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Haftungs- und<br />

Versicherungsrecht<br />

Nur ein grober ärztlicher Diagnosefehler<br />

führt zur Beweislastumkehr<br />

OLG Koblenz 30.11.2006, 5 U 209/06<br />

Ärzte begehen keinen groben Diagnosefehler, wenn sie auf einer<br />

Computertomographie (CT) einen Tumor nicht erkennen, der in<br />

dieser Lokalisation nur äußerst selten vorkommt. In einem solchen<br />

Fall ist lediglich von einem „Aufmerksamkeitsfehler“ auszugehen,<br />

der keine Umkehr der Beweislast zugunsten des Patienten<br />

zur Folge hat. Daher muss der Patient beweisen, dass die Schäden,<br />

die er erlitten hat, auf der fehlerhaften Diagnose des Arztes<br />

beruhen.<br />

Der Sachverhalt:<br />

Der Kläger ist seit 1990 wegen Beschwerden im HNO-Bereich in<br />

fachärztlicher Behandlung. Sein behandelnder Arzt überwies ihn<br />

1995 an den Beklagten, der eine coronare Computertomographie<br />

(CT) erstellte. Hierbei übersah er einen Tumor in den Nasennebenhöhlen<br />

des Klägers. Als sich der Kläger 1998 in eine Universitätsklinik<br />

begab, ergaben die dort durchgeführten Untersuchungen<br />

einen bösartigen Befund. Der vom Kläger angerufene Schlichtungsausschuss<br />

der Landesärztekammer kam zu dem Schluss,<br />

dass die CT vom Beklagten „vermeidbar fehlerhaft befundet“<br />

worden sei.<br />

Der Kläger verlangte vom Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld.<br />

Er trug vor, dass der Beklagte bereits 1995 eine Empfehlung<br />

zur Operation hätte aussprechen müssen. Der Tumor hätte dann<br />

bereits im Anfangsstadium behandelt werden können mit der Folge,<br />

dass der nach zwei Operationen eingetretene vollständige Verlust<br />

des Geruchssinns und weitgehende Verlust des Geschmackssinns<br />

hätten vermieden werden können. Das gelte auch für weitere<br />

Folgeschäden und ständig notwendige Behandlungen.<br />

Die Klage hatte keinen Erfolg.<br />

Die Gründe:<br />

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz<br />

und Schmerzensgeld. Der insoweit beweisbelastete<br />

Kläger konnte nicht nachweisen, dass die Schäden, die er erlitten<br />

hat, auf der fehlerhaften Diagnose des Beklagten beruhen.<br />

Dem Kläger kommen auch keine Beweiserleichterungen zugute.<br />

Im Hinblick auf Beweiserleichterungen ist zwischen zwei Fallgestaltungen<br />

zu unterscheiden. Zum einen kann ein Verstoß des<br />

Arztes gegen die Pflicht zur Erhebung und Sicherung des Befundes<br />

die Umkehr der Beweislast bewirken. Zum anderen kommt<br />

dies in Betracht, wenn der Arzt den erhobenen Befund - wie vorliegend<br />

- falsch auswertet. Zu einer Beweislastumkehr führt dies<br />

aber nur, wenn ein fundamentaler Diagnosefehler im Sinn eines<br />

groben Behandlungsfehlers vorliegt.<br />

Im Streitfall liegt kein grober Behandlungsfehler vor. Der vom<br />

Gericht berufene Sachverständige hat darauf verwiesen, dass<br />

eine Tumorerkrankung in dieser Lokalisation äußerst selten vorkommt.<br />

Der Sachverständige hat die CT-Aufnahmen acht weiteren<br />

Kollegen gezeigt und nur die Hälfte hat eine Veränderung<br />

und damit einen möglichen Befund erkannt. Daher beruht die<br />

Fehldiagnose des Beklagten lediglich auf einem für die Beweislastumkehr<br />

unbeachtlichen „Aufmerksamkeitsfehler.<br />

Bundestag bringt das neue Versicherungsvertragsrecht<br />

auf den Weg<br />

Der Bundestag hat am 1.2.2007 in erster Lesung über den Gesetzentwurf<br />

zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (VVG)<br />

beraten. Hiernach müssen Versicherungen ihre Kunden vor Vertragsabschluss<br />

umfassend beraten und die Gespräche dokumentieren.<br />

Außerdem sieht das neue Versicherungsrecht umfangreiche<br />

Änderungen bei der Beteiligung der Versicherten an stillen<br />

Reserven des Versicherers und bei der Berechnung des Rückkaufwerts<br />

von Lebensversicherungen vor. Das Gesetz soll zum<br />

1.1.2008 in Kraft treten.<br />

Der Gesetzentwurf beinhaltet die folgenden Kernpunkte:<br />

Beteiligung an stillen Reserven<br />

Die Versicherten sollen künftig einen Anspruch auf Überschussbeteiligung<br />

haben. Dazu gehören dann erstmals auch die so genannten<br />

stillen Reserven. Damit haben die Versicherten Anspruch auf<br />

Beteiligung an den Gewinnen, die nicht realisiert wurden, soweit<br />

sie durch ihre Beiträge erwirtschaftet worden sind.<br />

Außerdem sollen die Versicherten, die ihre Lebensversicherung<br />

wenige Jahre nach dem Vertragsschluss kündigen, einen höheren<br />

Rückkaufwert als bisher üblich erhalten. Derzeit verrechnen die<br />

Versicherungen die gezahlten Prämien häufig in den ersten beiden<br />

Vertragsjahren mit den Abschlusskosten des Vertrags. Künftig soll<br />

die Verrechnung auf die ersten fünf Jahre gestreckt werden.<br />

Mit diesen Vorgaben wird der Entscheidung des BVerfG vom<br />

26.7.2005 (Az.: BvR 80/95) zur Überschussbeteiligung bei<br />

Lebensversicherungen und der Entscheidung des BGH vom<br />

12.10.2005 zur Berechnung von Mindestrückkaufwerten (Az.: IV<br />

ZR 162/03) Rechnung getragen, worin die Gerichte eine Überschussbeteiligung<br />

der Versicherten beziehungsweise eine Änderung<br />

der Berechnung von Rückkaufwerten eingemahnt hatten.<br />

Beratung und Information der Verbraucher<br />

Versicherungen müssen ihren Kunden künftig vor der Unterzeichnung<br />

des Vertrags alle relevanten Unterlagen aushändigen.<br />

Außerdem müssen die Kunden über Vertragsdetails wie Staffelungen<br />

und Laufzeiten vorab informiert werden. Die Beratung<br />

muss dokumentiert werden. Verletzen die Versicherungen diese<br />

Beratungs- und Dokumentationspflichten, machen sie sich schadensersatzpflichtig.<br />

Der Versicherungsnehmer kann allerdings<br />

auch auf Beratung und Dokumentation verzichten.<br />

Außerdem muss der Kunde vor der Vertragsunterzeichnung nur<br />

noch diejenigen Umstände angeben, nach denen der Versicherer<br />

schriftlich gefragt hat. Damit liegt das Risiko einer Fehleinschätzung,<br />

ob ein Umstand für das versicherte Risiko erheblich ist,<br />

nicht mehr beim Kunden.<br />

Direktanspruch in der Pflichtversicherung<br />

Bei allen Pflichtversicherungen wird der Geschädigte künftig<br />

einen Direktanspruch gegen den Versicherer erhalten. Die Regelung<br />

des für die Kraftfahrzeugversicherung geltenden Pflichtversicherungsgesetzes<br />

wird in das VVG übernommen und gilt künftig<br />

für alle Pflichtversicherungen.<br />

Allgemeines Widerrufsrecht<br />

Künftig können alle Versicherungsverträge unabhängig vom Vertriebsweg<br />

und ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Bisher<br />

galt das nur bei Fernabsatzverträgen. Außerdem können nach<br />

dem neuen Recht alle Versicherungsnehmer ihre Vertragserklärung<br />

widerrufen, also nicht nur Verbraucher, sondern zum Beispiel<br />

auch Handwerker und Freiberufler. Die Widerrufsfrist beträgt zwei<br />

Wochen, bei der Lebensversicherung 30 Tage. Die Frist beginnt<br />

03/2007 <strong><strong>Anwalt</strong>swoche</strong> 4

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