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(Sommer 2008) - 355 kb PDF - Lebens- und Arbeitsgemeinschaften ...

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Seite 2 Die Lautenbacher Zeitung<br />

<strong>Sommer</strong> <strong>2008</strong><br />

Betreuer fördern Selbstvertrauen <strong>und</strong> Ausdauer<br />

»Oh nee, ich weiß nicht, ob ich das<br />

kann, eh!« – »Na klar, du schaffst das.<br />

Ich mach’ Dir einen Vorschlag: wir fangen<br />

gemeinsam an, ich helfe Dir, <strong>und</strong><br />

Du kannst dann alleine weiterarbeiten.«<br />

Ein gewohnter Einstieg in eine bekannte<br />

Arbeit, jedenfalls für Elli Moisee (Name<br />

geändert) <strong>und</strong> ihren Werkmeister. Selbstvertrauen<br />

<strong>und</strong> Ausdauer zählen nicht zu<br />

Ellis Stärken. Ihre Betreuer wissen das.<br />

Deswegen versuchen sie sie vorsichtig bis<br />

an ihre Grenzen zu bringen <strong>und</strong> mit ihr gemeinsam<br />

den »gefährlichen Schritt ins unbekannte<br />

Neuland zu wagen«. Die Grenze,<br />

das ist da, wo Struktur <strong>und</strong> Ausdauer gefragt<br />

sind – für Elli; denn sie ist mehr der<br />

kreative, spontane Typ. Spontan zu allem<br />

bereit, wenn sie gut gelaunt ist. Spontan alles<br />

fallen lassend, wenn ihre Laune kippt.<br />

Elli ist eine von derzeit 30 Betreuten im<br />

Tonbereich, zehn im Kerami<strong>kb</strong>ereich<br />

(Geschirr) <strong>und</strong> 20 im Kachelbereich. Bereich?<br />

Ja, richtig denn seit 2006 sind beide<br />

Bereiche eine gemeinsame Werkstatt, in<br />

der die Betreuten auch die Möglichkeiten<br />

haben, zwischen den Werkstätten zu »wandern«.<br />

Eine Möglichkeit, die nicht nur für<br />

Elli verlockend ist. Maria <strong>und</strong> Bernd haben<br />

ebenso den Schritt in fremde Gefilde<br />

geschafft.<br />

Vera hat sich sogar ganz in den Kachelbereich<br />

gewählt, weil sie genug vom Staub<br />

hatte, wie sie immer wieder betont.<br />

Und wenn sie nicht gerade jemanden<br />

hinterrücks im Flur erschreckt, begleitet<br />

von einem »nur Späßchen«, stampft sie<br />

mehr oder weniger fleißig Kacheln. Ja, so<br />

ganz einfach ist es nicht von einem Bereich<br />

in den anderen zu wechseln. Von Elli,<br />

Bernd, Vera <strong>und</strong> Maria erfordert das eine<br />

gehörige Portion Flexibilität <strong>und</strong> Mut zu<br />

Neuem. Von den Betreuern – ja, die gibt es<br />

auch <strong>und</strong> sie arbeiten nicht wenig – ein immenses<br />

Pensum an Integrations- <strong>und</strong> Mo-<br />

tivationsarbeit – zusätzlich zu der eigentlichen<br />

Werkstattarbeit<br />

Und was soll das schon wieder sein. Eigentliche<br />

Werkstattarbeit? Eines ist sicher:<br />

Eigentliche Werkstattarbeit, das ist mitunter<br />

ein Streitpunkt. Produktive Arbeit ? Betreuungsarbeit?<br />

Im Zentrum der Werkstatt<br />

steht der Mensch <strong>und</strong> damit ist das Zentrum<br />

der Arbeit die Arbeit mit dem Menschen<br />

<strong>und</strong> das Produkt ist Mittel zum<br />

Zweck, der Rahmen <strong>und</strong> das Mittel, um<br />

Betreuung zu gewährleisten sowie Selbstvertrauen<br />

<strong>und</strong> Selbstwertgefühl zu fördern.<br />

Werfen wir also einen Blick auf die Arbeit<br />

mit einem Seitenblick auf die Produkte:<br />

»Gell, Uwe, r<strong>und</strong> <strong>und</strong> dick. Schön r<strong>und</strong><br />

müssen die Kanten sein. Sonst macht’s<br />

Aua«. Christel hat ein sehr klares Wertesystem.<br />

Sie ist zu einem großen Teil verantwortlich<br />

für die Esshilfeteller, das traditionellste<br />

Produkt des Lautenbacher Geschirrbereichs.<br />

Und über die Jahre hinweg<br />

das erfolgreichste.<br />

Dafür muss die Qualität stimmen <strong>und</strong><br />

das ist nicht so einfach. Immer wieder<br />

müssen Uwe <strong>und</strong> vor allem Bernd die Kriterien<br />

mit Christel besprechen. Und das<br />

bringt uns bisweilen in arge Nöte, Christel<br />

ebenso wie ihre Betreuer, denn einmal bearbeitet,<br />

ist sie nur äußerst schwer dazu zu<br />

bewegen, ein Stück zum wiederholten Mal<br />

in die Hand zu nehmen.<br />

»Ich hab den Teller schon geschmirgelt«,<br />

sagt Christel. »Ja, jetzt schauen wir ihn uns<br />

nochmal gemeinsam an, das ist noch nicht<br />

so wie ich es will«, antwortet Bernd. Christel<br />

gibt lauter zurück: »Nein, der Teller ist<br />

fertig«. »Schau bitte den Rand nochmal genau<br />

an«, sagt Bernd. Christel: » Nein. geht<br />

nicht. Morgen muss ich zum Friseur«.<br />

Und zu Uwe: »Der ärgert mich“.<br />

Gott sei Dank ist Bernd Profi, <strong>und</strong> inzwischen<br />

schafft Christel es auch meistens,<br />

sich von ihm korrigieren zu lassen. Ein<br />

großer Schritt vorwärts: Kritikfähigkeit,<br />

Teamfähigkeit entwickeln, flexibel werden.<br />

Bernd hat großartige Arbeit in diesem<br />

Bereich geleistet. Insbesondere die Ausbildung<br />

von Dude zum meist zuverlässigen<br />

»Gießrinnenchef«, naja, bei den Esshilfetellern<br />

stark unterstützt von Christel, ist<br />

sein Verdienst. Wobei der Tätigkeitsbereich<br />

von Dude bei weitem nicht an der<br />

Gießrinne endet.<br />

Die Gießkeramik stand am Anfang der<br />

Lautenbacher Keramikwerkstatt. Somit<br />

steht er mit einem Fuß in der Tradition,<br />

mit dem anderen in der jüngsten Weiterentwicklung.<br />

Vor drei Jahren wurden zwei<br />

Eindrehmaschinen angeschafft als Gr<strong>und</strong>lage<br />

zur Herstellung einer neuen Produktlinie,<br />

um die Umsetzung eines neuen Designs<br />

zu verwirklichen. Und um den Betreuten<br />

neue Arbeitsbereiche zu erschließen,<br />

Möglichkeiten, sich in ihrem<br />

Berufsfeld weiter zu qualifizieren. Die Geschirrproduktion<br />

erfolgt inzwischen größtenteils<br />

auf der Eindrehmaschine.<br />

Die meisten Sonderprodukte, von Brillenhaltern<br />

bis Brottöpfen, entstehen an der<br />

Gießrinne. Aber nicht alle. Seit einem Jahr<br />

entwickeln die Betreuten, ja, die Betreuten,<br />

von Hand aufgebaute Kacheln <strong>und</strong><br />

überdrehte Geschirrteile. Allen voran Elli.<br />

Und hier schließt sich der Kreis. Noch immer<br />

fällt es ihr schwer durchzuhalten. Mit<br />

dem Unterschied: Früher hat sie aufgegeben,<br />

inzwischen arbeitet sie tapfer weiter.<br />

Über 100 Becher, alle maßgetreu, trotzdem<br />

jeder ein Einzelstück, Schüsseln <strong>und</strong><br />

Dessertteller hat sie inzwischen aufgebaut,<br />

<strong>und</strong>, zumindest was die Becher angeht,<br />

auch selber eingedreht. Immer wieder<br />

braucht sie die Motivation der Betreuer.<br />

Aber sie bleibt dran, <strong>und</strong> wenn sie mit<br />

Bernd auf das Erreichte blickt, glänzt der<br />

Stolz in ihren Augen. Und auch Dude befindet<br />

sich an der Eindrehmaschine. Als<br />

letztes Glied in der Kette des Jugendlichenprogramms.<br />

Als Erwachsener ein<br />

Vorbild für die Jüngeren, der im Team mit<br />

den Schülern die von Hand aufgebauten<br />

Schüsseln überdreht <strong>und</strong> ihnen somit den<br />

letzten Schliff gibt.<br />

Zuerst nur als Teilstück des Jugendlichenprogramms<br />

gedacht, waren die Stücke<br />

beim ersten Markt so erfolgreich, dass sie<br />

seitdem regelmäßig von den Jugendlichen<br />

hergestellt werden. Für die Jugendlichen<br />

bedeutet es ein erstes Heranführen an den<br />

Werkstoff Ton. Da er im plastischen, also<br />

ursprünglichen Zustand verarbeitet wird,<br />

lernen sie zuerst, ihn zu kneten, zu for-<br />

Einen Scheck über 1200 Euro hat Klaus<br />

Hilsenbek vom Leitungsteam der <strong>Lebens</strong>-<br />

<strong>und</strong> Arbeitsgemeinschaft Lautenbach<br />

entgegennehmen dürfen.<br />

Großzügige Spender waren Vereine aus<br />

Nußdorf bei Überlingen: der Theaterverein,<br />

die Feuerwehr, der Musikverein <strong>und</strong><br />

die Narrenzunft »Nußdorfer Schnecken«.<br />

Sie veranstalten in jedem Jahr in der Fasnet<br />

gemeinsam einen Kehrausball, dessen Erlös<br />

einem guten Zweck zugeführt wird. In<br />

diesem Jahr war die Dorfgemeinschaft mit<br />

ihren 150 betreuten Menschen Nutznießer<br />

dieser traditionell sehr gut besuchten<br />

Veranstaltung. Sehr zufrieden waren<br />

die Vereinsvorsitzenden Ursula Mahl, Roland<br />

Widenhorn, Anja Kretz <strong>und</strong> Klaus<br />

Mahl mit dem Verwendungszweck der<br />

Spende. »Wir werden das Geld für den<br />

Umbau der Tonwerkstatt verwenden, in<br />

der ein spezieller Förderbereich eingerichtet<br />

wird«, sagte Klaus Hilsenbek, der gleich<br />

noch in Aussicht stellte, den symbolischen<br />

Scheck zu Jedermanns Einsichtnahme an<br />

die eigens eingerichtete »Spendenwand«<br />

zu heften. Anthia Schmitt<br />

men, zu Kugeln oder Würsten zu verarbeiten.<br />

Rebecca Zimmermann, Arbeitserzieherin<br />

im Anerkennungsjahr, hat alle Hände<br />

voll zu tun, wenn sie mit den Jugendlichen<br />

arbeitet. Denn Arbeit <strong>und</strong> Spiel ist nicht<br />

das gleiche, <strong>und</strong> nicht jeder Jugendliche<br />

versteht das auf Anhieb. Seitdem Rebecca<br />

in der Tonwerkstatt arbeitet, läuft das Jugendlichenprogramm<br />

kontinuierlich <strong>und</strong><br />

die Musterschüsseln, als ein Produkt der<br />

Schüler, gehen ständig vom Band. Und<br />

wenn auch beide, Rebecca wie die Jugendlichen,<br />

des öfteren an ihre Grenzen geraten,<br />

gemeinsam sind sie auch ein gutes<br />

Stück darüber hinausgekommen.<br />

Und als letztes hier noch ein spezielles<br />

Projekt von Rebecca mit Sandra, einer jungen<br />

Frau im Förder- <strong>und</strong> Betreuungsstatus<br />

(FUB).<br />

An einem Tag im September 2007: Ein<br />

Tag wie jeder andere – möchte man meinen.<br />

Statt kleine Kacheln zu stampfen, zerpflückt<br />

Sandra den Ton. Die kleinen<br />

Stücke nimmt sie, um damit ihre Kollegen<br />

zu bewerfen. Ihr Pausenbrot zerkrümelt<br />

sie <strong>und</strong> verstreut es auf dem Boden. Sie kotet<br />

sich wiederholt ein <strong>und</strong> versucht alles<br />

Mögliche, um die Aufmerksamkeit auf<br />

sich zu ziehen, sich in den Mittelpunkt zu<br />

stellen. Inzwischen hat sie fast eine 1:1-Betreuung.<br />

Ihr Verhalten ändert sich jedoch<br />

nicht, im Gegenteil, es wird noch schlimmer.<br />

Sandras Wesen pendelt zwischen Destruktivität<br />

<strong>und</strong> Sonnenschein. Und sie hat<br />

oft genug die andere Seite gezeigt. Eine<br />

clowneske Art, die sie gerne in den Vordergr<strong>und</strong><br />

stellt, getreu dem Motto »Das<br />

Leben ist eine große Spielwiese <strong>und</strong> ich<br />

will meinen Spaß«. Seinerzeit jedoch lebte<br />

sie ihre destruktive Art, zerstörte eigene<br />

Produkte <strong>und</strong> die von Kollegen, zwickte<br />

<strong>und</strong> kniff.<br />

Eine neue Strategie war gefragt. Ihr zuliebe,<br />

damit sie ihre sonnige Seite wiederfindet<br />

<strong>und</strong> den anderen Mitarbeitern zuliebe.<br />

Es gibt noch fünf andere Betreute<br />

mit FUB-Status. Es kommt zu einer Krisenbesprechung.<br />

Meik Fischer wird hinzugezogen.<br />

Er ist Fachkraft für Krisenma-<br />

nagement. Gemeinsam wird eine mittelfristige<br />

Strategie erstellt, um Sandra wieder<br />

mit ihrer konstruktiven Seite in Kontakt zu<br />

bringen.<br />

Inzwischen sind mehrere Monate vergangen.<br />

Sandra hat ein sehr aufwändiges<br />

Programm hinter sich. Phasen mit viel Zuwendung<br />

wechselten mit weniger Zuwendung<br />

ab. Es wurde ein Programm erstellt,<br />

in dem klare Regeln definiert wurden,<br />

konstruktives Mitarbeiten mit positiven<br />

Verstärkern unterstützt wurde. Ein gegenseitiges<br />

Abtasten <strong>und</strong> erneutes Kennenlernen,<br />

ein Prozess bei dem sich jeder von antrainierten<br />

<strong>und</strong> gewohnten Verhaltensmustern<br />

lösen musste <strong>und</strong> sich neue Wege der<br />

Kommunikation öffneten. Es wurde für<br />

beide Seiten ein fruchtbarer Weg.<br />

Sandra ist zunehmend selbstständiger<br />

geworden. Sie stampft ihre Kacheln, ohne<br />

diese zu zerpflücken. Ihre Technik hat sich<br />

deutlich verbessert. Der Gummihammer<br />

wird jetzt von oben nach unten geschwungen<br />

<strong>und</strong> nicht von der Seite.<br />

Sie stampft gleichmäßig, bis die Kacheln<br />

fertig sind, danach steht sie auf <strong>und</strong><br />

schneidet in Begleitung überschüssigen<br />

Ton ab. Toilettengänge sind inzwischen<br />

eine Selbstverständlichkeit. Sie lässt sich<br />

von Rebecca bei der Arbeit anfeuern, wenn<br />

diese sie mit selbst gedichteten Liedern begleitet:<br />

Sa-a-andra, Sa-a-andra,<br />

sta-a-ampft den To-on,<br />

sta-a-ampft den To-on,<br />

mit dem Gummihammer,<br />

mit dem Gummihammer<br />

Ding Dang Dong, Ding Dang Dong<br />

Tobias Bieler<br />

Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser, in beiliegendem<br />

Prospekt wird das Besondere<br />

an der neu organisierten Tonwerkstatt<br />

beschrieben. Wir würden<br />

uns sehr freuen, wenn Sie uns in unserem<br />

Bestreben unterstützen, diesen<br />

Arbeitsbereich für Menschen mit besonderem<br />

Hilfebedarf aus- beziehungsweise<br />

umzubauen.<br />

Ihr Klaus Hilsenbek<br />

Fasnetball hilft beim Umbau der Tonwerkstatt Chor singt beim Kneipenabend<br />

Klaus Mahl, Ursula Mahl, Roland Widenhorn <strong>und</strong> Anja Kretz von den Nussdorfer Vereinen<br />

übergaben Klaus Hilsenbek (zweiter von links) einen Scheck über 1200 Euro. Das Geld wird für<br />

den Umbau der Tonwerkstatt verwendet. Foto: Anthia Schmitt<br />

Der Pfullendorfer Chor »Chips & Flips«, der von Veronika Treubel geleitet wird <strong>und</strong> im kommenden<br />

Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert, hat bei den betreuten Menschen <strong>und</strong> ihren Betreuern<br />

in der <strong>Lebens</strong>- <strong>und</strong> Arbeitsgemeinschaft Lautenbach für eine Superstimmung gesorgt. Die<br />

Sängerinnen <strong>und</strong> Sänger gestalteten unter der Leitung von Josef Blender im April den monatlichen<br />

»Kneipenabend« im Kulturcafé mit bekannten Schlagern. Die Lautenbacher genossen den fetzigen<br />

Auftritt <strong>und</strong> waren derart begeistert, dass sie gern in die schwungvollen Melodien einstimmten <strong>und</strong><br />

sogar munter das Tanzbein schwangen. Text/Foto: Anthia Schmitt

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