erfahrung<br />
des Helfens machen. Auch die Seminaristen,<br />
die in Lautenbach den Beruf des<br />
Heilerziehungspflegers erlernen, <strong>und</strong> die<br />
BA-Studenten profitieren von dem neuen<br />
Konzept: Sie arbeiten während ihrer Ausbildung<br />
einige Wochen lang in der Oberlin-<br />
Familie <strong>und</strong> erwerben so zusätzliche Kenntnisse<br />
in der Altenpflege.<br />
Natürlich wurde beim gr<strong>und</strong>legenden<br />
Umbau nicht nur die Wohnung der Ober-<br />
Lautenbach öffnet Tor <strong>und</strong> Tür<br />
Alljährlich lädt die <strong>Lebens</strong>- <strong>und</strong> Arbeitsgemeinschaft<br />
Lautenbach im<br />
Frühjahr zu einem Tag der offenen<br />
Tür ein. Auch in diesem Jahr haben viele<br />
Gäste die Gelegenheit genutzt, einen<br />
Blick hinter die Kulissen der Einrichtung<br />
zu werfen.<br />
Viele Konkurrenzveranstaltungen in der<br />
Region sorgten dafür, dass das kleine Dorf<br />
heuer nicht so restlos überfüllt war, wie in<br />
den Vorjahren. Für die Besucher erwies<br />
sich das als großer Vorteil: Überall, ob in<br />
den Werkstätten, in der Schule, im Seminar<br />
für Heilerziehungspfleger oder in den<br />
Familien, fanden die Mitarbeiter genügend<br />
Zeit, um Interessierte über das Leben<br />
<strong>und</strong> Arbeiten in Lautenbach zu informieren.<br />
Besonders die betreuten Menschen,<br />
die an diesem sonnigen Sonntag ausnahmsweise<br />
an ihrem Arbeitsplatz anzutreffen<br />
waren, genossen es mit Stolz, den<br />
Gästen von ihren Aufgaben zu berichten<br />
<strong>und</strong> zu zeigen, was sie in ihrer Arbeitswelt<br />
leisten. Natürlich wechselte auch manches<br />
Produkt aus den Werkstätten den Besitzer,<br />
denn viele Besucher nutzten die Gelegenheit,<br />
sich im Lädele, in der Gärtnerei oder<br />
im Querbeet-Laden umzusehen <strong>und</strong> einzukaufen.<br />
Frank Würth stellte in der Holzwerkstatt seine Fähigkeiten unter Beweis. Fotos: Anthia Schmitt<br />
Lautenbacher Gemeinschaften e.V., 88634 Herdwangen-Schönach<br />
PVSt, Deutsche Post AG, »Entgelt bezahlt« VKZ B 43704<br />
Ein Tag der Freude war die offizielle Einweihung des Oberlin-Hauses im Rahmen der<br />
Angehörigentagung. Reinhard Küst (Mitte) <strong>und</strong> Architekt Karl-Heinz Hummel (rechts) freuten<br />
sich besonders über die großzügige Finanzspritze, die Reinhold Varwig namens des Fre<strong>und</strong>eskreises<br />
übergab. Foto: Anthia Schmitt<br />
Eingebettet war die Präsentation des <strong>Lebens</strong><br />
<strong>und</strong> Arbeitens in Lautenbach in ein<br />
interesssantes <strong>und</strong> abwechslungsreiches<br />
Unterhaltungsprogramm. Im Wilhelm-<br />
Meister-Saal, wo mit Produkten aus der<br />
dorfeigenen Landwirtschaft für das leibliche<br />
Wohl der Gäste gesorgt wurde, spielte<br />
der Musikverein Herdwangen auf. Der<br />
Kindergarten hatte ein tolles Programm<br />
mit Puppenspiel, Kinderschminken,<br />
Spielwiese oder Ponyreiten für die kleinen<br />
Besucher vorbereitet. Auf dem neuen<br />
Sportfeld konnten sich die Besucher bei<br />
ungewöhnlichen Sportarten als Olympioniken<br />
fühlen. Eine Pferdekutsche lud zu<br />
Ausflügen in die nähere Umgebung ein.<br />
Der Flohmarkt wartete mit allerlei Krimskrams<br />
auf <strong>und</strong> die Losverkäufer waren<br />
ebenfalls fleißig unterwegs, um die attraktiven<br />
Gewinne unter die Besucher zu<br />
bringen.<br />
Das Hauptaugenmerk der Besucher,<br />
darunter auch viele Angehörige, galt natürlich<br />
den Werkstätten, denn dort konnten<br />
sie nicht nur die betreuungsbedürftigen<br />
Bewohner in ihrem Alltag erleben, sondern<br />
auch die neuesten Produkte aus der<br />
Dorfgemeinschaft kennenlernen. Wer lange<br />
genug von Haus zu Haus <strong>und</strong> von<br />
Werkstatt zu Werkstatt marschiert war,<br />
machte es sich schließlich in einem der<br />
Freiluftcafés bei Kaffee <strong>und</strong> selbstgebackenem<br />
Kuchen bequem, bevor er sich vom<br />
eigens eingerichteten Fahrdienst wieder in<br />
Richtung Parkplatz chauffieren ließ.<br />
Anthia Schmitt<br />
Edith Kammler hielt mit ihrem Vater bei Kaffee<br />
<strong>und</strong> Kuchen einen Plausch.<br />
lin-Familie neu gestaltet, sondern das ganze<br />
Haus. Das Dach wurde ausgebaut <strong>und</strong> mit<br />
Gauben versehen, die gesamten Sanitäreinrichtungen<br />
<strong>und</strong> Küchen wurden erneuert,<br />
ebenso die Fenster ausgetauscht. Außerdem<br />
wurde das Haus mit einem Wintergarten<br />
<strong>und</strong> einer Fluchttreppe ausgestattet <strong>und</strong> der<br />
Saal im Untergeschoss erhielt ein neues Gesicht.<br />
Alles entsprechend der Beratung von<br />
Designer Uwe Janke aus Herdwangen-<br />
Schönach hell <strong>und</strong> farbenfroh, <strong>und</strong> natürlich<br />
unter energetischen Gesichtspunkten, denn<br />
Energie ist auch ein Lautenbach ein enormer<br />
Kostenfaktor. Zwei Wohnungen für Familien<br />
entstanden so <strong>und</strong> vier Wohnungen für<br />
die Lautenbacher Mitarbeiter.<br />
»Finanziell war der Umbau eine Punktlandung«,<br />
sagte Reinhard Küst, Finanzchef<br />
in Lautenbach, bei der festlichen Einweihungsfeier,<br />
die von einem Ensemble der<br />
Blaskapelle musikalisch umrahmt wurde.<br />
Er schlüsselte auf, wie das Großprojekt<br />
überhaupt gestemmt werden konnte: mit<br />
angesparten Eigenmitteln der Dorfgemeinschaft,<br />
einem kräftigen Zuschuss der<br />
»Aktion Mensch«, einem Bankdarlehen<br />
<strong>und</strong>, als größtem Batzen, einer Spende von<br />
350.000 Euro vom 540-köpfigen Fre<strong>und</strong>eskreis<br />
der Dorfgemeinschaft. Reinhold<br />
Varwig, Vorsitzender des Fre<strong>und</strong>eskreises,<br />
der den symbolischen Scheck überreichte,<br />
machte in seinem Grußwort deutlich, dass<br />
es den Angehörigen wichtig sei, dass ihre<br />
behinderten Kinder auch im Alter in Lautenbach<br />
bleiben dürfen <strong>und</strong> sich nicht in<br />
eine neue Umgebung eingewöhnen müssen.<br />
»Für uns war es deshalb keine Frage,<br />
Geld anzusparen <strong>und</strong> beim altersgerechten<br />
Umbau mitzuhelfen«, sagte Varwig.<br />
Anthia Schmitt<br />
Im Kindergarten wurde Kinderschminken angeboten. Willig ließen sich die kleinen Besucher in<br />
bunte Schmetterlinge, gefährliche Tiger <strong>und</strong> schnurrende Kätzchen verwandeln.<br />
Natürlich kam auch das gesellige Beisammensein nicht zu kurz. Viele Lautenbacher nutzten, so<br />
wie Jürgen Merckle, den Tag der offenen Tür zu einem Gespräch mit Angehörigen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en.<br />
Aufgaben, wie das Tandemskilaufen auf Gras,<br />
waren bei den »Olympischen Spielen« zu lösen.<br />
Liebe Eltern,<br />
Angehörige<br />
<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e,<br />
nun ist er endlich da, der ersehnte<br />
<strong>Sommer</strong>. Wärmende Tage, lange laue<br />
Abende <strong>und</strong> demnächst die Urlaubszeit<br />
werden mit dem <strong>Sommer</strong> in Verbindung<br />
gebracht. Das ist natürlich<br />
auch in Lautenbach nicht anders.<br />
Seit der letzten Ausgabe hat sich in<br />
Lautenbach viel ereignet. Beispielsweise<br />
wurde beschlossen, dass die Lautenbacher<br />
Gemeinschaften sich die neue<br />
Organisationsform »gemeinnützige<br />
Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />
(gGmbH)« geben. Die Dorfgemeinschaft<br />
Lautenbach ist jetzt ein eingetragener<br />
Verein <strong>und</strong> heißt <strong>Lebens</strong>- <strong>und</strong><br />
Arbeitsgemeinschaft Lautenbach e.V.<br />
Aber auch in anderen Bereichen hat<br />
sich einiges getan. So berichten wir in<br />
dieser Ausgabe über die Einweihung<br />
des Oberlin-Hauses. Auch der Umbau<br />
der Tonwerkstatt, den wir im beigefügten<br />
Flyer näher erläutern, geht weiter<br />
voran. Und wir arbeiten mit Hochdruck<br />
an der neuen Homepage, die<br />
wir in der nächsten Ausgabe vorstellen.<br />
Wir wünschen Ihnen einen herrlichen<br />
sonnigen <strong>Sommer</strong>, schöne Ferientage<br />
<strong>und</strong> viel Spaß beim Lesen<br />
Ihr Redaktionsteam aus Lautenbach<br />
Seminarleiterin Elke Zech servierte mit ihren<br />
Seminaristen Crêpes.
Seite 2 Die Lautenbacher Zeitung<br />
<strong>Sommer</strong> <strong>2008</strong><br />
Betreuer fördern Selbstvertrauen <strong>und</strong> Ausdauer<br />
»Oh nee, ich weiß nicht, ob ich das<br />
kann, eh!« – »Na klar, du schaffst das.<br />
Ich mach’ Dir einen Vorschlag: wir fangen<br />
gemeinsam an, ich helfe Dir, <strong>und</strong><br />
Du kannst dann alleine weiterarbeiten.«<br />
Ein gewohnter Einstieg in eine bekannte<br />
Arbeit, jedenfalls für Elli Moisee (Name<br />
geändert) <strong>und</strong> ihren Werkmeister. Selbstvertrauen<br />
<strong>und</strong> Ausdauer zählen nicht zu<br />
Ellis Stärken. Ihre Betreuer wissen das.<br />
Deswegen versuchen sie sie vorsichtig bis<br />
an ihre Grenzen zu bringen <strong>und</strong> mit ihr gemeinsam<br />
den »gefährlichen Schritt ins unbekannte<br />
Neuland zu wagen«. Die Grenze,<br />
das ist da, wo Struktur <strong>und</strong> Ausdauer gefragt<br />
sind – für Elli; denn sie ist mehr der<br />
kreative, spontane Typ. Spontan zu allem<br />
bereit, wenn sie gut gelaunt ist. Spontan alles<br />
fallen lassend, wenn ihre Laune kippt.<br />
Elli ist eine von derzeit 30 Betreuten im<br />
Tonbereich, zehn im Kerami<strong>kb</strong>ereich<br />
(Geschirr) <strong>und</strong> 20 im Kachelbereich. Bereich?<br />
Ja, richtig denn seit 2006 sind beide<br />
Bereiche eine gemeinsame Werkstatt, in<br />
der die Betreuten auch die Möglichkeiten<br />
haben, zwischen den Werkstätten zu »wandern«.<br />
Eine Möglichkeit, die nicht nur für<br />
Elli verlockend ist. Maria <strong>und</strong> Bernd haben<br />
ebenso den Schritt in fremde Gefilde<br />
geschafft.<br />
Vera hat sich sogar ganz in den Kachelbereich<br />
gewählt, weil sie genug vom Staub<br />
hatte, wie sie immer wieder betont.<br />
Und wenn sie nicht gerade jemanden<br />
hinterrücks im Flur erschreckt, begleitet<br />
von einem »nur Späßchen«, stampft sie<br />
mehr oder weniger fleißig Kacheln. Ja, so<br />
ganz einfach ist es nicht von einem Bereich<br />
in den anderen zu wechseln. Von Elli,<br />
Bernd, Vera <strong>und</strong> Maria erfordert das eine<br />
gehörige Portion Flexibilität <strong>und</strong> Mut zu<br />
Neuem. Von den Betreuern – ja, die gibt es<br />
auch <strong>und</strong> sie arbeiten nicht wenig – ein immenses<br />
Pensum an Integrations- <strong>und</strong> Mo-<br />
tivationsarbeit – zusätzlich zu der eigentlichen<br />
Werkstattarbeit<br />
Und was soll das schon wieder sein. Eigentliche<br />
Werkstattarbeit? Eines ist sicher:<br />
Eigentliche Werkstattarbeit, das ist mitunter<br />
ein Streitpunkt. Produktive Arbeit ? Betreuungsarbeit?<br />
Im Zentrum der Werkstatt<br />
steht der Mensch <strong>und</strong> damit ist das Zentrum<br />
der Arbeit die Arbeit mit dem Menschen<br />
<strong>und</strong> das Produkt ist Mittel zum<br />
Zweck, der Rahmen <strong>und</strong> das Mittel, um<br />
Betreuung zu gewährleisten sowie Selbstvertrauen<br />
<strong>und</strong> Selbstwertgefühl zu fördern.<br />
Werfen wir also einen Blick auf die Arbeit<br />
mit einem Seitenblick auf die Produkte:<br />
»Gell, Uwe, r<strong>und</strong> <strong>und</strong> dick. Schön r<strong>und</strong><br />
müssen die Kanten sein. Sonst macht’s<br />
Aua«. Christel hat ein sehr klares Wertesystem.<br />
Sie ist zu einem großen Teil verantwortlich<br />
für die Esshilfeteller, das traditionellste<br />
Produkt des Lautenbacher Geschirrbereichs.<br />
Und über die Jahre hinweg<br />
das erfolgreichste.<br />
Dafür muss die Qualität stimmen <strong>und</strong><br />
das ist nicht so einfach. Immer wieder<br />
müssen Uwe <strong>und</strong> vor allem Bernd die Kriterien<br />
mit Christel besprechen. Und das<br />
bringt uns bisweilen in arge Nöte, Christel<br />
ebenso wie ihre Betreuer, denn einmal bearbeitet,<br />
ist sie nur äußerst schwer dazu zu<br />
bewegen, ein Stück zum wiederholten Mal<br />
in die Hand zu nehmen.<br />
»Ich hab den Teller schon geschmirgelt«,<br />
sagt Christel. »Ja, jetzt schauen wir ihn uns<br />
nochmal gemeinsam an, das ist noch nicht<br />
so wie ich es will«, antwortet Bernd. Christel<br />
gibt lauter zurück: »Nein, der Teller ist<br />
fertig«. »Schau bitte den Rand nochmal genau<br />
an«, sagt Bernd. Christel: » Nein. geht<br />
nicht. Morgen muss ich zum Friseur«.<br />
Und zu Uwe: »Der ärgert mich“.<br />
Gott sei Dank ist Bernd Profi, <strong>und</strong> inzwischen<br />
schafft Christel es auch meistens,<br />
sich von ihm korrigieren zu lassen. Ein<br />
großer Schritt vorwärts: Kritikfähigkeit,<br />
Teamfähigkeit entwickeln, flexibel werden.<br />
Bernd hat großartige Arbeit in diesem<br />
Bereich geleistet. Insbesondere die Ausbildung<br />
von Dude zum meist zuverlässigen<br />
»Gießrinnenchef«, naja, bei den Esshilfetellern<br />
stark unterstützt von Christel, ist<br />
sein Verdienst. Wobei der Tätigkeitsbereich<br />
von Dude bei weitem nicht an der<br />
Gießrinne endet.<br />
Die Gießkeramik stand am Anfang der<br />
Lautenbacher Keramikwerkstatt. Somit<br />
steht er mit einem Fuß in der Tradition,<br />
mit dem anderen in der jüngsten Weiterentwicklung.<br />
Vor drei Jahren wurden zwei<br />
Eindrehmaschinen angeschafft als Gr<strong>und</strong>lage<br />
zur Herstellung einer neuen Produktlinie,<br />
um die Umsetzung eines neuen Designs<br />
zu verwirklichen. Und um den Betreuten<br />
neue Arbeitsbereiche zu erschließen,<br />
Möglichkeiten, sich in ihrem<br />
Berufsfeld weiter zu qualifizieren. Die Geschirrproduktion<br />
erfolgt inzwischen größtenteils<br />
auf der Eindrehmaschine.<br />
Die meisten Sonderprodukte, von Brillenhaltern<br />
bis Brottöpfen, entstehen an der<br />
Gießrinne. Aber nicht alle. Seit einem Jahr<br />
entwickeln die Betreuten, ja, die Betreuten,<br />
von Hand aufgebaute Kacheln <strong>und</strong><br />
überdrehte Geschirrteile. Allen voran Elli.<br />
Und hier schließt sich der Kreis. Noch immer<br />
fällt es ihr schwer durchzuhalten. Mit<br />
dem Unterschied: Früher hat sie aufgegeben,<br />
inzwischen arbeitet sie tapfer weiter.<br />
Über 100 Becher, alle maßgetreu, trotzdem<br />
jeder ein Einzelstück, Schüsseln <strong>und</strong><br />
Dessertteller hat sie inzwischen aufgebaut,<br />
<strong>und</strong>, zumindest was die Becher angeht,<br />
auch selber eingedreht. Immer wieder<br />
braucht sie die Motivation der Betreuer.<br />
Aber sie bleibt dran, <strong>und</strong> wenn sie mit<br />
Bernd auf das Erreichte blickt, glänzt der<br />
Stolz in ihren Augen. Und auch Dude befindet<br />
sich an der Eindrehmaschine. Als<br />
letztes Glied in der Kette des Jugendlichenprogramms.<br />
Als Erwachsener ein<br />
Vorbild für die Jüngeren, der im Team mit<br />
den Schülern die von Hand aufgebauten<br />
Schüsseln überdreht <strong>und</strong> ihnen somit den<br />
letzten Schliff gibt.<br />
Zuerst nur als Teilstück des Jugendlichenprogramms<br />
gedacht, waren die Stücke<br />
beim ersten Markt so erfolgreich, dass sie<br />
seitdem regelmäßig von den Jugendlichen<br />
hergestellt werden. Für die Jugendlichen<br />
bedeutet es ein erstes Heranführen an den<br />
Werkstoff Ton. Da er im plastischen, also<br />
ursprünglichen Zustand verarbeitet wird,<br />
lernen sie zuerst, ihn zu kneten, zu for-<br />
Einen Scheck über 1200 Euro hat Klaus<br />
Hilsenbek vom Leitungsteam der <strong>Lebens</strong>-<br />
<strong>und</strong> Arbeitsgemeinschaft Lautenbach<br />
entgegennehmen dürfen.<br />
Großzügige Spender waren Vereine aus<br />
Nußdorf bei Überlingen: der Theaterverein,<br />
die Feuerwehr, der Musikverein <strong>und</strong><br />
die Narrenzunft »Nußdorfer Schnecken«.<br />
Sie veranstalten in jedem Jahr in der Fasnet<br />
gemeinsam einen Kehrausball, dessen Erlös<br />
einem guten Zweck zugeführt wird. In<br />
diesem Jahr war die Dorfgemeinschaft mit<br />
ihren 150 betreuten Menschen Nutznießer<br />
dieser traditionell sehr gut besuchten<br />
Veranstaltung. Sehr zufrieden waren<br />
die Vereinsvorsitzenden Ursula Mahl, Roland<br />
Widenhorn, Anja Kretz <strong>und</strong> Klaus<br />
Mahl mit dem Verwendungszweck der<br />
Spende. »Wir werden das Geld für den<br />
Umbau der Tonwerkstatt verwenden, in<br />
der ein spezieller Förderbereich eingerichtet<br />
wird«, sagte Klaus Hilsenbek, der gleich<br />
noch in Aussicht stellte, den symbolischen<br />
Scheck zu Jedermanns Einsichtnahme an<br />
die eigens eingerichtete »Spendenwand«<br />
zu heften. Anthia Schmitt<br />
men, zu Kugeln oder Würsten zu verarbeiten.<br />
Rebecca Zimmermann, Arbeitserzieherin<br />
im Anerkennungsjahr, hat alle Hände<br />
voll zu tun, wenn sie mit den Jugendlichen<br />
arbeitet. Denn Arbeit <strong>und</strong> Spiel ist nicht<br />
das gleiche, <strong>und</strong> nicht jeder Jugendliche<br />
versteht das auf Anhieb. Seitdem Rebecca<br />
in der Tonwerkstatt arbeitet, läuft das Jugendlichenprogramm<br />
kontinuierlich <strong>und</strong><br />
die Musterschüsseln, als ein Produkt der<br />
Schüler, gehen ständig vom Band. Und<br />
wenn auch beide, Rebecca wie die Jugendlichen,<br />
des öfteren an ihre Grenzen geraten,<br />
gemeinsam sind sie auch ein gutes<br />
Stück darüber hinausgekommen.<br />
Und als letztes hier noch ein spezielles<br />
Projekt von Rebecca mit Sandra, einer jungen<br />
Frau im Förder- <strong>und</strong> Betreuungsstatus<br />
(FUB).<br />
An einem Tag im September 2007: Ein<br />
Tag wie jeder andere – möchte man meinen.<br />
Statt kleine Kacheln zu stampfen, zerpflückt<br />
Sandra den Ton. Die kleinen<br />
Stücke nimmt sie, um damit ihre Kollegen<br />
zu bewerfen. Ihr Pausenbrot zerkrümelt<br />
sie <strong>und</strong> verstreut es auf dem Boden. Sie kotet<br />
sich wiederholt ein <strong>und</strong> versucht alles<br />
Mögliche, um die Aufmerksamkeit auf<br />
sich zu ziehen, sich in den Mittelpunkt zu<br />
stellen. Inzwischen hat sie fast eine 1:1-Betreuung.<br />
Ihr Verhalten ändert sich jedoch<br />
nicht, im Gegenteil, es wird noch schlimmer.<br />
Sandras Wesen pendelt zwischen Destruktivität<br />
<strong>und</strong> Sonnenschein. Und sie hat<br />
oft genug die andere Seite gezeigt. Eine<br />
clowneske Art, die sie gerne in den Vordergr<strong>und</strong><br />
stellt, getreu dem Motto »Das<br />
Leben ist eine große Spielwiese <strong>und</strong> ich<br />
will meinen Spaß«. Seinerzeit jedoch lebte<br />
sie ihre destruktive Art, zerstörte eigene<br />
Produkte <strong>und</strong> die von Kollegen, zwickte<br />
<strong>und</strong> kniff.<br />
Eine neue Strategie war gefragt. Ihr zuliebe,<br />
damit sie ihre sonnige Seite wiederfindet<br />
<strong>und</strong> den anderen Mitarbeitern zuliebe.<br />
Es gibt noch fünf andere Betreute<br />
mit FUB-Status. Es kommt zu einer Krisenbesprechung.<br />
Meik Fischer wird hinzugezogen.<br />
Er ist Fachkraft für Krisenma-<br />
nagement. Gemeinsam wird eine mittelfristige<br />
Strategie erstellt, um Sandra wieder<br />
mit ihrer konstruktiven Seite in Kontakt zu<br />
bringen.<br />
Inzwischen sind mehrere Monate vergangen.<br />
Sandra hat ein sehr aufwändiges<br />
Programm hinter sich. Phasen mit viel Zuwendung<br />
wechselten mit weniger Zuwendung<br />
ab. Es wurde ein Programm erstellt,<br />
in dem klare Regeln definiert wurden,<br />
konstruktives Mitarbeiten mit positiven<br />
Verstärkern unterstützt wurde. Ein gegenseitiges<br />
Abtasten <strong>und</strong> erneutes Kennenlernen,<br />
ein Prozess bei dem sich jeder von antrainierten<br />
<strong>und</strong> gewohnten Verhaltensmustern<br />
lösen musste <strong>und</strong> sich neue Wege der<br />
Kommunikation öffneten. Es wurde für<br />
beide Seiten ein fruchtbarer Weg.<br />
Sandra ist zunehmend selbstständiger<br />
geworden. Sie stampft ihre Kacheln, ohne<br />
diese zu zerpflücken. Ihre Technik hat sich<br />
deutlich verbessert. Der Gummihammer<br />
wird jetzt von oben nach unten geschwungen<br />
<strong>und</strong> nicht von der Seite.<br />
Sie stampft gleichmäßig, bis die Kacheln<br />
fertig sind, danach steht sie auf <strong>und</strong><br />
schneidet in Begleitung überschüssigen<br />
Ton ab. Toilettengänge sind inzwischen<br />
eine Selbstverständlichkeit. Sie lässt sich<br />
von Rebecca bei der Arbeit anfeuern, wenn<br />
diese sie mit selbst gedichteten Liedern begleitet:<br />
Sa-a-andra, Sa-a-andra,<br />
sta-a-ampft den To-on,<br />
sta-a-ampft den To-on,<br />
mit dem Gummihammer,<br />
mit dem Gummihammer<br />
Ding Dang Dong, Ding Dang Dong<br />
Tobias Bieler<br />
Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser, in beiliegendem<br />
Prospekt wird das Besondere<br />
an der neu organisierten Tonwerkstatt<br />
beschrieben. Wir würden<br />
uns sehr freuen, wenn Sie uns in unserem<br />
Bestreben unterstützen, diesen<br />
Arbeitsbereich für Menschen mit besonderem<br />
Hilfebedarf aus- beziehungsweise<br />
umzubauen.<br />
Ihr Klaus Hilsenbek<br />
Fasnetball hilft beim Umbau der Tonwerkstatt Chor singt beim Kneipenabend<br />
Klaus Mahl, Ursula Mahl, Roland Widenhorn <strong>und</strong> Anja Kretz von den Nussdorfer Vereinen<br />
übergaben Klaus Hilsenbek (zweiter von links) einen Scheck über 1200 Euro. Das Geld wird für<br />
den Umbau der Tonwerkstatt verwendet. Foto: Anthia Schmitt<br />
Der Pfullendorfer Chor »Chips & Flips«, der von Veronika Treubel geleitet wird <strong>und</strong> im kommenden<br />
Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert, hat bei den betreuten Menschen <strong>und</strong> ihren Betreuern<br />
in der <strong>Lebens</strong>- <strong>und</strong> Arbeitsgemeinschaft Lautenbach für eine Superstimmung gesorgt. Die<br />
Sängerinnen <strong>und</strong> Sänger gestalteten unter der Leitung von Josef Blender im April den monatlichen<br />
»Kneipenabend« im Kulturcafé mit bekannten Schlagern. Die Lautenbacher genossen den fetzigen<br />
Auftritt <strong>und</strong> waren derart begeistert, dass sie gern in die schwungvollen Melodien einstimmten <strong>und</strong><br />
sogar munter das Tanzbein schwangen. Text/Foto: Anthia Schmitt
<strong>Sommer</strong> <strong>2008</strong> Die Lautenbacher Zeitung<br />
Die Lehr- <strong>und</strong> Lernzeit bildet den Weg ins Leben<br />
Im neu entstehenden Bildungsplan für<br />
die »Sonderschule G« in Baden-Württemberg<br />
steht neben der Vermittlung<br />
des kulturellen Erbes <strong>und</strong> der lebensweltorientierten<br />
Bildung der Erwerb<br />
von fachlichen sowie von sozialen <strong>und</strong><br />
personalen Kompetenzen an oberster<br />
Stelle.<br />
Unterschiedlichste Fragen drängen sich<br />
auf: »Was ist unter kulturellem Erbe zu<br />
verstehen?«, »Was wird als gegenwärtige<br />
beziehungsweise zukünftige <strong>Lebens</strong>welt<br />
betrachtet?«, »Was ist mit sozialen <strong>und</strong> personalen<br />
Kompetenzen gemeint?« … Gilt<br />
es, sich – zur Beantwortung der Fragen - an<br />
gängige gesellschaftliche Normen anzulehnen,<br />
oder eröffnet sich nicht eher durch<br />
einen Blick auf die eigentliche Aufgabe von<br />
Erziehung, »die ges<strong>und</strong>e Menschwerdung«,<br />
ein weites Feld an Antworten <strong>und</strong><br />
Anregungen?<br />
Auftrag von Schule ist, jungen Menschen<br />
Entwicklungsräume <strong>und</strong> Bildungsinhalte<br />
anzubieten, in <strong>und</strong> an denen sie ihre<br />
individuellen Menschwerdungsimpulse<br />
immer bewusster erkennen <strong>und</strong> ergreifen<br />
lernen, um sich als freie, sich selbst bewusste<br />
<strong>und</strong> selbst bestimmende Menschen<br />
den Gegenwarts- <strong>und</strong> Zukunftsaufgaben<br />
verantwortungsvoll zuzuwenden.<br />
Nun stellt sich der aufgezeigte Menschenbildungsauftrag<br />
je nach <strong>Lebens</strong>alter<br />
der Schüler <strong>und</strong> Schulart unterschiedlich<br />
dar. Die Bildungs- <strong>und</strong> Schullandschaft<br />
weist eine Vielzahl öffentlicher <strong>und</strong> privater<br />
Bildungswege <strong>und</strong> Schulformen aus,<br />
die Kinder <strong>und</strong> Jugendliche mit besonderem<br />
Hilfe- <strong>und</strong> Förderbedarf auf ein<br />
Im Rahmen der Angehörigentagung<br />
hat Klaus Hilsenbek vom Leitungsteam<br />
Klaus Dellbrück in den Ruhestand<br />
verabschiedet. In Zukunft<br />
nimmt Hilsenbek selbst die Koordination<br />
der Spenden in die Hand.<br />
Klaus Hilsenbek möchte zuallererst einen<br />
kräftigen Dank aussprechen. Er gilt<br />
Klaus Dellbrück, der als Spendenkoordinator<br />
über sechs Jahre für die Lautenbacher<br />
Gemeinschaften gewirkt hat <strong>und</strong> Ende<br />
April in den wohlverdienten Ruhestand<br />
ging. Bei der diesjährigen Eltern- <strong>und</strong> Angehörigentagung<br />
in Lautenbach ließ Hilsenbek<br />
noch einmal Revue passieren, was<br />
alles durch Dellbrücks Wirken in Lautenbach<br />
im Großen wie im Kleinen umgesetzt<br />
werden konnte.<br />
Immer entscheidend dabei war der<br />
Spenderwille von vielen Spendern, der<br />
sich auf verschiedene Projekte konzentrierte<br />
<strong>und</strong> für welchen Klaus Dellbrück<br />
ein tiefes Verständnis <strong>und</strong> immer ein offenes<br />
Ohr hatte. Die Transparenz bei der<br />
Darstellung der einzelnen Vorhaben, der<br />
Zusammenhang der einzelnen Projekte<br />
mit den Zielen unserer Arbeit mit betreuten<br />
Menschen, für welche er um Spenden<br />
warb, war ihm immer ein großes Anliegen.<br />
Vieles, angefangen beim Kachelofen im<br />
Taulerhaus über den Umbau des alten<br />
Stalles in eine funktionstüchtige Dorfmeisterei<br />
<strong>und</strong> eine Lehr- <strong>und</strong> Lernwerkstatt in<br />
selbstbestimmtes Leben in der Menschengemeinschaft<br />
vorbereiten.<br />
An Beispielen der Lehr- <strong>und</strong> Lernzeit in<br />
der <strong>Lebens</strong>- <strong>und</strong> Arbeitsgemeinschaft Lautenbach,<br />
der Werkstufe der Sonderschule<br />
G, wird im weiteren versucht, einige Antworten<br />
auf die oben gestellten Fragen zu<br />
finden.<br />
Jugendliche, die mit besonderen Herausforderungen<br />
<strong>und</strong> Fragen an sich <strong>und</strong><br />
ihre Mitmenschen ins Leben getreten sind,<br />
wenden sich um das 16. <strong>Lebens</strong>jahr - nach<br />
einer vierwöchigen Prüfzeit - in freier Entscheidung<br />
einer <strong>Lebens</strong>welt zu, die ihnen<br />
sowohl von Seiten verantwortungsvoller<br />
Teilhabe, als auch von Seiten der Selbstfindung<br />
<strong>und</strong> Selbstbestimmung reale <strong>Lebens</strong>-<br />
<strong>und</strong> Zukunftsbilder aufzeigt.<br />
Das folgende Beispiel vom Schulausflug<br />
im <strong>Sommer</strong> 2007 zeigt, was gemeint ist:<br />
Angesagt sind vier Tage Zelten am <strong>und</strong> Segeln<br />
auf dem Bodensee. Die Begeisterung<br />
ist groß, doch je mehr der Zeitpunkt des<br />
ersten Segeltörns naht, desto deutlicher<br />
zeigt ein Junge seine Angst vor dem Besteigen<br />
des Bootes. Die Lehrerinnen <strong>und</strong><br />
Mitschüler bemühen sich redlich um ihn,<br />
doch erst die sachliche Darstellung des Segelns<br />
durch den Skipper ermutigt ihn, ins<br />
Boot zu steigen. Anfangs klammert er sich<br />
an der Lehrerin oder der Bordwand fest,<br />
doch löst sich seine Anspannung zusehends<br />
<strong>und</strong> irgendwann ist er bereit, die<br />
Ruderpinne zu übernehmen. Er strahlt<br />
<strong>und</strong> seine Ernsthaftigkeit im Steuern beeindruckt<br />
die anderen tief. Nun, nach wieder<br />
gewonnener Selbstkontrolle, übt er<br />
sich darin, die Kontrolle über ein Segelschiff<br />
auszuüben <strong>und</strong> gemeinsam mit dem<br />
der jetzt Kräuter getrocknet <strong>und</strong> weiterverarbeitet<br />
werden können, bis hin zu einem<br />
Sportfeld, um nur einige zu nennen,<br />
sind in diesen Jahren entstanden. Alle Projekte<br />
konnten nur mit Spendenmitteln<br />
entstehen, denn aus dem laufenden Haushalt<br />
sind solche Vorhaben schlicht <strong>und</strong> ergreifend<br />
nicht zu finanzieren.<br />
Seit vier Jahren gibt es den Lautenbacher<br />
Kalender mit Bildern von Betreuten, die<br />
unter Begleitung von Rosemarie Jakob innerhalb<br />
der kleinen Lautenbacher Volkshochschule<br />
zu verschiedenen Motiven sehr<br />
liebevoll gemalt werden. Auch das ist ein<br />
Projekt innerhalb der Spendenarbeit von<br />
Klaus Dellbrück. Viele Eltern haben sich für<br />
einzelne Projekte stark gemacht <strong>und</strong> ihn in<br />
seiner Arbeit tatkräftig unterstützt. An dieser<br />
Stelle seien besonders erwähnt die<br />
„Spendenhäusle“, welche Herr von Eif betreut,<br />
die Altgoldinitiative, die Herr Hallwachs<br />
begleitet, <strong>und</strong> Herr Bank, der sich sowohl<br />
für den Kachelofen im Taulerhaus, als<br />
auch für den Übungsraum der Blasmusik<br />
einsetzte, <strong>und</strong> selbstverständlich die vielen<br />
Helfer <strong>und</strong> Spender aus dem Eltern- <strong>und</strong><br />
Fre<strong>und</strong>eskreis, die Gutes leisten <strong>und</strong> oftmals<br />
nicht genannt werden wollen.<br />
Zu vielen Einzelspendern, aber auch zu<br />
Kuratorien von Stiftungen <strong>und</strong> namhaften<br />
Firmen hatte Klaus Dellbrück Kontakt. Er<br />
konnte dabei gute Beziehungen aufbauen,<br />
die zu Vertrauen <strong>und</strong> zur Unterstützung<br />
der Arbeit in den Lautenbacher Gemein-<br />
Skipper die Verantwortung für die zwölfköpfige<br />
Besatzung zu übernehmen.<br />
Basierend auf dem Waldorflehrplan der<br />
Oberstufe, der Menschheitserbe beinhaltet,<br />
ist der Lehrplan der Lehr- <strong>und</strong> Lernzeit<br />
auf die Entwicklung der Jugendlichen zur<br />
Erdenreife im körperlichen <strong>und</strong> geistigseelischen<br />
Bereich ausgerichtet. Das begriffliche,<br />
gefühlsmäßige <strong>und</strong> willentliche<br />
Erfassen <strong>und</strong> Durchdringen sowohl des eigenen<br />
Selbst als auch der Welt findet seine<br />
Entsprechung im Wechsel von gedanklicher<br />
Auseinandersetzung mit Unterrichtsinhalten,<br />
künstlerischem Tätigsein,<br />
Sprach- <strong>und</strong> Bewegungsbildung sowie<br />
realer, weltbezogener Werktätigkeit.<br />
Ein weiteres Beispiel: Dienstagvormittag<br />
um 10 Uhr, Wer<strong>kb</strong>eginn im vierten<br />
Lehrjahr: Da die Köchin der Schulküche<br />
erkrankt ist <strong>und</strong> die beiden Küchenhelferinnen<br />
voll <strong>und</strong> ganz damit ausgelastet<br />
sind, das Mittagessen für 30 Personen zuzubereiten,<br />
bittet die Lehrerin die beiden<br />
der Schulküche zugeteilten Schüler, sich<br />
für die Dauer der Erkrankung andere<br />
Werkstätten auszuwählen. Beide Jugendliche<br />
zeigen <strong>und</strong> äußern deutliche Entrüstung<br />
gegenüber diesem Ansinnen, da<br />
doch gekocht werden muss »Die anderen<br />
brauchen doch ihr Mittagessen!« Sie betonen,<br />
in der Küche mitarbeiten zu wollen.<br />
Sie bereiten einen gemischten Salat <strong>und</strong> eine<br />
Yoghurtspeise zu, helfen beim Abwasch<br />
mit <strong>und</strong> erklären der Lehrerin, dass <strong>und</strong><br />
wie nach dem Abwasch die Spülmaschine<br />
zu reinigen ist.<br />
Der Werkunterricht der Lehr- <strong>und</strong><br />
Lernzeit findet in den zwölf handwerklich<br />
orientierten produzierenden oder dienst-<br />
schaften geführt haben. Ihm ist zu verdanken,<br />
dass diese Vertrauens- <strong>und</strong> Beziehungsarbeiten<br />
vielfältige Früchte getragen<br />
haben, <strong>und</strong> dafür soll an dieser Stelle<br />
nochmals ein herzliches Dankeschön ausgesprochen<br />
werden.<br />
Für die Dorfgemeinschaft Lautenbach<br />
führt künftig Klaus Hilsenbek diese Arbeit<br />
fort. Ingrid Weis übernimmt die administrativen<br />
Aufgaben auf Honorarbasis im<br />
Spendenbereich. Sie war vor Jahren Mitarbeiterin<br />
in der Lautenbacher Verwaltung<br />
<strong>und</strong> hatte während dieser Zeit auch die<br />
Spendenarbeit als Teil ihrer Aufgaben. In<br />
Zukunft werden Lautenbach <strong>und</strong> Tennental<br />
stärker innerhalb des jeweils eigenen<br />
Umfelds die Spenden <strong>und</strong> Sponsoringaufgaben<br />
übernehmen. Wie diese Aufgabe<br />
sich innerhalb der Lautenbacher Gemeinschaften<br />
gGmbH darstellt, ist Sache der<br />
Gesellschafterversammlung.<br />
Eine der ersten Aufgaben in Lautenbach<br />
ist die Erstellung des neuen Kalenders.<br />
Weiterhin steht das Projekt Tonwerkstatt<br />
an. Dort soll ein neuer Bereich für Menschen<br />
mit hohem Hilfebedarf entstehen,<br />
ein Schwerpunktprojekt des Fre<strong>und</strong>eskreises<br />
im laufenden Jahr.<br />
Klaus Hilsenbek möchte allen Unterstützern<br />
der Lautenbacher Arbeit danken<br />
<strong>und</strong> hofft, dass er <strong>und</strong> die gesamte Einrichtung<br />
weiter auf viel Engagement seitens<br />
der Spender <strong>und</strong> Sponsoren bauen<br />
dürfen. Klaus Hilsenbek<br />
leistenden Werkstätten der Dorfgemeinschaft<br />
statt. Was oftmals nur in gezielt gesetzten<br />
Einzelfördermaßnahmen möglich<br />
wird, geschieht während der Werkarbeit<br />
wie nebenbei: die Pflege <strong>und</strong> Anregung der<br />
unteren Sinne, der Erwerb fachlicher<br />
Kompetenzen im Umgang mit Werkstoffen<br />
<strong>und</strong> Werkzeugen, das willenhafte Ergreifen,<br />
Durchdringen <strong>und</strong> Umgestalten<br />
von Welt, der Erwerb sozialer Kompeten-<br />
Schulausflug im <strong>Sommer</strong> 2007. Vier Tage<br />
segeln auf dem Bodensee war ein besonderes<br />
Erlebins für die Schüler.<br />
zen - die Ausrichtung auf ein „Du“. Alle<br />
Werktätigkeit der Jugendlichen vollzieht<br />
sich im Umfeld des Tätigkeitsbereichs erwachsener<br />
Menschen mit Behinderung.<br />
Diese treten als Vorbilder <strong>und</strong> „Lehrer“<br />
Klaus Dellbrück geht in den Ruhestand Das Seminar ändert sich<br />
Klaus Hilsenbek (links) <strong>und</strong> Marlies Knoop verabschiedeten im Rahmen der Angehörigentagung den langjährigen Spendenkoordinator Klaus<br />
Dellbrück. Foto: Anthia Schmitt<br />
Neben der Betreuung <strong>und</strong> Anleitung<br />
von Menschen mit Behinderungen<br />
gehört die Ausbildung von Heilerziehungspflegern<br />
zu den ureigensten Aufgaben<br />
der <strong>Lebens</strong>- <strong>und</strong> Arbeitsgemeinschaft<br />
Lautenbach. In jedem Jahr<br />
beginnen junge Menschen dort ihre<br />
Ausbildung, um sie drei Jahre später als<br />
staatlich anerkannte Heilerziehungspfleger<br />
zu beenden. Ausgebildet werden<br />
sie in den Familien <strong>und</strong> Werkstätten,<br />
aber auch in einer eigens eingerichteten<br />
Schule, dem Seminar, das<br />
von Elke Zech geleitet wird. Derzeit<br />
befindet sich das Seminar im Umbruch.<br />
Während die vergangenen Jahre dem<br />
Aufbau äußerer <strong>und</strong> innerer Strukturen gewidmet<br />
waren, ging es in den vergangenen<br />
Monaten hauptsächlich um innere Prozesse.<br />
»Wie soll es weitergehen mit dem Seminar<br />
in der Dorfgemeinschaft Lautenbach?“,<br />
war die Frage, der man sich stellen musste.<br />
Die Anfragen nach einem Ausbildungsplatz<br />
zum Heilerziehungspfleger waren gar<br />
nicht so gering, so dass viele Bewerbungsgespräche<br />
geführt <strong>und</strong> die dazugehörigen<br />
Schnupperwochen absolviert wurden.<br />
In den unterschiedlichsten Gremien <strong>und</strong><br />
Konferenzen wurde diskutiert, auch darüber,<br />
ob die neue Prüfungsordnung in Lautenbach<br />
wirklich umsetzbar ist <strong>und</strong> ob sich<br />
die Familien <strong>und</strong> Werkstätten dieser Aufgabe<br />
stellen wollen. Auch das Zusammengehen<br />
mit einer anderen Schule wurde angesprochen.<br />
Ausgiebig wurde analysiert,<br />
was es für Lautenbach bedeuten würde,<br />
keine eigene Schule mehr zu unterhalten<br />
oder womöglich überhaupt nicht mehr<br />
auszubilden. Zu bedenken waren Aspekte<br />
wie der durch die Größe der Schule bedingte<br />
enge Kontakt zu den Seminaristen,<br />
die Struktur der Fachpraxis, die Einteilung<br />
des freien Tags der Auszubildenden, das<br />
eigene Profil, die Kosten oder die Attraktivität<br />
Lautenbachs als Praxisstelle.<br />
Seite 3<br />
neben den Heranwachsenden <strong>und</strong> weisen<br />
Wege in erfülltes, verantwortungsbewusstes<br />
<strong>und</strong> zukunftschaffendes berufliches<br />
Dasein.<br />
Noch ein Beispiel: Herbst 2007, die<br />
Umzüge innerhalb des Dorfes stehen vor<br />
der Tür. Ein junger Mann kommt vor dem<br />
Schulhaus auf seine ehemalige Lehrerin zu<br />
<strong>und</strong> verkündet freudestrahlend: »Ich ziehe<br />
jetzt in die Selbständigengruppe! Weißt du<br />
noch, als wir damals im vierten Lehrjahr<br />
übers Wohnen gesprochen haben, da habe<br />
ich gesagt, dass ich später mal selbständiger<br />
wohnen will. Jetzt bin ich so weit <strong>und</strong> mache<br />
das!«<br />
Die Unterschiedlichkeit der Wohnformen<br />
innerhalb der Gemeinschaft, Großfamilie,<br />
Selbständigengruppe oder Begleitetes<br />
Wohnen in der Stadt, erlauben den<br />
Heranwachsenden, ein differenziertes <strong>und</strong><br />
realitätsnahes Bild zukünftiger selbstbestimmter<br />
<strong>Lebens</strong>plangestaltung zu gewinnen.<br />
Da für die Schüler nach Beendigung der<br />
Schulzeit die Möglichkeit besteht, als Erwachsene<br />
ihren <strong>Lebens</strong>mittelpunkt in den<br />
Lautenbacher Gemeinschaften zu finden,<br />
verwandelt sich während der Werkstufenzeit<br />
der Prozess der Ablösung von der Ursprungsfamilie<br />
oftmals in ein bewusstes<br />
Sich-Beheimaten-Wollen im neuen <strong>Lebens</strong>umfeld.<br />
Selbstbestimmung <strong>und</strong> Verantwortungsbewusstsein<br />
bilden sich dann aus,<br />
wenn der Heranwachsende von seiner realen<br />
<strong>Lebens</strong>umwelt in seinem individuellen<br />
Entwicklungspotential positiv angesprochen<br />
<strong>und</strong> zur Teilhabe herausgefordert<br />
wird. Beatrix Lindner-Ziegler<br />
Am Ende aller Überlegungen <strong>und</strong> Abwägungen<br />
von Vor- <strong>und</strong> Nachteilen kam<br />
heraus, dass die Dorfgemeinschaft Lautenbach<br />
künftig bei der Ausbildung der Heilerziehungspfleger<br />
eine Kooperation mit<br />
anderen gleichgesinnten Einrichtungen<br />
eingeht. Dadurch soll nicht nur der anthroposophische<br />
Impuls gestärkt werden,<br />
sondern auch die Ausbildung auf anthroposophischer<br />
Basis optimiert werden, zumal<br />
die Kapazitäten besser genutzt werden<br />
können. Also wurden Gespräche mit dem<br />
Camphill Bodenseeseminar aufgenommen<br />
<strong>und</strong> ein Antrag auf Aufnahme in die<br />
Camphill Ausbildungen gGmbH als Gesellschafter<br />
gestellt.<br />
Für die Lautenbacher Seminarlehrer war<br />
dieser Schritt nicht einfach. Sie sind aufgefordert,<br />
Veränderungen anzunehmen <strong>und</strong><br />
sich von eigenen Impulsen zu verabschieden.<br />
Gleichzeitig wurde ihnen klar, dass<br />
Neues nur entstehen kann, wenn ein inneres<br />
<strong>und</strong> äußeres Loslassen stattfindet, so<br />
dass sie der Kooperation mit dem Camphill<br />
Bodenseeseminar, das in Frickingen<br />
eine Fachschule für Sozialwesen mit der<br />
Fachrichtung Heilerziehungspflege unterhält,<br />
nun mit positiven Gedanken entgegen<br />
sehen. Für die Lautenbacher Azubis<br />
bedeutet dies, dass sie künftig die Theorie<br />
gemeinsam mit Auszubildenden anderer<br />
Camphill-Einrichtungen in dem modernen<br />
Schulgebäude in Frickingen vermittelt<br />
bekommen. Das Lautenbacher Lehrerteam<br />
wird dort gemeinsam mit weiteren<br />
Lehrkräften unterrichten.<br />
Es besteht nun die Chance, dass mehrere<br />
Einrichtungen als gleichberechtigte<br />
Partner miteinander die Zukunft der anthroposophisch<br />
orientierten Ausbildungsgänge<br />
im Bodenseeraum gestalten <strong>und</strong><br />
weiterentwickeln. Das besondere Profil<br />
der Praxisstelle Lautenbach wie die Unterteilung<br />
der Ausbildung in Familien-,<br />
Werkstatt- <strong>und</strong> Projektjahr <strong>und</strong> die besondere<br />
Gestaltung der Fachpraxis bleibt auch<br />
weiterhin erhalten. Elke Zech<br />
Das neue zentrale Camphill-Ausbildungsgebäude für Behinderten-Einrichtungen in der Region<br />
zieht die Blicke auf sich. Die Ausbildungsstätte steht in Frickingen »mitten im Leben«. Hier werden<br />
Heilerziehungspfleger ausgebildet. Architekt Rupert Markus sprach von knisternder Spannung<br />
<strong>und</strong> Enthusiasmus auf der Baustelle. Foto: Hoyer
Seite 4 Die Lautenbacher Zeitung<br />
<strong>Sommer</strong> <strong>2008</strong><br />
In Sachen Kultur ist viel Abwechslung geboten<br />
Kultur hat in der <strong>Lebens</strong>- <strong>und</strong> Arbeitsgemeinschaft<br />
Lautenbach einen hohen<br />
Stellenwert. Regelmäßig werden Konzerte,<br />
Vorträge, Eurythmieaufführungen<br />
oder Kleinkunst angeboten, die von den<br />
Bewohnern, aber auch zunehmend von<br />
Gästen aus der Region gern angenommen<br />
werden. In den letzten Monaten<br />
standen unter anderem einige interessante<br />
Reiseberichte auf dem Programm.<br />
Norwegen, Finnland, Rumänien, Peru.....im<br />
Wilhelm-Meister-Saal gab es in<br />
den letzten Monaten einige große Reisen.<br />
Natürlich sind die Gäste nicht mit Koffern,<br />
Rucksäcken <strong>und</strong> Medizin gegen<br />
Durchfall unterwegs gewesen, mussten<br />
nicht St<strong>und</strong>en in Wartehallen verbringen,<br />
im strömenden Regen ein Hotel suchen,<br />
nasse Klamotten notdürftig im Zimmer<br />
trocknen, gegen aufdringliche Stechmücken<br />
kämpfen ... Alle diese weniger ersprießlichen<br />
Dinge blieben den Zuschauern<br />
mit der Lautenbacher Art des Reisens<br />
erspart.<br />
Natürlich bekamen die Gäste auch nicht<br />
immer einen umfassenden Eindruck von<br />
den teilweise sehr andersartigen Kulturen.<br />
Die Frage ist, ob man den auf echten Reisen<br />
erhält, oder ob es auch dort immer nur kleine<br />
Ausschnitte vom Ganzen sind, die der<br />
Reisende von den Menschen <strong>und</strong> Kulturen<br />
kennenlernt. Wer sich auf die Suche nach<br />
Begegnungen mit Menschen in fremden<br />
Ländern macht, braucht ziemlich viel Zeit<br />
<strong>und</strong> Mut dafür. Mut, ungeplante Situationen<br />
zu erleben <strong>und</strong> sich ihnen zu stellen.<br />
»Weihnachten, Geburtstage, Morgenfeiern:<br />
wie karg <strong>und</strong> dürftig wären solche<br />
Feste ohne das gemeinsame Singen!<br />
Heutzutage hat man aber fast<br />
keine gemeinsamen Lieder mehr, insbesondere<br />
wenn man etwas Anspruchsvolleres<br />
singen will <strong>und</strong> zudem<br />
ältere <strong>und</strong> jüngere Menschen<br />
beisammen sind.<br />
Was tun? In Lautenbach wurde dies<br />
lange Zeit nicht zum Problem, weil gemeinsame<br />
Lieder im Werkstufenbereich<br />
<strong>und</strong> in Erwachsenen-Singgruppen gepflegt<br />
wurden. Dann lösten sich letztere<br />
aber auf – die Kraft reichte abends<br />
nicht mehr.<br />
Um den Jahrtausendwechsel herum<br />
bemerkte ich, dass die gängigen Volkslieder<br />
irgendwie nicht mehr zur neuen<br />
Zeit pass-ten, besonders bei den jüngeren<br />
Menschen einfach nicht mehr ankamen.<br />
Durchaus eine Krise, eine Situation<br />
mit starkem Aufforderungscharakter,<br />
wollte man das gemeinsame Singen<br />
nicht versanden lassen!<br />
Welche Antworten haben wir in Lautenbach<br />
darauf gef<strong>und</strong>en? Ich selber habe<br />
mir die Pflege des gemeinsamen<br />
Liedgutes zu meinem persönlichen Anliegen<br />
gemacht. Hierbei kommt mir<br />
meine merkuriale Stellenbeschreibung<br />
entgegen, das heißt, ich trage dieses Anliegen<br />
in all die verschiedenen Aufga-<br />
Impressum<br />
Über die Dörfer<br />
R<strong>und</strong>brief der<br />
Dorfgemeinschaft Lautenbach<br />
Lautenbacher Gemeinschaften e.V.<br />
88634 Herdwangen-Schönach<br />
Redaktion: Reinhard Küst, Margit<br />
Ludwig, Anthia Schmitt <strong>und</strong> andere<br />
Fotos: Anthia Schmitt <strong>und</strong> andere<br />
Telefon: 0 75 52 / 2 62-0<br />
Telefax: 0 75 52 / 2 62-1 62<br />
Spendenkonto:<br />
Sparkasse<br />
Pfullendorf-Meßkirch<br />
Kto. Nr. 572 495<br />
BLZ 690 516 20<br />
www.lautenbacher-gemeinschaften.de<br />
Einige Eindrücke von diesen »Sitzreisen«<br />
sollen dem Leser nicht vorenthalten werden.<br />
Bereits zum zweiten Mal war Sebasti-<br />
Sebastian Burger berichtete von seiner Reise mit<br />
dem Tandem durch Südamerika.<br />
an Burger in Lautenbach. Er berichtete von<br />
seiner Reise mit dem Tandem durch Südamerika.<br />
Burgers Dias <strong>und</strong> seine direkte Art,<br />
über seine Erfahrungen <strong>und</strong> Erlebnisse zu<br />
erzählen, faszinierten die Zuschauer sofort.<br />
Viele bunte Bilder, viele Begegnungen<br />
konnten sie an diesem Abend miterleben.<br />
Burger hatte auch gleich die Lacher auf seiner<br />
Seite, als er den wahren Gr<strong>und</strong> für diese<br />
Reise verriet, die er vor etwa neun Jahren<br />
Mittwochs werden immer wieder neue Lieder erprobt.<br />
Kurz vor 17 Uhr war der Wilhelm-Meister-Saal<br />
voll besetzt.<br />
Viele Musi<strong>kb</strong>egeisterte<br />
waren nach Lautenbach gekommen,<br />
um sich das wechselhafte<br />
Aprilwetter durch<br />
stimmungsvolle Musik<br />
schön zu hören. Und den<br />
vier Musikern von »Das<br />
Blaue Einhorn« gelang es<br />
vom ersten Takt an, allen<br />
Zuhörern ein Lächeln auf<br />
das Gesicht zu zaubern.<br />
Seit mehr als 15 Jahren sind<br />
die Dresdner schon erfolgreich<br />
»oifm Weg« - sei es auf ihrem<br />
Weg als Band als auch auf dem<br />
Weg durch die Folklore der<br />
ganzen Welt. Der Name der<br />
Band stammt von einem Fabelwesen,<br />
das vom kubanischen<br />
Sänger Silvio Rodrigues in einer<br />
Weise besungen wird. Es<br />
fängt mit seinem Horn Gesänge<br />
aus der Nacht ein <strong>und</strong> teilt<br />
sie mit anderen. Ein Prinzip,<br />
das sich die Band zu eigen<br />
macht, auch wenn sie die Gesänge<br />
nicht aus der Nacht, son-<br />
unternommen hat: Mit Hilfe des Tandemfahrens<br />
wollte er endlich mal ein Mädchen<br />
küssen! Sebastian hatte sein Tandem mitgebracht<br />
<strong>und</strong> ließ am Ende jeden, der wollte,<br />
mitfahren. Bestimmt 30 rasante R<strong>und</strong>en<br />
drehte er im Wilhelm-Meister-Saal.<br />
Ganz anders war der Biographieabend<br />
über den aus Norwegen stammenden Edvard<br />
Grieg, der genau einen Monat zuvor<br />
mit Alexander Schories am Klavier <strong>und</strong><br />
Bernd Schulz als Sprecher stattfand. Was<br />
fällt dem Leser zum Thema Edvard Grieg<br />
ein? Vielleicht Peer Gynt? Und sonst? Wer<br />
an diesem Abend dabei war, konnte selten<br />
gespielte Klavierstücke von Grieg hören,<br />
die verzauberten <strong>und</strong> in w<strong>und</strong>ersame norwegische<br />
Sphären entführten. Und dazwischen<br />
erzählte Bernd Schulz sehr anschaulich<br />
über den Komponisten Grieg.<br />
Norwegen grenzt ganz oben im Norden<br />
von Skandinavien an Finnland, von wo der<br />
Soinningkajo-Chor nach Lautenbach kam.<br />
Im Gepäck hatte er ein bunt aus klassischen<br />
<strong>und</strong> folkloristischen Stücken gemischtes<br />
Programm. Dieser Chor übt an der sogenannten<br />
»Schule der Stimmenthüllung«,<br />
einer Gesangsmethode nach Valborg Werbeck-Svärdström.<br />
Wie auch bei Eurythmieaufführungen<br />
sind die Gespräche nach<br />
Konzerten, deren Künstler einen hohen<br />
Anspruch an ihren künstlerischen Ansatz<br />
haben, sehr interessant. Misst man als<br />
Zuhörer das Dargebotene an seinem eigenen<br />
Anspruch, an dem, was man über den<br />
Künstler gehört oder gelesen hat? Oder<br />
versucht man, mit wohlwollender Sympathie<br />
einfach zu genießen?<br />
Ein kleiner Eindruck von »hinter den<br />
Kulissen« wird hier geschildert, kaum jemand<br />
in Lautenbach wird es wahrgenommen<br />
haben: Die Sänger hatten schon fast<br />
zwei Tourneewochen hinter sich, als sie<br />
in Lautenbach eintrafen. In den Tagen davor<br />
waren nacheinander fast alle an Magen-<br />
<strong>und</strong> Darmproblemen erkrankt, teilweise<br />
sind sie bei den Konzerten, die ja<br />
trotzdem gesungen werden mussten, fast<br />
umgefallen. Und dann stand der Auftritt<br />
in Lautenbach noch dazu unter etwas veränderten<br />
Bedingungen, die den Chor<br />
nicht mehr erreichten, weil deren Handy<br />
Kultureller Besuch aus dem hohen Norden: Der<br />
Chor Soinningkajo aus Norwegen.<br />
abgeschaltet war. Dies führte zu Unsicherheiten,<br />
<strong>und</strong> das, als die kränkelnden<br />
Chorsänger sowieso am Rande ihrer Kräfte<br />
waren. Am Montag mussten deshalb<br />
die Rückflüge umgebucht werden. Die<br />
dern aus der Welt einfängt <strong>und</strong><br />
interpretiert.<br />
Mit dem Lautenbacher Publikum<br />
teilten sie traditionelles<br />
Liedgut aus Osteuropa, Südamerika<br />
<strong>und</strong> dem Mittelmeerraum.<br />
Vom serbischen Volkslied<br />
über jidische Volksweisen<br />
bis zum Sinti-Swing stimmten<br />
Paul Hoorn, Andreas <strong>und</strong> Dietrich<br />
Zöllner sowie Florian<br />
Mayer beschwingte aber auch<br />
melancholische Rhythmen an.<br />
»Das Leben ist eine Reise, die<br />
man unterschiedlich begehen<br />
kann.«, erklärte Paul Hoorn bei<br />
der Begrüßung. Dass man seinen<br />
<strong>Lebens</strong>weg fröhlich tanzend<br />
bewältigen kann, vermittelte<br />
der eingangs intonierte<br />
serbische Tanz. Auch die »jiddische«<br />
Volksweise im Anschluss<br />
handelte davon, dass<br />
das Leben ein Spaß sei <strong>und</strong> man<br />
nicht grämlich dreinblicken<br />
sollte. Gesagt, getan: Viele im<br />
Publikum wippten zum Takt<br />
mit den Füßen <strong>und</strong> klopften<br />
sich vergnügt auf die Schenkel.<br />
Agathe Paglia (Südkurier)<br />
kranken Mägen verweigerten das Essen,<br />
das ja trotzdem für die Künstler aufgetischt<br />
wurde <strong>und</strong> nur angeknabbert wieder<br />
abgetragen wurde. Zum Unwillen der<br />
Schüler in der Schulküche, die ja nichts<br />
vom angeschlagenen Ges<strong>und</strong>heitszustand<br />
der Sänger wussten. Es war wirklich erstaunlich,<br />
wie sich in so kurzer Zeit so<br />
viele kleine Missstimmungen abspielen<br />
konnten, <strong>und</strong> dabei meinten es doch alle<br />
nur gut.<br />
Der größte Event im April war »Das<br />
blaue Einhorn« aus Dresden mit Musik aus<br />
Osteuropa <strong>und</strong> Südamerika. Schon Wochen<br />
vorher wurde immer wieder bei Organisatorin<br />
Sabine Haußmann angefragt,<br />
ob es noch Karten gäbe, so dass vorsichtshalber<br />
alle verfügbaren Stühle in den Saal<br />
geschleppt wurden. Zurecht, der Saal wurde<br />
voll wie sonst selten.<br />
Da im zweiten Teil des Nachmittags getanzt<br />
werden durfte, entwickelte sich einer<br />
der in Lautenbach so beliebten Tanz &<br />
Hüpf-Events, der sicherlich für die von<br />
außerhalb kommenden Konzertbesucher<br />
ein ungewohnter Anblick war. Den Lautenbachern<br />
fällt es ja nicht mehr auf, aber im<br />
sonstigen Tanzbetrieb sind die Tanzarten<br />
ziemlich getrennt: Standardtanz oder Disco<br />
oder Volkstanz oder Salsa. Und in Lautenbach?<br />
Freistil. Getanzt wird alles, was Spaß<br />
macht, <strong>und</strong> nicht selten hört man auch ein<br />
Jauchzen <strong>und</strong> Mitsingen. Im letzten Teil des<br />
hinreißenden Nachmittags spielte die Band<br />
dann wieder ein paar Stücke ohne Tanz, so<br />
dass sie auch wieder besser gehört werden<br />
konnte. Sabine Haußmann<br />
Wo man singt, da lass’ dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder …<br />
benfelder hinein, in denen ich ohnehin<br />
wirke.<br />
Das sieht folgendermaßen aus: Früh<br />
um 8 Uhr findet als Werkstattbeginn<br />
der Erwachsenen der Morgenspruch im<br />
Wilhelm-Meister-Saal statt. Hier sorge<br />
ich für ein passendes, meist aufmunterndes<br />
Lied, das uns in den Tag trägt.<br />
Aber natürlich finden Geburtstage ihre<br />
kräftige Würdigung wie auch besondere<br />
Lieder bei Trauerfällen angestimmt<br />
werden.<br />
Ebenfalls im großen Saal, jeden Mittwochmorgen<br />
direkt anschließend an<br />
den Morgenspruch, bleiben alle die<br />
wollen <strong>und</strong> können da <strong>und</strong> begleitet auf<br />
der Gitarre werden bekanntere Lieder<br />
aufgefrischt – damit auch neu hinzu gekommene<br />
Mitarbeiter eingeb<strong>und</strong>en<br />
werden –, wie auch neue Lieder eingeübt.<br />
Dies dauert jeweils etwa 20 Minuten<br />
<strong>und</strong> zählt übrigens zu recht als arbeitsbegleitende<br />
Maßnahme.<br />
Weiter im Program geht es dann<br />
gleich ein Stockwerk tiefer mit der<br />
ganzen Schülergruppe im rhythmischen<br />
Teil des Unterrichts. Hier sind<br />
vor allem solche Lieder gefragt, die zur<br />
Gliedmaßentätigkeit oder zur Betätigung<br />
von Schellen, Rasseln oder Trommeln<br />
einladen; natürlich eher schwungvolle,<br />
aber selbstverständlich auch die in<br />
Lautenbach verbreiteten Jahresfesteslieder<br />
.<br />
»Das blaue Einhorn« begeistert die Zuschauer<br />
In den Wochenlauf verteilt, meistens<br />
montags oder freitags, gebe ich Psychologie<br />
<strong>und</strong> Soziologie im Seminar. Zu<br />
Beginn des Unterrichts machen wir<br />
rhythmische Übungen <strong>und</strong> schmettern<br />
Leben weckende Lieder, damit mal etwas<br />
anderes als der arme Kopf angesprochen<br />
wird, oft bewegen wir uns<br />
auch dabei im Raum oder draußen.<br />
Seit einigen Jahren haben wir die Tradition<br />
zu Beginn der wöchentlichen<br />
Lautenbachkonferenz gemeinsam zu<br />
singen <strong>und</strong> natürlich bei jedem Religionskreis,<br />
der etwa monatlich stattfindet.<br />
Es gibt Projektchor-Aktionen vor den<br />
größeren Jahresfesten (gerade wieder<br />
angelaufen für die Karwoche <strong>und</strong> Ostersonntag),<br />
denn auch bei unserer Sonnenaufgangsr<strong>und</strong>e<br />
<strong>und</strong> beim fröhlichen<br />
Osterfrühstück wollen wir miteinander<br />
singen ...<br />
So gewinnt der gemeinsame Gesang<br />
langsam wieder Boden – zu unserer aller<br />
Freude <strong>und</strong> gemütlichen Gemeinschaftsbildung.<br />
Zitat aus unserem Leitbild: »Krisen<br />
können im günstigen Falle zu Keimen<br />
positiver Entwicklungen werden« <strong>und</strong><br />
»Nicht nur Besinnliches, auch Leichtigkeit<br />
<strong>und</strong> Humor, ausgelassene Feiern zu<br />
besonderen Gelegenheiten bilden die<br />
spritzige Würze des Alltags <strong>und</strong> wollen<br />
weiter ausgebaut werden.«<br />
Maria-Elisabeth Busche<br />
Termine in<br />
Lautenbach<br />
Sonntag , 29. Juni, 19.30Uhr<br />
Grenzflächen<br />
Eurythmieabschlussklasse Den Haag<br />
Wilhelm-Meister-Saal<br />
Sonntag , 13. Juli, 19.30Uhr<br />
<strong>Sommer</strong>konzert des<br />
Waldorfkiga Lautenbach<br />
Benefizveranstaltung der Eltern<br />
für ihren Kindergarten<br />
Wilhelm-Meister-Saal<br />
Sonntag , 28. Sept., 19.30Uhr<br />
Ben, der Bär <strong>und</strong> die<br />
Traumfischsegler<br />
Pendel-Marionettentheater,<br />
Hermuthausen<br />
Wilhelm-Meister-Saal<br />
Sonntag , 9. Nov., 16.30Uhr<br />
Theatergruppe Schauspielplatz<br />
Leitung: Claudius Hoffmann<br />
Wilhelm-Meister-Saal